Engaged Buddhism

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Engaged Buddhism CHINA HEUTE XXV (2006), NR. 3 (145) 105 keit des dortigen Buddhismuskonzeptes an einen engaged Buddhism, dessen Entstehung und Relevanz heute geogra- ENGAGED BUDDHISM IN TAIWAN? phisch übergreifend von Asien bis nach Amerika und Eu- ropa reflektiert wird. ZUM PROFIL EINES GESELLSCHAFTLICH Neben einem Einblick in die gegenwärtige Situation ENGAGIERTEN GEGENWARTSBUDDHISMUS des taiwanesischen Buddhismus soll dieser Frage daher nachgegangen werden. Hierzu möchte dieser Beitrag zu- ESTHER-MARIA GUGGENMOS nächst den englischen Terminus und den sich damit ver- bindenden Neuaufbruch vorstellen und in einem zweiten Schritt durch einen Überblick über den taiwanesischen Buddhismus internationale Anknüpfungsmöglichkeiten auf- zeigen. Der historische Hintergrund der taiwanesischen Taiwanesischer Buddhismus – das verbindet sich in jüng- Entwicklung verweist dann auf die Eigenart des „gesell- ster Gegenwart z.B. mit dem entschlossen karitativ-sozia- schaftlich engagierten Buddhismus“ in Taiwan und wird len Engagement einer starken, von Laien getragenen bud- durch eine begriffliche Reflexion der indigenen Bezeich- dhistischen Bewegung, mit Großklöstern, die einen hu- nungen abgeschlossen. manistic Buddhism oder die Verwirklichung des „Reinen Landes“ auf Erden propagieren, mit einer Nonne, die 1) Begriffliche Grundlegung – engaged Buddhism sich vehement für die Aufhebung der Unterordnung der Nonnen unter die Mönche einsetzt, oder mit intensiven Publikationen, die sich mit dem Begriff eines engaged Bud- innerbuddhistischen Diskussionen über den Begriff eines dhism auseinandersetzen, mehren sich gerade von anglo- amerikanischer Seite in den letzten Jahren.2 Dabei ist der „gesellschaftlich engagierten Buddhismus“. Die Welt des 3 taiwanesischen Buddhismus scheint stark im Aufbruch Einbezug Taiwans erst in einem zweiten Schritt erfolgt. und regt zum Weiterfragen an. Schöpfen die verschiede- Sucht man nach Definitionen und klaren Abgrenzungen nen Bewegungen aus einer gemeinsamen Inspiration? Was des englischen Begriffs, so erhält man Einblick in eine ist das Selbstverständnis dieses offensichtlich modernen, vielschichtige, lebendige Diskussion, in der es vor allem sozial-gesellschaftlich aktiven Buddhismus? um Identifikationsprozesse und die Selbstfindung eines In der internationalen akademischen Diskussion wird modernen, meist auf Amerika konzentrierten und an den taiwanesischer Buddhismus in den letzten Jahren zuneh- Aufbrüchen des Theravāda-Buddhismus orientierten Bud- mend zur Kenntnis genommen, 1 denn in buddhistischer dhismus geht. Engaged Buddhism scheint so der ständig Hinsicht ist Taiwan lokalgeschichtlich interessant gewor- aktualisierenden Beschreibung zu bedürfen und etwas wie den: Über die letzten fünfzig Jahre hat sich dort ein blü- ein positiv konnotiertes Suchwort oder eine Sammelbewe- hender, vornehmlich chinesisch-mahāyānistisch, dennoch gung zu sein, der es weniger um kontrastive Abgrenzung offener und zunehmend pluralistischer Buddhismus mit ei- nach außen, sondern vielmehr um eine pragmatisch orien- ner weitverzweigten Organisationsstruktur entwickelt. Brei- tierte Konzentration und Zusammenschau bereits vorhan- te Schichten der taiwanesischen Bevölkerung fühlen sich dener buddhistischer Neuansätze geht. Behauptet wird ein vom Buddhismus der Großklöster angezogen und organi- 2 sieren sich auch eigenständig in unabhängigen Laienorga- Neben Einzelbeiträgen hat sich das Journal of Buddhist Ethics als Diskussionsplattform stark gemacht und vom 7.