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DStV-Positionen zur Bundestagswahl 2017

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Deutscher Steuerberaterverband e.V. Littenstraße 10 10179 Berlin

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Stand: Februar 2017

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ÜBER DEN DEUTSCHEN STEUERBERATERVERBAND e.V. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) repräsentiert bundesweit rund 36.500 und damit über 60 % der selbstständig in eigener Kanzlei tätigen Berufsangehörigen. Er vertritt ihre Interessen im Berufsrecht, im Steuer- recht, der Rechnungslegung und dem Prüfungswesen. Die Berufsangehörigen sind als Steuerberater, Steuerbe- vollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Berufsgesellschaften, in den uns angehörenden 16 regionalen Mitgliedsverbänden freiwillig zusammengeschlossen.

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EINLEITUNG

Deutschland finanziert seine vielfältigen Aufgaben menbedingungen bilden eine attraktive Grundlage, weitgehend durch Steuern. Die Auferlegung und Erhe- Investitionen zu tätigen oder wichtige persönliche Dis- bung der Steuern müssen rechtsstaatlichen Grundsät- positionen zu treffen und damit Risiken einzugehen. zen gerecht werden. So hat das Bundesverfassungsge- richt immer wieder den Grundsatz der Folgerichtigkeit Der Staat ist daher verpflichtet, mithilfe des Steuer- als Ausprägung des Prinzips der Gleichbehandlung rechts entsprechende Rahmenbedingungen zu schaf- aller Steuerpflichtigen betont. Zugleich muss sich das fen. Ungeachtet dessen nimmt der Deutsche Steuer- Steuerrecht an dem verfassungsrechtlich gebotenen beraterverband e.V. (DStV) zur Kenntnis, dass in Zeiten Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähig- der Schuldenbremse, der Flüchtlingskrise und der Ge- keit messen lassen. fahren für die Europäische Union der Gestaltungsspiel- raum der Politik eingeschränkt ist. Ausgehend von diesen Grundsätzen und aus wirt- schaftlichen Gründen müssen Privatpersonen, Un- Demgemäß erhebt der DStV für die 19. Legislatur- ternehmen und Berater auf die Schlüssigkeit sowie periode des Deutschen Bundestags folgende fünf gleichmäßige Anwendung des Steuersystems vertrau- Forderungen: en können. Stabile, realitäts- sowie praxisgerechte Rah-

Erhalt der bis zu einem nachweislich wirksamen automatischen Informationsaustausch 04 Keine überschießende Anzeigepflicht von Steuergestaltungsmodellen 06 Realitätsgerechte Anpassung der Zinssätze im Steuerrecht 08 Praxisgerechte Definition der Aufgabenbereiche der Steuerberater 10 Sicherung der Qualität der Steuerberatung auch auf europäischer Ebene 12

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ERHALT DER ABGELTUNGSTEUER BIS ZU EINEM NACHWEISLICH WIRKSAMEN AUTOMATISCHEN INFORMATIONSAUSTAUSCH

