Comedian Harmonists . BRD 1999

Film-Heft von Stefan Volk MEDIENMÜNDIGKEIT

Nichts prägt unsere Zeit mehr als die Revolution der modernen Medien. Im Zen- trum der modernen Mediengesellschaft steht der Kinofilm. Wie Lesen und Schreiben zu den fundamentalen Kulturtechniken gehört, so gehört das Verste- hen von Filmen und das Erkennen ihrer formalen Sprache zu den Kulturtechni- ken des neuen Jahrhunderts. Film bekommt mehr und mehr Bedeutung für die Einschätzung und Beurteilung der sozialen Realität, für die lebensweltliche Ori- entierung und die Identitätsbildung. Das Geschichtsbewusstsein, das nationale Selbstverständnis und das Verständnis fremder Kulturen werden in Zukunft mehr und mehr vom Medium Film mitbestimmt.

Es ist ein großes Defizit, dass junge Menschen heute viel zu wenig vom Medi- um Film wissen. Die Fähigkeit, auch im Medium der faszinierenden Unterhal- tung den kritischen Blick nicht zu verlieren, die Fähigkeit, die Qualität eines Films beurteilen zu können, die Fähigkeit zur Differenzierung des Visuellen, des Imaginären und des Dokumentierten wird in Zukunft mit entscheidend sein für die Entwicklung unserer Medien-Gesellschaft.

Für den pädagogischen Bereich sind somit die Vermittlung von Medienkompe- tenz und Filmsprache von Bedeutung. Film ist Unterhaltung, Film ist aber auch Fenster zur Welt, Erzieher, Vorbildlieferant und Maßgeber. Medienkompetenz ist eine Notwendigkeit und gehört zu den modernen Kulturtechniken. Kino als Lesesaal der Moderne ist Ort der Unterhaltung und der Filmbildung. Kino ist Lernort.

Die Bundeszentrale für politische Bildung und das Institut für Kino und Filmkul- tur stellen sich die Aufgabe, diesen Lernort zu besetzen, die Medienmündigkeit zu fördern und die Bemühungen um einen bewussten und engagierten Umgang mit Film und Publikum zu unterstützen.

Thomas Krüger Horst Walther Präsident der Bundeszentrale Leiter des Instituts für für politische Bildung Kino und Filmkultur

Die Bundeszentrale für politische Bildung stellt in einer immer komplexer werdenden Welt moderne Wissens- inhalte zur politischen Orientierung zur Verfügung. Mit ihren Bildungsangeboten fördert sie das Verständnis politischer Sachverhalte, festigt das demokratische Bewusstsein und stärkt die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit. Sie veranstaltet Seminare, Kongresse und Studienreisen, gibt Bücher, Zeitschriften, Schriftenreihen und multimediale Produkte heraus und fördert Träger der politischen Bildungsarbeit.

Das INSTITUT für KINO und FILMKULTUR wurde im Jahr 2000 als Verein mit Sitz in Köln gegründet. Es führt Kino-Seminare durch, erstellt Film-Hefte, organisiert Veranstaltungen und erstellt Programme. Es erschließt den Lernort Kino und bildet eine Schnittstelle zwischen Kinobranche und Bildungsbereich.

2 ... Film-Heft Comedian Harmonists Österreich, Deutschland 1996 Regie: Joseph Vilsmaier Drehbuch: Jürgen Büscher, Jürgen Egger, Klaus Richter Kamera: Joseph Vilsmaier Darsteller: (Robert Biberti), (Roman Cycowski), (Harry Frommermann), Heinrich Schafmeister (Erich A. Collin), Max Tidof (Ari Leschnikoff), Kai Wiesinger (Erwin Bootz), (Erna Eggstein), Katja Riemann (Mary Cycowski) u. a. Länge: 126 Min. FSK: ab 6 J., empfohlen ab 14 J.

Film-Heft ... 3 COMEDIAN HARMONISTS Inhalt

Berlin, Dezember 1927. Der auto- didaktische, arbeitslose Musiker Harry Frommermann möchte eine deut- sche Musikgruppe nach dem Vorbild der amerikanischen A-Capella-Band „The Re- vellers“ gründen. Auf der Suche nach ge- eigneten Musikern schaltet er eine An- zeige. Einer der unzähligen Bewerber ist Robert Biberti, der im Chor eines Schau- spielhauses singt und dessen Bassstimme Harry sofort überzeugt. Robert seinerseits ist unmittelbar von Harrys Idee begeistert und macht sie sich zu eigen. Über ihn sto- ßen seine Chorkollegen, der bulgarische Tenor und kellnernde Schürzenjäger Ari Leschnikoff, der gebürtige Pole Roman Cycowski und Erich Collin zu dem Ensem- ble. Der Pianist Erwin Bootz komplettiert schließlich die Besetzung.

