Das Hochwasser im Jahre 1954

Dokumentation über die Flutkatastrophe in der Stadt und im Landkreis

Wasserwirtschaftsamt Passau Wasserwirtschaftsamt Passau Wasser ist Leben Wasserwirtschaft Bayern 02 Impressum

Das Hochwasser im Jahre 1954

Herausgeber: Wasserwirtschaftsamt Passau Dr.-Geiger-Weg 6 D-94032 Passau Telefon: 08 51-59 06 0 Telefax: 08 51-59 06 10 E-Mail: [email protected] Internet: wwa-pa.bayern.de Eine Behörde im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz

Redaktionelle Zusammenstellung: Helmut Wagner und Manfred Duschl

Layout und Satz: Vinzenz Ritter

Fotos: Aus den Archiven der Stadt Passau, der Stadt Vilshofen, Gemeinde Hofkirchen, Markt und dem Wasserwirtschaftsamt Passau aktuelle Aufnahmen Vinzenz Ritter

Druck: Offsetdruckerei Richard Rothe

Titelbild: - Fischerzeile an der in der Stadt Vilshofen - Die Altstadt von Passau - mit ehemaligem Zollgebäude an der alten Innbrücke Passau, Juni 2004 - ISBN 3-929350-64-5

Bezugshinweis: Diese Broschüre ist gegen eine Gebühr von 2,00€€ € beim Wasserwirtschaftsamt Passau, Dr.-Geiger-Weg 6, 94032 Passau, Telefon 0851 / 5906-0 und bei der Stadt Passau, Rathausplatz 2, 94030 Passau, Telefon 0851 / 396-0 erhältlich

Nachdruck und Wiedergabe - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung des Herausgebers

Wir bedanken uns bei allen, die bei der Zusammenstellung der Dokumentation mitgewirkt haben

Wasserwirtschaftsamt Passau Das Hochwasser im Jahre 1954 Inhalt 03

Einführung 4

Stadt Passau 6

Neuhaus - Mittich - Reding - Afham 8

Pocking - 10

Vilstal 11

Vilshofen 12

Hofkirchen 13

Windorf 14

Obernzell 15

Abwehrmaßnahmen und Kräfteeinsatz 16

Zusammenfassung - Ausblick 17

Das Hochwasser im Jahre 1954 Wasserwirtschaftsamt Passau 04 Einführung

Allgemeines Faktoren. Zum einen von der lang anhalten- den, stabilen Tiefdruckwetterlage mit teilweise Kein Hochwasserereignis im letzten Jahrhun- ergiebigen Regenfällen, die zu einer Sättigung dert hat das Bewusstsein der Bevölkerung für des Bodens führten (vom 27. Juni bis 06. Juli), Naturkatastrophen so geprägt, wie das Hoch- und zum anderen durch die darauf folgenden wasser vom Juli 1954. Dieses Jahrhundert- extrem hohen Niederschläge vom 07. bis 11. hochwasser war Richtschnur für viele Schutz- Juli. maßnahmen an den Gewässern in unserer Hei- Ursache für dieses außergewöhnliche Ereignis mat und ist es bis zum heutigen Tage geblie- war eine Wetterlage, die im Norden der Alpen ben. zu besonders ergiebigen Niederschlägen führt, Gerade auch in der Bauleitplanung der Kom- die so genannte V b-Wetterlage. Dabei trans- munen zur Ausweisung von Wohn- und Ge- portiert eine Nord- bis Nordwestströmung kal- werbegebieten finden die Erfahrungen aus die- te, feuchte Luft von Norden gegen die Alpen. ser Katastrophe ihre Berücksichtigung. Gleichzeitig zieht ein Adria-Tief mit warmer, feuchter Luft über die Ostalpen nach Oberös- Entstehung und Abfluss terreich und Südbayern. Die warme Luft steigt über die kalte auf und regnet sich ab Das Hochwasser in der ersten Hälfte des Mo- (s. Abb. 1). nats Juli im Jahre 1954 gehört zu den bisher größten bekannten Hochwässern in Bayern, Eingesetzt hatten diese Niederschläge im Süd- insbesondere aber für die Region am Unterlauf westen Bayerns bereits in den Morgenstunden des Inn, für die bayerische Donau sowie für des 07. Juli. Der Regen setzte sich im Verlauf Isar, Vils und Rott in den Regierungsbezirken des Tages nach Osten fort und erreichte Passau Ober- und Niederbayern. gegen 15.00 Uhr. Die Gesamtdauer der Re- genfälle, von kurzen Pausen abgesehen, er- Die Entwicklung dieses Hochwassers wurde streckte sich über einen Zeitraum von 90 Stun- maßgeblich beeinflusst und geprägt von zwei den. Die höchste Niederschlags- intensität wurde in Stein im oberen Priental beobachtet. In den Niederschlagszentren am Nordrand der Alpen wur- den im Zeitraum vom 07. bis 11. Juli bis zu 400 mm Nie- derschlag gemessen (s. Abb. 2).

Der von den vorausgegan- genen Niederschlagsereig- nissen bereits vollends mit Wasser gesättigte Boden konnte kein Wasser mehr aufnehmen; der sich zwangsläufig daraus erge- bende oberflächliche Abfluss führte zu der extremen Was- serführung in den Bächen und Flüssen.