Die Diskussion um eine Abschaffung der erst 2009 in Die Aussage „Die Abgeltungsteuer bewirkt eine Kraft getretenen Abgeltungsteuer ist in vollem Gange. steuerliche Ungleichbehandlung von Kapital und Politische Begründung: Mit Einführung des internationa- Arbeit.“ greift zu kurz. len automatischen Informationsaustausches in Steuer- Zu oft wird ausgeblendet: Einkünfte aus Dividenden sachen verliere die Abgeltungsteuer ihre ursprüngliche unterliegen zweifach der Besteuerung - auf Unter- Zielsetzung, nämlich die Eindämmung der Steuerflucht nehmens- und Anteilseignerseite. Die Gesamtbelas- und damit der Steuerumgehung. Die Abgeltungsteuer tung aus Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und ist jedoch besser als ihr Ruf. Warum? Abgeltungsteuer beläuft sich auf über 48 %. Sie liegt damit deutlich über dem Spitzensteuersatz. Tatsäch- Weiterhin aktuell: „Besser 25 % auf X, statt lich profitieren Zinserträge von der Abgeltungsteuer. 42 % auf nix.“ In Zeiten von Niedrigzinsen und steigenden Bank- Der Quellensteuerabzug stellt das Steueraufkommen gebühren – bisweilen auch auf Sparkonten – ist ein sicher und beugt der Steuerhinterziehung/-verkürzung langfristiges „Parken“ von Geldern in diesen konser- vor. Ab 2017 soll der internationale automatische vativen Anlageformen jedoch nur wenig attraktiv. Informationsaustausch in Steuersachen die Gefahr der Kapitalflucht bannen. Die Abgeltungsteuer solle da- Ein Ende der Abgeltungsteuer trifft nicht nur her entbehrlich sein. Es wird jedoch noch einige Zeit Besserverdiener. dauern, bis ein international lückenloser und technisch Die Abschaffung der Abgeltungsteuer träfe bereits zuverlässiger Informationsaustausch sowie die erfor- Steuerpflichtige mit kleinen und mittleren Einkommen, derliche Prüfungsdichte seitens der Finanzverwaltung da sie ab einem Grenzsteuersatz von 25 % wirkt (zu gewährleistet werden können. Daher sollte der Quel- versteuerndes Einkommen von ca. 16 T€). lensteuerabzug solange nicht in Frage stehen, bis sich der Austausch nachweislich bewährt hat. Die Abgeltungsteuer führt zu Steuermehreinnahmen. Abgeltungswirkung schafft Steuervereinfachung. Einer Antwort der Bundesregierung nebst Berechnung Die Abgeltungsteuer ist eine Quellensteuer. Der Steu- auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE erabzug hat abgeltende Wirkung. Das heißt, dass die LINKE1 ist zu entnehmen, dass eine Weiterführung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht erklärt werden „alten“ Rechtslage in den Jahren 2009 bis 2014 zu müssen. Damit entfällt i.d.R. das komplizierte und deutlichen Steuermindereinnahmen geführt hätte. Mit aufwendige Ausfüllen des Formulars in der Steuer- der Abgeltungsteuer zahlen Steuerpflichtige folglich erklärung. So leistet das Verfahren einen wichtigen insgesamt mehr Steuern als unter Heranziehung des Beitrag zum Bürokratieabbau. persönlichen Steuersatzes nebst Werbungskostenab- zug und Halbeinkünfteverfahren.

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Nur mit einer Anpassung des Steuersatzes ist es Der unbegrenzte Werbungskostenabzug bei Kapital- nicht getan. vermögen ist zwingend geboten, da dieser Grundsatz Bereits jetzt wird öffentlich diskutiert, bei Abschaffung für alle Einkunftsarten gilt. Eine Beschränkung wider- der Abgeltungsteuer die Begrenzung des Werbungs- spräche überdies dem Prinzip der Besteuerung nach kostenabzugs sowie die zeitlich uneingeschränkte Be- der Leistungsfähigkeit. Auch die ehemals geltende steuerung von privaten Veräußerungsgewinnen beizu- Spekulationsfrist für private Veräußerungsgeschäfte behalten. Damit würde sich der Gesetzgeber aber nur wäre zu reaktivieren. Anderenfalls induziert die Ab- die Rosinen aus dem „Steuerkuchen“ picken. Mit Ein- schaffung der Abgeltungsteuer eine klare Steuerer- führung der Abgeltungsteuer wurde die Bemessungs- höhung. grundlage deutlich verbreitert. Dies müsste im Zuge einer Abschaffung aus rechtssystematischen Gründen zurückgedreht werden.

Der DStV fordert daher den Erhalt der Abgeltungsteuer bis zu einem nachweislich wirksamen internationa- len automatischen Informationsaustausch.

