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SWR2 Tandem - Manuskriptdienst

Take a look at me now wird 65

Autor: Christiane Rebmann Sprecher: Peter Binder Redaktion: Bettina Stender

Sendung: Freitag, 29.01.16 um 19.20 Uhr in SWR2

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Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

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MANUSKRIPT

Phil Collins begann seine Karriere als Kinderschauspieler. Ab 1970 spielte der britische Künstler bei der Band Genesis, anfangs als Schlagzeuger, später auch als Sänger. 1981 veröffentlichte er sein erstes Soloalbum „Face Value“, das in vielen Ländern Europas auf Platz Eins landete. Seitdem hat er über 250 Millionen Tonträger verkauft. Der mehrfach mit Grammies und Oscars ausgezeichnete Musiker hat unter anderem mit einer Bigband gearbeitet, Soundtracks zu Disney Produktionen wie „“ geschrieben und auch immer wieder als Schauspieler gearbeitet. Take a Look at me now – Phil Collins wird 65. Ein Portrait von und mit Christiane Rebmann

1. Song: Against all odds / Take a Look at me now

“Against all Odds, Take a look at me now” - Diesen Song schrieb Phil Collins ursprünglich unter dem Arbeitstitel „How can you just sit there“ für sein erstes Soloalbum von 1981, “Face Value”. Doch dann überredeten ihn die Produzenten des Films „Against all odds“, einen Soundtracksong daraus zu machen.

Gerade hat er die Demoversion veröffentlicht - in einer Kollektion mit neu abgemischten Versionen seiner 80er Jahre Alben – Ein Schritt, zu dem ihn seine beiden älteren Töchter ermutigten und zu dem ihn auch das Lob von jüngeren Kollegen wie Adèle, Pharell Williams oder Beyonce inspirierte.

2. Song: Against all odds – Demo

Phil Collins gehört zu den angenehmsten Interviewpartnern, die ich getroffen habe. Und zu den höflichsten und zuverlässigsten. Ganz egal, ob ich ihn in der Hochphase seines Erfolges oder später in der Phase traf, in der er in einer Krise steckte – er hat nie Starallüren gezeigt. Als ich beispielsweise im damaligen Genesis Studio The Farm mit ihm verabredet war, entschuldigte er sich mehrfach, weil er sich fünf Minuten verspätet hatte. Er zeigt Selbstironie, gibt sich aber auch bescheiden. Auf meine Frage, ob er immer gewusst habe, welcher Song erfolgreich werden würde, antwortete er mit typisch britischem Understatement.

O-Ton Ich suche keine Singles aus. Das überlasse ich den Experten, die den Kontakt zu den Leuten auf der Straße haben und die wissen, was da draußen los ist. Ich habe keine Ahnung, was eine Hitsingle ausmacht. Ich habe das nie gewusst. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich meine großen Hits "" und "" nicht als Singles rausgebracht.

3. Song: In the air tonight Phil Collins kam am 30. Januar 1951 im Londoner Stadtteil Chiswick zur Welt. Mit fünf bekam er ein Schlagzeug zu Weihnachten und entdeckte die Liebe zu diesem Instrument. Mit 14 nahm er Schauspielunterricht und trat im Musical „Oliver“ als Artful Dodger auf. Er fand schnell einen Weg, die Schauspielerei mit seiner zweiten Passion, der Musik, zu verbinden. So ist er zum Beispiel im Beatles Film „A Hard Days Night“ zu sehen.

O-Ton ohne synch

Er habe einen kreischenden Fan gespielt, erzählt er. Darauf ist er noch heute stolz, vor allem, weil er sagen kann, dass er damals bei den Dreharbeiten zu „A Hard Days Night“ dabei war. Er habe dafür sogar Geld bekommen, erinnert er sich.

O-Ton ohne synch

Später durfte er auf George Harrisons erstem mitspielen und bekam dafür von George einen Scheck über 15 Pfund in die Hand gedrückt. „Leider habe ich den Scheck eingelöst, weil ich das Geld brauchte“, bedauert er heute.

