| Im Porträt | 9

❙ Meine Meinung ❙ ❙ Die Hungerzeichen der Zeit S. 10 Oliver Tanzer über die Debatte zum Agrartreibstoff E10 und verfehlte Maßnahmen der Klimapolitik. „ Es zeichnet Wolfgang ❙ Presse international ❙ Petritsch aus, dass ❙ Terror am Horn von Afrika S. 10 Die Frankfurter Allgemeine Zeitung über den Einfl uss er für sich nicht die radikaler Islamisten in den Staaten Nordafrikas. leichtesten Wege aus- ❙ Auf ein Wort ❙ ❙ „Asma“ ist überall (II) S. 10 sucht. Er übersieht nie DIE FURCHE-Herausgeber Heinz Nußbaumer über In- den Einzelnen. teressen und – fehlende – Moral im Syrien-Konfl ikt. ❙ Interview ❙ “ ❙ Endlich Staatsbürger S. 12 Der Sudanese Amir al-Amin über seinen hindernisrei- Bub EIN chen Weg zur österreichischen Staatsbürgerschaft. eine Freundschaft mit Wolf- Leben irgendetwas unwiederbringlich ge- gang Petritsch hat zweifel- ändert hatte.“ los einen ungewöhnlichen Wolfgang Petritsch ist zunächst zwei- Beginn. In beinahe mär- sprachiger Kärntner Volksschullehrer ge- chenhaft entfernter Zeit worden, hat dann bald in Wien zu studie- warM ich Schulsprecher des Bundesgymnasi- ren begonnen und sein Geschichtestudium ums für Sloweninnen und Slowenen in Kla- mit einer zweibändigen, 800 Seiten umfas- genfurt/Celovec und hatte die Vorstellung, senden Dissertation über die slowenischen Bundeskanzler zu einer Dis- Studenten in Wien seit dem Jahr 1848 abge- kussion über die Kärntner Slowenen im Ver- schlossen. Danach war er noch Fulbright- gleich zu den Südtirolern einzuladen. Die Stipendiat an der University of Southern Idee war so provokant gedacht, wie Gymna- California in , bevor es in das Ka- siasten, die ihre ersten Gedichte schon ver- binett Kreisky ging, wo er lange Jahre Pres- öffentlicht hatten, eben gestrickt sind. Ne- sesprecher und schließlich – neben dem ben der Lyrik war auch ein Brief schnell späteren Bundesminister Ferdinand Lacina geschrieben und auf den Wiener Ballhaus- – stellvertretender Kabinettschef war. platz geschickt. Wenige Tage nach dem Versand der einla- Späte Rückkehr zum Lehrberuf