1 BT-Drs. 18/2724 vom 6.10.2014, S. 4.

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KEINE ÜBERSCHIESSENDE ANZEIGEPFLICHT VON STEUERGESTALTUNGSMODELLEN

Das Thema Anzeigepflicht ist politisch wieder en und die Bahamas Leaks. Was stellt die vogue: Die OECD verfolgt Berichtspflichten im Zuge Studie fest? Deutschland zählt nicht zu den weltwei- des BEPS-Projekts. Die EU-Kommission startete eine ten TOP 10-Ländern, in denen Intermediäre von Off- öffentliche Konsultation zur Planung weiterer Schritte. shore-Firmen aktiv sind.4 Auch unter den TOP 10 der Und auch national rückt das Thema erneut in den po- Europäischen Länder findet sich Deutschland nicht.5 litischen Fokus. So bestätigte das Max-Planck-Institut Erst unter den TOP 10 der EU-Mitgliedstaaten taucht für Steuerrecht (MPI) dem Bundesfinanzministerium Deutschland auf. Allerdings: Der deutsche Anteil be- mit einem Gutachten: Eine sanktionsbewährte Anzei- trägt nur 2,99 % der Intermediäre, die in den EU-Staa- gepflicht für Steuergestaltungsmodelle ist verfassungs- ten tätig sind.6 Und schließlich: Wird die lange Liste der rechtlich in Deutschland zulässig. Diese Reaktionen namentlich genannten Intermediäre7 durchforstet, sind sind nachzuvollziehen, da Steuersparmodelle wie kleine und mittlere Kanzleien nicht zu finden. Bereits Cum-Ex oder Steuervermeidungskonzepte à la Apple vor diesem Hintergrund ist es verfehlt, einen ganzen oder Google die Gleichmäßigkeit der Besteuerung be- Berufsstand zu kriminalisieren. In Deutschland spre- einträchtigen. chen noch weitere Punkte gegen eine Anzeigepflicht:

MPI zeigt Grenzen auf. Gesetzgebungsqualität ist Sache des Keinesfalls darf in der politischen Debatte aber ein Gesetzgebers. wesentliches Ergebnis des MPI2 untergehen: „Verfas- Prinzipiell ist es Aufgabe des Gesetzgebers, für sungsrechtlich problematisch wäre ein System, das qualitativ einwandfreie Gesetze zu sorgen, die keine versuchen würde, alle aus Sicht des Fiskus möglicher- Gestaltungslücken zulassen. Auf diese Kompetenz weise unerwünschten Gestaltungen zu erfassen, weil müssen Steuerpflichtige vertrauen können. Solange dies zu einer übermäßigen Belastung von Beratern sich ein Steuerpflichtiger an die Gesetze hält, ist und Steuerpflichtigen führen würde […].“ Ein Berater sein Verhalten legal und auch legitim. Moralische, dürfe sich nicht mehrmals täglich fragen müssen, ob von subjektiven Wertungen abhängige Bedenken eine bestimmte Beratung anzeigepflichtig ist. Nach dürfen hieran nichts ändern. Führen nicht aufeinander dem MPI sollten modellhafte Steuergestaltungen den abgestimmte Steuersysteme verschiedener Staaten zu Kernbereich der Anzeigepflicht bilden, d. h. Gestaltun- Verwerfungen, ist es Aufgabe der Staaten, dies durch gen, die wiederholt umsetzbar sind und weitgehend verbindliche einheitliche Regeln zu vermeiden. unabhängig von der konkreten Situation des Steuer- pflichtigen implementiert werden können. Anzeigepflichten anderer Länder sind auf Deutschland nicht 1:1 übertragbar. Vorsicht vor einem Generalverdacht. In Ländern wie Großbritannien, Irland oder den USA Über 99,9 % der Steuerpflichtigen bzw. deren Bera- existiert eine Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmo- ter sind nicht in kritische Modelle involviert. Selbst die delle. Ein Vergleich mit der deutschen Situation hinkt größten Befürworter von Anzeigepflichten können bis- aber. Im Gegensatz zu Deutschland erfolgt die Besteu- her keinen substanziellen Beleg dafür vorlegen, dass erung in diesen Ländern im Wege der Selbstveran- deren Einführung gerade in Deutschland Steuerumge- lagung. Nur ein Teil der Erklärungen wird dort durch hungen effektiv bekämpfen kann. Die Grünen-Fraktion die Finanzverwaltung geprüft. Mittels Anzeigepflicht im Europaparlament hat zu Beginn des Jahres mit einer werden dann prüfungsbedürftige Steuererklärungen Studie3 die größten Steuerdaten-Leaks der jüngeren ausgefiltert. In Deutschland herrscht dagegen ein völ- Vergangenheit ausgewertet: Die Offshore Leaks, die lig anderes Besteuerungssystem. Hier ist zumindest

