Commarmot, B.; Schmidt, R. 2011. Wildnis Für Erholungsuchende Im Sihlwald. In: Brang, P.; Heiri, C.; Bugmann, H
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Commarmot, B.; Schmidt, R. 2011. Wildnis für Erholungsuchende im Sihlwald. In: Brang, P.; Heiri, C.; Bugmann, H. (Red.). Waldreservate. 50 Jahre natürliche Waldentwicklung in der Schweiz. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL; Zürich, ETH Zürich. Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 94-107. 6.1 Wildnis für Erholungsuchende im Sihlwald Brigitte Commarmot und Ronald Schmidt Der rund 1100 ha grosse Sihlwald liegt im Bal- lungsraum Zürich zwischen der Albis- und der Zimmerbergkette. Zusammen mit den angrenzen- den Gebieten bildet er den grössten zusammen- hängenden Buchenmischwald im Schweizer Mit- telland. Seit dem Jahr 2000 ist die Holznutzung auf der ganzen Fläche eingestellt. Heute bildet der Sihlwald zusammen mit dem Wildpark Lan- genberg den Wildnispark Zürich. Das Naturwald- reservat ist unterteilt in eine Kernzone mit Wege- gebot und eine Naturerlebniszone, in welcher der Wald frei betreten werden darf. Im Sihlwald kön- nen die Besucher den Wald-Kreislauf, das Werden und Vergehen im Naturwald hautnah erleben. Die Buche ist in Wäldern der Mittel- und Tiefagen sehr konkurrenzstark. Im Sihlwald ist sie auf fast 90 Prozent der Fläche die von Natur aus herrschende Baumart. Steckbrief Naturwaldreservat Sihlwald Der grösste Teil des Sihlwaldes liegt linksseitig Reste von Höherem Deckenschotter. Über der Mo- der Sihl an der Nordostfanke der Albiskette. Am lasse liegen teilweise fächige Ablagerungen des besten erkundet man das Reservat auf einem der Linthgletschers, der bei seinem Rückzug nach der vielen Wanderwege. Als Ausgangspunkte für Wan- Eiszeit sandig-tonige Grund- und Seitenmoränen derungen eignen sich zum Beispiel das Besucher- hinterliess. Dadurch entstanden staunasse Mul- zentrum nahe der Bahnstation Sihlwald oder die den mit kleinen Tümpeln und Rieden. Nach dem Busstation Albis Passhöhe. Der Hochwachtturm Rückzug des Gletschers am Ende der letzten Eis- zwischen Albispass und Schnabellücke, etwa 1,5 km zeit kam es links der Sihl zu Hangrutschungen und vom Albispass auf 879 m ü.M. gelegen, bietet ei- Sackungen. Zahlreiche Seitenbäche der Sihl haben nen grandiosen Ausblick über das Sihltal und die sich in die Hänge eingefressen. Die teilweise wil- Zimmerbergkette, auf den Zürichsee sowie gegen den Bachtobel sind erosionsanfällig, so dass es im- die Zentral- und Ostschweizer Alpen (Abb. 6.1.1). mer wieder zu Rutschungen kommt. Die Sihl fiesst im unteren Sihltal parallel zum Die gegen die Sihl steil abfallende Zimmerberg- Zürichsee in einer engen Talrinne zwischen der fanke zeigt zahlreiche Molassefels-Aufschlüsse Albiskette mit den höchsten Punkten Bürglen mit horizontalen Schichten aus hartem Sandstein (915 m) und Albishorn (909 m) und der niedrige- und weichem Mergel. In den facheren Bereichen ren Zimmerbergkette (max. 700 m). Die Talsohle des Zimmerbergs ist die Molasse von Moränen liegt auf etwa 500 m ü.M. überlagert. Klimatisch liegt der Sihlwald im Übergangsbe- Geologisch gehört der Albis zur oberen Süsswas- reich von der submontanen zur unteren monta- sermolasse und besteht vor allem aus Mergel und nen Zone. Die jährliche