Commarmot, B.; Schmidt, R. 2011. Wildnis für Erholungsuchende im Sihlwald. In: Brang, P.; Heiri, C.; Bugmann, H. (Red.). Waldreservate. 50 Jahre natürliche Waldentwicklung in der Schweiz. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL; Zürich, ETH Zürich. Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 94-107. 6.1 Wildnis für Erholungsuchende im Sihlwald

Brigitte Commarmot und Ronald Schmidt Der rund 1100 ha grosse Sihlwald liegt im Bal- lungsraum Zürich zwischen der - und der Zimmerbergkette. Zusammen mit den angrenzen- den Gebieten bildet er den grössten zusammen- hängenden Buchenmischwald im Schweizer Mit- telland. Seit dem Jahr 2000 ist die Holznutzung auf der ganzen Fläche eingestellt. Heute bildet der Sihlwald zusammen mit dem Wildpark Lan- genberg den Wildnispark Zürich. Das Naturwald- reservat ist unterteilt in eine Kernzone mit Wege- gebot und eine Naturerlebniszone, in welcher der Wald frei betreten werden darf. Im Sihlwald kön- nen die Besucher den Wald-Kreislauf, das Werden und Vergehen im Naturwald hautnah erleben.

Die Buche ist in Wäldern der Mittel- und Tiefagen sehr konkurrenzstark. Im Sihlwald ist sie auf fast 90 Prozent der Fläche die von Natur aus herrschende Baumart. Steckbrief Naturwaldreservat Sihlwald

Der grösste Teil des Sihlwaldes liegt linksseitig Reste von Höherem Deckenschotter. Über der Mo- der an der Nordostfanke der Albiskette. Am lasse liegen teilweise fächige Ablagerungen des besten erkundet man das Reservat auf einem der Linthgletschers, der bei seinem Rückzug nach der vielen Wanderwege. Als Ausgangspunkte für Wan- Eiszeit sandig-tonige Grund- und Seitenmoränen derungen eignen sich zum Beispiel das Besucher- hinterliess. Dadurch entstanden staunasse Mul- zentrum nahe der Bahnstation Sihlwald oder die den mit kleinen Tümpeln und Rieden. Nach dem Busstation Albis Passhöhe. Der Hochwachtturm Rückzug des Gletschers am Ende der letzten Eis- zwischen Albispass und Schnabellücke, etwa 1,5 km zeit kam es links der Sihl zu Hangrutschungen und vom Albispass auf 879 m ü.M. gelegen, bietet ei- Sackungen. Zahlreiche Seitenbäche der Sihl haben nen grandiosen Ausblick über das Sihltal und die sich in die Hänge eingefressen. Die teilweise wil- Zimmerbergkette, auf den Zürichsee sowie gegen den Bachtobel sind erosionsanfällig, so dass es im- die Zentral- und Ostschweizer Alpen (Abb. 6.1.1). mer wieder zu Rutschungen kommt. Die Sihl fiesst im unteren Sihltal parallel zum Die gegen die Sihl steil abfallende - Zürichsee in einer engen Talrinne zwischen der fanke zeigt zahlreiche Molassefels-Aufschlüsse Albiskette mit den höchsten Punkten Bürglen mit horizontalen Schichten aus hartem Sandstein (915 m) und Albishorn (909 m) und der niedrige- und weichem Mergel. In den facheren Bereichen ren Zimmerbergkette (max. 700 m). Die Talsohle des Zimmerbergs ist die Molasse von Moränen liegt auf etwa 500 m ü.M. überlagert. Klimatisch liegt der Sihlwald im Übergangsbe- Geologisch gehört der Albis zur oberen Süsswas- reich von der submontanen zur unteren monta- sermolasse und besteht vor allem aus Mergel und nen Zone. Die jährliche Niederschlagssumme liegt Sandstein. Nur an wenigen Orten tritt Molasse- bei 1300 bis 1400 mm, die mittlere Jahrestempe- Nagelfuh auf [1, 2]. Am Albiskamm fnden sich ratur bei 6 bis 8 °C.

Josenwald Follatères obersubalpin 40 38

dürr Pfynwald subalpin 65

trocke n Bois de hochmontan Nationalpark National- Chênes, Tariche 58, 59 Josenwald 15 park 69 12, 14 obermontan Bois de Chênes, Aletsch- Josenwald, wald Leihubel- Sihlwald untermontan wald 19 57, 59 Sihlwald 9 7, 8 Sihlwald, Scatlè, Seeliwald, submontan Derborence Bois de Chênes Bödmerenwald 50 11 57 St. Jean kollin Scatlè, 21 Bödmerenwald 60 Leihubelwald

feucht 46, 49

nas s Position des Reservats Sihlwald Seeliwald im Wasserhaushalt-Basengehalt- 71 Ökogramm. sauer basisch Kanton Steckbrief Naturwaldreservat Sihlwald Zürich 6.1

Gemeinden , Langnau a. A., Oberrieden, Hirzel, Thalwil, Hausen a. A.

