Swiss Philosophical Preprint Series

# 108

Anja Leser

Bewusstsein Philosophisches Themendossier

added 13/10/2013

ISSN 1662-937X

© Anja Leser Philosophisches Themendossier Bewusstsein

Dieses Dossier befasst sich mit den philosophischen Perspektiven zum Thema Bewusstsein: Was kennzeichnet „das Geistige“ und hat es ein einheitliches Merkmal? Wie kommt die Welt in den Kopf? Was bedeutet „subjektiv“ und ha- ben auch Tiere und Pflanzen ein Bewusstsein? Inhaltsverzeichnis

• Einleitung ...... 3 • Ein Blick in die Geschichte ...... 4 • Weshalb ist das Phänomen Bewusstsein problematisch? ...... 6 • Was ist Bewusstsein? ...... 8 • Ein Merkmal des Geistigen ...... 10 • Über die Theorien zum Bewusstsein ...... 12 • Haben Tiere ein Bewusstsein?...... 14 • Subjektives Wissen ...... 15 • Quantentheorie und Bewusstsein ...... 16 • Glossar ...... 18 • Quellen ...... 19

Aufbau des Themendossiers Der Verein Philosophie.ch

Um dem Leser die Herkunft der Fragestel- Der Verein Philosophie.ch erstellt die The- lungen dieses Themendossiers aufzuzei- mendossiers unter dem Aspekt der Wissen- gen, wird dieses auf Seite 4 mit einem Blick schaftskommunikation. Mehr Informationen in die Geschichte eröffnet. Anschliessend zu Philosophie.ch finden Sie auf wird diskutiert, weshalb Bewusstsein über- www.philosophie.ch/about. haupt mit solch grossen Schwierigkeiten besetzt ist. Es wird darauf Wert gelegt, die Herzstücke Im Kapitel „Was ist Bewusstsein?“ sind ei- der philosophischen Debatten zu umreis- nige Möglichkeiten genannt, was man un- sen. Dabei werden z.T. einige Argumenta- ter dem Begriff verstehen kann. Auf Seite tionsschritte der einzelnen Theorien aus- 10 und 11 wird das Thema „Intentionalität“ gelassen; der Leserschaft stehen jedoch eingeführt, welches einen Meilenstein für mittels dem Quellenverzeichnis und den Li- die Philosophie des Geistes darstellt. Die teraturtipps (online) beste Möglichkeiten zur anschliessenden Seiten befassen sich mit Verfügung, eigene Fragen zu den Theorien den unterschiedlichen Herangehenswei- selbstständig weiterzuverfolgen. sen – auch der Begriff „Bewusstsein“ findet dort seine weiterführenden Präzisierungen. Das Themendossier steht online als PDF- Im Kapitel „Haben Tiere ein Bewusstsein?“ Download auf www.philosophie.ch/themen- erfährt der Leser, welche Schwierigkeiten dossiers zur Verfügung. diese Frage bietet und weshalb sie sich nicht leicht beantworten lässt. Auf Seite 15 Die Reihe der philosophischen Themen- begegnet der Leser „Mary“, die zum ersten dossiers wird durch die freundliche Unter- Mal im Leben eine Tomate sieht, bevor zum stützung der Dr. Charles Hummel Stiftung Abschluss des Dossiers die Erkenntnisse ermöglicht. der Quantenphysik für die Philosophie des Geistes fruchtbar gemacht werden.

2 Einleitung

Bewusstsein, der Geist, die Seele: Ist das alles dasselbe? Die Frage, ob das Geistige – also beispielsweise Gedanken, Gefühle, Wünsche oder dergleichen – etwas „Reales“ ist oder etwas Nichtphysisches, beschäftigt die Philosophie des Geistes seit Jahrhunderten. Dass diese Frage aber keineswegs eine ist, die im Alltag keine Rolle spielt, zeigt sich spätestens daran, wenn die eigene Wahrnehmung von anderen für falsch erklärt wird.

Die Philosophie des Geistes ist ein weites orien leuchten intuitiv ein – zumindest auf Feld, weshalb im vorliegenden Dossier den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen hauptsächlich das Phänomen „Bewusst- ergeben sich dann aber Schwierigkeiten, sein“ im Fokus steht. Was ist Bewusstsein die sich mit der Intuition, dass Bewusstsein denn überhaupt? Neben einer Aufzählung ein gut erklärbares Phänomen ist, kreuzen. von diversen mentalen Zuständen kommen schnell Schwierigkeiten auf, wenn es darum So fragt sich auch, ob Tiere ein Bewusst- geht, diese Frage zu beantworten. Gibt es sein haben – ja, was ist mit Pflanzen oder denn vielleicht ein Kriterium oder ein ein- Gegenständen? Wie kann ein Tier zu ei- heitliches Merkmal für das Geistige? ner Handlung motiviert sein, wenn es keine Gedanken hätte? Wie können Gedanken, Um an der Wurzel der philosophischen De- wenn sie nicht als etwas Physisches ver- batte zu beginnen, wird ein Blick in die Ge- standen werden, überhaupt eine kausale schichte geworfen: „Die Seele ist unsterb- Ursache für Handlungen darstellen? lich“ war für einen Griechen wie Platon ein gewöhnlicher Satz. Und auch Descartes All solche Fragen werden im vorliegenden hielt den Geist für „normal“, sogar „norma- Themendossier behandelt – wenn auch ler“ und erkennbarer als den Körper. Doch nicht abschliessend –, denn das Rätsel, wie bis heute findet niemand eine Antwort da- es sein kann, dass Bewusstsein existiert, ist rauf, was der Geist denn wirklich ist und aus bis heute nicht gelöst. Aber einige der Ant- was er besteht. Die Physikalisten vertreten wortversuche führen die Leserschaft nahe die Auffassung, dass Bewusstsein eine Illu- an die eigenen Intuitionen heran, um auch sion ist und unsere Gedanken einfach das auf Folgendes aufmerksam zu machen: „Feuern der Neuronen“ im Gehirn. Wenn es heisst, sich eine eigene Meinung zu bilden, bedeutet dies, sich ganz bewusst Aber ist es wirklich so einfach? Was ge- den eigenen Gedanken zu stellen und dabei schieht denn, wenn wir uns vorstellen, wie es nicht den Mut zu verlieren, wenn die Ent- ist, eine Fledermaus zu sein? Lässt sich der scheidung, welche Theorie die beste ist, qualitative Charakter eines Bewusstseins- nicht schnell zu fällen ist. zustandes denn wirklich auf die Gehirnak- tivität reduzieren? Die diversen Theorien in Online auf www.philosophie.ch/td12 finden der Philosophie des Geistes geben auf sol- Sie Literaturtipps und weiterführende Inter- cherlei Fragen nicht nur eine, sondern sogar netlinks. viele Antworten. Manche von diesen The-

