Swiss Philosophical Preprint Series Anja Leser Bewusstsein
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Swiss Philosophical Preprint Series # 108 Anja Leser Bewusstsein Philosophisches Themendossier added 13/10/2013 ISSN 1662-937X © Anja Leser Philosophisches Themendossier Bewusstsein Dieses Dossier befasst sich mit den philosophischen Perspektiven zum Thema Bewusstsein: Was kennzeichnet „das Geistige“ und hat es ein einheitliches Merkmal? Wie kommt die Welt in den Kopf? Was bedeutet „subjektiv“ und ha- ben auch Tiere und Pflanzen ein Bewusstsein? Inhaltsverzeichnis • Einleitung ................................................................................................................ 3 • Ein Blick in die Geschichte ......................................................................................4 • Weshalb ist das Phänomen Bewusstsein problematisch? ......................................6 • Was ist Bewusstsein? ............................................................................................. 8 • Ein Merkmal des Geistigen ................................................................................... 10 • Über die Theorien zum Bewusstsein .................................................................... 12 • Haben Tiere ein Bewusstsein?.............................................................................. 14 • Subjektives Wissen ...............................................................................................15 • Quantentheorie und Bewusstsein ......................................................................... 16 • Glossar ..................................................................................................................18 • Quellen ..................................................................................................................19 Aufbau des Themendossiers Der Verein Philosophie.ch Um dem Leser die Herkunft der Fragestel- Der Verein Philosophie.ch erstellt die The- lungen dieses Themendossiers aufzuzei- mendossiers unter dem Aspekt der Wissen- gen, wird dieses auf Seite 4 mit einem Blick schaftskommunikation. Mehr Informationen in die Geschichte eröffnet. Anschliessend zu Philosophie.ch finden Sie auf wird diskutiert, weshalb Bewusstsein über- www.philosophie.ch/about. haupt mit solch grossen Schwierigkeiten besetzt ist. Es wird darauf Wert gelegt, die Herzstücke Im Kapitel „Was ist Bewusstsein?“ sind ei- der philosophischen Debatten zu umreis- nige Möglichkeiten genannt, was man un- sen. Dabei werden z.T. einige Argumenta- ter dem Begriff verstehen kann. Auf Seite tionsschritte der einzelnen Theorien aus- 10 und 11 wird das Thema „Intentionalität“ gelassen; der Leserschaft stehen jedoch eingeführt, welches einen Meilenstein für mittels dem Quellenverzeichnis und den Li- die Philosophie des Geistes darstellt. Die teraturtipps (online) beste Möglichkeiten zur anschliessenden Seiten befassen sich mit Verfügung, eigene Fragen zu den Theorien den unterschiedlichen Herangehenswei- selbstständig weiterzuverfolgen. sen – auch der Begriff „Bewusstsein“ findet dort seine weiterführenden Präzisierungen. Das Themendossier steht online als PDF- Im Kapitel „Haben Tiere ein Bewusstsein?“ Download auf www.philosophie.ch/themen- erfährt der Leser, welche Schwierigkeiten dossiers zur Verfügung. diese Frage bietet und weshalb sie sich nicht leicht beantworten lässt. Auf Seite 15 Die Reihe der philosophischen Themen- begegnet der Leser „Mary“, die zum ersten dossiers wird durch die freundliche Unter- Mal im Leben eine Tomate sieht, bevor zum stützung der Dr. Charles Hummel Stiftung Abschluss des Dossiers die Erkenntnisse ermöglicht. der Quantenphysik für die Philosophie des Geistes fruchtbar gemacht werden. 2 Einleitung Bewusstsein, der Geist, die Seele: Ist das alles dasselbe? Die Frage, ob das Geistige – also beispielsweise Gedanken, Gefühle, Wünsche oder dergleichen – etwas „Reales“ ist oder etwas Nichtphysisches, beschäftigt die Philosophie des Geistes seit Jahrhunderten. Dass diese Frage aber keineswegs eine ist, die im Alltag keine Rolle spielt, zeigt sich spätestens daran, wenn die eigene Wahrnehmung von anderen für falsch erklärt wird. Die Philosophie des Geistes ist ein weites orien leuchten intuitiv ein – zumindest auf Feld, weshalb im vorliegenden Dossier den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen hauptsächlich das Phänomen „Bewusst- ergeben sich dann aber Schwierigkeiten, sein“ im Fokus steht. Was ist Bewusstsein die sich mit der Intuition, dass Bewusstsein denn überhaupt? Neben einer Aufzählung ein gut erklärbares Phänomen ist, kreuzen. von diversen mentalen Zuständen kommen schnell Schwierigkeiten auf, wenn es darum So fragt sich auch, ob Tiere ein Bewusst- geht, diese Frage zu beantworten. Gibt es sein haben – ja, was ist mit Pflanzen oder denn vielleicht ein Kriterium