Waldbesitzerin Stadt Zürich

Trägerschaft Stiftung Wildnispark Zürich

Landeskarte 1:25 000 1111 Albis

Koordinaten 684.600 / 234.350

Naturwaldreservat 918,6 ha

Meereshöhe 467 bis 915 m 001 0.5 1 2 KilometerKilometer

Abb. 6.1.1. Ausblick vom Hochwachtturm auf den Sihlwald, im Hintergrund der Zürichsee und die Alpen. 98 Waldreservate

Waldgesellschaft Einst Brennholzlieferant der Stadt Zürich

Der Sihlwald ist geprägt von Buchen-Waldgesell- Ob die Stadt Zürich tatsächlich im Jahre 1309 in schaften. Aus den Verwitterungsprodukten der den Besitz des oberen Sihlwaldes kam [6], als oberen Süsswassermolasse haben sich in den ter- Belohnung für ihre «neutrale» Haltung im Ra- rassenartigen und mässig steilen Zonen des Albis- chefeldzug der Habsburger gegen die Mörder hanges tiefgründige, frische bis feuchte, lehmig- König Albrechts, ist nicht klar erwiesen. Sicher tonige, nährstoffreiche Braunerden entwickelt. ist, dass der Sihlwald im 14. Jahrhundert als Nut- Darauf wachsen Waldmeister- und Waldhirsen- zungsgebiet der Stadt Zürich dokumentiert ist [7]. Buchenwälder (Galio odorati-Fagetum typicum, 1335 erwähnte der Zürcher Stadtschreiber erst- EK 7; Milio-Fagetum, EK 8) sowie die kalklieben- mals einen «Pfeger des Sihlwaldes» und Mitte den Lungenkraut-, Aronstab- und Zahnwurzbu- des 14. Jahrhunderts wurde das «Ampt über den chenwälder (Pulmonaria-Fagetum typicum, EK 9; Sihlwald» geschaffen, das vom Sihlwaldmeister Aro-Fagetum, EK 11; Cardamino-Fagetum typi- oder «Sihlherrn» geführt wurde. Dieser war da- cum, EK 12). Zusammen nehmen diese Waldge- für verantwortlich, die Stadt mit Brennholz aus sellschaften mehr als drei Viertel des Sihlwaldes dem Sihlwald zu versorgen und die Holzschläge ein. Dank der abwechslungsreichen Topographie und die Flössung auf der Sihl zu überwachen. Die mit Rutsch- und Steilhängen, ausgedehnten, fach Sihl war im Verlaufe des ganzen Mittelalters Zü- abfallenden Terrassen und staunassen Mulden ist richs wichtigster Holzzubringer, und zwar nicht die Standortvielfalt im Sihlwald jedoch ausseror- nur für Sihlwaldholz, sondern auch für Holz aus dentlich gross, so dass auf den gut 1100 ha 54 der dem höher gelegenen weiten Einzugsgebiet von 67 im Kanton Zürich vorkommenden Waldgesell- Einsiedeln [7]. schaften vertreten sind [3, 4]. Auf den nasseren Für die Regelung der Waldnutzung und der Standorten stocken Eschenwaldgesellschaften Flösserei erliess der Rat 1417 eine erste Forstord- sowie Erlen- und Föhren-Birken-Bruchwälder. nung, die in den folgenden Jahrhunderten mehr- Mit kleinen Teichen, Tümpeln, Quellfuren und mals erweitert und ergänzt wurde. Von Anfang Mooren bilden diese vielerorts besonders reizvol- an war die Stadt bestrebt, die Nutzungen im Sihl­ le Waldbilder. An den oft instabilen Steilfanken wald zu beschränken, um sich eine nachhaltige des Albisgrates und auf den Einhängen der Sei- Holzversorgung zu sichern. Die Höhe der Nutzun- tenbäche fndet man unter anderem Eiben-Bu- gen war aber weniger durch den Holzzuwachs, chenwälder und Pfeifengras- und Orchideen-Föh- als vielmehr durch den jährlichen Holzbedarf be- renwälder, auf den trockenen Kämmen und am dingt. südwestexponierten Abhang des Zimmerbergs Während Jahrhunderten wurde der Sihlwald auch Wärme liebende Seggen- und Blaugras-Bu- im Saumschlagbetrieb, bei dem die Bestände chenwälder. Streifen für Streifen geschlagen wurden, mit ei- Auf 85 bis 90 % der Sihlwaldfäche ist die Buche ner 80- bis 100-jährigen Umtriebszeit genutzt [5]. die herrschende Baumart. Unsicherheit besteht Zusätzlich wurde auch aus Durchforstungen Holz hinsichtlich des natürlichen Tannenanteils an bezogen. Aus zahlreichen Urkunden geht hervor, den schattigen Nordosthängen des Albis. Histori- dass im Sihlwald schon in der zweiten Hälfte des sche Quellen lassen vermuten, dass die Tanne im 17. Jahrhunderts eine «Säuberung» der jungen ausgehenden Mittelalter im Sihlwald eine grös­ Bestände durchgeführt wurde [8, 5]. 1838 trat an sere Rolle spielte als heute, während die Fichte Stelle der Saumhiebe ein allmählicher Abtrieb offenbar nur zerstreut eingesprengt war [5]. Die des Altholzes mit Lichtungshieben. Bei den aus- Bewirtschaftung begünstigte dann die Fichte, so gezeichneten Wuchsverhältnissen im Sihlwald dass diese heute stärker vertreten ist, als sie es von stellte sich schon im Saumschlagbetrieb meist ge- Natur aus wäre. nügend Naturverjüngung ein, so dass höchstens ergänzend gepfanzt wurde. Während zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch weitaus die meisten Bestände im Sihlwald auf natürliche Weise auf- gekommen waren, wurden im letzten Viertel des Sihlwald 99