3 Ein Blick in die Geschichte

In der westlichen Welt herrscht die Vor- In der Neuzeit wird das Leib-Seele-Problem stellung vor, dass der Mensch aus einem aus einer anderen Perspektive betrachtet. Körper und einer Seele besteht. Dieses Peter Bieri hob hervor, dass hierbei meist Menschenbild ist geprägt durch die Überle- drei Thesen gleichzeitig für wahr gehalten gungen des Philosophen René Descartes werden, obwohl diese eigentlich nicht kom- und stellt einen Abbruch zu der antiken Idee patibel sind: des Menschen dar. Bis zum heutigen Tag 1. „Mentale Phänomene sind nicht-phy- gibt es zwei Grundpositionen, welche die sische Phänomene. Ausgangslage aller Diskussionen der „Phi- 2. Mentale Phänomene sind im Bereich losophie des Geistes“ prägen. Zum einen physischer Phänomene kausal wirksam. wird vertreten, dass der Geist und die See- 3. Der Bereich physischer Phänomene ist le als materielle Phänomene verstanden kausal geschlossen.“ (3) werden müssen. Zum anderen besteht die Die sogenannte „dualistische“ Konzeption Auffassung, dass das Geistige etwas Im- – also, dass Körper und Geist voneinander materielles ist oder zumindest nicht als rein getrennt betrachtet werden müssen – wurde materielles Phänomen betrachtet werden stark von René Descartes geprägt: Durch kann. (1) seinen oft zitierten Satz „Ich denke, also bin ich“ (4) kommt Descartes gar Berühmtheit Die Frage, wie das Verhältnis von Körper zu. Den Hintergrund dieses Zitates stellt und Geist – oder anders ausgedrückt Leib seine Arbeit über den methodischen Zweifel und Seele – zu erläutern ist, stellt somit eine und seine Suche nach sicherem Wissen dar. Grundfrage der Philosophie des Geistes So entwickelte er in einem dreistufigen Ge- dar. Im 5. Jahrhundert v. Chr. entstand in dankenexperiment folgende These: der klassischen griechischen Philosophie Da erstens Sinneswahrnehmungen täu- die Vorstellung der immateriellen Natur der schen können, stellen diese keine sichere Seele, womit vor allem die Idee der Un- Erkenntnisquelle dar. Zweitens kann es sterblichkeit verbunden wurde. Einer der einem im Schlaf träumenden Menschen so herausragenden Vertreter dieser These ist vorkommen, als ob er wach wäre und in der Platon, der in verschiedenen Texten (bei- Realität ist. Somit können wir nicht sicher spielsweise in „Menon“ und „Phaidon“) auf sein, ob wir uns nicht sogar ständig über un- diese Fragestellung eingeht. seren Bewusstseinszustand irren – weshalb Plato charakterisiert die Seele folgender- auch dieser kein sicheres Wissen ermöglicht. massen: Im dritten Schritt versucht er, noch radikaler • „Die Seele ist im Gegensatz zum Körper einen Satz zu entdecken, der allem Zweifel nicht sterblich. standhält: „Er überlegt, ob es nicht denkbar • Die Seele wird mehrfach geboren. ist, dass ihn ein allmächtiger böser Dämon • Die Seele hat vor ihrer Geburt (Ver- hinsichtlich aller seiner Bewusstseinsinhalte bindung mit einem Körper) ein un- und Überzeugungen täuscht. Hiermit wer- beschränktes Wissen, sie schaut die den nun auch die mathematischen Sätze Ideen. Die Geburt ist gleichbedeutend (z.B. „3 + 2 = 5“) und die abstrakten Wahr- mit einem Wissensverlust oder dem Ver- heiten von dem Zweifel erfasst. Nicht nur die gessen des in der Betrachtung der Ideen Überzeugungen hinsichtlich der materiellen zugänglichen Wissens. Gegenstände sind in Zweifel gezogen, son- • Das Lernen der Menschen ist nichts an- dern schlechterdings alle Überzeugungen deres als ein Sich-Erinnern an das (vor- erscheinen hinfällig. Alles, was für wahr ge- geburtliche) Wissen.“ (2) halten wird, könnte das Resultat der Mani-

4 pulation eines allmächtigen Manipulators Wie unterschiedlich die verschiedenen An- sein. Die einzige Überzeugung, die sich als sätze und deren Konsequenzen auch sein zweifelsresistent erweist, ist die Überzeu- mögen, vereint werden sie allesamt durch gung, dass es einen Denker gibt, der alle die zentrale Ausgangsfrage der Philoso- diese möglicherweise irrtümlichen Gedan- phie des Geistes: Was ist das Geistige? ken denkt.“ (5) Mentale Aktivitäten umfassen ja einige As- Daraus folgte für René Descartes, „dass ich pekte, so wie auch Dieter Teichert auf deren eine Substanz bin, deren ganzes Wesen Vielzahl hinweist: oder deren Natur nur darin besteht, zu den- • „Wissen ken und die zum Sein keines Ortes bedarf, • Erkennen noch von irgendeinem materiellen Dinge • Sprechen abhängt, so dass dieses Ich, d.h. die Seele, • Wahrnehmen durch die ich das bin, was ich bin, völlig ver- • Empfinden schieden ist vom Körper, ja dass sie sogar • Fühlen leichter zu erkennen ist als er, und dass sie, • Wollen selbst wenn er nicht wäre, doch nicht auf- • Wählen hörte, alles zu sein, was sie ist.“ (6) • Entscheiden • Handeln Descartes These wirft viele Fragen auf, da- • Bewusstsein.“ (8) runter auch folgende drei: Teichert schreibt im Weiteren auch: „Tat- • Sind Körper und Geist tatsächlich unter- sächlich stehen die meisten mentalen Pro- scheidbar? zesse und Zustände in einem Zusammen- • Sind Körper und Geist unabhängig von- hang mit dem Phänomen des Bewusstseins. einander? Also könnte es beispielswei- Während die empirischen Wissenschaften se denkende Dinge geben, welche nicht nach kausalen Bedingungen für das Auf- körperlich vorhanden sind? treten bestimmter bewusster Erlebnisse • Sind Körper und Geist derart unabhän- suchen, gilt das philosophische Interesse gig voneinander, dass ein Geist nur zu- der Analyse und Erläuterung des Begriffs fällig in einem Körper ist? (7) „Bewusstsein“. Philosophen fragen danach, ob es begrifflich sinnvoll ist, die Möglichkeit Trotz der unzähligen philosophischen Pro- zu erwägen, dass Bewusstseinszustände bleme von Descartes These wird diese identisch mit bestimmten Zuständen des heutzutage als Paradebeispiel für den so- zentralen Nervensystems (ZNS) sind. Oder genannten „Substanzdualismus“ angewen- sie überlegen, ob der Begriff des Bewusst- det. seins von der Art ist, dass man Bewusstsein auf neuronale Aktivitäten reduzieren kann. Doch bedeutet dies, dass zwischen Geist (...) Neben der Analyse von Grundbegriffen und Körper eine Wechselwirkung bestehen und des Zusammenhangs verschiedener muss? Kann etwas Mentales – also räum- Begriffe leisten Philosophen als Wissen- lich Unausgedehntes – die Ursache eines schaftstheoretiker einen wesentlichen Bei- physischen Zustandes sein? Wenn Körper trag, der gerade für die Einzelwissenschaf- und Geist absolut voneinander komplett ten, die mentale Phänomene erforschen, unabhängig sind und nicht interagieren von Bedeutung ist. Als Wissenschaftstheo- können, könnte bspw. der Wille zum Kühl- retiker begleiten Philosophen die einzelwis- schrank zu gehen, folgenlos bleiben. Diese senschaftliche Theoriebildung mit kritischer Frage wird in der Philosophie „das Problem Aufmerksamkeit und sie konstruieren die der mentalen Verursachung“ genannt, wo- Strukturen der wissenschaftlichen Theo- rauf im Kapitel „Theorien zum Bewusstsein“ rien. (...) In allen diesen Fällen ist die be- auf Seite 12 des Themendossiers näher griffliche Differenzierungskompetenz der eingegangen wird. Philosophie vonnöten.“ (9)