Es folgen Monate täglicher, harter Proben Während Harry die Probezeit noch verlän- unter erschwerten Bedingungen. In dieser gern möchte, drängt Robert zum Vorsin- Zeit entwickelt sich aus der anfangs zar- gen und setzt sich durch. Doch das Vor- ten Verehrung Harrys für Erna Eggstein, singen bei einem Agenten endet mit ei- eine Studentin, die in einem Musikalien- nem vernichtenden Urteil. Kurz davor auf- laden arbeitet, den Harry vor allem wegen zugeben, findet die Gruppe doch noch ihr häufig besucht, eine romantische Be- einmal zurück zur Musik und zu weiteren ziehung. Gleichzeitig entstehen zwischen Proben. Einige Zeit später folgt ein neues, dem sensiblen, feinsinnigen Harry und diesmal erfolgreiches Vorsingen und ein dem dominanten und groben Robert, der Engagement durch den berühmten Berli- ebenfalls Interesse an Erna zeigt, erste ner Veranstalter Erich Charell. Robert er- Konfliktpunkte. Nicht nur kämpfen die nennt sich dabei eigenmächtig zum Mana- beiden um dieselbe Frau, sondern auch ger der Gruppe und Charell prägt den Na- um die Kontrolle über die Musikgruppe. men der Gruppe „harmonische Komiker“:

4 ... Film-Heft „Comedian Harmonists“, denn, so erklärt Mitglied der Reichskulturkammer ist, darf er ihnen den kulturellen Zeitgeist: „Inter- keinen entsprechenden Beruf ausüben. national muss et klingen!“ Von da an Gleichzeitig lässt er jedoch durchblicken, folgt der steile Aufstieg des Ensembles, dass die Popularität der „Comedian Har- triumphale Tourneen durch Deutschland monists“ sie noch vor einem Berufsverbot und Europa und eine enthusiastische Öf- bewahrt und eine hohe Partei-Persönlich- fentlichkeit. keit ihre schützende Hand über sie hält: „Wir sind ja keine Unmenschen.“ Am En- Doch der Erfolg und die damit verbunde- de des Gesprächs lässt er sich von Harry ne Ausgelassenheit der „Comedian Har- und Robert, die als Vertreter der Gruppe monists“ wird zunehmend überschattet erschienen sind, Autogramme für seinen von antisemitischen Übergriffen und na- Neffen geben. In dieser schwierigen Zeit tionalsozialistischer Politik. Harry, Roman entschließt sich die arisch-deutsche Mary, und Erich sind Juden, ebenso stammt drei um eine Hochzeit mit dem strenggläubi- Viertel ihres Repertoires von jüdischen gen Roman zu ermöglichen, dem jüdi- Komponisten. Zunächst ist es ein ehema- schen Glauben beizutreten. Erna jedoch liger Verehrer der nicht-jüdischen Erna, trennt sich von Harry und beginnt ein der für Unruhe sorgt und schließlich unter Verhältnis mit dem arischen Robert. den Augen der Polizei mit einigen Partei- genossen das Musikgeschäft des älteren Einige Zeit später gibt sich der fränkische jüdischen Ehepaares, bei dem Erna ange- Gauleiter Julius Streicher als ein persönli- stellt ist, verwüstet. Die „Comedian Har- cher Liebhaber der Musik der „Comedian monists“ erhalten eine Vorladung zur Harmonists“ zu erkennen. Als sich die Reichsmusikkammer. Deren Vorsitzender Gruppe, nachdem Harry bereits beim Vor- erklärt ihnen die nationalsozialistische Lo- trag des von Streicher gewünschten deut- gik des Berufsverbotes: Erstens: Juden schen Volksliedes „In einem kühlen Grun- können nicht Mitglieder der Reichskultur- de“ schlecht wurde, weigert ein von kammer werden. Zweitens: Wer nicht Streicher ausgewähltes Eichendorff-Stück

Film-Heft ... 5 vorzutragen, entzieht er mit einem vielsa- Noch in Amerika hat der nicht-jüdische genden „Schade!“ der Gruppe seine per- Erwin sich von seiner jüdischen Frau Ur- sönliche Protektion. Nur der Glaube an die sula abgewandt und die Scheidung einge- Macht ihrer Popularität lässt die „Come- reicht. Kurz nach ihrer Rückkehr werden dian Harmonists“ jetzt noch hoffen, ei- die „Comedian Harmonists“ verboten. Es nem Berufsverbot zu entgehen. kommt zu einem letzten emotionalen Auf- tritt, einem Abschied von ihrem Publikum In dieser kritischen Phase erreicht das En- und Deutschland. Harry trägt vor, dass es semble eine Einladung nach Amerika. Die ihm mit den „Comedian Harmonists“ in all Amerikareise und der Auftritt auf einem den Jahren nur darum gegangen sei, „das Flugzeugträger werden ein großer Erfolg. kleine Stückchen Glück ... irgendwo auf In Anbetracht der politischen Situation in der Welt“ zu finden. Erna bricht bei die- Deutschland erwägen die „Comedian Har- sem Vortrag in Tränen aus. Als die Grup- monists“ in den Vereinigten Staaten zu pe sich trennt und ihre jüdischen Mitglie- bleiben und nicht mehr nach Deutschland der Deutschland verlassen, entscheidet zurückzukehren. Nur Robert weigert sich sie sich doch noch für Harry, zu dem sie beharrlich, da er seine Mutter in Deutsch- eigentlich gehöre. Mit dem Zug, in dem land zurücklassen müsste. In Harrys Au- sich die jüdischen Harmonists entfernen gen bricht er dadurch mit dem Credo des und der anschließenden Einblendung einer Ensembles: „Die Gruppe ist wichtiger als Originalfotografie der echten „Comedian der Einzelne.“ Harmonists“ endet der Film.