Abb. 1: Die “Vb - Wetterlage” vom 06. - 11. Juli 1954

Wasserwirtschaftsamt Passau Das Hochwasser im Jahre 1954 Einführung 05

Der Anstieg der Pegelstände in Passau entwi- wie der Landkreis Passau, über zwei Meter auf- ckelte sich bereits am 09.07.1954 dramatisch. zufüllen. Der Donaupegel stieg innerhalb von 24 Stun- den von 9,30 m auf 12,03 m, der Innpegel von An den Flüssen Rott und Vils wurden mit Ab- 7,10 m auf 10,00 m. flüssen von jeweils knapp 500 m³/s Werte er- In den Morgenstunden des 10.07.1954 er- reicht, wie sie nie zuvor in geschichtlicher Zeit reichte in der Stadt Passau der Inn am Pegel Ma- beobachtet wurden. rienbrücke mit 10,10 m und - vom Rückstau des Inn beeinflusst - auch die Donau am Pegel Schadenshöhe Maxbrücke mit 12,20 m den höchsten Wasser- stand. Die gesamte vom Hochwasser überschwemm- Damit lagen die Wasserspiegel um 5 bis 6 Me- te Fläche betrug in ganz Bayern ca. ter über den Uferstraßen. 150.000 ha, davon entfielen auf Niederbay- ern ca. 58.000 ha (s. Rückseite Umschlag). Das Ausmaß der Katastrophe spiegelt sich nicht zuletzt in den Hochwasserabflüssen wi- Das Hochwasser von 1954 forderte in Bayern der. So liefen in der Donau unterhalb von Pas- 12 Menschenleben, davon 7 allein in sau 9100 m³/s (zum Vergleich: Mittelwasser- Niederbayern ( 2 Personen im ehem. Landkreis abfluss von 1420 m³/s) und im Inn vor der Mün- Griesbach, 5 Personen im ehem. Landkreis dung 6700 m³/s (zum Vergleich: Mittelwasser- ). Schwere Verletzungen erlitten in abfluss von 740 m³/s) ab. Niederbayern 7 Personen. Die Wassermassen, die in den fünf Tagen vom 07. - 11.Juli 1954 durch Passau geflossen sind, Der verursachte materielle Schaden belief sich hätten ausgereicht, einen See, der so groß ist auf rund 120 Millionen DM (heutiger Kauf- kraft von 440 Millio- nen Euro); die . b m a h C Weiße Schwerpunkte lagen r Regen

Regen dabei überwiegend im

b

a a

N Bereich der Landwirt-

A ltm 100 üh l schaft, sowie bei Ge- 100 150 bäuden und Verkehrs- er aab ße L Gro er einrichtungen (Stra- b aa e L in Kle

Donau ßen, Brücken, Wege,

z

l I 50 D o h n Bahnlinien). Der Scha- c au e Vils L r r a a a Is P den an den Gewäs- sern an sich betrug ca. s Vil Amper Kl. Pra 31 Millionen DM . Rott m Rott s Vil r. nn G Glo O s t 150 n e In r a c Isen n h h In c e M L a t t ig er 250 lz p A m A m r > 400 mm ü W r a s

I

e

e

S

- W

r a e g in

m > 300 mm

g m 200 e r

A - S S a M e lz e n T a e a e ng r n a c S fa I u ll h h - Chiem n c 200 a > 250 mm s m i r See o

ü L W 300 h Amper c > 200 mm e 400 L 400 300 300 300 > 150 mm 400 Amper 300 150 >100 mm

r

a Loisach s n I In > 50 mm

Abb. 2: Niederschlagssumme vom 07. - 11. Juli 1954

Das Hochwasser im Jahre 1954 Wasserwirtschaftsamt Passau 06 Stadt Passau

Die eingangs erwähnten Pegelstände von 12,20 m am Pegel Maxbrücke (Donau) und 10,10 m an der Marienbrücke (Inn) führten zu einer Überflutung von großen Teilen des Stadt- gebietes. Besonders betroffen waren dabei na- turgemäß die am Wasser liegenden Stadtteile. Die Ilzstadt, die Altstadt mit dem Schwerpunkt der Schäden in der Höllgasse sowie Teile der Innstadt sind hier zu nennen.

Abb. 5: Blick von der Ludwigstraße in die Heiliggeistgasse

fahr. Aufgrund der entstandenen Schäden und der Notwendigkeit zur Verbesserung der Infra- struktur in der Altstadt sowie der Verkehrssi- tuation in der Ilzstadt hat die Stadt Passau ge- meinsam mit dem Freistaat Bayern umfangrei- che Untersuchungen zur Sicherung der Le- bensgrundlagen in den betroffenen Stadtteilen Abb. 3: Blick vom Kloster St. Salvator auf die angestellt. Dabei mussten die Vorgaben des überflutete Stadt Hochwasserschutzes mit den Belangen der Stadtsanierung in Einklang gebracht werden. So mussten zahlreiche Wohnungen geräumt und Gebäude abgestützt werden. Insgesamt Nachdem übliche Hochwasserschutzmaßnah- waren rund 2000 Bürger gezwungen, ihre men, wie die Errichtung von Dämmen und Wohnungen zu verlassen. Um überflutete An- Mauern in der Stadt Passau wegen des sensi- wesen erreichen zu können, wurden in den blen historischen Stadtbildes, aber auch wegen Straßen Laufstege errichtet bzw. der Perso- der nenverkehr mit Booten sichergestellt. Große beengten Teile der Stadt waren durch die Überschwem- örtlichen mungen der wichtigsten Zufahrtsstraßen von Verhält- der Außenwelt abgeschnitten. Die Versorgung nisse aus- mit Wasser, Strom und Gas war mehrere Tage scheiden, unterbrochen. Es herrschte akute Seuchenge- wurde ein alternati- ver Weg beschrit- ten, dem „Auswei- chen nach oben“, in der Was- serwirt- schaft als

Abb. 4: Personenbeförderung mit Booten Abb. 6: “Ausweichen nach oben”