5 Weshalb ist das Phänomen Bewusstsein problematisch?

Die Beziehung zwischen Geist und Welt um- Zuständen sich solch einer Beschreibung schliesst nicht nur viele Aspekte, sondern entzieht. Wie es sich beispielsweise für je- ebenfalls einige Probleme. Die sogenann- manden anfühlt, einen gebrochenen Kno- te „Naturalisierung des Geistes“ stellt dabei chen zu haben, zeigt weder ein Röntgenbild einen wichtigen Ausgangspunkt dar. Unter noch gibt es eine andere naturwissen- Naturalismus versteht man die Auffassung, schaftliche Erklärungsweise für die Qualität dass die Welt eine natürliche Angelegenheit von Empfindungen. In der Philosophie des ist und somit durch Naturgesetze vollstän- Geistes wird dieser Umstand als „ dig beschrieben wird. Bezeichnet man mit Problem“ bezeichnet. „Natur“ ausschliesslich physische Phäno- mene – wovon der sogannte Reduktionis- Einer der Vertreter solch eines antiredukti- mus ausgeht –, so fragt sich, ob Bewusst- onistischen Ansatzes ist , sein entweder als Teil dieser physischen der behauptet, dass Bewusstsein zwar auf Natur oder aber als inexistent und als Illusi- materiellen Gegebenheiten des Gehirns on zu verstehen ist. basiert, jedoch nicht darauf reduziert wer- den kann. (10) Ihm entgegengesetzt vertritt Vertreter des Anti-Reduktionismus weisen eine materialistische Auf- seit dem frühen 18. Jahrhundert darauf hin, fassung: Für ihn ist das Bewusstsein nicht dass Bewusstsein nicht komplett durch die mehr als das „Feuern“ von Neuronen, womit Naturwissenschaften beschrieben werden eine naturwissenschaftliche Erklärbarkeit kann. Dies unter anderem deshalb, weil gegeben ist. (11) Für Chalmers handelt es die Qualität des Erlebens von bewussten sich hierbei um eine zirkuläre These: „Viele Wissenschaftler definieren Bewusstsein zu- nächst als die Information, die für verschie- dene Hirnregionen global verfügbar ist. Eine solche Zugänglichkeit von Information ist von einem neuronalen Prozess, von Wahr- nehmung, Aufmerksamkeit, Erkennen und Erinnern abhängig. Dieses neuronale Kor- relat von Bewusstsein sollte also im Ideal- fall die Verfügbarkeit von Informationen im Gehirn erklären und damit gleichzeitig dem Bewusstsein zugrunde liegen.“ (12)

Doch mit dieser Uneinigkeit ist noch längst kein Ende der Debatte in Sicht. Ulrich Schnabel und Andreas Sentker fassen die- se folgendermassen zusammen: „Da ste- hen auf der einen Seite immer noch die „Dualisten“, die glauben es gebe auf der Welt zwei fundamental voneinander unter- schiedene Arten von Phänomenen, nämlich physische und psychische. Ihnen halten die „Monisten“ entgegen, es gebe nur eine Art von Dingen. Die Monisten bilden wiederum zwei Gruppen: Die Idealisten unter ihnen

6 sind davon überzeugt, alles auf dieser Welt sei letzten Endes geistig, während moderne Materialisten wie Dennett und Churchland alles auf physikalische Phänomene zurück- führen. Der Ismen nicht genug, spalten sich auch die Dualisten in zwei Fraktionen auf. Die einen, wie etwa der Nobelpreisträger John Eccles, glauben, Geist und Materie be- ruhen auf zwei verschiedenen Substanzen oder Dingen. Die Eigenschaftsdualisten wie David Chalmers setzen dagegen, die Welt sei zwar aus einer Substanz, aus Atomen und Molekülen, aufgebaut, doch seien die geistigen und die materiellen Eigenschaften dieser Substanz voneinander unterscheid- bare und getrennte Phänomene.“ (13)

Doch was bedeutet es schon, wenn sich ei- zu verstehen sind. Dieser Auffassung ent- nige Fachpersonen nicht einig sind – spür- spricht die Vorstellung, dass Tiere keine bare Konsequenzen scheint dieser Twist für Schmerzen empfinden. Ein jaulender Hund den menschlichen Alltag keine zu haben. reagiert mit seinem Jaulen – wie eine Ma- Oder weshalb sonst ist das Phänomen Be- schine – somit nur auf eine Ursache. Diese wusstsein problematisch? Vorstellung hat sich in den letzten Jahrhun- Diese Frage lässt sich hinsichtlich der di- derten stark gewandelt und mit ihr auch der versen Konsequenzen verschieden beant- menschliche Umgang mit Tieren. worten. So lässt sich dafür argumentieren, dass der Mensch – so lange er „sich selbst“, Doch es gibt noch weitere Aspekte: Wie ist sein Gehirn und sein Bewusstsein nicht ver- es für einen Menschen, wenn sein emotio- steht – kaum fähig sein kann, tatsächlich nales Innenleben für inexistent erklärt wird? „Wissen“ über die Welt zu erlangen. Ne- Oder kann man sagen, dass subjektives ben der Schwierigkeit, den Begriff „Wissen“ Empfinden prinzipiell falsch ist und kein Be- überhaupt zu definieren, scheint es nahe- standteil der Realität ist, nur weil es „privat“ liegend, dass zuerst der Apparat des Ver- ist? Anhand dieser Fragen lässt sich erken- stehens (also das Gehirn) verstanden wer- nen, dass die Konsequenzen der Theorien den muss, um die Entstehungsweise von der Philosophie des Geistes eigentlich äus- „Wissen“ erklären zu können. Aber auch die serst lebensnah sind. So ist beispielsweise der Philosophie des Geistes zu Grunde lie- auch die Überzeugung, dass es Gott gibt, genden Fragen wie „Was ist Materie?“ oder eng mit subjektiven Einstellungen verbun- „Was ist Zeit und Raum?“ und „Was ist Kau- den. Auch die Art und Weise wie Menschen salität?“ sind ebenfalls keineswegs bedeu- Werte beurteilen, wie z.B. das universelle tungslos für das menschliche Leben. Menschenrecht, stellt eine Konsequenz Eine weitere Antwort bezieht sich auf den dar. Sind diese Werte rein persönlicher Na- Umgang des Menschen mit der Welt und tur durch uns Menschen generiert oder sind seiner Position in ihr: Was wäre, wenn auch sie etwas, was in den Dingen selbst steckt Tische und Steine bewusstseinsfähig sind? und unsere Empfindung des „Wertvollen“ Ändert dies nicht sofort unsere moralische gar als eine Reaktion aufzufassen ist? Einstellung diesen „Dingen“ gegenüber? Alle diese Beispiele zeigen, dass die Philo- René Descartes hatte zu seiner Zeit die sophie des Geistes mit der Frage, „wie die These vertreten, dass Tiere – im Gegen- Welt in den Kopf kommt“ keineswegs spur- satz zum Menschen – eher als Maschinen los an den Menschen vorübergeht.

7 Was ist Bewusstsein?

Das Phänomen Bewusstsein lässt sich unterschiedlich charakterisieren. Der Materialist hat die Frage, was Bewusstsein ist, mit sieben charakteristischen Merk- malen zu beantworten versucht: 1. „Bewusstsein ist mit Gedächtnis verbunden. Es ermöglicht uns wahrzunehmen, wie sich unser physischer und psychischer Zustand im Laufe der Zeit verändert und entwi- ckelt. Das erfordert die Erinnerung an unmittelbar vorangegangene Geschehnisse und damit eine Form von Gedächtnis. 2. Bewusstsein ist unabhängig von Sinneswahrnehmungen. Auch wenn wir Augen und Ohren verschliessen, bleibt das Bewusstsein bestehen. Wir können von der Zukunft träumen, in die Vergangenheit abschweifen oder in einem komplexen Gedankengebäu- de umherwandern – all das ohne direkte Information von den Sinnesorganen. 3. Bewusstsein beinhaltet steuerbare Aufmerksamkeit. Wir können es mal auf diesen, mal auf jenen Punkt konzentrieren, jetzt auf eine Wahrnehmung, im nächsten Moment auf eine andere. 4. Bewusstsein befähigt uns, komplizierte oder uneindeutige Zusammenhänge auf ver- schiedene Arten zu interpretieren. Das trennt bewusstes von instinktivem Handeln. 5. Bewusstsein setzt die Fähigkeit zu Bewusstlosigkeit voraus. Der Schlaf ist der übliche Weg, das Bewusstsein zu verlieren. Noch ist jedoch unklar, wie genau und vor allem warum wir regelmässig in tiefe Bewusstlosigkeit fallen. 6. Bewusstsein taucht – wenn auch in veränderter und ungeordneter Form – wieder auf, wenn wir im Schlaf träumen. Der Unterschied zwischen wachem und träumendem Be- wusstsein gehört gegenwärtig wohl zu den spannendsten Fragen neurobiologischer Forschung. 7. Bewusstsein umfasst die Inhalte mehrerer sinnlicher Erfahrungsmodalitäten innerhalb einer einzelnen Erfahrung. Die Informationen von den Sinnesorganen werden zu einem geschlossenen konsistenten Ganzen integriert.“ (14)

CC: Fae Auf Wikipedia lesen wir hingegen folgende Definition: „Bewusstsein (lat. conscientia „Mitwis- sen“ und agr. συνείδησις syneidesis „Miterscheinung“, „Mitbild“, „Mitwissen“, συναίσθησις Mitwahrnehmung, Mitempfindung und φρόνησις von φρονεῖν bei Sinnen sein, denken) ist im weitesten Sinne die erlebbare Existenz mentaler Zustände und Prozesse.“ (15) Wie steht es nun um die Definition von Paul Churchland, wenn man diese in Verbindung bringt mit der „erlebbaren“ Komponente von Bewusstsein, welche das Hauptmerkmal dar- zustellen scheint? Kann Churchland mit seiner Definition erklären, wie das Bewusstsein einer Person für diese ist, also wie es erlebt wird?

