Das Messer Für Euren Tod«
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SERIE ohn Gotti hatte alles, was In den folgenden zwei Jah- einer braucht, der es in ren wurde er zweimal bei Ein- Jder amerikanischen Ma- brüchen geschnappt, die er fia zu etwas bringen will. Er im Fatico-Auftrag ausführte – war italoamerikanischer Her- das ergab weitere sechs Mo- kunft, war ebenso gerissen »DAS nate hinter Gittern. Und 1969 wie machtbewußt und verfüg- erwischte es ihn wieder, dies- te über schier unerschöpfliche mal bei dem Versuch, auf kriminelle Energie. dem Autobahnzubringer zum Geboren wurde er am MESSER Flughafen Newark zwei Last- 27. Oktober 1940. Sein Va- wagen in seine Gewalt zu ter, ein Einwanderer aus bringen. Seine Bewährungs- Neapel, hatte Mühe, die stän- frist lief noch, und so wurde dig wachsende Familie satt zu FÜR er zu vier Jahren Haft im kriegen. John war das fünfte Bundesgefängnis von Lewis- von 13 Kindern. burg (Pennsylvania) verur- Mit 16 ging er ohne Ab- teilt, von denen er zweiein- schluß von der Schule ab und halb Jahre absitzen mußte. schloß sich einer Jugendban- EUREN Danach brachte ein Auf- de an. Der Halbstarke mach- tragsmord Gotti erneut ins te von sich reden auf den Gefängnis. Doch aus seiner Straßen von Brooklyn – John- Sicht war das kein zu hoher ny Boy, der harte Knochen TOD« Preis: Der Mord machte ihn mit dem explosiven Tempera- zum „Geweihten“. ment, der schon morgens um Wie das FBI den Mafia-Boß Der Auftrag war von elf herumstolzierte wie vor ei- John Gotti überführte: Aniello Dellacroce gekom- ner Tour durch die Nacht- men, einem stiernackigen bars: blütenweißes Hemd mit 2. MORD IN DER FAMILIE Gangster mit Reibeisenstim- breitem Kragen, enge Röh- me, in der Hierarchie der renhosen. Seine gleichaltri- Von Howard Blum Gambino-Familie ziemlich gen Gefährten konnte er mit hoch angesiedelt. Ein offen- einem einzigen Wort zum bar lebensmüder Bandit, Schweigen bringen. Der Bur- James McBratney, hatte sich sche hatte Stil, war intelligent und be- chen und zwei Knaben. Währenddessen ausgemalt, er könne mühelos 100 000 reit, seine Fäuste zu gebrauchen. widmete sich der Vater hauptberuflich Dollar verdienen, indem er Manny, den Das gefiel den örtlichen Mafia-Capos seinem Ehrgeiz, in der Mafia-Familie Neffen des Paten Carlo Gambino, ent- der Gambino-Familie, auch Carmine Karriere zu machen. führte. Die Verhandlungen über das Lö- Fatico, einem Gangster der alten Schu- Als Räuber und Dieb war Gotti aller- segeld zogen sich über Monate hin und le, stets gewandet mit dunklem Anzug, dings nicht besonders gut. 1963 wurde er waren beendet, als Mannys Leiche ge- schmaler Krawatte, Schlapphut. Bald in einem gestohlenen Auto verhaftet. funden wurde. Jetzt stand McBratney gehörte Gotti zum Gefolge Faticos und Das brachte ihm 20 Tage Gefängnis ein. auf der Abschußliste. machte den einen oder ande- ren Überfall auf die vom Flug- hafen Idlewild kommenden Transportfahrzeuge mit. Richtiges Geld jedoch, das wußte er, würde er erst als ge- weihter Soldat der Mafia ver- dienen können. Als Fatico ein Exempel an zwei farbi- gen Glücksspielern statuieren wollte, die einen Teil der dem Boß zustehenden Gewinnan- teile in die eigene Tasche ge- steckt hatten, ergriffen Gotti