Niederschlagssumme liegt Sandstein. Nur an wenigen Orten tritt Molasse- bei 1300 bis 1400 mm, die mittlere Jahrestempe- Nagelfuh auf [1, 2]. Am Albiskamm fnden sich ratur bei 6 bis 8 °C. Josenwald Follatères obersubalpin 40 38 dürr Pfynwald subalpin n 65 trocke Bois de hochmontan Nationalpark National- Chênes, Tariche 58, 59 Josenwald 15 park 69 12, 14 obermontan Bois de Chênes, Aletsch- Josenwald, wald Leihubel- Sihlwald untermontan wald 19 57, 59 Sihlwald 9 7, 8 Sihlwald, Scatlè, Seeliwald, submontan Derborence Bois de Chênes Bödmerenwald 50 11 57 St. Jean kollin Scatlè, 21 Bödmerenwald 60 Leihubelwald feucht 46, 49 s nas Position des Reservats Sihlwald Seeliwald im Wasserhaushalt-Basengehalt- 71 Ökogramm. sauer basisch Kanton Steckbrief Naturwaldreservat Sihlwald Zürich 6.1 Gemeinden Horgen, Langnau a. A., Oberrieden, Hirzel, Thalwil, Hausen a. A. Waldbesitzerin Stadt Zürich Trägerschaft Stiftung Wildnispark Zürich Landeskarte 1:25 000 1111 Albis Koordinaten 684.600 / 234.350 Naturwaldreservat 918,6 ha Meereshöhe 467 bis 915 m 001 0.5 1 2 KilometerKilometer Abb. 6.1.1. Ausblick vom Hochwachtturm auf den Sihlwald, im Hintergrund der Zürichsee und die Alpen. 98 Waldreservate Waldgesellschaft Einst Brennholzlieferant der Stadt Zürich Der Sihlwald ist geprägt von Buchen-Waldgesell- Ob die Stadt Zürich tatsächlich im Jahre 1309 in schaften. Aus den Verwitterungsprodukten der den Besitz des oberen Sihlwaldes kam [6], als oberen Süsswassermolasse haben sich in den ter- Belohnung für ihre «neutrale» Haltung im Ra- rassenartigen und mässig steilen Zonen des Albis- chefeldzug der Habsburger gegen die Mörder hanges tiefgründige, frische bis feuchte, lehmig- König Albrechts, ist nicht klar erwiesen. Sicher tonige, nährstoffreiche Braunerden entwickelt. ist, dass der Sihlwald im 14. Jahrhundert als Nut- Darauf wachsen Waldmeister- und Waldhirsen- zungsgebiet der Stadt Zürich dokumentiert ist [7]. Buchenwälder (Galio odorati-Fagetum typicum, 1335 erwähnte der Zürcher Stadtschreiber erst- EK 7; Milio-Fagetum, EK 8) sowie die kalklieben- mals einen «Pfeger des Sihlwaldes» und Mitte den Lungenkraut-, Aronstab- und Zahnwurzbu- des 14. Jahrhunderts wurde das «Ampt über den chenwälder (Pulmonaria-Fagetum typicum, EK 9; Sihlwald» geschaffen, das vom Sihlwaldmeister Aro-Fagetum, EK 11; Cardamino-Fagetum typi- oder «Sihlherrn» geführt wurde. Dieser war da- cum, EK 12). Zusammen nehmen diese Waldge- für verantwortlich, die Stadt mit Brennholz aus sellschaften mehr als drei Viertel des Sihlwaldes dem Sihlwald zu versorgen und die Holzschläge ein. Dank der abwechslungsreichen Topographie und die Flössung auf der Sihl zu überwachen. Die mit Rutsch- und Steilhängen, ausgedehnten, fach Sihl war im Verlaufe des ganzen Mittelalters Zü- abfallenden Terrassen und staunassen Mulden ist richs wichtigster Holzzubringer, und zwar nicht die Standortvielfalt im Sihlwald jedoch ausseror- nur für Sihlwaldholz, sondern auch für Holz aus dentlich gross, so dass auf den gut 1100 ha 54 der dem höher gelegenen weiten Einzugsgebiet von 67 im Kanton Zürich vorkommenden Waldgesell- Einsiedeln [7]. schaften vertreten sind [3, 4]. Auf den nasseren Für die Regelung der Waldnutzung und der Standorten stocken Eschenwaldgesellschaften Flösserei erliess der Rat 1417 eine