8 Die Frage der Subjektivität und nach der kalische Auswirkungen von Zuständen des Qualität des Bewusstsein-Erlebnisses wird phänomenalen Bewusstseins sind jedoch durch Dennetts Charakterisierung nicht be- nur dann verständlich, wenn diese Zustän- antwortet, was spätestens durch das be- de funktional sind und wenn es mindestens rühmte Gedankenexperiment von Thomas eine Identität der Vorkommnisse zwischen Nagel gezeigt wurde. Nagels Aufsatz aus diesen Zuständen und physikalischen Zu- dem Jahre 1974 „What is it like to be a bat?“ ständen gibt. Gäbe es diese Identität nicht, (16) fragt danach, wie es ist, eine Fleder- wären die Zustände des phänomenalen Be- maus zu sein. wusstseins entweder Epiphänomene oder Ulrich Schnabel und Andreas Sentker be- man müsste einen interaktionistischen schreiben die Antwort folgendermassen: Dualismus vertreten, der zu einem Konflikt „Auf den ersten Blick scheint die Antwort mit der Physik führt, oder man müsste eine einfach. Fledermäuse können Ultraschall regelmässige Überbestimmung akzeptie- wahrnehmen. Ihre Sinnesorgane und die ren.“ (18) entscheidenden Teile ihres Nervensystems sind recht gut erforscht. Die Neurowissen- Wir erkennen, dass die Frage „Was ist Be- schaftler wissen, wie die Signale aufgenom- wusstsein?“ keineswegs einfach zu beant- men und verarbeitet werden und das Ver- worten ist, ausser man beschränkt sich da- halten der Tiere steuern. Doch spätestens rauf, auf den „Erlebnisfaktor“ zu verweisen. hier stösst die Forschung in den Augen Na- Die Innenperspektive (siehe unten) eines gels an ihre Grenzen. Selbst wenn man das Lebewesens zu erfassen und beispielswei- komplexe neuronale Geschehen im Gehirn se zu empfinden wie eine Fledermaus emp- irgendwann einmal vollständig beschreiben findet, bleibt bis auf Weiteres ein unlösbares könne, schreibt er, sei es dennoch unmög- Rätsel. Dementsprechend kann sich jeder lich, daraus Bewusstsein und subjektives Mensch am besten selbst beantworten, wie Empfinden abzuleiten. Der neuronale Pro- sein eigenes Bewusstsein ist und sollte sich zess der Echoortung bei Fledermäusen ver- dadurch eine Vorstellung machen können, rate nichts darüber, was es bedeute, eine wie sich andere Bewusstseine anfühlen Fledermaus zu sein. Ein gähnendes Loch könnten. der Unerklärbarkeit tue sich auf, die „expla- natorische Lücke“.“ (17)

Doch bedeutet das nun, dass der neuro- nale Vorgang im Gehirn nicht dasselbe ist wie unser Bewusstsein in diesem spezi- fischen Moment? Lässt man sich von Tho- mas Nagels Argument überzeugen – und anerkennt man, dass es sich scheinbar bei den bewussten Zuständen um eine andere Beschreibungsebene handeln muss als bei den neuronalen Vorgängen –, schliesst sich eine wesentliche Frage an: Inwiefern stehen diese zwei Phänomene miteinander in Be- ziehung? Sind sie identisch oder laufen sie parallel und sind unabhängig voneinander? Oder löst der neuronale Zustand als Funkti- on den Bewussteinszustand aus? Michael Esfeld schreibt hierzu: „Die Zustän- de des phänomenalen Bewusstseins haben Auswirkungen auf unser Verhalten. Physi-

9 Ein Merkmal des Geistigen

Wenn sich die Frage, was Bewusstsein ist, Dabei stellt der intentionale Gehalt denjeni- tatsächlich nur ungenau beantworten lässt, gen Aspekt dar, welcher die Art und Weise, gibt es dann nicht zumindest ein Merkmal wie das Objekt im Modus präsentiert wird, des Geistigen, welches auch das Bewusst- beschreibt. sein auszeichnet? Tim Crane beantwortet diese Frage folgendermassen: „Ich meine Aber nicht alle Philosophinnen und Philo- ja. Der Begriff der „Intentionalität“ liefert uns sophen halten die These für wahr oder zu- die Antwort. Die Philosophen verwenden mindest für nicht hinreichend, um das Gei- diesen Audruck, wenn sie davon sprechen, stige zu charakterisieren. Ein Beispiel für wovon geistige Phänomene „handeln“ oder letzteres ist das gedankliche Experiment mit worauf sie „gerichtet sind“. Ein bewusster einer Blume: Auch diese neigt ihren Kopf zu Gedanke z.B. „handelt“ immer von etwas. einer Lichtquelle hin, um zu wachsen; auch Alle, die sich mit dem Geist befassen, kom- dies sei eine Form, wenn auch eine primitive men darin überein, dass zumindest einige und nicht-geistige von Intentionalität. (23) geistige Phänomene Intentionalität aufwei- sen. Ich gehe jedoch weiter und folge dem Für John R. Searle ergibt sich hinsichtlich Philosophen Franz Brentano (1838–1917), des Verhältnisses von Intentionalität und der behauptet, dass alle geistigen Phäno- Bewusstsein ein weiteres Problem: Inten- mene Intentionalität aufweisen. Alle geisti- tionalität ist nicht dasselbe wie Bewusst- gen Zustände, Ereignisse und Fähigkeiten sein. So schrieb er hierzu: „Viele bewusste handeln von etwas oder sind auf etwas ge- Zustände sind nicht intentional (z.B. ein richtet.“ (19) plötzliches Gefühl der Hochstimmung), und Jean-Paul Sartre erklärte hierzu: „Die Inten- viele intentionale Zustände sind nicht be- tionalität, das ist die Wesensstruktur jedes wusst (z.B. habe ich viele Überzeugungen, Bewusstseins, und ein Bewusstsein, dass an die ich jetzt nicht denke und an die ich kein Bewusstsein mehr von etwas ist, wür- vielleicht noch nie gedacht habe). (...) Zur de ipso facto nicht mehr existieren.“ (20) Verteidigung der Ansicht, Bewusstsein und Intentionalität seien ein und dasselbe, wird Die These der Intentionalität scheint auf manchmal gesagt, dass alles Bewusstsein den ersten Blick für viele Personen äus- Bewusstsein von etwas sei, dass es immer serst nachvollziehbar und intuitiv korrekt. etwas gebe, dessen man sich bewusst sei, So handelt es sich bei der Intentionalität um wenn Bewusstsein vorliegt. Aber diese Auf- ein Thema, welches in der Philosophie des fassung verwischt einen entscheidenden Geistes sehr intensiv bearbeitet wurde und Unterschied: Wenn ich ein bewusstes Er- Hunderte von wissenschaftlichen Artikeln lebnis der Unruhe habe, dann gibt es da ja dazu geschrieben wurden. (21) wirklich etwas, wovon mein Erlebnis eines Tim Crane vertritt beispielsweise ein Ver- ist, und zwar die Unruhe. Aber dieser Sinn ständnis von Intentionalität, welches auf von „von“ ist ein ganz anderer als der des drei Konzepten beruht: „von“ der Intentionalität, der beispielsweise 1. „Intentionales Objekt (worüber man in der Feststellung vorliegt, dass ich eine nachdenkt, was gewünscht wird usw.) bewusste Erwartung von baldigem Missge- 2. Intentionaler Modus (etwas meinen, schick habe. Denn im Falle der Unruhe sind wünschen, hoffen, fürchten, wahrneh- das Erlebnis von Unruhe und die Unruhe men usw.) ein und dasselbe; aber die Erwartung von 3. Intentionaler Gehalt (der Aspekt, unter baldigem Missgeschick ist nicht dasselbe dem ein Objekt präsentiert wird).“ (22) wie baldiges Missgeschick. Es ist charak-

