Abhandlungen Der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft
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Vorwort. Indem ich hiermit als ersten Teil einer Reihe von Arbeiten über die Entwicklung der Eeptilien einen Beitrag zur Biologie und Entwicklung der äufseren Körperform von Crocodilus madagascariensis Grand, der Öffentlichkeit übergebe, drängt es mich, an erster Stelle der Akademie der Wissenschaften in Berlin meinen ergebensten Dank abzustatten für die mir während meines Aufenthaltes in Majunga auf Madagaskar bereit- willigst gewährte Unterstützung von 5000 Mark zur Fortführung meiner Untersuchungen über die Entwicklung der Krokodile. Ferner danke ich an diesem Orte Herrn Professor Dr. A. Götte, dem Direktor des zoologischen Instituts in Strafsburg, für die Liberalität, mit der er mir am zoologischen Institut in Strafsburg ein Arbeitszimmer zur Verfügung stellte, für das rege Interesse, mit dem er das Fortschreiten meiner Arbeiten begleitete und für die mannigfaltigen An- regungen und Fingerzeige, durch die er mir auch in praktischer Hinsicht meine Unter- suchungen vielfach erleichtert hat. Strafsburg i. E., April 1899. A. Voeltzkow. MAR 9 1900 Biologie und Entwicklung der äusseren Körperform von Crocodilus madagascariensis Grand. Von Alfred Voeltzkow. Biologie. Obgleich gerade in neuerer Zeit viele Naturforscher ihre Aufmerksamkeit auf die Entwicklung der Reptilien gerichtet haben, sind doch bis jetzt die Krokodile nach dieser Hinsicht nur wenig untersucht worden. Der Grund liegt ohne Zweifel in der grofsen Schwierigkeit, sich Eier und Embryonen dieser Reptilien zu verschaffen, denn die Aus- sicht auf ein eingehendes Studium besonders jüngerer Stadien von Embryonen dieser in mancher Beziehung von dem Typus der übrigen Wirbeltiere so sehr abweichenden Tiere würde wohl manchen Zoologen veranlafst haben, jede Möglichkeit zur Erlangung von Material, wenn sich die Gelegenheit dazu geboten hätte, zu erfafsen. Die Schwierigkeit erscheint um so auffallender, als unsere Tiere ja über die Tropen fast der ganzen Erde verbreitet sind und in mancher Gegend zur wahren Landplage werden, während ihre Eier als wichtiges Nahrungsmittel gelten und auch in den Städten, selbst an der Küste zum Verkauf angeboten werden. Sie wird indessen erklärlich, wenn man bedenkt, dafs die Eier der Krokodile besonders gegen Besonnung sehr empfindlich sind, die zum Verkauf angebotenen gewöhnlich schon durch den Transport gelitten haben und sich nicht weiter entwickeln und dafs schlecht verpackte Eier auch die frühen Anlagen des Embryos im Ei verschwinden und unsichtbar werden lafsen. Schon bei meiner Abreise von Deutschland nach Ostafrika im Mai 1889 hatte ich als einen Hauptpunkt meines Programms das Studium der Entwicklung der Krokodile ins Auge gefafst, stiefs aber, da während meines Aufenthaltes in Sansibar in Deutsch-Ostafrika der Aufstand herrschte, wegen Beschaffung von Material auf unüberwindliche Schwierigkeiten, und auch ein dreimonatlicher Aufenthalt im Witugebiet brachte mir nur die Erlangung eines einzigen und noch dazu verdorbenen Geleges. Nach meiner Rückkehr nach Sansibar benutzte ich deshalb eine sich mir darbietende Gelegenheit und schiffte mich kurz entschlofsen nach Madagaskar, dem gelobten Lande der Krokodile ein und zwar nach Majunga, dem Haupthafen der Westküste, in dessen Nähe sich eine Reihe kleinerer Seen befinden sollten und welches mir als Naturforscher auch in Bezug auf seine Lage in der Nähe des angeblich die Insel ringförmig umgebenden Urwaldes auch sonstige reiche Ausbeute versprach. Aufserdem waren dort einige Europäer an- sässig und daher etwas Komfort zu erwarten, und ich konnte daselbst ein Haus von Stein' und demnach für meine Arbeiten geeignete Räumlichkeiten erhalten. So grofs nun meine Enttäuschung in Bezug auf die Flora und Fauna der Umgebung von Majunga war, um so günstiger erwies sich der Platz für meine speziellen Studien über die Entwicklung der Krokodile. Majunga liegt unter 15° 42' 30" südlicher Breite und 46° 20' 30" östlicher Länge am Eingange der Bai von Bembatoka auf einer sandigen, sich in die Bai vorstreckenden Landzunge und hat eine Bevölkerung von etwa 10 000 Seelen, gemischt aus Hova, Sakalava r Mozambiquenegern, sogenannten Makua, Indiern und Talaotra, letztere Nachkommen von Arabern, Suwaheli u. s. w. mit eingeborenen Frauen. Ansässig waren zur Zeit meiner An- kunft etwa acht Europäer, darunter ein französischer Vice-Resident und ein englischer Vice-Konsul. Nach Osten zu stöfst die Stadt an Mangrovedickichte , im Norden steigt das Terrain zu sanften wellenförmigen Höhenzügen an, die sich auf den ersten Blick als aus altem Meeresboden bestehend erkennen lassen. Sie sind hauptsächlich aus ver- steinerungsfreiem Kalkstein gebildet, dem stellenweise roter Laterit aufgelagert ist; an manchen Stellen tritt zerfressener Korallenkalk