Grosser Publikation Final
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Frank-Loeb-Gastprofessur 2009 Alfred Grosser 60 Jahre Leitkultur der Bundesrepublik Vorlesung im Rahmen des Festaktes zur Verleihung der Frank-Loeb-Gastprofessur am 23. Juni 2009 im Kulturzentrum Altes Kaufhaus Landau 1 INHALT: Die Frank-Loeb-Gastprofessur 3 Laudatio Prof. Dr. Ulrich Sarcinelli Alfred Grosser. Wissenschaftler der Politik, kritischer Zeitgenosse und politischer Pädagoge 4 Vorlesung Prof. Dr. h.c. Alfred Grosser 60 Jahre Leitkultur der Bundesrepublik 10 Vita Alfred Grosser 23 Impressum 24 2 Die Frank-Loeb-Gastprofessur Die Frank-Loeb-Ehrenprofessur wird vom Frank-Loeb-Institut an der Universität Koblenz- Landau in diesem Jahr zum ersten Mal an den Wissenschaftler und Publizisten Prof. Dr. Alfred Grosser (Paris) verliehen. Die Frank-Loeb-Ehrenprofessur soll als Gastprofessur in Zukunft jährlich an herausragende Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und Publizistik vergeben werden. Zu ehren gilt es dabei eine Persönlichkeit, die sich in der Öffentlichkeit engagiert und mit hoher Glaubwürdigkeit besondere Verdienste um Politikvermittlung und internationale Verständigung erworben hat. Mit der Ehrenprofessur setzt das Frank-Loeb-Institut als besondere wissenschaftliche Einrichtung der Universität ein weithin sichtbares Zeichen für die Verbindung zwischen Universität und Öffentlichkeit in Stadt, Region und darüber hinaus. Das Frank-Loeb-Institut Das Frank-Loeb-Institut Landau an der Universität (FLI) besteht seit 1998. Gegründet wurde es als institutioneller Ausdruck der besonderen Verbindung von Universität, Stadt und Region. Das Haus aus dem ursprünglichen Besitz von Sophie Frank und dem Bankier Leo Loeb (aus der Familie von Anne Frank) steht für die leidvolle Geschichte der Juden in Landau und in der Südpfalz. Das FLI arbeitet als „Forschungsstelle für Politikvermittlung und internationale Verständigung“ mit Schwerpunkten im Bereich der politischen Kommunikationsforschung und in den internationalen Beziehungen. Darüber hinaus versteht es sich im Rahmen von Veranstaltungsreihen („Akademiegespräche“, „Semesterpolitikum“, „Hambacher Gespräche“) als Forum für den Diskurs über die großen gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Fragen der Zeit. 3 Ulrich Sarcinelli Alfred Grosser: Wissenschaftler der Politik, kritischer Zeitgenosse und politischer Pädagoge Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages und des Rheinland- Pfälzischen Landtages, sehr geehrter Herr Präsident unserer Universität und Herr Oberbürgermeister, sehr geehrter Herr Staatssekretär, verehrte Herren Dekane, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende, verehrte Gäste – vor allem aber hoch verehrter Herr Prof. Dr. Alfred Grosser! Die Übertragung einer Gastprofessur gehört normalerweise zu den akademischen Routinen einer Universität. Sie dient dem Austausch von Lehrenden und Forschenden. Sie gibt Studierenden die Gelegenheit, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anderer Hochschulen in Kontakt zu kommen. Sie macht mit Wissenschaftskulturen und Wissenschaftsansätzen vertraut, bietet Abwechslung im Studienbetrieb der eigenen Universität, kurz: sie weitet den akademischen Horizont. – Das alles kennen wir aus dem universitären Alltag. Insofern müsste man um eine Gastprofessur kein besonderes Aufheben machen. Wenn wir dennoch die erstmalige Übertragung einer Frank-Loeb-Gastprofessur an unserer Universität in feierlicher Weise begehen, dann hat das seine guten Gründe. Diese Gründe hängen natürlich in erster Linie mit der Person unseres heute zu ehrenden Gastprofessors zusammen. Und sie hängen damit zusammen, dass es dann doch keine ganz normale Gastprofessur ist, so wie auch das Frank-Loeb-Institut Landau an der Universität kein ganz normales Institut ist. Vor nunmehr 11 Jahren auf Inititative des Präsidenten unserer Universität und des Oberbürgermeisters der Stadt Landau gegründet sollte mit dem Frank- Loeb-Institut in der Stadt ein Zeichen der Verbundenheit zwischen Universität, Stadt und Region gesetzt werden. Mit dem Abzug der französischen Garnison war eine lange, freilich nicht immer friedliche, zum Schluss aber dann doch jahrzehntealte freundschaftliche deutsch- französische Koexistenz in der Stadt zu Ende gegangen. Nicht mehr Garnisonsstadt galt es ein neues Kapitel aufzuschlagen, ein Kapitel als Universitätsstadt und das mit einer Einrichtung mitten in der Stadt, im architektonisch-historischen Kronjuwel, dem Frank-Loebschen Haus; einem Haus, in dem sich wie in keinem anderen in der Region die dramatische jüngere Geschichte unseres Landes, die Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der jüdischen 4 Bevölkerung aus der Region verbinden. Allerdings gab es auch Zeiten, in denen dort Menschen zusammenarbeiteten und lebten, unabhängig von Herkunft und