Nicht nur die Beatles waren seine Vorbilder.

Während der Zeit, in der er in „Oliver“ auftrat, nahm er Schlagzeugunterricht und spielte in einer Schulband Coverversionen.

O-Ton Und abends bin ich mit dem Sänger, der auch Tänzer war, immer in den Marquee Club in London gegangen. Wir haben uns dann Bands wie The Action angesehen. Die spielten auch alle Coverversionen. Wenn uns ein Song gefiel und wir die Platte nicht kaufen konnten, überlegten wir: „Wie ging der Song noch mal?“ Und dann dachten wir uns erst mal einen Fantasietext dazu aus. Bis wir herausfanden, wie der Text wirklich ging.

Zu den Songs, die er damals coverte, gehörte das Stück “Heatwave“. Er nahm es 2010 für sein Album „Going Back“ mit eigenen Versionen von Motown-Klassikern aus den sechziger und siebziger Jahren auf.

4. Song: Heat wave

Als Phil Collins 1970 als Schlagzeuger bei der Progrockband Genesis einstieg, hatte er die Musik von Howlin Wolf und einige Jahre Schlagzeug studiert und auch Erfahrungen mit Modern Jazz gesammelt. Er sei der lockerste von ihnen gewesen, nicht der typische steife Charterhouse Student, wie die restlichen Genesis Musiker, erinnerten sich seine Kollegen später.

Collins Schlagzeugspiel gab der Musik der Band eine präzise, straffe Basis. Und während sich die anderen Mitglieder in Machtspielchen vergaßen, blieb er der neutrale Ruhepol. Nachdem das Genesis Album „The Lamb lies down on Broadway“ erschienen war, verließ 1975 die Band, und Phil Collins rückte ans Mikro vor. „Keiner der Bewerber um den Sängerposten war besser als er. Das stellten wir fest, als wir die Castingbänder abhörten, in denen Phil ihnen unsere Songs vorgesungen hatte“, schilderten die anderen Genesis Musiker die Situation. So führte Collins an Schlagzeug und Gesangsmikro die Musiker von Genesis in eine neue Ära, in der sie mit weniger experimenteller, kommerziellerer Musik große Erfolge verzeichnen konnten.

5. Song: Abacab

Nachdem seine erste Ehe gescheitert war, fing Collins an, sich den Frust von der Seele zu singen. Die Songs, die dabei entstanden, konnte er unmöglich bei Genesis unterbringen. So baute er sich eher gezwungenermaßen parallel zu Genesis eine Solokarriere auf, die die seiner Band noch überstrahlen sollte. Der Anlass war traurig: Seine Frau Andrea hatte ihn verlassen, weil sie seine Workaholic Tendenzen nicht ertrug.

O-Ton Die Leute sagen dauernd: „Du bist jetzt ein richtiger Family Man.“ Und ich antworte dann: „Ich bin immer ein richtiger Familienvater gewesen. Für mich hat die Familie immer an erster Stelle gestanden. Allerdings in typisch britischer Tradition, die im Übrigen auch in Ländern wie Deutschland gilt.“ Mein Vater hat mich nach dem Motto erzogen: „Wenn du dir weh getan hast, jammer nicht. Reiß dich zusammen. Es wird schon wieder werden.“

Also sagte ich, als ich meine erste Frau zuhause zurück ließ: „Ich bin Musiker. Ich muss arbeiten. Ich muss reisen. Ich muss das tun, was zu tun ist. Natürlich kommt meine Familie an erster Stelle. Aber dies hier ist mein Job.“ Ich sah mein Verhalten damals nicht als selbstsüchtig an.

Seine damalige Frau sah das wohl zu der Zeit anders, sagt er.