zu Tage. Ich hatte nun stets ein Steinhaus in Majunga und unternahm von hier aus, je nach- dem die Studien über die Krokodile es gestatteten, kurze und auch Monate dauernde Reisen nach dem Norden und Süden, um auch geographisch für die Erforschung der Insel thätig zu sein. Majunga lag für meine speziellen Studien über Krokodile insofern recht günstige als ich durch die Eingeborenen Material von den verschiedenen Seiten der Bai von Bembatoka gewinnen konnte ; den gröfseren Teil erhielt ich jedoch aus den Gegenden nord- östlich und östlich" von Majunga, von Amburvi, Ambatolampy, Betsako u. s. w , woselbst sich eine Reihe sogenannter Reisseen befinden. Eigentliche Sümpfe fehlen in der Umgebung der Stadt, dagegen giebt es allenthalben in den thalartigen Vertiefungen gröfsere oder kleinere Wasseransammlungen, von denen einige während der trockenen Jahreszeit ganz eintrocknen; der gröfsere Teil aber ist teich- oder seeartig und enthält hinreichend Wasser, um einer reichen Fauna günstige Lebens- bedingungen zu gewähren. In den Schlamm des Ufers, teilweise in das Wasser hinein werden die jungen Reispflanzen gesetzt und daher rührt die Benennung dieser Gewässer. Der Boden wird gebildet aus einem dicken humusreichen Schlamm, die Ufer sind von hohem Gras, Schilf oder Binsen umgeben und häufig sumpfig. Der Wasserspiegel ist bedeckt mit den breiten Blättern einer prachtvoll blühenden Nymphaea sp., unsern Seerosen an äulserem Ansehen gleichend ; manchmal umsäumt ein hohes Arum die Ufer und das Gauze ist von hohem Baumbestand malerisch eingefafst. Von diesen Orten erhielt ich die Krokodile, deren ich für die Untersuchung der Entwicklung im Eileiter häufig bedurfte. Das Madagaskar-Krokodil. Crocodilns niboticus Laur. (madagascariensis Grand.), findet sich übrigens auch sonst in jeder Wasseransammlung, in jedem Flufs und auch in den schmalen Meeresarmen, die sich meilenweit in das Land hinein erstrecken, denn es ist nicht nur eines der gemeinsten Reptilien, sondern überhaupt das gemeinste gröfsere Wirbeltier der Insel. Man trifft es in allen Gröl'sen an, besonders zahlreich auf den Sandbänken des Betsiboka und anderer gröfserer Flüfse, wo man im Verlauf einer Stunde den Flufs hinab- rudernd mit Leichtigkeit hundert und mehr zu Gesicht bekommen kann. Das gröfste von mir gemessene Krokodil hatte eine Länge von 4 Meter. Der Eck- zahn dieses Krokodils war 87 mm lang. 19 mm zu 15 mm breit. Nun giebt es aber noch bedeutend gröfsere Tiei'e. Ich besitze einen Zahn von Riesengröfse, der als Amulett gedient hat und den ich im Innern des Landes erstanden habe. Der ursprüngliche Besitzer, der ihn selbst von einem vom Strom angetriebenen toten Krokodil entnommen hat, erzählte unter anderem, das Tier hätte ihm im Liegen bis zur Brust gereicht; daraus läfst sich ein Schlufs auf die Länge des Tieres ziehen. Auch Grandidier spricht von derartigen Riesenexemplaren, jedoch glaube ich. dafs diese mehr nach dem Innern in den grofsen Strömen und Seen vorkommen und sehr scheu und vorsichtig sind. Die Mafse des Riesenzahnes sind : Länge ICO mm, Breite 30 mm zu 26 mm. ( S. Taf XVII). Berücksichtigt man, dass von diesem grofsen Zahn ein ganzes Stück der Wurzel abge- schliffen worden war, wie aus der Dicke der Wände hervorgeht, so mufs man zugeben, dafs es thatsächlich noch Exemplare von Riesengröfse dort geben mufs. Es wäre auch möglich, dafs diese Riesentiere eine andere Art repräsentieren, da die Form der Zähne viel gedrungener und kompakter sich darstellt als bei Crocodilus madagascariensis. Für gewöhnlich täuscht man sich ganz bedeutend über die Länge eines Krokodiles aufserhalb des Wassers; das 4 Meter lange erschien als ein Kolofs von Riesenformen. Die durchschnittliche Gröfse der reifen Tiere beträgt gegen 3 bis 37s Meter. Meiner Schätzung nach werden die Tiere nicht vor dem 10. Jahre geschlechtsreif. Über das Wachstum in den ersten Jahren kann ich folgende Mafse geben: Eben aus dem Ei geschlüpft 28 cm Totallänge; Schnauzenspitze bis After 15 cm. 1 jährig 77 „ „ „ „ „ 38 „ 2 jährig 88 „ „ „ „ „ 43—4372 cm. 3 jährig 107 „ „ „ „ „ 53 cm. Wir linden also das verhältnismäfsig gröfste Wachstum im ersten Lebensjahr. Haben sie eine Länge von ungefähr 3 Meter erreicht, so scheint sich das Wachstum zu verlangsamen, so dafs Tiere von 5 und mehr Meter Länge ein ganz ungemein hohes Alter besitzen müssen. Die einzige mir bekannte sichere Angabe über das Wachstum, die auf direkter Beobachtung beruht, macht Jerdon, der im Journal As. Soc. Bengal XXII, p. 465 einen Fall berichtet, in dem ein aus einem Ei von Crocodilus porosus ausgeschlüpftes Junge im Hause des Gouverneurs aufgezogen wurde und in 8 Jahren zur Länge von 8—9 Fufs gewachsen war. Ich möchte hier die Aufmerksamkeit späterer Forscher, denen dazu günstige Gelegen- heit geboten wird, auf einen Punkt lenken, der wohl der Beobachtung wert ist. Es scheint mir nach meinen