Schattenblick Druckausgabe
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Neueste tagesaktuelle Berichte ... Interviews ... Kommentare ... Meinungen .... Textbeiträge ... Dokumente ... MA-Verlag Elektronische Zeitung Schattenblick Dienstag, 2. August 2016 POLITIK / KOMMENTAR poonal Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen Die Logik des größeren Übels im Venezuela - Der Hunger kehrt zurück Präsidentschaftswahlkampf der USA (SB) Deutsche Leitmedien feiern von WolfDieter Vogel, Caracas die Nominierung Hillary Clintons zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, als handle es sich um (CaracasBerlin, 29. Juli 2016, npl) gefüllten Tasche nach Hause zu ge- eine für die Bundesrepublik zentrale Die einen sprechen vom Wirt- hen. Fast jeden Tag stellt sie sich hier Frage, wer künftig das Weiße Haus schaftskrieg, die anderen hoffen auf vor dem Supermarkt Lux in Chacao bezieht. Zugleich wird der republi- ein Referendum. Alle leiden unter an, einem etwas wohlhabenderen kanische Mitbewerber Donald der Ernährungsmangel, doch über Viertel von Caracas. Um den Man- Trump in düsteren Farben als dem- die Frage, wie die Krise zu beenden gel zu überwinden, lässt die Regie- agogischer Rassist gezeichnet, als sei, ist das Land gespalten. rung subventionierte Waren an die unterscheide sich seine Xenophobie Läden liefern. Dort können die Bür- wesentlich von landläufigen Ausfäl- ger*innen das Nötigste zu bezahlba- len deutscher Politiker gegen Mi- Es fehlt an allem: Bohnen, Zucker, ren Preisen kaufen. Im Lux gibt es grantinnen und Migranten. Im Speiseöl, Toilettenpapier heute Klopapier, Speiseöl und But- rechtspopulistischen Gegenentwurf ter. Wer die Tüte erwerben will, muss erscheint die Bewerberin wiederum Erst waren es 500, dann 35.000, und einen Zettel mit einer Nummer samt als kalte Verfechterin des imperialen später über 100.000: Seit Anfang Ju- Ausweis vorzeigen. So will man ver- Übergriffs, demgegenüber ihr Kon- li einige hundert Frauen den Grenz- hindern, dass Schwarzhändler*innen kurrent vermeintlich Maß zu halten übertritt nach Kolumbien erzwungen mehrmals einkaufen und mit den versteht und sogar die Interessen der haben, fahren immer mehr Venezo- Gütern Geschäfte machen. lanerinnen und Venezolaner zum "kleinen Leute" vertritt ... (Seite 4) Einkaufen in das Nachbarland. Denn zuhause fehlt es an allem: an Boh- Über den Grund für die Misere nen, Zucker, Reis, Speiseöl, Kaffee, gehen die Meinungen auseinander SPORT / BOXEN Toilettenpapier. In den Regalen ste- hen diese Waren längst nicht mehr, Ortswechsel. Zehn U-Bahnstationen Schmiedekunst in glühender Esse auf dem Schwarzmarkt werden sie von Chacao entfernt liegt das Barrio Vorschau auf ausgewählte Profi zu extrem teuren Preisen verkauft. 23 de Enero. Ein armes Viertel mit kämpfe der kommenden Wochen Zunächst war die Grenze dicht, doch langer Geschichte: Seit Jahrzehnten 6. August: Andre Ward gegen mittlerweile lässt sie der venezolani- ist die radikale Linke hier fest veran- Alexander Brand sche Staatschef Nicolás Maduro kert, viele Hauswände zeigen die Andre Ward trifft vor heimischem kurzzeitig öffnen. Er will weitere Gesichter von Che Guevara oder Si- Publikum in Oakland aufAlexander Zuspitzungen vermeiden. Schließ- mon Bolivar - und natürlich das des Brand. Während der frühere Cham- lich ist die Stimmung sehr ange- ehemaligen Präsidenten Hugo Cha- pion im Supermittelgewicht in 29 spannt. vez. Das Barrio ist eine Hochburg Auftritten ungeschlagen ist, stehen der Chavist*innen. Viele unterstüt- für seinen an Nummer sechs der "Etlichen Leuten fehlt es an allem, zen die bolivarianische Bewegung, WBC-Rangliste geführten Gegner sie hungern", sagt eine Frau, die seit die seit 17 Jahren die Regierung 25 Siege und eine Niederlage zu Bu- sechs Stunden in einer Schlange stellt. So auch Luis Flores. Er küm- che. Der 32jährige Kalifornier tritt steht. "Bis jetzt konnten wir nichts mert sich um die Verteilung von Le- damit gegen einen sieben Jahre älte- kaufen." Mindestens hundert Perso- bensmitteln. "Eine Tüte mit Essen ren Kontrahenten aus ... (Seite 7) nen hoffen wie sie darauf, mit einer kostet 500 bis 600 Bolivar, im Elektronische Zeitung Schattenblick Schwarzhandel muss man etwa des schwarzen Goldes abhängig ge- Kritik: Ungestrafte Korruption in 20.000 Bolivar zahlen", erklärt er. macht hat. Venezuela bezieht 96 Pro- Staatsbetrieben "So wehren wir uns gegen den Krieg zent seiner Devisen durch den Ver- der 'bachaqueros', der Schwarzhänd- kauf von Erdöl. Mehr als vor der Re- Was aber ist mit den staatlichen Be- ler." gierungszeit der Chavist*innen. Der trieben? Schließlich hat die boliva- Verfall des Preises auf unter die rianische Regierung einige Firmen 20.000 Bolivar, das sind rund 25 Eu- Hälfte in den letzten drei Jahren trifft übernommen, darunter auch solche, ro, zwei Drittel des Monatslohns