denden Epistel hat mich die Sekretärin des picturedesk.com / Lipus Marko Foto: Slowenischen Gymnasiums zum Telefon, Nachdem Bruno Kreisky den Ballhaus- was damals ungewöhnlich war, zumal wir platz verlassen hatte, wurde Petritsch mit uns in der zweiten Hälfte der Siebzigerjah- gewichtigen internationalen Aufgaben be- re des vorigen Jahrhunderts befi nden, ge- traut. Er war nach Stationen in den USA und rufen. Als sie mir schon auf dem Weg in die Frankreich der EU-Sonderbeauftragte und Direktion sagte, das Bundeskanzleramt su- AUS GLAINACH Chefverhandler für in Rambouillet che mich, bin ich fast in Ohnmacht gefallen. und , österreichischer Botschafter in Im ersten Moment machte sich der bekann- Einer der profi liertesten Diplomaten des Landes feiert am 26. August seinen 65. Geburtstag: Belgrad, Hoher Repräsentant der Internati- te Refl ex des schlechten Gewissens bemerk- | Wolfgang Petritsch, zurzeit als Österreichs Botschafter bei der OECD in Paris akkreditiert. | onalen Gemeinschaft für Bosnien und Her- bar. Natürlich grundlos. Zum Telefon schaff- zegowina und ist heute OECD-Botschafter te ich es gerade noch, wo ich beinahe zum in Paris. zweiten Mal ohnmächtig geworden wäre. | Von Janko Ferk | In Paris haben meine Partnerin und „Dober dan, Petricˇ, Urad zveznega kan- ich ihn und seine Familie, seine wunder- clerja!“, was soviel heißt wie „Guten Tag, ster Nähe Slowenisch spricht. Mein Zögern gezeichnet. Schon als Bub hatte er im fami- Kreisky bare Ehefrau Nora und seinen fußballbe- Petritsch, Bundeskanzleramt!“, lautete es kann ich heute nicht mehr wiedergeben. Ich liären Bauern- und Gasthof mitzuhelfen. Wolfgang Petritsch geisterten Sohn Nikola, unlängst besucht, freundlich aus dem Hörer. Ich war siebzehn habe aber in Erinnerung, dass Wolfgang Pe- Er musste „für den Sparherd Holz tragen, (Bild u. mit Ko- wo er unter unserem gemeinsamen Lachen und habe nach Luft gerungen oder wenig- tritsch sehr freundlich und interessiert war. Schweine und Hühner versorgen und den fi Annan), am 26. auf Slowenisch festgestellt hat: „Da schaust stens schwer geatmet. Als er mir schließlich sagte, er sei Kärnt- Hof kehren“, wie er heute – nicht ohne Stolz August 1947 im Du, wohin es ein Bub aus Glainach bringen Nicht das Bundeskanzleramt brachte ner Slowene, konnte ich wieder durchatmen – sagt. Ein kluger Dorfl ehrer, wie immer Kärntner Glainach/ kann.“ Ich schaue schon lange. Und kann mich nun aus der Fassung, sondern die Tat- und neuen Mut fassen. bei solchen Schicksalen, hat es verhindert, Glinje geboren, ihm eigentlich nicht einmal ein Zitat aus Je- sache, dass ein Mensch aus Kreiskys näch- dass Wolfgang Werkzeugmacherlehrling studierte u. a. Ge- an-Jacques Rousseaus „Confessions“ ent- Kindheit im elterlichen Bauern- und Gasthof in /Borovlje geworden ist. Er durf- schichte in Wien. gegenhalten: „Das, was man ist, wird man te die Lehrerbildungsanstalt in / Von 1977 bis 1983 durch Paris.“ Zum Besuch des Bundeskanzlers ist es Celovec besuchen. Der Grundstein für ei- war er im Kabinett Wolfgang Petritsch ist nicht nur ein Spit- nicht gekommen, was nicht Wolfgang Pe- ne beispielhafte Karriere war gelegt. Weni- von Bundeskanzler zendiplomat, dem wir unser besonders tritsch zur Last zu legen war, sondern dem ge Tage vor Schulbeginn hat ihm seine Mut- Kreisky tätig. gutes Image unter den OECD-Ländern ver- Terminkalender Bruno Kreiskys, der sich zu ter, eine liebenswürdige und lebensechte danken, sondern auch ein Schriftsteller jener Zeit mit Fragen von A bis Z, also von Frau, „einen dunklen Anzug samt Krawat- von Rang, der bis heute rund zwanzig Bü- Androsch bis Zwentendorf, und anderen po- te zum Binden und einen olivgrünen Nylon- cher veröffentlicht hat. Den größten Erfolg litischen Problemen beschäftigte. Wie auch mantel“ gekauft, wie er sich erinnert und konnte er mit seiner Kreisky-Biografi e im immer, ich jedenfalls habe damals einen nachsetzt: „Ich spürte, dass sich in meinem Residenz Verlag erreichen, die zum 100. sehr guten Freund gewonnen. Geburtstag des Jahrhundertkanzlers er- Diese Episode, die ein bisschen selbst- Ich habe in Erinnerung, dass Petritsch sehr schienen ist. Die Aufl age beträgt mittlerwei- prunkend klingen mag, sagt in Wahrheit „ le zigtausende Exemplare und wird in meh- viel über Wolfgang Petritsch. So freundlich freundlich und interessiert war. Als er mir schließ- rere Sprachen übersetzt. und interessiert, wie er es beim Telefonge- lich sagte, er sei Kärntner Slowene, konnte ich Im nächsten Jahr wird Wolfgang Petritsch spräch war, habe ich ihn immer, auch in grö- in seinen angestammten Lehrerberuf zu- ßeren Gesellschaften, erlebt. Er übersieht wieder durchatmen und neuen Mut fassen. rückkehren, sei es auch auf einem anderen nie den Einzelnen und stellt sich niemals “ Level, zumal ihn der Ruf einer sehr renom- über den anderen. Für mich selber war im- mierten US-amerikanischen Universität er- mer wieder Achtung gebietend, dass er zu reicht hat. seiner Kärntner slowenischen Identität ge- Lieber Wolfgang! Ich wünsche Dir zu Dei-

Foto: APA / Schlager / APA Foto: standen ist, was ihm seine Umstände nicht nem Geburtstag alles Gute! Möge zwischen immer erleichtert hat. Es zeichnet uns das bleiben, was Du in den Widmungen Wolfgang Petritsch aus, dass Deiner Bücher, die Du mir zueignest, „alte er für sich nicht die leich- Freundschaft“ nennst. Na mnoga leta! Was testen Wege aussucht. soviel heißt wie: Ad multos annos! Sein Lebensweg war ihm – in dieser Form | Der Autor ist Jurist, Schriftsteller

– bestimmt nicht vor- EPA Foto: und Literaturwissenschaftler |