erste Forstord- sowie Erlen- und Föhren-Birken-Bruchwälder. nung, die in den folgenden Jahrhunderten mehr- Mit kleinen Teichen, Tümpeln, Quellfuren und mals erweitert und ergänzt wurde. Von Anfang Mooren bilden diese vielerorts besonders reizvol- an war die Stadt bestrebt, die Nutzungen im Sihl- le Waldbilder. An den oft instabilen Steilfanken wald zu beschränken, um sich eine nachhaltige des Albisgrates und auf den Einhängen der Sei- Holzversorgung zu sichern. Die Höhe der Nutzun- tenbäche fndet man unter anderem Eiben-Bu- gen war aber weniger durch den Holzzuwachs, chenwälder und Pfeifengras- und Orchideen-Föh- als vielmehr durch den jährlichen Holzbedarf be- renwälder, auf den trockenen Kämmen und am dingt. südwestexponierten Abhang des Zimmerbergs Während Jahrhunderten wurde der Sihlwald auch Wärme liebende Seggen- und Blaugras-Bu- im Saumschlagbetrieb, bei dem die Bestände chenwälder. Streifen für Streifen geschlagen wurden, mit ei- Auf 85 bis 90 % der Sihlwaldfäche ist die Buche ner 80- bis 100-jährigen Umtriebszeit genutzt [5]. die herrschende Baumart. Unsicherheit besteht Zusätzlich wurde auch aus Durchforstungen Holz hinsichtlich des natürlichen Tannenanteils an bezogen. Aus zahlreichen Urkunden geht hervor, den schattigen Nordosthängen des Albis. Histori- dass im Sihlwald schon in der zweiten Hälfte des sche Quellen lassen vermuten, dass die Tanne im 17. Jahrhunderts eine «Säuberung» der jungen ausgehenden Mittelalter im Sihlwald eine grös- Bestände durchgeführt wurde [8, 5]. 1838 trat an sere Rolle spielte als heute, während die Fichte Stelle der Saumhiebe ein allmählicher Abtrieb offenbar nur zerstreut eingesprengt war [5]. Die des Altholzes mit Lichtungshieben. Bei den aus- Bewirtschaftung begünstigte dann die Fichte, so gezeichneten Wuchsverhältnissen im Sihlwald dass diese heute stärker vertreten ist, als sie es von stellte sich schon im Saumschlagbetrieb meist ge- Natur aus wäre. nügend Naturverjüngung ein, so dass höchstens ergänzend gepfanzt wurde. Während zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch weitaus die meisten Bestände im Sihlwald auf natürliche Weise auf- gekommen waren, wurden im letzten Viertel des Sihlwald 99 18. Jahrhunderts in den unteren Hangpartien und Seilbahnen transportiert. In der gleichen Periode auf der mittleren Hangterrasse einige Flächen be- wurden auch die wichtigsten Hauptabfuhrstras- pfanzt, meist mit Fichten [5, 6]. Noch bis Ende der sen erstellt. 1865, fünf Jahre nach Erstellung der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts erhöhte man den durchgehenden Sihltalstrasse, wurde die Flösserei Nadelholzanteil im Sihlwald, indem man Fichten auf der Sihl eingestellt. 1892 nahm die Sihltalbahn pfanzte, in kleinem Umfang auch Lärchen und den Betrieb auf, die dann den grössten Teil der Föhren. Die meisten Bestände wurden jedoch wei- Holztransporte nach Zürich bewältigte. terhin natürlich verjüngt. Die über mehrere Jahrhunderte immer wie- 1864 wurde im Sihlwald ein Werkplatz einge- der verordneten Nutzungsbeschränkungen ver- richtet, der bis 1880 zu einem modernen Holz- mochten eine Übernutzung des Sihlwaldes nicht verarbeitungsbetrieb mit Sägerei, Spalterei, zu verhindern [8, 5]. Die Holznutzung erreich- Dreherei, Imprägnieranstalt und Dämpferei aus- te ihren