Wasserwirtschaftsamt Passau Das Hochwasser im Jahre 1954 Stadt Passau 07

Als Grundsatz gilt dabei, die hochwasserge- wurden die alten Häuser entkernt und dabei fährdeten Geschosse nur für untergeordnete die historische Bausubstanz und die Gassen- Zwecke (z.B. als Garagen, Lager und Ausstel- struktur mit ihrem typischen Erscheinungsbild lungsräume) und die höher angeordneten Räu- erhalten. Dadurch konnte der Wohnwert we- me uneingeschränkt (z.B. für Wohn- oder Büro- sentlich gesteigert und somit ein Anreiz für die Bevölkerung geschaffen werden, in der Alt- räume) zu nutzen. Auf die leichte Räumbarkeit stadt zu wohnen. Vor allem die zahlreichen Ga- der gefährdeten Erdgeschosse war dabei be- stronomie- und Tourismusbetriebe haben da- sonders zu achten. Über die Jahre hinweg wur- bei zu einer spürbaren und andauernden Bele- de bei Sanierungen auf den Einsatz geeigneter bung der Altstadt geführt. Unter der Vorgabe Baustoffe hingewirkt. Eine der schwerwie- einer zügigen Räumbarkeit wurden die nach gendsten Folgen bei Hochwässern sind Verun- wie vor gefährdeten Räume im Erdgeschoss reinigungen der Gewässer durch auftreibende vorrangig Künstlern und Handwerkern zur Ver- und auslaufende Heizöltanks. Durch schritt- fügung gestellt, um die Höllgasse wieder zu be- weisen Anschluss an die Gasversorgung konn- leben. te diese Gefahr für den Überschwemmungsbe- reich der Stadt weitgehend minimiert werden. Diese Vorgaben werden für alle baulichen Ver- änderungen im Überschwemmungsgebiet zu- grunde gelegt.

Abb. 8: Blick vom Rathausplatz in die Höllgasse

Während die Arbeiten in der Ilzstadt weitge- hend im Jahre 1977 abgeschlossen waren, konnte der Bereich der Höllgasse in weiteren Schritten in Angriff genommen und mittler- Abb. 7: Überflutete Ilzstadt weile auch beendet werden. Die von der öffentlichen Hand (Stadt, Land Unter dem Eindruck der immensen Schäden und Bund) aufgebrachten Mittel belaufen sich beim Jahrhunderthochwasser von 1954 wurde für die Ilzstadt auf ca. 13 Millionen DM ( ca. 7 in den 60er Jahren als erste größere geschlos- Millionen Euro ) und für die Höllgasse auf ca. sene Maßnahme dieser Art der Hochwasser- 90 Millionen DM (ca. 46 Millionen Euro). schutz der Ilzstadt in Angriff genommen. Da- bei wurden sämtliche hochwassergefährdeten Gebäude abgebrochen. Von den insgesamt 60 Anwesen wurden 28 Gebäude auf angeschüt- tetem Niveau vor Ort wieder errichtet, für die übrigen Anwesen wurden Ersatzbauten im hö- her gelegenen Gebiet der ehemaligen Gemein- de Grubweg geschaffen. Die Hälfte der ange- stammten Bevölkerung musste somit ihr Wohn- quartier verlassen.

Der Altstadtbereich im Umgriff der Höllgasse wurde zwischenzeitlich Zug um Zug im Rah- Abb. 9: Baumaßnahmen Hochwassersanierung men der Städtebausanierung umgestaltet. Hier Ilzstadt

Das Hochwasser im Jahre 1954 Wasserwirtschaftsamt Passau 08 Neuhaus - Mittich -Reding - Afham

Neuhaus a. Inn, gelegen an der Rottmündung, Ein Ausweichen auf hochwasserfreies Gelände verzeichnete am 10. Juli am Innpegel einen war für die Bevölkerung von Mittich, Reding Höchststand von 10,54 m. Dieser entspricht und Afham aufgrund der ebenen Ortslage auch hier einem 100-jährlichen Hochwasser- nicht möglich. Um die Existenz der Orte zu si- abfluss. Der Wasserspiegel lag um rund 9 m chern, entschloss sich die Gemeinde in Ab- über dem Mittelwasser. Maßgeblich beein- stimmung mit dem Freistaat Bayern, die Um- flusst werden die Hochwasserverhältnisse in siedlung im Rahmen eines Sanierungskonzep- der Gemeinde Neuhaus a. Inn mit den Ortstei- tes Zug um Zug durchzuführen. Dabei sollten len Neuhaus, Mittich, Reding und Afham die Ortsteile so weiter entwickelt werden, dass durch den Rückstau aus der Vornbacher Enge. klar erkennbare, einzelne Dörfer erhalten blei- ben. Für Um-, Erweiterungs- und Neubauten wurde eine Mindesthöhenkote festgelegt, ab der eine uneingeschränkte Wohnnutzung mög- lich ist. Darunter liegende Geschosse können nur eingeschränkt z.B. als Garagen oder Lager- räume verwendet werden. Neubaugebiete wurden in höher gelegenen Bereichen von Mit- tich ausgewiesen. Sehr tief gelegene Bereiche wurden grundsätzlich von einer Bebauung frei- gehalten. Bis heute konnten 43 Anwesen mit Mitteln des Freistaat Bayern umgesiedelt wer- den.