oder ein ein- Gegenständen? Wie kann ein Tier zu ei- heitliches Merkmal für das Geistige? ner Handlung motiviert sein, wenn es keine Gedanken hätte? Wie können Gedanken, Um an der Wurzel der philosophischen De- wenn sie nicht als etwas Physisches ver- batte zu beginnen, wird ein Blick in die Ge- standen werden, überhaupt eine kausale schichte geworfen: „Die Seele ist unsterb- Ursache für Handlungen darstellen? lich“ war für einen Griechen wie Platon ein gewöhnlicher Satz. Und auch Descartes All solche Fragen werden im vorliegenden hielt den Geist für „normal“, sogar „norma- Themendossier behandelt – wenn auch ler“ und erkennbarer als den Körper. Doch nicht abschliessend –, denn das Rätsel, wie bis heute findet niemand eine Antwort da- es sein kann, dass Bewusstsein existiert, ist rauf, was der Geist denn wirklich ist und aus bis heute nicht gelöst. Aber einige der Ant- was er besteht. Die Physikalisten vertreten wortversuche führen die Leserschaft nahe die Auffassung, dass Bewusstsein eine Illu- an die eigenen Intuitionen heran, um auch sion ist und unsere Gedanken einfach das auf Folgendes aufmerksam zu machen: „Feuern der Neuronen“ im Gehirn. Wenn es heisst, sich eine eigene Meinung zu bilden, bedeutet dies, sich ganz bewusst Aber ist es wirklich so einfach? Was ge- den eigenen Gedanken zu stellen und dabei schieht denn, wenn wir uns vorstellen, wie es nicht den Mut zu verlieren, wenn die Ent- ist, eine Fledermaus zu sein? Lässt sich der scheidung, welche Theorie die beste ist, qualitative Charakter eines Bewusstseins- nicht schnell zu fällen ist. zustandes denn wirklich auf die Gehirnak- tivität reduzieren? Die diversen Theorien in Online auf www.philosophie.ch/td12 finden der Philosophie des Geistes geben auf sol- Sie Literaturtipps und weiterführende Inter- cherlei Fragen nicht nur eine, sondern sogar netlinks. viele Antworten. Manche von diesen The- 3 Ein Blick in die Geschichte In der westlichen Welt herrscht die Vor- In der Neuzeit wird das Leib-Seele-Problem stellung vor, dass der Mensch aus einem aus einer anderen Perspektive betrachtet. Körper und einer Seele besteht. Dieses Peter Bieri hob hervor, dass hierbei meist Menschenbild ist geprägt durch die Überle- drei Thesen gleichzeitig für wahr gehalten gungen des Philosophen René Descartes werden, obwohl diese eigentlich nicht kom- und stellt einen Abbruch zu der antiken Idee patibel sind: des Menschen dar. Bis zum heutigen Tag 1. „Mentale Phänomene sind nicht-phy- gibt es zwei Grundpositionen, welche die sische Phänomene. Ausgangslage aller Diskussionen der „Phi- 2. Mentale Phänomene sind im Bereich losophie des Geistes“ prägen. Zum einen physischer Phänomene kausal wirksam. wird vertreten, dass der Geist und die See- 3. Der Bereich physischer Phänomene ist le als materielle Phänomene verstanden kausal geschlossen.“ (3) werden müssen. Zum anderen besteht die Die sogenannte „dualistische“ Konzeption Auffassung, dass das Geistige etwas Im- – also, dass Körper und Geist voneinander materielles ist oder zumindest nicht als rein getrennt betrachtet werden müssen – wurde materielles Phänomen betrachtet werden stark von René Descartes geprägt: Durch kann. (1) seinen oft zitierten Satz „Ich denke, also bin ich“ (4) kommt Descartes gar Berühmtheit Die Frage, wie das Verhältnis von Körper zu. Den Hintergrund dieses Zitates stellt und Geist – oder anders ausgedrückt Leib seine Arbeit über den methodischen Zweifel und Seele – zu erläutern ist, stellt somit eine und seine Suche nach sicherem Wissen dar. Grundfrage der Philosophie des Geistes So entwickelte er in einem dreistufigen Ge- dar. Im 5. Jahrhundert v. Chr. entstand in dankenexperiment folgende These: der klassischen griechischen Philosophie Da erstens Sinneswahrnehmungen täu- die Vorstellung der immateriellen Natur der schen können, stellen diese keine sichere Seele, womit vor allem die Idee der Un- Erkenntnisquelle dar. Zweitens kann es sterblichkeit verbunden wurde. Einer der einem im Schlaf träumenden Menschen so herausragenden Vertreter dieser These ist vorkommen, als ob er wach wäre und in der Platon, der in verschiedenen Texten (bei- Realität ist. Somit können wir nicht sicher spielsweise in „Menon“ und „Phaidon“) auf sein, ob wir uns nicht sogar ständig über un- diese Fragestellung eingeht. seren Bewusstseinszustand irren – weshalb Plato charakterisiert die Seele folgender- auch dieser kein sicheres Wissen ermöglicht. massen: Im dritten Schritt versucht er, noch radikaler • „Die Seele ist im Gegensatz zum Körper einen Satz zu entdecken, der allem Zweifel nicht sterblich. standhält: „Er überlegt, ob es nicht denkbar • Die Seele wird mehrfach geboren. ist, dass ihn ein allmächtiger böser Dämon • Die Seele hat vor ihrer Geburt (Ver- hinsichtlich aller seiner Bewusstseinsinhalte bindung mit einem Körper) ein un- und Überzeugungen täuscht. Hiermit wer- beschränktes