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dem Grunde nach jeder Steuerfall durch die Finanz- die allgemeine Missbrauchsvermeidungsvorschrift des verwaltung zu prüfen. Darüber hinaus erklären Steuer- § 42 AO beachten müssen. pflichtige und Berater zur Vermeidung von steuerstraf- rechtlichen Risiken Sachverhalte so detailliert, dass sie Bewusst geschaffene Gestaltungsspielräume umfassend geprüft werden können. Daraus ergibt sich rechtfertigen keine Anzeigepflicht. für die deutsche Finanzverwaltung im Vergleich zu der Eine Anzeigepflicht für Gestaltungen, die explizit vom in anderen Staaten ein deutlicher Wissensvorsprung Gesetzgeber gefördert werden, wäre bizarr. Der Ge- und damit weniger Anlass für eine Anzeigepflicht. setzgeber stärkt z. B. verfassungsrechtlich mit unter- schiedlichen Hebesätzen die Finanzautonomie der Vorhandene Werkzeuge müssen effektiver Gemeinden und schafft damit gewollt Steuerwettbe- genutzt werden. werb. Müsste ein Steuerberater nun anzeigen, dass Die Finanzverwaltung kann heute bereits mittels Be- Steuerpflichtige die Höhe der Hebesätze in Gestal- triebsprüfungen, Nachschauen oder Sonderprüfungen tungsüberlegungen einbeziehen, wäre das mehr als unerwünschte Gestaltungsmodelle aufspüren. Die so grotesk – zumal Steuerberater dazu verpflichtet sind, erlangten Informationen sollten effektiver ausgewertet ihren Mandanten die beste legale Lösung aufzuzeigen. werden. Zudem darf nicht übersehen werden, dass Sonst drohen ihnen Haftung und unter Umständen so- Steuerpflichtige sowohl spezialgesetzliche Anti-Miss- gar berufsrechtliche Konsequenzen. brauchsregelungen (z. B. die Zinsschranke) als auch

Der DStV lehnt daher eine weitreichende Anzeigepflicht strikt ab. Soweit die gegenwärtigen Bestrebungen weiter verfolgt werden, muss beachtet werden:

`` Die Anzeigepflicht darf nur an objektiv überprüfbare Kriterien anknüpfen.

`` Als fairer Verfahrensausgleich muss dem Steuerpflichtigen eine verbindliche Rückmeldung über die steuerliche Zulässigkeit des gemeldeten Modells gegeben werden.

`` Das durch die Anzeigepflicht generierte Volumen an Informationen muss für die Finanzverwaltung administrierbar sein.

2 Aktuelle Meldung des MPI aus September 2016: Gutachten zu Anzeigepflicht bei Steuergestaltungen. 3 Studie im Auftrag von Die Günen / EFA im Europäischen Parlament: „Usual Suspects? - Co-conspirators in the business of dodging“. 4 Studie: „“Usual Suspects? - Co-conspirators in the business of tax dodging“, Figure 2, S. 8. 5 Studie: „“Usual Suspects? - Co-conspirators in the business of tax dodging“, Figure 5, S. 10. 6 Studie: „“Usual Suspects? - Co-conspirators in the business of tax dodging“, Figure 10, S. 13. 7 Studie: „“Usual Suspects? - Co-conspirators in the business of tax dodging“, S. 21 ff.