„A-Capella mit großer Chorbeglei- tung“: Der Besuch auf einem amerika- nischen Flugzeug- träger

6 ... Film-Heft COMEDIAN HARMONISTS Problemstellung

Vilsmaiers COMEDIAN HARMO- In COMEDIAN HARMONISTS werden per- NISTS erzählt die Geschichte des sönliche Einzelschicksale dargestellt, die historischen Ensembles, das nach der na- keineswegs historisch repräsentativ sind. tionalsozialistischen Machtergreifung aus- Dass selbst die jüdischen Mitglieder des einander bricht, weil drei Mitglieder der Ensembles im Vergleich zu anderen Juden Gruppe Juden sind. Der Film beschreibt Privilegien genießen, da die Haltung der die Suche des Ensemblegründers Harry Nationalsozialisten ihnen gegenüber, auf Frommermann nach einem „kleinen biss- Grund ihrer großen Popularität ambivalent chen Glück“, das er im nationalsozialisti- ist, lässt der Film noch erahnen. Es ge- schen Deutschland als Jude weder privat lingt ihm jedoch nicht, diese Einzelschick- noch in der Musik finden kann. Und er sale in ein glaubwürdiges historisches zeigt, wie das Credo der Band „Die Grup- Umfeld einzubetten. Antisemitische Ge- pe ist wichtiger als der Einzelne“ unter walt erscheint nahezu ausschließlich in dem Einfluss der Nationalsozialisten an der Form persönlicher Racheakte. Die Gültigkeit verliert: Die jüdischen Mitglie- Darstellung des Antisemitismus und des der der „Comedian Harmonists“ müssen nationalsozialistischen Zeitgeistes gerät Deutschland verlassen, die nicht-jüdi- insgesamt zur oberflächlichen Dekoration. schen Mitglieder begleiten sie jedoch Unglaubwürdig und klischeehaft sind nicht. Das Credo der Band beschreibt den auch die Charaktere, insbesondere die Wert der Solidarität und damit die zentra- Nationalsozialisten, die als eindimensional le Thematik des Films. Der Film kann als böse Figuren eher den Eindruck von Kari- ein Aufruf zur Solidarität selbst unter den katuren als von historischer Authentizität schwierigsten gesellschaftlichen und poli- vermitteln. Diese Typisierungen verfolgen tischen Bedingungen verstanden werden. jedoch kein didaktisches Konzept, son- So handelt Mary solidarisch, indem sie dern dienen dem Zwecke dramaturgischer sich dafür entscheidet, den jüdischen Vereinfachung. Es stellt sich die Frage, ob Glauben anzunehmen und ihren Geliebten eine differenzierte Auseinandersetzung Roman Cycowski zu heiraten. Erwin, der mit den politisch-historischen aber auch sich von seiner jüdischen Frau Ursula den sozial-psychologischen, allgemein trennt, hingegen handelt unsolidarisch. menschlichen und überhistorischen Fakto- Zwischen diesen beiden Handlungsmög- ren des nationalsozialistischen Antisemi- lichkeiten pendelt Erna während des Fil- tismus dadurch erschwert wird. Auf jeden mes. Im versöhnlichen Ende wählt sie je- Fall sollte in der Nachbereitung des Films doch den Weg der Solidarität und verlässt auf diese Aspekte Bezug genommen wer- mit Harry Deutschland. Robert hingegen den. Sie bieten einen guten Einstieg in die handelt unsolidarisch, indem er nicht be- Behandlung der Problematik insgesamt. reit ist Deutschland zu verlassen. Dadurch Wie wird die historische Wirklichkeit des bricht die Band auseinander. nationalsozialistischen Antisemitismus im Film dargestellt? Wird sie enthistorisiert bzw. verzerrt? Welche Gefahren birgt das? Gibt es Stellen, die sich auf die Ge- genwart beziehen lassen? Und: Was heißt das für den rezeptiven Umgang mit „hi- storischen“ Filmen im Allgemeinen?

Film-Heft ... 7 COMEDIAN HARMONISTS Fragen

? Etliche Anhänger der „Comedian Harmonists“ im Film sind gleichzeitig überzeugte Nationalsozialisten (der fränkische Gauleiter Julius Strei- cher, der Vorsitzende der Reichsmusikkammer). Wie lässt sich das ver- einbaren? Was für ein Widerspruch kommt in dieser Haltung zum Aus- druck?

? Wieso finden Erna und Robert gerade beim Boxkampf zueinander? Wie- so folgt diese Szene unmittelbar nach der jüdischen Hochzeit? Inwie- fern ist die Zigarre ein Symbol für Roberts Weltanschauung und Cha- rakter? Was bewegt Erna zur Rückkehr zu Harry? Wodurch unterschei- den sich die Charaktere Robert und Harry? Wofür steht Robert im Ge- gensatz zu Harry?

? Robert begleitet Harry u. a. mit der Begründung: „Schließlich bin ich Arier“ zur Reichsmusikkammer. Wieso ist das ein Vorteil? Was zeigt es, dass Robert stolz darauf zu sein scheint? Was bedeutet das für das Verhältnis von Robert und Harry? Inwiefern profitiert Robert vom Anti- semitismus? Was hat das mit seiner Beziehung zu Erna zu tun?

? Wieso fragt der Vorsitzende der Reichsmusikkammer Harry, ob er eine arische Großmutter habe? Was für einen Stellenwert haben die „Comedian Harmonists“ für die Nationalsozialisten? Was sagt der Um- gang mit den „Comedian Harmonists“ über die Politik der Nationalso- zialisten aus? Hätten sich die „Comedian Harmonists“ mit den Nazis auf Dauer arrangieren können?

? Nach der Vorladung zur Reichsmusikkammer sagt Robert: „So heiß wird das alles nicht gegessen.“ Später in Amerika kommentiert er Harrys Ängste als „Verfolgungswahn“. Was steckt hinter diesen Äuße- rungen? Wieso ist es gerade Robert, der so etwas sagt? Warum rea- giert Harry so wütend darauf?

