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US-Steuerreform: Chancen und Risiken: Wer gewinnt – wer verliert?

Die Steuerreform von US-Präsident Donald Trump sieht deutliche Steuersenkungen für Unternehmen und bescheidene Entlastungen für Privatpersonen vor. Vor allem Bezieher hoher Einkommen werden von der Reform profitieren. Zudem dürften die Staatsschulden nach vorläufigen Berechnungen über das kommende Jahrzehnt um mindestens eine Bil- lion Dollar anwachsen. Die Steuerreform wird aber auch voraussichtlich die Konjunktur in den USA anschieben, und sie wird den USA durch die Senkung der Unternehmensteuer- sätze einen massiven Wettbewerbsvorteil bescheren. Wie sollten die europäischen Länder reagieren?

wirkungen auf effektive Unternehmensteuerbelas­- Christoph Spengel*, Marcel Olbert** und tungen und die damit verbundenen Konsequen- Kathrin Stutzenberger*** zen, mögliche Folgen für die Entwicklung ausländi- scher Direktinvestitionen sowie auf das Verhältnis US-Steuerreform 2018 – der Reform zu aktuellen steuerpolitischen Entwick- Implikationen und lungen auf EU-Ebene eingegangen (vgl. Spengel et al. 2018). Konsequenzen für Europa1 AUSWIRKUNGEN DER US-STEUERREFORM AUF DIE Christoph Spengel Am 22. Dezember 2017 verabschiedete US-Präsident EFFEKTIVE UNTERNEHMENSTEUERBELASTUNG Donald Trump mit Unterzeichnung des » Cuts and Jobs Act« die größte Reform des US-Steuersystems seit Die Konsequenzen der US-Steuerreform für die effek- 1986. Diese sieht mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 auf tive Unternehmensteuerbelastung im Verhältnis zu Unternehmensebene neben einer Senkung des Kör- den 28 EU-Mitgliedstaaten können mit dem neoklas- perschaftsteuersatzes von 35% auf 21% unter ande- sischen Investitionsmodell nach Devereux und Griffith rem eine Sofortabschreibung für bestimmte Anlage- ermittelt werden.2 Als Hauptelemente der Reform wer- güter, die Freistellung ausländischer Dividenden ab den dabei die Senkung des US-Körperschaftsteuer­ einer Beteiligungshöhe von 10%, die einmalige Nach- satzes von derzeit 35% auf 21%, die Sofortabschrei- Marcel Olbert versteuerung der seit 1986 gestundeten Gewinne aus- bung bestimmter Anlagegüter sowie ein Wechsel zum ländischer Tochtergesellschaften sowie die Einfüh­ Territorialprinzip anhand der Freistellung ausländi- rung einer Zinsschranke und Ausweitung der Hinzu- scher Dividenden berücksichtigt. rechnungsbesteuerung vor. Infolge der letzten großen Für rein inländische Investitionen verbessert sich US-Steuerreform im Jahr 1986 reagierten viele Mit- die Wettbewerbsposition der USA im Verhältnis zu den gliedstaaten der Europäischen Union mit gleichfalls EU-Mitgliedstaaten deutlich (vgl. Tab. 1). Dabei werden weitreichenden Steuerreformen (vgl. Altshuler und für die USA Investitionen im Bundesstaat Kalifornien Goodspeed 2015). Vor diesem Hintergrund werden im betrachtet und die dortige lokale Körperschaftsteuer Folgenden die Konsequenzen der US-Reform für die einbezogen. Während vor der Reform die Effektiv­ EU-Mitgliedstaaten aufgezeigt. Dabei wird auf die Aus- steuerbelastung für unternehmerische Investitionen in Kathrin Stutzenberger den USA höher war als in Deutschland, sinkt der effek-

* Prof. Dr. Christoph Spengel ist Inhaber des Lehrstuhls für Allg. tive Durchschnittssteuersatz (EATR) als Indikator für BWL und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre II der Universität Mann- die steuerliche Standortattraktivität bei profi­tablen heim, Research Associate am ZEW Mannheim sowie Sprecher und Direktor des Leibniz WissenschaftsCampus MaTax. Investitionen unter die EATR im Fall einer Inlands­ ** Marcel Olbert, M.Sc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an diesem investition in Deutschland und nähert sich der durch- Lehrstuhl und Mitglied des MaTax. *** Kathrin Stutzenberger, M.Sc., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an diesem Lehrstuhl und Mitglied des MaTax. 2 Vgl. Spengel et al. (2018, S. 9–11) für einen Überblick über die 1 Dieser Beitrag basiert auf einer Studie des Zentrums für Europäi- zugrunde liegende Methodik sowie Spengel et al. (2018, S. 21–28) für sche Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Universität Mannheim (vgl. die Auswirkungen der US-Steuerreform auf die effektive Unterneh- Spengel et al. 2018). mensteuerbelastung.

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Tab. 1

Tab. 1 Effektive Steuerbelastung nach der US-Steuerreform im Ländervergleich (Inlandsfall), in % Kapital- Tariflicher Kapital- Tariflicher Land EATR Land EATR kosten Steuersatz kosten Steuersatz Bulgarien 5,3 9,0 10,0 EU 28 6,0 20,9 23,0 Zypern 5,3 13,1 12,5 Großbritannien 6,6 21,5 20,0 Litauen 5,6 13,6 15,0 Niederlande 6,0 22,5 25,0 Irland 5,7 14,1 12,5 Österreich 6,2 23,1 25,0 Lettland 5,7 14,3 15,0 USA (Steuersatz i.H.v. 21%, 6,0 23,3 26,3 Sofortabschreibung) Rumänien 5,6 14,7 16,0 Italien 5,2 23,6 31,3 Slowenien 5,7 15,5 17,0 Luxemburg 6,0 25,5 29,2 Estland 5,2 15,7 20,0 USA (Steuersatz i.H.v. 21%) 6,7 26,0 26,3 Kroatien 5,4 16,5 20,0 Portugal 6,3 26,6 29,5 Tschechische Republik 5,6 16,7 19,0 Griechenland 6,6 27,6 29,0 Polen 5,8 17,5 19,0 Deutschland 6,4 28,2 31,0 Finnland 6,0 18,9 20,0 Belgien 5,9 28,3 34,0 Ungarn 6,0 19,3 20,9 Spanien 7,1 30,3 30,6 Schweden 5,8 19,4 22,0 Malta 6,8 32,2 35,0 Slowakische Republik 5,8 19,6 22,0 USA (vor Reform) 7,6 36,5 37,9 Dänemark 5,9 20,0 22,0 Frankreich 7,4 38,4 38,9 Quelle: Berechnungen der Autoren; vgl. Spengel et al. (2018, S. 23), USA: Bundesstaat Kalifornien.

schnittlichen effektiven Steuerbelastung über alle AUSWIRKUNGEN AUF AUSLÄNDISCHE EU-28-Mitgliedstaaten an. In der Folge wird der Investi- DIREKTINVESTITIONEN tionsstandort USA insgesamt attraktiver, was durch die deutliche Senkung der Kapitalkosten auch für die Aus- Die USA sind derzeit der wichtigste Standort für aus- weitung bestehender Investitionen gilt. ländische Direktinvestitionen von in der EU ansässi- Werden grenzüberschreitende Investitionen gen Unternehmen: Zwischen 2008 und 2012 betrug betrachtet, wird der Anreiz für in den USA ansässige der jährliche Bestand US-amerikanischer Direktin- multinationale Unternehmen nach der Steuerreform vestitionen in den EU-28-Mitgliedstaaten 1,28 Billio- deutlich, ihre Aktivitäten in europäische Niedrigsteu- nen Euro, der jährliche Bestand an Direktinvestitionen erländer wie etwa Irland zu verlagern. Insbesondere der EU-28-Mitgliedstaaten in den USA belief sich auf aufgrund der Freistellung von mittels Dividenden 1,35 Billionen Euro. repatriierten Auslandsgewinnen können US-Unter- Basierend auf den Veränderungen der EATR sowie nehmen bei eigenkapitalfinanzierten Investitionen in der empirischen Literatur aus vergangenen Steuer- hohe Steuerzahlungen in den USA vermeiden und satzsenkungen abgeleiteten Steuersatzelastizitäten von einem geringeren Steuerniveau in Europa profitie- im internationalen Kontext können die Auswirkungen ren. Für in europäischen Niedrigsteuerländern ansäs- der US-Steuerreform auf bilaterale Handelsströme sige multinationale Unternehmen hingegen ist die zwischen den USA und den EU-28-Mitgliedstaaten Fremdfinanzierung von Investitionen in den USA wei- geschätzt werden (vgl. Spengel et al. 2018, S. 28–34). terhin vorteilhaft, um den steuerpflichtigen Gewinn Die EU-28-Mitgliedstaaten sind dabei jeweils unter- anhand von Zinszahlungen nach Europa zu verschie- schiedlich von den Auswirkungen der US-Steuerreform ben. Die Einführung einer Zinsschranke in den USA betroffen: Für Investitionen aus den USA in europäische könnte den Vorteil der Fremdfinanzierung für die in Hochsteuerländer wie Deutschland sinkt die effektive europäischen Niedrigsteuerländern ansässigen Unter- Steuerbelastung weniger stark als im umgekehrten Fall nehmen allerdings abmildern. einer ausländischen Direktinvestition in den USA. Infol- Im Verhältnis zu Ländern wie Deutschland, die gedessen wird die zunehmende Investitionstätigkeit nach der US-Steuerreform eine höhere effektive deutscher Unternehmen in den USA voraussichtlich Steuerbelastung als die USA aufweisen, bestehen im nicht gleichermaßen durch zusätzliche Direktinvestiti- Gegensatz dazu Anreize, steuerpflichtige Gewinne onen US-amerikanischer Unternehmen in Deutschland in die USA zu verschieben; im Ergebnis könnte die kompensiert, was aus deutscher Sicht vermutlich zu US-Steuerreform mithin zu einer Aushöhlung des einem Nettokapitalabfluss führen wird. Unseren Schät- Steuersubstrats in den europäischen Hochsteuer- zungen zufolge beträgt der Nettokapitalabfluss etwa ländern führen. Für in den USA ansässige multina- 32 Mrd. Euro. Im Verhältnis zu Niedrigsteuerländern wie tionale Unternehmen bestehen nach der Steuerre- Irland ist hingegen ein vergleichsweise symmetrischer form Anreize zur Fremdfinanzierung von Investitio- Anstieg der bilateralen Investi­tionstätigkeit sowohl in nen in europäische Hochsteuerländer. Investitionen den USA als auch in Europa zu erwarten, unsere Schät- von in europäischen Hochsteuerländern ansässigen zungen ergeben einen Nettokapitalabfluss von rund Unternehmen in die USA können vorzugsweise mit 4 Mrd. Euro in Irland. einbehaltenen Gewinnen finanziert werden, um der Da nach der Reform Gewinnausschüttungen aus- hohen Steuerbelastung in Europa zu entgehen. ländischer Tochterunternehmen in die USA steuerlich