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REALITÄTSGERECHTE ANPASSUNG DER ZINSSÄTZE IM STEUERRECHT

Die Nachwehen der Finanzkrise belasten vor allem schuld einen Kredit aufnehmen würde. Seit 1961 wird den Mittelstand - auch steuerlich. Trotz andauernder dieser Liquiditätsvorteil unverändert mit 6 % pro Jahr Niedrigzinsphase verharren die Zinsen im Steuerrecht vergütet. bei historisch gefestigten 6 % pro Jahr. Die Realität sieht indes ganz anders aus: Der Bund re- Klare Konjunkturzyklen mit einem dementsprechenden finanziert sich zu beinahe 0 %. Den sparenden Rent- Zinsniveau zeichnen sich nicht ab. Stattdessen kennt nern und Arbeitnehmern schmelzen bei entsprechend das Zinsniveau nur eine Richtung: Im Einklang mit niedrigen Anlagezinsen die Ersparnisse davon. Dabei den Leitzinsen befinden sich die Marktzinsen im wird unweigerlich deutlich: Der beabsichtigte Aus- kontinuierlichen Sinkflug.8 Der Steuerzins von 6 % p.a. gleich durch den Steuerzins schießt inzwischen weit ist somit weit davon entfernt, ein geglätteter Normalzins über das Ziel hinaus. zu sein. Die interventionistische Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank tut ihr Übriges, indem sie Kleine und mittlere Unternehmen trifft die markt- Marktmechanismen außer Kraft setzt. In Fachkreisen ferne steuerliche Zinshöhe besonders hart. In 2015 heißt es, dass das Zinsniveau längerfristig deutlich generierten Außenprüfer ca. 2,9 Mrd. € Zinseinnah- unter dem Niveau der Vergangenheit liegen wird – men aus Mehrergebnissen bei Betriebsprüfungen.9 auch dann, wenn die Zentralbanken nicht mehr darauf Leidtragende dieses guten Ergebnisses sind gerade einwirken. KMU. Sie werden nicht dauerhaft vom Finanzamt geprüft, wie es für Großbetriebe vorgesehen ist. Die Aus Sicht der Beratungspraxis sind deshalb insbeson- Betriebsprüfung tritt bei ihnen erst Jahre später und dere zwei Normengebiete dringend anzugehen: Die unvorhersehbar ein. Eine entsprechend zeitverzögert Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuld- festgestellte Steuerlast unterliegt automatisch der verhältnis und der Abzinsungssatz zur Bewertung von Verzinsung von 6 %. Das kommt die Unternehmen Pensionsrückstellungen! teuer zu stehen und macht ihnen eine solide Finanz- planung unmöglich. Für eine realitätsgerechte Liquiditätsabschöpfung! Dem Zins auf Steuernachforderungen und -erstattun- Was aber spricht gegen eine Anpassung der Zins- gen, den Stundungszinsen oder den Zinsen im Falle höhe? Wenig überzeugend werden als Bezugsgröße der Aussetzung der Vollziehung ist eines gemein: Sie für die Steuerzinsen die (nach wie vor sehr hohen) dienen dazu, typisiert Liquiditätsvorteile des Steuer- Dispozinsen ins Spiel gebracht. Jedoch ähneln Zinsen pflichtigen und des Staates auszugleichen. Z. B. spart auf Steuernachzahlungen z. B. mittelfristigen Konsu- der Steuerbürger Darlehenszinsen, die anfallen wür- mentenkrediten, deren Zinsniveau im Zeitablauf glei- den, wenn er für die sofortige Begleichung der Steuer- chermaßen gesunken ist.10

Der DStV fordert deswegen, dass der Gesetzgeber die Zinshöhe im Verfahrensrecht (§ 238 AO) zumindest temporär an die andauernde Niedrigzinsphase anpasst. Denkbar wäre eine Absenkung des fixen Zinssatzes von 0,5 % pro Monat auf 0,25 % pro Monat, also 3 % pro Jahr.

8 vgl. Abb. 1 zur Entwicklung des EZB-Leitzinssatzes im Verhältnis zum Steuerzinssatz. 9 BMF-Monatsbericht Oktober 2016: Abschnitt „Ergebnisse der steuerlichen Betriebsprüfung 2015“, S. 8, Tz. 4. 10 vgl. Abb. 1 zur Entwicklung des Zinssatzes für mittelfristige Konsumentenkredite im Verhältnis zum Steuerzinssatz.