O-Ton Ich bin sicher, dass sie mein Verhalten selbstsüchtig fand. Sie war sauer, weil ich sie mit unserer Tochter Joely zurückließ. Sie musste ja in die Schule. Deshalb konnte ich die beiden nicht mitnehmen. Aber ich muss zu meiner Verteidigung sagen, dass ich ja in Sachen Arbeit nicht für mich allein verantwortlich war. Ich war Teil einer fünfköpfigen Band namens Genesis. Es war ein bisschen wie in dieser abgedrehten Filmkomödie „Spinal Tap“ über die Klischees einer Rockband: „Auf geht’s. Egal wohin.“ Erinnern Sie sich an die Szene, wo die Band völlig orientierungslos unter der Bühne herumirrt und den Weg auf die Bühne sucht? „Okay, ich weiß, wo’s lang geht! Hier lang! Nein, da drüben entlang!“ Bei uns lief das auch so: „Okay, lasst uns Amerika aufrollen, auf geht’s!“ Ich war Teil eines Teams. Ich konnte doch meine vier Kollegen nicht in Stich lassen. Ich dachte, meine Frau würde das verstehen. Ich dachte, ihr ist klar: „Phil ist Musiker, und er muss unterwegs sein. Irgendwann werden wir diese Phase überstanden haben. Und dann wird alles gut.“ Aber so ist es natürlich nicht gekommen.

6. Song: of the story

7. Song: Mama

„Mama“, mit dieser Single konnten Genesis in ihrer Heimat den größten Erfolg verbuchen. Zu der Passage mit dem diabolischen Lachen hatte sich Collins 1983 vom Song „The Message“ von Grandmaster Flash inspirieren lassen. 1996 ließ sich Collins zum zweiten Mal scheiden. Aber auch diese Krise brachte einige schöne Songs hervor, zum Beispiel „Come with me“ von 2003, ein Lied, das er ursprünglich für seine Tochter Lily aus dieser Ehe geschrieben hatte.

O-Ton Als Lily noch ein Baby war und wir auf Tournee, da konnte sie manchmal nur sehr schwer einschlafen. Und dann habe ich ihr immer ein Lied vorgesungen. Und eines Tages habe ich ihr dieses Lied vorgesungen, und es funktionierte sehr gut. Es war der Refrain von "Come With Me." Und ich habe ihn ihr später, als sie größer wurde, immer wieder vorgesungen, einfach aus Spaß. Vor einiger Zeit hatte ich mein Patenkind Justine, das Baby unserer Freunde, in den Armen, und Justine konnte nicht einschlafen. Ich sang ihr diese Melodie vor, und sie drückte ihr Ohr ganz fest an meinen Mund. Das hat mich richtig gerührt.

8. Song: Come with me

Neben seiner Solokarriere machte Phil Collins sehr erfolgreich Filmmusik. Als er sich an den 99er Soundtrack zum Disney Film „Tarzan“ setzte, tat er das ursprünglich, weil er etwas schaffen wollte, zu dem seine damals noch kleine Tochter Lily eine Verbindung hatte. Außerdem hatte er die Nase voll von der Popmusik. Unter anderem, weil sein 96er Album „Dance into the light“ im Vergleich zu den vorigen Werken ein Flop gewesen war.

Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen der Arbeit für Popsongs und der an einem Soundtrack, erzählte er mir.

„Man ist Teil eines Teams. Und die Mitglieder dieses Teams arbeiten gemeinsam auf ein Endresultat hin. Manchmal trampeln die Filmemacher ganz schön auf deiner Musik rum“, beschwerte er sich. „Vor allem neigen sie dazu, die herzzerreißende Ballade, die du dir für die dramatischste Filmszene in mühevoller Arbeit aus den Rippen geschnitten hast, für die Leinwandfassung einfach auf eineinhalb Minuten zurechtzustutzen. Wenn man dann aber den Film sieht, stellt man oft fest: Es passt so.“

Er stellte sich der Herausforderung, und es klappte: Für die Musik zu „Tarzan“ wurde er mit zwei Grammys ausgezeichnet, einem für den besten Soundtrack sowie einem Grammy für den besten Song, für die Titelmelodie „You’ll be in my heart“.

9. Song: You’ll be in my heart

Danach schrieb er die Musik für „Tarzan 2“, und 2003 komponierte er – nach einem Zwischenstopp als Solokünstler mit dem Album „Testify“ – den Soundtrack für den Film „Bärenbrüder“, ebenfalls von Walt Disney.

