Hochzeit Ohne Braut?
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Medien PAUL LANGROCK / ZENIT PAUL Springer-Hauptgebäude in Berlin: Jede Menge neuer Fakten, Fronten und Probleme KONZERNE Hochzeit ohne Braut? Springer-Chef Mathias Döpfner ist so wild aufs Fernsehgeschäft, dass er für die geplante Übernahme von ProSiebenSat.1 inzwischen sogar bereit wäre, auf den profitabelsten Sender zu verzichten. Das könnte die gesamte deutsche TV-Landschaft umkrempeln – wieder mal. uf ProSieben lief am Mittwoch letz- Denn Döpfner machte den Konzentra- Der Springer-Boss bot an, auf ProSieben ter Woche um zehn Uhr morgens tionswächtern bei seinem dritten Besuchs- zu verzichten, immerhin den gewinnträch- Adie Sendung „Eure letzte Chance“. termin in der Behörde ein neuerliches An- tigsten Sender der bonbon-bunten TV- Darin geht es um kriselnde Beziehungen, gebot, um seinen Traum einer Ehe von Familie. bevorstehende Trennungen und mögliche Deutschlands größtem Zeitungskonzern Springer würde sich demnach „nur“ Wege aus allgemeinem Gefühlsschlamas- und der größten Privatfernsehgruppe noch Sat.1, Kabel 1, N24 und Neun Live sel. Es ist eher schlechtes Fernsehen. ProSiebenSat.1 doch noch zu realisieren: einverleiben. Der Spielfilm- und Serien- Mathias Döpfner, alerter Vor- sender ProSieben würde aus der standschef der Axel Springer AG, nach ihm benannten Senderfamilie saß zur gleichen Zeit im Bonner und deren gemeinsamer Vermark- Bundeskartellamt mit Vertretern tungsorganisation SevenOne Media der sechsten Beschlusskammer herausgelöst – mit zunächst unge- zusammen. Das klingt zwar noch wissem Schicksal. weniger glamourös als das Münch- Es ist das bislang weitestgehende ner Vormittagsprogramm fürs Zugeständnis des Verlagshauses in Hartz-IV-Publikum. Aber es ging dem langwierigen, komplexen und bei dem Gespräch um ProSieben – teils kuriosen Prüfungsverfahren, und damit um kriselnde Bezie- das seit August nicht nur die bei- hungen, bevorstehende Trennungen den Vertragspartner in Atem hält: und mögliche Wege aus allgemei- Auf der einen Seite stehen die Ver- nem Gefühlsschlamassel. Es wirk- käufer rund um den US-israelischen te wie großes Kino – Überraschung / AP BAUER JAN Medieninvestor Haim Saban, auf inklusive. Sat.1-Zentrale: Eine Trennung hätte Tücken der anderen Seite die Springer- 160 der spiegel 3/2006 Manager. Und über allem thront eine Guillaume de Posch aus: Man sei an den Verkauf bis 31. Dezember 2006 jeder Ver- Große Koalition in Berlin, die das Theater Besprechungen mit dem Kartellamt nicht äußerungsgewinn voll steuerpflichtig. Bei mit Sorge verfolgt – und in der vergange- beteiligt gewesen und überrascht. De Posch der aktuellen Bewertung von ProSieben nen Woche schon fürchtete, letzte Instanz ist allen Aktionären verpflichtet – und von rund zwei Milliarden Euro müssten spielen zu müssen im derzeit größten muss gerade zusehen, wie über seinen die Verkäufer einen hohen dreistelligen Medien-Monopoly der Republik. Kopf hinweg das TV-Unternehmen zer- Millionenbetrag an den Fiskus überweisen. Auch wenn aus dem Kanzleramt zuletzt schnitten wird. Nach innen versuchte er, „Das ist kaufmännisch ausgeschlossen“, eher ermutigende Signale gekommen wa- die verunsicherten Mitarbeiter zu besänf- heißt es in der Springer-Spitze, wo Exper- ren: Wirtschaftsminister Michael Glos tigen: „Behalten Sie Ruhe. Entscheidun- ten derweil nach steuerschonenden Vari- schüttelte sich geradezu bei dem Gedan- gen sind bisher nicht gefallen.