Franz Jung Als Außenseiter“
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Diplomarbeit Titel der Diplomarbeit „Franz Jung als Außenseiter“ Verfasserin Gisela Hairer Angestrebter akademischer Grad Magistra der Philosophie (Mag.phil.) Wien, im Februar 2011 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 332 Studienrichtung lt. Studienblatt: Diplomstudium Deutsche Philologie Betreuer: Univ. Prof. Dr. Michael Rohrwasser Gewidmet meinem Mann Peter und meinem Sohn Michael - 2 - I NHALTSVERZEICHNIS Seite I. Einleitung 6 - 8 II. Die Figur des Außenseiters 8 - 9 A. Das Außenseitertum als seine Lebensrolle 10 - 11 1. Frühe Entwicklungsabschnitte 11 1.1. Prägungen in der Kindheit 11 - 16 1.2. Loslösung vom familiären Diktat 17 - 18 1.3. Aufbruch in das Ungewisse 19 2. Politische Aktivitäten 20 2.1. Münchner Boheme 20 - 22 2.2. Berliner Aktions-Kreis 23 2.3. Freiwilliger Kriegsdienst 24 - 28 3. Revolutionäre Aktionen 28 - 29 3.1. Deutsche Republik - Freie Sozialistische Republik 30 - 31 3.2. Spartakus – Kommunistische Partei Deutschlands 32 - 35 3.3. KAPD – Kommunistische Internationale 36 - 40 3.4. Verhaftung wegen Landesverrats auf hoher See 40 - 41 3.5. Mansfeldscher Osteraufstand März 1921 42 - 43 4. Russlandmission 43 4.1. Flucht nach Russland 43 - 46 4.2. Internationale Arbeiterhilfe 46 - 49 4.3. Aufbau von Fabriken 49 - 53 - 3 - Seite 5. Widerstand gegen das Staatssystem 53 5.1. Neue Identität im Schatten des Lebens 53 - 55 5.2. Aktivitäten vor dem Zweiten Weltkrieg 55 - 57 5.3. Nationalsozialismus an der Macht 58 - 60 5.4. Widerstand gegen die Nazidiktatur im Ausland 60 - 62 5.5 Verhaftungen – Lageraufenthalte 63 - 64 6. Nach dem Zweiten Weltkrieg 65 6.1. Warten auf die Ausreise 65 - 68 6.2. „33 Stufen abwärts“ 68 - 72 B. Jungs Blick auf andere Außenseiter 73 1. Der Psychoanalytiker Otto Groß 73 - 74 1.1. Freundschaft mit Otto Groß 74 - 78 1.2. Pressekampagne zur Befreiung 79 - 81 1.3. Das langsame Sterben des Otto Groß 82 - 83 2. Der „Biosoph“ Ernst Fuhrmann 83 - 84 2.1. Zusammenarbeit mit Ernst Fuhrmann 84 - 85 2.2. Emigration nach Amerika 85 - 87 3. Anton Wenzel Gross 87 - 89 C. Außenseitertum in der Spiegelung seiner literarischen Figuren 90 1. Die Telepathen 90 - 92 2. Der Fall Gross 92 - 95 3. Die Erlebnisse der Emma Schnalke 96 - 98 4. Das Jahr ohne Gnade 99 - 106 - 4 - Seite III. Schlusswort 107 IV. Literaturverzeichnis 108 - 112 V. Anhang 1. Zusammenfassung 113 2. Abstract 114 3. Lebenslauf 115 - 5 - I. Einleitung In meiner Diplomarbeit versuche ich, den Menschen Franz Jung in der Vielfältigkeit seines Außenseitertums zu erfassen bzw. seinen Wesenszügen nahe zu kommen, sei es in seiner Rolle als Student, Wirtschaftsfachmann, Börsenspezialist, Expressionist, „Dadatrommler“, Dramaturg, oder aber auch als Deserteur, Schiffsentführer und Geheimdienstmann; wobei sich die Spuren seines Wirkens eher in Nischen und Fußnoten der Literatur als in plakativen Ankündigungen finden lassen. Nichts hat seinen Ruf als Abenteurer so geprägt wie die Entführung eines Fischdampfers, um nach Russland zu gelangen. Sprühend vor Intellektualität und Sendungsbewusstsein trifft er dort anlässlich seiner „Russlandmission“ auf Führungsgrößen der Sowjetmacht wie Lenin und Bucharin; ein Umstand, der während seines zweiten Russlandaufenthaltes die Möglichkeit bietet, am Aufbau von zwei Fabriken mitzuhelfen. Er wirkt in seiner Geistigkeit wie ein franziskanischer Asket und macht den Satz des Mystikers Thomas von Kempen aus dem 15. Jh.: „Was suchst du Ruhe, wenn du zur Unruhe geboren bist?