Sowohl für die „Tarzan“- als auch für die „Bärenbrüder“ Musik arbeitete Collins mit dem Filmmusikspezialisten Mark Mancina zusammen. Als sich die beiden kennenlernten, zeigte sich Mancina überhaupt nicht davon beeindruckt, dass ihm da ein weltbekannter Popstar gegenübersaß.

O-Ton Als ich ihm meine ersten Vorschläge vorspielte, sagte er: „Setz dich hin und nimm einen Stift. Diese Passage hier – sowas darfst du nie schreiben. Das hier funktioniert auch nicht.“ Ich habe mir immer wieder klarmachen müssen: Ich bin zwar der Popstar Phil Collins, ich habe einen gewissen Status, auch wenn ich vielleicht eine Stufe unter Madonna und Michael Jackson stehe. Aber was Filmmusik betrifft, bin ich ein blutiger Anfänger, ein Nichts. Am besten handhabt das Elton John. Der schreibt seine Songs, und dann sagt er: „Macht damit, was ihr wollt.“ Und dann verabschiedet er sich. Ich dagegen engagiere mich. Ich arbeite nach dem Motto „Friss oder Stirb.“ Hauptsache, ich bin involviert. Wenn man sich darauf nicht einlässt, kann es danebengehen, wie bei . Er hat mal einen Soundtrack geschrieben und sich danach geweigert, etwas zu verändern. Er sagte: „Fuck off, i am Sting. Hier ist das, was ich für euch geschrieben habe. Und daran ändert ihr bitte nichts.“ Das ist eine ungesunde Haltung. Sting hatte allerdings auch Pech. Aus seinem Projekt, das ursprünglich als Musical geplant gewesen war, wurde mit der Zeit ein normaler Film ohne Musicalelemente. Als ich ihn zuletzt fragte: „Wie ist es gelaufen?“ antwortete er: „Ganz schrecklich.“ Man muss schon bereit sein, seine eigenen Interessen zurückzustecken und im Team zu arbeiten. Dann kann man eine Menge lernen.

Bei der Arbeit am Film „Bärenbrüder“, dessen Handlung zum Ende der Eiszeit in Nordamerika angelegt ist, musste er sich überraschenden Aufgaben stellen.

O-Ton Das Problem war: Eine Violine klingt nun mal wie eine Violine. Man kann sie nicht wie eine Eskimo-Violine klingen lassen. Wir sagten zu den Regisseuren: „Viele der Instrumente, die ihr hören wollt, klingen einfach schrecklich langweilig. Es gibt kaum Variationsmöglichkeiten.“

Das war auch bei den Percussioninstrumenten so.

O-Ton Es geht hier ja um nordamerikanische Eingeborene am Ende der Eiszeit. Ich konnte keine afrikanischen Trommeln benutzen, weil die zu eindeutig afrikanisch geklungen hätten. Den Produzenten und Regisseuren ging es sehr um das Gefühl der Musik. Sie kontrollierten das dauernd.

Für Phil Collins war der Arbeit an diesem Projekt so, als würde er noch mal ganz von vorn anfangen.

O-Ton Ich will nicht wie ein Klugscheißer klingen, aber ich habe sehr viel dabei gelernt. Ich hatte auch schon eine Menge aus der Arbeit mit „Tarzan“ gelernt, aber das hier war noch mal ein Ende schwieriger. Weil ich Songs schreiben musste, die von einem Chor gesungen werden sollten. Mir kam es plötzlich so vor, als wäre meine ganze Arbeit davor in Schwarzweiß gewesen und als würde ich plötzlich in Farbe arbeiten.

Wie kam er klar mit der Neigung der Kollegen von Walt Disney, sich ständig einzumischen? War das nicht schwierig für ihn?