10 teristisch für intentionale Zustände, so wie Verhältnis Intentionalität und Bewusstsein ich den Begriff verwende, dass es einen zueinander stehen, lassen sich in vier Kate- Unterschied gibt zwischen dem Zustand ei- gorien einteilen: nerseits und andererseits dem, worauf der • Bewusstsein ist explanatorisch abgelei- Zustand gerichtet ist, wovon er handelt, wo- tet von Intentionalität rum es in ihm geht.“ (24) • Bewusstsein ist nicht abgeleitet und trennbar von Intentionalität Wie steht es nun also um das Bewusstsein, • Bewusstsein ist nicht abgeleitet aber welches scheinbar analog zur Wahrneh- auch untrennbar von Intentionalität mung beschrieben wird? Ist Bewusstsein • Bewusstsein ist nicht abgeleitet und un- wirklich die Wahrnehmung dessen, was im trennbar von Intentionalität und zugleich eigenen Geiste vorgeht? Sibylle Krämer essentiell für Intentionalität. (26) schrieb hierzu: „Von „wahrnehmen“ zu spre- Dass die These der Intentionalität trotz ih- chen macht nur Sinn, wo ein wahrzuneh- ren Ausdeutungsschwierigkeiten und viel- mender Gegenstand, ein Wahrnehmungs- zähligen Aspekten zum Bewusstsein einen vorgang und ein wahrnehmendes Wesen grossen Fortschritt für die Philosophie des zu unterscheiden sind. Doch nichts an un- Geistes bedeutet ist unbestritten. Die auf serem geistigen Geschehen gibt Anlass zu ihr aufbauenden Thesen der Sprechakte solchen Unterscheidungen. Es gibt keine und den Erkenntnissen der Sprachphilo- interne Bühne, deren Vorstellungen ein in- sophie bauen nicht nur auf das Prinzip der nerer Zuschauer beiwohnt. Denn müssten Gerichtetheit, sondern ebenfalls auf die Un- sich im inneren Zuschauen nicht wiederum terscheidung zwischen Sinn und Bedeutung Bühne, Vorstellungen und Zuschauer befin- (also der Referenz, welche vergleichbar ist den?“ (25) mit dem intentionalen Objekt). Die vertretenen Variationen, in welchem Die Aufgabe, Bewusstsein zu verstehen, ist

11 Über die Theorien zum Bewusstsein

ein breitgefächertes Projekt. Dabei werden Diese drei Fragen zielen somit entweder nicht nur viele verschiedene Aspekte des auf die Beschreibung der Funktion des Be- Geistes als „bewusst“ charakterisiert, son- wusstseins, auf deren zu Grunde liegende dern zugleich aus diversen Perspektiven Basis oder Ursache sowie auf die Erklärung betrachtet und erklärt. der Rolle und des Wertes von Bewusstsein An dieser Stelle soll deshalb anhand einiger ab. In der Praxis lassen sich diese Fragen Beispielfragen ein kleiner Überblick gege- nicht scharf voneinander trennen. So lässt ben werden, in welche Rubriken sich die sich beispielsweise die Frage nach den Fragen zum Bewusstsein einordnen lassen, grundlegenden Funktionen des Bewusst- um anschliessend auf die diversen Aspekte seins nicht sinnvoll stellen, ohne ebenfalls des Begriffs „Bewusstsein“ einzugehen. die Frage nach der Rolle dieser Funktionen in einem grösseren System zu betrachten. • Die deskriptive Frage: Was ist Be- Trotzdem bietet diese Rubrikenbildung der wusstsein? Welches sind die Grund- Fragen eine nützliche Struktur, um den funktionen von Bewusstsein? Durch was Überblick bei dieser grossen Aufgabe nicht können diese am besten entdeckt und zu verlieren. (27) beschrieben werden? • Die explanatorische Frage: Wie kann Theorien zum Bewusstsein es sein, dass Bewusstsein in der rele- Die Was-, Wie- und Warum-Fragen zum vanten Ausprägung existiert? Ist Be- Bewusstsein wurden in den letzten Jahr- wusstsein ein grundlegender Bestandteil zehnten auf unterschiedlichste Art und Wei- der Realität, und falls nicht, wie kann Be- se beantwortet. Dabei muss jedoch beachtet wusstsein aus komplett non-bewusstem werden, dass sich nicht alle Theorien zum Material oder non-bewussten Prozessen Bewusstsein auf ein und dasselbe Ding be- entstehen? ziehen. Nicht nur wird der Begriff „Bewusst- • Die funktionale Frage: Warum existiert sein“ verschieden verwendet, sondern auch Bewusstsein überhaupt? Hat es eine die Ziele der Theorien unterscheiden sich Funktion, und wenn ja, welche? Funk- zum Teil stark. Der grösste Unterschied liegt tioniert Bewusstsein kausal, und wenn sicherlich zwischen den metaphysischen ja, mit welchen Konsequenzen? Hätte Theorien und denjenigen, welche auf spe- dies eine Auswirkung auf ihre Aufgabe zifische Phänomene des Bewusstseins fo- oder andere Systeme und wenn ja, wie? kussieren. Die metaphysischen Theorien versuchen, das Bewusstsein in einem ganzheitlichen, ontologischen Schema der Realität zu ver- ordnen. So fallen Antworten, die zu erklären versuchen, welchen Platz das Bewusstsein im Universum einnimmt – also beispiels- weise, ob es etwas Physisches ist oder auf das physische Phänomen reduziert wer- den kann, oder solche, welche dualistische Erklärungsversuche anbieten –, in diese Kategorie. Descartes Substanzdualismus (siehe Seite 5 des Themendossiers) lässt sich hierbei der Vielzahl von dualistischen Theorien zuordnen. Ebenso wie die von

12 David Chalmers vertretene These des Ei- genschaftsdualismus (Seite 7). Die dualis- tischen Theorien einen sich in der Vorstel- lung, dass zumindest gewisse Aspekte von Bewusstsein nicht in den Bereich des Phy- sischen fallen, unterscheiden sich jedoch hochgradig in der Ausgestaltung, inwiefern dies nicht der Fall ist. Eine zweite Art von metaphysischen Theorien lässt sich als „physikalistische Theorie“ bezeichnen, wie zum Beispiel Dennett (ebenfalls Seite 7 des Dossiers) diese vertritt. Auch hier gibt es viele unterschiedliche Ausprägungen und Verständnisweisen, inwiefern das Bewusst- sein als physisches Phänomen zu verste- hen ist. Die Theorien, welche spezifische Theorien zum Bewusstsein fokussieren, sind noch- Nagels Gedankenexperiment „What is it like mals viel breiter gefächert und lassen sich to be a bat?“ (siehe Seite 9) ist ein Beispiel nicht gemeinsam charakterisieren. (28) Auf der Themen, welche sich auf ganze Orga- Seite 16 und 17 wird als Beispiel solch eine nismen beziehen. Theorie vorgestellt: Die Quantentheorie geht von der Annahme aus, dass sich die Wird der Begriff auf spezifische mentale Zu- Natur des Bewusstseins mit der klassischen stände und Prozesse bezogen, lassen sich Physik nicht angemessen beschreiben lässt im Groben mindesten sechs Anwendungs- und schlägt deshalb vor, eine alternative varianten unterscheiden: Rahmenbedingung anzunehmen, wie ihn • Sich bewusst sein: Die gewöhnliche die Quantenphysik anbietet. Lesart, dass ein spezifischer mentaler Zustand dem Lebewesen bewusst ist. Der Begriff „Bewusstsein“ • Qualitativer Zustand: Das Vorliegen Nachdem bereits im Kapitel „Was ist Be- eines qualitativ variablen Zustandes, wusstsein“ auf die Problematik hingewiesen welcher gewisse sensorische Kriterien wurde, wie Bewusstsein zu definieren ist, erfüllen muss. soll nun auf die zwei Grundkonzepte hinge- • Phänomenaler Zustand: Überlappt mit wiesen werden, welche den Begriff unter- dem qualitativen Zustand, bezieht je- schiedlich eingrenzen. Grundsätzlich muss doch mehr die örtliche, zeitliche und explizit gemacht werden, dass „bewusst“ konzeptuelle Organisation der Empfin- und „Bewusstsein“ als Sammelbegriffe für dung der Welt mit ein. eine Vielzahl von mentalen Phänomenen • Wie-es-ist-Zustand: Betont die Innenper- dienen. So wird das Adjektiv „bewusst“ nicht spektive des erlebenden Lebewesens. nur auf ganze Organismen (wie auf den • Bewusstsein als Zugang: Unter diesem Menschen) angewendet, sondern ebenfalls Aspekt gilt ein Zustand als bewusst, auf einzelne mentale Zustände und Pro- wenn er die Möglichkeit hat, mit anderen zesse. (29) Zuständen zu interagieren oder Zugang So fragt sich zum Beispiel, in welcher Hin- zu diesen hat. sicht ein Fisch oder eine Biene über Be- • Erzählendes Bewusstsein: Wird als wusstsein verfügen. Ein anderes Beispiel „Stream of “ verstanden, ist die Frage, ob man von Bewusstsein womit einzelne Zustände als Ausschnit- sprechen kann, wenn man den Schlaf des te des gesamten Bewusstseins angese- Menschen betrachtet. Aber auch Thomas hen werden. (30)

