Modellvorhaben Langfristige Sicherung von Versorgung und Mobilität in ländlichen Räumen

Modellregion Landkreise / Rhön-Grabfeld Ziele – Vorgehen – Ergebnisse

Das Modellvorhaben

Mit dem Modellvorhaben leistet das Bundes­ Zu den Zielgruppen zählen u. a. Jugendliche, ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Familien mit Kindern und Senioren. Durch ihre einen Beitrag dazu, gleichwertige Lebensverhält­ aktive Einbindung können ihre Ideen aufge­ nisse in ländlichen Räumen zu gewährleisten. nommen und die Akzeptanz und Effizienz von Es soll die 18 Modellregionen dabei unterstützen, künftigen Lösungen gefördert werden. Daseinsvorsorge, Nahversorgung und Mobilität besser zu verknüpfen, um die Lebensqualität in Je nach Ausgangsbedingungen variiert der der Region zu verbessern und wirtschaftliche strategische Ansatz des Modellvorhabens in den Entwicklung zu ermöglichen. einzelnen Regionen. Während ein Konzept zur Bündelung von Standorten der Daseinsvorsorge In dem Modellvorhaben wird besonderer Wert in „Kooperationsräumen“ eher nur mittel- bis darauf gelegt, dass neben Politik, Verwaltung, langfristig umgesetzt werden kann, wird sich Zivilgesellschaft sowie Anbietern von Daseins­ ein integriertes Mobilitätskonzept auch schon vorsorgedienstleistungen und Nahversorgung in kürzerer Frist auf die vorhandene Verteilung von Beginn an auch die verschiedenen Ziel- und der Daseinsvorsorgeeinrichtungen ausrichten Nutzergruppen vor Ort aktiv in die Entwicklung können. In Verbindung mit dem Kooperations­ und Umsetzung von Standortkonzepten und raumkonzept muss dieses Mobilitätskonzept so Mobilitätsangeboten eingebunden werden. flexibel gestaltet werden, dass es jederzeit an die Umsetzung des Kooperationsraumkonzeptes angepasst werden kann.

Bestandsaufnahme Beteiligungs- • Standorte Daseinsvorsorge • IST-Mobilitätsangebot konzept • Kleinräumige • Haltestellen georeferenziert Bevölkerungsprognose • Nahverkehrsplan Nutzergruppen • Bedarfsanalyse von Versorgung und Mobilität • Kinder und • Bewertung der Angebote und Standorte Jugendliche • Familien Kooperationsraumkonzept Mobilitätskonzept •  Ältere • Festlegung von Kriterien zur • Hierarchischer Netzaufbau Menschen Abgrenzung • Erreichbarkeitsanalysen und • Bündelungsmöglichkeiten von Netzknoten Politik Aufgaben und Standorten • Mobilitätsangebote (überregional, regional, Öffentlichkeit Investive Binnenerschließung) Projekte • Integration von Kooperationsraum- und Mobilitätskonzept • Handlungsoptionen + Maßnahmenkatalog

Auswahl Piloträume und Umsetzung • Festlegung von Piloträumen • Maßnahmenplan in Piloträumen • Beschluss durch politische Gremien

Abb. 1: Arbeitspakete des Modellvorhabens (Quelle: BMVI) Die Modellregion – Landkreise Bad Kissingen / Rhön-Grabfeld

Die Region im Überblick

Abgrenzung der Region Ziele der Modellregion Zu den Städten, Gemeinden und Markt­gemein­ Seit Jahrzehnten pflegen die beiden beteiligten den zählen im Landkreis Bad Kissingen 26 Landkreise eine enge und erfolgreiche Zusam­ und im Landkreis Rhön-Grabfeld 37 Städte/ menarbeit. Auch der ÖPNV profitiert von dieser Gemeinden. Zusammenarbeit, da einige Schul- und Linien­ verkehre bereits aufeinander abgestimmt sind. Eckdaten Beide Landkreise drängen auf die Gründung eines Mainfränkischen Verkehrsverbundes und Landkreis Landkreis wollen die eigene Zusammenarbeit beim ÖPNV Bad Kissingen Rhön-Grabfeld professionalisieren. Gemeinden 26 37 Fläche 1.137 km² 1.021 km² Aufgrund der medizinischen und technischen Einwohnerzahl 102.865 79.965 Kompetenzen, die der Region innewohnen, ist Bevölkerungs­ die Bereitstellung eines Telemobils, das hilft, 90,47 Einw./km² 78,32 Einw./km² dichte Individualfahrten von chronisch Kranken zu minimieren, ein wichtiges Teilziel des Projektes.

Geografische/Siedlungsstrukturelle Besonder- Einordnung in den regionsspezifischen heiten und besondere Herausforderungen Planungs- und Entwicklungskontext Die Bayerische Rhön ist Teil des Biosphären­ Gelegen im Norden Bayerns, angrenzend an das reservates Rhön. Besonders die naturschutz­ Bundesland Hessen im Norden und im östlichen fachlich relevanten Flächen der Landkreise Bereich an den Freistaat Thüringen, weist die Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld sind sehr Modellregion Bayerische Rhön keinerlei urba­ dünn besiedelt und stellen, nicht zuletzt durch nen Charakter auf. eine anspruchsvolle Topographie, den öffent­ lichen Personennahverkehr vor spezifische Zentral in der Bundesrepublik verortet, sind Herausforderungen. aber beide Landkreise direkt in das bundes­ deutsche Autobahnnetz eingebunden. Direkte Trotz oder gerade wegen der ländlichen Struk­ Zugänge zum Schienennetz sind vorhanden, tur ist es in der Region geglückt, technologische beinhalten aber keine Knotenpunkte im Nischen erfolgreich zu besetzen. Während im Inter-City-Express-System der Deutschen Bahn Raum Bad Kissingen eine weit überregionale AG oder zu größeren deutschen Verkehrsflug­ Bedeutung im kurmedizinischen Bereich häfen. Beides ist aber durch die Autobahnen etabliert werden konnte, sind die Zentren in zum Teil in weniger als 60 Minuten erreichbar. Rhön-Grabfeld durch akutmedizinische und vor allem technisch-wissenschaftliche Kompeten­ zen geprägt.

Insgesamt versteht sich die Bayerische Rhön als heterogen zusammengewachsener Lebens- und Kulturraum, der ein breites, sich gut ergänzen­ des Portfolio bietet.

