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PB 15121 Vorw d-e.qxp 23.02.2010 11:34 Seite 1 Vorwort Für Klaviervirtuosen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es 27. Juni notierte: „Robert hat zu seiner Phantasie für Klavier und naheliegend, sich dem Publikum als Pianist und Komponist zu- Orchester in A-moll einen letzten schönen Satz gemacht, so daß gleich in einem eigenen Klavierkonzert zu präsentieren. Dem Vor- es nun ein Konzert geworden ist, das ich nächsten Winter spielen bild solcher Virtuosenkonzerte, wie sie Johann Nepomuk Hum- werde.“5 Schumann entschloss sich aber zur Ergänzung eines An- mel, Friedrich Kalkbrenner, Henri Herz oder John Field entwickelt dantino grazioso, das bereits am 16. Juli als in der Partitur abge- hatten, eiferte auch der junge Robert Schumann nach. Zwischen schlossen vermerkt werden konnte. Die Phantasie arbeitete er 1827 und 1831 sind mindestens vier Versuche zur Komposition zum Kopfsatz des Konzerts um, der nach der Schlussdatierung in eines Klavierkonzertes nachgewiesen, die allerdings nicht über der Partitur am 29. Juli beendet wurde. Kurz darauf wurde der Ansätze hinausgelangten. In den nachfolgenden Jahren lassen Dresdner Kopist Carl Mehner, der bereits den Solopart für den Schumanns Rezensionen in der Neuen Zeitschrift für Musik ein Kopfsatz in die Partitur eingetragen hatte, mit dem Ausschreiben verändertes Verständnis der Gattung erkennen. Als wegweisend der Orchesterstimmen beauftragt. Die für den Herbst geplante empfand er nun die formal freiere Konzeption, die insbesondere Premiere kam nicht zustande, sodass die Uraufführung des Kla- Ignaz Moscheles verfolgte. In der Besprechung von dessen 6. Kla- vierkonzertes erst am 4. Dezember 1845 in Dresden stattfand. vierkonzert op. 90 mit dem bezeichnenden Beinamen Concerto Ferdinand Hiller, der spätere Widmungsträger des Werks, diri- fantastique reflektierte er über ein Konzertmodell, das – wie spä- gierte das Orchester der Abonnementkonzerte, Solistin war Clara ter Liszts Entwurf der Sinfonischen Dichtung – die verschiedenen Schumann. Wichtiger als dieses nur mäßig besuchte Sonderkon- Satzcharaktere der Sonatenform in einem einzigen Satz vereini- zert war die Leipziger Erstaufführung am 1. Januar 1846. Felix gen sollte: „Man müßte auf eine Gattung sinnen, die aus einem Mendelssohn Bartholdy leitete die Proben, für die Aufführung größern Satz in einem mäßigen Tempo bestände, in dem der vor- überließ er vermutlich Niels W. Gade seinen Platz. Der Erfolg des bereitende Theil die Stelle eines ersten Allegros, die Gesangstelle Konzerts, der sich Presseberichten zufolge sowohl auf die Quali- die des Adagio und ein brillanter Schluß die des Rondos vertreten. tät des neuartigen Werks wie auf den Vortrag Clara Schumanns Vielleicht regt die Idee an, die wir freilich am liebsten mit einer gründete, führte endlich auch zur Annahme von Schumanns eignen außerordentlichen Composition wahr machen möchten.