18. Jahrhunderts in den unteren Hangpartien und Seilbahnen transportiert. In der gleichen Periode auf der mittleren Hangterrasse einige Flächen be- wurden auch die wichtigsten Hauptabfuhrstras­ pfanzt, meist mit Fichten [5, 6]. Noch bis Ende der sen erstellt. 1865, fünf Jahre nach Erstellung der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts erhöhte man den durchgehenden Sihltalstrasse, wurde die Flösserei Nadelholzanteil im Sihlwald, indem man Fichten auf der Sihl eingestellt. 1892 nahm die Sihltalbahn pfanzte, in kleinem Umfang auch Lärchen und den Betrieb auf, die dann den grössten Teil der Föhren. Die meisten Bestände wurden jedoch wei- Holztransporte nach Zürich bewältigte. terhin natürlich verjüngt. Die über mehrere Jahrhunderte immer wie- 1864 wurde im Sihlwald ein Werkplatz einge- der verordneten Nutzungsbeschränkungen ver- richtet, der bis 1880 zu einem modernen Holz- mochten eine Übernutzung des Sihlwaldes nicht verarbeitungsbetrieb mit Sägerei, Spalterei, zu verhindern [8, 5]. Die Holznutzung erreich- Dreherei, Imprägnieranstalt und Dämpferei aus- te ihren Höhepunkt zwischen 1880 und 1920. gebaut wurde [3]. 1876 wurde mit dem Bau einer Schneedruckschäden verschärften die Situation Waldeisenbahn begonnen (Abb. 6.1.2). In meh- zusätzlich. 1925 kam der ETH-Professor Knuchel reren Schlaufen wurde der Wald ob dem Werk- in einem Gutachten zum Schluss, dass im Sihlwald platz bis unter den Albiskamm erschlossen. Zu- Jungwaldfächen «in einer geradezu beängsti- sätzlich wurde das Holz mit Erd- und Holzriesen, genden Ausdehnung und mit geringen Altersun- auf Schlittwegen und mit schwerkraftbetriebenen terschieden» vorhanden seien [3]. Das Schwinden