Abb. 2: Lage der Modellregion

2 Projektstruktur und Akteure

Projektstruktur

Die Landkreise Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld Alle Kommunen machten von der Möglichkeit arbeiten traditionell eng zusammen. Besonders Gebrauch, sich im Projekt zu integrieren und im Bereich der Regionalentwicklung existiert mitzuarbeiten. eine Vielzahl von Berührungspunkten, so dass gemeinsame Bürgerveranstaltungen, Projektbe­ Fachliche Arbeitsgruppen reisungen, Workshops und Konzepterstellungen Ein begleitender Expertenbeirat hatte die bereits etabliert sind. Auf dieser Struktur Funk­tion, fachlichen Input zu liefern bzw. ­ aufbauend wurden die Gremien der Lokalen diesen mit Mitgliedern des Projektmanage­ Aktionsgruppen von Beginn an in die Projekt­ ments und des Lenkungsgremiums erörtern struktur des Modellvorhabens mit einbezogen. und diskutieren zu können. Eingebunden waren die regionalen Wissenschaftseinrichtungen. Das Institut für Angewandte Logistik (IAL) und das Technologie-­Transferzentrum (TTZ) der Projektmanagement Hochschule Würzburg- für Ange­ wandte Wissenschaften sowie das Zentrum für Telemedizin begleiteten das Projekt wissen­ Lenkungsgremium schaftlich. Insbesondere das IAL übernahm Aufgabenpakete im Projektmanagement, das Zentrum für Telemedizin betreute federführend Begleitender Expertenbeirat das Telemedizinprojekt. Hinsichtlich des Projekt­ schwerpunktes Mobilität wurden von Beginn an Vertreter der regionalen Beförderungsunter­ nehmen in den Workshops integriert. Vertreter Forum MobilVorsorge der Jugendarbeit, der Tourismusbranche und Abb. 3: Projektstruktur und Gremien der Sozialverbände sollten sicherstellen, dass die Interessen der Hauptnutzer des ÖPNV-Ange­ Projektmanagement botes im ländlichen Raum die Chance erhielten, Mitarbeiter der Kreisentwicklungen aus den sich in das Projekt einzubringen. Weiterhin war Bereichen Regionalentwicklung und ÖPNV die regionale Wirtschaft durch die Beteiligung bildeten gemeinsam mit Mitarbeitern der der zuständigen Kammern in die Projektgremien wissenschaftlichen Partner ZTM und IAL das involviert. Projektmanagement-Team. Forum Mobilvorsorge Lenkungsgremium Gemeinsam mit allen Gremien und unter Das Lenkungsgremium setzte sich aus politi­ Ein­­bin­dung der fachlichen Partner wurden unter schen Entscheidungsträgern zusammen. Neben dem Titel „Forum Mobilvorsorge“ öffentliche den beiden Landräten wurden sieben Bürger­ und medial begleitete Veranstaltungen abge­ meisterinnen bzw. Bürgermeister nominiert. Da halten. Neben allen kommunalpolitischen sich die Bayerische Rhön in sieben kommunale Vertretern war auch explizit die Bevölkerung Allianzen gliedert – d. h., die Gemeinden bilden aufgerufen, sich am Informationsaustausch und selbstgewählte Verbünde, um die interkommu­ am Beteiligungsprozess zu engagieren. Analog nale Zusammenarbeit effektiver gewährleisten zu derartigen Veranstaltungen in den Lokalen zu können – erhielt jeder Zusammenschluss die Aktionsgruppen beider Landkreise fanden die Möglichkeit, einen Vertreter ins Lenkungsgre­ Forumstermine im festlichen Rahmen statt. mium zu entsenden.

3 Vorgehen und Ergebnisse

Erhebung der Infrastruktureinrichtungen und des Mobilitätsangebotes

Datenerhebung es sich um eine Anfahrt der Orte über einen Ruf­ Repräsentativ für den gesamten Landkreis sollten bus oder einen Linienbus handelt. Diese Informa­ im Folgenden verschiedene Kooperationsräume tion wurde angegeben, sobald es in der Liste an (KR) eingegrenzt werden. Als Vorarbeit hierfür dem entsprechenden Ort eine Rufbus­option gibt, wurde eine Daseinsvorsorgeanalyse mit Blick auf auch wenn dies nur einmal pro Tag der Fall ist. die vier Bereiche Bildung, Gesundheit, Versor­ Um die Qualität des ÖPNV zu bewerten, wurden gung und Kultur/Freizeit durchgeführt. alle Fahrpläne der Landkreise analysiert und die Ziel war dabei die Findung von potentiellen Zeiten und Daten strukturiert aufgenommen. Versorgungszentren, Versorgungs- und Mittel­ Dabei wurden die Haupt- und Nebenzeiten zentren. Diese machten eine anschließende (HZ/NZ), sowie die Taktung berücksichtigt. Einteilung in verschieden Raumtypen mit unter­ schiedlichen Versorgungssituationen möglich. Die Tageszeiten sind in Haupt- und Nebenzeiten Die Untersuchungsergebnisse der Analyse aufgeteilt und wie folgt definiert: wurden mittels QGIS (Geoinformationssystem) auf verschiedenen Karten dargestellt. Durch diese NZ1 23 Uhr – 6 Uhr Erhebung des Status Quo an Infrastrukturein­ HZ1 6 Uhr – 13 Uhr richtungen konnte parallel eine Defizitaussage zu HZ2 13 Uhr – 19 Uhr einzelnen Kommunen getroffen werden. NZ2 19 Uhr – 23 Uhr

Die Bewertung der ÖPNV-Qualität erfolgt in den Klassen BQ1 bis BQ7 (BQ = BeförderungsQuali­ tät), wobei BQ1 als qualitativ am besten und BQ7 am schlechtesten anzusehen ist.

Die Verbindungen sind hinsichtlich ihrer Hin- und Rückfahrtmöglichkeit vom Ausgangsort zu einem potentiellen Versorgungszentrum oder einem Versorgungszentrum und unter Berücksichtigung von Taktung und Aufenthalt differenziert. Abb. 4: Beispiel für die Infrastrukturerfassung im Bereich Versorgung Außerdem werden an jede BQ-Klasse Anforde­ rungen hinsichtlich typischer Wegezwecke ge­ Erreichbarkeitsanalysen stellt. Folgende Wegezwecke wurden betrachtet: Nach Abschluss der Daseinsvorsorgeanalyse – Arbeit/Beruf wurde das bestehende Ist-Mobilitätsangebot – Gesundheit der Landkreise Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld – Bildung aufgenommen und bewertet. Die ÖPNV-Daten – Versorgung wurden mittels Linienfahrplänen gesammelt. – Kultur & Freizeit Dabei wurden die Busverbindungen (Buslinien und Anfahrtsorte) den veröffentlichten Fahrplä­ Für den Wegezweck „Arbeit/Beruf“ wurde bei­ nen entnommen (Bad Kissingen1, Rhön-Grabfeld2) spielsweise eine Mindestqualität von BQ1 und nach Buslinien sortiert. So ergab sich eine festgelegt. Dies bedeutet, dass in allen definier­ Übersicht, welche Buslinie welche Orte abfährt. ten Haupt- und Nebenzeiten eine bestimmte Ergänzt wurden die Orte mit der Information, ob Anzahl an Hin- und Rückfahrten zu einem

1 http://www.landkreis-badkissingen.de/buerger-politik/buergerservice/fachbereiche/mobilitaet--verkehr/oeffentlicher-personennahverkehr/bus/ 1128.Linienverkehr-mit-Bussen.html 2 http://www.lkrhoengrabfeld.rhoen-saale.net/internet/index.php?page=10118

4 Vorgehen und Ergebnisse

Versorgungszentrum bestehen muss, um die Insgesamt bietet der ÖPNV im Ist-Zustand Bedürfnisse der Berufstätigen zu decken, damit hinsichtlich Taktung und Anbindung in beiden der ÖPNV der Nutzung des eigenen Pkw vorge­ Landkreisen, mit wenigen örtlichen Ausnahmen, zogen werden kann. keine Möglichkeit, die Bedürfnisse der definierten Wegezwecke ausreichend zu decken. Um Stellschrauben in Form eines ganzheitlichen Ist-Bildes zu schaffen, wurden alle im Landkreis existierenden Buslinien bewertet und in Klassen eingeteilt.