O-Ton In der Tat hatte ich mich anfangs mit den Walt Disney Leuten gestritten. Weil ich davon ausgegangen war, dass ich den Song selbst singe. Aber nachdem ich zwei Jahre an dem Projekt gearbeitet hatte, sagten sie plötzlich: Wie wäre es, wenn wir den bulgarischen Frauenchor für den Gesang holen? Ich sagte, „Naja, okay, ich muss zugeben, die sind fantastisch.“ Als nächstes kam ein Anruf aus Hollywood: „Wir werden den Text des Songs in die Eskimosprache übersetzen.“ Ich sagte: „Was soll das? Die spricht doch kein Schwein. Da können wir den Chor ja genauso gut eine Fantasiesprache singen lassen!“ Aber sie blieben stur und zogen das durch. Ich kann nur sagen: Wenn es irgendwelche Eskimos da draußen gibt, die das hören, die verstehen das!

10. Song: Transformation

O-Ton Ich bin sehr sehr stolz auf das Ganze. Ich weiß, dass ich den Song „Transformation“ geschrieben habe. Aber er klingt ganz anders als alles, was ich vorher geschrieben habe. Weil eben das Orchester und der Chor dabei sind. Jetzt klingt es mehr nach einem Tony Banks Song als nach einem Phil Collins Song.

Das klingt, als sei ein Song von seinem Genesis Kollegen Tony etwas Negatives.

O-Ton Nein. Das ist eher ein Kompliment. Tony hat immer Witze gerissen, dass ich in meinen Songs immer nur drei oder vier Akkorde verwende. Ha, in diesem Song gibt’s eine Menge Akkorde. Ich bin jetzt im Club der ganz Großen.

Als Phil Collins am Soundtrack zu „Die Bärenbrüder“ arbeitete, hatte er Probleme mit seinem rechten Ohr. Die Folge eines Virusinfektes, wie sich später herausstellte.

Er musste eine Zeitlang befürchten, nie wieder live auftreten zu können- jedenfalls nach den Erfahrungen, die er direkt nach der Erkrankung bei Auftritten mit seinen Musikern machte.

O-Ton Sie fingen an zu spielen. Ich dachte: Damit komme ich klar. Und dann hämmerten sie los: und das riss mir fast den Kopf ab. Das war so laut! Drei Gitarristen und drei Keyboarder. Das hat mich fast taub gemacht. Und mein Ohr protestierte. Ich sagte: „Ich kann das nicht, Jungs.“ Dabei sind wir selbst gar nicht so laut. Aber die Zuschauer machen ordentlich Krach. Wenn da vorne 20, 30.000 Leute pfeifen, schreien und klatschen, dann wird’s extrem laut.

Als Folge hatte er bekanntgegeben, er wolle nicht mehr auf Konzerttournee gehen. Als ich ihn dann 2003 traf, war der gute Vorsatz schon wieder seiner Sucht nach Liveauftritten gewichen. Und er verriet mir, dass er 2004 wieder Konzerte geben wollte – obwohl er sich eigentlich auch mehr Zeit für seine dritte Ehe und seine jüngsten Söhne nehmen wollte.

O-Ton Wenn mich jemand gut kennt, dann sind Sie es. Ich weiß, dass Sie demnächst angesichts bestimmter Pressemeldungen wieder sagen werden: Ach ne, jetzt hat Phil mir aber Märchen erzählt! Es ist aber nun mal so: Im Jahr 2006 kommt mein Sohn Nicholas in die Schule. Von da an wird sich mein Leben drastisch verändern. Das heißt zum Beispiel, dass ich dann nicht mehr auf Tournee gehen kann. 2005 wird irgendwann das Musical Tarzan für den Broadway fertig sein. Wenn ich also noch mal richtig auf Tournee gehen will, dann muss ich das Zeitfenster davor nutzen. Ich verrate Ihnen das mit der Tournee ja nur jetzt schon, weil Sie sagen werden: „Er wollte doch weniger machen.“ Aber ich möchte gern noch eine Abschiedstournee machen, und ganz bewusst allen tschüss sagen.

