Stellungnahme Des Deutschen Anwaltvereins Durch Den Verfassungsrechtsausschuss Unter Mitwirkung Des Berufsrechtsausschusses
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Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Verfassungsrechtsausschuss unter Mitwirkung des Berufsrechtsausschusses zu dem Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des AGH Baden-Württemberg vom 19. Oktober 2018 (AGH 13/2018 II) zur Verfassungswidrigkeit von § 59e Abs. 2 Satz 1 und § 59f Abs. 1 BRAO Stellungnahme Nr.: 30/2020 Berlin, im April 2020 Mitglieder des Ausschusses Verfassungsrecht - Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Mayen, Bonn (Vorsitzender) - Rechtsanwältin Mechtild Düsing, Münster - Rechtsanwalt Dr. Rainard Menke, Stuttgart - Rechtsanwältin Dr. Anna-Katharina Pieronczyk, Hamburg - Rechtsanwalt Dr. Sebastian Schmuck, Leipzig (Berichterstatter) - Rechtsanwältin Dr. Inga Schwertner, Köln - Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Berlin - Rechtsanwalt Jan Felix Sturm, Hamburg - Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Winterhoff, Hamburg - Rechtsanwältin Dr. Antje Wittmann, Münster Prof. Dr. Thomas Mayen und Dr. Rainard Menke haben nicht mitberaten. Zuständig in der DAV-Geschäftsführung - Rechtsanwalt Dr. Nicolas Lührig, Berlin Mitglieder des Berufsrechtsausschusses - Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Gasteyer (Vorsitzender) - Rechtsanwalt Dr. Jürgen Christoph, Ratzeburg - Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Kiel - Rechtsanwalt Dr. Joachim Frhr. von Falkenhausen, Hamburg (Berichterstatter) - Rechtsanwältin Dr. Clarissa Freundorfer, Berlin - Rechtsanwältin Dr. Doris Geiersberger, Rostock - Rechtsanwalt Prof. Niko Härting, Berlin Deutscher Anwaltverein - Rechtsanwalt Markus Hartung, Berlin Littenstraße 11, 10179 Berlin - Rechtsanwalt Markus Hauptmann, Frankfurt Tel.: +49 30 726152-0 - Rechtsanwältin Sirka Huber, München Fax: +49 30 726152-190 - Rechtsanwältin Claudia Leicht, Hamburg E-Mail: [email protected] - Rechtsanwältin Ruth Nobel, Bochum - Rechtsanwalt und Notar Eghard Teichmann, Achim Büro Brüssel - Rechtsanwalt Prof. Dr. Dirk Uwer, Düsseldorf Rue Joseph II 40, Boîte 7B - Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof Dr. Peter Wessels, Karlsruhe 1000 Brüssel, Belgien Zuständig in der DAV-Geschäftsführung Tel.: +32 2 28028-12 - Rechtsanwalt Udo Henke, Berlin Fax: +32 2 28028-13 E-Mail: [email protected] Transparenz-Registernummer: 87980341522-66 www.anwaltverein.de Verteiler . Bundesverfassungsgericht . An die Mitglieder des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages . Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz . An die Justizministerien und Justizverwaltungen der Bundesländer . Bundesrechtsanwaltskammer . An die Mitglieder des Vorstandes des Deutschen Anwaltvereins . An die Vorsitzenden der Landesverbände des Deutschen Anwaltvereins . An die Vorsitzenden der Gesetzgebungsausschüsse des Deutschen Anwaltvereins . Forum Junge Anwaltschaft . Redaktion NJW Seite 2 von 20 Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist der freiwillige Zusammenschluss der deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Der DAV mit seinen gut 62.000 Mitgliedern vertritt die Interessen der deutschen Anwaltschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Kurzzusammenfassung § 59e Abs. 2 Satz 1 und § 59f Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sind nach Auffassung des Deutschen Anwaltvereins verfassungswidrig, soweit sie der Zulassung einer Berufsausübungsgesellschaft mit beschränkter Haftung von Rechtsanwälten und Steuerberatern als Rechtsanwaltsgesellschaft entgegenstehen, wenn nicht die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte sowie die verantwortliche Führung der Gesellschaft und die Mehrheit der Geschäftsführer den Rechtsanwälten überlassen sind. Die Vorschriften verstoßen gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit. Die in den Vorschriften geregelten Mehrheitserfordernisse sind nicht erforderlich, um die Gemeinwohlziele der Sicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit, der beruflichen Qualifikationsanforderungen und des Berufsrechts zu erreichen. Da das Bundesverfassungsgericht diese Frage bereits für die gemeinsame Berufsausübung von Rechtsanwälten und Patentanwälten entschieden hat und sich die Argumente auch auf andere grundsätzlich sozietätsfähige Berufe übertragen lassen, hält der Deutsche Anwaltverein es für angezeigt, die genannten Vorschriften nicht nur für die vorliegende Fallkonstellation, sondern insgesamt für mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig zu erklären. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, zeitnah das anwaltliche Gesellschaftsrecht zu reformieren. A. Sachverhalt Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine Rechtsanwaltsgesellschaft, Steuerberatungsgesellschaft und Buchprüfungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, die im Jahr 2011 von einem Rechtsanwalt, Steuerberater und vereidigten Buchprüfer (im Weiteren nur „Rechtsanwalt“) gegründet wurde. Sie wurde von der Rechtsanwaltskammer Karlsruhe als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen und von der Steuerberaterkammer Nordbaden als Steuerberatungsgesellschaft und von der Wirtschaftsprüferkammer als Buchprüfungsgesellschaft anerkannt. Der Seite 3 von 20 Rechtsanwalt war zunächst alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft. Im Jahr 2016 wurde für einen Steuerberater eine Einzelprokura in das Handelsregister eingetragen. Nach der im Dezember 2017 vorgelegten Liste der Gesellschafter hielt der Rechtsanwalt 50,12 Prozent und der Steuerberater 49,88 Prozent des gesamten Stammkapitals. Der Rechtsanwalt verfügte über 827 und der Steuerberater über 823 Stimmen. Da die Beschlüsse der Gesellschafter mit einfacher Mehrheit gefasst wurden, lag die Mehrheit der Stimmrechte beim Rechtsanwalt. Die Satzung der Klägerin enthält in § 6 Abs. 6 die Regelung, dass die Geschäftsführer mehrheitlich Rechtsanwälte sein müssen (§ 59f Abs. 1 Satz 2 BRAO). § 7 Abs. 3 regelt, dass die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte Rechtsanwälten zustehen muss (§ 59e Abs. 2 Satz 1 BRAO). Die einschlägigen Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsordnung lauten: § 59e Gesellschafter (2) Die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte muss Rechtsanwälten zustehen. … § 59f Geschäftsführung (1) Die Rechtsanwaltsgesellschaft muss von Rechtsanwälten verantwortlich geführt werden. Die Geschäftsführer müssen mehrheitlich Rechtsanwälte sein. Mit Schreiben vom 14.02.2018 teilte die Klägerin der Rechtsanwaltskammer Karlsruhe die Absicht mit, neben dem bisherigen allein geschäftsführungsbefugten Rechtsanwalt den Steuerberater zum weiteren allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer zu bestellen. Außerdem solle durch Übertragung von Geschäftsanteilen an der GmbH auf den Steuerberater eine paritätische Beteiligung der beiden Gesellschafter herbeigeführt werden. Zu diesem Zweck sollen die §§ 6 Abs. 6 und 7 Abs. 3 der Satzung der Gesellschaft gestrichen werden. Mit Schreiben vom 29.05.2018 teilte die Rechtsanwaltskammer Karlsruhe der Klägerin mit, dass die beabsichtigten Änderungen gegen §§ 59e Abs. 2, 59f Abs. 1 Satz 2 BRAO Seite 4 von 20 verstoßen und daher rechtswidrig wären. Bei einer Änderung der Satzung sei sie gezwungen, die Zulassung der Rechtsanwaltsgesellschaft zu entziehen. Gegen diese Entscheidung der Rechtsanwaltskammer Karlsruhe erhob die Klägerin Klage zum Anwaltsgerichtshof Baden-Württemberg, da diese rechtswidrig sei und sie in ihren Rechten verletze. Die §§ 59e Abs. 2, 59f Abs. 1 Satz 2 BRAO seien verfassungswidrig und nichtig. Sie würden die Klägerin in ihrer Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verletzen und verstießen zudem gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Anwaltsgerichtshof Baden-Württemberg hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2018 das Verfahren ausgesetzt. Der Anwaltsgerichtshof ist davon überzeugt, dass die §§ 59e Abs. 2 Satz 1, 59f Abs. 1 BRAO mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar sind, soweit sie bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Zweck der gemeinsamen Berufsausübung von Rechtsanwälten und Steuerberatern zugunsten der Rechtsanwälte eine Anteils- und Stimmrechtsmehrheit sowie deren Leitungsmacht und Geschäftsführermehrheit vorschreiben und bei einer Missachtung eine Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft ausschließen. Die §§ 59e Abs. 2 Satz 1, 59f Abs. 1 BRAO würden in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG eingreifen, soweit sie es einer Rechtsanwaltsgesellschaft versagen, neben den Rechtsanwälten auch Steuerberater oder andere Mitglieder sozietätsfähiger Berufe nach § 59a Abs. 1 BRAO bezüglich der Geschäftsanteile und Stimmrechte paritätisch zu beteiligen sowie Mitglieder dieser Berufe als alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer in gleicher Anzahl wie Rechtsanwälte zu bestellen. Diese Eingriffe seien verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die §§ 59e Abs. 2 Satz 1, 59f Abs. 1 BRAO würden zwar eine ausreichende gesetzliche Grundlage für einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen. Soweit sie bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Zweck der gemeinsamen Berufsausübung von Rechtsanwälten und Steuerberatern zugunsten der Rechtsanwälte eine Anteils- und Stimmrechtsmehrheit sowie deren Leitungsmacht und Geschäftsführermehrheit vorschreiben und bei einer Missachtung eine Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft ausschließen, seien jedoch die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs nicht erfüllt. Zwar verfolge der Gesetzgeber mit den Vorschriften legitime Zwecke. Die Vorschriften seien auch Seite 5 von 20 geeignet, diese Zwecke zu fördern. Sie seien aber nicht erforderlich, um die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen. Der Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit sei bereits durch gesetzlich geregelte Berufspflichten der beteiligten Rechtsanwälte und Steuerberater sichergestellt. Diese würden tätigkeitsbezogen auf konkrete Verstöße im Einzelfall zielen und