Abb. 10: Bootsverkehr auf der Ortsdurch- fahrt “Staatsstraße 2119”

Diese ungünstigen Verhältnisse in Neuhaus a. Inn ließen die üblichen Hochwasserschutz- maßnahmen durch den Bau von Dämmen oder Mauern nicht zu. Die erforderlichen Höhe die- ser Schutzeinrichtungen hätte bis zu 8 m über Gelände betragen müssen. Aus ortsplaneri- scher Sicht war diese Lösung undenkbar. We- Abb. 11: Neu errichtetes Anwesen in Reding. gen der möglichen nachteiligen Auswirkungen Geländeanhebung im Bereich des Wohnhauses auf die gegenüberliegende Stadt Schärding und des enormen Verlustes an Rückhalteraum Die Umsiedlung erfolgte auf der Grundlage der wurde diese Variante auch aus wasserwirt- „Hochwasserumsiedlungsrichtlinien“ aus dem schaftlicher Sicht verworfen. Jahre 1960. Im Hauptort Neuhaus wurden die wesentlichen Baumaßnahmen in den Jahren So verblieb letztlich nur die Umsiedlung der Be- 1962 bis 1974 abgewickelt. In den Ortsteilen völkerung aus den hochwassergefährdeten Mittich, Reding und Afham werden die restli- Siedlungsgebieten in höher gelegene, hoch- chen Umsiedlungsvorhaben in Kürze abge- wasserfreie Lagen. Für den Ort Neuhaus be- schlossen. deutete dies den fast vollständigen Abbruch des alten Ortskerns an der Zufahrt zur alten Inn- Die Finanzierung der Maßnahmen wurde über brücke. Von der Umsiedlung waren in Neu- Zuschüsse durch den Freistaat Bayern gesichert; haus rund 60 Anwesen mit ca. 250 Personen die bisher ausbezahlte Summe liegt zum heuti- betroffen. gen Tage bei rd. 10 Millionen Euro.

Wasserwirtschaftsamt Passau Das Hochwasser im Jahre 1954 Neuhaus - Mittich -Reding - Afham 09

Abb. 12: Hochwasser an Inn und Rott 1954: links Neuhaus am Inn - rechts oben Schärding (Oberösterreich)

Abb. 13: Aktuelle Aufnahme vom Juli 2004: von links mündet die Rott in den Inn. Im Zuge der Hochwassersanierung sind Teile der Bebauung von Neuhaus a. Inn abgerissen worden

Das Hochwasser im Jahre 1954 Wasserwirtschaftsamt Passau 10 Pocking - Rustorf an der Rott

Neben großen, überwiegend landwirtschaft- Überschwemmungsgrenze von 1954 orien- lich genutzten Teilen der Gemarkungen Mit- tiert. Um einen dem heutigen Standard ent- tich, Oberindling, Ruhstorf und Pocking durch sprechenden Schutzgrad zu gewährleisten, er- die Rott, waren im Bereich der Stadt Pocking be- arbeitet das Wasserwirtschaftsamt Passau der- sonders das Rottwerk der VAW AG sowie die zeit ein Schutzkonzept. Darin ist vorgesehen, Dammstrecke der Bundesbahnlinie zwischen zum Schutz der betroffenen Gewerbe- und Pocking und Ruhstorf von der Überflutung Mischgebietsflächen (einschließlich Erweite- durch die Rott betroffen. rungen) zwischen der Bahnlinie und dem Aus- bach eine Kombination aus Erddamm und Die unmittelbaren Schäden wurden durch Dar- Schutzwand zu errichten. Da dadurch Rück- lehen und Zuschüsse in Höhe von 1 Million DM halteflächen (Retentionsflächen) für das Hoch- (rund 510.000 Euro) beglichen. Die Schadens- wasser verloren gehen, sollen zum Ausgleich höhe am Rottwerk und der DB-Strecke sind Uferflächen am Ausbach abgegraben und öko- nicht bekannt. logisch umgestaltet werden.

Zum Schutze der Stadt Pocking war in den 60er Die Maßnahmen zum Schutze der Ortschaft Jahren ursprünglich eine Kombination aus Flut- Ruhstorf a. d. Rott, die gemeinsam mit dem mulde und Hochwasser-Schutzdamm geplant. Gsettener Hochwasserdamm verwirklicht wur- Zur Ausführung kam aber ein Erddamm, der den, gestalteten sich dagegen wesentlich auf- sich, beginnend am Bahnhof in Pocking, über wändiger. So musste ein Flutmuldensystem er- Gstetten und Sembauer bis nach Rottau hin- richtet werden mit einer Länge von ca. 1700 m zieht. und einer durchschnittlichen Breite von über Vom Bahnhof bis Gstetten ist die Dammkrone 100 m. Die Beaufschlagung der Flutmulde er- als asphaltierter Wirtschaftsweg ausgebildet, folgt über zwei so genannte Schöpfköpfe der Rest als reiner Erddamm. Der Hochwasser- (Überlaufschwellen), gelegen zwischen der schutzdamm wurde auf die beim Hochwasser DB-Strecke und der B 388 und östlich des Orts- vom Juli 1954 beobachteten Wasserspiegella- teiles Blumenau. Die Einleitung der Flutmulde gen zusätzlich eines Freibords (Sicherheitszu- in die Rott unterhalb des Wehres der Trieb- schlag) von 0,50 m ausgelegt. Zur Abschot- werksanlage Frimhöring musste mit schweren tung des hier verlaufenden Ausbaches musste Wasserbausteinen gesichert werden. nordöstlich des Bahnhofes ein Dammsiel (Durchleitung mit Absperrmöglichkeit errich- tet werden.

Flutmulde Hochwasserdamm

Rott t t o R B388 Stadt Pocking Ruhstorf a. d. Rott

Abb. 14: Gstettener Damm, 2004 Abb. 15: Flutmulde beim Hochwasser vom Januar 2004 Bei der Errichtung bzw. der sukzessiven Erwei- terung des Gewerbegebietes Pocking-Nord Ergänzend zur Flutmulde wurden in Blumenau zwischen dem Bahnhof Pocking und Aumühle noch weitere kleine Deiche errichtet. hat sich die Stadt Pocking weitgehend an der

Wasserwirtschaftsamt Passau Das Hochwasser im Jahre 1954 Vilstal 11

An der Vils erreichte das Hochwasser seinen Höchststand bereits am 09.07.1954 mit 8,03m am Pegel Grafenmühle. Der Hochwasserab- fluss mit einer Spitze von ca. 500 m³/s ent- spricht auch hier einem 100-jährlichen Ereig- nis, welches das höchste bisher beobachtete Hochwasser darstellt und seither auch nicht an- nähernd mehr erreicht wurde.