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freigestellt werden, gewinnt aus Sicht der US-Inves- ebenfalls beeinträchtigen: Anders als Unternehmen toren das Steuersatzgefälle innerhalb der EU folglich ohne Niederlassungen in der EU wären die betroffe- zunehmend an Bedeutung in Bezug auf Standortent- nen Unternehmen grundsätzlich zur Veröffentlichung scheidungen. Somit verschärft die US-Steuerreform potenziell sensibler Geschäftsinformationen verpflich- nicht nur den Steuerwettbewerb zwischen den USA tet, die Wettbewerber zu ihrem Vorteil verwerten kön- und den Mitgliedstaaten der EU, sondern auch den nen (vgl. Dutt, Spengel und Vay 2017, S. 22 f.). innereuropäischen Steuerwettbewerb selbst. Infolge- Neben der US-Steuerreform erhöhen auch inner- dessen verlieren europäische Hochsteuerländer wie europäische Entwicklungen wie (angekündigte) Steu- beispielsweise Deutschland oder Frankreich für US-In- ersatzsenkungen in Großbritannien und Frankreich die vestoren im Verhältnis zu europäischen Niedrigsteuer- Dynamik des internationalen Steuerwettbewerbs. Die ländern wie Irland deutlich an Attraktivität. Zukunftsfähigkeit dieser Art von Wettbewerb ist insbe- sondere vor dem Hintergrund abnehmender Möglich- STEUERWETTBEWERB IN EUROPA keiten zur weiteren Verbreiterung der körperschaft- steuerlichen Bemessungsgrundlage als Ausgleich für Die aufgezeigten Entwicklungen und der daraus resul- gesunkene Körperschaftsteuersätze sowie der dadurch tierende erhöhte Wettbewerbsdruck für die europä- bedingten erhöhten Gefahr einer indirekten Substanz- ischen Hochsteuerländer sind auch im Kontext der besteuerung in Krisenzeiten zu hinterfragen (vgl. Bräu- ak­tuellen europäischen Steuerpolitik zu sehen (vgl. tigam, Spengel und Stutzenberger 2017, S. 15). Um im Spengel et al. 2018, S. 35–43; Spengel und Stutzenber- weltweiten Steuerwettbewerb nicht weiter zurückzu- ger 2018). Mit der im Juli 2016 verabschiedeten Anti- fallen, sollte daher anstelle der Beschränkung auf rein missbrauchsrichtlinie3 zur Umsetzung der Ergebnisse defensive Maßnahmen vielmehr die Steigerung der des BEPS-Projekts der OECD sowie der Einführung internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Steuersys- eines möglicherweise sogar öffentlichen Coun- teme Schwerpunkt der Steuerpolitik insbesondere in try-by-Country-Reporting (CbCR) wurden auf EU- den Hochsteuerländern wie Deutschland sein. Ebene unlängst verschiedene Missbrauchsbekämp- fungsvorschriften und Initiativen zur Erhöhung der FAZIT Steuertransparenz verabschiedet. Diese Maßnah- men sind jedoch nicht geeignet, um mögliche nega- Insgesamt wird deutlich, dass europäische Hochsteu- tive Effekte der US-Steuerreform in den betroffenen erländer wie Deutschland ohne angemessene Gegen- EU-Mitgliedstaaten abzumildern, sondern könnten im maßnahmen, die über eine bloße Verschärfung der Gegenteil vielmehr zu einer weiteren Verschlechte- Abwehrgesetzgebung hinausgehen, möglicherweise zu rung der steuerlichen Standortbedingungen in Europa den Verlierern der US-Steuerreform zählen. Die Reform beitragen: Grundsätzlich sind Zinsabzugsbeschrän- verbessert die Position der USA als Investitionsstand- kungen zwar geeignet, um übermäßige Fremdfinan- ort im globalen Steuerwettbewerb hingegen deutlich; zierung und den damit verbundenen Verlust von Steu- insbesondere aus Sicht der europäischen Hochsteu- ersubstrat aus Hochsteuerländern zu vermindern, erländer werden die USA künftig zu einem attrakti- allerdings erhöhen sie gleichzeitig auch das Doppel- ven Investitionsstandort. Aus Sicht der US-Investoren besteuerungsrisiko. Die Vorschriften zur Hinzurech- gewinnt der Steuersatzwettbewerb innerhalb der EU nungsbesteuerung sind wiederum auch nach der dras- an Bedeutung, so dass überwiegend europäische Nied- tischen Senkung des US-Körperschaftsteuersatzes um rigsteuerländer an Attraktivität gewinnen und daher 14 Prozentpunkte im Verhältnis zu US-Tochtergesell- gleichermaßen von der US-Steuerreform profitieren schaften in keinem EU-Mitgliedstaat anwendbar. Die in könnten. der Antimissbrauchsrichtlinie enthaltenen Regelungen Um mit der Dynamik des weltweiten Steuerwett- wirken insgesamt somit lediglich zulasten der Steu- bewerbs Schritt zu halten, erscheint daher eine Neu- erpflichtigen (vgl. u.a. auch Kahlenberg 2016, S. 911; ausrichtung der Steuerpolitik der europäischen Hoch- Linn 2016, S. 652; Schnitger, Nitzschke und Gebhardt steuerländer geboten: Anstelle der Einführung oder 2016, S. 960). Darüber hinaus ist zu befürchten, dass Verschärfung von Abwehrmechanismen sollte viel- eine Verschärfung der Antimissbrauchsvorschriften mehr die Steigerung der Standortattraktivität in den mit negativen Investitionswirkungen einhergeht (vgl. Vordergrund rücken, etwa durch Steuersatzsenkungen Dutt, Spengel und Vay 2017, S. 35) und das internatio- und die Einführung oder Ausweitung einer steuerlichen nale Steuersatzgefälle zunehmend an Bedeutung für Forschungsförderung oder eine attraktive Gestaltung Investitionsentscheidungen gewinnt. von steuerlichen Verlustverrechnungsvorschriften. Erhöhte Transparenzpflichten infolge der Einfüh- rung eines öffentlichen CbCR würden die Attraktivi- LITERATUR tät der EU-Mitgliedstaaten als Investitionsstandorte Altshuler, R. und T.J. Goodspeed (2015), »Follow the Leader? Evidence on European and US «, Public Finance Review 43(4), 485–504. 3 Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12. Juli 2016 mit Vor- Bräutigam, R., Chr. Spengel und K. Stutzenberger (2017), »The Development schriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit un- of Structures in the European Union from 1998 to 2015 – mittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmark- tes, ABl. EU 2016, L 193/1.

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Qualitative and Quantitative Analysis«, ZEW Discussion Paper No. 17-034, Thomas Straubhaar* Mannheim. Dutt, V., Chr. Spengel und H. Vay (2017), Der EU-Vorschlag zum Coun- Was folgt aus der US-Steuer- try-by-Country Reporting im Internet: Kosten, Nutzen, Konsequenzen, Stif- tung Familienunternehmen, München. reform für Deutschland? Kahlenberg, C. (2016), »BEPS wird Realität: Die Anti-BEPS-RL als Sekun- därrechtsakt gegen Gewinnverlagerung und Bemessungsgrundlagen­ erosion«, StuB – Unternehmensteuern und Bilanzen (23), 911–917. Wer eigentlich zahlt künftig noch Steuern? Mehr denn je stellt sich die Frage nach einem Verschwinden der Linn, A. (2016), »Die Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie der EU – Anpassungs- bedarf in der Hinzurechnungsbesteuerung?«, IStR – Internationales Steuer- Steuerbasis, seit auf Initiative von Donald Trump die recht (16), 645–652. Unternehmensteuern in den USA massiv gesenkt wur- Schnitger, A., D. Nitzschke und R. Gebhardt (2016), »Anmerkun- den. Allerdings beschleunigt der US-Präsident nur ein gen zu den Vorgaben für die Hinzurechnungsbesteuerung nach der sog ›Anti-BEPS-Richtlinie‹: Systematische Würdigung der Impli- bereits früher erkennbares Race to the Bottom bei der kationen für den deutschen Rechtskreis«, IStR – Internationales Besteuerung von Firmen und deren Profite: »Bei den Steuerrecht (23), 960–975. Steuersätzen auf Unternehmensgewinne besteht seit Spengel, Chr., F. Heinemann, M Olbert, O. Pfeiffer, T. Schwab und K. Stut- zenberger (2018), Analysis of US Corporate Proposals and their längerer Zeit ein Abwärtstrend. Angesicht der zuneh- Effects for Europe and Germany – Update 2018, Mannheim, verfügbar unter menden Mobilität von Unternehmen senken viele Län- http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/gutachten/US_Tax_Reform_2018.pdf. der ihre Steuern, um Investitionen und Jobs ins Land Spengel, Chr. und K. Stutzenberger (2018), »Widersprüche zwischen Anti- Directive (ATAD), länderbezogenem Berichtswesen (CbCR) zu holen. Gleichzeitig nutzen vor allem multinationale und Wiederauflage einer Gemeinsamen (Konsolidierten) Körperschaft- Unternehmen Möglichkeiten, die ihnen das teils hoch- steuer-Bemessungsgrundlage (GK(K)B)«, IStR – Internationales Steuer- recht (2), 37–44. komplexe internationale Steuerrecht bietet, um Steu- ern zu vermeiden und Gewinne in Steueroasen zu ver­ lagern. Das verstärkt den Abwärtsdruck auf Gewinn- steuersätze, denn hohe Steuersätze verstärken den Anreiz zur Gewinnverlagerung.« (Fuest et al. 2017, S. 22). Der amerikanische Präsident dürfte mit seiner Unternehmensteuerreform somit nicht den Beginn, sondern lediglich eine weitere Runde im weltweiten Wettrennen um immer tiefere Steuersätze eingeläu- tet haben. Denn die übrigen Volkswirtschaften, allen voran Europa und damit auch Deutschland, werden vermehrt unter Druck geraten, nun ihrerseits ihre mitt- lerweile deutlich höheren Steuersätze senken zu müs- sen. Ansonsten dürften stärkere Anreize für multina- tional tätige Unternehmen entstehen, ihre Erträge in die USA zu transferieren, um sie dort zu jetzt weiter günstigeren Konditionen als andernorts zu versteu- ern und im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkom- men hierzulande vom Fiskus verschont zu bleiben. Das dürfte vor allem für die Gewinne amerikanischer Unter- nehmen der Datenwirtschaft der Fall sein. Alphabet (Google), Amazon, Apple, Microsoft und andere global agierende US-Digitalisierungsfirmen werden wohl nun ihre in der ganzen Welt erwirtschaf- teten Erträge vermehrt in den USA und nicht mehr in Europa und auch weniger in Steueroasen wie Irland oder Zypern versteuern. Das dürfte in Europa den Vor- wurf verstärken, dass amerikanische Technologiekon- zerne hierzulande zu wenig Steuern bezahlten: »Apple ist eine Geldmaschine, wie es auf der Welt nur wenige gibt. An jedem einzelnen iPhone verdient der Konzern rund 400 Dollar. Grob überschlagen, könnte Apple mit deutschen Kunden rund 10 Mrd. Euro Umsatz machen – 5% seines Gesamtumsatzes. Rund 2% von Apples Mitarbeitern sind in Deutschland am Werk. Doch für seine beiden deutschen Gesellschaften hat der Kon- zern nur rund 0,2% der weltweiten Steuerlast abge- führt: 25 Mio. Euro – so schätzen es Steuerberater aus den Jahresabschlüssen.« (Bernau 2017)

* Prof. Dr. Thomas Straubhaar ist Inhaber der Professur für Interna- tionale Wirtschaftsbeziehungen der Universität Hamburg.