“1 op. 54 durch einen Verlag: Im Juli 1846 erschienen bei Breitkopf Ein erster Versuch von Anfang 1839, der Klavierkonzertsatz d- & Härtel die Erstausgaben von Solopartie und Orchesterstimmen. moll, den Schumann selbst als „Mittelding zwischen Symphonie, In diesem Zusammenhang erhielten die beiden neuen Sätze auch Concert u. großer Sonate“2 bezeichnete, blieb noch Fragment. ihre definitive Bezeichnung: Das Andantino grazioso wurde mit Ein weiterer jedoch vom Frühjahr 1841 mündete in eine einsätzige Intermezzo betitelt, für das abschließende Allegro vivace entfiel Phantasie ein, nachdem Schumann in seinem Projectenbuch den die Überschrift Rondo. Plan mit dem Eintrag „Clavierconcert nach eigner Form“3 bekräf- Wie Bernhard R. Appel überzeugend darlegen konnte, lässt sich tigt hatte. Dem Haushaltbuch zufolge entstand der Entwurf zu die einsätzige Phantasie-Fassung, deren Entwurf und Partitur ver- dieser Phantasie vom 4. bis 14. Mai 1841, und bereits am 20. Mai schollen sind, nicht mehr rekonstruieren.6 Das heute erhaltene war die Instrumentierung der Partitur abgeschlossen.4 Anfang Autograph des Klavierkonzerts geht zwar im ersten Satz auf die August unterzog Schumann das Werk einer Revision und ließ Or- originale Klavierstimme dieser Phantasie zurück, das Ausmaß der chesterstimmen für zwei nichtöffentliche Probeaufführungen aus- Umarbeitung lässt sich aber nicht mehr genau einschätzen. Frag- schreiben, die am 13. August 1841 mit dem Gewandhausorche- los blieben Substanz und Grundkonzeption bei der Revision erhal- ster unter der Leitung von Ferdinand David mit Clara Schumann ten, hatte doch Clara Schumann bereits nach den Proben der am Klavier stattfanden. Die Erfahrungen dieser Proben schlugen Phantasie am 13. August 1841 die zukunftsweisende Partner- sich in einer erneuten Durchsicht nieder, die insbesondere die In- schaft von Solo und Tutti auf den Punkt gebracht: „Das Clavier ist strumentation betraf. Da alle Versuche zur Drucklegung der Kom- auf das feinste mit dem Orchester verwebt – man kann sich das position fehlschlugen, unterblieb auch jede öffentliche Auffüh- Eine nicht denken ohne das Andere.“ Besondere Schwierigkeiten rung. Im Februar 1843 wurde ein letztes Mal die Uraufführung im bei der Erweiterung zum Klavierkonzert bereitete Schumann der Rahmen eines Konzerts einer befreundeten Sängerin in Leipzig er- Übergang vom Intermezzo zum Finale. Es lassen sich anhand der wogen, der Plan aber schließlich doch verworfen. Im Vorfeld die- Korrekturschichten im Partiturautograph insgesamt sieben ver- ses Konzerts nahm sich Schumann im Januar 1843 die Phantasie schiedene Versionen unterscheiden.7 Schumann entschied sich nochmals vor: „An d. ,Phantasie‘ viel gearbeitet“ und „Fleißig am schließlich für eine auskomponierte Überleitung, die thematisch Concertstück“ vermerkt das Haushaltbuch am 11. bzw. 13. Januar auch den Kopfsatz mit einbezieht und damit unmittelbar auf das 1843. Aber auch im Herbst und Winter 1843 sollten seine Bemü- Vorbild von Moscheles’ erwähntem 6. Klavierkonzert zurückver- hungen um eine Publikation fruchtlos bleiben, sodass er das Werk weist. zunächst zur Seite legte. Eine Aufführung des Werks im Rahmen des Niederrheinischen Ob es einen konkreten Anlass für Schumann gab, im Sommer Musikfestes 1853 veranlasste Schumann zur kritischen Durchsicht 1845 die einsätzige Komposition zu einem Konzert zu erweitern, der Orchesterstimmen. In seinem Brief vom 19. Mai 1853 an Her- ist nicht bekannt. Tagebucheinträgen zufolge