Religion. Schließlich gingen in jüngerer Zeit bemerkenswerte Versuche der Erinnerung und Versöhnung vom Frank-Loebschen Haus aus. Ein Haus, dessen Namen unser Institut trägt. Frank-Loeb-Institut Landau an der Universität. Es hat den Auftrag als „Forschungsstelle für Politikvermittlung und internationale Verständigung“ zu arbeiten; zu wirken nicht nur im akademischen Elfenbeinturm, sondern durch Angebote auch in die nichtuniversitäre Öffentlichkeit hinein. Dass der Senat der Universität diesem Institut erstmals für die Universität Koblenz-Landau den Status einer „besonderen wissenschaftlichen Einrichtung“ verliehen hat, ist eine Verpflichtung für alle, die sich hier engagieren und als Lehrende und Forschende arbeiten. Als wir uns mit dem Gedanken trugen, erstmals und fortan jährlich eine Frank-Loeb- Gastprofessur auszuloben und das im 60. Jahr des Bestehens unseres Staates sowie 20 Jahre nach der deutschen Einheit, galt es eine geeignete Persönlichkeit zu finden. Sie sollte diese Jahrzehnte deutscher Zeitgeschichte in besonderer Weise biographisch, durch wissenschaftliche Leistungen und mit entsprechender publizistischer Resonanz zu verkörpern in der Lage sein. Diese Persönlichkeit zu finden, war gar nicht so schwer, denn so viele Kandidatinnen und Kandidaten, mit denen man alle diese Erwartungen verbinden kann, gibt es nicht. Diese Persönlichkeit dann für die Frank-Loeb-Professur auch tatsächlich zu gewinnen, war schon etwas schwerer, handelt es sich doch um einen hochdekorierten französischen Kollegen. Dass es uns dann doch gelang, Herrn Prof. Dr. Alfred Grosser dies anzutragen, erfüllt uns als Universität und als Frank-Loeb-Institut natürlich mit Stolz. Als Träger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, ausgestattet mit dem Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband, als Träger der Theodor-Heuss-Medaille, des Schiller-Preises der Stadt Mannheim, des Humanismus-Preises sowie des Abraham- Geiger-Preises und nicht zuletzt des Grand Prix de l'Académie des Sciences morales et politiques stellen wir uns bescheiden hintenan und freuen uns einfach, Sie nun in unserem Kreis zu wissen; dankbar vor allem auch deshalb, weil uns sehr wohl bewusst ist, dass dies mehr Ehre für uns als für Sie ist. – Unter der Last der vielen Ehrungen müssten Sie schon fast gebeugt daher kommen. Dem ist ja Gott sei Dank nicht so. Nun sind Sie ja auch noch Namensgeber des Alfred-Grosser-Schulzentrums in Bad Bergzabern. Mit Ihnen als Träger der ersten Frank-Loeb-Gastprofessur werden also ihre 5 Verbindungen zu Region Südpfalz nunmehr auf Stadt und Universität ausgeweitet und vertieft. – Sie müssen jetzt aber nicht befürchten, dass das so weitergeht und demnächst auch der Kreis Südliche Weinstraße oder die Stadt nach Ihnen benannt wird. Wir ehren mit Prof. Alfred Grosser einen Repräsentanten der politischen Wissenschaften, der international hohes akademisches Ansehen genießt; einen europäischen Bürger, der sich als streitlustiger Publizist immer wieder und vor allem dann in Deutschland und in Frankreich in die Debatte einmischt, wenn es um zentrale Belange unserer beiden freiheitlichen und demokratischen Gemeinwesen geht. Und wir ehren in Professor Grosser zum dritten einen Menschen, der – ohne Pädagoge oder Didaktiker im engeren Sinne zu sein – in hohem Maße politisch-pädagogische Orientierung gibt. Kurz: Wir ehren in Ihnen, lieber Herr Kollege Grosser eine Persönlichkeit, die das verkörpert, was uns im Frank-Loeb-Institut besonders am Herzen liegt: „Politikvermittlung und internationale Verständigung“. Zunächst zu Alfred Grosser als Repräsentanten der politischen Wissenschaften. (1) Wahrgenommen wird er als Politikwissenschaftler. Tatsächlich ist Alfred Grosser gelernter Historiker und Germanist und insofern ein Vertreter der Generation von politikwissenschaftlichen Lehrstuhlinhabern, die von anderen Disziplinen kommend dem Fach die ersten Konturen gegeben und sich primär auch als umfassende akademische politische Lehrer in Sachen Politik begriffen haben. Herr Kollege Grosser begleitete zahlreiche hohe nationale und internationale Positionen in unserem Fach. Dabei verkörpert er gerade nicht das, was es in Frankreich wie in Deutschland gibt. Ich meine den zurückgezogenen Intellektuellen, der sich eingeschlossen in sein Wissenschaftssystem um die Welt nicht kümmert. Nein, er mischt sich ein, will nicht nur Politik beschreiben und erklären. Frei vom modernen Fachjargon weiß er nicht nur in seinen zahlreichen Büchern Geschichte und Politik zu erzählen. Er kann Menschen fesseln, etwas, was unserer Fachdisziplin zunehmend abgeht, was akademisch kaum mehr prämiert wird und was das Fach in die Gefahr bringt, sich mehr und mehr an politisch-administrativer Verwertungslogik zu orientieren. Alfred Grosser ist ein politischer Wissenschaftler. Er weiß, dass Politik keine Wissenschaft ist,