Abb. 18: Hochwasserschutzdamm der Ortschaft Walchsing (Gemeinde )

wurden daher umfangreiche Maßnahmen durchgeführt. Als die wohl bedeutendste ist da- bei die Errichtung des Rückhaltebeckens bei Marklkofen (Lkr. Dingolfing-Landau) zu er- wähnen. Abb. 16: Hochwasser im Vilstal zwischen Walchsing und Schönerting (Januar 2004) Daneben wurde zur Entlastung des Hauptge- wässers Vils der so genannte „Vilskanal“ ge- Neben einer Vielzahl von Einzelanwesen im schaffen. Ergänzend schütteten die Wasser- breiten Talgrund der Vils und den Triebwerks- wirtschaftler Dämme zum Schutze der land- anlagen waren an der unteren Vils besonders wirtschaftlichen Flächen, die auf ein 5- die Ortschaften Pörndorf und Walchsing be- jährliches Sommerhochwasser ausgelegt sind. troffen. An manchen Stellen füllte das Wasser nahezu den bis zu 2 km breiten Talgrund; in Al- dersbach stand das Wasser am nördlichen Orts- rand.

Die immensen Schäden an den Siedlungen und den hochwertigen landwirtschaftlichen Flä- chen waren ausschlaggebend für Überlegun- gen, den Schutz der am schwersten getroffe- nen Ortschaften und auch der Äcker und Wie- sen zu verbessern. Im Rahmen des Projektes „Vils IV“ der bayerischen Wasserwirtschaft

Abb. 19: Hochwasserschutzdamm im Bereich der Ortschaft Pörndorf (Gemeinde Aldersbach)

Die beiden Orte Pörndorf und Walchsing wur- den im Zuge der Maßnahme mit Dämmen ver- sehen, die einen Schutz gegen ein 100- jährliches Hochwasser mit einem Freibord (Si- cherheitsmaß) von 0,50 m garantieren. An den Kreuzungen zwischen den Gewässern und den Dammbauten mussten Siele (Durchleitungen mit Absperrmöglichkeit) errichtet werden, die Abb. 17: Hochwasserrückhaltebecken in im Hochwasserfall zu schließen sind. Marklkofen

Das Hochwasser im Jahre 1954 Wasserwirtschaftsamt Passau 12 Vilshofen

Schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde Mit integriert in die Maßnahme wurde dabei auch die Stadt Vilshofen an der Mündung der die neue Bundesstraße B8, die mit einer neuen Vils in die Donau. Während der höchste Ab- Brücke die Vils unmittelbar an der Mündung fluss der Vils am 09.07.1954 noch keine kata- überquert und mit ihren Zufahrtsrampen weit- strophalen Auswirkungen im damaligen Stadt- gehend hochwasserfrei an das bestehende Ge- gebiet hatte, setzte die Donau am 13.07.1954 lände angeschlossen wurde. mit einem maximalen Abfluss von mehr als 3300 m³/s große Teile der Altstadt sowie der Zur Entwässerung des durch die Schutzbau- Vilsvorstadt, insbesondere im Bereich zwischen werke entstandenen Poldergebietes (einge- der Eisenbahnbrücke und der Vilsmündung, deichter Bereich) wurden sowohl in der Alt- vollständig unter Wasser. stadt (linksufrig der Vils) als auch in der Vilsvor- stadt (rechtsufrig der Vils) Pumpwerke errich- tet. Die Baukosten lagen seinerzeit bei rund 2 Millionen DM.

Der Standard für den Hochwasserschutz an der Donau liegt bei einem Ausbaugrad „100- jährliches Hochwasser mit einem Freibord von 1,0 m“. Nach Auswertung aktueller hydrologi- scher Abflussdaten stellte die Wasserwirt- schaftverwaltung fest, dass der geforderte Frei- bord in der Stadt Vilshofen nicht überall einge- halten wird. Im Rahmen des städtischen Pro- jektes „Donaupromenade (Parken in der Do- nau)“ konnte der Donauabschnitt zwischen Abb. 20: Donaugasse unter Wasser (1954) neuer Brücke und Vilsmündung durch Erhö- hung der Bundesstraße B 8 und wasserseitigen Unter dem Eindruck dieser Katastrophe, der Abdichtungsmaßnahmen bereinigt werden. nochmals verstärkt wurde durch das Eishoch- Die Möglichkeiten eines Hochwasserschutzes wasser von 1956, entschloss man sich zur Aus- für Pleinting werden derzeit untersucht. führung eines aktiven Hochwasserschutzes. Den beengten Verhältnissen an der Vils wurde Rechnung getragen durch die Anwendung ei- ner kombinierten Lösung aus Hochwasser- schutzmauern und Dämmen.

Abb. 21: Hochwasserschutzmaßnahmen an Abb. 22: Neugestaltete Donaupromenade 2004 der Vils in Bau (Ausführung 1968 / 69)

Wasserwirtschaftsamt Passau Das Hochwasser im Jahre 1954 Hofkirchen 13

Der oberhalb von Vilshofen gelegene Markt Hofkirchen wurde seit Jahrhunderten von den wiederkehrenden Hochwässern der Donau heimgesucht. Insbesondere die unmittelbar am Ufer gelegenen Gebäude standen nahezu jedes Jahr unter Wasser. Bei größeren Abflüs- sen waren noch weitere Bereiche des Ortes überflutet.