Abb. 6.1.2. Brennholznutzung im Sihlwald um 1896. Teilnehmer eines Waldumgangs auf dem Trassee der transportablen Waldeisenbahn. Die Geleise sind auf langen Scheiterholzdämmen aufgelegt, neben den Geleisen ist Brennholz aufgeschichtet. Copyright: Stadtarchiv Zürich. 100 Waldreservate der Holzvorräte in den letzten Jahrzehnten wur- Schaffung stufger, altholzreicher Bestockungen de als katastrophal beurteilt und die Notwendig- aus Baumarten der natürlichen Waldgesellschaf- keit der Sanierung in einem Stadtratsbeschluss ten, um so die Entwicklung in einen Naturwald festgehalten. Durch Erhöhung der Umtriebszeit zu beschleunigen. Mit dem Waldgestaltungsplan auf mindestens 100 Jahre und die Einführung 1991–2001 [3] wurde damit begonnen, die Wal- der Plenterung oder des verfeinerten Schweizeri- dungen schrittweise aus der Nutzung zu entlas- schen Femelschlags in Kombination mit der Aus- sen. 1993 wurde ein erster Zonenplan verabschie- lesedurchforstung (Hochdurchforstung) sollte der det, der 46 % der Waldfäche einer Zone mit freier Durchschnittsvorrat von nur noch 208 m3 auf rund Waldentwicklung zuteilte. Seit 2000 ist die Holz- 350 m3 pro ha erhöht und der Zuwachs von 4 bis nutzung im ganzen Sihlwald eingestellt. 2009 hat 6 m3 auf 7 bis 9 m3 pro ha und Jahr angehoben das Bundesamt für Umwelt (BAFU) dem Wildnis- werden. In den folgenden Jahrzehnten erfolgte park Zürich Sihlwald das offzielle Label «Natur­ ein waldbaulicher und betriebswirtschaftlicher erlebnispark – Park von nationaler Bedeutung» Neubeginn. Der Holzverarbeitungsbetrieb wurde erteilt. Damit wurde der Sihlwald zum ersten und stillgelegt, und die Waldungen begannen sich un- bisher einzigen Naturerlebnispark der Schweiz. ter der verfeinerten waldbaulichen Behandlung allmählich zu erholen. Bis 1961 hatte der Vorrat auf 361 m3 pro ha zugenommen, 1970 sprach man Waldstruktur bereits von einer «drohenden Überalterung» des Waldes. Von 1961 bis 1981 wurden im Sihlwald Baumartenanteile und Waldstruktur sind im Sihl­ jährlich zwischen 8400 und 9500 m3 Holz genutzt wald noch stark durch die frühere Bewirtschaf- (8,3–9,6 m3 pro ha und Jahr), von 1981 bis 1990 tung geprägt. Dennoch fndet man schon heute rund 13 000 m3 (12,9 m3 pro ha und Jahr). Der Zu- wachs in der Periode 1981 bis 1990 lag bei 10 m3 pro ha und Jahr [9].

Von der Naturlandschaft zum Wildnispark Zürich Sihlwald

1985 lancierte der Stadtforstmeister Andreas Speich die Idee einer «Naturlandschaft Sihlwald». Der Sihlwald sollte nicht mehr der Holzproduktion dienen, sondern zu einem Naturerlebnisort wer- den, wo der Mensch die natürliche Entwicklung und Dynamik des Waldes beobachten und mitver- folgen kann. Die natürliche Dynamik und Rück- entwicklung des Waldes vom Wirtschafts- zum Naturwald sollte Gegenstand ökologischer, forst- licher sowie sozialwissenschaftlicher Forschung werden. 1991 nahm der Stadtrat die Realisierung der Naturlandschaft Sihlwald in seine Legislatur- ziele auf; 1994 wurde die Stiftung Naturland- schaft Sihlwald ins Leben gerufen. Im Dezember 2007 wurde schliesslich der Waldreservatsvertrag zwischen der Stadt und dem Kanton Zürich un- terschrieben und im Herbst 2008 die kantonale Schutzverordnung Sihlwald [10] in Kraft gesetzt. Bereits seit 1986 wurden im Sihlwald alle Holz- nutzungen ausschliesslich in Form von Durchfors- Abb. 6.1.3. Totholzreiche Waldpartien im Sihlwald tungen getätigt [3]. Ziel dieser Eingriffe war die vermitteln den Eindruck von Wildnis. Sihlwald 101