13 Haben Tiere ein Bewusstsein?

Die Frage, ob Tiere ein Bewusstsein haben, Aus philosophischer Sicht stellen die Unter- wurde durch die sogenannte Kognitive Re- suchungen des Bewusstseins von Tieren volution, welche sich in der zweiten Hälfte ein spannendes Feld dar, da sie erlauben, des 20. Jahrhunderts abspielte, neu belebt. die entwickelten Theorien der Philosophie Doch trotz der zahlreichen Arbeiten, wel- des Geistes anzuwenden. che durch Interpretation von Experimenten Aber es gibt nicht nur Argumente für das das bessere Verständnis diverser mentaler Bewusstsein von Tieren, sondern auch Ar- Fähigkeiten von Tieren (bspw. Lernfähig- gumente dagegen. So wird beispielsweise keit) zum Ziel hatte, bleibt das Thema des angeführt, dass für das Vorliegen von phä- Bewusstseins bei Tieren umstritten. Auch nomenalem Bewusstsein die Kapazität ge- wenn viele Menschen das Bewusstsein von geben sein muss, über die Empfindungen Tieren intuitiv für unproblematisch halten, ist nachdenken zu können und somit eine Kon- die wissenschaftliche Überprüfbarkeit von zeptualisierung der eigenen Gedanken ge- tierischem Bewusstsein trotzdem nicht ein- geben sein muss. (34) Ähnlich hatte auch deutig. (31) René Descartes vertreten, dass Tiere über Die philosophischen Fragestellungen hin- kein Bewusstsein verfügen, da sie keine sichtlich Bewusstsein von Tieren sind (menschliche) Sprache haben und es daher ausgesprochen breit gefächert. keinen Anhaltspunkt gibt, dass Tiere ratio- nale Überlegungen anstellen können.

Dieses Argument der nur teilweise vorhan- denen Informationen ist jedoch folgender- massen anfechtbar: „Die Abwesenheit von Evidenz ist keine Evidenz für die Abwesen- heit.“ (35) Nicht zuletzt haben auch Untersu- chungen der Verhaltensforschung ergeben, dass gewisse Tiere sehr wohl über über die Kapazität verfügen, rationale Überlegungen Konzeptuell lassen sich diese in zwei Kate- anzustellen sowie auch untereinander kom- gorien einteilen: munizieren zu können. 1. Können wir wissen, welche Tiere – ne- Die Argumente, welche die These stützen, ben den Menschen – über Bewusstsein dass Tiere über Bewusstsein verfügen, stel- verfügen? len entweder auf die Ähnlichkeit zwischen 2. Können wir wissen, wenn überhaupt, Tieren und Menschen ab, den Schluss auf wie das Bewusstsein von Tieren ist? die beste Erklärung, oder auf die mensch- liche Interpretation der Aussenwelt. (36) Die aktuelle philosophische Forschung be- handelt Themen wie Schmerz und Leiden Weshalb die Untersuchung des Bewusst- bei Tieren, Emotionen bei Tieren, Phänome- seins von Tieren von Bedeutung ist, wird nologie der Wahrnehmung, Selbstbewusst- spätestens dann klar, wenn moralische sein sowie die Evolution von Bewusstsein. Anforderungen an den menschlichen Um- (32) Auch in der Schweiz wird zu diesen gang mit Tieren gestellt werden. So wird Themen geforscht, wie bspw. durch Flori- grundsätzlich argumentiert, dass ein Tier an Wüstholz, der in seiner Dissertation das als moralisch wertvoll anzusehen ist, weil Thema des Selbstbewusstseins von Tieren es bewusst ist – und im Speziellen über die untersucht. (33) Kapazität verfügt, Schmerz zu empfinden.

14 Subjektives Wissen

Bertrand Russell sagte einmal „Es ist klar, Diese Fragen lassen sich unterschiedlich dass ein Mensch, der sehen kann, Dinge beantworten. An dieser Stelle soll jedoch als weiss, die ein Blinder nicht wissen kann; Beispiel die letztere in den Worten von Tim dennoch kann ein Blinder die ganze Physik Crane beantwortet werden: kennen. Demnach ist das Wissen, das an- „Ein Physikalist muss sicher zugeben, dass dere Menschen haben und er nicht, kein Teil einer der Wahrmacher für Marys Wissen, der Physik.“ (37) dass Rot so aussieht, ihre Erfahrung einer Worauf er hindeutet ist, dass das mensch- Tomate ist. Eine solche Erfahrung darf „sub- liche Wissen von Kontexten abhängt, wie jektiv“ genannt werden, weil sie von einem dies im berühmten Wissensargument von Erfahrungssubjekt abhängt. Die Erfahrung Frank Jackson der Fall ist. Das Gedanken- kann folglich als subjektiver Wahrmacher experiment handelt von Mary, die ihr Leben betrachtet werden. So gesehen ist es durch- in einem Schwarz/Weiss-Raum verbracht aus akzeptabel, dass es sowohl subjektive und selbst niemals andere Farben gesehen Tatsachen (Wahrheiten) als auch – soweit hat als Schwarz oder Weiss. Mary ist aber dieser Gedanke sinnvoll ist – subjektive eine Farbwissenschaftlerin und hat sich das Wahrmacher gibt, denn es gibt schliesslich ganze physikalische Wissen über Farben Erfahrungen.“ (41) angeeignet. Eines Tages wird Mary aus ih- rem Schwarz/Weiss-Raum entlassen und das erste, was sie in der Aussenwelt sieht, ist eine rote Tomate. (38) Tim Crane erklärt die Konsequenzen dieses Experimentes folgendermassen: „Es ist nur natürlich, wenn wir sagen, dass sie jetzt et- was weiss, worüber sie im Schwarz-Weiss- Raum nichts wusste: Sie weiss nun, wie es ist, etwas Rotes zu sehen. Sie hat jedoch keine physikalische Tatsache kennenge- lernt, denn unserem Gedankenexperiment zufolge kannte sie ja alle physikalischen Farbtatsachen bereits im Schwarz-Weiss- Raum. Wenn wir davon ausgehen, dass eine neue Erkenntnis auch einer neuen Tatsache entspricht, lernt Mary beim Verlassen des Schwarz-Weiss-Raums eine neue Tatsache kennen. Wenn nun der Physikalismus be- hauptet, dass alle Tatsachen physikalische Tatsachen sind (eine Beschreibung, die si- cher vielen plausibel erscheint), dann ist der Physikalismus offensichtlich falsch.“ (39) Es lässt sich somit vertreten, dass das Vorliegen von „subjektivem Wissen“ solan- Bedeutet dies nun, dass jegliche sinnliche ge als unproblematisch anzusehen ist, bis Wahrnehmung nicht wissenschaftlich erklärt behauptet wird, dass alle Tatsachen physi- werden kann? Oder bedeutet dies, dass es kalisch und objektiv zugleich sind oder die nicht stimmt, dass es ausschliesslich objek- Wissenschaften absolut alle Tatsachen um- tive Tatsachen gibt auf der Welt? (40) schreiben.