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Spätestens an den Beispielen der Datenwirtschaft len Unternehmensbesteuerung bleiben wird und jedes zeigt sich deutlicher denn je, dass eine dem Prinzip Land seine nationalen Interessen verfolgen wird – der »kongruenten Territorialität« folgende Philosophie unbesehen der Auswirkungen auf andere. der Unternehmensbesteuerung (die Unternehmens- Eine andere in Theorie und Praxis diskutierte gewinne dort besteuern will, wo sie entstehen), deren Lösung könnte darin bestehen, nicht die Produktion, Stiftung/Claudia Höhne historischen Wurzeln in der britischen Kolonialzeit des sondern den Konsum zu besteuern. Da Verbraucher(in- - 19. Jahrhunderts zu finden ist, im 21. Jahrhundert der nen) relativ weniger mobil sind als Firmen, könn- Digitalisierung und Globalisierung ihre Eignung, Effek- ten sie der Steuerbelastung weniger einfach auswei- © Körber Thomas Straubhaar tivität und Effizienz verloren hat und zunehmend weiter chen als Unternehmen. Die Ideen, über Umsätze die verlieren wird. Ökonomische Transaktionen des Digi- Gewinne im Lande des Konsums zu besteuern, »sind talisierungszeitalters lösen sich mehr und mehr von im Anfangsstadium und nicht in allen Details ausge- Standorten und somit von »Territorialität«. Dadurch arbeitet.« (Langenmayr 2017, S. 13). Zudem wäre auch aber wird es erschwert bis unmöglich festzustellen, bei dieser Vorgehensweise »eine international koordi- wo der Ort der Produktion und wo der Ort der Gewinn­ nierte Lösung wünschenswert – aber diese wird nicht entstehung liegen und wieweit die beiden deckungs- leicht zu erreichen sein.« (Langenmayr 2017, S. 13) gleich sind. Wenn überhaupt, können nur die Firmen selber »Wo findet die ›Produktion‹ statt, wenn ein mit Hilfe betriebsinterner Verrechnungsschlüssel, Deutscher bei Amazon einkauft? In dem Land, wo Gemeinkosten- und Deckungsbeitragsrechnungen die Server stehen? Wo das Versandzentrum ist? eine Zuordnung ihrer Gewinne auf einzelne Standorte Wo die entscheidenden Technologien, wie z.B. die und Länder vornehmen. Damit aber begibt sich der Fis- Empfeh­lungsalgorithmen, entwickelt wurden? Diese kus in die Hände der Betroffenen und deren Wille zur Zuordnung ist in einer Welt mit zunehmender Digi­ ehrlichen Kooperation. Bei der Messung, wo Konzerne talisierung mehr und mehr willkürlich geworden.« wann welche Gewinne erwirtschaften, bleibt jedoch (Langenmayr 2017, S. 12) vieles Ermessen, grobe Schätzung und damit willkür- Natürlich gibt es unterschiedliche Versuche der lich. Auch schärfste Gesetze vermögen da nichts zu Nationalstaaten, sich einem Race to the Bottom zu ändern. Das gilt übrigens auch bei der Frage, ob eine widersetzen. Die einfachste Reaktion wäre eine ver- Firma in- oder ausländisch, deutsch oder amerika- stärkte internationale Zusammenarbeit, so dass mul- nisch oder sonst was sei. Geht es hier um die Eigentü- tinational agierenden Firmen auch multinational orga- mer, die Umsätze oder die Produktionsstätten? nisierten Steuerbehörden gegenüberstehen. Dann In Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung könnte am Territorialprinzip in dem Sinne festgehalten sollte man sich eingestehen und damit abfinden, dass werden, dass Unternehmensgewinne irgendwo ent- es faktisch sowieso immer schwieriger wird, Unterneh- stehen können, aber sie wären nach international glei- men zu besteuern. Einmal, weil Firmen mobiler ge- chermaßen gültigen Konzepten zu versteuern, so dass worden sind und einfacher denn je Erträge und Kos- eine Steuervermeidung durch Transfers der Gewinne ten von einem Land ins andere verschieben können. in Steueroasen entweder nicht mehr möglich oder Betriebs­interne Verrechnungsschlüssel tun ein Übri- nicht mehr lohnend wäre. National erhobene Unter- ges, um mit von Land zu Land unterschiedlichen Steu- nehmensteuern multinational tätiger Firmen müss- ersätzen zu jonglieren, mit einfachen Tricks Gewinne ten demgemäß nach einem Verteilungsschlüssel welt- und Verluste über Staatsgrenzen hin und her zu trans- weit an die übrigen Finanzämter weitergeleitet wer- ferieren und mit nationalen Finanzbehörden Katz und den. Ebenso könnten steuerliche Rahmenbedingungen Maus zu spielen. Dann auch, weil mit der Digitalisie- multilateral vereinbart werden, beispielsweise könn- rung ein immer größer werdender Anteil der Wert- ten Mindeststeuersätze festgelegt oder gemeinsame schöpfung und Umsätze sowieso losgelöst von der Erfassungsrichtlinien beschlossen werden. Erde irgendwo im Orbit des Internets und in weltum- Seit Jahren wird eine verstärkte internationale spannenden Clouds produziert wird. Damit aber wird Zusammenarbeit bei der Unternehmensbesteuerung eine nationale Erfassung, Bilanzierung und Besteue- vor allem innerhalb der G 20 und der OECD angestrebt rung ohnehin mehr oder weniger willkürlich. (vgl. Schubert 2017). Die Erfolge sind eher bescheiden Klüger als eine aus vielen Gründen international und beschränken sich primär auf offensichtliche Fälle kaum realisierbare Standardisierung der Firmenbe- von Steuerbetrug. Eine politisch koordinierte Annähe- steuerung anzustreben, dürfte deshalb zunehmend rung oder gar Harmonisierung von Bemessungsgrund- ein anderes Vorgehen werden. Es ist darauf ausgerich- lagen und Unternehmensteuersätzen ist nicht erkenn- tet, nicht die Unternehmen, sondern deren Eigentü- bar. Selbst in Europa und innerhalb der Europäischen mer zu besteuern. Und es folgt der Überzeugung, dass Union ist eine Aufgabe nationalstaatlicher Steuerkom- Firmen zu besteuern, im 21. Jahrhundert ganz grund- petenzen wenig wahrscheinlich. Zu stark divergieren sätzlich ein falscher Ansatz ist. Wie schon Blankart die nationalen Vorstellungen, wie weit eine steuerliche (2017/1991, 243) mit Blick auf die Körperschaftsteuer Zusammenarbeit, Harmonisierung oder eine europäi- feststellte, bleibt die Forderung nach einer Abschaffung sche Fiskalunion zu gehen habe. Für die nächsten Jahre der Unternehmensbesteuerung und einem Verzicht, ist somit davon auszugehen, dass es bei einer nationa- Unternehmen zu besteuern, richtiger als jemals zuvor,

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»denn eine Steuer, die infolge von unklaren Überwäl- Wachstum, Wertschöpfung und Beschäftigung. Der zungsmöglichkeiten von der Fiskalillusion lebt, kann Verzicht einer direkten Unternehmensbesteuerung wenig zu rationalen finanzpolitischen Entscheidungen heute führt somit für den Fiskus indirekt zu höheren beitragen«. Steuereinnahmen in Zukunft. Unabhängig von der Rechtsform, ob Personen- –– Das Thema einer Erbschaftsteuer bei einer Unter- oder Kapitalgesellschaft, sind Unternehmen nämlich nehmensnachfolge fällt bei einem Verzicht der hauptverantwortlich dafür, dass in einer Volkswirt- Besteuerung einbehaltener Gewinne vom Tisch. schaft die Masse der Menschen Arbeit findet. Sie sor- Solange bei einer Betriebsfortführung die Erben gen für eine Wertschöpfung, die den Belegschaften in auf eine Auszahlung verzichten, verbleibt alles Form von Löhnen und den Kapitalgebern in Form von wie es ist, und es wird nichts besteuert. Der Eigen­ Zinsen zugutekommt. Beides kann vom Staat als Ein- tümerwechsel bleibt steuerfrei. Insbesondere kommen besteuert werden, sobald Löhne oder Kapi- können keine Probleme entstehen, sollten Erben talerträge an Privatpersonen bezahlt werden. Neben nicht in der Lage sein, eine Erbschaftsteuer auf das dem Selbstzweck dienen Firmen somit ganz automa- Betriebsvermögen zu bezahlen. Es gibt keine Erb- tisch einem gesamtwirtschaftlichen Nutzen. Wieso sol- schaftsteuer bei einer Unternehmensnachfolge. len sie da noch Steuern zahlen? –– Die mit der geschaffene Differenz Erzielen Unternehmen Gewinne, sollen diese bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen dann, aber eben erst dann und nicht früher, besteu- und privaten Kapitalerträgen (insbesondere gilt ert werden, wenn sie ausgeschüttet werden. Einbehal- das für eigenfinanzierte Unternehmensinvestitio- tene Gewinne bleiben steuerfrei. Sobald Dividenden, nen) würde beseitigt. Die am heutigen System not- Tantiemen, Boni oder andere Auszahlungen bezahlt wendigen schwierigen Korrekturen einer Dualen werden, kann und soll der Fiskus zugreifen. Das gilt Einkommensteuer würden sich erübrigen. auch, wenn Unternehmen Löhne und Gehälter an ihre –– Selbstverständlich sollen alle Firmen, unabhän- Beschäftigten, Fach- und Führungskräfte auszahlen, gig ob in- oder ausländische, dafür bezahlen, dass oder wenn Selbständige oder Familienbetriebe Geld sie die Infrastruktur nutzen und von Rechtsstaat, in welcher Form auch immer aus ihren Firmen ent- öffentlichen Einrichtungen und dem friedlichen nehmen. Die Begünstigten müssten jeden Zufluss von Miteinander profitieren. Dafür aber sind nutzer- Geld und somit auch die Ausschüttungen von Unter- und verursachergerechte Gebühren und Abga- nehmensgewinnen zu ihrem übrigen Einkommen ben präzisere Instrumente, um Nutzen und Kos- schlagen. Die Summe aller Einkommen bildet dann die ten in Einklang zu bringen. Mit einer konsequen- Grundlage, auf der die Finanzbehörde die fällig wer­ ten Anwendung des Äquivalenzprinzips ließe sich denden Einkommenssteuern berechnet. Im Wesent- gleich auch eine grundlegende Reform der Gewer- lichen entspricht dieses Vorgehen dem heute für Per- besteuer angehen, die ja eigentlich ein Entgelt sonengesellschaften und Selbständigen gültigen Ver- dafür sein sollte, dass die Gemeinden den Unter- fahren der Gewinnbesteuerung. Nun würde es auch für nehmen Infrastrukturleistungen wie Wasser-, Ener- Kapitalgesellschaften gelten. gieversorgung, Abwasser- und Müllentsorgung, Stellt man Unternehmen steuerfrei und besteu- Verkehrsanbindung, ein funktionierendes Verwal- ert stattdessen die Eigentümer beziehungsweise jene tungs- und allgemeines Bildungssystem zur Ver- Personen, die von den Gewinnen und Auszahlungen fügung stellen. In der Realität jedoch hat sich die profitieren, trifft man verschiedene Fliegen auf einen Gewerbesteuer längstens von einer nutzungsorien- Schlag: tierten Abgabe zu einer Ertragsteuer der Kommu­ nen entwickelt. Deshalb »besteht heute ein weitge- –– Die Unternehmen werden steuerlich entlastet, was hender Konsens darüber, dass die Gewerbesteuer deren internationale Wettbewerbsfähigkeit stärkt. eine schlechte Steuer sei. ... Besser wäre es, sie Ebenso steigt der Anreiz für multinationale Kon- durch ein Gebührensystem zu ersetzen, das diese zerne, Hauptsitze in Volkswirtschaften ohne Unter- Nutzungen widerspiegelt.« (Blankart 2017/1991, nehmensbesteuerung anzusiedeln. Beides wirkt S. 253). Ein Konzept »Preise bzw. Nutzergebühren sich positiv auf die Beschäftigungslage aus, was anstatt Unternehmensteuern« würde einen sach- wiederum den Staatshaushalten zugutekommt, gerechten Orientierungsrahmen bieten. weil alles Einkommen natürlicher Personen wei- –– Anstelle von Unternehmen alle finanziellen Aus- terhin national besteuert wird. schüttungen von Unternehmen an Eigentümer, –– Solange Gewinne von Unternehmen einbehalten Management und Beschäftigte zu besteuern, ent- werden, sollten sie steuerfrei bleiben. Einbehaltene spricht der Forderung nach einer wesentlichen Gewinne sind für die Unternehmen die einfachste Vereinfachung des deutschen Steuerrechts. Alles und billigste Möglichkeit, die Eigenkapitaldecken Einkommen, das von Unternehmen an Personen zu verstärken, Finanzierungsrisiken zu verringern fließt, müsste gleichermaßen besteuert werden, und neue Investitionen zu finanzieren. Das verbes- unabhängig, ob es als Löhne durch Menschen, als sert auch die makroökonomische Stabilität und Kapitalerträge durch Roboter und Maschinen oder sorgt gesamtwirtschaftlich für Nachhaltigkeit bei eben als Gewinne durch »Unternehmen« geschaf-

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fen wurde. Das würde auch dem Sachverhalt Johannes Becker* und Rechnung tragen, dass im Zeitalter der Digitali- Joachim Englisch** sierung die Arbeit von Menschen nicht anders als die Arbeit von Robotern und physische Dinge nicht BEAT the GILTI – Gewinner anders als virtuelle Daten zu besteuern sind. und Verlierer der außen­