? Nach dem Überfall der Nazis auf den jüdischen Musikladen, bei dem Robert sich aktiv und gewaltsam für Erna einsetzt, während Harry von Ernas ehemaligem Verehrer, Hans, mit einem Messer in Schach gehal- ten wird, geht Erna mit Robert nach Hause. Was symbolisiert diese Szene? Wieso konnte Harry nicht wie Robert handeln? Hätte es etwas geändert, wenn er sich tatsächlich, wie er später sagt, ein Messer in den Bauch hätte stoßen lassen?

? Wieso möchte der fränkische Gauleiter Julius Streicher, dass die „Comedian Harmonists“ für ihn das deutsche Volkslied „In einem küh- len Grunde“ singen? Geht es ihm nur darum dieses Lied zu hören? Wor- um geht es ihm eigentlich? Wieso wird Harry beim Singen des Liedes schlecht?

8 ... Film-Heft ? Am Ende des Filmes entscheidet sich Erna für Harry und gegen Robert. Wie kommt es zu dieser Entscheidung? Wie kann diese Entscheidung symbolisch gedeutet werden?

? Was symbolisieren die „Comedian Harmonists“ und ihre Musik? Inwie- fern steht diese Musik im Widerspruch zur nationalsozialistischen Kul- turvorstellung? Was unterscheidet etwa den Vortrag des deutschen Volksliedes „In einem kühlen Grunde“ bei Julius Streicher von den son- stigen Darbietungen der „Comedian Harmonists“?

? In welchem Bezug steht die Abschiedsvorstellung der „Comedian Har- monists“ zu der geschichtlichen Entwicklung in Deutschland? Betrachtet man die Abschiedsvorstellung der „Comedian Harmonists“ so, dass sich mit ihnen nicht nur ein Ensemble aus Deutschland verab- schiedet, sondern auch bestimmte von diesem vertretene Werte, wel- che könnten das sein? Inwiefern lassen sich diese bereits im Namen „Comedian Harmonists“ erkennen?

? In welchem Verhältnis stehen die Lieder mit den Textzeilen „In einem kühlen Grunde“ und „Ein kleines bisschen Glück“ zueinander? Wofür steht das eine, wofür das andere?

? Wann und auf welche Art erfährt der Zuschauer oder die Zuschauerin, ob ein Charakter jüdischen Glaubens ist oder nicht? Welcher Eindruck wird dadurch vermittelt?

? Welche Haltungen nehmen die drei jüdischen „Harmonists“ in Bezug auf ihren Glauben und Deutschland ein? Was kommt dadurch zum Aus- druck?

? Das Credo der „Comedian Harmonists“ ist: „Die Gruppe ist wichtiger als der Einzelne“. Welche Idee verbirgt sich hinter diesem Credo? In- wiefern steht am Ende des Ensembles ein Bruch mit dieser Idee? Was spricht für, was gegen dieses Credo? In welchem Verhältnis steht die- ses Credo zur nationalsozialistischen Ideologie?

? An welchen Stellen des Filmes erweisen sich Charaktere solidarisch ge- genüber anderen Charakteren? An welchen Stellen gibt es einen Bruch der Solidarität? Wie entsteht dieser Bruch?

? Inwiefern steht das Schicksal der „Comedian Harmonists“ stellvertre- tend für das Schicksal der deutschen Juden bzw. Deutschlands? Inwie- fern ist es außergewöhnlich? Ü

Film-Heft ... 9 ? Wie werden die Nationalsozialisten im Film dargestellt? Welche Gefah- ren birgt eine solch undifferenzierte, klischeehafte Darstellung der Na- tionalsozialisten als böse Menschen? Erscheinen ihre Charaktere reali- stisch?

? Wieso wird Robert Biberti im Film, anders als in Wirklichkeit, als blond und blauäugig dargestellt? Wieso erscheint er, ebenfalls anders als in Wirklichkeit, gleichzeitig als Manager der Gruppe? Welcher Eindruck entsteht dadurch? Inwiefern wird dadurch die historische Wirklichkeit vereinfacht und verzerrt wiedergegeben?

? An welchen Stellen im Film verhalten sich Charaktere antisemitisch? Welche Motive bestimmen ihr antisemitisches Verhalten? Inwiefern greift eine Rückführung antisemitischen Verhaltens auf persönliche Mo- tive zu kurz?

? Kann neben aktiven antisemitischen Taten und Verbrechen auch das Nicht-Handeln, das Wegschauen, das Sich-Abkehren Ausdruck einer antisemitischen Haltung sein? Wie ist ein solches Verhalten zu bewer- ten? Gibt es Formen solchen Verhaltens im Film?

? Wirkt der Film authentisch? Inwieweit ist er glaubwürdig und nachvoll- ziehbar, inwieweit nicht? Inwiefern ist die Darstellung des Antisemitis- mus im Film unrealistisch, klischeehaft oder unvollständig? Was wird ausgeblendet?

