359 13.2.1 Vermißter Kindertransport 13 Vetreibung Und Vernichtung
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13 Vetreibung und Vernichtung nenüberfälle und Heckenschützentätigkeit begannen, erhielt ich eines Tages einen Zettel, auf dem mir der Emmerich Frank, Franz Wilhelm Direktor der Nationalbank Sabac mitteilte, er sei mit seinem 17-jährigen Sohn auf offenem Feld am Stadt- Wie die Philosophie nach dem ersten Grunde der rand von Sabac interniert, ich möge seine Freilassung Dinge, die Kunst nach dem Ideale der Schönheit, so erwirken. Tatsächlich wurde die gesamte männliche strebt die Geschichte nach dem Bilde des Menschen- Bevölkerung von 16 bis 60 Jahren von Sabac auf kom- schicksals in treuer Wahrheit, lebendiger Fülle und munistische und Partisanen-Tätigkeit überprüft. Ich reiner Klarheit. begab mich zum deutschen General, der für diese Freiherr von Humboldt Aktion zuständig war und sich in Ruma befand, und bat um Freilassung des Direktors mit seinem Sohn. Die Beiträge dieses Kapitels wurden bewußt nicht Der General hielt mir vor, daß ich als Bürger volle in eine Gesamtbearbeitung einbezogen. Zu unter- Verantwortung trage. Ich verbürgte mich, und mein schiedlich geartet sind die Empfindungen der Leser- Schützling wurde am gleichen Tag freigelassen. Im gemeinschaft, und zu hoch ist die Achtung vor den Oktober 1944, als die deutsche Bevölkerung Syrmiens Verfassern der einzelnen Berichte, da sie deren per- evakuiert wurde, bekam ich wieder einen Zettel aus sönliche, teils schreckliche Erlebnisse wiedergeben. Sabac. Diesmal schrieb mir der Direktor, ich möge Wenn auch mittlerweile fünfzig Jahre vergangen nicht ins Ungewisse flüchten, sondern mit meiner sind, und die Verfasser einen gewissen Abstand zum Familie nach Sabac kommen, er werde mich im Ge- Erlebten gewonnen haben, so blieben seelische Wun- bäude der Nationalbank unterbringen! den doch Wunden, mögen sie auch klein geworden Schließlich will ich noch eine Begebenheit aus sein. der Zeit des Massenaufbruchs im Oktober 1944 Den Verfassern gebührt Dank für ihre Bereitschaft, erwähnen. Der Kaufmann Nikola Mileusnic, Mit- Schmerzliches für die Leser dieser Dokumentation inhaber der Firma Mileusnic und Hofmann,die das niedergeschrieben zu haben und dadurch jenen Le- Geschäft Nikola Gjurisic übernommen hatte, - als bensabschnitt geistig und seelisch erneut durchleben unser heftiger politischer Gegner bekannt - kam mußten. ganz aufgeregt in die Bank und sagte mir: »Wo will das Volk hin ins Ungewisse? Halten sie die Leute 13.1 Erinnerungen an das Zusammenleben auf! Wer wird in diesem Land noch arbeiten, wenn mit unseren serbischen Mitbürgern unsere Schwaben nicht mehr hier sind. Mein Freund und Kompagnon, Toni Hofmann, ist auch wegge- Franz Hanga gangen. Auch Sie persöhnlich können hierbleiben, ich habe mich bei den Partisanen erkundigt, Sie sind Mit Ausbruch des deutsch-jugoslawischen Krieges dort gut angeschrieben, Ihnen wird nichts geschehen. im April 1941, wurden wir von unseren serbischen Ich selbst werde sie beschützen!