Auf eine Besteuerung der Unternehmen zu verzich- steuerrechtlichen Sonder­ ten, wird vorschnell als Kapitulation vor der Macht regime der US-Steuerreform der Unternehmen bewertet. Dann würden Personen ja stärker belastet, weil sie nun alles und die Firmen nichts zum Steueraufkommen beitragen müssten. Das Die zum 1. Januar 2018 in Kraft getretene US-Steuerre- stimmt, bedeutet aber nicht, dass es deswegen we- form hat einen fundamentalen Umbau des Unterneh- niger gerecht zugehen würde. Denn richtig ist eben mensteuerrechts bewirkt. Neben Steuersatzsenkung, auch, dass »Steuerlasten grundsätzlich nur von Men- temporärer Cashflow-Besteuerung und Zinsschran- schen getragen werden können, nicht von ›Unterneh- kenregelung sind vor allem erhebliche Umwälzungen men‹« (Fuest et al. 2017, S: 22). Wie Fuest et al. (2017, im Außensteuerrecht zu verzeichnen. Das bisherige S. 27) zeigen, belasten im heutigen System Unterneh- System der Welteinkommensbesteuerung mit Besteu- menssteuern weniger die Unternehmenseigner als erungsaufschub für Auslandsgewinne wird im Grund- vielmehr die Arbeitnehmer(innen). Höhere Unterneh- satz auf ein territoriales System der Besteuerung aus- Johannes Becker mensteuern führen vor allem bei niedrigqualifizierten schließlich von im Inland erwirtschafteten Gewinnen Arbeitnehmern, jungen Arbeitnehmern und Frauen zu umgestellt. Noch nicht repatriierte Gewinne werden signifikant geringerem Lohnwachstum. mit einer Einmalsteuer belastet. Darüber hinaus wird Einkommen und nicht Unternehmen zu besteu- eine Reihe von permanenten Sonderregimen einge- ern, ist die richtige Antwort auf Globalisierung und führt, deren Grundanliegen die Bekämpfung der steu- Digitalisierung. Unternehmensteuern abzuschaffen, ermotivierten Gewinnverschiebung ist und die effek- dafür aber Unternehmensbesitzer stärker zu besteu- tiv eine Verbreiterung der US-Steuerbasis implizie- ern, ist weder verrückt noch ungerecht noch ein Weg ren. Dabei verfahren die USA nach dem »Carrot and in eine fiskalische Sackgasse. Es ist eine zeitgemäße Stick«-Prinzip: In Rede stehen auf der einen Seite eine Joachim Englisch und für alle wohlstandsfördernde Herangehensweise Mindeststeuer auf die Gewinne von Auslandsbeteili- an neue Herausforderungen – nicht zuletzt als Antwort gungen (GILTI1) sowie eine Zusatzsteuer auf eine fik- auf die Unternehmensteuersenkungspolitik eines tive inländische Wertschöpfung, die aufgrund »über- Donald Trump. mäßiger« Zahlungen an verbundene Unternehmen dem regulären Steuerzugriff entzogen ist (BEAT2). Auf LITERATUR der anderen Seite bieten die USA ein Art Quasi-Pa­ tentbox für Auslandsgewinne aus der mutmaßlichen Bernau, P. (2017), »Warum zahlt Apple so wenig Steuern?«, Frankfurter All- 3 gemeine Zeitung, 28. Juni, verfügbar unter: http://www.faz.net/aktuell/ Verwertung von heimischer IP (FDII ). In Kombination wirtschaft/recht-steuern/technologiekonzern-warum-zahlt-apple-so-we- stellen FDII und GILTI sicher, dass mutmaßliche aus- nig-steuern-15063714.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0. ländische IP-Erträge nicht oder allenfalls unwesent- Blankart, C. (2017), Öffentliche Finanzen in der Demokratie. Eine Einfüh- lich geringer besteuert werden als im Inland. Während rung in die Finanzwissenschaft, 9. Aufl. (1. Aufl. 1991), Vahlen, München. GILTI die Mindestbesteuerung für die Erträge auslän- Fuest, C., A. Peichl und S. Siegloch (2017), »Wer trägt die Lasten von Steu- ern auf Unternehmensgewinne? Lehren aus den Erfahrungen mit der discher Tochtergesellschaften von US-Multis sichert, deutschen Gewerbesteuer«, ifo Schnelldienst 70(24), 22–27. leistet BEAT das gleiche für die US-Geschäfte aller Langenmayr, D (2017), »Steuerflucht – ein (lösbares?) Problem«, Wirt- multina­tionalen Unternehmen. schaftsdienst 97(12), 830–831. Als eindeutiger Gewinner der Reform steht bislang Schubert, C. (2017), »Die Steuerflucht soll enden«, Frankfurter Allge- meine Zeitung, 7. Juni, verfügbar unter: http://www.faz.net/aktuell/wirt- nur die steuerberatende Zunft fest. Klarer Verlierer ist schaft/recht-steuern/multinationaler-vertrag-die-steuerflucht-soll-en- die OECD, der deutlich die Grenzen eines international den-15051038.html. koordinierten Vorgehens gegen BEPS aufgezeigt und deren Autorität darum beschädigt wird. Inwieweit die genannten Maßnahmen die bereits von der Steuersatz- senkung und der Cashflow-Besteuerung ausgehende Sogwirkung auf Investitionen, IP und Gewinne noch- mals signifikant zu verstärken vermögen, ist hingegen noch nicht ausgemacht. Das wird nicht zuletzt auch

* Prof. Dr. Johannes Becker ist Direktor des Instituts für Finanzwis- senschaft an der Universität Münster und ifo-Forschungsprofessor. ** Prof. Dr. Joachim Englisch ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Steuerrecht an der Universität Münster. 1 Global Intangible Low-Taxed Income. 2 Base Erosion Anti-Abuse Tax. 3 Foreign-Derived Intangible Income.

ifo Schnelldienst 4 / 2018 71. Jahrgang 22. Februar 2018 9 ZUR DISKUSSION GESTELLT

davon abhängen, wie die übrigen Staaten und insbes. wird. Die Erhebung der BEAT hängt nicht davon ab, auch die EU und ihre Mitgliedstaaten auf die Reform ob die Muttergesellschaft in den USA oder im Ausland reagieren. ansässig ist. Die sich aus der BEAT ergebenden Abgrenzungs- DIE MASSNAHMEN IM ÜBERBLICK schwierigkeiten und Belastungsdivergenzen schaffen erhebliche Gestaltungsspielräume. Daher wird die BEAT BEAT (Base Erosion Anti-Abuse Tax) bei vielen internationalen Konzernen zu einer erhebli- chen Umstellung von Finanzierungsströmen, Supply Die BEAT ist als grob typisierende Maßnahme gegen Chain Management und vertraglichen Gestaltungen Gewinnabsaugungen mittels unangemessener Ver- bei Dienstleistungen und Rechteüberlassungen füh- rechnungspreise konzipiert. Sie sieht eine Zusatz- ren. Unternehmen werden insbes. bestrebt sein, Zah- belastung zur regulären Körperschaftsteuer vor, die lungen für betriebliche Eingangsleistungen möglichst an Zahlungen an verbundene Unternehmen im Aus- als costs for goods sold zu deklarieren. Verträge über land anknüpft. Die BEAT stellt sicher, dass potenzielle Vertragsherstellung (contract manufacturing) dürften Gewinne von US-Ablegern multinationaler Unterneh- entsprechend angepasst werden, und Lizenzgebühren men (wie sie sich vor Abzug von Zahlungen an verbun- könnten verstärkt als integraler Kostenbestandteil der dene Unternehmen im Ausland ergäben) vom ame- Lieferung von Handelsware bzw. Zwischenprodukten rikanischen Fiskus mindestens mit dem jeweiligen ausgewiesen werden. Im Dienstleistungssektor wird BEAT-Steuersatz belastet werden. Unterschreitet die das Sub-Contracting über eine amerikanische Mutter- Belastung des potenziellen Gesamteinkommens die- gesellschaft absehbar zugunsten direkter Servicever- sen Mindestwert, wird die Differenz als Steuer erho- träge zwischen ausländischem Kunden und auslän- ben. Effektiv belastet dies Zahlungen an verbundene discher Tochter zurückgedrängt werden. Die direkte Unternehmen, die im Ausland regelmäßig der Ertrags- Darlehensaufnahme von US-Gesellschaften mit Pat- besteuerung (und somit dann einer Doppelbesteue- ronatserklärung durch die ausländische Konzern- rung) unterliegen. Der maßgebliche Referenzsteuer- mutter dürfte gegenüber der Mittelbeschaffung über satz, der für die fiktive US-Wertschöpfung angestrebt konzernangehörige Finanzierungsgesellschaften an wird4, liegt 2018 zunächst bei 5%, verdoppelt sich Bedeutung gewinnen. Eine Reihe weiterer möglicher dann ab 2019 auf 10% und steigt schließlich ab 2026 Ausweichgestaltungen wird letztlich davon abhängen, auf 12,5%.5 welchen Standpunkt die US-Steuerbehörden zu klä- Besteuert werden alle erfassten Zahlungen, soweit rungsbedürftigen Punkten einnehmen werden. So ist sie von der KSt-Bemessungsgrundlage abzugsfähig derzeit etwa noch offen, ob bei auf Kostenbasis aber sind6, in den USA keiner ungemilderten Quellensteuer mit Gewinnaufschlag kalkulierten Dienstleistungen nur unterliegen und eine bestimmte Relation zum Gesamt- der Aufschlag oder die gesamte Vergütung der BEAT aufwand übersteigen.7 Ausgenommen sind Zahlun- unterliegt. gen für Wareneingangsleistungen (costs of goods sold)8 Für bestimmte Branchen und Unternehmen wird sowie Dienstleistungen, für die Verrechnungspreise auf es gleichwohl schwierig werden, der BEAT zu entgehen. Kostenbasis bestimmt werden dürfen. Dasselbe gilt Das gilt insbesondere für den Dienstleistungs- und Ban- schließlich auch für Zinszahlungen, die infolge der Zins- kensektor, weil für deren Äquivalent zu cost of goods schranke nicht abzugsfähig sind.9 sold (Kosten für Vorleistungen bzw. Zinsen) keine gene- Betroffen sind Multinationals mit mehr als relle Ausnahme von der BEAT vorgesehen ist. Für die- 500 Mio. US-Dollar Jahresumsatz im dreijährigen Mit- sen Fall droht eine ungemilderte Doppelbesteuerung. tel und in diesem Rahmen alle Unternehmen, an denen Denn die mit der BEAT belegten Zahlungen unterliegen im Konzern eine Beteiligung von mind. 25% gehalten regelmäßig im Ansässigkeitsstaat des Zahlungsemp-

4 Für Banken und Wertpapierhändler ist jeweils ein um einen Pro- fängers der Ertragsbesteuerung, deren Anrechnung zentpunkt erhöhter Steuersatz anzusetzen. (im Wege eines foreign bzw. »FTC«) in den 5 Wenn G das potenzielle Gesamteinkommen und Z die Zahlungen an verbundene Unternehmen im Ausland sind, dann greift die BEAT, USA nicht vorgesehen ist. Damit besteht insoweit ein BEAT wenn 21% (G – Z) ஻ா஺்< S G, also wenn Anreiz, Gewinne (inbesondere über Verrechnungspreis- ʹͳΨሺܩ െ ܼሻ ൏ ܵ , wobei SBEATden Referenzsteuersatz bezeich- gestaltungen, Finanzierungsmodelle oder die Wahl des ಳಶಲ೅ ଶଵΨିௌ IP-Holdingstandorts) in die USA zu verlagern, zu Las- ಳಶಲ೅ net.ܼ൐ Dieௌ Zahlungenሺܩ െ müssen ܼሻ also 2018 mehr als das Dreifache des ten der ausländischen und vor allem der europäischen bilanziellen Gewinns (G – Z) betragen, ab 2019 schrumpft diese Schwelle auf 110%, ab 2026 auf 68% des bilanziellen Gewinns. Steuerjurisdiktionen. 6 Anschaffungskosten für Anlagegüter werden dabei entsprechend dem jährlichen Abschreibungsvolumen erfasst, für die Dauer der Cashflow-Besteuerung also zu 100%. FDII (Foreign-Derived Intangible Income) 7 Die BEAT wird nur erhoben, wenn das Volumen »schädlicher« Zahlungen mehr als 3% des gesamten betrieblichen Aufwands der zahlenden Konzerneinheit ausmacht. Neben der Peitsche BEAT bieten die USA künftig spe- 8 Solche Zahlungen werden technisch nicht als Betriebsausgaben ziell bei der Entscheidung über die Zuweisung von IP behandelt, sondern als Verminderung der Bruttoeinnahmen. Die Ausnahme gilt allerdings nicht für bestimmte Inversions, die seit im Konzern auch das Zuckerbrot FDII. Danach werden dem Stichtag 9. November 2017 durchgeführt wurden. Gewinne aus dem von Waren und Dienstleistun- 9 Das Gesetz sieht allerdings vor, nichtabziehbare Zinsen vorrangig Verbindlichkeiten gegenüber unverbundenen Dritten zuzurechnen. gen einem günstigeren Steuersatz unterworfen, wenn