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Für eine realitätsgerechte Bewertung von Durch die unrealistisch hohe Steuerlast fehlen später Pensionsrückstellungen! die Mittel im Versorgungsfall. Gerade die steuerlichen Rückstellungen werden abgezinst, weil die zukünftige Implikationen dürften ein Hemmnis für die Unterneh- Schuld nicht zu einem unmittelbaren Liquiditätsab- men darstellen, Direktzusagen ihren Arbeitnehmern fluss führt. Zudem belasten zukünftige Zahlungen die anzubieten. Unternehmen weniger als aktuell anstehende Zah- lungen. Aufgrund der großen Differenz zwischen fixem und marktgerechtem Zinssatz stellt sich zudem die Frage Deswegen ist die Höhe des Abzinsungssatzes von gro- nach der Verfassungsmäßigkeit der Typisierung. Die ßer Relevanz. Problematisch ist in der Praxis der steu- letzte Anpassung fand in einem gänzlich anderen erliche fixe Abzinsungssatz für Pensionsrückstellungen. Zinsumfeld vor 35 Jahren statt. Mittlerweile dürfte Er liegt seit seiner letzten Änderung im Jahre 1981 mit die Norm in den Bereich des verfassungsrechtlich 6 % pro Jahr deutlich über marktgerechten Zinssätzen. Zweifelhaften hineingewachsen sein. Sachliche Dies hat verheerende Praxiskonsequenzen: Die Pensi- Gründe für das Festhalten am Zinssatz von 6 % sind onsrückstellungen werden unrealistisch niedrig bewer- schwer erkennbar. Allein die Auswirkungen auf den tet mit der Folge, dass die Versorgungszusage zu nied- Haushalt sind keine Rechtfertigung dafür, den Status rig ausgewiesen wird. Hieraus resultiert ein höherer quo zu Lasten der Unternehmen sowie der Attraktivität Gewinn, der von den Unternehmen zu versteuern ist. der betrieblichen Altersvorsorge aufrechtzuerhalten.

Der DStV fordert deswegen, dass der steuerliche Abzinsungssatz i. S. d. § 6a EStG von derzeit 6 % angemessen an das derzeitige Zinsniveau angepasst wird.

Abb. 1: Verhältnis des Steuerzinses zum Zinssatz der EZB für Hauptrefinanzierungsgeschäfte und zum Zinssatz für mittelfristige Konsumentenkredite / Stand am Monatsende; % p.A. / Quelle: Zeitreihen-Datenbank der Deutschen Bundesbank und eigene Darstellung

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PRAXISGERECHTE DEFINITION DER AUFGABENBEREICHE DER STEUERBERATER

Zu den klassischen Tätigkeiten der Steuerberater feststellungsverfahrens zu vertreten, und zwar weder im gehört nach § 33 StBerG unter anderem auch die Antrags- noch im Widerspruchsverfahren11. Nach Über- Lohnbuchhaltung für die Mandanten. Heute werden zeugung des DStV entspricht die Entscheidung nicht der jeden Monat mehr als 12 Mio. Lohn- und Gehalts- vom Gesetzgeber mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz abrechnungen durch Steuerberater erstellt. Zu ihren (RDG) beabsichtigten und geschaffenen Rechtslage und Aufgaben gehört neben der Erstellung der Abrech- verwehrt den betroffenen Steuerberatern ein unmittel- nungen außerdem die kontinuierliche Betreuung der bares Tätigwerden in diesem Bereich. hinterlegten Personalstammdaten und der Jahreslohn- konten sowie die Einhaltung der vorgeschriebenen Mit Blick auf die Aufgaben, die heute typischerweise Meldeerfordernisse gegenüber Krankenkassen (Bei- durch Steuerberater im Rahmen der Lohnbuchfüh- tragsnachweise) und Finanzämtern (Lohnsteueran- rung erledigt werden, ist nach Ansicht des DStV eine meldungen). Eine besondere Bedeutung kommt dane- grundsätzliche Klarstellung des Gesetzgebers zu ben auch der Prüfung sozialversicherungsrechtlicher den Kompetenzen der Steuerberater dringend Fragen zu. Dazu gehört regelmäßig die umfassende erforderlich. Dem liegen die folgenden Erwägungen Betreuung in Fragen der Rentenversicherung, wenn es zu Grunde: beispielsweise darum geht, Auswirkungen einzelner Lohngestaltungen auf Rentenanwartschaften bei der `` Steuerberater sind – ähnlich wie Rechtsanwälte – Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) zu prüfen. immer wieder gezwungen, sich in neue Rechtsge- Viele Mandanten erwarten von ihren Steuerberatern biete einzuarbeiten. Dabei ist die Annahme, dass außerdem die Klärung des Vorliegens bzw. Nichtvor- sich Steuerberater auch in ausbildungsferne Rechts- liegens einer Scheinselbstständigkeit sowie die damit materien einarbeiten können, nicht zuletzt deswe- verbundene Antragstellung und Durchführung gen gerechtfertigt, weil bereits die Zulassung zur eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Steuerberaterprüfung nach § 36 StBerG entweder Abs. 1 SGB IV. an den Abschluss eines rechts- oder wirtschaftswis- senschaftlichen Hochschulstudiums oder an einen Was die Erledigung der beschriebenen Aufgaben für die kaufmännischen Abschluss und eine sehr lange Mandanten angeht, ist die derzeitige rechtliche Situation praktische Steuerberatungstätigkeit anknüpft. Auch aus Sicht des steuerberatenden Berufs unbefriedigend die Prüfung zum Steuerberater nach § 37 StBerG und in keiner Weise praxisgerecht. Exemplarisch hin- selbst sichert ein hohes fachliches Niveau. zuweisen ist auf die Entscheidung des Bundessozial- gerichts (BSG) zur Frage der Vertretungsbefugnis von `` Für die genannten Tätigkeiten sind keine höheren Steuerberatern im Rahmen eines sozialversicherungs- juristischen Kenntnisse erforderlich als bei der rechtlichen Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB Lohnabrechnung selbst. Steuerberater verfügen als IV. Das BSG vertritt hierzu die Auffassung, dass Steuer- erste Ansprechpartner der Unternehmer in diesen berater derzeit nicht befugt sein sollen, Mandanten, die Fragen über die erforderlichen Kenntnisse. sie auch steuerlich betreuen, im Rahmen eines Status-