Waldpartien, in welchen Dürrständer und umge- Buche 39,1% stürzte, vermodernde Bäume den Eindruck eines Esche 11,8% Bergahorn 7,5% Naturwaldes und von Wildnis vermitteln (Abb. Spitzahorn 0,9% 6.1.3). Ulme 1,4% Die Buche ist mit 39 % Grundfächenanteil die ü. Laubb. 1,6% häufgste Baumart im Sihlwald, den zweitgröss- Fichte 25,0% ten Anteil hat die Fichte mit 25 %. Weit verbreitet Tanne 8,9% sind auch Weisstanne, Esche und Bergahorn (Abb. Lärche 1,8% 6.1.4). Nadelbäume haben zurzeit einen Anteil Föhre 1,0% Eibe 0,9% von 38 %. Die meisten Bestände sind noch mehr ü. Nadelb. 0,1% oder weniger gleichaltrig und weisen einen ho- mogenen Charakter auf [9]. Am häufgsten sind Abb. 6.1.4. Baumartenanteile nach Grundfäche. Mischbestände mit einem Oberdurchmesser von Gesamter Sihlwald. Daten der Stichprobeninventur des 40 bis 50 cm. Sie nehmen etwa 40 % der Sihlwald- Kantons Zürich 2003. ü. Laubb.: übrige Laubbäume; fäche ein. Daneben fndet man laub- und nadel- ü. Nadelb.: übrige Nadelbäume. holzreiche Stangenhölzer, aber auch grossfächig hallenartige Buchen-Althölzer mit beigemischten mächtigen Fichten, Tannen und teilweise auch Lärchen. Die ältesten Bestände im Sihlwald sind heute zwischen 150 und 180 Jahre alt. In einem etwa 150-jährigen Buchen-Altbestand legte die WSL im Jahr 2000 eine 11 ha grosse Die facheren Hänge im Sihlwald gehören zu den Kernfäche an, parallel zu einer entsprechen- wüchsigsten Waldstandorten der Schweiz. Die den Vergleichsfäche in einem Buchen-Urwald in Oberhöhe der Buche auf der Kernfäche liegt bei den ukrainischen Karpaten. Die Kernfäche liegt 42 m (Zustand 2005), einzelne Buchen sind sogar im Waldmeister-Buchenwald und repräsentiert 50 m hoch. Zwischen 2000 und 2005 sind jährlich damit eine der am stärksten verbreiteten Wald- 11,5 m3 Holz pro ha zugewachsen. Die Grundfä- gesellschaften im Sihlwald. Der Buchenanteil an che und der Vorrat des Buchenaltbestandes liegen der Grundfäche ist mit 73 % grösser als im Durch- mit 34 m2 beziehungsweise 550 m3 pro ha über schnitt des Sihlwalds; der Nadelbaumanteil be- dem Durchschnitt des Sihlwalds, aber unter den trägt 21 %. Ähnlich laubbaumreiche Altbestände entsprechenden Werten einer Vergleichsfäche im fndet man auf rund 18 % der Sihlwaldfäche. Der ukrainischen Buchenurwald Uholka (Tab. 6.1.1), Buchenbestand zeigt einen zweischichtigen Auf- vor allem weil dort mehr dicke Bäume stehen. bau. Begünstigt durch die früheren Durchfors- Die Mortalität ist in der Kernfäche im Sihl­ tungseingriffe hat sich unter dem Kronendach der wald zurzeit gering. Von 2000 bis 2005 starben Oberschicht eine jüngere Unterschicht eingestellt, durchschnittlich vier Bäume pro ha, also weniger was für viele der älteren Bestände im Sihlwald ty- als ein Baum pro ha und Jahr. Dabei handelte es pisch ist. Dies erkennt man auch in der Durchmes- sich hauptsächlich um unter- oder zwischenstän- serverteilung der Bäume auf der Kernfäche (Abb. dige Bäume (< 24 cm BHD), die im Konkurrenz- 6.1.5 links): Der Buckel im Säulendiagramm zeigt kampf um Licht unterlagen. Die meisten dieser die Oberschicht, deren Bäume mehrheitlich einen Bäume stehen noch als mehr oder weniger voll- BHD um 54 cm aufweisen, der abfallende Bereich ständige Dürrständer im Wald. Dicke Bäume der in den unteren Durchmesserklassen (BHD zwi- Oberschicht sind erst vereinzelt abgestorben, dies schen 8 und 24 cm) wird durch die Unterschicht im Unterschied zum Buchenurwald Uholka, wo gebildet. Ein ausgeprägter Buckel in der Durch- viele der Bäume von Pilzen befallen waren und messerverteilung ist typisch für gleichaltrige Be- brachen oder als ganze umstürzten, bzw. vom stände, nicht aber für Buchenurwälder, zumindest Wind geworfen wurden (Abb. 6.1.6). Dies über- nicht auf Flächen, die mehrere Hektaren gross rascht nicht, da Buchen in einem Urwald 300 bis sind (Abb. 6.1.5 rechts). Ungleichaltrige, stufge 400 Jahre, einzelne sogar über 500 Jahre alt wer- Bestände sind im Sihlwald selten und kommen den können [11, 12, 13]. Die Menge an stehendem nur kleinfächig vor. und liegendem Totholz ist mit 15 m3 pro ha noch 102 Waldreservate

BHD [cm] Buche Sihlwald 134 Uholka Weisstanne (Altbestand, etwa 150jährig) 130 (Urwald) Fichte 126 andere Baumarten 122 118 114 110 106 102 98 94 90 86 82 78 74 70 66 62 58 54 50 46 42 38 34 30 26 22 18 14 10

80 60 40 20 0 020406080 Stammzahl [N/ha] Stammzahl [N/ha]

Abb. 6.1.5. Durchmesserverteilung auf der 11 ha grossen Kernfäche im Sihlwald (links) und auf der 10 ha grossen Vergleichsfäche im ukrainischen Buchenurwald Uholka (rechts). Zustand 2005, Kluppschwelle 8 cm.

