SWR2 Musikstunde
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SWR2 MANUSKRIPT SWR2 Musikstunde Das abenteuerliche Leben des Cellisten Gregor Piatigorsky (2) "Wo ist der Cello Kratzer?" Mit Susanne Herzog Sendung: 02. Mai 2018 Redaktion: Dr. Ulla Zierau Produktion: SWR 2018 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Musikstunde können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2- Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de SWR2 Musikstunde mit Susanne Herzog 30. April – 04. Mai 2018 Das abenteuerliche Leben des Cellisten Gregor Piatigorsky (2) "Wo ist der Cello Kratzer?" Mit Susanne Herzog und der zweiten Folge zum Leben des Cellisten Gregor Piatigorsky. Herzlich Willkommen. Gregor Piatigorsky ist Solocellist am Bolschoi Theater, eine großartige Position. Doch Piatigorsky hat einen Traum: er will in Westeuropa bei berühmten Cellisten studieren. Eine Gelegenheit zur Flucht aus Russland ergibt sich, als das neue sowjetische Regime Piatigorsky auf Konzerttournee schickt: quer durchs Land zu den Arbeitern. Er ist unterwegs mit zwei Sängern, dem Konzertmeister des Bolschoi Theaters Mischa Mischakoff, einem Pianisten und einem Manager. Sie treten nach und nach in immer kleineren Orten auf und irgendwann spielen sie ganz nah an der polnischen Grenze. Das ist die Gelegenheit! Schmuggler schicken die Gruppe bei dunkler Nacht los. Sie sollen eine Brücke überqueren, die über einen kleinen Fluss führt. Sobald sie an der Brücke sind, lautet das Kommando: losrennen. Doch an rennen ist nicht zu denken. Kaum auf der Brücke fallen Schüsse von allen Seiten. Piatigorsky und Mischakoff, der Geiger, springen sofort in den Fluss. Der Fluss ist zum Glück eher ein Flüsschen und Piatigorsky gelingt es inmitten der Schüsse, sein Cello auf dem Kopf ans andere Ufer zu retten. Als sie dort ankommen, werden sie sofort verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Piatigorsky und auch Mischakoff haben ihre Ausweispapiere weggeworfen, so wie die Schmuggler geraten hatten. Der Polizeichef wittert russische Spione. Zum Gegenbeweis packen die beiden ihre Instrumente aus und spielen Schön Rosmarin von Fritz Kreisler. MUSIK 1 Fritz Kreisler Schön Rosmarin Gidon Kremer, Violine Oleg Maisenberg, Klavier 00173- DG, 453440-2 LÄNGE 1‘57 2 Gidon Kremer Violine und Oleg Maisenberg Klavier haben „Schön Rosmarin“ von Fritz Kreisler gespielt. So wie damals Mischa Mischakoff und Gregor Piatigorsky auf der polnischen Polizeiwache. Nur die Klavierbegleitung, die müssen sie sich gezupft auf dem Cello vorstellen. Den Polizeichef haben sie mit dieser Vorführung trotzdem nicht überzeugt. Er lässt die beiden zur russischen Grenze zurück bringen. Und was ihm in Russland droht, das weiß Piatigorsky: Gefängnis wäre da noch eine milde Variante. Auf dem Weg zurück zur Grenze, bittet Piatigorsky die Wachen bei einem Bahnhof kurz anzuhalten. Er habe Durst und könnten sie nicht ein wenig für die Wartenden Musik machen? Die Wachen sind einverstanden. Noch während sie spielen, hört Piatigorsky, wie ein Zug einfährt. Er zupft im Stehen weiter und läuft gleichzeitig mit seinem Cello rückwärts Richtung Zug. Die Wachen scheint das alles nicht zu interessieren. Piatigorsky und Mischakoff können sich tatsächlich in den Zug retten. Und der bringt sie nach Lemberg, damals zu Polen gehörig. Doch was nun? Sie haben kein Geld, keine Arbeit, keine Unterkunft. Wieder einmal hat Piatigorsky Glück im Unglück: er streift durch die Stadt und trifft auf russische Musiker. Die leihen ihm Geld und raten ihm, nach Warschau zu gehen. Genau das machen Piatigorsky und Mischakoff. Und es war der richtige Rat: dort werden sie nach kurzer Zeit tatsächlich erster Cellist und Konzertmeister bei den Warschauer Philharmonikern. MUSIK 2 Camille Saint-Saens Ausschnitt aus: Cellokonzert Nr. 1 in a-moll op. 33 Gregor Piatigorsky, Cello Philadelphia Orchestra Alexander Hilsberg, Ltg. CD Nr. WHRA-6032, West Hill Radio Archives LÄNGE 5‘20 Der Anfang des ersten Cellokonzerts von Camille Saint-Saens war das mit Gregor Piatigorsky. Eine Aufnahme mit dem Philadelphia Orchestra und Alexander Hilsberg. Da war Piatigorsky längst in den USA. In Warschau spielt er nicht nur im Orchester, sondern tritt auch schon als Solist auf. Aber auch hier hält es Piatigorsky nicht. Ein amerikanischer Gönner eröffnet ihm 3 neue Möglichkeiten: Piatigorsky geht nach Berlin und studiert dort bei dem angesehenen Cellisten Hugo Becker. Schon die erste Stunde verläuft eigenartig, denn Becker hat spezielle Unterrichtsmethoden. Er solle alles vergessen, was er je über das Cellospielen gelernt habe. Ein Schüler übersetzt für Piatigorsky: „Sie müssen ganz von vorne anfangen. Ihr rechter Arm ist ihre Zunge, ihr linker Arm Ihr Gehirn. Sie haben überhaupt keine Gedanken. Und selbst wenn Sie welche haben, müssen Sie lernen, zuerst zu sprechen.