–14. April 2000 eine nisationen. Nachdem der taiwanesische Buddhismus mit Online-Konferenz mit dem Thema „Socially Engaged Buddhism“ ab- seiner jüngsten Entwicklung verstärkt ins internationale gehalten. CHRISTOPHER S. QUEEN, Dozent an der Harvard-Universi- Bewußtsein tritt, stellt sich die Frage der Anschlußfähig- tät, ist als Verantwortlicher der besagten Konferenz und Herausgeber gesammelter Beiträge zum engagierten Buddhismus eine treibende Kraft dieser Diskussion. Vier Aufsatzbände sind mit ihm als (Mit-) 1 Neben den beiden einschlägigen Publikationen zu taiwanesischem Herausgeber bisher erschienen: CHRISTOPHER S. QUEEN – SALLIE Buddhismus (CHARLES BREWER JONES [1999], Buddhism in Taiwan. KING (Hrsg.) (1996), Engaged Buddhism. Buddhist Liberation Move- Religion and the State, 1669–1990, Honolulu; MARCUS GÜNZEL, ments in Asia, New York; DUNCAN RYŪKEN WILLIAMS – CHRISTO- [1998], Die Taiwan-Erfahrung des chinesischen Sangha. Zur Entwick- PHER S. QUEEN (Hrsg.) (1999), American Buddhism: Methods and lung des buddhistischen Mönchs- und Nonnenordens in der Republik Findings in Recent Scholarship, Curzon Critical Studies in Buddhism, China nach 1949, Göttingen) häufen sich in letzter Zeit auch eng- London; CHRISTOPHER S. QUEEN (Hrsg.) (2000), Engaged Buddhism lischsprachige Überblicksartikel zur Lage des Gegenwartsbuddhismus in the West, Boston; CHRISTOPHER S. QUEEN – CHARLES PREBISH – in Taiwan: MARCUS BINGENHEIMER (2003), „Chinese Buddhism Un- DAMIEN KEOWN (Hrsg.) (2003), Action Dharma: New Studies in En- bound – Rebuilding and Redefining Chinese Buddhism on Taiwan“, gaged Buddhism, Curzon Critical Studies in Buddhism, London. Die in: KALPAKAM SANKARNARAYAN (Hrsg.), Buddhism in Global Per- Diskussion begann mit der Sammlung von Schriften als sozial enga- spective, Mumbai, S. 122-146; ELISE ANNE DEVIDO (2005), „Map- giert eingestufter buddhistischer Führer: FRED EPPSTEINER (Hrsg.) ping the Trajectories of Engaged Buddhism in Taiwan and Southeast (1988), The Path of Compassion: Writings on Socially Engaged Bud- Asia“, in: The Ricci Bulletin, S. 31-62; DAVID SCHAK – HSIN-HUANG dhism, Berkeley; ARNOLD KOTLER (Hrsg.), Engaged Buddhist Read- MICHAEL HSIAO (2005), „Taiwan’s Socially Engaged Buddhist Groups“, er, Berkeley. in: China Perspectives, Nr. 59, S. 43-59. Mittlerweile gibt es Mono- 3 Ohne den Einbezug Taiwans tat dies das erste Überblickswerk von graphien zu Einzelphänomenen, wie etwa: MARCUS BINGENHEIMER QUEEN – KING (1996). Der darauf aufbauende Band enthält jedoch (2004), Der Mönchsgelehrte Yinshun (*1906) und seine Bedeutung für mit JULIA HUANG, „The Buddhist Tzu-Chi Foundation of Taiwan“, den chinesisch-taiwanischen Buddhismus im 20. Jahrhundert, Würz- in: QUEEN – PREBISH – KEOWN (2003), S. 134-151, einen Beitrag burger sinologische Schriften, Heidelberg; STUART CHANDLER (2004), zum taiwanesischen Buddhismus. Explizit „Engaged Buddhism in Establishing a Pure