entstand zunächst mann Härtel legte er einen Korrekturzettel bei und machte zudem der ursprünglich als Rondo bezeichnete Finalsatz: die Skizze spä- auf eine Instrumentationsänderung in den Streichern aufmerk- testens vom 14. bis 17. Juni, die Instrumentierung, der die Über- sam. Ausdrücklich ist dabei von einer Partitur im Besitz von Breit- tragung der Solostimme in die spätere Partitur des Klavierkonzerts kopf & Härtel die Rede, die vermutlich aus den gedruckten Stim- voranging, vom 1. bis 12. Juli. Clara Schumann erachtete das men spartiert worden war und direkt oder indirekt die Vorlage für zweisätzige Werk als abgeschlossen, da sie in ihrem Tagebuch am die postume Erstausgabe der Partitur von 1862 bildete (vgl. Revi- PB 15121 Vorw d-e.qxp 23.02.2010 11:34 Seite 2 sionsbericht).8 Da sowohl der Korrekturzettel als auch die Ver- Für die freundliche Bereitstellung der Quellen sei dem Heinrich- lagspartitur verschollen sind, lässt sich nicht mehr entscheiden, ob Heine-Institut, Düsseldorf, dem Robert-Schumann-Haus, Zwickau, bzw. inwieweit Veränderungen im Partiturerstdruck auf Schu- sowie der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky, mann selbst zurückgehen. Die Hauptquellen für die vorliegende Hamburg, gedankt. Ausgabe bilden daher die von Schumann autorisierten Erstausga- Buchloe, Frühjahr 2010 Peter Jost ben von Solo- und Orchesterstimmen aus dem Jahre 1846. Ein authentischer oder autorisierter Klavierauszug von op. 54 liegt nicht vor. Zwar hatte Schumann im August 1841, unmittelbar nach den erwähnten Probeaufführungen der Phantasie, dem Ver- 1 Pianoforte. Concerte, in: Neue Zeitschrift für Musik, Bd. 4, 1836, S. 123. leger Friedrich Kistner auch ein Arrangement für zwei Klaviere an- 2 Brief an Clara Wieck vom 26. Januar 1839, Clara und Robert Schumann. geboten, nach der Erweiterung zum dreisätzigen Konzert kam er Briefwechsel. Kritische Gesamtausgabe, hrsg. von Eva Weissweiler, Bd. 2, darauf aber nicht mehr zurück. Erst im Zusammenhang mit der Basel etc. 1987, S. 367. Drucklegung der Partitur erschien postum 1861 – ebenfalls bei 3 Zitiert nach Robert Schumann. Neue Ausgabe sämtlicher Werke, Serie I, Werkgruppe 2, Bd. 1: Klavierkonzert a-Moll op. 54, hrsg. von Bernhard Breitkopf & Härtel – eine mutmaßlich von Carl Reinecke stam- R. Appel, Mainz etc. 2003 [= RSA], S. 180. mende Bearbeitung des Orchestersatzes für Klavier. 4 Schumanns Tagebücher hier und im Folgenden zitiert nach Robert Schu- Trotz der Widmung an Ferdinand Hiller war das Werk von Anfang mann. Tagebücher, Bd. II: 1836–1854, hrsg. von Gerd Nauhaus, Leipzig an sehr eng mit Clara Schumann verbunden. Möglicherweise ver- 1987, Bd. III: Haushaltbücher 1837–1856, hrsg. von Gerd Nauhaus, birgt sich in der Tonfolge des Hauptmotivs zu Beginn des Werks, Leipzig 1982. C–H–A–A, sogar eine verborgene Chiffre für „Chiara“, Claras 5 Berthold Litzmann, Clara Schumann. Ein Künstlerleben. Nach Tagebü- Namen im fiktiven „Davidsbund“.9 Sie nahm das Konzert un- chern und Briefen, 3 Bde., Bd. II: Ehejahre 1840–1856, Leipzig 61920, mittelbar in ihr Repertoire auf und war bis 1850 ausschließliche S. 133. 6 Vgl. RSA, S. 190–192. Interpretin des Soloparts bei allen öffentlichen Darbietungen. Von 7 Vgl. RSA,