“ zu seinem Lebensmotto. Es ist die „Unruhe“, die Jung in seinem Leben zu Veränderungen antreibt. Eines seiner Wesensmerkmale ist sein fortdauerndes Abtauchen oder Verschwinden, das als seine individuelle Grundhaltung immer dann verstärkt hervortritt, wenn sich in seinen wirtschaftlichen, politischen und literarischen Aktivitäten Erfolge abzeichnen. Dieses Phänomen des Entgleitens aus der Gesellschaft erschwert es, seine Fährte wieder aufzunehmen. Dazu zählt auch sein Sich-Verbergen hinter neuen Identitäten und Tarnadressen zum Schutz vor steckbrieflichen Verfolgungen. In einem Wechselspiel zwischen Inszenierung und Realität scheint er sich in der Rolle der Selbstdarstellung am besten zu gefallen. Durch die in seiner Literatur dargestellten zwei Ebenen, die auf der einen Seite die historische Wirklichkeit, auf der anderen den literarischen Bildentwurf zeigen, entzieht er sich eines jeden Etikettierungsversuchs. Aus seinen expressionistischen Romanen und Erzählungen wähle ich jene Abschnitte seines Lebens, die ihn als Außenseiter der Gesellschaft vorstellen. Ich will den - 6 - Einzelgänger Franz Jung in seiner frühen Entwicklung als Kind und Jugendlichen im Elternhaus, während der studentischen Befreiungsversuche, seinen politischen Aktivitäten und revolutionären Aktionen anhand ausgewählter Texte und Briefe darstellen. Meine Arbeit soll eine Annäherung an sein Leben und den damit verbundenen Brüchen und Verwerfungen im historisch-gesellschaftlichen Kontext der Weimarer Republik sein. In einem weiteren Aspekt zeige ich den aus einer bürgerlichen Welt stammenden Franz Jung, der sich für den Kommunismus einsetzt, um später als Renegat der kommunistischen Politik den Rücken zu kehren. Ebenso widme ich mein Augenmerk dem Versuch einer marxistischen Kollektivierung, die nicht bruchlos verläuft, wobei allzu oft sozietäre Ansprüche in Kollision zu Jungs eigenen Ideen geraten und zu Auslösern von Konflikten werden. Er erkennt die Divergenz zwischen Individuum und Masse als ein Hindernis, um eine vollständige Vergesellschaftung der Menschen zu erreichen. Diejenigen, die sich gegen eine totale Vereinnahmung zur Wehr setzen, werden als Unangepasste von der Gesellschaft zu Außenseitern deklassiert. Darüber hinaus will ich seinen virtuosen Umgang mit Polizei, Psychiatrie, Gerichten und Sicherheitsbehörden in den verschiedenen Ländern analysieren. Neben der Darstellung seines außergewöhnlichen Daseins als Grenzgänger nahe der Illegalität und manchmal die Grenzmarken überschreitend, zeige ich auch seine persönlichen Begegnungen mit anderen Außenstehenden und demonstriere dies anhand seines Blicks von außen auf fremde Einzelgänger wie den österreichischen Psychoanalytiker Otto Groß, den wahngeplagten Anton Wenzel Gross und den philosophierenden „Biosophen“ Ernst Fuhrmann. Sie werden für gewisse Lebensabschnitte seine Freunde und beeinflussen sein Leben und sein Werk. Im letzten Kapitel meiner