Land on Earth. The Foguang Buddhist Perspec- Taiwan“ beschreiben im Überblick hingegen DEVIDO (2005) und tive on Modernization and Globalization, Honolulu. SCHAK – HSIAO (2005). THEMEN 106 CHINA HEUTE XXV (2006), NR. 3 (145) grundlegender Wandel des Buddhismus in seiner Begeg- gemeinsamen, sozial, ökonomisch und politisch brisanten nung mit der Moderne und dem Westen, der teilweise so- Vision einer neuen Gesellschaft zusammengehalten, die gar zu dem Wunsch führt, ein „viertes Fahrzeug“ neben auf Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit basiert. Die Schaf- dem Hīnayāna-, Mahāyāna- und Vajrayāna-Buddhismus fung einer gerechten und friedvollen Gesellschaft durch zu etablieren.4 Wenn man den Begriff daher als beschrei- buddhistische Mittel ist nach QUEEN daher das gemeinsa- benden Terminus akademischerseits aufgreift, muß man me Charakteristikum gegenwärtiger buddhistischer Befrei- gleichzeitig seiner operationalisierenden Verwendung durch ungsbewegungen.8 „engagierte Buddhisten“ gewahr sein.5 Den Start des engaged Buddhism als Buddhist libera- Einer der häufig wiederaufgegriffenen und daher auch tion movement legt besonders die historisch-lokale Veror- in dieser Arbeit leitenden Definitionsansätze ist der, wel- tung nahe: Die abstrakten Definitionen rekurrieren vor al- cher von CHRISTOPHER QUEEN in seinem ersten Sammel- lem konkret auf theravāda-buddhistisch konzentrierte Be- band Engaged Buddhism6 versucht wird. QUEEN versteht wegungen. Der klassische Ausgangspunkt ist der Neuauf- hierin den Begriff engaged Buddhism als eine Befreiungs- bruch im späten 19. Jahrhundert in Sri Lanka, wo – ange- bewegung (liberation movement), welcher er u.a. „per- regt durch den Gründer der theosophischen Gesellschaft, sonal, doctrinal, and institutional dimensions“ (QUEEN – Colonel HENRY STEEL OLCOTT (1832–1907) – zusammen KING [1996], S. 6) zuordnet: 1) Zunächst sammeln sich mit dem Singhalesen ANAGARIKA DHARMAPALA (1864– diese Bewegungen alle um eine neue Art von Führerge- 1933) erstmals eine Rückbesinnung auf die Werte des stalt, um Asiaten, die im Westen eine fundierte Bildung Buddhismus in ihrer Bedeutung für die Gegenwart statt- genossen und in ihrer eigenen Biographie extreme Schwie- fand. Treffend wurde dies von HEINZ BECHERT in direk- rigkeiten erfolgreich überwunden haben. 2) Diese Führer ter Anspielung auf die christlichen Einflüsse als „prote- bieten unter Rückbezug auf historische Wurzeln eine Neu- stantischer Buddhismus“ mit einer verstärkten Eigenorga- interpretation der buddhistischen Lehre, welche weniger nisation der Laien, der Betonung rationaler Elemente, der eine traditionelle, jenseitige Befreiung intendiert, als viel- Vereinbarkeit mit den Naturwissenschaften, der Förde- mehr ein mundane awakening darstellt. Diese innerweltli- rung des buddhistischen Bildungswesens, der Schaffung che Neuorientierung wird von QUEEN als wichtigstes Un- eines panbuddhistischen Bewußtseins, missionarischen Zü- terscheidungsmerkmal des sozial engagierten Buddhismus gen, dem Willen zur Gestaltung der Welt und dem Bemü- dargestellt.7 So soll die Lehre in der gegenwärtigen Welt hen um ein korrektes Dharma-Verständnis beschrieben.9 rational begründet
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