Die Amerikanischen Wahlen Vom 3. November 2020 Und Das Unwürdige Ende Der Ära Trump 1 Einleitung Zusammenfassung: Am 3
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SIRIUS 2021; 5(1): 3–27 Aufsatz Joachim Krause* Die amerikanischen Wahlen vom 3. November 2020 und das unwürdige Ende der Ära Trump https://doi.org/10.1515/sirius-2021-1002 1 Einleitung Zusammenfassung: Am 3. November 2020 wurde der ame- rikanische Präsidenten Donald Trump deutlich abgewählt. Die Wahlen vom 3. November 2020 in den USA kann man Dieser behauptete jedoch ohne konkrete Beweise vorzu- zu Recht als „Schicksalswahlen“ bezeichnen, zumindest legen, die Wahl sei gefälscht gewesen und konnte Millio- was die Präsidentschaftswahl betraf. Der 45. Präsident der nen seiner Wähler und einen Großteil der Republikaner USA, Donald J. Trump, wurde mit klarer Mehrheit abge- damit überzeugen. Sein Versuch, Joseph Biden die Wahl wählt, denn seine Bilanz als Präsident war katastrophal. zu stehlen, scheiterte mit dem Sturm seiner Anhänger auf Er hat sein Amt dilettantisch ausgeübt, die Demokratie das Kapitol. Während die Erleichterung weltweit groß ist, der USA massiv beschädigt, die Spaltung der Gesellschaft dass mit Joseph Biden ein Präsident regiert, der wieder vertieft und die internationale Ordnung und das Ansehen Normalität, Professionalität und Verantwortungsbewusst- der USA in Gefahr gebracht. Am Schlimmsten war, dass sein in die amerikanische Politik bringen wird, bleibt die Trump das Ergebnis der Präsidentenwahl leugnete und Sorge groß, dass die von Trump aufgeheizte Stimmung an- permanent die durch keine konkreten Beweise unterlegte halten und die Politik in den USA vergiften wird. Behauptung auftischte, wonach er einen Erdrutschsieg errungen hätte, der ihm gestohlen worden sei. Das, was er Schlüsselbegriffe: USA, Präsidentschaftswahlen, Donald und seine Unterstützer damit anstießen, war ohne Paral- Trump, Trumpismus, Rechtsextremismus, Populismus, lele in der amerikanischen Geschichte und stellte den sys- Republikaner, Demokraten, US-Innenpolitik tematischen Versuch dar, ein eindeutiges Wahlergebnis zu missachten und den Wahlverlierer durch rechtliche und politische Tricks zum Präsidenten zu machen. Das Ende Abstract: In the Presidential election from November dieses Lügendramas war der Sturm radikalisierter und 2020, a clear majority of the electorate voted out President teilweise bewaffneter Trump-Anhänger auf das Kapitol Donald Trump. However, without presenting conclusive am 6. Januar 2021, der den Kongress jedoch nicht davon evidence, he insisted that the election was rigged and he abhielt, die Wahl Joseph R. Bidens als 46. Präsidenten der was able to win over millions of his supporters and a great USA zu zertifizieren. part of the Republican Party officials with this lie. His Im Folgenden werden nach einer Bilanz der Amts- attempt at stealing the election from Joseph Biden faltered zeit Trumps die Ergebnisse der Wahl vorgestellt und be- with his supporters trying to storm the Capitol. While there wertet. Dem folgt eine Analyse der Bemühungen Trumps is a widespread relief that with President Biden normality, und großer Teile der Republikanischen Partei, das Ergeb- professionalism and a strong sense of responsibility will nis der Präsidentenwahl Infrage zu stellen. Die Delegiti- again mark US policy, there are concerns that the rage that mierung der Wahl Bidens durch seinen Vorgänger und was fuelled by Donald Trump will continue to poison US große Teile der Republikanischen Partei sowie das Fort- politics. leben des Trumpismus in den USA bleiben eine schwere Keywords: USA, Presidential election, Donald Trump, politische Hypothek. In diesem Zusammenhang wird der Trumpism, rightwing extremism, populism, Republican Frage nachgegangen, wie sich die amerikanische Innen- Party, Democratic Party, US Domestic politics politik im Schatten eines wütenden Verlierers Trump ge- stalten könnte. Des Weiteren stehen die internationalen Implikationen des Machtwechsels im Weißen Haus im Mittelpunkt. International ist die Wahl Joseph Bidens mit *Kontakt: Prof. Dr. Joachim Krause, Direktor des ISPK und großer Erleichterung aufgenommen worden, weil mit ihm geschäfts führender Herausgeber von SIRIUS, E-Mail: ein berechenbarer und an kooperativen Beziehungen zu [email protected] Bündnispartnern interessierter Mann die Politik bestim- 4 Joachim Krause men wird. In diesem Zusammenhang wird gefragt, was die dem konservativen Spektrum (vor allem von Fox-News). Er Bundesrepublik unternehmen, bzw. unterlassen sollte, las kaum Akten und konnte briefings nur zeitweise folgen.3 wenn ihr an einer Verbesserung der transatlantischen Entsprechend chaotisch gestaltete sich seine Amtsfüh- Beziehungen gelegen ist. rung. Er hofierte autoritäre Führer der Welt (wie Vladimir Putin, Xi Jinping oder Kim Jong-un) und verprellte reihen- weise die politischen