POP Kinderlieder aus der Hölle Der amerikanische Musiker Mark Oliver Everett alias Eels verwandelt seine privaten Tragödien in fröhliche Songs.

rüher bekamen Rockstars Ärger mit C I S

der Polizei, wenn sie Drogen nah - U M

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men oder Hotelzimmer verwüste - V I T

F A ten. Heute reicht dafür manchmal schon R E P O

ein Spaziergang im Park. O C

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Mark Oliver Everett – Gründer und ein - K N E

ziges festes Mitglied der Gruppe Eels, also H C S

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selbst eine Art Rockstar – ging gerade K C O

durch die Kensington Gardens in London, R vorbei am ehemaligen Wohnsitz von Prin - Eels-Gründer Everett: Größenwahnsinnige Rockstar-Phantasie oder Parodie darauf? zessin Diana, als ihn zwei Polizisten an - sprachen: Was er hier mache? Die Plattenfirmen waren selten glück - scheint „Tomorrow Morning“, das neue Everett ist Amerikaner, er trägt Jeans, lich darüber, und tatsächlich wäre Everett Eels-Album, das dritte in gut einem Jahr, ein gebügeltes beigefarbenes Hemd, Son - mit seinem Schmerz und den Dämonen ein Schaffensrausch – er selbst spricht gar nenbrille und eine Baseballkappe, aber er in seinem Kopf wohl ziemlich allein ge - von „Erlösung“ –, den keine normale hat auch einen langen schwarzen Bart wie blieben, wenn er die traurigen Texte nicht Plattenfirma mitgemacht hätte. Everett manche Islamisten, lang genug jedenfalls, oft mit fröhlicher Musik konterkarieren hat deshalb sein eigenes Label gegründet, um Verdacht zu erregen. Der Irrtum klärte würde, einer an die Beatles erinnernden „E Works“, „seitdem redet mir niemand sich auf, aber ein ungutes Gefühl bleibt. Leichtigkeit, Melodien so eingängig wie mehr rein“. „Jetzt stehe ich vielleicht auf irgendeiner Kinderlieder, instrumentiert mal mit Everett kombiniert auf dem neuen Al - Liste potentieller Terroristen“, sagt Everett. Spielzeugklavieren, mal mit verzerrten bum fröhliche, warme Musik mit – unge - Er hat schon größere Katastrophen er - E-Gitarren, aber immer einzigartig. Eve - wöhnlich für ihn – überwiegend heiteren lebt, eine extreme Variante des „Anna rett alias Eels macht Popmusik für Men - Texten. Die Titel heißen „Spectacular Girl“ Karenina“-Prinzips, das Leo Tolstoi in sei - schen, die sonst keine Popmusik hören. oder „Oh So Lovely“, es geht um die Zeit, nem Roman beschreibt, wonach jede un - Einige seiner Stücke kennt man auch aus die angeblich alle Wunden heilt und den glückliche Familie auf ihre eigene Weise dem Kino, Filmmusik für „American Blick nach vorn, nicht zurück. unglücklich ist. Beauty“ oder „“. Das kann man glauben oder nicht. Der Everett war 19, als er seinen Vater, ei - Everett, 47 Jahre alt, sitzt jetzt in einem Mensch Everett bleibt, trotz der Offenba - nen depressiven, alkoholkranken Physi - Hotelzimmer mit Blick auf die Kensington rung intimster Gefühle, ein Mysterium, ker, tot im Bett fand. Die vergeblichen Gardens, er nimmt seine Sonnenbrille ein Schrat mit Sinn für Ironie. Nein, er Wiederbelebungsversuche waren „der nicht ab. Vielleicht weil er weiß, dass er habe zurzeit keine Freundin, sagt Everett erste Körperkontakt mit ihm, soweit ich wieder gefragt werden könnte nach den auf Nachfrage, nur sein Hund leiste ihm mich erinnern konnte, außer den gele - vielen Toten in seiner Familie, braucht er Gesellschaft. Und dann erzählt er vom gentlichen Verbrennungen von seiner Zi - Distanz. Nur Fremden gegenüber mache Video zu seinem Song „That Look You garette, wenn ich mich im Flur an ihm es ihm nichts aus, darüber zu sprechen, Give That Guy“, einer größenwahnsinni - vorbeischob“. sagt er. Bei Konzerten singe er ja auch gen Rockstar-Phantasie oder der Parodie Später erkrankte Everetts Mutter an über seine Familie „vor einem Saal voller darauf, das bleibt lange unklar. Krebs und starb nach jahrelangem Siech - Fremder“. Aber man muss nicht ausführ - Das Video ist ein kleiner Spielfilm: Eve - tum. Everetts Schwester Liz, „mein größ - lich über die Vergangenheit reden, seit rett empfängt in einer Villa zum Date ter Fan“, beging Selbstmord, nach jahre - 2009 seine Autobiografie erschienen ist, Padma Lakshmi, Model, Ex-Gattin des langer Drogensucht. Und eine Cousine deutscher Titel „Glückstage in der Hölle“, Schriftstellers Salman Rushdie und Mo - von Everett, von Beruf Stewardess, hatte die Hintergründe zu den Songtexten. deratorin einer Kochsendung. Die beiden am 11. September 2001 Dienst in jenem Das Buch, sein Leben, „fühlt sich gut dinieren bei Kerzenlicht, es gibt Rotwein Flugzeug, das Terroristen ins Pentagon an, so zusammengeschnürt zu einem klei - vom eigenen Ch âteau, er überreicht ihr lenkten. nen Paket“, sagt Everett, seitdem könne ein Exemplar seiner Autobiografie, sie Man weiß das alles, weil Everett – er es vorwärtsgehen, „jetzt beginnt der zwei - ihm ein Kochbuch. Als er ihr eine Eels- selbst bevorzugt die Abkürzung „E“ – te Teil meines Lebens“. DVD vorführt, schläft die Dame auf dem viele dieser Ereignisse zu Songs verarbei - Der Musiker Everett, so viel darf man Sofa ein. Schließlich küsst die schöne Pad - tet hat. Sein erster großer Erfolg war 1996 vermuten, ist gerade glücklich. Er hat viel ma ihn doch. Everett wacht auf. eine Single über betäubte Seelen, „No - Zeit in seinem Tonstudio im Keller seines Alles war nur ein Traum, tatsächlich vocaine for the Soul“. Später folgten Lie - Hauses in Los Angeles verbracht, allein schleckt ihn gerade Bobby jr. ab, der der über die tote Schwester („Elizabeth mit seinem Hund Bobby jr. Jetzt geht er Hund. on the Bathroom Floor“) oder Krebs auf Welttournee, Anfang September Das kann man lustig finden oder tod - („Cancer for the Cure“), ein Album nann - kommt er für drei Konzerte auch nach traurig. Die Musik von Eels passt jeden - te er „Electro-Shock Blues“. Deutschland. Und in dieser Woche er - falls perfekt dazu. M$& ! W" 

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