10 ... Film-Heft Film-Heft ... 11 COMEDIAN HARMONISTS Materialien

Am 18. Dezember 1927 gab der zu Charells größtem Konkurrenten, Haller. 21-jährige Harry Frommermann Kaum dort angekommen erreichte die auf der Suche nach Musikern im Berliner Gruppe ein durch einen Fahrradkurier Lokal-Anzeiger eine Annonce auf. Es mel- übermittelter Brief Charells: „Ich biete die deten sich zwischen 70 und 100 Män- doppelte Gage. Wenn Sie bei Haller ab- nern. Robert Biberti war jedoch der einzi- schließen, mache ich Sie in der Branche ge, der Harry mit seiner außergewöhnli- unmöglich.“ Die Gruppe nahm das Ange- chen Bassstimme überzeugen konnte. Au- bot an und ihre Abendgage betrug nun ßerdem teilten beide die Begeisterung für 120 DM, also 20 DM pro Person. die „Revellers“. Über Biberti schlossen sich wenige Tage später zwei seiner Chor- Der erste Auftritt in Charells „Großem kollegen aus dem Großen Schauspielhaus Schauspielhaus“ fand am 28. September der Gruppe an: der Bulgare Ari Leschni- 1928 statt. 1929 gastierten die „Come- koff und der Pole Roman Cycowski. Zwei- dian Harmonists“ u.a. in , Köln ter Tenor in der Anfangsformation war und Leipzig. Besonders die Auftritte in Walter Nußbaum, der jedoch im März Leipzig waren große Erfolge. Doch noch 1929 durch Erich Collin ersetzt wurde. Im war das Ensemble nicht landesweit be- März 1928 stieß der mit Ari Leschnikoff kannt und die erste eigene Konzerttour- befreundete Erwin Bootz dazu. Harry nee 1930 startete als ein schwer kalku- Frommermann und Robert Biberti waren lierbares Risiko für die Gruppe, die selbst die einzigen im Ensemble, die keine aka- Säle für Auftritte anmieten musste. Sie demische Gesangs- und Musikausbildung wurde jedoch zu einem großen Erfolg und hatten. brachte dem Sextett den endgültigen Durchbruch. Ebenfalls 1930 folgten ein Die erste Probe fand am 5. Januar 1928 Gastspiel in Amsterdam und Auftritte in in Harry Frommermanns Mansarde statt. den Filmen „Gassenhauer“ und „Die drei Für die Proben gab es kein Geld, die Mit- von der Tankstelle“, in dem die Gruppe glieder der Gruppe mussten sich ander- das berühmte Lied „Ein Freund, ein guter weitig, durch Chorsingen oder Singen in Freund“ sang. den Hinterhöfen , was von der Ber- liner Polizei als „Betteln“ verstanden wur- 1932 traten die „Comedian Harmonists“ de, über Wasser halten. Nur Erwin Bootz in der Berliner Philharmonie auf. Von nun stammte aus einem wohlhabenden Haus an galten ihre Auftritte als Kunst und sie und war finanziell unabhängig. Das erste mussten keine Vergnügungssteuer mehr Vorsingen in der „Berliner Scala“ im Juni von ihren Einnahmen abführen. 1928 endete mit der vernichtenden Absa- ge, dass die Scala kein Beerdigungsinsti- Nach der nationalsozialistischen Machter- tut sei. Im Spätsommer desselben Jahres greifung 1933 wurden schon bald die er- fand dann ein weiteres Vorsingen bei sten Konzerte abgesagt. Die UFA verhin- dem mit Harry Frommermann verwandten derte weitere Filmengagements. Agenten Levy statt. Levy vermittelte dem Am 1. November 1933 wurde eine Sextett ein weiteres Vorsingen bei dem Durchführungsverordnung zur Regelung Berliner Varietéveranstalter Erik Charell. der Mitgliedschaft in der Reichskultur- Charell machte der Gruppe ein spontanes kammer und ihren Untergliederungen er- Angebot, das Levy jedoch ablehnte. lassen. Jeder, der auf deutschen Bühnen Stattdessen brachte er die Gruppe direkt Musik darbieten wollte, musste die Mit-

12 ... Film-Heft gliedschaft in der Reichsmusikkammer be- und Cykowski am 22. Februar 1935 end- antragen. Von der Mitgliedschaft ausge- gültig den abschlägigen Bescheid über ih- schlossen werden konnte, jede Person ren Antrag auf Mitgliedschaft in der „die für die Ausübung ihrer Tätigkeit er- Reichsmusikkammer. Biberti, Bootz und forderliche Zuverlässigkeit und Eignung Leschnikoff hingegen wurden aufgenom- nicht besitzt.“ Im nationalsozialistischen men. Daraufhin teilte sich die Gruppe. Die Deutschland waren Juden damit faktisch drei „Arier“ blieben in Deutschland, die von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. „Nicht-Arier“ gingen ins Ausland. Beide Am 5. März 1934 stellte Goebbels diesen Teile fügten sich zeitweise zu neuen Sachverhalt noch einmal unmissverständ- Gruppen zusammen. Das Sextett „Come- lich dar: Erstens durfte nur auftreten, wer dian Harmonists“ trat jedoch nie mehr ge- Kammermitglied war, und zweitens konn- meinsam auf. ten Juden nicht Kammermitglieder wer- den. Über den Antrag auf Mitgliedschaft der „Comedian Harmonists“ war zu die- sem Zeitpunkt noch nicht entschieden worden. Für die Deutschland-Tournee, auf der sie sich zu diesem Zeitpunkt be- fanden, erhielten sie eine Ausnahmege- nehmigung. Dennoch kam es zu Absagen und antisemitischen Zwischenfällen. Das letzte Konzert in München endete mit dem Abschiedslied der „Comedian Har- monists“: „Auf Wiedersehen, my dear“.