Kleinräumige Bevölkerungsvorausberechnung

Die umfassende Ist-Analyse der Landkreise Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld ordnet Daten räumlich zu. Die Daten zeigen dabei ein äußerst heterogenes Bild der Bayerischen Rhönlandkreise und weisen darauf hin, dass lokal spezifische Problemstellungen und örtlich gebundene Ent­ wicklungshemmnisse auftreten können. So variieren die Entwicklungstendenzen in den einzelnen Rhöngemeinden signifikant, wobei die Peripherie nicht zwingend ein Garant für stärkeren Bevölkerungsrückgang sein muss. In der Abb. 5a: Ergebnisse der Bevölkerungsprognose: Bevölkerungsent- Konsequenz bieten derartige sozialräumliche Be­ wicklung 2015 – 2035 in ausgewählten Kommunen obachtungen das Potential, auf unterschiedliche Problemlösungsansätze schließen zu können bzw. Bayerischen Rhön zeigt einen leichten Negativ­ Räume gleichen Charakters clustern zu können. trend auf. Durch eine aktive Zuwanderung in die Mittelstädte der Region ist mittelfristig eine Die amtliche Statistik im Freistaat Bayern kennt Stagnation, punktuell sogar eine positive Entwick­ als kleinste räumliche Bezugsgröße die Gemein­ lung der Bevölkerungszahlen zu erwarten. Dieses de. Im Rahmen des vorliegenden Projektes wur­ Wachstum ist jedoch auf die zentralen Orte wie den die Daten auf Ortsebene heruntergebrochen, Bad Kissingen und Bad Neustadt begrenzt. um die Qualität der sozialräumlichen Aussagen verbessern zu können. Im Rahmen von Voraus­ berechnungen können somit auch Aussagen über die Bevölkerungsentwicklung auf Ortsebene getroffen werden. Für die Berücksichtigung der Schülerverkehre und ÖPNV-Anbin­dungen, besonders von peripher gelegenen Ortschaften, ist dies hilfreich. Die Datenerfassung basiert auf anonymi­sierten Meldungen der Einwohnermel­ deämter der landkreisangehörigen Gemeinden in beiden Landkreisen. Das Büro Planwerk Abb. 5b: Ergebnisse der Bevölkerungsprognose: Bevölkerungsent- erstellte auf Grundlage der aktuellen Daten der wicklung 2015 – 2035 in ausgewählten Kommunen Einwohnermeldeämter (Stand Sommer 2016) die natürliche Bevölkerungsentwicklung. Zu- und Die Ortschaften in der Peripherie profitieren Fortzüge sind nicht einkalkuliert. jedoch kaum von der Wanderungsbewegung und Die natürliche Bevölkerungsentwicklung in der zeigen oftmals einen insgesamt negativen Trend.

5 Vorgehen und Ergebnisse

Kooperationsraumkonzept

Auswahlkriterien für Versorgungszentren Neben der Daseinsvorsorgeanalyse wurde auch Für die Abgrenzung sogenannter Kooperations­ ein Mobilitätsfilter über den Bearbeitungsraum räume wurde zunächst der Bestand möglicher gelegt (vgl. Abb. 6). Dabei bezog sich die Be­ Versorgungszentren geprüft, welche jeweils einen wertung neben der aktuellen ÖPNV-Qualität individuellen Versorgungsraum aufweisen. Für ebenso auf die gegebenen Pendlerströme. Für die Ermittlung von Versorgungszentren wurden Erste galten alle Fahrpläne und -zeiten, Haupt- Auswahlkriterien für alle Bereiche der Daseins­ und Nebenrelationen sowie die Taktungen als vorsorge festgelegt. Es wurden drei verschiedene Analyse- und Bewertungsgrundlage. Auf Basis der Ausprägungen von Versorgungszentren unter­ vorliegenden Ist-Situation wurde anschließend schieden, welche je nach Erfüllung der Daseins­ eine Klassifizierung der einzelnen ÖPNV-Linien vorsorgekriterien erreicht werden konnten: vorgenommen, um eine bessere Qualitäts­ – Mittelzentrum einschätzung zu schaffen und gegebenenfalls (Definition nach Landesentwicklungsplan) bestehende Lücken zu ermitteln. – Grund-/Versorgungszentrum (alle Auswahlkriterien werden erfüllt) Auf Grundlage der im Vorfeld erhaltenen – potenzielles Grund-/Versorgungszentrum Erkenntnisse konnten verschiedene Arten von (nur ein Auswahlkriterium ist nicht erfüllt). Kooperationsräumen identifiziert werden. Diese Alle Orte, die mindestens zwei Auswahlkriterien basieren auf typischen Problemparallelen im nicht abdecken, sind keiner der Zentrumskate­ Bereich der Versorgung und der Mobilität: gorien zuzuordnen. 1. Dezentrale Versorgung: geringes Angebot, kein Grundzentrum, zersiedelter Raum Pilot-Kooperationsräume 2. Zentrale Versorgung: ein prägendes Um spezifische Kooperationsräume festzulegen, Grundzentrum wurden vorab auf Basis der Daseinsvorsorge­ 3. Kooperative Versorgung: mehrere potenzielle kriterien beide Landkreise analysiert. Ziel war Grundzentren mit Versorgungslücken decken hierbei, eine Zusammenfassung mehrerer gemeinsam ihre Defizite Regionen zu schaffen, die durch eine bestimmte 4. Polyzentrale Versorgung: zwei Grundzentren Typisierung Parallelen in deren Versorgungs­ status aufweisen. Nach Einbezug der demographischen Entwicklung und der Bevölkerungsvorausberechnung wurde Mit Hilfe der Analyse konnte zum einen die anschließend der gesamte Raum mit Blick auf die schon erwähnte Zentrumsbestimmung durchge­ erstellte Typisierung aufgeteilt (s. Abb. 7). führt und zum anderen der allgemeine Daseins­ vorsorgestatus der einzelnen Ortschaften analysiert werden.