ei- das Land deshalb besonders schwer. die Nahrungsmittel herstellen und nes einfachen Beschäftigten. Durch Alle Versuche, eine eigenständige verteilen. Ihnen fehlt ebenso das die rasende Inflation sind auch ande- Versorgung aufzubauen, sind ge- Material, auch sie leiden unter der re Nahrungsmittel teurer geworden, scheitert. Inflation. Rafael Uzcategui hält we- etwa Obst und Gemüse. Doch Flores nig von den Argumenten der Cha- ist optimistisch, dass die Regierung "Die Regierung wollte damals ver- vist*innen: "Wir leben nun seit 17 das Problem in den Griff bekommt. meiden, wegen der fehlenden Nah- Jahren unter einer Regierung mit ei- Hinter der ganzen Misere, da glaubt rung kritisiert zu werden. Deshalb hat nem sozialistischen Projekt. Es zeugt sich der Mittfünfziger sicher, steht sie alles im Ausland eingekauft", kri- von wenig Intelligenz, zu behaupten, ein Wirtschaftskrieg des US-Impe- tisiert Rafael Uzcategui von der die Wirtschaft funktioniere nur auf- rialismus und der Oligarchie. Menschenrechtsorganisation Provea. grund der Sabotage des privaten Zudem habe sie Dollars für den Im- Sektors nicht." Dann verweist er auf Davon ist auch Juan Contreras über- port von Lebensmitteln zu einem die Initiativen der Regierung, die ge- zeugt. Früher hat er hier im Barrio 23 günstigeren Kurs zur Verfügung ge- scheitert seien. "Der Grund ist die de Enero bewaffnet gekämpft, heute stellt. "Das führte zu immenser Kor- große Korruption, die nicht bestraft ist er Sprecher der Coordinadora Sí- ruption. Auch für landwirtschaftliche wird", kritisiert er. mon Bolivar, einer landesweiten Produzenten wurde der Import renta- chavistischen Basisorganisation. bler als der Anbau in Venezuela", er- Zurück ins Barrio 23 de Enero. Auf Fragt man ihn nach den Gründen für klärt der regierungskritische Aktivist. einem Hügel mitten im Viertel thront die Ernährungskrise, spricht er von Nach Regierungsangaben habe Vene- das Cuartel de la Montaña. Bewacht den Angriffen, denen die Linksregie- zuela bis zu 80 Prozent dessen impor- von vier Soldat*innen liegen dort die rung von Anfang an ausgesetzt ge- tiert, was im Land verzehrt wird. Gebeine von Hugo Chávez. Hier im wesen sei: vom Putsch von 2002, Mausoleum des ewigen Führers ist von internationalen Verschwörungen Mit dem niedrigen Erdölpreis ist der die Welt noch in Ordnung. Seine uni- und den Lügen der bürgerlichen Me- bolivarianischen Revolution die formierten Beschützer*innen ehren dien. Dann kommt er auf die heutige wirtschaftliche Grundlage abhan- das Vaterland und skandieren alte Lage zu sprechen. "Im ökonomi- dengekommen. Nicht nur für Nah- Parolen: "Chavez lebt, der Kampf schen Bereich, also mit Blick auf das rung, sondern auch für Gesundheits- geht weiter." Erdöl, sind die Preise gefallen, weil projekte fehlt das Geld. Medikamen- die USA durch das Fracking den te sind rar, weil sie für teures Geld Doch während in den Gemäuern der weltweiten Markt überschwemmt importiert werden müssen. Viel ver- Kaserne ein fast religiöser Kult um haben." schimpft er. Das sei zwar ge- schwindet unter dem Ladentisch und den Unsterblichen zelebriert wird, gen Russland gerichtet gewesen, da- wird auf dem Schwarzmarkt ver- rumort es in den Barrios. Nichts ist mit Moskau die Preise senkt. "Es hat kauft. mehr, wie es einmal war. Wie da- uns aber direkt betroffen", sagt er. mals, als hohe Erdöleinnahmen eine Schließlich sei Venezuela einer der Chavist Contreras ist jedoch davon Sozialpolitik für die Armen möglich wichtigsten Erdölproduzenten welt- überzeugt, dass die heimischen Un- machten. Rafael Uzcategui zieht ein weit. ternehmer*innen für den Mangel schlechtes Resümee: "All die Initia- verantwortlich sind. Diese würden tiven von Chávez zur Armutsverrin- bewusst Lebensmittel zurückhalten. gerung sind erledigt. Innerhalb von Schwachpunkt: "Sie haben die Produktion herunter- drei Jahren endete alles, was in den Abhängigkeit vom Erdöl gefahren, die Einfuhr reduziert und Jahren 2004 bis 2009 erfolgreich die Dollars behalten, die sie vom ve- entwickelt wurde. Heute sind in Ve- Es sei dahingestellt, ob US-Erdölun- nezolanischen Staat erhalten hatten. nezuela wieder genauso viele Men- ternehmen an den niedrigen Preisen Sie haben ihre Pflicht nicht erfüllt schen arm wie im Jahr 2000." interessiert sind und wer tatsächlich und das führte dazu, dass die Regale für den Preisverfall verantwortlich in den Supermärkten leer sind. Das Trotz aller internationalen Kritik am ist. Außer Zweifel steht jedoch, dass ist ein geplanter Krieg", so Cont- Populismus des Kommandanten sich Venezuela komplett vom Export reras. Chávez erhielt die damalige Regie- Seite 2 www.schattenblick.de Di, 2. August 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick rung auch viel Lob. So würdigte die Ernährungs- und Landwirtschafts- POLITIK / SOZIALES / INTERNATIONAL organisation der Vereinten