10 ifo Schnelldienst 4 / 2018 71. Jahrgang 22. Februar 2018 ZUR DISKUSSION GESTELLT

sie mutmaßlich unter Einsatz von in den USA gehalte- insofern sogar eine Verschärfung im Vergleich zur bis- ner IP erzielt wurden. herigen Rechtslage dar, als kein Steueraufschub bis Der begünstigungsfähige Anteil am Gesamtgewinn zur Repatriierung der Gewinne gewährt wird, sondern des exportierenden Unternehmens wird grob typisie- eine sofortige Besteuerung nach den Grundsätzen der rend in mehreren Stufen ermittelt. Zunächst wird eine Hinzurechnungsbesteuerung greift. Das GILTI, also der Normalrendite von 10% auf bestimmte vom Steuer- Anteil der IP-Verwertung am Gesamteinkommen aller pflichtigen gehaltene materielle Anlagegüter des not- CFC, wird wie bei der FDII grob typisierend als Residu- wendigen Betriebsvermögens berechnet (sog. quali- algröße ermittelt (aggregierte Gewinnanteile abzüg- fied business asset investment bzw. QBAI). Der über- lich einer Normalverzinsung von 10% des aggregierten schießende Teil des Einkommens wird als solches aus anteiligen QBAI aller CFC11). Besteuert wird damit auch der Verwertung von intangibles behandelt. Dieser wird die Normalverzinsung des IP selbst, was selbst über die anteilig dem Einkommen aus dem Absatz von Waren fiskalfreundlichsten Varianten der BEPS Action 3-Emp- und Dienstleistungen ins Ausland10 zugerechnet (der fehlungen zur Hinzurechnungsbesteuerung noch hin- Anteil entspricht dabei dem Exportanteil am Gesamt­ ausgeht. Im Übrigen kommt es weder darauf an, ob und einkommen) – dies ergibt das Foreign-Derived Intan- ggf. in welchem Umfang die jeweiligen CFC tatsächlich gible Income (FDII). In einem dritten und letzten Schritt IP halten und verwerten noch auf die Klassifizierung wird das FDII zu 62,5% bzw. (ab 2026) zu 78,125% der von Einkünften als aktiv oder passiv. regulären Besteuerung unterworfen; das entspricht Das so ermittelte GILTI wird beim US-Anteilseig- einer Belastung mit (Bundes-)KSt von 13,125% bzw. ca. ner zu 50% der regulären US-Besteuerung unterwor- 16,4% anstelle der regulären 21%. fen, d.h. mit einem Effektivsteuersatz von 10,5% belas- Inwieweit das Exportunternehmen tatsächlich tet. Ab 2026 steigt die Belastung auf effektiv 13,125%. über IP verfügt, ob und inwieweit diese gegebenenfalls Zugleich wird ein FTC in Höhe von 80% der anteilig in den USA geschaffen wurde und um welche Art von auf das GILTI entfallenden Summe der ausländischen geistigem Eigentum es sich dabei handelt, ist für die Ertragsteuerbelastung gewährt, unabhängig von Begünstigung irrelevant. Das Präferenzregime wider- der geographischen Verteilung des QBAI. Damit fällt spricht damit den (rechtlich unverbindlichen) Stan- keine US-Mindeststeuer mehr an, sobald das über alle dards der BEPS Action 5; es verstößt außerdem im Kon- CFC hinweg gewichtete12 Mittel ausländischer Ertrag- text des GATT gegen das welthandelsrechtliche Verbot steuern 13,125% (bzw. ab 2026 ca. 16,4%) übersteigt. von Exportsubventionen. Potenziell getroffen wird damit das Geschäftsmo- Da die Steuerbelastung an typischen IP-Hol- dell von Steueroasen sowie von Präferenzregimen für dingstandorten auch unter Berücksichtigung der IP-Einkommen (sog. »IP-Boxen«). Da GILTI allerdings GILTI-Mindestbesteuerung (s.u.) nicht höher als nach nicht auf einer Country-by-country-Basis, sondern der FDII-Begünstigung liegen dürfte, haben US-Unter- nach Maßgabe weltweit aggregierter Größen besteuert nehmen allerdings kaum einen Anreiz, bereits beste- wird, bleibt die Ansiedlung von IP in niedrig besteuern- hendes geistiges Eigentum wieder in den USA anzusie- den Staaten gleichwohl in gewissem Maße attraktiv. Sie deln. Das FDII-Regime wirkt daher eher in die Zukunft, kann dann durch – aus Gründen der Imagepflege u.U. indem es die USA zu einem interessanteren FuE-Stand- sogar erwünschten – Steuerzahlungen in Hochsteuer- ort bzw. IP-Holding-Standort für noch in der Entwick- staaten kompensiert werden, ohne US-Steuern auszu- lung befindliche IP macht. lösen. Möglicherweise kann der Schuss gegen auslän- dische Niedrigsteuerregime sogar gänzlich nach hinten GILTI (Global Intangible Low-Taxed Income) losgehen, weil die Berechnungsmodalitäten von GILTI Anreize setzen, materielle Anlagegüter (QBAI) bzw. Pro- Der Name ist Programm: Wer sich der Steuerflucht in duktion in ausländische – etwa europäische – CFC zu Niedrigsteuerländer schuldig macht, soll künftig mit verlagern, wo sie eine Abschirmwirkung gegenüber der seinen Auslandsgewinnen einer US-Mindeststeuer amerikanischen Mindestbesteuerung entfalten. Diese (GILTI) unterliegen. Konkret soll sichergestellt werden, Konstruktion ist somit dazu angetan, Trumps »Ame- dass Gewinne, die in – großzügig definierten – auslän- rica First«-Ideologie zu konterkarieren. Profitieren dürf- dischen Zwischengesellschaften (CFC für Controlled ten gerade auch europäische Standorte, denn diese Foreign Company) mutmaßlich unter Einsatz von IP Anlagegüter dürften regelmäßig nicht an den Strand erzielt werden, einer Mindeststeuerbelastung unter- von Steueroasen, sondern in Staaten mit hinlänglicher liegen, soweit sie entsprechend dem Beteiligungs- industrieller Basis und Infrastruktur verbracht werden. umfang anteilig US-Anteilseignern zuzurechnen sind. Diese Durchbrechung des Territorialitätsprinzips stellt 11 Der Betrag der vor GILTI abschirmenden Normalrendite vermin- dert sich außerdem noch um die von der CFC geleisteten anteiligen Zinszahlungen. Eine hohe Fremdkapitalisierung bzw. hohe Zinslas- 10 Ist der Abnehmer eine dem Exporteur nahestehende Person, ten erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit und ggf. das Ausmaß einer muss zusätzlich nachgewiesen werden, dass die Exportware letztlich Besteuerung von GILTI. zum Weiterverkauf bzw. zur Förderung des Warenabsatzes an Dritte 12 Die Gewichtung hängt davon ab, in welcher Höhe dem US-An- bestimmt ist und dass exportierte Dienstleistungen nicht über ein teilseigner jeweils – ggf. anteilig – das Einkommen der CFC für die U-turn-Geschäft letztlich doch in den USA verwertet werden. Für Zwecke der Berechnung des GILTI zuzurechnen ist; hingegen kommt die Leistung an inländische Zwischenhändler vor dem Export gelten es nicht darauf an, wie hoch der jeweilige GILTI-Anteil an diesem zu- ebenfalls Sonderregeln. rechenbaren Einkommen ist.

ifo Schnelldienst 4 / 2018 71. Jahrgang 22. Februar 2018 11 ZUR DISKUSSION GESTELLT

FAZIT Joachim Lang*

Die mit der US-Steuerreform neu geschaffenen außen- Deutschland muss sich dem steuerlichen Sonderregime werden erhebliche und Steuerwettbewerb stellen komplexe Gestaltungsanstrengungen der betroffenen multinationalen Konzerne auslösen, die teilweise den Repräsentantenhaus und Senat haben sich kurz vor wirtschaftspolitischen Bestrebungen der Trump-Ad- Weihnachten 2017 auf eine umfassende Reform der ministration zuwiderlaufen und vielfach Effizienzein- US-amerikanischen Einkommens- und Ertragsbesteu- bußen zur Folge haben. Sie werden Steueroasen nicht erung geeinigt. Die aus Sicht der Wirtschaft in Deutsch- gänzlich austrocknen, ziehen aber dem Steuerwett- land wichtigsten Aspekte der Reform lassen sich in drei bewerb innerhalb Europas aus US-amerikanischer Kategorien aufteilen: Sicht einen unteren Korridor ein. Industriestaaten wie Irland, die sich mit ihrer Steuerbelastung dort ansie- 1. Senkung der Steuersätze, deln, könnten sogar zu Gewinnern der Reform werden, 2. Übergang vom Welteinkommens- zum Territorial- weil die noch niedriger besteuernde Konkurrenz aus- prinzip mit begleitenden Maßnahmen zur Siche- geschaltet wird. rung des Steueraufkommens und Für Hochsteuerländer wie Deutschland hingegen 3. Maßnahmen zur Attrahierung von Investitionen verstärken BEAT und FDII die Sogwirkung auf Kapital, und zur (Rück-)Verlagerung von Kapital in die USA. IP und Buchgewinne, die ohnehin schon von der Steu- ersatzsenkung und der temporären Cashflow-Besteu- SENKUNG DER US-STEUERSÄTZE erung ausgehen. Ein etwaiges Mehraufkommen, das aus der Abmilderung des Steuerwettbewerbs zwischen Mit der Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf den EU-Staaten resultieren könnte, wird diese negati- Bundesebene von 35 auf 21% erreicht der neue Tarif ven Effekte vermutlich nicht kompensieren. Auch die der USA nahezu das OECD–Durchschnittsniveau. 2017 bereits vorhandenen oder derzeit diskutierten Defen- betrug der Abstand mit einer kombinierten Belas- sivinstrumente wie robustere Verrechnungspreis- tung aus Bundessteuer und Steuer der Bundesstaa- kontrollen, eine umfassende Wegzugsbesteuerung ten von insgesamt 38,9% zum Durchschnitt der übri- und ein Ausbau von Abzugsbeschränkungen für Zin- gen OECD-Länder von 23,7% noch 15,2 Prozentpunkte. sen und Lizenzgebühren werden die Anziehungskraft Nun liegen die USA mit einer tariflichen Gesamtbelas- des US-Steuersystems allenfalls marginal begrenzen, tung von 25,7% (vgl. PWC, S. 2) zwar noch 2 Prozent- aber nicht neutralisieren können. Der durch die US-Re- punkte oberhalb des OECD-Durchschnitts, aber unter- form befeuerte globale Standortwettbewerb könnte es halb aller anderen G-7-Staaten mit Ausnahme von letztlich notwendig machen, eine Senkung der Unter- Großbritannien. Zusätzlich sieht die US-Steuerreform nehmensteuersätze, Steuerbegünstigungen für FuE ab 2018 für fünf Jahre eine Sofortabschreibung für die oder Elemente einer Cashflow-Besteuerung in Betracht meisten Wirtschaftsgüter vor; ausgenommen sind vor zu ziehen. allem Betriebsgebäude. Als Folge sinken sowohl der Zu den Verlierern der US-Steuerreform darf sich effektive Grenz- als auch der effektive Durchschnitts- schon jetzt die OECD zählen. Sie steht auf zentralen Fel- steuersatz für nationale Investitionen von Werten über dern ihrer BEPS-Initiative vor einem Trümmerfeld. Die 40% auf rund 23%.1 USA als mit Abstand wichtigster Mitgliedstaat haben Deutschland verharrt in der OECD-Statistik mit die Empfehlungen der BEPS Actions 3 und 5 ignoriert, einer kombinierten Belastung aus Körperschaftsteuer, und ihre BEAT stellt den neuen Verrechnungspreisre- Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer mit einem geln der Actions 8–10 die Note »ungenügend« aus. Die Wert von 30,2% in der absoluten Spitzengruppe. Nur Vorgaben der Art. 7 und 9 des OECD-Musterabkom- Belgien und Frankreich haben noch höhere Gesamtbe- mens werden wohl schon dem Buchstaben, zumindest lastungen, und Frankreich hat bereits angekündigt, sei- aber dem Geiste nach missachtet. Damit haben die USA nen Körperschaftsteuersatz ab 2020 für alle Unterneh- das System konsensbasierter Regeln zur Aufteilung des men auf 28%, bis 2022 sogar auf 25% zu senken (vgl. Steueraufkommens in erheblichen Maße destabilisiert KPMG 2018). und womöglich einen permanenten Bedeutungsver- Die OECD unterstellt in ihren Berechnungen zudem lust der OECD eingeleitet. Das wäre dann ein Eigen- einen unrealistisch niedrigen Gewerbesteuer-Hebe- tor, das langfristig allen Industriestaaten zum Nachteil satz von 410%. Ermittelt man den Durchschnitt für gereicht. Städte und Gemeinden mit mehr als 50 000 Einwoh- nern, ergeben sich für 2017 ein Wert von 453% und eine tarifliche Gesamtbelastung von 31,8%. Damit liegt die durchschnittliche nominale Steuerbelastung für Kör-

* Dr. Joachim Lang ist Hauptgeschäftsführer und Präsidiumsmit- glied des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. 1 BDI-Berechnung auf Basis des Devereux-Griffith-Modells (vgl. De- vereux und Griffith 1999).

