Musik Im Sozialen Raum Beiträge Zur Kulturgeschichte Der Musik Herausgegeben Von Rebecca Grotjahn Band 3
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Musik im sozialen Raum Beiträge zur Kulturgeschichte der Musik Herausgegeben von Rebecca Grotjahn Band 3 Freia Hoffmann, Markus Gärtner und Axel Weidenfeld (Hrsg.) Musik im sozialen Raum Festschrift für Peter Schleuning zum 70. Geburtstag Allitera Verlag Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter: www.allitera.de April 2011 Allitera Verlag Ein Verlag der Buch&media GmbH, München © 2011 Buch&media GmbH, München Umschlaggestaltung: Kay Fretwurst, Freienbrink, unter Verwendung des Gemäldes »Intérieur avec une femme jouant de l’épinette« von Emanuel de Witte. Bayerische Staatsbibliothek München, Signatur 2007.61597. Herstellung: Books on Demand GmbH, Norderstedt Printed in Germany · isbn 978-3-86906-155-9 Inhalt Freia Hoffmann, Markus Gärtner, Axel Weidenfeld Peter Schleuning: Musikwissenschaft auf neuen Wegen ............. 9 Jan Henning Müller »Und ich hörte eine große Stimm« Ein Komponist als Prediger ................................... 15 Klaus Hofmann Vom Fürstengeburtstag zum Ratswahlgottesdienst Mutmaßungen über eine verschollene Bach’sche Arie Mit einem Nachwort über Bachs Parodieverfahren ................. 29 Martin Zenck Wie Thomas Bernhard mit Glenn Gould Bach gegen seine (falschen) Liebhaber verteidigt Zur Bach-Rezeption im 20. Jahrhundert ......................... 38 Martin Derungs Nietzsche und die Alte Musik ................................. 49 Werner Busch Kakophonie! William Hogarths The Enraged Musician ........................ 58 Freia Hoffmann Geheime Botschaften Thomas Gainsboroughs Porträt der Musikerin Ann Ford ............ 75 Melanie Unseld Gedanken über eine widerspenstige Grenzgängerin Lenore von Gottfried August Bürger in der Vertonung von Maria Theresia Paradis ...................................... 88 Dieter Richter »Die Geisterinsel, die schöne …« Fanny Hensels »Capri-Lied« .................................. 105 Hans-Günter Klein »Wenn ich mir in stiller Seele …« Verse Goethes und eine neu aufgefundene Komposition Fanny Mendelssohns ........................................ 113 Constantin Floros Die Klaviervariationen op. 23 von Johannes Brahms Ein Monument für Robert Schumann ........................... 123 Dagmar Hoffmann-Axthelm »Jeder Takt und jede Note muß wie ritard klingen, als ob man Melancholie aus jeder einzelnen saugen wolle …« Brahms’ melancholische Schumann-Nachlese ..................... 130 Martin Geck »…voller kühner, wilder Gedanken …« Robert Schumanns Concert sans orchestre op. 14 ................. 152 Hartmut Krones Immer noch »auf der Flucht« (aus Wien) Zu Liedern von Hanns Eisler und Marcel Rubin .................. 161 Wolfgang Ruf Funktionalisierungen der Musik Ein Rückblick ............................................. 188 Dieter Gutknecht Il flauto magico Einige Betrachtungen zu Kompositionen für Flöte von Karlheinz Stockhausen ...................................... 202 Barbara Boock Hasenstrophen Ambivalente Gefühle in der Metaphernsprache älterer Volkslieder ..... 216 Sabine Giesbrecht Beethovens »Fünfte« und Hindenburg Versuch über Musik und Propaganda ........................... 227 Fred Ritzel Die Schöne, das Schlimme und ein schöner alter Schlager Zur Filmmusikdramaturgie in Carlos Sauras Dulces horas .......... 239 Albrecht Riethmüller Musik in Springfield Vier Vignetten ............................................. 252 Monika Tibbe Bahnhofsmusik Musik aus dem Untergrund .................................. 265 Niels Knolle Anmerkungen zur Reform der Oldenburger Musiklehrerausbildung 1972 bis 1974 ............................................. 279 Markus Gärtner Schriftenverzeichnis Peter Schleuning ........................... 301 Peter Schleuning Gereimtes ................................................ 309 Vom Altern ............................................ 310 Ballade von Ludwig Lermfogel ............................. 311 Ballade vom Bauern und seinem Bruder oder Das Tongeschlecht ... 313 Schäfers Klagelied ....................................... 314 Kunstcharakter ......................................... 315 Mallorca .............................................. 316 Telemann ............................................. 319 AutorInnen ............................................... 