15 Quantentheorie und Bewusstsein

Wie bereits auf Seite 13 des Themendossiers angedeutet wurde, existieren viele Theo- rien und Erklärungsansätze zum Bewusstsein. An dieser Stelle soll nun auf den Ansatz eingegangen werden, welcher das Bewusstsein mit Hilfe der Quantentheorie zu erklären versucht. Grundsätzlich wird akzeptiert, dass Bewusstsein in Beziehung steht mit den Akti- vitäten des Gehirns. Da mit der klassischen Physik die Entstehung des Bewusstseins nicht schlüssig erklärt werden kann, wird versucht, anhand der Erkenntnisse der Quantentheorie hinsichtlich Materie bessere Erklärungen für eben dieses Rätsel zu finden. Die Ausgangs- lage stellt hierfür eines der komplexesten Systeme, welches der Mensch kennt, dar: Das Gehirn. Hinsichtlich der Quantenphysik ist anzunehmen, dass die Erkenntnisse, welche die Organisation der Materie betreffen, ebenfalls auf das Gehirn angewendet werden können. Kontrovers ist dabei, ob diese Erkenntnisse für die Aktivität des Gehirns, welche in Zusam- menhang mit mentalen Prozessen gebracht wird, relevant sind oder nicht. (42) Ansätze, welche die Quantentheorie als Grundlage für die Beschreibung von neurophysi- ologischen Prozessen nutzt, gehen zurück auf John von Neumann, welcher in den 1930er Jahren erste Thesen hierzu aufstellte, welche bis heute weiterentwickelt werden.

So hat auch Henry P. Stapp – inspiriert durch Neumanns Idee, intentionale, bewusste Ak- tivitäten als Reduktionen von physischen Zuständen zu verstehen – die These entwickelt, dass nicht „Geistiges“ und „Materielles“ die fundamentalen Bestandteile der Realität dar- stellen, sondern Ereignisse als die grundlegenden Elemente der Realität zu verstehen sind. (43) Stapp bringt somit die prozessuale Natur von Ereignissen einerseits in Verbindung mit der Reduktion auf physische Zustände und andererseits mit dem psychologischen intenti- onalen Akt. Dass Stapps These über viele Details verfügt und ebenso ein grundlegendes Wissen über die Quantentheorie hier nicht ausgeführt werden können, liegt auf der Hand. In Stapps Buch „Mind, Matter and Quantum Mechanics“ aus dem Jahr 2009 befindet sich jedoch ein Interview mit Stapp, welches die grundlegenden Positionen seiner These erläu- tert und deshalb hier in Teilen wiedergegeben werden soll.

16 „Valera: What empirical evidence is there that quantum theory is important in brain processes that are directly connected to consciousness? Stapp: Chemical processes are essential to brain operation, and hence a quantum de- scription is mandated. In fact, quantum me- chanics is essential to any understanding of properties of materials, be they inorganic, organic or biological. Classical ideas do not suffice to explain properties of materials, and properties of various materials play an essential role in the functioning of the brain. Stapp erklärt hiermit, dass die Quantenthe- orie uns neue Möglichkeiten bietet, Eigen- Valera: The microscopic atomic properties schaften von Materialien zu verstehen, egal lead to macroscopic properties, such as ob diese organisch oder anorganisch sind. electric pulses along neurons, that can be Zudem erläutert er, dass die Quantentheorie described classically. What empirical evi- es erlaubt, die Welt einheitlich zu beschrei- dence is there that a classical description is ben, worauf der Mensch angewiesen ist, um inadequate for describing those brain pro- koheränte Theorien aufstellen zu können. cesses that are directly connected to con- scious process? Doch neben Stapps These, welche stark Stapp: The processes that can be described auf den Prozesscharakter des Bewusst- classically can also be described quantum seins und der Realität abstellt, gibt es auch mechanically, and the latter description is andere Ansätze. So wird beispielsweise fundamentally better because it fits onto the auch vertreten, dass mentale und materiel- lower-level chemical processes in a rational- le Aspekte sich auf eine zugrundeliegende ly coherent way. Thus one can use a quan- Rahmenbedingung abstützen, wo Mentales tum description, and at least in principle, und Materielles nicht voneinander getrennt should use a quantum description, because sind. (45) it is universal, or at least can be universal: classical physics is known to be inadequate Es erstaunt kaum, dass alle Ansätze auch in some respects: it is known to be nonuni- problematische Fragen aufwerfen und sich versal. The quantum description is not only eine „einfache Antwort“ auf die Frage, wie required to explain the underlying atomic es sein kann, dass es Bewusstsein gibt, and chemical processes, it is fundamentally nicht anbietet. richer also in the treatment of macroscopic properties, as the theory of consciousness described here shows. As Quine has em- phasized, theories are underdetermined by Sie möchten einen Sonder- data. In order to have any hope of achie- druck dieses Themen- ving a reasonable unique understanding of dossiers bestellen? nature we must insist upon the unity of sci- Schreiben Sie uns eine ence, and for a coherent understanding that E-Mail auf: covers the entire range of scientific know- [email protected] ledge. It is only if science can give us a uni- (Preis auf Anfrage) fied comprehension of nature that we can turn to it with any confidence for an under- standing of our place in nature.“ (44)