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Abb. 1 ierung sowohl bereits bestehender wie künftiger aus- ft ländischer Gewinne von US-Unternehmen. I Jahr 2017 Zudem wird durch die US-Steuerreform eine Zins- undesebene effetier Satᵃ schranke eingeführt. Damit wird die Abzugsfähigkeit Nachgeordnete Gebietsrerschaften des Nettozinsaufwands von der steuerlichen Bemes- US bis 2017 sungsgrundlage auf 30% des bereinigten Einkommens, Franreich bis 2021 ähnlich dem EBITDA, danach ähnlich dem elgien © Christian Kruppa© Deutschland EBIT, begrenzt. Diese Maßnahme soll einer Unterkapi- Joachim Lang Jaan talisierung von Unternehmen in den USA vorbeugen. ortugal Hinzu kommt eine Mindeststeuer auf Global Intan- Griechenland Italien gible Low-Taxed Income (GILTI). Anders als der Name Lueburg suggeriert, wird diese Steuer nicht nur auf niedrig Kanada besteuertes ausländisches Einkommen erhoben. Statt- US ab 2018 Sanien dessen wird durch GILTI die US-Hinzurechnungsbe- Niederlande steuerung grundlegend überarbeitet. Der Steuersatz sterreich bei GILTI beträgt bis 2025 die Hälfte des Standardsat- Korea Noregen zes, also 10,5%, danach effektiv 13,125%. Die GILTI-Re- OED ohne USᵇ gelung dürfte im Zusammenspiel mit der Foreign-De- Scheden rived-Intangible-Income-Bestimmung dazu führen, Dnear Schei Aktivitäten außerhalb den USA weniger attraktiv zu Sloa. Re. machen und in der Folge Forschung und Entwicklung Trei verstärkt in den USA auszuführen bzw. Intellectual Finnland Estland Property (IP) in den USA zu halten. ereingt. Knig. Eine weitere Maßnahme zur Sicherung der natio- Sloenien nalen Bemessungsgrundlage ist die Base Erosion and olen Tschech. Re. Anti-Abuse Tax (BEAT). Sie ist als Mindeststeuer ausge- Lettland staltet und unterwirft Zahlungen an ausländische nahe- Irland stehende Personen für (immaterielle) Leistungen im Ungarn weiteren Sinne (u.a. Dienstleistungen, Lizenzen) ober- 0 10 20 0 40 halb bestimmter Schwellenwerte einer Zusatzbesteue- ᵃ Effetier Sat auf undesebene einschlielich Zuschlge und nach nrech nung der Steuern nachgeordneter Gebietsrerschaften. rung. Der wirtschaftliche Hintergrund für die Geschäfts- ᵇ OEDDurchschnitt ohne US ist ungeichtet. beziehungen mit dem Ausland oder auch das Besteu- uelle OED DI. ifo Institut erungsniveau im ausländischen Staat werden dabei ausgeblendet. In der Belastung solcher ganz regulärer perschaften in Deutschland um 6 Prozentpunkte höher Geschäftstransaktionen, die auch die G-5-Finanzminis- als in den USA. ter gegenüber der US-Administration kritisiert haben, zeigt sich der überschießende Charakter der Neurege- ÜBERGANG VOM WELTEINKOMMENS- ZUM lung. Er geht weit über reine Missbrauchsvermeidung TERRITORIALPRINZIP MIT BEGLEITENDEN und die entsprechenden Vereinbarungen auf OECD- MASSNAHMEN ZUR SICHERUNG DES Ebene hinaus. Immerhin wurde auf die zwischenzeitlich STEUERAUFKOMMENS diskutierte Einbeziehung von Aufwendungen für Waren verzichtet. Die BEAT wirft zudem zahlreiche Fragen auf, Mit der US-Steuerreform vollziehen die USA einen Über- etwa bezüglich der Nichtdiskriminierungsklauseln in gang vom Welteinkommens- zum Territorialprinzip, Doppelbesteuerungsabkommen. Denn die Regelung flankiert durch eine Freistellung empfangener Dividen- verweigert einen Teil der Abzugsfähigkeit für Zahlun- den aus ausländischen Beteiligungen.2 Ergänzt wird gen an ausländische verbundene Unternehmen, wäh- dieser Systemwechsel durch Maßnahmen zur Siche- rend vergleichbare Zahlungen in den USA voll abzugs- rung des Steueraufkommens. Dazu gehört zunächst fähig bleiben. Damit zielt die Regelung in erster Linie eine verpflichtende Einbeziehung nicht ausgeschüt- auf grenzüberschreitend tätige Konzernunternehmen, teter Gewinne ausländischer Tochtergesellschaften, insbesondere auch US-Tochtergesellschaften ausländi- die in den Jahren 1987 bis 2017 entstanden sind und scher Konzernmütter. Sie sind einem erheblichen Dop- die bisher in den USA nicht steuerlich erfasst wurden, pelbesteuerungsrisiko ausgesetzt. in die US-Bemessungsgrundlage. Der Steuersatz die- ser Toll Tax beträgt 15,5% für liquide Mittel, ansonsten ENTLASTENDE MASSNAHMEN ZUR ATTRAHIERUNG 8%, jeweils unter Anrechnung von im Ausland gezahl- VON INVESTITIONEN UND ZUR (RÜCK-) ten Steuern auf diese Gewinne. Diese Maßnahmen zie- VERLAGERUNG VON KAPITAL IN DIE USA len damit auf einen Anstieg der sogenannten Repatri­ Neben den Maßnahmen zur Sicherung des Steuer­ 2 Gebunden an eine Mindestbeteiligungsquote von 10% und eine Mindesthaltefrist. substrats haben die USA auch eine Tarifermäßigung für

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Foreign-Derived Intangible Income (FDII) beschlossen. Risiken für den US-Standort können sich mittel- Dabei handelt es sich um ein Präferenzregime für im bis langfristig allerdings aus der erheblichen Schulden- Ausland erzielte Einkünfte, die aus Sicht des US-ame- finanzierung der Steuerreform ergeben. Das partei­ rikanischen Fiskus keinem materiellen Wirtschaftsgut übergreifend besetzte Congressional Budget Office zugerechnet werden können. Die auf diesen Teil der hat den aufgrund der Steuerreform zu erwartenden Einkünfte anzuwendenden Körperschaftsteuertarife Anstieg des Haushaltsdefizits bis 2027 auf 1,8 Billio- betragen 13,125 bzw. 16,41% ab 2026. Die Begrenzung nen US-Dollar beziffert. Das entspricht einer Schul- auf Fälle mit Auslandsbezug deutet darauf hin, dass denstandsquote i.H.v. 97,5% des BIP (Juni 2017: 91,2%) auch die FDII-Regelung darauf gemünzt ist, die Attrak- (vgl. Congressional Budget Office 2018). Zum Vergleich: tivität des US-Standorts unter anderem für IP und Zum dritten Quartal 2017 betrug der Schuldenstand Lizenzen zu erhöhen (vgl. EY 2018). in Deutschland 65,1% im Verhältnis zum BIP, in der Auch die 100%-ige Sofortabschreibung auf die gesamten Eurozone 88,1% des BIP (vgl. Statista 2018). meisten Investitionsgüter dürfte für eine spürbare Chancen aus der US-Steuerreform ergeben sich Zunahme des Investitionsvolumens in den USA sorgen. auch für deutsche Unternehmen. Sofern sie in den Zusammen mit der Steuersatzsenkung auf 21% werden USA über Tochtergesellschaften tätig sind, profitieren die USA auch für hochprofitable Investitionen deutlich sie von der Steuersatzsenkung und den verbesserten attraktiver, was insbesondere zu einer Rückverlage- Abschreibungsmöglichkeiten. Diesen entlastenden rung von IP in die USA führte könnte. Maßnahmen stehen mit der BEAT und der Zinsschranke Die Sofortabschreibungsmöglichkeit hat zudem jedoch auch gegenläufige, permanent belastende eine weitere wichtige Funktion mit Blick auf unterneh- Effekte gegenüber. Sie gehen zumindest teilweise über merische Standortentscheidungen, sofern etwa eine internationale Vereinbarungen im Rahmen des OECD- Entstrickungsbesteuerung3 bei der Übertragung von BEPS-Projekts hinaus und führen für die betroffenen Vermögenswerten und betrieblichen Funktionen ins Unternehmen zu Doppelbesteuerungsrisiken. Es ist Ausland fällig und die Differenz zwischen Buch- und daher gut, dass US-Finanzminister Steven Mnuchin Marktwert des Wirtschaftsgutes im abgebenden Staat gegenüber den G-5-Finanzministern seine Bereitschaft der Besteuerung unterworfen wird. Mit der Sofortab- signalisiert hat, die Regelungen zur BEAT noch einmal schreibung in den USA vermindert sich der Gewinn des zu überprüfen. Unternehmens dort um den gesamten Marktwert, zu dem das Wirtschaftsgut in die Bilanz aufgenommen STANDORT DEUTSCHLAND MUSS WETTBEWERBS- wird. Folglich steht einer Besteuerung der stillen Reser- FÄHIG WERDEN ven im abgebenden Staat eine Steuerersparnis in den USA gegenüber. Mit der deutlichen Absenkung des Körperschaftsteuer- satzes um 14 Prozentpunkte verschärfen die USA den CHANCEN UND RISIKEN AUS SICHT DER internationalen Steuerwettbewerb erheblich, denn WIRTSCHAFT unter dem Strich überwiegen die entlastenden Effekte. Große Risiken können sich für den Standort Deutsch- Die erste große Steuerreform in den USA seit über land ergeben. Die wesentlichen Elemente der Reform 30 Jahren hat dieses Jahr mit einem steuerpolitischen – Steuersatzsenkung, Sofortabschreibung, Präferenz­ Paukenschlag eingeleitet. Große Gewinner der Reform regime für im Ausland erzielte Einkünfte, Hinzurech- sind vor allem US-Unternehmen: Sie profitieren unmit- nung von ausländischen GILTI-Einkünften, Abzugs- telbar von der Steuersatzsenkung und der Sofortab- beschränkungen für Zahlungen ins Ausland – fächern schreibungsmöglichkeit sowie der Vorzugsbesteue- einen ganzen Strauß von Anreizen auf, Wertschöp- rung für im Ausland erzielte Einkünfte aus immateri- fung insgesamt, aber vor allem geistiges Eigentum wie ellem Vermögen im Rahmen der FDII-Regelung. Zwar Patente und Lizenzen verstärkt in den USA anzusiedeln bringen Zinsschranke, BEAT und GILTI auch Verschär- und Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zuneh- fungen. Diese dürften die US-Unternehmen jedoch im mend dort durchzuführen. Verhältnis zu ihren ausländischen Wettbewerbern nur Während ausländische Lizenzeinnahmen in den unterproportional treffen (v.a. BEAT) und etwa durch USA meist nur noch einem nominalen Steuersatz von die (teilweise) Anrechnungsmöglichkeit ausländischer 13,125% unterliegen, werden sie in Deutschland bis- Steuern im Rahmen der GILTI-Regelung deutlich ent- lang mit dem regulären Satz von 31,8%4 belastet. schärft werden. Auch der US-Standort profitiert von Damit ist ihre Steuerlast in Deutschland mehr als dop- den erheblichen Investitionsanreizen und den Folgen pelt so hoch wie künftig in den USA. Hinzu kommt, dass aus der angeordneten Repatriierung der Auslandsge- neben der steuerlichen Begünstigung bei der Verwer- winne von US-Unternehmen. Diesen Effekt zeigen die tung von FuE-Ergebnissen in den USA zudem eine steu- bereits angekündigten Investitionsprogramme von erliche FuE-Förderung für alle Unternehmen (unabhän- US-Firmen als Reaktion auf die Steuerreform. gig von Größe, Mitarbeiterzahl etc.) besteht. Durch die BEAT werden weiterhin Vorleistungen im Rahmen der 3 Vgl. etwa Richtlinie des Rates (EU) 2016/1164 vom 12. Juli 2016, Brüssel, verfügbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ TXT/PDF/?uri=CELEX:32016L1164&from=EN. 4 Bei einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 453%, s.o.