Daseinsvorsorge

• Vorsorgelage in Mobilität Leitkriterien Freizeit, Kultur, • ÖPNV-Linienverkehr Bildung, Versorgung • Bahn mit Gütern, Ärtzl. • Öffentliche, private Versorgung Spezialangebote • Netzausbau/ Daten- Ø Aktuelle Qualität verfügbarkeit des Angebots Ø Aktuelle Vorsorgeoptionen Ergänzende Kriterien

Regionale Gegebenheiten Demographie • Höhenprofil • Altersstruktur • Durchschn. • Geschlechter Erreichbarkeit • Bev.-dichte (Versorgungs- • Prognose zentrum)

Abb. 6: Abgrenzungskriterien der Kooperationsräume Abb. 7: Typisierung der Kooperationsräume (Quelle: Institut für an- (Quelle: Institut für angewandte Logistik – Hochschule gewandte Logistik – Hochschule Würzburg-Schweinfurt) Würzburg-Schweinfurt) 6 Vorgehen und Ergebnisse

Beteiligungskonzept und Öffentlichkeitsarbeit

Bürgerbefragung durch Stellwände mit bereits allgemein in länd­ Nachdem zwei Pilot-Kooperationsräume inner­ lichen Räumen etablierten Lösungsansätzen, die halb der Landkreise ausgewählt wurden, galt in der Umfrage genannt wurden. es diese mithilfe der jeweiligen Bürger/innen zu analysieren. Ziel war dabei, die speziellen Nach der Auswertung der Ergebnisse aus Bedürfnisse und Anregungen der Bevölkerung den ersten beiden Workshops beschloss das aufzugreifen und so erweiterte Aussagen über Lenkungsgremium, zwei weitere kooperations­ den Mobilitäts- und Versorgungs-Status-Quo raumspezifische Veranstaltungen abzuhalten, die treffen zu können. dazu dienten, die Wünsche und Bedürfnisse der Bürger/innen zu diskutieren und einzuholen, um Um ein möglichst hohes Maß an Bürgerbeteili­ diese im weiteren Vorgehen zu berücksichtigen. gung zu generieren, wurde ein projektspezifi­ scher Fragebogen erstellt. Die Bürger/innen Mit diesen beiden Bürgerworkshop-Runden hatten dabei zum einen die Möglichkeit, den konnten zahlreiche Eindrücke der Bürger/innen mit dem Anzeigenblatt „Markt“ am 03.05.2017 erhoben werden. Die vielfältigen Anregungen mitgelieferten Fragebogen händisch auszu­ wurden weitestgehend katego­risiert, um Ansatz­ füllen oder zum anderen online über einen Link punkte für das Heranziehen möglicher Versor­ teilzunehmen. Insgesamt wurden im Kreis Bad gungs- und Mobilitätslösungen zu schaffen. Kissingen 7.775 und im Kreis Rhön-Grabfeld 4.875 Deutlich wurde, dass innerhalb der beiden Haushalte angeschrieben. Zudem bestand die Pilot-Kooperationsräume nahezu dieselben Möglichkeit, den Fragebogen manuell über die Problemanregungen und Mobilitätsverhalten Website der Gemeinde auszudrucken. vorliegen.

Hinsichtlich der geplanten Befragung wurden die Bürger/innen bereits vorab über die Gemeinde­ webseiten, die regionale Presse und Social- Media-Kanäle informiert. Insgesamt konnten folgende Rückläufe verzeichnet werden:

Rhön-Grabfeld: 1.313 (davon 122 Schüler/innen) Bad Kissingen: 1.486 (davon 487 Schüler/innen)

Bürgerworkshops Die Ergebnisse der Befragungen wurden im Abb. 8: Eindrücke der Bürgerworkshops Rahmen von Bürgerworkshops präsentiert (11.09.2017 in Wargolshausen und 19.09.2017 Die empirischen Daten zeigten einige Haupt­­- in Bad Brückenau). Dort wurden die Anregungen pro­ble­me inkl. möglicher Lösungswege auf: der Umfrage aufgegriffen und diskutiert. Veran­ – Defizite bei der Haus- und Facharztversorgung stalter waren die Verantwortlichen der beiden – Defizite bei der Nahversorgung Kreise sowie das IAL und das ZTM. Der Auftritt – Defizite bei den Fahrradwegen im westlichen aller Projektbeteiligten sollte den Bürger/innen Bereich des Untersuchungsraums ermöglichen, auf jede Idee und Frage eine fach­ – altersbedingte Defizite im Individualverkehr liche Antwort und tiefergreifende Informationen – unzureichendes ÖPNV-Angebot für zu erhalten. Im Anschluss an die Ergebnispräsen­ Auszubildende tation der Landkreisumfrage konnten die Bürger/ – Informationsdefizit (kaum digitaler Zugang innen ihre persönlichen Anforderungen sowohl zu zu den Fahrplänen) Gelegenheits- als auch zu regelmäßigen Verkeh­ ren äußern. Danach wurden die Themeninseln zu Versorgungs- und Mobilitätsmöglichkeiten als Grundlage für Diskussionen eröffnet – ange­regt

7 Vorgehen und Ergebnisse

Lösungsvorschläge: Das Ergebnis: - Einsatz von Lieferservices – Für Raumtypen mit dezentraler und koope­ - Etablierung von Rufbusangeboten rativer Versorgung folgt der Einsatz flexibler, - Digitalisierung der ÖPNV-Angebote und bedarfsgesteuerter Mobilitäts- und Vorsorge­ Integration der Daten in bestehende Apps lösungen (Beispiel: Pilot-KR Rhön-Grabfeld). – Für Raumtypen mit zentraler und polyzentraler Versorgung folgt der Einsatz fester, getaktet ausgerichteter Mobilitäts- und Vorsorgelösun­ gen (Beispiel: Pilot-KR Bad Kissingen).

Abb. 9: Gewählte Pilot-Kooperationsräume mit den zugehörigen Versorgungszentren

Aufbauend darauf wurden in der Sitzung des Abb. 10: ÖPNV heute im Pilot-KR Rhön-Grabfeld Lenkungsgremiums und des Expertenbeirats in intensiven Diskussionen die beiden Pilot-Koope­ Als Grundsatz des Mobilitätskonzeptes wurde rationsräume (Pilot-KR) festgelegt (s. Abb. 9). festgehalten, dass der ÖPNV grundsätzlich die Diese stehen stellvertretend für verschiedene Basis für Mobilität und Versorgung darstellt. Probleme ländlicher Räume und sollen daher als Umsetzbare Kollektivverkehrslösungen sollten Bearbeitungs- und Anwendungsraum dienen. dabei immer bevorzugt werden, da diese in der Ziel wird es anschließend sein, die für beide Regel ressourceneffizienter sind. Folglich sollten Kooperationsräume ausgearbeiteten Lösungs­ innerhalb dieser Ordnung öffentliche Angebote maßnahmen auf andere ländliche Räume der vor gewerblichen und privaten aufgrund der Modellregion zu übertragen. einfacheren Steuer- und Verfügbarkeit priori­ siert werden. Das weitere Vorgehen des IAL beschränkte sich auf die beiden Pilot-Kooperationsräume „Bad Mit Priorisierung des ÖPNV galt es, diesen an be­ Kissingen“ und „Rhön-Grabfeld“. Dort wurde eine stimmten Wegezwecken auszurichten. Dies sollte kooperationsraumspezifische Umfrage durch­ anhand folgender Schritte geschehen: geführt (siehe S. 7), um das aktuelle Mobilitäts­ verhalten der Bürger/innen aufzunehmen und aktuelle Handlungsbedarfe festzustellen.