11. Song: - live

Ende der 90er Jahre hatte Phil Collins glücklich in seiner dritten Ehe mit der Thai Schweizerin Orianne Cevey gelebt, die er 1999 in Lausanne geheiratet hatte. Ihretwegen war er an den Genfer See gezogen, und er hatte die Vorzüge des Lebens bei den Eidgenossen entdeckt.

O-Ton Wenn jemand zu mir sagt: "Die Schweizer sind doch so steif und steril", dann antworte ich: „Naja, ihr sprecht vom deutschen Teil. Der französische Teil ist sehr locker. Die Menschen dort sind aber gleichzeitig sehr zuverlässig und kriegen was gebacken. Ich verteidige die Schweiz immer. Alle Menschen, die mich privat besuchen oder für Interviews zu mir kommen, sagen: "Jetzt verstehe ich, warum du hier lebst. Das ist ja toll hier.“

Anfangs hatten die beiden in einem kleinen Haus direkt am See gelebt.

O-Ton Irgendwann war uns das Haus zu klein. Außerdem schloss es an einen Campingplatz an. Und im Sommer hingen ganze Menschentrauben an unserem Fenster, drückten sich die Nasen an der Scheibe platt, zeigten zu uns rein und sagten: „Da wohnt Phil“.

Also zog das Paar in ein riesiges, 60 Millionen Franken Anwesen auf der anderen Seite des Sees um.

„Ich will unbedingt, dass diese dritte Ehe Bestand hat“, sagte er damals zu mir.

O-Ton Insgesamt habe ich meine Arbeit zurückgeschraubt. Ich sage jetzt sehr oft nein. Außer bei den Dingen, die ich für wirklich interessant halte. Und da bestärkt mich dann meistens auch meine Frau: „Das ist ja ein tolles Projekt. Du hast Glück, dass du das tun kannst. Schlag zu“. Ich habe diese etwas merkwürdige Sicht der Dinge: Wenn ich zuhause arbeite, nenne ich das nicht Arbeit.

Das war wohl einer der Gründe, warum auch seine dritte Ehe in die Brüche ging. Bei unserem Treffen 2010 saß mir ein deprimierter Phil Collins gegenüber. Er hatte zwar noch Kontakt zu seinen kleinen Söhnen. Doch er lebte inzwischen allein, hatte mit dem Trinken angefangen und dazu noch gravierende gesundheitliche Probleme. Er hatte sich vier Wirbel gebrochen und konnte seine Hände nicht mehr fühlen.

O-Ton Ich ließ mich an der Wirbelsäule operieren. Die Ärzte dachten, dass die Probleme mit meiner Hand daher kämen. Ich hatte nämlich nach der Hälfte der Genesis Tour plötzlich Probleme, die Drumsticks zu halten. Damals fragte ich mich: „Was ist los?“ Ich tauschte die Sticks aus, dann Teile des Schlagzeugs. Nichts half. Es wurde immer schlimmer, und im Rückblick wurde klar, dass ich mir bei dem Drum Duett am Ende der Show in Kombination mit dem heftigen afrikanischen Chant, den ich ohne Mikro rausschrie, wohl den Rest gegeben hatte. Das ließ meine Wirbel endgültig einsacken. Es tat nicht weh. Und ich merkte erst an meinen Fingern, dass etwas nicht stimmte. Ich musste das reparieren lassen, sonst wäre ich wohl jetzt gelähmt und säße im Rollstuhl. Aber meine Hände wurden nicht besser. Ich ging dann zu einem Handspezialisten. Er sagte: „Du hast ein Problem mit deinem Ellbogen.“ Also ließ ich mich zweimal am Arm operieren. Aber ich kann meine Hand immer noch nicht kontrolliert bewegen. Sie fühlt sich an wie die Hand von jemand anders.

Da halfen auch die Genesungswünsche, die Prince Charles persönlich schickte, nichts.

O-Ton Der Witz greift sich sehr schnell ab. Das mit den Drums geht ja noch. Aber ich kann mir kein Stück Käse abschneiden. Ich kann keinen Koffer halten. Ich kann nicht mit meinen Kindern an der Modelleisenbahn herumbasteln. Die Auswirkungen auf das tägliche Leben machen mir viel mehr zu schaffen als die auf meine Musik.