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Verwertung von FuE-Ergebnissen aus dem Ausland in hierzulande kommt ein zentraler Signalcharakter zu: den USA mit einer Sondersteuer belegt. Hier geht die Dauerhaft wird sich Deutschland keine höhere Steu- BEAT-Regelung sogar deutlich über die sogenannte erbelastung als andere Industriestaaten leisten kön- Lizenzschranke in Deutschland hinaus. Dies zeigt: Wäh- nen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Die rend die Lizenzschranke durch den Nexus-Ansatz eher Struktur des deutschen Unternehmensteuerrechts Anlass für den Aufbau von FuE-Aktivitäten in Ländern mit dem Nebeneinander von Einkommen- und Körper- mit Lizenzboxen gibt, setzen die US-Regelungen mit schaftsteuer sowie Gewerbesteuer und Solidaritäts­ der Abwehrregelungen der BEAT und der privilegier- zuschlag ist jedoch verkrustet. Dadurch ist die notwen- ten Besteuerung von Lizenzen sowie der steuerlichen dige steuerpolitische Flexibilität abhandengekommen, FuE-Förderung deutliche Anreize für den Aufbau von adäquat und zeitnah auf internationale Entwicklungen FuE-Aktivitäten in den USA. Erste Schätzungen gehen zu reagieren. Mindeststeuersätze für die Unterneh- von einem Anstieg deutscher Direktinvestitionen in mensbesteuerung, wie auf EU-Ebene und im Rahmen den USA um rund 39 Mrd. Euro insgesamt aus – einer der deutsch-französischen Konvergenzbemühungen Steigerung um 25% (vgl. ZEW und Universität Mann- diskutiert, würden die engen bestehenden Spielräume heim 2017). noch weiter einschränken. Umso wichtiger sind struk- Werden zudem die Pläne der Europäischen Kom- turelle Reformen – etwa bei den gewerbesteuerlichen mission für eine stärkere Besteuerung digitaler Hinzurechnungen, im Außensteuerrecht oder in der Geschäftsmodelle innerhalb der EU realisiert, würde Digitalisierungsfähigkeit des Steuerrechts. Ein steuer- die EU selber dazu beitragen, den Sog in Richtung USA liches »Weiter-So« ist unangebracht: Die Steuerpolitik zusätzlich zu verstärken. Drohende Verschärfungen in der jungen Legislaturperiode muss sich dem Wettbe- durch eine Strafsteuer auf die Digitalisierung und die werb ambitionierter als bislang erkennbar stellen. Modernisierung von Geschäftsmodellen über alle Stu- fen der Wertschöpfungskette hinweg (Industrie 4.0) LITERATUR sollten daher dringend unterbleiben. Dies gilt umso mehr, als mit der Ausdehnung der US-Hinzurechnungs- Congressional Budget Office (2018), Brief vom 2 Januar 2018, verfügbar unter: https://www.cbo.gov/system/files/115th-congress-2017-2018/cos- besteuerung im Rahmen der GILTI-Regelung und der testimate/53437-wydenltr.pdf. Umstellung auf ein Territorialsystem bzw. der Toll Tax Devereux, M.P. und R. Griffith (1999), »The Taxation of Discrete Investment die Besteuerung im Ausland erzielter US-Gewinne als Choices – Revision 2«, IFS Working Paper, W98/16, London, verfügbar unter: http://www.ifs.org.uk/wps/wp9816.pdf. hinreichend sichergestellt angesehen werden kann; EY (2018), »Die US-Steuerreform und ihre Folgen für Unternehmen in und zwar in einer Höhe, die diejenige von EU-Mitglied- Deutschland«, Positionspapier des wissenschaftlichen Beirats von EY, staaten wie Irland übersteigt, die typischerweise Ziel Januar, verfügbar unter: http://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/ ey-tlm-2018-q1-special-die-us-steuerreform/$FILE/ey-tlm-2018-q1-speci- von US-Auslandsinvestitionen sind. Einseitige EU-Maß- al-die-us-steuerreform.pdf. nahmen, wie die Einführung einer Ausgleichsteuer, las- KPMG (2018), »Insights«, 5 Januar, verfügbar unter: https://home.kpmg. sen sich seit Verabschiedung der US-Steuerreform nicht com/xx/en/home/insights/2018/01/tnf-france-corporate-individu- al-tax-measures-in-newly-enacted-laws.html. mehr mit einer unangemessen niedrigen Besteuerung PWC (2017), Congress gives final approval to tax reform conference com- von US-Internetunternehmen rechtfertigen. Außer- mittee agreement, verfügbar unter: https://www.pwc.com/us/en/tax-ser- dem bleibt es aufgrund der nach wie vor bestehenden vices/publications/insights/assets/pwc-congress-gives-final-approval-to- tax-reform.pdf. Höherbelastung gerade auch deutscher Unternehmen Statista – das Statistikportal (2018), »Europäische Union: Staatsver­ dabei: Eine Ausgleichsteuer wird das angestrebte Ziel schuldung in den Mitgliedsstaaten im 3. Quartal 2017 in Relation zum verfehlen, international gleiche steuerliche Wettbe- Bruttoinlandsprodukt (BIP)«, verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/163692/umfrage/ werbsbedingungen für die digitalisierte Wirtschaft zu staatsverschuldung-in-der-eu-in-prozent-des-bruttoinlandsprodukts. schaffen. ZEW und Universität Mannheim (2017), Analysis of US Corporate Tax Die US-Steuerreform und die Entwicklungen in Reform Proposals and their Effects for Europe and Germany, 11 Dezember; verfügbar unter: http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/gutachten/US_Tax_ anderen Industriestaaten wie Frankreich oder Großbri- Reform_2017.pd. tannien werfen ein Schlaglicht auf die zentralen Her- ausforderungen für die Unternehmensbesteuerung in Deutschland. Der Handlungsdruck hat fundamental zugenommen. Dabei ist ein Perspektivwechsel ent- scheidend: weg von einer reinen Betrachtung des Miss- brauchseinzelfalls hin zu einer wettbewerbsfähigen Ausrichtung des deutschen und europäischen Unter- nehmensteuerrechts. Der Verweis auf die sprudelnden Steuereinnahmen greift als Rechtfertigung für eine Fortsetzung der bisherigen Steuerpolitik in Deutsch- land zu kurz. Als Industrie- und Exportnation muss Deutschland den internationalen Steuerwettbewerb endlich aktiv mitgestalten. Einer wettbewerbsfähigen Gesamtsteuerbelas- tung für alle Unternehmen gleich welcher Rechtsform

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Patrick Kompolsek*, Michael Riedle** rungseffekt von Steuerreformen unterstellt, der sol- und Martin Ruf*** che Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen mildern oder im Idealfall sogar unnötig machen Die US-Steuerreform würde. Dieser könnte im vorliegenden Fall eintreten, und unternehmerische wenn durch die Absenkung in großem Umfang zu- sätzliche unternehmerische Investitionen zu erwar- Investitionen ten wären. Diese würden dann steuerbare Gewinne und damit zusätzliche Steuereinnahmen im Bereich Die US-Steuerreform des Jahres 2018 hat viele unter- der Unternehmensteuer generieren. schiedliche Facetten. Aus diesem Grund ist die Frage: Die empirische Forschung im Bereich der Wirt- Wer gewinnt – wer verliert? nicht pauschal zu beant- schaftswissenschaften hat sich vielfach mit der Frage worten. Unter den Unternehmen wird es Gewinner beschäftigt, welche Wirkung eine Senkung von Un- wie Verlierer geben. Eine zentrale Frage bei der Bewer- ternehmensteuersätzen auf internationale Direkt­ tung der US-Steuerreform ist aber sicher deren Wir- investitionen haben kann. Feld und Heckemeyer kung auf unternehmerische Investitionen. Der Beitrag (2011) fassen die Erkenntnisse zusammen. Es ist greift daher wichtige Teilaspekte der US-Unternehmen- zunächst festzustellen, dass die Ergebnisse sehr Patrick Kompolsek steuerreform auf und diskutiert basierend auf wissen- uneinheitlich sind. schaftlicher Evidenz die zu erwartenden Folgen auf Obwohl es dafür keine überzeugenden wissen- eben diese. Er begründet weiter, warum hohe bilanzi- schaftlichen Argumente gibt, wird oft mit den errech- elle Verluste in der Unternehmensbilanz aufgrund der neten durchschnittlichen Effekten von Steuersatzsen- Unternehmensteuerreform, wie beispielsweise bei der kungen auf Investitionen aus Metastudien gerechnet. Deutschen Bank, keine relevanten Signale für den Kapi- Dieser durchschnittliche Effekt ist im Fall der Metastu- talmarkt beinhalten. die von Feld und Heckemeyer (2011) eine Semielasti- zität von 2,5. Ausgehend von dieser Semielastizität MEHRINVESTITIONEN DURCH STEUERSATZ- und der Absenkung des statutarischen Unternehmen-

Michael Riedle SENKUNG? steuersatzes um 14 Prozentpunkte errechnet sich ein Effekt auf die Investitionen von Ausländern in den USA Die Absenkung des Unternehmensteuersatzes in den i.H.v. 35%. USA von 35% auf 21% ist beachtlich großzügig. Es liegt Die viel wichtigere Frage ist aber, wie sich die beinahe eine Halbierung des Unternehmensteuer­ Summe aus in- und ausländischen Investitionen in satzes vor. Gleichzeitig wird Personengesellschaf- Folge der Unternehmensteuerreform verändert. Die ten ein bis Ende des Jahres 2025 befristeter Vor­ empirische Evidenz dazu ist sehr spärlich. Steinmül- weg­abschlag von 20% des Unternehmensgewinns ler et al. (2017) berechnen eine Elastizität der Investi­ gewährt, um einen Ausgleich für die Reduzierung des tionen in das Anlagevermögen hinsichtlich einer Ver- Unternehmensteuersatzes zu schaffen. Infolgedes- änderung des Unternehmensteuersatzes i.H.v. – 0,84. Martin Ruf sen sind nur noch 80% des Gewinns zu den persön- Demzufolge steigert eine 10%-ige Senkung des sta- lichen Steuersätzen zu versteuern. Die zeitliche tutarischen Unternehmensteuersatzes die Investi­ Begrenzung des Vorwegabschlags führt langfris- tionen in das Anlagevermögen um 8,4%. Die aktuelle tig aber zu einer relativen Benachteiligung von Per­ 40%-ige Senkung des Unternehmensteuersatzes führt sonengesellschaften. Nach Schätzungen des Joint folglich zu einem Anstieg der Investitionen in das An- Committee on Taxation (JCT) sinken die Steuereinnah- lagevermögen i.H.v. 33,6% und damit ebenfalls um men durch die Absenkung des Unternehmensteuer- etwa 35%. satzes und durch den Vorwegabschlag in den nächsten Wenn die Investitionen im Unternehmensek- zehn Jahren um 1 613 Mrd. US-Dollar.1 Die Denkfabrik tor tatsächlich um die errechneten 35% zunehmen, (TF) schätzt diese Min­dereinnahmen könnte ein Großteil der Steuerausfälle durch die Sen- auf eine Höhe von 1 709 Mrd. US-Dollar (vgl. Tax Foun- kung des Unternehmensteuersatzes kompensiert dation 2017, Tab. 5). werden. Unterstellt man in einer stark vereinfach- Steuermindereinnahmen in dieser Höhe müs- ten Rechnung, dass die steuerliche Bemessungs- sen durch Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzun- grundlage vor der Reform 100 beträgt, so würde sich gen an anderer Stelle, beispielsweise durch weniger die steuerliche Bemessungsgrundlage infolge der staatliche Investitionen oder Sozialausgaben, aus­ Zunahme der Investitionen um 35% auf dann 135 geglichen werden. Häufig wird ein Selbstfinanzie- erhöhen. 21% von 135 sind 28. In diesem Fall wären nur noch Steuerausfälle im Bereich der Unternehmen- * Patrick Kompolsek, M.Sc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für International Business Taxation an der Universität Tü- steuer i.H.v. 20% des Ausgangsniveaus zu verkraften bingen. ((35 – 28)/35 = 20%). ** Michael Riedle, M.Sc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehr- stuhl für International Business Taxation an der Universität Tübingen. Uns erscheinen diese Effekte hoch. Wie oben *** Prof. Dr. Martin Ruf ist Inhaber des Lehrstuhls für International bereits beschrieben, sind die empirischen Ergebnisse Business Taxation an der Universität Tübingen. der zitierten Metastudie mit Bezug auf die Investiti- 1 Vgl. Joint Committee on Taxation (2017). Die aufgeführte Zahl er- gibt sich aus der Summe der Posten I.B.1 und 2 und des Posten II.B. onseffekte von Steuerreformen sehr heterogen. Im