Abb. 24: Die Häuser im Uferbereich wurden 1954 überflutet

Nach Abschluss der Planungen wurde der Hochwasserschutzdamm von Hofkirchen in den Jahren 1955 und 1956 gebaut. Seine erste Bewährungsprobe hatte er bereits beim Eis- Abb. 23: Der nördliche Ortsausgang beim hochwasser vom März 1956 zu bestehen. Der Hochwasser 1954 noch frisch aufgeschüttete Erdkörper konnte Obwohl schon früher auf die permanente Ge- gegen das Donauhochwasser nur mit höch- fährdung der Ortschaft hingewiesen worden stem Einsatz verteidigt werden. Er wurde im sel- war, wurde erst im Jahre 1953 ein Hochwasser- ben Jahr fertiggestellt (Abb. 25). schutz konkret ins Auge gefasst. Es ist als tra- gisch zu bezeichnen, dass eben in dieser Phase Bei dem lang andauernden Hochwasser von der Planung das Hochwasser von 1954 wie- 1988 wurde der Deich stark in Mitleidenschaft derum Hofkirchen in einem katastrophalen gezogen. Nur durch den unermüdlichen Ein- Ausmaß überschwemmte. Das Zentrum von satz der Katastrophenschutzkräfte rund um die Hofkirchen war zur Insel geworden, die Deg- Uhr konnte ein Durchbrechen des aufgeweich- gendorfer Straße unpassierbar, die Verbindung ten Dammkörpers gerade noch verhindert wer- mit Vilshofen völlig unterbrochen. den.

Ausgelöst durch dieses Ereignis wurde Anfang der 90er Jahre in einem ersten Sanierungs- schritt der Dammkörper verstärkt. Seine Be- währungsprobe hat das Bauwerk beim Pfingst- hochwasser von 1999 bestanden.

Nach Auswertung aktueller hydrologischer Ab- flussdaten stellte die Wasserwirtschaftsverwal- tung- ebenso wie in der Stadt Vilshofen- fest, dass der geforderte Freibord von 1,0 m auch in Hofkirchen nicht vorhanden ist. Die Planung zur Anpassung des Dammes mit einer erfor- derlichen Verlängerung stromabwärts liegt be- reits vor. Die Ausführung soll in den nächsten Jahren erfolgen. Abb. 25: Blick auf den bestehenden Hoch- wasserschutzdamm in Hofkirchen (2004)

Das Hochwasser im Jahre 1954 Wasserwirtschaftsamt Passau 14

Der unterhalb der Stadt Vilshofen am linken jährlichen Hochwasserstand orientiert, entlang Ufer der Donau gelegene Markt Windorf be- des Donaualtwassers errichtet. In Teilbereichen findet sich im Rückstaubereich des Donau- wird der erforderliche Sicherheitsgrad durch kraftwerkes Kachlet. Die Wasserspiegellagen, den Einsatz von mobilen Absperrvorrichtun- die sich bei höheren Abflüssen einstellen, ent- gen (Dammtafeln) sichergestellt. Die deutliche sprechen jedoch den natürlichen Abfluss- Verbreiterung der Uferflächen sowie die Ufer- verhältnissen. Das Hochwasser von 1954 über- umgestaltung laden einerseits zum Verweilen schwemmte hier die an der Donau gelegenen ein, andererseits werden die Park- und Ver- Teile des Ortes bis hin zur Durchgangsstraße kehrsverhältnisse neu geregelt. Unter anderem (Staatsstraße 2125). Auch die Hochwässer von sind Aufenthalts- und Veranstaltungsbereiche 1988, 1999 und 2002 (März und August) ha- mit einer Aktionsfläche vorgesehen. ben zu vergleichbaren Wasserspiegellagen ge- führt. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 3,4 Mil- lionen Euro. Die Maßnahme an der Donau, die In Windorf kommt, ähnlich wie auch in Vilsho- aus Mitteln der Städtebauförderung, der Wirt- fen, erschwerend hinzu, dass durch den Rück- schaftsförderung, Wasserwirtschaft und des stau in den Perlbach noch weitere von der Do- Straßenbaus finanziert wird, ist bereits im Bau nau entfernte Gebiete des Ortes in Mitleiden- und soll noch 2004 abgeschlossen werden. schaft gezogen werden. Zur Lösung der Perlbachproblematik unter- Der notwendige Hochwasserschutz wurde in sucht das Wasserwirtschaftsamt Passau derzeit die aktuellen Planungen der Städtebauförde- in Rahmen eines Vorentwurfs verschiedene Va- rung integriert. Dabei wird eine neue Ufer- rianten. mauer, deren Oberkante sich am 100-

Abb. 26: Blick auf den Ortskern des Marktes Windorf von der Donauinsel. Teile der Hochwasserschutz- mauer sind bereits fertiggestellt.

Wasserwirtschaftsamt Passau Das Hochwasser im Jahre 1954 Obernzell 15

Das Einzugsgebiet der Donau in Obernzell ist Anlässlich der im Jahr 1981 durchgeführten mit 77050 km² sogar größer als die Fläche des Überprüfung von Deich- und Dammbauten Freistaates Bayern. Beim Hochwasser im Jahre wurde festgestellt, dass die Eindeichung von 1954 liefen hier 9100 m³/s ab. Der Abfluss ent- Obernzell unzureichend gegen Hochwasser spricht damit auch hier in etwa einem 100- ausgebaut ist und der mittlerweile an der Do- jährlichen Ereignis. Bei dieser Katastrophe wur- nau festgelegte Standard bei weitem nicht er- den große Teile des Ortskernes bis hin zur Bun- reicht wird. desstraße B 388 unter Wasser gesetzt. Dabei waren enorme Schäden zu beklagen. Nach einer langwierigen Planungsphase, in der verschiedene Ausführungsvarianten geprüft wurden, konnte der Freistaat Bayern, vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt Passau, im letzten Jahr die erforderlichen Schutzmaßnah- men beginnen. Dazu wird die vorhandene Brü- stungsmauer abgebrochen und durch eine auf Bohrpfählen und Kopfbalken gegründete neue Ufermauer ersetzt. Die Hochwasserschutzwand wird aus Gründen des Ortsbildes mit heimischem Granit verblen- det und in Teilbereichen mit mobilen Elemen- ten im Hochwasserfall ergänzt.