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`` Steuerrecht und Sozialversicherungsbeitragsrecht erstellt werden, macht deutlich, dass heute ein greifen im Bereich der Lohnbuchhaltung untrennbar erheblicher Anteil der Lohnbuchführung für die ins- ineinander. gesamt rund 30 Mio. sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland durch `` Eine Anpassung des gesetzlichen Rahmens an die Berufsangehörigen abgewickelt wird. Es liegt die Praxis würde dazu beitragen, den berechtigten damit bereits im ureigenen Interesse des Staates, Erwartungen der Unternehmer nach einer Beratung dass diese Abrechnungen auch weiterhin vollständig aus einer Hand gerecht zu werden. und korrekt sind und entsprechende Tätigkeiten von Steuerberatern ausgeübt werden dürfen. `` Die Zahl von mehr als 12 Mio. Lohn- und Gehalts- abrechnungen, die monatlich durch Steuerberater

Der DStV fordert den Gesetzgeber auf, die Kompetenzen der Steuerberater im Bereich des Sozialversicherungsbeitragsrechts gesetzlich klarzustellen. Hierzu muss das Berufsrecht ergänzt und der Katalog der Prüfungsgebiete des § 37 Abs. 3 Steuerberatungsgesetz (StBerG) um das Sozialversicherungsbeitragsrecht erweitert werden.