Mobilitätskonzept Für das Mobilitätskonzept dienten die im Koope­ rationsraumkonzept definierten Raumtypen und die daraus ausgewählten Pilot-Kooperations­ räume als Basis der Ausarbeitung. Vorab wurde dabei zwischen Raumtypen mit und ohne Versorgungszentrum unterschieden. Grund hierfür waren die für die Konzeption relevanten, Abb. 11: Kollektiv- und Individualverkehrsansätze (Quelle: zentrumsabhängigen Mobilitätsunterschiede. Institut für angewandte Logistik – Hochschule Würzburg- Schweinfurt)

8 Vorgehen und Ergebnisse

1) zentrale Wegezwecke innerhalb des Raumes Ansprüche an die Mobilitätsangebote. Das Mobi­ identifizieren und definieren litätskonzept nach Raumtypen unterscheidet sich 2) Analyse der Anforderungen pro Wegezweck daher wie folgt: 3) Einbindung der nicht-öffentlichen Mobilitäts­ lösungen vor Ort Dezentrale und kooperative Versorgung 4) Erarbeitung von ÖPNV-Maßnahmen, um Ebene 1: Bahn; Buslinien 8153 und 8304 die Anforderungen der Wegezwecke besser – Verbindung zwischen umliegenden Versor­ abzudecken gungs- und Mittelzentren 5) eventuelle Lücken durch Anreize und – Vertaktung, Anschlüsse zur Bahn in Bad Neu­ Beteiligung mit Akteuren abstimmen und stadt und Mellrichstadt schließen – Empfehlung zur Ausrichtung an Berufstätige 6) effektive Kommunikationsmaßnahmen pro Zielgruppe auf- und ausbauen Ebene 2: Zusätzliche Buslinien M1 und M2 7) Ermöglichung der einfachen und direkten (Projektbezeichnungen) Datenzugänglichkeit – Verbindung in umliegende Versorgungszentren 8) Kennzahlen zur Erfolgskontrolle definieren – Vertaktung, Anschlüsse zur Bahn in Bad Neu­ und nachhaltig erheben stadt und Mellrichstadt 9) permanentes Monitoring des Prozesses – Empfehlung zur flexiblen Ausrichtung auf 10) Anpassungsmöglichkeiten kommunikativ verschiedene Wegezwecke (Bildung, Kultur/ und organisatorisch einplanen Freizeit, Gesundheit) 11) Anpassungsmöglichkeiten, falls notwendig, durchführen Ebene 3: Dorftreffrealisierungsverkehr (Dorftreffkonzept vorrangig in dezentralen und Die Anforderungen für den jeweiligen Wege­ kooperativen Räumen) zweck (Beruf, Gesundheit, Bildung, Kultur & – Versorgung (+ sozialer Treff) Freizeit, Versorgung) wurden innerhalb des – Dorftreffrealisierung (Multifunktionsladen zur Projektes anhand der vorab erwähnten Beförde­ Bündelung verschiedener Angebote) rungsqualitätsklassen festgelegt (s. S. 4). Dabei wurde unterschieden, für welchen Wegezweck Zentrale und polyzentrale Versorgung welche ÖPNV-Qualität benötigt wird. Ebene 1: Schnellbusse (Beschleunigung durch größere Stationsabstände) und Bahn Um die nun festgelegten Ansprüche ausreichend – Verbindung zwischen raumübergreifenden und effizient bedienen zu können, wurde eine Versorgungs- und Mittelzentren Best-Practice-Recherche hinsichtlich möglicher – Taktungsausrichtung an Zielgruppe Mobilitätsmaßnahmen durchgeführt. Dabei „Berufstätige“ wurden sowohl ÖPNV-Ergänzungsmaßnahmen als auch Alternativverkehre recherchiert. Diese Ebene 2: Regionalbusse und Flexibilisierung des teilten sich in die Kategorien „Bürger → Bedarf“ ÖPNV, regelmäßige und enge Taktung passend und „Bedarf → Bürger“ auf. Hierdurch konnte zu den häufigsten Wegezwecken (Beruf/Arbeit, ein Mobilitäts-Werkzeugkasten geschaffen Gesundheit, Bildung, Kultur & Freizeit, Versor­ werden, aus welchem raumspezifisch passende gung), flexible Lösungen in Schwachlastzeiten Werkzeuge entnommen und als Lösungsansatz herangezogen werden konnten. Ebene 3: Bürgerbusse, Sharing-Lösungen oder Fahrgemeinschaften Mit Fertigstellung des Werkzeugkastens wurde – Schließung von verbleibenden ÖPNV-Lücken anschließend die Verbindung zu den festgelegten – Sicherung des Verkehrsmittelübergangs Raumtypen hergestellt. Aufgrund der unter­ schiedlich ausgeprägten Zentrumssituation der vier Raumtypen ergeben sich unterschiedliche

9 Vorgehen und Ergebnisse

Mellrichstadt Versorgungszentrum

Dorftreff

Versorgungsbeziehungen

Bad Neustadt

Bad Königshofen

Abb. 12: Mobilitätskonzept für den KR Rhön-Grabfeld (dezentrale und kooperative Versorgung) (Quelle: Institut für angewandte Logistik – Hochschule Würzburg-Schweinfurt)

Ebene 3: Schließung der ÖPNV-Lücken

Bad Kissingen

Abb. 13: Mobilitätskonzept für den KR Bad Kissingen (polyzentrale Versorgung) (Quelle: Institut für angewandte Logistik – Hochschule Würzburg-Schweinfurt)

10 Vorgehen und Ergebnisse

Umsetzungsmaßnahmen in den Piloträumen

Fokusprojekt TeleMobil Kooperationsnetzwerk– Ein wichtiger Ausgangs­ Das Fokusprojekt TeleMobil, nachfolgend als punkt im Projekt war der Aufbau von Koopera­ MONA (mobile netzwerkmedizinische Assistenz) tionspartnerschaften. Ziel des Netzwerkes war bezeichnet, ist als Umsetzungsprojekt im Rahmen es, die jeweilige Expertise und Kompetenz aus des Modellvorhabens in der Modellregion Bad den einzelnen Disziplinen in das Projekt während Kissingen – Rhön Grabfeld auf den Weg gebracht der Konzeption, der Entwicklung und der Um­ worden. Hintergrund ist der demografische setzung einfließen zu lassen. Im Rahmen von Wandel, welcher die ländlich geprägte Modell­ MONA war die Akquise von Partnern aus den region durch deutliche Überalterung und damit Bereichen Gesundheit und Technik notwendig. verbundene Veränderungen in Struktur, Bedarfen Aufgrund des MONA-Basiskonzeptes standen für und Anforderungen der Bevölkerung prägt. Damit die Auswahl von Partnern aus dem Gesundheits­ einhergeht auch die Überalterung von Ärzten und sektor vor allem niedergelassene Arztpraxen im das immer dünner werdende Netz der Gesund­ Fokus. Die wesentlichen Auswahlkriterien für die heitsversorgung, insbesondere bei Fachärzten. In medizinischen Partner waren: diesem Kontext adressiert das Fokusprojekt die – Delegationsmodelle, Erfahrung und Einsatz Ergänzung und Stärkung der ländlichen Gesund­ – Häusliche Versorgung in der Modellregion heitsversorgung mit Hilfe telemedizinischer – Affinität zu Technik und Innovation Versorgungsangebote und Elektromobilität. – Verfügbarkeit von Ressourcen