« Ich erwiderte ihm Mitbürgern mit dem größten Mißtrauen verfolgt darauf: »Ich werde mit meiner Familie auch gehen, und bespitzelt. Nur das rasche Ende des Krieges denn ich verlange für mich kein anderes Schicksal als bewahrte uns zunächst vor bösen Verfolgungen. für uns alle. Ihr Schutz würde mir nicht helfen, denn Den serbischen Mitbürgern war in der allgemeinen sie werden dann mir genau so nicht helfen können, Hetze nicht zu Bewußtsein gekommen, daß ihnen wie ich den 80 Rumaer Serben nicht helfen konnte, von uns keine Gefahr drohte. Aus aufgefundenen die erschossen wurden. Sie werden auch nichts zu amtlichen Geheimdokumenten geht hervor, daß bei sagen haben.« Tatsächlich konnte man später hören, Annäherung der Kampffront die gesamte deutsche daß Nikola Mileusnic aus seinem Geschäft vertrieben Bevölkerung Syrmiens in Konzentrationslager in wurde und nichts zu sagen hatte. Bosnien verlegt werden sollte Ich will mich mit dem Ausgeführten nicht als be- Ein Beispiel des friedlichen Zusammenseins mit sonderen Serbenfreund rühmen, sondern habe nur die den Serben soll hier auch erwähnt sein. Die Deutsche Absicht, dazu beizutragen, daß man die häßlichen und Volksbank AG, Ruma, war dem Sprengel der Filiale gemeinen Beschuldigungen von serbischer Seite über Sabac der Nationalbank des Königreiches Jugoslawien Landesverrat und schreckliche Untaten durch unsere (der jugoslawischen Notenbank) zugeteilt; sie stand Volksgruppe gegen das serbische Volk widerlegt. mit ihr in reger Geschäftsverbindung und konnte bei Auszüge Gucksloch Nr. 26/1988 ihr auch einen angemessenen Kredit in Anspruch neh- men. Der Direktor der Nationalbank hatte die Auf- 13.2.1 Vermißter Kindertransport sicht über alle Banken seines Sprengels. Wiederholt äußerte er sich lobend über die mustergültige und Franz S. Balogh korrekte Geschäftsführung der Deutschen Volks- bank. Als nach der Besetzung Jugoslawiens durch Die Väter kämpften an der Front, und ihre Kinder die Deutsche Wehrmacht im Herbst 1941 die Unter- warteten in Ungarn auf den Weitertransport. Den drei grundarbeit der Kommunisten zunahm und Partisa- mutigen Frauen Katharina Balogh, Katharina Gjur- 359 kowitsch und Agathe Jankovitsch ist es zu verdanken, mandanten überzeugen, daß die Information, die er daß die Rumaer Frauen mit Kindern von deutschen hatte, nicht richtig war. Er versprach den Frauen, daß Wehrdienstangehörigen aus Ruma in das Reich trans- er nächsten Morgen einen Offizier nach Boldogas- portiert wurden. Drei Kinder erinnern sich: Franz szonyfa senden werde, um die Lage zu erkunden. Balogh, Willy Frank und Martin Wagner. Die drei Frauen fanden für die Nacht Unterkunft und machten sich am nächsten Morgen wieder zu Die Chronik des verlorenen Flüchtlingstransportes Fuß auf den Weg zurück. Inzwischen war der Of- fing spät am Abend des 5. Oktober 1944 an. Die fizier schon eingetroffen, hatte sich von der Wahr- meisten jungen Rumaer Frauen, deren Ehegatten im heit der Situation überzeugt und einen männlichen Deutschen Heer Wehrdienst leisteten, wurden von »Helden« als Transportleiter bestimmt. Als die drei der Rumaer Ortsleitung benachrichtigt, daß sie am Frauen wieder ins Dorf zurückkamen, waren schon folgenden Morgen für einige Tage aus Ruma evakuiert alle Vorbereitungen für den Abtransport der verlo- werden. Der Sammelpunkt für diese Personengruppe rengeglaubten Rumaer Frauen und Kinder getroffen. war das Bezirksamtsgebäude in der Hauptstraße, die Sie hatten