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SWR2 Musikstunde

Elisabeth Schwarzkopf zum 100. Geburtstag

Von Norbert Beilharz

Sendung: Montag 02. Januar 2017 9.05 – 10.00 Uhr

Redaktion: Ulla Zierau

Bitte beachten Sie:

Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

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SWR2 Musikstunde mit Norbert Beilharz Elisabeth Schwarzkopf zum 100. Geburtstag SWR 2, 02. Januar – 05. Januar 2017 - 9h05 – 10h00

Signet Musikstunde EXTRA

…in dieser Woche möchten wir Ihnen Sendungen vorstellen, die sonst nur abends in SWR2 laufen, wie z.B. Mittwochs 21.03.: „Musik Kommentiert Klassiker“. Aus dieser Reihe haben wir eine Sendung von Norbert Beilharz zum 100. Geburtstag von Elisabeth Schwarzkopf aus ausgewählt aus dem Jahr 2015. Der Autor hat einige Filme über Schwarzkopf gedreht. Dafür sind zahlreiche bis dahin unveröffentlichte Interviews mit der damals 82-jährigen Sängerin in ihrem Haus in der Nähe von Zürich entstanden.

Franz Schubert, Liebe schwärmt auf allen Wegen, Elisabeth Schwarzkopf, Sopran , Klavier M0-034861 (006) = 1.30 EMI classics 565860-2

Kurzinterview

Elisabeth Schwarzkopf kam am 9. Dezember 1915 zur Welt. Sie war voll Energie, voll Kampfbereitschaft in der Kunst, voll Kritik im Gesang. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde Schwarzkopf zur berühmtesten Sängerin ihres Landes, Deutschlands entschiedene Position gegenüber . Die eine die Wiederverkörperung des Belcanto, Bellini, Donizetti, Rossini, die Verdi- und Puccini-Tragödin. Die andere eine führende Mozart- und -Primadonna auf den Bühnen der Welt. Allein bei den Salzburger Festspielen 17 Jahre in Folge von 1947 bis 1963. Geboren wurde Elisabeth Schwarzkopf in Jarotschin in Oberschlesien, dem heutigen Polen, ihrer eigentlichen Heimat. Dann kam Berlin.

Interview

Elisabeth Schwarzkopf war geprägt von einer großen Naturverbundenheit. Wandern in den österreichischen Alpen. Zu diesem reinen Glück kam es erst spät: Lernen, fast erbarmungslose Disziplin gegen sich und gegen andere, auf die Spitze getrieben durch ihren Ehemann , den Columbia/His masters voice - Produzenten. Ich habe das Gefühl, Frau Schwarzkopf wollte die harte erzieherische Knute ihres Gatten im Rücken ,- aber vorher mit ihren geliebten 3

Eltern und nachher im schweizerischen Zumikon und im Vorarlberger Schruns fühlte sie sich wohler. Ihr Mann war 1979 in Paris gestorben. Sie unterrichtete, sie wanderte , sie fotografierte die Blumen in ihren Gärten. Sie wurde die genuine Sängerin der vier letzten Lieder von Strauss. Das erste : Frühling, ein Gedicht von Hermann Hesse.

Richard Strauss: Frühling aus den vier letzten Liedern Elisabeth Schwarzkopf, Sopran Leitung: Otto Ackermann M0-410068 (001) = 3.24 Naxos 8.111145

Das war das erste der vier Letzten Lieder von Richard Strauss: Frühling nach einem Gedicht von Hermann Hesse. Otto Ackermanndirigierte das Philharmonia Orchestra. Als Blumenmädchen debutierte Elisabeth Schwarzkopf 1938 im in Berlin an der Deutschen Oper. Und dort sang sie unter dem Intendanten Wilhelm Rode über vierzig - wenn zunächst auch ziemlich kleine - Rollen und, typisch für eine Anfängerin, in Mozarts "Nozze di Figaro" die Barbarina, den Cherubino, die Susanna, bevor sie, ausgehend von Wien und Salzburg, die weltberühmte Gräfin dieses Werks wurde, die sie unter Karl Böhm, Josef Krips, sang. Vorher,1943, wurde sie durch Karl Böhm an die Wiener Staatsoper engagiert. Das Engagement konnte sie nicht sofort antreten. Da war einmal die finstere Zeit des Nationalsozialismus. Schwarzkopfs Vater, ein durch die Nazis entlassener Gymnasialdirektor, riet seiner Tochter ebenso wie der Intendant Rode, Parteimitglied zu werden. Sie wurde es unter Zwang.

Interview

Da war zum anderen die Krankheit . Elisabeth Schwarzkopf erkrankte schwer an der Lunge und war vom Herbst 43 bis zum Februar 44 in Tatranska Polianka in der tschechischen Hohen Tatra. Dort lernte sie einen jungen Offizier aus dem Schwäbischen kennen, aus Geislingen an der Steige. Der war die große Liebe ihres Lebens. Und er hieß Hans Erich Schrade. Ansonsten war Olga Marie Elisabeth Friederike sehr prüde, preußisch distanziert. Aber dieses Mal litt die junge Sängerin nicht nur auf der Bühne sondern am Leben. Gute Voraussetzungen, Liebe zu spiegeln. Meine Frage: ja, --- war es nicht auch schön mit ihm? Die Antwort. Na ja, --- wir haben uns nur einmal geküßt. Sein Name, sein Bild, - alles tot und verschollen. Nichts scheint uns näher, schmerzlicher als das große 4

Rondo der Fiordiligi aus dem 2. Akt von Mozarts "Cosi fan tutte".: die Zerrissenheit aus dem Spiel mit der Liebe und aus der Verzweiflung in der Liebe.