3,5 abgebrochen stehend ganz 3,0 liegend

2,5

2,0

1,5

Stammzahl [N/ha] 1,0

0,5

0,0 <16 16–24 24–36 36–52 52–80 ≥80 <16 16–24 24–36 36–52 52–80 ≥80 Buchenaltbestand Sihlwald Buchenurwald Uholka BHD-Klasse [cm]

Abb. 6.1.6. Stärkeklassenverteilung der von 2000 bis 2005 abgestorbenen Bäume auf der 11 ha grossen Kernfäche im Sihlwald und der 10 ha grossen Vergleichsfäche im Buchenurwald Uholka. Klassengrenzen: ≥ Untergrenze, < Obergrenze (z. B. ≥ 16 bis < 24); Kluppschwelle 8 cm.

Sihlwald 103

Tab. 6.1.1. Entwicklung von Bestandeskennwerten im Sihlwald (Gesamtwald und Kernfäche) und im Buchenurwald Uholka (Kernfäche). Kluppschwelle 8 cm.

Ganzer Sihlwald Sihlwald Altbestand Buchenurwald Uholka (Stichprobeninventur1) (Kernfäche, 11 ha) (Kernfäche, 10 ha) Aufnahmejahr 1989 2003 2000 2005 2000 2005

Stammzahl [N/ha] ± SF 387 ±13,0 455 ±14,0 258 276 220 233

Grundfäche [m2/ha] ± SF 23,5 ±00,6 29,7 ±00,6 31,0 34,1 38,8 38,7

Vorrat [m3/ha] ± SF 324 ±09,0 414 ±10,0 500 554 665 663

Totholzvorrat [m3/ha] ± SF – 25 ±03,0 112 15 110 153 Oberhöhe (Buche) [m] – – 41 42 40 41 Oberdurchmesser [cm] – – 54 57 63 63 Maximaler BHD [cm] 1073 1073 93 96 132 133 Anzahl «Giganten» [N/ha] 0,6 1,0 1,4 2,2 20,9 23,4 (BHD ≥ 80 cm)

1 Daten von Kanton und Stadt Zürich, basierend auf 505 (1989), bzw. 503 (2003) Probefächen à 314 m2 2 Schätzung aufgrund der Aufnahme 2005 und Mortalität 2000 bis 2005 3 Bei einer Weisstanne SF = Standardfehler des Mittelwerts

14222 6107 264 zehnmal kleiner als im Urwald. Obwohl der Be- 100% stand schon 150 Jahre alt ist, nimmt sein Vorrat 90% – wie im gesamten Sihlwald – immer noch zu. Die Standortsunterschiede und die wechselnde 80% Topographie mit teilweise instabilen Rutsch- und 70% Steilhängen tragen allerdings dazu bei, dass die Walddynamik lokal sehr unterschiedlich verläuft 60% und an manchen Orten auch schon in jüngeren 50% Beständen viel Totholz anfällt. So ist der durch- schnittliche Totholzvorrat im gesamten Sihlwald 40% auch höher als auf der Kernfäche. Ohne grössere 30% Störungen, zum Beispiel durch einen Sturm, dürf- te es jedoch noch einige Jahrzehnte dauern, bis 20% die ersten Bestände im Sihlwald in die Zerfallspha- 10% se kommen. Dann allerdings dürften die gleichalt- 0% rigen Bestände auf grösseren zusammenhängen- klein mittel gross den Flächen zerfallen, als dies normalerweise in Grössenklassen einem Buchenurwald der Fall ist, wo schon auf übrige Nadelbäume Ulme wenigen Hektaren Baumkollektive in sämtlichen übrige Laubbäume Bergahorn Phasen der Entwicklung vorkommen [14, 15]. Tanne Esche Wo etwas Licht auf den Boden fällt, kommt in Fichte Buche der Regel auch Verjüngung auf. Im Durchschnitt gibt es im Sihlwald auf jedem Quadratmeter zwei Abb. 6.1.7. Baumartenanteile in der Verjüngung im gesamten Sihlwald nach Grössenklassen: junge Bäumchen ab 30 cm Höhe (bis zur Klupp- klein 30–129,9 cm Höhe; mittel ≥ 130 cm Höhe und schwelle von 8 cm BHD). Am häufgsten samen < 4 cm BHD; gross 4–7,9 cm BHD. Zahlen oberhalb der sich Eschen und Buchen an. Mit zunehmendem Al- Säulen sind Stammzahlen [N/ha] pro Grössenklassen. ter unterliegt die Esche im Konkurrenzkampf um Daten aus 503 Probefächen à 28,3 m2 der Stichproben­ Licht allerdings häufg der schattentoleranteren inventur 2003. 104 Waldreservate