und ein Kumpel die Chance, sich unentbehrlich zu machen. Die Glücksspieler wurden tot aufgefunden, mit Einschüssen im Hinterkopf. Mit 20 Jahren heiratete Gotti seine Freundin Victoria DiGiorgio, Tochter eines ita- STUDIO X lienischen Bauunternehmers. Tochter Angela kam 1961 zur Welt, bald kamen drei weitere Kinder hinzu, noch ein Mäd- GAMMA-LIAISON / © 1994, Droemersche Verlagsan- Y. HEMSEY / stalt, München. Mafia-Capos Gotti, Dellacroce (1979): Kuhhandel mit der Staatsanwaltschaft 98 DER SPIEGEL 31/1994 . Gotti und zwei seiner Kumpel spürten den Kidnapper in einer Bar in Staten Is- land auf. Sie hielten ihm Polizeimarken vor die Nase und erklärten ihm, er sei verhaftet; doch aus irgendeinem Grund ließ McBratney sich nicht davon über- zeugen, daß sie echte „Cops“ waren. Bei der folgenden Schlägerei verlor ei- ner der Gotti-Kumpel die Nerven und feuerte aus kürzester Entfernung drei Kugeln in McBratneys Brust. Der sack- te tödlich getroffen zu Boden, die drei „Cops“ suchten das Weite. Drei Monate später wurde Gotti ver- haftet. „Wen sucht ihr, etwa mich?“ fragte er grinsend, als 20 Polizisten mit gezogenen Pistolen in eine Bar in Brooklyn stürmten und ihn umzingel- ten. Als Wiederholungstäter mußte er im Falle einer Verurteilung mit einem langen Freiheitsentzug rechnen. NEW YORK NEWSDAY Dellacroce bedeutete ihm jedoch, er Gotti (r.) vor dem Mafia-Lokal Bergin Club: „Alles, was ich will, ist ein Sandwich“ solle sich keine Sorgen machen. „Du nimmst die Sache auf dich, basta“, be- Paul Castellano, ein gelernter Metzger Doch Johnny verschaffte sich rasch fahl er. Mit Hilfe eines von Gambino mit einem Hang zu kleinlicher Raffgier, Respekt und wurde zum großen Um- engagierten Anwalts kam ein wundersa- war zum Boß aller Bosse aufgestiegen. satzbringer. Eine erste Anerkennung mer Kuhhandel mit der erstaunlich ent- Unterboß Dellacroce (Spitzname: dafür wurde ihm zuteil, als er eines gegenkommenden Bezirksstaatsanwalt- „Mr. Neil“), dem nach dem Tod Carlo Nachmittags im Winter 1980 vor dem schaft von Staten Island zustande: Gotti Gambinos auch die Aufsicht über Fati- Bergin Club, dem in Queens gelegenen bekannte sich des versuchten Totschlags cos Gang zugefallen war, erteilte den neuen Hauptquartier der Fatico-Trup- schuldig, dafür mußte er weniger als neuen Familien-Mitgliedern die Weihe. pe, eine blitzblanke schwarze Lincoln- zwei Jahre absitzen. Gotti gelobte der Mafia und dem neuen Limousine vorfand. Ein rotes Band war Nachdem er im Sommer 1977 auf Be- Paten Castellano lebenslange Treue. quer über die Motorhaube gespannt. währung entlassen worden war, wurden Nur zwei Jahre später ernannte Della- Es war ein Geschenk von Big Paul. Gotti, sein enger Kumpel Angelo Rug- croce seinen noch nicht 40jährigen Einen Monat später fuhr Gotti in die- giero und sieben weitere Mitglieder der Schützling John Gotti zum „geschäfts- sem Wagen zu Castellanos Villa in Fatico-Truppe feierlich in die Cosa No- führenden“ Capo von Faticos Gang. Ein Staten Island, wo offiziell bekannt- stra aufgenommen. An deren Spitze so schneller Aufstieg war, meinten viele gegeben wurde, daß Fatico in den Ruhe- hatte inzwischen ein Wechsel stattgefun- Familienmitglieder, nicht nur ungebühr- stand getreten sei. John