Arbeit werde ich den Außenseitertypus in Franz Jungs Werken vor dem historischen Kontext und der ideologischen Überfrachtung während der Weimarer Republik und im Zweiten Weltkrieg beschreiben. Zur Darstellung der literarischen Randfiguren habe ich die Erzählungen Die Telepathen und Der Fall Gross, die das Weltbild des Paranoikers Anton Wenzel Gross illustrieren, die Novelle Die Erlebnisse der Emma Schnalke, die das Leben seiner ersten Frau Margot schildert, sowie den Roman Das Jahr ohne Gnade, der das Schicksal seiner Tochter - 7 - Dagny zum Inhalt hat, gewählt. In seinen Texten verschmelzen biographische Wahrheit und expressionistische Dichtung vor dem Spannungsfeld von Boheme, Psychoanalyse und Anarchismus. Doch hinter diesen literarischen Protagonisten verbergen sich Menschen, die für eine bestimmte Zeit im Zentrum seines Lebens gestanden sind. II. Die Figur des Außenseiters Wer sind diese Persönlichkeiten, die von der Gesellschaft als Außenseiter bezeichnet werden, und denen man mit Vorbehalten und Distanz begegnet? Der so genannte Außenseiter wird nicht geboren, sondern von der Umwelt dazu erzogen. Es sind Menschen, die ihr eigenes Leben nicht nach den vorgegebenen Wertvorstellungen und kulturellen Traditionen, die von der Mehrheit der Bevölkerung getragen werden, ausrichten. Der Außenseiter kann in unterschiedlichen Gestalten als „Rebell und Eremit, Traumtänzer und Eigenbrötler, Menschheitspionier und Gottesnarr, Don Quijote, Robinson und Kapitän Nemo“1 auftreten. Auch auf dem Gebiet von Wissenschaft, Kunst, Technik oder Sport kann er Altes für Innovatives durchbrechen und den Weg für Revolutionäres ebnen. Gerade durch die Überwindung der festgefahrenen Gewohnheiten gelingt es ihm, ausgetretene Pfade des bereits Bekannten zu verlassen, um sich neuen Herausforderungen zu stellen. Er kann ein Grenzgänger aus Leidenschaft sein, der anderen Menschen auf deren Weg der Befreiung von tradierten Ansichten Anstöße gibt und sie mit seiner Überzeugungskraft mitreißt. Dabei sind Gefahren für ihn und seine Anhänger kein Hindernis, sondern im Gegenteil; sie sind ein zusätzlicher Anreiz im Kampf gegen die Enge des Denkens. Auf der anderen Seite ist es möglich, dass sich der Außenseiter in seiner Obsession in „Erlösungsphantasien versteigen“2 kann, und dadurch seinen Mitmenschen gerade das verweigert, was er selber beansprucht: nämlich die Selbstbestimmung über die eigene Person. Er ist zwar ein „Randgänger“, aber eine „Randfigur ist er nicht.“3 Die 1 Mierau, Fritz und Sieglinde: Almanach für Einzelgänger. Hamburg 2001, S. 7. 2 Ebd. S. 8. 3 Ebd. S. 7. - 8 - Menschheit bedarf jedoch dieser Abweichler von den Konventionen, um mit ihrer Hilfe eine Erneuerung der Gesellschaft zu erreichen. Solche Züge eines Außenseiters finden sich bei Franz Jung, wenn er seinen Ideen im Politischen, Wirtschaftlichen oder Künstlerischen nacheifert. Jungs Initiativen schlagen sich sowohl bei der Mitbegründung der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD), als auch bei Verlagen, Zeitschriften und Wirtschaftsunternehmungen mit Patent- und Versicherungsverkäufen nieder. In seiner Kreativität pendelt der Grenzgänger Jung zwischen Wirtschaft, Literatur und Politik, und seiner Vielfalt sind keine Grenzen