Buche. Dazu kommt, dass sie beim Wild beliebter ist und öfter verbissen wird. So ist sie unter den kleinen Bäumchen häufger als bei den grösseren (Abb. 6.1.7). Nadelbäume – mehrheitlich Fichten – haben in der Verjüngung (>30 cm Höhe bis 7,9 cm BHD) einen Anteil von knapp 5 %. Aufgrund der Baumartenzusammensetzung des Jungwuchses kann man vermuten, dass im Sihlwald die Nadel- bäume langfristig von den Laubbäumen, insbe- sondere von der Buche und teilweise auch von der Esche, zurückgedrängt werden. Der Sihlwald kann zurzeit noch nicht als Na- turwald bezeichnet werden, befndet sich jedoch auf dem Weg dazu. In einzelnen Aspekten ist er bereits sehr naturnah. Die im Sihlwald vorhan- denen Baumarten entsprechen grösstenteils dem natürlichen Artenspektrum und sind mit Ausnah- me der Fichte und einzelner anderer Nadelbäu- me auch seit jeher aus natürlicher Verjüngung hervorgegangen. Standortsfremde Baumarten, wie zum Beispiel die Lärche und Exoten wie die Douglasie und die Robinie, kommen nur in ge- ringer Anzahl vor. Bezüglich anderer Aspekte ist der Sihlwald noch etwas weiter vom Naturwald entfernt. So fehlen die alten Baumriesen, die von Pilzen besiedelten, abgebrochenen Stammstum- mel und die umgestürzten Bäume, welche das Bild eines Naturwaldes prägen, noch weitgehend. Sie nehmen jedoch laufend zu. Der Totholzvorrat liegt etwa beim schweizerischen Durchschnitt von 21,5 m3 pro ha, aber über dem im Mittelland ge- fundenen Mittelwert von 15 m3 pro ha [16]. Am längsten wird sich der Sihlwald wohl durch seinen bestandesweisen Aufbau von einem Naturwald Wildnispark Zürich unterscheiden. Dank der bereits vorhandenen Besucherzentrum in Sihlwald zweischichtigen Struktur älterer Bestände und der Verjüngungsgunst des Standortes bestehen Wildnispark Zürich Sihlwald Kernzone jedoch auch hier gute Voraussetzungen, dass sich Wildnispark Zürich Sihlwald Übergangszone die Bestandesgrenzen mit der Zeit verwischen Wildnispark Zürich Langenberg und die Strukturen natürlicher werden.

010,5 km Naturbeobachtung erwünscht Datenquelle: Das eigentliche Naturwaldreservat mit einer Flä- GIS Wildnispark Zürich, Bundesamt für Landestopographie. che von gut 900 ha ist je zur Hälfte in eine Kern- und eine Naturerlebniszone unterteilt (Abb. Abb. 6.1.8. Zoneneinteilung im Wildnispark Zürich Sihl­ wald (inkl. Langenberg), vereinfacht. Die Übergangs- 6.1.8). In beiden Zonen wird der Wald sich selber zone umfasst die Naturerlebniszone (73 % der Fläche), überlassen. Während in der Kernzone die Einfüs- Sicherheitszone (12 %), Naturschutzzone (0,7 %), se des Menschen auf ein absolutes Minimum be- Landschaftsschutzzone (13 %) sowie die Erholungszone schränkt sind, darf man in der Naturerlebniszone (0,9 %). Sihlwald 105 auch abseits der Wege quer durch den Wald strei- In unmittelbarer Nähe zum Zentrum befndet fen [10] und die Veränderungen im Wald aus der sich die grosszügige Biber- und Fischotteranlage, Nähe verfolgen. die täglich 24 Stunden geöffnet ist. Der Wildnis- Besucher und Besucherinnen sind im Sihlwald park Zürich bietet ein jährlich wechselndes Pro- ausdrücklich erwünscht. Anregungen zur Natur- gramm mit Führungen, Exkursionen, Kursen und beobachtung gibt es im Besucherzentrum nahe sonstigen Veranstaltungen an (siehe http://www. der Bahnstation Sihlwald, welches jeweils vom 21. wildnispark.ch). Beliebt sind die traditionellen März bis Ende Oktober geöffnet ist. Dort gibt es Sonntagsführungen, an welchen man ohne An- auch die Dauerausstellung «vom Nutzwald zum meldung spontan teilnehmen kann. Die meisten Naturwald» sowie periodisch wechselnde Son- Besucher erwandern oder «erfahren» (Velo) das derausstellungen. Diese wurden im Jahr 2009 von Gebiet aber allein, bzw. zu zweit oder in kleinen 6200 Leuten besucht [17]. Ein rund 2,8 km langer Gruppen. Am häufgsten begangen werden der Walderlebnispfad führt vom Besucherzentrum Albisgrat und der Weg entlang der Sihl [18]. Seit ins Parkgelände und ermöglicht ein spielerisches 2009 sind Ranger im Sihlwald unterwegs. Sie be- Lernen über Belange der Natur (Abb. 6.1.9). Über aufsichtigen das Naturschutzgebiet, zeigen Na- den Weg «Fenster zur Wildnis» werden die Gäste turphänomene oder geben Auskunft über den in den Sihlwald hinein- und an die Wildnis heran- Wildnispark Zürich. geführt.