Gotti war jetzt den. Carlo Gambino war an Krebs ge- lich, sondern auch unklug: Sie hielten auch ganz förmlich Capo der Bergin- storben. Sein Schwiegersohn, „Big“ Gotti noch nicht reif für den Job. Gang. u diesem Zeitpunkt geriet Gotti ins Fadenkreuz des ZFBI. „Der mächtigste Capo, den es in irgendeiner Familie gibt“, hieß es in einer damals aus dem Mafia-Milieu abgeschöpften Einschätzung – ein „kommender Mann“, der einschlägige Begabungen mit grenzenlosem Ehrgeiz verein- te. Das FBI setzte eine Son- derkommission neuen Typs auf die Gambino-Familie an – und damit auch auf Capo Got- ti, der die kriminell produk- tivste Untergruppe dieser Fa- milie befehligte. Bis dahin war weithin übli- che Praxis, Mafia-Taten und Mafia-Täter im Einzelfall zu verfolgen – in Reaktion auf das jeweils jüngste Verbre- chen. Sonderkommandos des FBI brachten auf diese Weise, in oft mühseliger Kleinarbeit, so manchen Killer, Kredithai R. ROSEN / SABA und Glücksspielorganisator Pate Castellano (r., 1985): Fressen oder gefressen werden auf die Anklagebank. Aber DER SPIEGEL 31/1994 99 . wenn ein Mafioso verurteilt war, Gründen zu Spitzeln geworden. Auf hatte ein anderer schon seinen lange Sicht, so seine Überlegung, sei es Platz eingenommen. daher für die Gambino-Familie besser, Das „Organisierte Verbre- das schnelle Geld sausenzulassen, das chen“ war damals schon ein klar man im Drogenhandel verdienen konn- umschriebener Begriff und ein te. gängiges Schlagwort für die Me- Die Regel war unumstößlich. Das dien, aber noch irrelevant für die Schicksal eines gewissen Peter Tambone tägliche FBI-Arbeit. Es war der war eine Warnung. Der 62jährige war Strafrechtsprofessor Robert Bla- von Angehörigen einer anderen Mafia- key von der Notre-Dame-Univer- Familie beim Dealen ertappt worden. sität, der die FBI-Kriminalisten „Macht ihn kalt“, befahl Castellano oh- 1980 in einem Seminar-Vortrag ne Zögern. wachrüttelte: Das FBI sei auf ei- Die Mitglieder von John Gottis Ber- nem völlig falschen Weg. Es müs- gin-Gang wußten, wie es Little Pete se „die kriminellen Organisatio- Tambone ergangen war. Sie wußten nen zerschlagen und nicht einzel- aber auch, daß sie mit Drogengeschäf- ne Kriminelle abschießen“. Nur ten mindestens drei Millionen Dollar im wenn es gelinge, die Organisation Monat absahnen konnten. So dealten selbst zu zerschlagen, werde die sie und hofften, nicht erwischt zu wer- Mafia entscheidend getroffen. den. Der Professor fand offene Oh- Doch im Winter 1983 bekam die ren bei den FBI-Oberen. Sie ent- AP Gang enorme Schwierigkeiten. Der wickelten ein neues Konzept. Es Bergung der Manny-Gambino-Leiche* Sonderkommission des FBI war es ge- sah die direkte Ausspähung von Die Mafia-Rächer wiesen sich als Polizisten aus lungen, das rosarote Telefon im Eigen- Mafia-Familien auf deren eige- heim des Gotti-Busenfreundes Angelo nem Territorium vor. Agenten der ver- rer bei der Navy: Auch in New York Ruggiero anzuzapfen. Die abgehörten schiedenen Sonderkommandos sollten konnte man in ziemlich trübe und ge- Gespräche enthielten so viele Hinweise sich in der Nähe der Wohnviertel eta- fährliche Gewässer geraten, wenn Ma- auf Drogengeschäfte, daß Ruggiero und blieren, in denen Mafia-Figuren lebten fiosi zu beschatten