Abb. 27: Überflutete Ortsdurchfahrt (Bundes- straße B 388) 1954

Zum Schutz der vorhandenen Bebauung wur- de in den Jahren 1952 - 1955 im Rahmen des Kraftwerksbaus Jochenstein ein Damm mit ei- nem aufwändigen Dichtsystem im Untergrund errichtet.Tragischerweise konnten diese Schutzbauten erst nach Ablauf des Jahrhun- dert-Hochwassers fertiggestellt werden.

Abb.29: Neue Hochwasserschutzmauer im Bau (2004). Granitverkleidung fehlt noch.

Die Hochwasserschutzmaßnahme wird in Kür- ze fertiggestellt. Damit können bis zu 1000 Per- sonen sowie mehrere Gewerbebetriebe vor ei- nem 100-jährlichen Hochwasser wie im Jahre 1954 mit einem Freibord (Sicherheitszuschlag) von 1,0 m geschützt werden. Die Gesamtkos- ten belaufen sich auf etwa 3 Millionen Euro. Abb. 28: Dichtungswand im Bau 1954 (Bauzeit 1952-1954)

Das Hochwasser im Jahre 1954 Wasserwirtschaftsamt Passau 16 Abwehrmaßnahmen und Kräfteeinsatz

Das Ausmaß der Katastrophe machte es erfor- ! Bundesgrenzschutz: derlich, neben den örtlichen Kräften, die sich 3 Hundertschaften mit 2 Pionierzügen überwiegend aus Mitgliedern der Freiwilligen ! US-Armee: Feuerwehr, den Dammwehren, dem Bayeri- 2 Trinkwasseraufbereitungsanlagen und 8 schen Roten Kreuz, der Wasserwacht und dem Sturmboote Technischen Hilfswerk zusammensetzten, im weiteren Verlauf auch umfangreiche Kräfte der Inngebiet: Grenzpolizei, des Bundesgrenzschutzes, der örtlichen Polizeieinheiten und insbesondere ! Bayerische Bereitschaftspolizei: der damals noch zahlreich vorhandenen Be- Notstandszug mit Polizeiboot satzungstruppen einzusetzen. ! Bundesgrenzschutz: 1 Notstandszug, 1 Pionierkompanie, 3 Pio- nierzüge, 1 Zug mit Sturmbooten, 1 Infan- teriezug, 20 Mann mit Sturmbooten, 2 Sturmboote mit Besatzung ! US-Armee: 12 Schlauchboote

Wie viele Personen insgesamt im Verlauf des Hochwassers zum Einsatz kamen, kann nach- träglich nicht mehr exakt festgestellt werden, da neben den offiziellen Einheiten auch eine sehr große Anzahl von Zivilisten und anderen freiwilligen Helfern tätig waren. Genauere Zah- len liegen von den organisierten Verbänden vor, so hat sich die US-Armee mit rd. 3000 Sol- daten an den Einsätzen beteiligt, die englische Abb. 30: Sturmbooteinsatz im Bereich der Armee mit immerhin 500 Mann , unterstützt Gottfried-Schäffer-Straße, Passau von nochmals 500 deutschen Hilfskräften.

Neben den unmittelbaren Rettungseinsätzen, Nach Ablauf des Hochwassers konnten schritt- die sich zu Beginn der Aktionen auf die Rettung weise die Einsatzkräfte abgezogen werden. und Evakuierung eingeschlossener Personen Die verbleibenden Einheiten, nun verstärkt beschränkte, stand im weiteren Verlauf die Räu- durch zwei französische Pionierkompanien, be- mung von Gebäuden und die Sicherung von gannen die Straßen und Wege frei zu räumen, Schutzbauten, wie Dämmen und Deichen, im Vermurungen zu beseitigen, Abbruch- und Vordergrund. Sprengabeiten durchzuführen und insbeson- dere Straßen und die Ufer von Gewässern zu Am 11. Juli 1954 waren im Bereich des heuti- befestigen. Der Schwerpunkt der Einsätze lag gen Wasserwirtschaftsamtes Passau folgende aber vordringlich darin, die zum größten Teil Einheiten zur Unterstützung der Bevölkerung zerstörten Brücken und Stege zumindest provi- und der örtlichen Einsatzkräfte im Kampf ge- sorisch wieder instand zu setzen. So wurden gen die Wassermassen im Einsatz: vergleichsweise schnell auch die Verbindungen mit abgeschnittenen Landesteilen wieder her- Donaugebiet: gestellt und dort mit den Aufräumungs- und Sa- nierungsarbeiten begonnen. ! Bayerisches Rotes Kreuz: Großküche mit Trinkwasseraufbereitung ! Bayerische Bereitschaftspolizei: Hundertschaft mit 2 Abteilungsstäben

Wasserwirtschaftsamt Passau Das Hochwasser im Jahre 1954 Zusammenfassung - Ausblick 17