Führungspersonen alliierter Staaten und bezeichnete die Europäische Union als Feind. Über- 2 Die Ergebnisse der Wahlen vor dies vermengte er immer wieder Politik mit persönlichen dem Hintergrund von vier Jahren Interessen. Dies zeigte sich am deutlichsten, als er in einem Telefongespräch mit dem ukrainischen Präsiden- Trump-Präsidentschaft ten Volodymyr Selenskyj drohte, bereits zugesagte Wirt- schafts- und Militärhilfe auszusetzten, sofern dieser nicht Am 3. November 2020 wurde nicht nur über das Amt des staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den Sohn des Präsidenten abgestimmt, sondern auch über die Neubeset- demokratischen Präsidentenbewerbers Joseph R. Biden zung des US-Repräsentantenhauses und eines Drittels des einleitet. Das anschließende impeachment-Verfahren US-Senats. Ebenso standen Wahlen zur Zusammenset- gegen Trump blieb ohne Erfolg, weil die Republikaner im zung von 88 Legislaturen in 44 Bundesstaaten an sowie Senat fest zu ihm hielten. die Neuwahl von Gouverneuren in 11 Bundesstaten. Wei- Innenpolitisch geht Trump als derjenige Präsident in terhin fanden 120 Referenden in 32 Bundesstaaten statt, die Annalen ein, der die Spaltung in der amerikanischen außerdem Wahlen zu einer Vielzahl von sonstigen Ämtern Gesellschaft massiv vertieft und teilweise unüberbrückbar (Richter, Bürgermeister, Innenminister, stellvertretende gemacht hat. Indem er den geregelten politischen Diskurs Gouverneure etc.). Das alles dominierende Thema war durch tägliche Polemik, die Verbreitung von Unwahrhei- jedoch die Präsidentschaftswahl, die zu einem Referen- ten, ein unbeirrbares Freund-Feind-Denken und die Miss- dum über die Amtsführung Donald Trumps wurde. achtung von Institutionen fast unmöglich gemacht hat, hat er das politische System der USA massiv beschädigt.4 Ein geregelter politischer Diskurs ist die Grundbedingung 2.1 Bilanz der Präsidentschaft Trumps einer funktionierenden repräsentativen Demokratie.5 Unter Trump hat sich die Republikanische Partei – eine Die Präsidentschaft Donald Trumps verlief von Anbeginn der beiden „Systemparteien“ der USA – weitgehend in die weitgehend anders als bei vorhergehenden Präsidenten. Abhängigkeit von extremen politischen Kräften und ge- Sie begann mit einer chaotischen Übergangsphase und sellschaftlichen Milieus begeben, die den Staat und den einer Einführungszeremonie, in der der neue Präsident demokratischen politischen Prozess ignorieren oder völlig eine „Revolution“ ankündigte, die vor allem den „tiefen verachten. Als besonders einflussreich hat sich dabei ein Staat“ (deep state) und das Establishment treffen sollte. vor allem in ländlichen Regionen stark verbreitetes christ- Er wollte den „Sumpf von Washington“ trockenlegen. Zu lich-fundamentalistisches Milieu (traditionalistische diesem Zeitpunkt stand er unter dem Einfluss des schil- Evangelikale) erwiesen, dessen Mitglieder Trump heute lernden Propheten eines konservativen Revolutionismus, als eine Art „Erlöser“ ansehen, obwohl dessen Lebens- Stephen Bannon.1 Später setzte Trump zeitweise auf weise in keinerlei Hinsicht einem christlichen Vorbild bewährte Kräfte, die sich Mühe gaben, einerseits seinen entspricht.6 Aber auch rechtsextremistische und rassis- Vorgaben zu folgen, andererseits aber seriöse Politik zu betreiben. Beides ließ sich meistens nicht miteinander kombinieren, wie der Rücktritt von Verteidigungsminister James N. Mattis oder der Abgang des nationalen Sicher- 3 Zu Trumps Führungsstil, den teilweise chaotischen Zuständen im heitsberaters John Bolton zeigten.2 Tatsächlich vertraute Weißen Haus und zu seinen persönlichen Defiziten vgl. Wolff 2018, Trump, je länger er im Amt war, weitgehend nur seinem Comey 2018, 211–270, Woodward 2019, Woodward 2020, Bolton 2020, Trump 2020, Rucker/Leonning 2020, eine gute Zusammenfassung auf Instinkt oder den Einwürfen von Medienvertretern aus Deutsch bietet Bierling 2020. 4 Vgl. David Greenberg: What Will Trump’s Presidency Mean to His- tory? Politico-Magazine, 17.1.2021. 1 Vgl. zu Bannon Krause 2017. 5 Levitsky/Ziblatt 2018, 115–138. 2 Letzterer rächte sich mit der Veröffentlichung eines Buches, in dem 6 Zur Illustration sei hier nur auf die Predigten von Paula White hin- er an Präsident Trump kein gutes Haar ließ und die Wähler auffor- gewiesen, einem „Star“ der evangelikanen Szene, die im September derte, im November nicht für Trump zu stimmen, Bolton 2020. 2020 geradezu in Ekstase darauf hinwies, dass Gott ihr namentlich Die amerikanischen Wahlen vom 3. November 2020 und das unwürdige Ende der Ära Trump 5 tische Milieus und die mit ihnen verbundenen, teilweise schneiden und zu beschädigen.8 Tausende von politischen martialisch auftretenden Gruppen haben unter Trump an Stellen in Ministerien und Bundesagenturen blieben Gewicht gewonnen und trauen sich heute stärker denn unbesetzt.9 Trump schaffte zudem ungefähr 80 Umwelt- je, auf den politischen