Das in der Modellregion ansässige ZTM ist seit Im Bereich Technik waren Anbieter von Elektro­ mehreren Jahren erfolgreich im Innovations­ fahrzeugen und Telemedizinsystemen im Fokus, bereich der Gesundheitsversorgung bundesweit die zur Sicherstellung der technischen Infra­ tätig und als federführender Projektpartner für struktur und deren Weiterentwicklung auf Basis das Fokusprojekt verantwortlich. Ziel des Projek­ der Anforderungen der medizinischen Partner tes MONA ist es, verschiedene innovative tele­ beitragen sollten. Für die Elektromobilität ist das medizinische Anwendungen und Einsatzszenarien ZTM auf regionale Händler zugegangen. Bei den in der ambulanten Versorgung der Modellregion Telemedizinsystemen sind drei (inter-)nationale zu ermitteln, zu testen und zu bewerten. Die Hersteller in die engere Auswahl gerückt. Schlüsselfunktion in dem Projekt bilden qualifi­ zierte medizinische und pflegerische Fachkräfte, die sogenannten MONAs. Diese übernehmen delegationsfähige Aufgaben insbesondere vom Hausarzt, unterstützt durch die Telemedizin und Elektromobilität. Dabei sollen die verfolgten An­ sätze die Gesundheitsversorgung wieder näher in den Quartiersbereich eines Bürgers bringen und damit die Verfügbarkeit, Flexibilität und Qualität von Gesundheitsleistungen fördern.

Die wesentlichen Meilensteine zur Umsetzung in den Piloträumen waren: Abb. 14: Kooperationsnetzwerk im Projekt MONA – Aufbau eines Kooperationsnetzwerkes (Quelle: ZTM Bad Kissingen GmbH) – MONA-Konzeption – Beschaffung und Einsatz eMobil Abb. 14 skizziert das im Projekt erfolgreich ent­ – Auswahl, Entwicklung und Einsatz standene Kooperationsnetzwerk mit 15 Partnern Telemedizinausrüstung aus unterschiedlichen Bereichen. Festzuhalten – Ergebnisse und Handlungsempfehlungen bleibt, dass durch regionale Öffentlichkeitsarbeit – Öffentlichkeitsarbeit über die Projektlaufzeit das Interesse bei weite­ ren Akteuren (Apotheke, Krankenhaus) geweckt und daraus resultierend das MONA-Konzept stetig um neue Ansätze erweitert wurde.

11 Vorgehen und Ergebnisse

Konzeption – Der Grundgedanke vom MONA- Sprechstunde (z. B. in Apotheke) mit Beratung, Ansatz ist die Versorgung und Beratung von Pa­ telemedizinischer Messung und Übertragung tienten im ambulanten Bereich durch die MONA an Arzt mit Unterstützung von Telemedizin und Elektro­ – Videokonsil – videobasierte Therapierück­ mobilität. Ziel ist es, das Aufgabenspek­trum sprache und -absicherung mit Arzt einer nicht-ärztlichen Fachkraft auszuwei­ten, die – Telepharmazie – Pharmazeutische Beratung Ressource Arzt zu entlasten und die Verfügbar­ von Patienten und Pflegeheimen per Video keit ärztlicher Expertise zu erhöhen, um damit die Versorgung von Patienten zu verbessern, Ergänzend dazu wurde die Erweiterung von die Reichweite und Kapazität einer Arztpraxis zu MONA als Case Manager erarbeitet, bei dem erhöhen und das Aufkommen sowie die Warte­ MONA patientenorientierten Aufgaben zur Über­ zeiten in der Praxis zu reduzieren. prüfung, Unterstützung, Vernetzung und Aufklä­ Dabei sollte das zu entwickelnde telemedizini­ rung einrichtungsübergreifend nachgeht. Neben sche Versorgungskonzept als Ausgangsbasis auf den Einsatzszenarien und Aufgabenbereichen im deutschen Gesundheitssystem etablierten sind im Rahmen der Konzeption diverse Unter­ Delegations­modellen aufsetzen. Nach einer lagen für den Einsatz in den Feldtests erstellt umfassenden Analyse zu bestehenden Dele­ worden. Hierzu zählen u. a. Kurzanleitungen, gationsmodellen, u. a. zu Einsatzbereichen, Telemedizinausrüstung, Patienteneinwilligung Finanzierung, Ausbildung, und Tätigkeitsumfang, und Teilnehmerinformation, Datenschutzkonzept, wurde das VERAH-Modell (Versorgungsassis­ Supportstruktur, Fahrzeugeinweisung, Schulungs- tentin in der Hausarztpraxis) als Basis für den und Einsatzkonzept. angedachten MONA-Ansatz ausgewählt, da es in der Modell­region sehr verbreitet ist und bei den eMobil – Zur Auswahl eines geeigneten eMobils Delegationsaufgaben dem MONA-Ansatz sehr wurden regionale Anbieter recherchiert und nahekommt. Aufbauend auf VERAH wurde das in Gesprächen deren Angebote, Leistungen, Tätigkeitsprofil von MONA für Nachsorge- und Erfahrungen sowie diverse Kooperationsmöglich­ Routinekontrollen mobilitätsteingeschränkter keiten erörtert. Die Wahl fiel auf einen Renault Patienten im häuslichen Umfeld geschärft. Hierzu Zoe, welcher als etablierter Elektro-Kleinwagen ist u. a. bei Workshops, Experteninterviews (Marktanteil 23 %) mit guter Reichweite (ca. und Vor-Ort-Hospitation der bedarfsorientierte 150 km), gängigem Ladesystem und ausreichend Einsatz von Telemedizin für bestimmte Patienten­ Stauraum (für Telemedizinausrüstung) geeignet gruppen und Krankheitsbilder erarbeitet worden. erschien. Für größtmögliche Flexibilität wurde Zusätzlich fand in der Modellregion eine Erhe­ dem Fahrzeug ein universeller Ladeadapter mit bung zum Schnittstellenmanagement (Übergang allen Anschlussstandards für gängige Ladestatio­ zwischen Gesundheitseinrichtungen) mit einer nen bis hin zur Haushaltssteckdose beigefügt. Befragung von Patienten und verschiedenen medizinischen Akteuren statt. Die Ergebnisse Abb. 15 zeigt die öffentlichkeitswirksame Bekle­ – u. a. Forderung nach zentralem Ansprech­ bung des Renault Zoe. Zusätzlich erhielt das partner, digitales Datenmanagement, Potentiale Fahrzeug einen GPS-Tracker zum Aufzeichnen des für Telemedizin sowie Wunsch nach Videosprech­ Fahrverhaltens und Ableiten von Potentialen der stunden und mehr Patienteninformationen – sind eMobilität. Der Einsatz des eMobils wurde für die in die Konzeption eingeflossen. drei Einsatzszenarien „Hausbesuch“, „ärztlicher Notdienst“ und „Pflegedienst“ unter Alltags­ Zusammenfassend arbeitete das ZTM aus den bedingungen über vier Partner hinweg gestaffelt Erkenntnissen der Analysen und in Zusammen­ erprobt. Die vorab skizzierten Anforderungen arbeit mit den medizinischen Partnern verschie­ konnte das Fahrzeug für zwei von drei Szenarien dene Einsatzszenarien für MONA aus: erfüllen, lediglich beim ärztlichen Notdienst stieß – MONA-Hausbesuch – Hausbesuch mit tele­ es an seine Grenzen. medizinischer Messung und Übertragung von Vitalparametern an Arzt – MONA-Sprechstunde – quartiersnahe