Am 1. Mai 1934 lief die Sondergenehmi- gung aus und die „Comedian Harmonists“ hatten von nun an in Deutschland Auf- trittsverbot. Auch im Rundfunk wurden die Lieder des Ensembles nicht mehr ge- spielt. In der Gruppe kam es nun zu ei- nem Streit um die Verteilung der Einnah- men. Die „Arier“ beanspruchten einen hö- heren Anteil, da ja die Juden an dem Ein- nahmestop in Deutschland Schuld seien. Schließlich wurde jedoch weiterhin durch sechs geteilt. Die „Comedian Harmonists“ traten in Dänemark, Italien, Norwegen und den USA auf. In New York sangen sie auf dem Flugzeugträger „Saratoga“ vor der Atlantik- und Pazifikflotte. Eine Verlagerung des Ensembles ins Ausland wurde erwogen, schließlich kehrten die „Comedian Harmonists“ jedoch nach Deutschland zurück. Dort erhielten die drei „Nicht-Arier“ Collin, Frommermann

Film-Heft ... 13 Harry Frommermann wurde am 12. Okto- ber 1906 in geboren. Sein Vater war Russe, die gesamte Familie jüdisch. In seiner Jugend verschrieb er sich der Schauspielerei, weshalb er sich mit sei- nem Vater entzweite. Er besuchte, gegen dessen Willen, eine Schauspielschule, aus der er jedoch mit 18 Jahren rausflog. Durch Bekanntschaften zu zahlreichen Musikern widmete er sich immer mehr der Musik. Begeistert von der Musik der Re- vellers gab der 21-jährige Harry Frommer- mann folgende Annonce auf: „Achtung! Selten! Tenor, Bass (Berufssänger, nicht über 25), sehr musikalisch, schön klin- gende Stimmen, für einzig dastehendes Ensemble, unter Angabe der täglich ver- fügbaren Zeit, gesucht.“ Nach der Auflö- sung der „Comedian Harmonists“ zog median Harmonists“ entstanden. Nach Frommermann zunächst nach New York. der Auflösung des Sextetts wurde Biberti Später kehrte er nach Deutschland zu- 1941 zur Berliner Luftschutzwarnzentrale rück, lebte in Rom, in der Schweiz, wie- eingezogen, ein Fronteinsatz blieb ihm er- der in den USA und schließlich nach spart. Nach dem Krieg widmete er sich 1962 in der Bundesrepublik. Immer wie- dem Antiquitätenhandel und verfasste der versuchte er vergeblich ein neues Rundfunksendungen über die „Comedian langfristiges Ensemble zu gründen. Zwi- Harmonists“. Im Alter von 83 Jahren schendurch musste er sich als Hilfsbuch- starb er an Nierenversagen in Berlin. halter, Taxifahrer und Verkäufer durch- schlagen. In seinen letzten Lebensjahren wurde er immer häufiger von Krankheiten Erwin Bootz wurde am 30. Juni 1907 in heimgesucht. Er starb schließlich 1975 in Stettin geboren. Er stammte aus einem . reichen Elternhaus und lernte bereits mit vier Jahren Klavierspielen. Mit 17 Jahren besuchte er die Musikhochschule Berlin, Robert Biberti wurde am 5. Juni 1902 als wo er vier Jahre lang Musik studierte. Sohn eines berühmten Opernsängers in 1928 stieß er über Ari Leschnikoff zu den Berlin geboren. Im Alter von 12 Jahren „Comedian Harmonists“. 1938 nach der flog er von der Schule. Später lernte er Auflösung des Ensembles ließ sich Bootz dann Holzschnitzerei von seinem Vater. von seiner Frau Ursula scheiden. Seine Mit 18 wandte er sich verstärkt der Mu- Freunde warfen ihm vor, sie nur verlassen sik und der Schauspielerei zu. Er sang in zu haben, weil sie Jüdin sei. 1935 hatten Opern und am Theater aber auch in einfa- die Nürnberger Rassengesetze zwar Ehe- chen Lokalen. Im „Großen Schauspiel- schließungen mit jüdischen Frauen verbo- haus“ lernte er Roman Cycowski und Arni ten, dies galt jedoch nicht für bereits be- Leschnikoff kennen. Biberti meldete sich stehende Ehen. Bootz hat diesen Vorwurf auf Frommermanns Anzeige und die „Co- immer bestritten. Ein Jahr nach der Schei-

14 ... Film-Heft dung heiratete er eine alte Jugendliebe. hatte, Musik zu studieren, besuchte Collin Nach der Auflösung des Sextetts arbeite- die Musikschule in Berlin, auf der er Erwin te Bootz als Komiker, Autor, Orchesterlei- Bootz kennen lernte. Über Bootz kam Col- ter und Komponist. 1959 wanderte Bootz lin zu den „Comedian Harmonists“. Nach nach Kanada aus, wo er eine eigene TV- deren Auflösung zog Collin nach Los An- Show erhielt. 1970 kehrte er in die Bun- geles, wo er zunächst als Weinverkäufer desrepublik zurück und arbeitete an Thea- arbeitete. Später gründete er gemeinsam tern in Bochum, Bremen und Berlin. Am mit Harry Frommermann (Cycowski hatte 27. Dezember 1982 starb Bootz im Alter abgesagt) ein neues Ensemble, das sich von 75 Jahren an den Folgen eines Herz- jedoch bereits nach wenigen Monaten infarktes in Hamburg. wieder auflöste. 1956 machte Collin sich mit einer kleinen Werkstatt selbstständig. Am 28. April 1961 starb Collin im Alter Ari Leschnikoff wurde am 16. Juli 1897 von 62 Jahren während einer Blinddarm- in Haskovo in der Nähe von Sophia gebo- Operation an Herzversagen. ren. 1922 zog er nach Deutschland, um dort Musik zu studieren. Sein dreijähriges Studium am Berliner Konservatorium fi- Roman Cycowski wurde am 25. Januar nanzierte er sich durch seine Arbeit als 1901 als Sohn einer jüdischen Familie ge- Kellner. Nach seinem Studienabschluss boren und wuchs in Lodz, im damaligen 1926 erhielt er einen Vertrag als Chorsän- Russland, dem heutigen Polen auf. Als il- ger am „Großen Schauspielhaus“. Dort legaler Einwanderer kam er nach Deutsch- lernte er auch Roman Cycowski und Ro- land, um dort Musik zu studieren. Er sang bert Biberti kennen. Über Biberti stieß in Chören, Theatern, Opern oder zu Leschnikoff zu den „Comedian Harmo- Stummfilmen in Kinos. Schließlich wurde nists“. Nach deren Auflösung kehrte er er im „Großen Schauspielhaus“ in Berlin nach Sofia zurück, wo er als Solosänger eingestellt, wo er Ari Leschnikoff und Ro- einige Platten aufnahm. Sein Vermögen bert Biberti kennen lernte und so zu ei- aus der Zeit der „Comedian Harmonists“ nem Mitglied der „Comedian Harmonists“ investierte er in ein Haus, das jedoch im wurde. Nach der Auflösung der Gruppe Krieg zerstört wurde. Schließlich sah er zog er zunächst nach Los Angeles, wo er sich gezwungen, seinen Lebensunterhalt einen Night-Club gründete, der jedoch durch Fabrik- und Gartenarbeit zu verdie- bald pleite ging. Schließlich erhielt er ei- nen. Am 31. Juli 1978 starb er völlig ver- nen Kantorposten in einer orthodoxen armt im Alter von 81 Jahren. Synagoge. Nach dem Krieg erreichte ihn die Nachricht vom Tod dreier Geschwi- ster. Nur eine Schwester hatte das Ver- Erich Abraham Collin wurde am 26. Au- nichtungslager Auschwitz überlebt. 1947 gust 1899 in Berlin geboren. Er war Jude. zog Cycowski nach San Francisco, wo er Sein Vater war Kinderarzt und mit Albert abermals als Kantor arbeitete. Mit 70 zog Einstein befreundet. 1923, nach dem Tod er nach Palm Springs, wo er am 9. Novem- seines Vaters, der ihm bislang verboten ber 1998 im Alter von 97 Jahren verstarb.