50 Jahre nach dem Jahrhunderthochwasser Wege, die in dieser Größenordnung erstmalig von 1954 ist Anlass genug, der dramatischen in Bayern umgesetzt wurden. Während eine Ereignisse zu gedenken und gleichzeitig die seit- Vielzahl der technischen Maßnahmen bereits dem durchgeführten Schutzmaßnahmen zu bi- vor Jahrzehnten abgeschlossen wurde, zog lanzieren und zu werten. sich die Abwicklung von Einzelvorhaben durch passiven Schutz bis in unsere Tage hin. Dabei reicht die Palette des umgesetzten Hoch- wasserschutzes von den klassischen techni- Auch der Standard des modernen Hochwas- schen Maßnahmen, wie Dämmen, Mauern serschutzes, wie zum Beispiel die Vergröße- und Flutmulden bis hin zum passiven Hoch- rung des Freibords (Sicherheitszuschlag) bei wasserschutz („Ausweichen nach oben“). Als Dämmen, wurde in den vergangenen 50 Jah- Beispiele für den technischen Hochwasser- ren stetig angehoben. Dies macht die Ergän- schutz sind die Städte Pocking und Vilshofen zung und Verbesserung der Anlagen in sowie das Vilstal und die Gemeinde Ruhstorf a. Pocking, Ruhstorf a. d. Rott, Hofkirchen, Vils- d. Rott zu nennen. In der Stadt Passau sowie in hofen und Obernzell erforderlich. Davon sind der Gemeinde Neuhaus a. Inn mit den Ortstei- die Maßnahmen in Vilshofen zum Teil verwirk- len Neuhaus, Mittich, Reding und Afham be- licht und in Obernzell kurz vor der Fertigstel- schritt man mit dem passiven Hochwasser- lung. schutz bzw. der Hochwasserumsiedlung neue

Abb. 31: Nachhaltiger Hochwasserschutz in Bayern - Aktionsprogramm 2020 3-Säulen-Schutzstrategie: Kombinierte Anwendung führt zum Ziel

Das Hochwasser im Jahre 1954 Wasserwirtschaftsamt Passau 18 Zusammenfassung - Ausblick

Wegen des geringeren Gefährdungspotentials ! Verhaltensvorsorge in hochwassergefähr- und der schwierigen örtlichen Rand- deten Gebieten, durch Alarm- und Ein- bedingungen wie Ortsbild und Straßenbau ist satzpläne, Einsatz von Hilfsorganisationen, der Hochwasserschutz in Windorf und Plein- rechtzeitiges Räumen von gefährdeten Ob- ting erst jetzt in der Ausführungs- bzw. Pla- jekten nungsphase. ! Weiterentwicklung des Hochwassernach- richtendienstes und der Hochwasservor- Nicht zuletzt das Hochwasser vom August hersage, 2002 hat uns vor Augen geführt, dass mit Kata- Informationsmöglichkeit im Internet unter strophenereignissen jederzeit zu rechnen ist. www.hnd.bayern.de Der sich weltweit abzeichnende Klimawandel ! Risikovorsorge durch Versicherung von wird sich auf die Höhe, die Häufigkeit und die Hochwasserschäden jahreszeitliche Verteilung der Niederschläge im- mer stärker auswirken. Bisher seltene Hoch- wasserereignisse werden zukünftig häufiger auftreten. Obwohl sich die seit dem Jahrhun- derthochwasser von 1954 ausgeführten Schutzmaßnahmen voll bewährt haben, kann ein nachhaltiger Hochwasserschutz nur auf den drei Säulen aus Vorbeugung, technischen Schutzmaßnahmen und weitergehender Vor- sorge gewährleistet werden (s. Abb. 31). Die bayerische Wasserwirtschaftsverwaltung hat dazu das Aktionsprogramm 2020 ins Leben ge- rufen.

Abb. 32: Zeit- und Kostenplan: Die Kosten- Neben dem technischen Hochwasserschutz deckung erfolgt aus Haushaltsmitteln des kommt dem natürlichen Rückhalt in der Fläche Freistaates Bayern, des Bundes, der EU und als vorbeugender Hochwasserschutz eine im- der Kommunen mer größere Bedeutung zu. Er unterstützt den natürlichen Rückhalt der Flüsse und die natürli- che Wasserspeicherung in den Auen und ver- Die Bauvorsorge als wesentliches Element des mindert dabei die Wasserstände. Die ablaufen- vorbeugenden Hochwasserschutzes wurde in de Hochwasserwelle wird flacher und kann der Stadt Passau und in der Gemeinde Neu- nicht mehr so hohe Schäden anrichten. Im haus am Inn in vorbildlicher Weise umgesetzt. Landkreis Passau sind dazu beispielhaft die be- Dabei wurde auf die höherwertige Nutzung reits ausgeführten ökologischen Ausbauten von Räumen unterhalb der Überflutungshöhe des Aldersbaches in der Gemeinde Aldersbach verzichtet und wasserbeständige Baumateria- und der Wolfach im Markt sowie lien verwendet. Diese Vorgaben werden auch die geplante Maßnahme „Lebendige Vils“ bei bei künftigen An- und Umbauten sowie bei Er- Schönerting in der Stadt Vilshofen zu nennen. satzbauten berücksichtigt.

Die dritte Säule umfasst die weitergehende Durch die Instrumente der Flächen-, Bau-, Ver- Hochwasservorsorge durch haltens- und Risikovorsorge können Hochwas- serschäden begrenzt oder ganz vermieden und ! Freihalten der Überschwemmungsgebiete das unvermeidliche Restrisiko vermindert wer- von weiterer Bebauung, hier insbesondere den. Berücksichtigung in der gemeindlichen Bauleitplanung

Wasserwirtschaftsamt Passau Das Hochwasser im Jahre 1954 19

Hochwasserereignis August 2002 Naturgewalten werden uns auch künftig nicht verschonen! Pleinting Hofkirchen Vilshofen Windorf Obernzell Passau

Neuhaus a. Inn

Ruhstorf a.d. Rott Pocking

Hochwassergebiet im Juli 1954 (Nach Originalplan vom November 1955)