17 Glossar

• Geistig vorliegen würden (siehe auch Kontrafaktizität). Eine Bezogen auf die allgemeinsprachlich „geistig“ hinreichende Bedingung sorgt zwangsläufig (oder genannten kognitiven Fähigkeiten des Menschen zumindest ceteris paribus) für das Eintreten des bezeichnet „Geist“ das Wahrnehmen und Lernen bedingten Ereignisses. Wenn die Bedingung nicht ebenso wie das Erinnern und Vorstellen sowie zugleich notwendig ist, dann gibt es andere mög- Phantasieren und sämtliche Formen des Denkens liche Bedingungen, die ebenfalls zum Eintreten des wie Überlegen, Auswählen, Entscheiden, Beabsich- Ereignisses hätten führen können; die hinreichende, tigen und Planen, Strategien verfolgen, Vorher- oder nicht notwendige Bedingung ist also ersetzbar bzw. Voraussehen, Einschätzen, Gewichten, Bewerten, umgehbar (multiple Erfüllbarkeit). Kontrollieren, Beobachten und Überwachen, die dabei nötige Wachsamkeit und Achtsamkeit sowie • Interaktionistischer Dualismus Konzentration aller Grade bis hin zu hypnotischen Der interaktionistische Dualismus gilt als klassische und sonstigen tranceartigen Zuständen auf der ei- Version des Substanzdualismus und wurde bei- nen und solchen von Überwachheit und höchstgra- spielsweise von René Descartes vertreten. Dem diger Geistesgegenwärtigkeit auf der anderen Seite. interaktionistischen Dualismus zufolge gibt es materielle und immaterielle Entitäten, die kausal • Schluss auf die beste Erklärung miteinander interagieren. Wenn eine Person etwa Ein Schluss auf die beste Erklärung (Inference gekitzelt wird, so werden die Reize vom materiellen to Best Explanation, kurz IBE) ist ein abduktiver Körper registriert und weiter zum Gehirn geleitet. An Schluss, mit dem eine bestimmte Hypothese ge- irgendeiner Stelle wirken die materiellen Prozesse genüber anderen Hypothesen ausgezeichnet wird. dann auf den immateriellen Geist ein und erzeugen Dies geschieht entweder intuitiv oder nach rational ein Kitzelerlebnis. Umgekehrt lösen geistige Zustän- rekonstruierbarer Methodik. Die Systematik solcher de, etwa Gedanken oder Emotionen, körperliche Rekonstruktionen sind ein Themenfeld gegenwär- Prozesse aus. Descartes vermutete als Ort der tiger Wissenschaftstheorie und Epistemologie. Die Interaktion die Epiphyse, eine neuronale Struktur, erklärende Hypothese kann dabei mit einer wis- die dadurch ausgezeichnet ist, dass sie nur einmal senschaftlichen Theorie identifiziert werden. Der im Gehirn vorkommt. Wissenschaftstheoretiker Bas van Fraassen gibt ein einfaches Beispiel für ein erklärungsbedürftiges • Epiphänomene Ereignis: Ein Kratzen an der Wand, kleine Fußstap- Als Epiphänomen bezeichnet man eine Entität, die fen und Fehlen von Käse. Ein Schluss auf die beste zwar kausal verursacht wurde, aber selbst keine Erklärung wäre eine Maus im Haus, da dies eine (signifikante) kausale Wirkung hat. Es gibt zwei Ver- plausible Wahrscheinlichkeit besitzt und die drei wendungsweisen des Begriffs: A) In einem schwa- Phänomene gut erklären kann. chen Sinne werden alle Zustände eines Systems als Epiphänomene bezeichnet, die keine signifi- • Hinreichende Bedingung kante Wirkung auf das System haben. In diesem Notwendige Bedingung und hinreichende Be- Sinne ist z. B. der Rauch einer Dampflokomotive dingung sind Begriffe aus der Theorie wissen- ein Epiphänomen, wenn er als nicht bedeutsam schaftlicher Erklärungen, die Bedingungen in zwei angesehen wird: Der Rauch hat kausale Wirkungen, verschiedene Typen unterteilen. Die unterschied- diese werden aber im Beispiel für das System der lichen Beziehungen zwischen Bedingendem und Dampflokomotive als unbedeutend angesehen. B) Bedingtem werden auch in der Logik, vor allem in In einem starken Sinne sind Zustände genau dann der Aussagenlogik behandelt. Kausal verstanden Epiphänomene, wenn sie keinerlei kausale Wir- betreffen beide Begriffe die Frage, ob bestimmte Er- kungen haben. eignisse als Ursachen anderer Ereignisse unersetz- lich sind, und ob die anderen Ereignisse zwangs- läufig einträten, wenn die bestimmten Ereignisse Quellen: Gesamtes Glossar siehe (46).

18 Quellen

(1) Dieter Teichert, Einführung in die Philosophie des Geistes, Wis- (27) Vgl. den gesamten Abschnitt mit: Robert Van Gulick, „Conscious- senschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006, S. 7 ness“, The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2011 (2) ebenda, S. 28, i.V.m. Plato, Menon, 81 c-d Edition), Edward N. Zalta (ed.), http://plato.stanford.edu/archives/ (3) Peter Bieri, Analytische Philosophie des Geistes, Bodenheim sum2011/entries/consciousness 1993, S. 5 (28) Vgl. den gesamten Abschnitt, ebenda (4) René Descartes, Meditationen über die Grundlagen der Philoso- (29) Vgl. Peter Carruthers, Phenomenal Consciousness, Cambridge phie mit den sämltichen Einwänden und Erwiderungen, Hamburg University Press, Cambridge 2000 1994, S. 18 (30) Vgl. den gesamten Abschnitt mit Robert Van Gulick, http://plato. (5) Dieter Teichert, S. 35 stanford.edu/archives/sum2011/entries/consciousness (6) René Descartes, Philosophische Schriften, Hamburg 1996, (31) Vgl. Colin Allen, „“, The Stanford Encyclo- S. 55, im Aufsatz „Discours de la methode“. pedia of Philosophy (Winter 2011 Edition), Edward N. Zalta (ed.), (7) Vgl. Dieter Teichert, S. 39 http://plato.stanford.edu/entries/consciousness-animal (8) ebenda, S. 12 (32) ebenda (9) ebenda, S. 23 (33) Siehe http://www.exre.org/people/phd/wuestholz.html (10) Ulrich Schnabel und Andreas Sentker, Wie kommt die Welt in (34) Donald Davidson, “Thought and talk,” in S. Guttenplan (ed.) Mind den Kopf, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg and Language, , Oxford 1975 1997, S. 80 (35) Siehe Colin Allen, http://plato.stanford.edu/archives/win2011/ (11) ebenda, S. 82 entries/consciousness-animal (12) ebenda, S. 84 (36) ebenda (13) ebenda, S. 98 (37) Betrand Russell, Philosophie der Materie, Teubner, Leipzig 1929, (14) ebenda, S. 91 S. 410 (15) Wikipedia, online: http://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstsein (38) Frank Cameron Jackson: What Mary Didn‘t Know. In: Journal of (16) , What is it like to be a, aus: The Philosophical Philosophy 83, 1986, S. 291–295. Review, LXXXIII, 4 (October 1974): 435–50, online auf: (39) Tim Crane, Intentionalität als Merkmal des Geistigen, Fischer http://organizations.utep.edu/Portals/1475/nagel_bat.pdf Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 157 (17) Ulrich Schnabel und Andreas Sentker, S. 94 (40) Vgl. D.H. Mellor, Nothing Like Experience, in: Proceedings of the (18) Michael Esfeld, Philosophie des Geistes, Bern Studies in the Aristotelian Society 1992-3, S. 1–16 History and Philosophy of Science, Bern 2005, S. 171 (41) Tim Crane, S. 177 (19) Tim Crane, Intentionalität als Merkmal des Geistigen, Fischer (42) Harald Atmanspacher, „Quantum Approaches to Conscious- Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 11 ness“, The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2011 (20) J.-P. Sartre, Die Transzendenz des Ego. Philosophische Essays Edition), Edward N. Zalta (ed.), http://plato.stanford.edu/archives/ 1931–1939, Rowohlt, Reinbek b. Hamburg 1997, S. 227 sum2011/entries/qt-consciousness (21) Vgl. beispielsweise die Literaturhinweise auf http://plato.stanford. (43) Henry P. Stapp, “Clarifications and Specifications In Conver- edu/entries/consciousness-intentionality/ sation with Harald Atmanspacher.” Journal of Consciousness (22) Tim Crane, S. 14 Studies 13(9), 2006, 67–85. (23) Vgl. Fred Dretske, Knowledge and the Flow of Information, MIT (44) Henry P. Stapp, Mind, Matter and Quantum Mechanics, Springer, Press, Cambridge 1981, sowie Berent Enç, Intentional States of Berlin 2009, S. 189 Mechanical States, in: Mind 91, 1982, S. 161–182 (45) Harald Atmanspacher, http://plato.stanford.edu/archives/ (24) John R. Searle, Intentionalität – Eine Abhandlung zur Philoso- sum2011/entries/qt-consciousness phie des Geistes, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, S. 17 (46) Alle Glossareinträge aus Wikipedia (25) Sybille Krämer, „Bewusstein“ als theoretische Fiktion und als Prinzip des Personenverstehens, in: Bewusstsein, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, S. 39 (26) Vgl. Charles Siewert, „Consciousness and Intentionality“, The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2011 Edition), Edward N. Zalta (ed.), http://plato.stanford.edu/archives/fall2011/entries/ consciousness-intentionality

19 Impressum

Philosophie.ch Turnweg 6 CH-3013 Bern

Verfasst von Anja Leser [email protected] Projektleitung: Dr. Philipp Blum

© Philosophie.ch, 2013 12. Themendossier, September 2013 ISSN 1662937X Vol. 108

Cartoon: Max Nöthiger Fotos: Martina Walder

Zitiervorschlag: „Bewusstsein – Philosophisches Themendossier“, Swiss Philosophical Preprint Series #108, 25.09.2013, ISSN 1662937X

Die Reihe der philosophischen Themendossiers wird durch die freundliche Unterstützung der Dr. Charles Hummel Stiftung ermöglicht.