Wenn er Schlagzeug spielen wollte, musste er sich die Drumsticks mit Klebeband an den Händen befestigen. Bei den Aufnahmen zu „Looking Back“ von 2010 klappte das ganz gut.

O-Ton Am Ende war ich sehr zufrieden mit den Drum Tracks. Als wir mit den Funk Brothers den Song „Standing in the Shadows of Love“ aufnahmen, sprach mich Eddie Willis an, der ja schon in den Originalversionen Gitarre gespielt hatte. Er fragte: „Hast du da die Drums gespielt?„ Ich antwortete: „Ja, das „Schlagzeug habe ich gespielt.“ Und er sagte: „Das ist verdammt gut.“ Schon allein für dieses Kompliment hat sich die Mühe gelohnt.

12. Song: Standing in the shadows of love

Wie viele seiner älteren Kollegen wandte sich Phil Collins in den letzten Jahren verstärkt der Vergangenheit zu. Aber während Mick Jagger über das Christentum im byzantinischen Reich recherchiert, flüchtete sich Collins in die Geisterwelt der Schlacht von Alamo von 1836. Der texanische Unabhängigkeitskrieg habe ihn fasziniert, seit er die Autobiographie des Zeitzeugen David Crockett gelesen habe, sagte er. Er schrieb sogar ein Buch zu diesem Thema. Und er legte sich eine riesige Memorabilien-Sammlung zu. Er kaufte sich ein Grundstück auf dem Schlachtfeld, um dort mit Gleichgesinnten zu graben und stieß auf Kanonenkugeln, Zähne und Gürtelschnallen, erzählte er stolz. Und er erstand die Quittung für den Sattel des ersten Bürgermeisters von San Antonio, John W. Smith. Seit Collins von einer Hellseherin als dessen Reinkarnation identifiziert wurde, sieht er sich in seinem Hobby bestätigt.

Phil Collins hatte schon immer eine Affinität zu Phänomenen der unerklärlichen Art. Schon vor Jahren erzählte er mir, der Geist seines verstorbenen Vaters habe die Heizdecken in seinem Schlafzimmer an- und ausgestellt.

O-Ton Ich glaube an solche Dinge. Ich habe schon einiges in dieser Richtung erlebt. In meinem Keller sind merkwürdige Dinge passiert. Da sind Geister zugange.

Wie kommt er mit dem Älterwerden klar? Ganz gut, könnte man meinen. Für die Covers der überarbeiteten 80er Jahre Alben ließ er sich kürzlich in der jeweiligen Originalpose ablichten – nur eben so alt, wie er jetzt aussieht. Er ist gerade dabei, wieder aus dem Ruhestand zurückzukehren. Er könne sich vorstellen, neue Songs zu veröffentlichen, und einer Reunion mit Genesis sei er auch nicht ganz abgeneigt, ließ er verlauten.

Dabei hatte er vor einiger Zeit festgestellt, dass das Leben auch ohne Arbeit schön sein kann.

O-Ton Ich habe inzwischen entdeckt, wie schön es ist, nichts zu tun. Ich liebe es, bei schönem Wetter am Pool zu sitzen und ein gutes Buch zu lesen. Das habe ich früher nie getan. Ich nehme jetzt eher mal das Boot, fahre raus, stelle den Motor ab und lese ein Buch. Das tut mir sehr gut. Ich weiß jetzt, warum Menschen so etwas tun. Früher habe ich das nie verstanden. Wenn jemand drei oder viermal im Jahr in Ferien ging, fragte ich ihn: „Warum tust du das?“ Jetzt kann ich das verstehen.

Das war SWR2 Tandem – mit einer Sendung über den britischen Musiker Phil Collins - von und mit Christiane Rebmann. Unser Podcast-und Newsletter-Angebot und die Liste der gespielten Musiktitel finden sie im Internet unter SWR2.de/ Tandem.

13. Song: Take me home