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spezifischen Fall der USA gilt zudem, dass die USA ten fünf Jahre nicht unerhebliche Reduktion der steu- eine der wenigen wirklich großen Volkswirtschaf- erlichen Bemessungsgrundlage. Das JCT schätzt die ten sind. Die oft intendierte Zunahme ausländischer Kosten dieser Reform in den nächsten zehn Jahren auf Direktinvesti­tionen aufgrund von Steuersatzsen- 86,3 Mrd. US-Dollar. Danach kann sich dieser Effekt kungen dürfte daher für die USA eine geringere Bedeu- auch umkehren. Aufgrund der Sofortabschreibung sind tung haben als für viele andere Länder. Aus die- diese Wirtschaftsgüter bereits abgeschrieben und kön- sem Grund ist eine Übernahme der empirischen Er- nen die Bemessungsgrundlage nicht länger mindern. gebnisse in diesem spezifischen Fall besonders kri- Im Alternativszenario, ohne sofortige Vollabschrei- tisch zu sehen. bung, wäre ihr Buchwert dagegen noch größer null und würde zu positiven Abschreibungen führen. SCHMÄLERUNG DER BMG – SOFORT­ ABSCHREIBUNG UND INVESTITIONEN VERBREITERUNG DER BMG – VERLUST­ VERRECHNUNG, ZINSSCHRANKE UND Absenkungen des Unternehmensteuersatzes gingen in INVESTITIONEN der Vergangenheit typischerweise einher mit einer Ver- breiterung der Bemessungsgrundlage (vgl. Devereux Weiter wird eine Regelung eingeführt, die die Ver- et al. 2002). Das gilt auch für die beiden großen Unter- lustverrechnung in den USA deutlich einschränkt. nehmensteuerreformen in Deutschland in den Jahren Die Verlustverrechnung in den USA wird dadurch ver- 2002 und 2008. Mit Bezug auf die US-Unternehmen- gleichbar mit §10d EStG in Deutschland. Eine noch steuerreform des Jahres 2018 ist das Bild dagegen nicht bedeutendere Reformierung bezieht sich auf die eindeutig. So wird im Rahmen der US-Steuerreform Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen. Ähnlich der ein Sonderabschreibungsbetrag von 100% für Inves- deutschen Regelung im § 4h EStG sind in den USA titionen in Sachanlagen für die nächsten fünf Jahre Aufwendungen für Fremdkapital zukünftig nur bis zu gewährt. Danach schmilzt die Möglichkeit zur Sofort- einer Höhe von 30% des Gewinns vor Zinsen, Steuern abschreibung jährlich um 20% ab und läuft damit nach und Abschreibungen (EBITDA) von der Bemessungs- zehnJahren aus. grundlage abziehbar. Diese Abzugsbeschränkung Typischerweise werden Abschreibungsvergüns- wird nach vier Jahren nochmals deutlich restriktiver. tigungen, wie die Einführung einer Sofortabschrei- Die 30%-Grenze bemisst sich dann nach dem Gewinn bung, im Zuge von Konjunkturpaketen ermöglicht. In vor Zinsen und Steuern (EBIT), ohne die Abschrei­ Deutschland war dies im Jahr 2009 der Fall. Es über- bungen miteinzubeziehen. Der Umfang der dadurch rascht, dass die USA in konjunkturell sehr guten Zeiten zu erwartenden steuerlichen Mehreinnahmen be- solche erheblichen Abschreibungsvergünstigungen trägt nach dem JCT in den nächsten zehn Jahren einführen. Aufgrund geringerer Steuerzahlungen zum 253,4 Mrd. US-Dollar. Zeitpunkt der Investition verbessern Sofortabschrei- Aus ökonomischer Sicht gibt es zwei Kritik- bungen unmittelbar die Liquiditätslage von Unterneh- punkte an der Zinsschranke: Zum einen wirkt die men. Diese verbesserte Liquidität hat aus zwei Grün- Zinsschranke antizyklisch. Der Umfang der abziehba- den positive Effekte auf unternehmerische Investi- ren Zinsaufwendungen knüpft an EBITDA oder EBIT tionen: Wenn Unternehmen einen eingeschränkten an. Sinken in einer Rezession die Gewinne, reduziert Zugang zum Kapitalmarkt haben, kann diese Liquidi- das auch die abziehbaren Zinsaufwendungen. Es kann tät ausschlaggebend für unternehmerische Investiti- der Fall eintreten, dass positive Steuerzahlung geleis- onen sein. Haben Unternehmen Zugang zum Kapital- tet werden müssen, obwohl im betreffenden Wirt- markt, verringert dies ihren Kapitalbedarf und damit schaftsjahr, mangels ökonomischen Gewinns, keine die zukünftigen Zinsaufwendungen. Investitionen wer- Liquidität vorhanden ist. Das kann das bereits deutlich den damit betriebswirtschaftlich attraktiver. In Zeiten höhere Insolvenzrisiko in einer Rezession weiter erhö- niedriger Zinsen sollte der letzte Effekt allerdings von hen. Deutschland hat aus diesem Grund während der geringer Bedeutung sein. Finanzkrise im Konjunkturpaket 2009 die Freigrenze Zwick und Mahon (2017) und House und Shapiro für die Zinsschranke von 1 Mio. Euro auf 3 Mio. Euro (2008) untersuchen den Einfluss von Abschreibungs- erhöht. Zum anderen führen nicht abziehbare Zins­ vergünstigungen auf Investitionen in den USA empi- aufwendungen zu einer Erhöhung der Kapitalkosten. risch. Sie können zeigen, dass Unternehmen in der Es gibt allerdings keine überzeugende empirische Evi- Folge solcher Abschreibungsvergünstigungen tat- denz dafür, dass dies zu negativen Effekten auf Inves- sächlich ihre Investitionen deutlich erhöht haben. Die titionen im körperschaftlichen Sektor führt (vgl. Ruf errechneten Effekte sind allerdings abhängig vom spe- und Schindler 2015). zifischen Unternehmen und dem betrachteten Wirt- schaftsgut. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, all- EINFÜHRUNG DES FREISTELLUNGSVERFAHRENS gemein gültige Aussagen zur Höhe des zu erwartenden UND US-INVESTITIONEN IM AUSLAND Investitionseffektes zu treffen. Die Einführung und Erweiterung dieser Sonderab- Im Rahmen der US-amerikanischen Steuerreform füh- schreibungen bedeutet eine zumindest für die nächs- ren die USA das Freistellungssystem auf ausländische

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Unternehmensgewinne ein. Infolgedessen steht eine RELEVANZ DER BILANZIELLEN VERLUSTE DURCH Zunahme von Investitionen im Ausland durch US-In- DIE REFORM FÜR DIE KAPITALMÄRKTE vestoren zu erwarten. Eine vergleichbare Reform gab es bereits 2009 im Vereinigten Königreich und in Japan. Unternehmen, die in den vergangenen Jahren Ver- Liu (2017) stellt fest, dass die Unternehmen des Verei- luste angehäuft haben, sind die vermeintlich Leidtra- nigten Königreichs nach der Reform ihre Investitio- genden der US-Steuerreform, denn sie weisen aktu- nen in Ländern mit niedrigen Steuersätzen um 15,7% ell hohe bilanzielle Verluste aus. Zu diesen Unterneh- erhöhten. Feld et al. (2016) prognostizieren für die USA men gehören Großkonzerne weltweit, exemplarisch infolge des Übergangs zum Freistellungsverfahren eine General Motors, die Bank of America oder die Deutsche Erhöhung der ausländischen Unternehmenskäufe um Bank. Letztere hat 2017 vor Berücksichtigung von Steu- 11%. Inwiefern die Zunahme an Auslandsinvestitionen ereffekten 1,3 Mrd. Euro Gewinn erwirtschaftet. Nach auf Kosten inländischer Investitionen geschieht, ist Steueraufwendungen wird ein Verlust von 0,5 Mrd. Euro empirisch ungeklärt.2 ausgewiesen. Der Großteil dieses Verlusts basiert auf der Neubewertung latenter Steuern i.H.v. 1,4 Mrd. Euro EINMALIGE ZWANGSSTEUER AUF AUSLÄNDISCHE (vgl. Deutsche Bank 2018). GEWINNE Der Hauptzweck des Konzernabschlusses ist die Informationsfunktion. Im Zeitpunkt der Bildung von Im Rahmen des Systemwechsels belegen die USA ein- aktiven latenten Steuern wird eine relevante Informa- malig sämtliche im Ausland thesaurierten Gewinne mit tion an die Kapitalmärkte gegeben. Die steuerlichen einer Zwangssteuer. Bei einer Thesaurierung in Form Verluste mindern zukünftig die steuerlichen Gewinne von liquiden Mitteln beträgt diese 15,5% und sonst 8%. und damit die Steuerzahlungen. Folglich erhöhen sie Die Steuer wird pauschal erhoben, also unabhängig potenziell auch die Dividendenzahlungen an die Kapi- von der tatsächlichen Ausschüttung. Der Liquiditätsef- talgeber. Diese Information ist relevant für die Bewer- fekt dieser Eimalbesteuerung kann auf acht Jahre ver- tung von Unternehmen an den Kapitalmärkten. teilt werden. Multinationale US-amerikanische Kon- Die durch die Senkung des Unternehmensteuer- zerne bekommen damit die schon lange erwartete satzes bedingte niedrigere Bewertung aktiver latenter Möglichkeit, ihre im Ausland gelassenen Gewinne steu- Steuerpositionen führt in den Bilanzen zu erheblichen erbegünstigt repatriieren zu können. Hartman (1985) Verlusten. Daraus resultiert aber keine entsprechende und Sinn (1987) zeigen, dass Unternehmen die Re- Veränderung von potenziellen Dividendenzahlungen patriierungssteuer in ihren Investitionsentscheidun- an Kapitalgeber. Die in den Bilanzen ausgewiesenen gen grundsätzlich nicht berücksichtigen sollten. Die Verluste haben damit keine Relevanz für die Bewertung jahrelange Hortung der Gewinne im Ausland durch von Unternehmen an den Kapitalmärkten. Diese Buch- US-amerikanische Unternehmen ist der Beleg dafür, verluste senden tendenziell falsche Informationen an dass die Unternehmen – wie sich herausgestellt hat zu den Kapitalmarkt. Recht – immer mit einer Senkung der Repatriierungs- steuer rechneten. LITERATUR Aus ökonomischer Sicht ist diese Zwangsabgabe eine Steuer ohne unerwünschte Verzerrungen unter- Deutsche Bank (2018), »Deutsche Bank: Vorsteuergewinn von 1,3 Milliar- den Euro im Jahr 2017 – Verlust nach Steuern von 0,5 Milliarden Euro«, nehmerischer Entscheidungen, denn die Unterneh- verfügbar unter: https://www.db.com/newsroom_news/2018/deutsche- men können dieser Steuer nicht ausweichen. Es ste- bank-vorsteuergewinn-von-1-3-milliarden-euro-im-jahr-2017-verlust- nach-steuern-von-0-5-milliarden-euro-de-11482.htm. hen zudem ganz erhebliche Steuereinnahmen zu Devereux, M., R. Griffith und A. Klemm (2002), »Corporate erwarten. Das JCT schätzt die Einnahmen dieser ein- reforms and international tax competition«, Economic Policy 17, 449–495. maligen Repatriierungssteuer in den nächsten zehn Dharmapala, D., F. Foley und J. Forbes (2011), »Watch What I Do, Not What Jahren auf 338,8 Mrd. US-Dollar. Es ist allerdings zu I Say: The Unintended Consequences of the Homeland Investment Act«, Journal of Finance 66, 753–787. bezweifeln, dass durch die Rückführung von finan­ Feld, L. und J. Heckemeyer (2011), »FDI and Taxation: A Meta-Study«, Jour- ziellen Mitteln wie erhofft zusätzliche unternehmeri- nal of Economic Surveys 25, 233–272. sche Investitionen in den USA erfolgen. In Bezug auf Feld, L., M. Ruf, U. Scheuring, U. Schreiber und J. Voget (2016), »Repatria- den vergleichbaren Tax Holiday des Jahres 2005 zei- tion and outbound M&As«, Journal of Public Economics 139, 13–27. gen Dharmapala et al. (2011), dass die ganz erhebli- Hartman, D. (1985), » and foreign direct investment«, Journal of Public Economics 26, 107–121. chen Repatriierungen damals nicht zu mehr Inlands­ House, C. und M. Shapiro (2008), »Temporary Investment Tax Incenti- investitionen in den USA führten. Gleiches gilt ves: Theory with Evidence from Bonus Depreciation«, American Economic auch für die Forschungs- und Entwicklungsaus- Review 98, 737–768. gaben und das Niveau der Beschäftigung. Stattdes- Joint Committee on Taxation (2017), »Estimated Budget Effects of the Conference Agreement for H.R.1, the ›Tax Cuts And Jobs Act‹«, verfügbar sen wurde von einem US-Dollar, der repatriiert wurde, unter: https://www.jct.gov/publications.html?func=startdown&id=5053. 0,60–0,92 US-Dollar meist in Form von Aktienrück- Liu, L. (2017), »Where Does Multinational Investment Go with Territorial käufen an die Aktionäre verteilt. Taxation? Evidence from the UK«, Working Paper, Oxford University Centre for Business Taxation, verfügbar unter: https://www.sbs.ox.ac.uk/sites/ default/files/Business_Taxation/Docs/Publications/Working_Papers/ 2 Die USA kombinieren die Einführung des Freistellungssystems mit Series_17/WP1705.pdf. der Einführung einer Base Erosion and Abuse Tax (BEAT-Steuer), die in Loose (2018) erläutert wird.

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Loose, T. (2018), »USA: Zustimmung im Senat – Steuerreform auf der Ziel- geraden«, ISTR-LB – Internationales Steuerrecht Länderbericht, 6–8. Ruf, M. und D. Schindler (2015), »Debt Shifting and Thin-Capitalization Rules – German Experience and Alternative Approaches«, Nordic Tax Jour- nal, 17–33. Sinn, H.-W. (1987), Capital Income Taxation and Resource Allocation, North Holland, Amsterdam. Steinmüller, E., G. Thunecke und G. Wamser (2017), »Corporate Income Taxes Around the World – A Survey on Forward-looking Tax Measures and Two Applications«, Working Paper, Research School of Internati- onal Taxation, verfügbar unter: http://www.rsit.uni-tuebingen.de/WP/ RSITWP_05-2017.pdf. Tax Foundation (2017), »Preliminary Details and Analysis of the Tax Cuts and Jobs Act«, verfügbar unter: https://files.taxfoundation. org/20171220113959/TaxFoundation-SR241-TCJA-3.pdf. Zwick, E. und J. Mahon (2017), »Tax Policy and Heterogeneous Investment Behavior«, American Economic Review 107, 217–248.

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