11 BSG vom 5.3. 2014, Az. B 12 R 4/12 R und B 12 R 7/12 R.

11 DStV-POSITIONEN ZUR BUNDESTAGSWAHL 2017

SICHERUNG DER QUALITÄT DER STEUERBERATUNG AUCH AUF EUROPÄISCHER EBENE

Die Europäische Kommission sieht Regulierungen von sucht. Nur so kann eine sinnvolle Entscheidungsbasis Berufsgruppen als Hindernis für den Binnenmarkt an. für ein weiteres Vorgehen geschaffen werden. In ihrer Binnenmarktstrategie vom 25.10.2015 geht die Kommission davon aus, dass viele der Regulie- Herkunftslandprinzip unterminiert deutsche rungen nicht mehr verhältnismäßig seien, Hindernis- Regelungen. se für die Mobilität von Freiberuflern darstellten und Zur Stärkung des Binnenmarkts möchte die EU-Kom- sich negativ auf die Produktivität auswirkten. Die Re- mission Hemmnisse bei der grenzüberschreitenden formempfehlungen zur Regulierung bei professionel- Dienstleistungserbringung und der Niederlassung in len Dienstleistungen vom 10.1.2017 gehen von einer anderen Mitgliedsstaaten abbauen. Hierzu gehören möglichen Mehrbeschäftigung von drei bis neun Pro- auch nationale Regulierungen für Berufsangehöri- zent aus, sollten Berufszugangsregelungen erleichtert ge bei der Erbringung von grenzüberschreitenden werden. Daraus resultieren regelmäßig Forderungen Dienstleistungen. In der Steuerberatung bedeutet nach dem Abbau von Berufsregeln, insbesondere im dies, dass Personen und Gesellschaften ohne Nach- Bereich der Wirtschaftsdienstleistungen, zu denen weis der Kenntnis des deutschen Rechts beratend tä- Steuerberater gehören. tig sein dürften. Dies birgt Steuerausfallrisiken für den Staat und Nachzahlungs-, Zins- und strafrechtliche Solide Datenbasis als Grundlage der Analysen! Risiken für den Steuerpflichtigen. Der Effekt verstärkt Die Argumentationen der EU-Kommission für Dere- sich, wenn auch weitere Verbraucherschutzmaßnah- gulierungsmaßnahmen erfolgen einseitig im Sinne men, wie z. B. die verpflichtende Berufshaftpflichtver- geringerer Preise, höheren Konsums und angeblich sicherung oder der Ausschluss berufsfremder Anteils- besserer Beschäftigung. Berufliche Regeln für Steuer- eigner, keine Anwendung mehr finden würden. Zum berater – darunter die Ausbildungsvoraussetzungen, Schutz der Steuerpflichtigen und zur Sicherung des die Vorbehaltsaufgaben, die Berufsausübungsrege- Steueraufkommens muss den Mitgliedsstaaten des- lungen und die Vorgaben zur Steuerberatungsge- halb weiterhin zugestanden werden, wirksame und sellschaft – erfüllen aber eine wichtige Funktion bei verhältnismäßige Maßnahmen in der Berufsregulie- der Sicherung des Verbraucherschutzes, der Dienst- rung von Steuerberatern vorzunehmen. Eine ex-ante leitungsqualität sowie der Sicherstellung eines funk- Verifikation durch die EU-Kommission und damit eine tionierenden Steuersystems. Diese positiven Effekte Quasi-Gesetzgebungskompetenz, wie im Richtlinien- müssen gegen einen möglichen ökonomischen Ef- vorschlag zur Einführung eines Notifizierungsverfah- fekt von Deregulierungsmaßnahmen aufgewogen rens, darf es nicht geben. Die bisher schon möglichen werden. Es muss auf EU-Ebene eine breite und be- Kontrollen bis hin zur Einleitung eines Vertragsverlet- lastbare Datenbasis geschaffen werden, die positive zungsverfahrens sind ausreichend. und negative Effekte beruflicher Regulierung unter-

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Selbstverwaltung ist effektiv und entlastet keit einer Berufsaufsicht. Fachliche Kompetenz der den Staat. Berufsangehörigen wird in die Aufsicht und Weiter- Auch die berufliche Selbstverwaltung als wichtiges entwicklung des Berufs einbezogen. Die Finanzierung Instrument der Freiberuflichkeit steht in der Kritik der erfolgt durch den Berufsstand selbst. Die Aufgaben EU-Kommission. Die Pflichtmitgliedschaft stelle eine müssten sonst durch den Staat wahrgenommen und Markteintrittsbarriere dar und belaste die Steuerbera- durch den Steuerzahler finanziert werden. Die Folge ter mit zusätzlichen Kosten. Dabei ist die Selbstver- wären höhere gesamtwirtschaftliche Kosten. waltung die gesamtwirtschaftlich effektivste Möglich-

Der DStV fordert daher, dass den Deregulierungsbestrebungen der Europäischen Kommission im Berufsrecht der Steuerberater entgegengetreten wird. Dazu müssen auf europäischer Ebene

`` eine solide Datenbasis über die – positiven und negativen – Auswirkungen der Deregulierung geschaffen und

`` die positive Wirkung der berufsrechtlichen Regelungen herausgestellt und belegt werden.

Im Hinblick auf das EU-Dienstleistungspaket vom 10.1.2017, insbesondere den Vorschlägen zur Einführung eines Notifizierungsverfahrens und eines Analyserasters für die Verhältnismäßigkeitsprüfung von Berufsregulierungen, muss auf eine Sicherung der deutschen Verbraucherschutz- und Qualitätsstandards hingewirkt werden.

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