Film-Heft ... 15 Nationalsozialistische Kulturpolitik:

„Dieses Reinemachen unserer Kultur hat von deutschen Unterhaltungsfilmen, die sich auf fast alle Gebiete zu erstrecken. sich an Hollywood-Produktionen orientier- Theater, Kunst, Literatur, Kino, Presse, ten, eine besonders massenwirksame Pro- Plakat und Auslagen sind von den Er- paganda. scheinungen einer verfaulenden Welt zu säubern und in den Dienst einer sittlichen Einige jüdische Künstler, die nach den Be- Staats- und Kulturidee zu stellen ... Das rufsverboten von 1933 nicht ins Ausland Recht der persönlichen Freiheit tritt zu- gingen, gründeten in Berlin den „Kultur- rück gegenüber der Pflicht der Erhaltung bund Deutscher Juden“. Sie boten einem, der Rasse“ (aus: Hitlers „Mein Kampf“). gezwungenermaßen rein jüdischen, Publi- kum Theater, Oper, Konzerte, Vorträge, Nach der nationalsozialistischen Machter- Kabaretts und ähnliche Kulturveranstal- greifung bestimmte das von Goebbels tungen an. Ähnliche Kulturbünde entstan- kontrollierte „Reichsministerium für Volks- den bis 1935 in über hundert Städten aufklärung und Propaganda“ das kulturel- Deutschlands. Die ganze Zeit über unter- le Leben in Deutschland. Jüdische und standen sie strenger Kontrolle und Zen- politisch missliebige Künstler mussten sur. Die Bezeichnung „Kulturbund Deut- Deutschland verlassen oder wurden in scher Juden“ musste in „Jüdischer Kul- Konzentrationslager deportiert. Im No- turbund in Deutschland“ geändert wer- vember 1933 wurde die Reichskultur- den, da sich Judentum und Deutschtum kammer mit sieben Einzelkammern für in der nationalsozialistischen Ideologie Schrifttum, Presse, Rundfunk, Theater, nicht vereinbaren ließen. Kurz vor Beginn Musik, Bildende Kunst und Film gegrün- der Deportationen 1941 wurde der Kul- det. Nur wer Mitglied in der entsprechen- turbund in Deutschland schließlich aufge- den Kammer war, bekam eine Arbeitser- löst. Qualvolle „Sturm- laubnis. Für Nicht-Mitglieder (politisch Un- und Drangzeit“ liebsame, Juden ...) herrschte Berufsver- bot. Der fränkische Gauleiter Julius Strei- cher wetterte in dem antisemitischen Hetzblatt „Der Stürmer“ für die rücksichts- lose Verbannung der Juden aus dem öf- fentlichen Leben. Die Nürnberger Rassen- gesetze 1935 legten schließlich in perver- ser Detailliertheit fest, wer als Jude zu bezeichnen und zu behandeln war.

Moderne Kunst galt im Dritten Reich als entartet. Tendenziell großstadt-feindlich sollte ein auf germanischen Traditionen fußender „deutscher“ ländlicher Heimat- stil geprägt werden. Die Kulturpolitik ge- staltete sich jedoch keineswegs immer einheitlich. So versprach sich Goebbels

16 ... Film-Heft Regissseur Joseph Vilsmaier:

Joseph Vilsmaier wurde am 24. Januar 1939 in München geboren und wuchs im niederbayrischen Pfarrkirchen und in München auf. Zwischen 1953 und 1961 absolvierte er eine Ausbildung in den kameratechnischen Abteilungen bei Ar- nold & Richter (ARRI). Zur gleichen Zeit studierte er am Münchner Konservatori- um Musik. 1961 erhielt er eine Anstel- lung als Kameraassistent bei der Bavaria Film in Geiselgasteig. Seit 1972 arbeitet er als Kameramann. 1988 gründete er die Produktionsfirma „Perathon Film“ und mit HERBSTMILCH entstand der erste Spiel- film unter seiner Regie. Weitere Regie- arbeiten sind: RAMA DAMA (1990), STA- LINGRAD (1992), CHARLIE & LOUISE – DAS DOPPELTE LOTTCHEN (1993), SCHLAFES BRUDER (1995), UND KEINER Gruppenbild mit WEINT MIR NACH (1996), COMEDIAN Regisseur (vorne HARMONISTS (1997), MARLENE (2000) Mitte) und LEO UND CLAIRE (2001).