Abb. 6.1.9. Kinder auf Entdeckungsreise im Sihlwald. 106 Waldreservate

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Datengrundlage

Schon früh wurde im Sihlwald geforscht. So richtete die Eidgenössische Anstalt für das forstliche Versuchswesen (heute WSL) bereits 1907 drei Versuchsfächen in einem damals 20-jährigen natürlich verjüngten Laubholzbestand mit einzelnen gepfanzten Fichten und Tannen ein. Diese Versuchsfä- chen sind noch heute in Betrieb. 1930 kamen weitere Durchforstungsversuche der ETH dazu. Im Jahr 2000 legte die WSL in einem 120- bis 150-jährigen Altholz im Waldmeister-Buchenwald (EK 7) eine 11 ha grosse Kernfäche an, um die Waldentwicklung nach Aufgabe der Bewirtschaftung zu untersuchen und mit der Entwicklung auf einer entsprechenden Fläche in einem Buchenurwald in der Ukraine zu vergleichen. 2005 wurden die Flächen im Sihlwald und in der Ukraine zum zwei- ten Mal aufgenommen. Informationen zum Zustand und zur Entwicklung des gesamten Sihlwalds liefern die vom Kanton Zürich durchgeführten Stichprobeninventuren von 1980, 1989 und 2003, mit 503 systematisch ver- teilten Probekreisen von 10 m Radius, sowie die ergänzenden Verjüngungs- und Totholzaufnahmen der Stadt Zürich. Zwar wurde die Holznutzung erst 2000 im gesamten Sihlwald eingestellt; die Pe- riode 1989–2000 kann jedoch als «Überführungsperiode» betrachtet werden, da nur noch Eingriffe getätigt wurden, welche die Entwicklung hin zum Naturwald unterstützen sollten. 1987/1988 wur- de der Sihlwald pfanzensoziologisch kartiert. Im Jahr 1994 begann das Geographische Institut der Universität Zürich, räumliche Daten und Informationen über Forschungsprojekte im Sihlwald zu sammeln. Seit 2009 wird das umfangreiche Geographische Informationssystem (GIS) von der Verwaltung des Wildnisparks Zürich in Partner- schaft mit dem Geographischen Institut der Universität Zürich betrieben. Ziel ist es, räumliche Daten über den Wildnispark zusammenzuführen und für Forschung, Parkmanagement und Besucherin- formation bereitzustellen. In der Datenbank des Wildnispark Data Center (http://www.wildnispark. geo.uzh.ch) sind Informationen über Forschungsprojekte, Publikationen und räumliche Daten öf- fentlich zugänglich. Von 2004 bis 2006 wurden zwei Laserscan-Befiegungen zur Erzeugung hoch aufösender digi- taler Gelände- und Oberfächenmodelle sowie eine Luftbildbefiegung im Massstab 1:2500 durch- geführt. Die erhobenen Daten dienen zur Ableitung wichtiger Basisdatensätze, wie zum Beispiel eines hochgenauen Gewässernetzes und einer detaillierten Habitatkartierung. Sie bilden aber auch eine unerlässliche Grundlage für diverse Projekte, wie z.B. für die Waldklassifkation oder die 2008 abgeschlossene geomorphologische Kartierung.