“ Becker zeigt ihm, wie er den Bogen halten soll und lässt ihn leere Saiten streichen: den ehemaligen Solocellisten des Bolschoi Theaters und der Warschauer Philharmoniker! Nach einigen solcher Unterrichtsstunden ist Becker zufrieden und erklärt: Piatigorsky und er selbst seien jetzt auf Augenhöhe. Sie könnten sich gegenseitig vorspielen. Becker spielt den Beginn des Dvorak Konzerts und Piatigorsky ist entsetzt. Der Schüler, der für ihn übersetzt, fragt, was er Becker sagen soll. Piatigorsky lässt sich zu einem „sehr schön“ hinreißen. Doch was der Schüler dann letztlich übersetzt, ist wohl doch was anderes. Piatigorsky will höflich sein und etwas wie „vielen Dank“ oder „auf Wiedersehen“ auf Deutsch sagen. Er sagt aber stattdessen : „Gott sei Dank!“ Und Hugo Becker: der wirft ihn in hohem Bogen hinaus. MUSIK 3 Julius Klengel Scherzo d-moll op. 6 Friedrich Thiele, Violoncello Ayako Tanaka, Klavier 03722-Querstand, VKJK 1617 LÄNGE 5‘40 Ein Scherzo von Julius Klengel haben der Cellist Friedrich Thiele und die Pianistin Ayako Tanaka gespielt. Nach dem Fiasko mit Hugo Becker wechselt Gregor Piatigorsky den Lehrer. Man empfiehlt ihm Professor Julius Klengel in Leipzig. Wie wir eben gehört haben, nicht nur ein Cellist, sondern auch Komponist von einigen Cellowerken. Piatigorsky kommt mit Julius Klengel wesentlich besser klar. Obwohl Klengel ihm gleich nach dem ersten Vorspiel erklärt, dass er ihm eigentlich gar nichts mehr beibringen könne. Aber 4 Klengel hat eine große Klasse: während er den einen Schüler unterrichtet, hören die anderen zu. Sie lernen so gegenseitig voneinander. Piatigorsky bekommt immer noch Geld von Mr. Held, seinem amerikanischen Gönner. Aber eines Tages kommt es zu einem Mißverständis: ein Mittelsmann zwischen Held und Piatigorsky hat große Summen des Geldes veruntreut. Darüber regt sich Piatigorsky furchtbar auf. Er erklärt, wie überaus sparsam er gewesen sei. Und überhaupt: das Geld von anderen Leuten wolle er sowieso nicht haben. Mr. Held versteht die Welt nicht mehr. Piatigorsky steht wieder ohne Geld da. Klengel schickt ihn mit einem Empfehlungsschreiben nach Berlin. Doch leicht wird es nicht. Er kann bald die Miete seines Zimmers nicht mehr zahlen. Und er ist so hungrig, dass er sogar das Fleisch isst, das seine Wirtin ihrer Katze zum Fressen hinstellt. Letztlich wirft man ihn raus. Piatigorsky landet auf der Straße und schläft im Tiergarten auf einer Bank. Er hat hin und wieder Engagements, spielt auch wieder in einem Cafehaus und manchmal kann er sich ein Zimmer leisten. Aber immer wieder kehrt er mit leeren Taschen in den Tiergarten zu seiner Bank zurück. Dort trifft er eines Tages einen Flötisten der Berliner Philharmoniker. Der fragt ihn, ob er mit einigen Musikern und dem Pianisten Artur Schnabel die Erstaufführung von Arnold Schönbergs „Pierrot Lunaire“ spielen wolle. Allerdings: ohne Bezahlung. Trotzdem: Piatigorsky sagt zu. Zwanzig Proben sind angesetzt. Sie sollen in der Wohnung von Schnabel stattfinden. Piatigorsky findet die Musik höchst interessant und Schnabel ist ihm auf Anhieb sympathisch. Aber der wichtigste Teil der Probe ist für Piatigorsky die Pause. Im Nebenraum stehen Tee, Brötchen und Kuchen bereit. Während die anderen sich noch unterhalten, stürmt Piatigorsky zum Büfett und verschlingt so viel er kann. Das ist die einzige Mahlzeit, die er an diesen Tagen in den Magen bekommt. Und seine Mitspieler sind doch etwas verwundert über die wenigen Brötchen am Büfett…. MUSIK 4 Ludwig van Beethoven Ausschnitt 1. Satz aus: Sonate g-moll op. 5 Nr. 2 Gregor Piatigorsky, Violoncello Artur Schnabel, Klavier einblenden ab 10’20 bis 15’11 [Ende 1. Satz] 01836-Peral, GEMM 9447 LÄNGE ca. 4‘53 5 Gregor Piatigorsky und Artur Schnabel waren das mit einem Ausschnitt aus dem 1. Satz von Beethovens g-moll Sonate. Auch in späteren Jahren haben Schnabel und Piatigorsky immer wieder zusammen musiziert. Eine Zeitlang auch als Trio mit dem Geiger Carl Flesch. Im Tiergarten ist es kalt. Und noch bevor Piatigorsky sich in Schnabels Wohnung bei den Proben zu Pierrot Lunaire immer mal wieder wärmen und satt essen kann, beschließt er eines Abends ins Konzert zu gehen. Er hat sein Cello auf dem Rücken und damit kommt er problemlos in den Bühneneingang der Berliner Philharmonie hinein. Das Cello stellt er bei den Musiker Garderoben