12 Vorgehen und Ergebnisse

Weitere Auswahlkriterien waren die mobile Einsatzfähigkeit, intuitive Bedienbarkeit, indivi­ duelle Konfigurierbarkeit, Datenübernahme ins primäre Dokumentationssystem, hinreichende Datenqualität und hohe Datensicherheit. Nach ersten Recherchen, Gesprächen und Systemvor­ stellungen konnte kein System die Anforderungen in ihrer Gesamtheit erfüllen, so dass eine Multi- Systemstrategie gewählt wurde. Abb. 15: MONA-Elektrofahrzeug (Quelle: ZTM Bad Kissingen GmbH) Im Projektverlauf wurden die Systeme auf die Telemedizinausrüstung – Die Auswahl der Anforderungen aus den Einsatzszenarien getestet Telemedizinausrüstung basiert auf Erfahrungs­ und mittels Nutzerintegration (Ärzte, VERAHs, werten und Analysen des ZTMs sowie den Techniker) deren Stärken und Entwicklungspoten­ Anforderungen und Bedarfen der medizinischen ziale aufgedeckt. Auf Basis der daraus resultieren­ Kooperationspartner. Zielsetzung für die Tele­ den Anforderungsanalyse wurden im Austausch medizinausrüstung im Projekt MONA ist es, ein mit den Herstellern mögliche Systemanpassun­ modulares Telemedizinsystem zusammenzustel­ gen und -weiterentwicklungen diskutiert und len, das insbesondere für Hausbesuche in Form umgesetzt. Das Videosystem wurde nahezu eines „Telemedizinkoffers“ flexibel eingesetzt unverändert eingesetzt und lediglich in seinen werden kann. gegebenen Einstellungsmöglichkeiten für die Einsatzszenarien konfiguriert. Zwei Systeme zur Hierzu sind telemedizinische Systeme hinsichtlich Vitaldatenerhebung wurden im Funktionsumfang folgender Merkmale in Betracht gezogen worden: deutlich reduziert und in der Bedienung verein­ – Vitaldatendokumentation: standardisierte facht. Ein wirklicher Mehrwert der Telemedizin Fragebögen zum digitalen Erfassen händisch stellte sich für folgende Erhebungen heraus: erhobener Vitaldaten (Puls, Blutdruck, Ge­ – Aufnahme Lungen- & Herztöne (Stethoskop) wicht, Temperatur) – Messung der Herzaktivität (EGK) – Vitaldatenerhebungen: digitale Erhebungen, – Doku der Wundversorgung (Tablet Kamera) die über händisch erhobene Vitaldaten hinaus­ – Aufnahmen vom Innenohr (Otoskop) gehen, wie z. B. Herzaktivität per EKG oder Auskultation mittels Stethoskop Dementsprechend fand eine Konzentration für – Videokommunikation: zwischen verschiedenen die Feldtests auf diese vier Vitalparameter im medizinischen Dienstleistern zur Vor-Ort-Ab­ Telemedizinkoffer statt. Darauf aufbauend ­wur stimmung und Konsultation den die Systeme gemeinsam mit den Herstellern – Fotodokumentation: zum Festhalten der weiterentwickelt. In einem abschließenden Work­ Wundversorgung shop wurden mit den medizinischen Partnern die angepassten Systeme final diskutiert, validiert und die Feldtests im Detail geplant.

Der Einsatz der Telemedizinausrüstung verlief in mehreren Phasen. Das Videokonsil konnte in vier Arztpraxen mit folgenden Einsatzszenarien erprobt werden: – Praxis zu Praxis [2x] – Praxis zu Pflege-WG [1x] – Praxis zu Pflegeheim [1x]

Abb. 16: Telemedizinkoffer von MedCubes (Quelle: MedCubes GmbH)

13 Vorgehen und Ergebnisse

Die Feldtests für den Telemedizinkoffer fanden im Als Auszug aus den wesentlichen Ergebnissen Rahmen von Hausbesuchen bei vier Arztpraxen lässt sich festhalten: statt. Dabei setzten drei Praxen den Koffer in Ver­ – eMobilität ist für die ambulante Versorgung bindung mit ihren eigenen VERAHs ein und eine mit geplanten Touren geeignet Praxis in Zusammenarbeit mit einem ambulanten – Interesse an Telemedizin ist bei Patienten und Pflegedienst und einem Pflegeheim. Die tele­ medizinischen Akteuren vorhanden medizinischen Erhebungen mit Stethoskop, EKG, – Telemedizin kann ambulante Delegation erwei­ Otoskop und Wunddokumentation wurden nach tern und somit Versorgungsqualität verbessern vordefinierten Regeln (z. B. 1 EKG pro Monat je – Telemedizinische Systeme sind bedarfsorien­ Herzinsuffizienzpatient) bzw. vorab individueller tiert an den Einsatzszenarien auszurichten Arzt-Delegation im Praxisalltag stetig eingesetzt – Versorgungsmehrwert ist nur bei spezifischen oder bei akutem Bedarf vor Ort (z. B. Patient Telemedizinerhebungen (EKG) zu erreichen schildert Unregelmäßigkeiten) in Rücksprache mit – Verfügbarkeit technischer Infrastruktur (mobi­ dem Arzt (per Telefon oder Video) genutzt. Die les Internet) ist wesentlicher Erfolgsfaktor Ansätze zu Telepharmazie und MONA-Sprech­ – Kümmerer (Netzwerkkoordinator/innen) stunde wurden in den Feldtests nicht erprobt. für Technik, Prozess und Etablierung empfehlenswert Ergebnisse – Während der Feldtests konnten – Kostenfaktor ist hohe Einstiegshürde zum verschiedene Erkenntnisse gesammelt werden. Einsatz von Telemedizin In der Modellregion konnten erfolgreich erste – Datenschutzbedenken und -ängste spielen bei ambulante Vernetzungen etabliert werden, wie Betroffenen eher untergeordnete Rolle Abb. 17 darstellt. Öffentlichkeitsarbeit – Im Projektverlauf hat das ZTM in mehr als 50 Veranstaltungen und Präsentationen sowie über verschiedenste Kommunikationskanäle zum Fokusprojekt berichtet. Highlights im Bereich Veranstaltungen waren u. a.: Landesvorstandssitzung Bayerischer Hausärzteverband, 5. Gesundheitsforum Region Mainfranken, VERAH-Kongress Bad Kissingen und Vorstandssitzung der CSU Seniorenunion Unterfranken.