“ anten fahnden. ken, der Verlag würde ihn in die Pflicht Für Springer ist die neue Kartellhürde Reichlich Gesprächsstoff gibt es deshalb nehmen und eine Sondererlaubnis bean- vor allem steuerlicher Natur: Laut gelten- mit dem Noch-Eigentümer und Verkäufer tragen. Für Franz Münteferings SPD wäre der Vertragskonstruktion wäre bei einem Saban, der am Montag dieser Woche in die Sache ein sicherer Fall für den der Berliner Springer-Zentrale er- Koalitionsausschuss gewesen. Zu wartet wird. Vor allem von ihm und zerrüttet ist das Verhältnis der deut- seiner Geduld hängt es jetzt ab, ob schen Sozialdemokratie zu den Döpfners Plan eine Chance hat. Boulevard-Königen von Springer. Selbst bei Springer will man nicht Im politischen Berlin atmete man mehr ausschließen, dass dem Mann deshalb am Mittwoch erst einmal aus Beverly Hills inzwischen die auf. Mit dem Springer-Angebot Lust vergangen sein könnte, sich zum ProSieben-Verzicht scheint die weiter mit den lästigen deutschen Gefahr einer Ministererlaubnis in Kontrollbehörden und deren Vor- diesem besonders brisanten Fall gaben auseinanderzusetzen. endgültig vom Tisch. Döpfner zog Sollte er insgeheim längst einen damit den letzten Joker vor dem kartellrechtlich unbedenklichen neu- sicheren Kartellamtsveto. en Käufer für die gesamte Sender- Am Donnerstag um 12 Uhr lief familie in petto haben, wäre das eine Frist der Behörde ab – nach UNGER MARC-STEFFEN neue Szenario ohnehin eine Totge- dem die Bonner ihre Absage jeder- Großkoalitionäre Müntefering, Merkel: Aufatmen in Berlin burt. Sein Berlin-Besuch dürfte Sa- zeit hätten öffentlich machen kön- bans Begeisterung nicht gerade stei- nen. Die Medienkonzentrations- ProSiebenSat.1 gern: Döpfner will eine Klausel weg- wächter hatten dies schon am Media AG verhandeln, nach der Saban ab 23. Dienstag getan. davon Januar täglich rund 823000 Euro Zin- All dies hat Döpfner mit seinem ProSieben sen auf den noch nicht geflossenen neuen Vorstoß erst einmal wieder UMSATZ 2004 Kaufpreis verlangen kann – immer- in Mio. Euro vom Tisch gewischt: Er hat ein paar 2402 1835 750 hin knapp 25 Millionen pro Monat. Tage Zeit gewonnen, aber sein Ziel GEWINN (vor Steuern) „Wenn Saban darauf besteht, noch lange nicht erreicht. Denn sei- in Mio. Euro 316 285 175 schnell Kasse zu machen, ist es ne Offerte schafft jede Menge neue vorbei“, sagt ein Eingeweihter. Fakten, Fronten und Probleme. MITARBEITER 10 700 2700 252 „Siege, wenn du kannst, verliere, Die Chance, dass es zu einer ZEITUNGEN ZEITSCHRIFTEN wenn du musst, aber kapituliere Hochzeit von Springer und der TV- Bild, Berliner Hörzu, Auto Bild, nie“, hatte Döpfner sich kürzlich Familie ohne die Braut ProSieben Morgenpost, Computer Bild, selbst öffentlich als Maxime ver- kommt, wird in der Verlagskon- B.Z., Die Welt, Bild der Frau ordnet. Er ist bereit, für den ver- Hamburger zernspitze denn auch als „sehr, sehr INTERNET meintlichen Sieg viel zu riskieren. gering“ eingestuft. Beide beteilig- Abendblatt Sehr viel. Vielleicht