322 Peter Schleuning: Musikwissenschaft auf neuen Wegen Musste aus Peter Schleuning wirklich ein Musikwissenschaftler werden? Hät- te er nicht alle möglichen anderen Fachrichtungen genauso gut und originell verfolgen können? Der Berufsberater, der 1960 am Hermann-Böse-Gymnasium in Bremen den 19-Jährigen beraten sollte, war jedenfalls ratlos: Der aus Ostpreußen stammende Abiturient hatte zwar unbestreitbar musikalisches Talent, war als Schüler von Martin Skowroneck ein bemerkenswert fixer Blockflöten- spieler geworden, hatte beim Bremer Kantor Gebhard Kaiser Orgel spielen gelernt und zuletzt bei Ingrid Lueder Flötenunterricht gehabt. Aber auch als Zeichner, vor allem von Karikaturen, und als Verfasser von Gedichten war er bemerkenswert. Und sein Interesse für Sprachen – bis heute wird vor jedem Auslands-Urlaub Niederländisch, Italienisch, Englisch, Französisch oder Spa- nisch aufgefrischt – hätte durchaus auch in eine Karriere als Lehrer für Latein oder moderne Fremdsprachen münden können. Und nun ausgerechnet etwas so Entlegenes wie Musikwissenschaft? Nach der Berufsberatung führte der nächste Weg zu Hellmuth Schnackenburg, dem Leiter des Konservatoriums, und zu Klaus Blum, dem einzigen in Bremen damals greifbaren Musikhistori- ker, Verfasser einer Musikgeschichte Bremens – Jahre, bevor das Fach an der Universität und an der Hochschule für Künste mit Professuren vertreten war. Danach schien die Richtung klar: Aufnahme eines musikwissenschaftlichen Studiums an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, wo der Jungstudent in das Fach nicht nur von Walter Wiora eingeführt wurde, sondern auch von seinem Assistenten Ludwig Finscher und dem um fünf Jahre älteren Martin Geck Anregungen bekam. Das musikwissenschaftliche Studium wurde an der Ludwig-Maximilians- Universität München bei Thrasybulos Georgiades fortgesetzt, das Studium der Flöte (in Kiel hatte er mit dem Universitätsorchester unter Wilhelm Pfannkuch eines der schwierigen Konzerte von Carl Philipp Emanuel Bach aufgeführt) bei Konrad Hampe. Ausschlaggebend für die Entscheidung, das Studium in Frei- burg zu intensivieren und abzuschließen, war allerdings nicht die dort unter Hans Heinrich Eggebrecht aufblühende, von Eggebrecht gern so genann- te »Freiburger Pflanzschule«. Ausschlaggebend war das Wirken von Gustav Scheck, Professor für Flöte und bis 1964 auch Rektor der Musikhochschule 9 Freia Hoffmann / Markus Gärtner / Axel Weidenfeld Freiburg, ein gesuchter Lehrer für FlötistInnen, vor allem solche mit Interesse an historischer Aufführungspraxis. So rückte die Musikwissenschaft zunächst in den Hintergrund. Peter Schleuning wurde in die Meisterklasse Flöte aufge- nommen und konzentrierte sich auf ein künstlerisches Studium, das er, später ergänzt durch Unterricht bei Aurèle Nicolet, 1965 mit der Konzertreifeprü- fung abschloss. Aushilfen im Orchester, öffentliche Auftritte als Solist und Kammermusiker, Mitwirkung in zahlreichen Konzerten Neuer Musik und der 2. Preis im Fach Flöte beim Solistenwettbewerb der Rundfunkanstalten in Hannover (1967) sind Indizien dafür, dass die Entscheidung für eine Karriere als Musikwissenschaftler immer noch nicht gefallen war. Nachdem Peter Schleuning – nach vorausgegangenen Publikationen, die im Schriftenverzeichnis nachzulesen sind – 1970 an der Albert-Ludwigs-Univer- sität Freiburg mit einer Arbeit über Die Freie Fantasie. Ein Beitrag zur Erfor- schung der klassischen Klaviermusik promoviert worden war, stellte er die künstlerische Arbeit als Flötist allerdings etwas zurück, aus guten Gründen: Die Neuorientierung der Musikwissenschaft, die von Eggebrecht in Freiburg betrieben bzw. durch thematische und methodische Öffnung ermöglicht wur- de, erlaubte dem wissenschaftlichen Nachwuchs Arbeiten und Experimente in verschiedener Richtung, und die dort versammelten Assistenten und Mitstu- dierenden lesen sich im Nachhinein fast wie ein Who is Who der historischen Musikwissenschaft späterer Jahrzehnte: Reinhold Brinkmann, Elmar Budde, Klaus-Jürgen Sachs, Fritz Reckow, Wolf Frobenius, Ulrich Michels, Erich Rei- mer, Peter Andraschke, Klaus Hofmann, Peter Schnaus, Wolfgang Martin Stroh, Walter Heimann, Wolfgang Ruf, Wolfram und Susanne Steinbeck, Mar- tin Zenck, Claudia Maurer Zenck, Hartmuth Kinzler, Albrecht Riethmüller, Dagmar Hoffmann-Axthelm. Wichtig waren für Peter Schleuning auch seine Nebenfächer Kunstgeschichte und Soziologie, die Nahrung boten für künst- lerische Interessen und die politischen Fragen, die Ende der 1960er Jahre die Diskussionen innerhalb und außerhalb der Geisteswissenschaften bewegten. Dem politisch motivierten Wunsch, Fachinhalte in weitere gesellschaftliche Gruppen hineinzutragen und sie an deren Bedürfnissen zu überprüfen, ent- sprach die nächste Station (1971–1976): eine Assistenz an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe, wo Peter Fuchs, Martin Kemper und Rolf Frisius eine Neuausrichtung der Musikpädagogik (Auditive Wahrnehmungserziehung) entwickelten, die sich an Hartmut von Hentigs Schriften zur Ästhetischen Erziehung orientierte und anstelle der traditionellen Unterrichtsinhalte das Musikhören, die Improvisation und die Orientierung an der Neuen Musik in den Mittelpunkt rückte. Der Horizont des Musikhistorikers hatte sich also zu erweitern in Richtung Lehrerausbildung, schulbezogene Musikpraxis, Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, schulpraktische Studien,