Abb. 17: Vernetzung der medizinischen Partner (Quelle: ZTM Bad Kissingen GmbH)

14 Weiteres Vorgehen in der Modellregion

Weiteres Vorgehen

Das Modellvorhaben „Langfristige Sicherung Ebenso erfolgreich wie innovativ gestaltet sich von Versorgung und Mobilität in ländlichen das Angebot telemedizinischer Dienstleistun­ Räumen“ hat den Landkreisen Bad Kissingen gen. Zweifelsohne gibt es in den Bereichen und Rhön-Grabfeld ermöglicht, eine detaillierte der medizinischen, pflegerischen, aber auch Datenbank als Planungsgrundlage für die Mobili­ datenschutzrechtlichen Forschung und Grund­ täts- und Daseinsvorsorgeentwicklung zu erstel­ lagenforschung noch ebenso viel Arbeit und len. Diese Datensammlung bietet die Chance, Entwicklungspotential wie bei der Gestaltung der künftig auf Basis prognostizierbarer Werte gesetzlichen Rahmenbedingungen. Planungen erstellen zu können. Der darauf auf­ bauende Dialog im Rahmen der Bürgerworkshops Die Gestaltung regionaler Mobilitäts-Apps und die Erfassung spezifischer Werte durch die erscheint mit Blick auf den äußerst rasant Fragebogenerhebungen in den beiden Koope­ wachsenden, globalen Markt nicht länger rationsräumen haben zudem aufgezeigt, dass zielführend. Im Landkreis Bad Kissingen, der erhebliche Schwächen in der Öffentlichkeitsarbeit weitestgehend von der Deutschen Bahn AG und existieren, die im weiteren Verlauf der Kreis- und dem Oberfränkischen Verkehrsverbund bedient Regionalentwicklung abgebaut werden müssen. wird, werden die Apps der Deutschen Bahn AG und der Marktführer „Wohin du willst“ genutzt Die georeferenzierte Datengrundlage bot zudem werden, um dem Endkunden attraktive Such­ die Chance, Streckenoptimierungen einzuleiten. optionen für den ÖPNV in der Region anbieten Die Überarbeitung der Linienverkehre, die in zu können. In Rhön-Grabfeld, das primär durch einigen Bereichen angedachte Umstellung regionale Busunternehmer, die Erfurter Bahn auf Bedarfsverkehre in den Randzeiten und und FlixBus bedient wird, muss noch gewartet die Identifikation von Stoßzeiten wird in den werden, bis die marktführenden Apps, wie kommenden Jahren nachhaltig in die ÖPNV­ von Seiten der Deutschen Bahn angestrebt Gestaltung beider Landkreise einfließen. Das Amt und angekündigt, auch die Linien von anderen für Digitalisierung im Landratsamt Rhön-Grabfeld Verkehrsunternehmen entsprechend mit wird den gesammelten Datenbestand betreuen vermarkten. und fortschreiben, um auch langfristig von der Planungsgrundlage profitieren zu können. Für die Neuordnung der ÖPNV-Verhältnisse strebt der Landkreis Bad Kissingen ein Folgeprojekt im Das Projekt hat in der gesamten Region die Rahmen der Förderung Bayerischer Regional­ nötige Diskussion um die Daseinsvorsorge und managements an. Eine neu zu schaffende Stelle Nahversorgung wieder angestoßen. Dorfladen­ soll sich mit der Implementierung der neuen konzepte und Lieferservicekonzepte werden Erkenntnisse in die ÖPNV-Systematik befassen neu gedacht. Sozusagen als Spin-Off hat sich im und so das Angebot marktgerecht anpassen. Grabfeld bereits ein Liefersystem unter dem Titel „Tüten packen“ formiert, das vornehmlich alte, in der Mobilität eingeschränkte Menschen mit Waren des täglichen Bedarfes versorgt. Auch das entstehende Lieferservice-Projekt mit der ­ post-Logistik trägt dazu bei, dass der individuelle Bedarf an Mobilität reduziert wird.

15 Informationen und Impressum

Ansprechpartner/innen in der Modellregion

Modellregion Bayerische Rhön – Landkreise Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld

Landratsamt Rhön-Grabfeld Landratsamt Bad Kissingen Dr. Jörg Geier Jürgen Metz Spörleinstraße 11 Obere Marktstraße 6 97616 Bad Neustadt an der Saale 97688 Bad Kissingen Telefon: 09771-94243 Telefon: 0971-8015160 Email: [email protected] Email: [email protected] www.rhoen-grabfeld.de www.landkreis-badkissingen.de

Pressemitteilungen zum Projekt:https://tinyurl.com/y8e9qhkd | https://tinyurl.com/yapukl6r

Impressum

Herausgeber Redaktion Bundesministerium für Verkehr Modellregion Bad Kissingen / Rhön-Grabfeld / und digitale Infrastruktur (BMVI) Institut für Angewandte Logistik (FHWS) / Invalidenstraße 44, 10115 Berlin Zentrum für Telemedizin Kontakt: Dr. Bernd Rittmeier E-Mail: [email protected] Forschungsassistenz Hochschule Neubrandenburg / InnoZ GmbH Wissenschaftliche Begleitung Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raum­ Satz und Grafik forschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen InnoZ GmbH, Berlin und Raumordnung (BBR) Deichmanns Aue 31 – 37, 53179 Bonn Druck Referat I 5 Digitale Stadt, Bundesamt für Bauwesen und Risikovorsorge und Verkehr Raumordnung (BBR), Bonn Kontakt: Dr. Bernd Buthe E-Mail: [email protected] Stand September 2018 Forschungsassistenz Hochschule Neubrandenburg Nachdruck und Vervielfältigung Brodaer Str. 2, 17033 Neubrandenburg Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit Kontakt: Johann Kaether genauer Quellenangabe gestattet. Die von E-Mail: [email protected] der Redaktion vertretene Auffassung ist nicht unbedingt mit der des Herausgebers oder der Innovationszentrum für Mobilität und wissenschaftlichen Begleitung identisch. Das gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH Forschungsvorhaben wurde aus Mitteln des EUREF-Campus 16, 10829 Berlin BMVI finanziert. Kontakt: Dr. Melanie Herget E-Mail: [email protected]

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