als erste Ruma verlassen und kamen nun Zeit 6 Uhr morgens. Es fanden sich über hundert als letzte nach Deutschland. Einige Tage später wur- Frauen mit über dreihundert Kindern ein. Über den die meisten Rumaer unseres Transportes nach zweihundert dieser Kinder waren fünf Jahre alt oder Schlesien evakuiert. jünger, davon mehr als hundert unter einem Jahr. Am gleichen Tag, an dem die drei Frauen aus Ka- Der Abtransport erfolgte am gleichen Tage nach posvar zurückkamen, erreichte die erste Rumaer Essegg. Es dauerte über 12 Stunden, da die Brücken Wagenkolonne Szigetvar, wo sie von einigen Mit- zwischen Ruma und Essegg zerstört waren und des- gliedern unseres Transportes begrüßt wurde. Die halb umfahren werden mußten. Am 9. Oktober ging Mitglieder der Familien Gjurkowitsch und Balogh es weiter nach Bolman in der Batschka, wobei der schlossen sich der Rumaer Wagenkolonne an. Die Transport diesmal von serbischen Bauern durchge- Gjurkowitsch-Familie mit ihrem Nachbarn Jakob führt wurde, deren Pferdegespanne die Wehrmacht Weger und unsere Familie mit Lm. Michael Joos, hierfür requirierte. beide aus der Lorenzigasse, erreichten die deutsch- In gleicher Weise erfolgte der Weitertransport am österreichische Grenze bei Ödenburg/Sopron am 8. 12. Oktober über Mohac, Fünfkirchen, Szigetvar November. Das war mein 14. Geburtstag! nach Boldogasszonyfa, einem Dorf, in dem viele Auszug - Rumaer Gucksloch Nr. 51/1994 Deutsche lebten. Während die Unterkünfte bisher notdürftig, teils 13.2.2 Frauen und Kinder zuerst in Pferde- und Kuhställen erfolgte, wurden hier alle Personen in Wohnhäusern gut untergebracht. Wilhelm Frank Es dauerte 14 Tage, an denen sich nichts ereignete, bis die Erwachsenen schließlich zu der Erkenntnis Am Morgen des 6. Oktober 1944, es war ein schö- kamen, daß der Transport einfach vergessen worden ner Herbsttag, begann mit dem ersten Transport die sein mußte. Flucht meiner Angehörigen und mir aus Ruma. Die Wir erfuhren, daß in Kaposvar eine deutsche Mi- Evakuierung wurde von Bürgern aus Ruma vorbe- litärkommandantur war, und diese Dienststelle uns reitet, die damals in verantwortungsvoller Position vielleicht helfen könnte. Die Frage aber war: Wer läuft waren. Dazu gehörten unter anderen Dipl. Ing. Her- 30 km zu Fuß nach Kaposvar? Unter den Älteren zog und Dipl. Volkswirt Punzengruber. Rumaer Männern, die mit dem Transport waren, Zuerst sollten Frauen mit Kindern in Sicherheit gab es keine Helden. Jeder hatte Gründe, weshalb er gebracht werden. Es war nur Handgepäck erlaubt. nicht mit anderen nach Kaposvar zur Kommandantur Den Transport übernahm die Wehrmacht. Die Reise gehen konnte. ging über Voganj, (wo auch Frauen und Kinder mit- Es blieb den Frauen die Verantwortung, uns aus genommen wurden, die man nach Voganj umgesiedelt dieser Lage zu befreien. Unsere Mutter entschloß hatte). Srem. Mitrovica, Kukujevci, Sid, Vukovar nach sich nach Kaposvar zu gehen, da mein Bruder und ich Essegg. Dort wurden wir im Deutschen Haus unter- alt genug waren, zwei Tage allein zu sein. Frau Gjur- gebracht und verpflegt. kowitsch war bereit, meine Mutter zu begleiten, denn Für den 6. Oktober 1944 wurde im Wehrmachts- ihr Sohn Franz war auch 12 Jahre alt. Frau Jankovitsch bericht folgende Lage festgehalten: