Die Käferfauna (Coleoptera) Des Botanischen Gartens in Bonn Im Langjährigen Vergleich
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Decheniana (Bonn) 160, 217–248 (2007) Die Käferfauna (Coleoptera) des Botanischen Gartens in Bonn im langjährigen Vergleich The Beetle Fauna (Coleoptera) of the Bonn Botanical Garden with Long Standing Comparison TORBEN KÖLKEBECK & THOMAS WAGNER (Manuskripteingang: 30. Dezember 2006) Kurzfassung: Die Käferfauna des Botanischen Gartens der Universität Bonn wurde von April 2004 bis Fe- bruar 2005 untersucht. Hierzu wurden neben Handfangmethoden wie Klopf-, Streifkescher- und Gesiebepro- ben intensive Fallenfänge (Boden-, Flug-, Kot- und Aasfallen) sowie der Autokescher eingesetzt. Damit wur- den 12406 Käfer erfasst, die 667 Arten zugeordnet werden konnten. Die Daten wurden mit einer Arbeit ver- glichen, die von April 1991 bis August 1993 im gleichen Gebiet mit nahezu identischen Erfassungsmethoden durchgeführt wurde und 603 Käferarten erbrachte. Nur etwa ein Drittel der Arten konnten in beiden Auf- sammlungen gefunden werden, womit innerhalb einer Dekade insgesamt 931 Käferarten für das 6,5 ha große, durch dichte Bebauung und hochfrequentierte Straßen stark isolierte Areal nachgewiesen werden konnten. Mit 321 Arten sind die Staphylinidae die mit Abstand artenreichste Gruppe. Im Vergleich zu den aus dem nördli- chen Rheinland bekannten Käferarten sind die Coccinellidae und die schimmelpilzfressenden Ptiliidae, Latri- diidae, und Cryptophagidae überrepräsentiert, dagegen fehlen viele sonst häufige Arten der Curculionidae, Bu- prestidae, Cerambycidae und Carabidae. Die Käferfauna des Gartens wird von kleinwüchsigen Arten domi- niert. Es finden sich gegenüber der Erstuntersuchung mehr seltene Arten, darunter auffällig viele südeuropäisch verbreitete, thermophile Arten, die im Zuge des Klimawandels erst unlängst eingewandert sind. Dazu gehören Agrilus derasofasciatus, Globicornis fasciata, Anthrenocerus australis, Cryptophilus obliteratus, Cryptophi- lus integer, Migneauxia orientalis, Nathrius brevipennis, Bruchidius varius und Rhopalapion longirostre, die neben anderen faunistisch bemerkenswerte Arten detailliert besprochen werden. Schlagworte: Coleoptera, Faunistik, Rheinland, Stadtökologie, Botanischer Garten Abstract: The beetle fauna of the Bonn Botanical Garden was studied from April 2004 to February 2005. A wide spectrum of methods was used including sweep-netting, beating tray, sieving of rotten plant material, car- netting, and several traps (ground, dung, carrion, and flight interception traps). 12406 beetle specimens were collected which could be assigned to 667 species. Data are compared to those from a survey done at the same location with nearly the same methods from April 1991 to August 1993, where 603 beetles species have been collected. Only about one third of the species could be found in both surveys, though within one decade 931 beetle species could be recorded for the area. This is a surprisingly high number for the 6.5 ha large park, which is isolated from surrounding natural areas by dense urbanisation and highly frequented roads. The most diverse beetle group are the Staphylinidae with 321 species. In comparison to the beetle fauna of the northern Rhine- land, Coccinellidae and the mould feeding Ptiliidae, Latridiidae, and Cryptophagidae are over-represented, whi- le many wide spread and abundant species of Curculionidae, Buprestidae, Cerambycidae and Carabidae are lacking. Small sized species are dominating the garden fauna in general. Compared to the first survey, the num- ber of rare species in particular those with south European distribution increased. Several species are immi- grated recently due to the general climate change, examples are Agrilus derasofasciatus, Globicornis fascia- ta, Anthrenocerus australis, Cryptophilus obliteratus, Cryptophilus integer, Migneauxia orientalis, Nathrius brevipennis, Bruchidius varius and Rhopalapion longirostre. These, and on further species of faunistic interest are discussed in detail. Keywords: Coleoptera, faunistics, Rhineland, urban ecology, Botanical Garden 1. Einleitung lich milderen Klima wirkt sich diese Habitatdi- Im Zentrum der Großstädte sind innerstädtische versität grundsätzlich positiv vor allem auf die Parks oftmals die einzigen naturnahen Lebens- Besiedlung durch Insekten aus. Von solchen Be- räume. Vor allem botanische Gärten zeichnen dingungen profitieren insbesondere thermo- sich durch eine große Strukturvielfalt aus, wo- und xerophile Arten, die hier ungünstige Kli- durch diese „Biotopinseln“ bisweilen zu her- maperioden überdauern oder sich im Falle ein- ausragend artenreichen Lebensräumen avancie- geschleppter wärmeliebender Arten dauerhaft ren. In Verbindung mit dem zum Umland deut- ansiedeln können. Das gilt auch für manche 218 TORBEN KÖLKEBECK & THOMAS WAGNER synanthrope Arten, deren Ursprungsheimat im 2. Untersuchungsgebiet mediterranen oder gar subtropischen Bereich liegt (KLAUSNITZER 1982, 1983a). In Hinblick Der Botanische Garten der Universität Bonn ist auf die derzeitige Wandlung des Klimas ver- 6,5 ha groß und liegt im Stadtteil Poppelsdorf. wundert es nicht, dass sich in den letzten Jah- Das umgebende dichte Siedlungsgebiet besteht ren ursprünglich mediterrane oder zumindest aus dreigeschossiger Bebauung und vielbefah- submediterrane Tierarten sehr schnell nach Nor- renen Straßen. Die nächstgelegene Freifläche, den ausgebreitet haben, darunter auch manche das Versuchsgelände der Landwirtschaftlichen Käferarten wie der Getreide-Bockkäfer Cala- Fakultät, ist etwa 200 m entfernt, aber auch ih- mobius filum (NIEHUIS 2001) oder der Spitz- rerseits eine von urbaner Bebauung isolierte, mäuschenrüssler Rhopalapion longirostre wenn auch deutlich größere Fläche. Der Garten (SCHMITZ & MACZEY 1993). Des Weiteren wird an zwei Seiten von einem Weiher umgeben, konnten sich eingeführte Schädlinge, wie Nütz- der vom Melbbach gespeist wird. Der Weiher ist linge etablieren, z. B. die Weidenbockkäfer Gra- durch das Füttern von Enten, Fischen und aus- cilia minuta und Nathrius brevipennis (NIEHUIS gesetzten Schmuckschildkröten stark eutro- 2001) oder Holzschädlinge, wie der Laubholz- phiert. bockkäfer aus Ostasien (TOMICZEK & KREHAN Der Bonner Botanische Garten ist einer der äl- 2001). Hier wäre auch die aus China stammen- testen Parks Deutschlands. Der heutige Garten de Marienkäferart Harmonia axyridis zu nennen ist uraltes Kulturland und war Knotenpunkt (CUPPEN et al. 2004), die ausgehend von den wichtiger Handelsstraßen. Um 1150 wurde mit Niederlanden in wenigen Jahren fast ganz Mit- einem Wirtschaftshof das erste Gebäude errich- teleuropa besiedelt hat. In diesem Falle wird al- tet. Im frühen 14. Jahrhundert entstand eine Was- lerdings auch befürchtet, dass einheimische Ar- serburg. Um 1750 wurden die ältesten Bäume, ten, die als Blattlausvertilger ebenfalls als nütz- zwei Buchen gepflanzt, von denen eine im Ja- lich eingestuft werden, durch dieses invasive nuar 2007 einem Sturm zum Opfer fiel. Das Kur- Neozoon verdrängt werden. fürstliche Schloss wurde 1746 fertig gestellt und Viele Insektenarten können offenbar lebens- ab 1818, dem Gründungsjahr der Universität, fähige Populationen auch auf wenigen Hektar wurde der Garten deren Eigentum. Im gleichen Fläche aufrecht erhalten, so dass oftmals er- Jahr stieg die Anzahl der kultivierten Pflanzen- staunliche Artenzahlen auf solch isolierten arten stark an, so dass im Folgejahr 4500 Arten, Flächen gefunden werden können. Die Fauna 1821 schon 6000 und 1839 etwa 10000 Arten auf ausgewählter Gruppen lässt sich darüber hinaus dem Gelände wuchsen. Nach dem heutigen Ar- auf der überschaubaren Fläche innerstädtischer tenverständnis müssen diese Zahlen um die Hälf- Parks gut untersuchen. So waren Käfer, vor al- te nach unten revidiert werden, da viele „Arten“ lem Laufkäfer und Kurzflügler, schon gele- in der damaligen Terminologie heute lediglich gentlich Gegenstand intensiverer Untersuchun- als Variationen gelten. Im Jahre 1872 wurde das gen in Stadtparks (TOPP 1972; KLAUSNITZER et Gebiet um die Koniferenabteilung erweitert. En- al. 1980, 1982; FRANZEN 1992, 1996; KACHE & de des 19. Jahrhundert war der Bonner Garten ZUCCHI 1993; WAHLBRINK & ZUCCHI 1995). der zweitgrößte in Preußen. In den Jahren 1912– Die Käferfauna des Botanischen Gartens in 1946 wurde der Garten von den wissenschaftli- Bonn wurde von April 1991 bis August 1993 be- chen Instituten abgekoppelt. Im Zweiten Welt- reits einmal untersucht (WAGNER 1997; nach- krieg wurde das Gartengelände 1944 durch folgend wird diese Arbeit als „Erstuntersuchung“ Bomben und anschließend durch Verwilderung bezeichnet). Zwischenzeitig wurde die Habitat- stark in Mitleidenschaft gezogen. Für straßen- vielfalt im Garten mit der Schaffung einer Bio- bauliche Maßnahmen wurden 1961–1962 zudem topanlage erhöht. Die Anlage wurde 1996 weit- etwa 2000 m2 geopfert. Heute beherbergt der gehend fertig gestellt und umfasst für Mitteleu- Garten im Freiland etwa 3500 Pflanzenarten ropa typische Florengemeinschaften wie Laub- (BARTHLOTT 1990). Der Bau einer Biotopanla- und Schluchtwald und Sumpfwiese, aber auch ge wurde 1991 begonnen und 1996 abgeschlos- Extrembiotope wie ein Moor und einen Sand- sen. magerrasen. Eine neuerliche Untersuchung der Käferfauna von April 2004 bis Februar 2005, die 3. Methoden mit nahezu identischem Methodenspektrum wie zwölf Jahre zuvor durchgeführt wurde, ermög- 3.1. Erfassung der Käferfauna licht nun sowohl Aussagen zur Besiedlung die- Die Erfassung der Käferfauna erfolgte durch re- ser neuen Lebensräume, als auch zur längerfri- gelmäßige Handfänge sowie durch Aufstellen stigen Dynamik der Käferfauna eines dergestalt verschiedener Fallentypen