Wolfgang Amadeus Mozart , „Cosi fan tutte“, Rondo der Fiordiligi, 2.Akt Elisabeth Schwarzkopf, Sopran Philharmonia Orchestra Leitung: Karl Böhm M0-034857 (051) = 7.05 EMI 769330-2

Karl Böhm und das Philharmonia Orchestra begleiteten Elisabeth Schwarzkopf in der Arie der Fiordiligi aus dem zweiten Akt von Mozarts Cosi fan tutte und erinnerten an Schwarzkopfs große Liebe in der Hohen Tatra. Ausgerechnet als leichtfertige Zerbinetta hatte sie in Wien einst vorgesungen.

Interview

Karl Böhm, der Schwarzkopf nach Wien geholt hatte, begründete ihre Weltkarriere.Nach Wien, ab 1948, lebte Schwarzkopf mit ihrem Mann, Walter Legge, in London und sang wie in Wien die großen Rollen des Repertoires. Auch Puccinis Mimi, auch Verdis Violetta. Herbert von Karajan, für den Schwarzkopfs Ehemann Walter Legge das Philharmonia Orchestra gegründet hatte, - blieb kein Freund bis ans Ende. Schwarzkopf sang in Salzburg Mozarts und Strauss' Hauptrollen von 1947 bis 1963. Karajan als Festspielchef engagierte sie ab 1964 nicht mehr. Das Große Festspielhaus in Salzburg hatte er mit ihr als Marschallin im Rosenkavalier 1960 eröffnet. drehte einen höchst manipulierten Film danach. Und Schwarzkopf war die Weltopern-Marschallin.

Interview

Aber die Beziehung Schwarzkopf-Legge-von Karajan war zerbrochen. Bei Giorgio Strehlers Entführung plauderte man sachlich über die Gräben hinweg. Herbert von Karajan aber wußte genau,wen er in Elisabeth Schwarzkopf als Grande Dame der Oper besaß: eine der intelligentesten und musikalisch reifsten Persönlichkeiten der Opernbühne, eine bedeutende Schauspielerin, eine der schönsten Frauen unter den Künstlerinnen der Welt. Nun gut, es ist aber noch etwas Anderes: dieses gedeckte und gleichzeitig schimmernde Timbre der Stimme, die bis zum Verlöschen ebenmäßige Legato-Kultur,d as Charisma der Erscheinung. Elisabeth Schwarzkopf hat die Ariadne von Richard Strauss - Hugo von Hofmannsthal nie auf der Bühne gesungen. Aber Herbert von Karajan wollte 5 im Aufnahmestudio keine expressiv große sondern eine seelisch leuchtende Stimme:

Richard Strauss „Ariadne“, Monolog der Elektra „Es gibt ein Reich“ Elisabeth Schwarzkopf Philharmonia Orchestra Leitung: Herbert von Karajan M0-409718 (019) = 5.58 EMI 555176-2

Herbert von Karajan und das Philharmonia Orchestra begleiteten Elisabeth Schwarzkopfs Monolog der Elektra: " Es gibt ein Reich, wo alles rein ist. Es hat auch einen Namen: Totenreich." Subtilität des Gesangs und Tiefe der Wortausdeutung wird Ereignis in der Musik von Richard Strauss mit und durch den Text von Hugo von Hofmannsthal. Und das gilt entschieden für einen großen Meister des : .

Interview

Elisabeth Schwarzkopfs lebenslanger Einsatz für das "Kunstlied" ist Legende. Zumal ihr Mann Walter Legge die Londoner Hugo Wolf Gesellschaft mit begründet hat: ein Lebens - Kunsteinsatz war vorgegeben. Gipfel davon sind Liederabende, ausschließlich Hugo Wolf gewidmet.

Interview

Hugo Wolf: Lied der Mignon Elisabeth Schwarzkopf, Sopran Gerald Moore, Klavier M0-064227 (017) = 6.24 EMI 567990-2

Das Lied der Mignon " Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn" aus Goethes "Wilhelm Meister". Am Klavier war Gerald Moore. Wort und Ton in einer Übereinstimmung, die den Komponisten beim Wort und den Dichter beim Klang nimmt. Wie in Schuberts Lied "Auf dem Wasser zu singen". Mit am Flügel.

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Interview Schwarzkopf zu Schubert, Strauss, Wolf

Franz Schubert, Auf dem Wasser zu singen Elisabeth Schwarzkopf, Sopran Edwin Fischer, Klavier M0-120604 (010) = 3.18 EMI 747326-2

Zum Schluß eine Geschichte, die Elisabeth Schwarzkopf hier wie alles vorige zum ersten Mal erzählt. Und es ist eine Geschichte -sozusagen - des Hörfunks. Über Mozarts Zauberflöte: als Aufnahme eine Inkunabel. Schwarzkopf sang 1953 in Rom unter Herbert von Karajan die Pamina: die Feuer-und die Wasserprobe zusammen mit als Tamino. Gerd Nachbauer von der Schubertiade in Hohenems und Chef eines von ihm gegründeten Elisabeth-Schwarzkopf-Museums hat nicht nur diese Aufnahme bereit gestellt sondern auch einige späten Erkenntnisse befestigt: Elisabeth Schwarzkopf war keine National-Sozialistin,- was immer international behauptet wird. Sie war die bedeutendste deutsche Sängerin von internationalem Format. Neben ihrem unverwechselbaren Timbre war sie eine Kämpferin gegen jede Art von Lüge. In Tönen wie im Leben.

Interview

Wolfgang Amadeus Mozart, Zauberflöte, Ausschnitt Rom 1953 Elisabeth Schwarzkopf, Sopran Nicolai Gedda, Tenor Giuseppe Taddei, Bariton Ein Orchester / Leitung: Herbert von Karajan HUN Production HUND CD 335 = 6.13