zu viel, wie zu- bild.t-online.de ten Konzentrationskontrolleure ha- DRUCK nehmend misstrauische Beobachter buecher.de kabel eins ben zwar signalisiert, dass eine Ge- Prinovis im Verlag meinen. nehmigung damit in greifbare Nähe (Joint Venture) immonet.de Vernehmliches Grummeln hatte stepstone.de rücken könnte. Allerdings nur, HÖRFUNK es intern schon gegeben, als kürz- wenn ProSieben bereits vor einer Beteilig. an mehr als 20 Sendern lich klar wurde, dass Döpfner im Übernahme durch Springer nicht Kaufvertrag garantiert hatte, im Fall mehr Mitglied der Senderkette von kartellrechtlichen Schwierig- wäre. Kurios: Die Kartellwächter keiten große Teile des hiesigen Zeit- verlangen, dass der Verlag sich von schriftengeschäfts zur Disposition einem Sender trennt, der ihm noch zu stellen. gar nicht gehört. Auf der langen Liste stand nicht Davon werde man auch nicht ab- nur der Springer-Klassiker „Hör rücken, so Kartellamtschef Ulf Böge zu“. „Euro“ und „Maxim“ wurden Ende voriger Woche: „Das Kartell- ebenso auf die Rampe geschoben recht sieht die präventive Vehinde- wie zahlreiche Familienblätter. Zwar rung wettbewerbsgefährdender Zu- mühte man sich flugs, den Schritt sammenschlüsse vor, eine derart als taktisch und nur theoretisch zu gravierende nachträgliche Verkaufs- verbrämen. Das beruhigte viele auflage wäre deshalb gar nicht der Magazinmacher im Verlagshaus zulässig.“ indes kaum. Sie fühlen sich als Entsprechend geharnischt fiel die PICTURE / BABIRAD S. SCHRAPS Manövriermasse für das vermeint- Reaktion von Senderketten-Chef Springer-Chef Döpfner: „Kapituliere nie“ lich attraktivere TV-Geschäft. Auch der spiegel 3/2006 161 Medien TIM BRAKEMEIER / DPA (L.); / DPA TIM BRAKEMEIER / DDP (R.) JOERG KOCH Investor Saban, Premiere-Chef Kofler: Neue Formationen auf dem deutschen Fernsehmarkt? Döpfners verbale Spitzen gegen das eige- bezeitenvermarktung, Rechnungswesen, Am Donnerstag speiste Springer-Chef ne Boulevardgeschäft wurden intern regi- Online-Aktivitäten – all dies erledigen bis- Döpfner im Journalistenclub der Verlags- striert: „Man sollte die ‚Bild‘-Zeitung nicht lang Tochtergesellschaften zentral für alle zentrale mit Patrick Le Lay, Chef der fran- zum vorherrschenden politischen Leitme- Sender. Das alles müsste aufgebrochen und zösischen Sendergruppe TF1. Der signali- dium überhöhen“, hatte der Konzernchef entflochten werden, was nicht nur für Na- sierte nachhaltiges Interesse, genauso wie unlängst im „FAZ“-Interview betont. Sie mensprobleme sorgen würde. Die meisten Ronald Lauder aus der gleichnamigen Kos- sei „nur so wichtig, wie sie von den politi- Töchter tragen wie die gesamte Sender- metik-Dynastie, der vor allem Sender in schen Eliten genommen wird“. Dem Kar- gruppe die Sieben bislang prominent im Osteuropa besitzt. tellamt teilte Springer zudem mit, das Blatt Namen. Bis in die Türkei hat sich die Sache werde doch eher von älteren Zielgruppen Ein Abschied von ProSieben würde schon herumgesprochen: Bei der Dogan gelesen. Taktik hin oder her – den „Bild“- auch die übrige Familie in Mitleidenschaft Media Group („Hürriyet“, „Kanal D“) Anzeigenverkäufern macht es die Arbeit ziehen. Beispiel N24: Der Nachrichten- kann man sich auf dem so wichtigen Markt indes nicht