Film-Heft ... 17 COMEDIAN HARMONISTS Literaturhinweise

Bundeszentrale für politische Bildung Zu diesem Film siehe auch: (Hg.): Informationen zur politischen Bil- www.kinofenster.de dung. Bonn. Hefte 123, 126, 127, Der Nationalsozialismus. Siehe auch Sonder- heft: Leben im Dritten Reich.

Fechner, Eberhard: Die Comedian Harmonists – Sechs Lebensläufe. Wein- heim, Berlin 1988

Prieberg, Fred K.: Musik und Macht. Frankfurt/Main 1991

Vilsmaier, Joseph: Comedian Harmonists – eine Legende kehrt zurück. Leipzig 1998

Wulf, Joseph: Kultur im Dritten Reich – Eine Dokumentation in fünf Bänden. Frankfurt/Main, Berlin 1989

Kritische Prüfung

18 ... Film-Heft Was ist ein Kino-Seminar?

Ein Kino-Seminar kann Möglichkeiten er- Es besteht aber ein enormes Defizit hin- öffnen, Filme zu verstehen. sichtlich des Wissens, mit dem man Filme Es liefert außerdem die Chance zu fächer- beurteilen kann. übergreifendem Unterricht für Schüler Was unterscheidet einen guten von einem schon ab der Grundschule ebenso wie für schlechten Film? Gespräche und Auseinandersetzungen im Welche formale Sprache verwendet der außerschulischen Bereich. Das Medium Film? Film und die Fächer Deutsch, Gemein- Wie ist die Bildqualität zu beurteilen? schafts- und Sachkunde, Ethik und Religi- Welche Inhalte werden über die Bilder- on können je nach Thema und Film kom- sprache transportiert? biniert und verknüpft werden.

Umfassende Information und die Einbezie- hung der jungen Leute durch Diskussio- 2. Film als Fenster zur Welt nen machen das Kino zu einem lebendi- Über Filme werden viele Inhalte vermit- gen Lernort. Die begleitenden Film-Hefte telt: sind Grundlage für die Vor- und Nachbe- Soziale Probleme einer multikulturellen reitung. Gesellschaft, zwischenmenschliche Be- ziehungs- und Verhaltensmuster, Ge- Filme spiegeln die Gesellschaft und die schlechterrollen, der Stellenwert von Fa- Zeit wider, in der sie entstanden sind. Ba- milie und Peergroup, Identitätsmuster, sis und Ausgangspunkt für ein Kino-Semi- Liebe, Glück und Unglück, Lebensziele, nar sind aktuelle oder themenbezogene Traumklischees usw. Filme, z. B. zu den Themen: Natur, Ge- walt, Drogen oder Rechtsextremismus. Die in einem Kino-Seminar offerierte Dis- kussion bietet Kindern und Jugendlichen Das Kino eignet sich als positiv besetzter die Möglichkeit, gesellschaftliche Pro- Ort besonders zur medienpädagogischen blembereiche und die im Film angebote- Arbeit. Diese Arbeit hat innerhalb eines nen Lösungsmöglichkeiten zu erkennen Kino-Seminars zwei Schwerpunkte. und zu hinterfragen. Sie können sich also bewusst zu den Inhalten, die die Filme vermitteln, in Beziehung setzen und ihren 1. Filmsprache kritischen Verstand in Bezug auf Film- Es besteht ein großer Nachholbedarf für sprache und Filminhalt schärfen. junge Menschen im Bereich des Mediums Das ist eine wichtige Lernchance, wenn Film. Filme sind schon für Kinder ein fas- man bedenkt, dass Filme immer stärker zinierendes Mittel zur Unterhaltung und unsere soziale Realität beeinflussen und Lernorganisation. unsere Lebenswelt prägen.

Film-Heft ... 19 KINO GEGEN GEWALT Filmgeschichten von Toleranz und Intoleranz, Mitläufern und Standhaften, Wegsehen und Handeln, Angst und Zivilcourage

Filme zum Diskutieren

I Geschichten aus der Zeit des Nationalsozialismus II Von Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz III Jugend und Gewalt – Gewaltbereitschaft heute

KINO GEGEN GEWALT ist ein Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung und des Instituts für Kino und Filmkultur. Es ist Teil des Aktionsprogramms der Bundesregierung „Jugend für Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ und wird mit Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Film- verleiher und in Kooperation mit der AG KINO durchgeführt.

IMPRESSUM: Herausgeber: INSTITUT für KINO und FILMKULTUR (IKF) im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). Redaktion: Horst Walther (IKF), Verena Sauvage (BpB). Redaktionelle Mitarbeit: Ute Stauer, Holger Twele (auch Satz und Layout). Titel und Grafikentwurf: Mark Schmid (des.infekt. büro für Gestaltung. Friedenstr. 6. 89073 Ulm). Druck: Dinodruck + medien GmbH (Schroeckstr. 8. 86152 Augsburg). © Juni 2001 Bildnachweis: Senator Film

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