Baumgarten und die Ajatollahs

ISSN 2199-3572 Nr. 12 (28) Dezember 2016/ Kislew – Tewet 5777 RU NDSCHA U 3,70 € JÜDISCHEUnabhängige Monatszeitung · H erausgegeben von dr. r. Korenzecher

Katholikal und Lehrhaftes „Allein unter großer Freund Chanukka-Fest Amerikanern“ Israels Mike Pence, der Vom Sinn seite 18 Die Jüdische Rundschau zukünftige Vize- der Bräuche zeichnet präsident der USA Tuvia Tenenbom aus seite 5 seite 39 seite 3 KOLUMNE DES HERAUSGEBERS DR. R. KORENZECHER in der Trump-Ära JIM WATSON , AFP

Liebe Leserinnen und liebe Leser, das Jahr 2016 geht in diesem Monat mit schnellen Schritten seinem Ende entge- gen. Die stimmungsvollen Lichterfeste , das jüdische Channukah und das christli- che Weihnachten stehen vor der Tür. Während sich die Kinder, jüdisch und christlich, weltweit auf die Geschenke freu- en dürfen und unsere Leser und wir alle schon wieder in dem alljährlichen Jahres- endstress zu dem wie stets überraschend schnell herannahenden Jahreswechsel geraten, ist es auch Zeit einen ersten Rück- blick auf den hinter uns liegenden Teil des Jahres 2016 vorzunehmen. Wie an dieser Stelle geboten , möchten wir dies aber nicht tun, ohne Ihnen, unse- ren Lesern für Ihre Treue und Ihr engagier- tes Wohlwollen zu danken, mit dem Sie die Redaktion und mich auch im dritten Jahr unseres Erscheinens belohnt und motiviert haben und weiterhin motivieren. Es war bereits in den zurückliegenden elf Monaten ein bewegtes Jahr, dieses Jahr 2016. Es war ein Jahr wichtiger und weitrei- Von Caroline Glick Mit der Unterstützung des von den Re- Klar: Was Trumps Außenpolitik betrifft, chender politischer Entscheidungen. publikanern kontrollierten Senats wird ist vieles immer noch unklar. Doch auch hier Es war ein Jahr vieler gefährlicher – vor al- Was können wir von der Regierung des Trump Obamas Bestrebungen, den Obers- gibt es schon einiges, was wir wissen. Trump lem dem fahrlässigen, dümmlichen und gewählten Präsidenten Donald Trump ten Gerichtshof der USA nach dem Bild wird die Unterschrift der USA vom Atom- rückgratlosen Islam-Appeasement unserer erwarten? des aktivistischen, ja autoritären Obersten abkommen mit dem Iran zurückziehen. westlichen Politik geschuldeter – Fehlent- Die Positionen, die Trump während des Gerichts in Israel umzugestalten, ein Ende Trump wird nicht in der Lage sein, den wicklungen. Wahlkampfes vertrat, waren manchmal bereiten. In seiner vierjährigen Amtsperi- Schaden wiedergutzumachen, den der Es war ein Jahr auch weiterhin fast unge- inkonsistent oder gar widersprüchlich. Es ode könnte Trump womöglich bis zu vier Deal bereits angerichtet hat – jedenfalls bremst und ungehindert gelebten, nahezu ist darum unmöglich, genau vorherzusa- der neun Richterämter neu besetzen. Auf nicht sofort. Er wird nicht in der Lage grenzenlosen islamischen Hasses auf unse- gen, was er tun wird, wenn er im Amt ist. diese Weise wird er für eine Generation sein, die multilateralen Sanktionen und re freiheitlichen, demokratischen Werte im Doch nicht alles liegt im Dunkeln. Tat- lang das Angesicht des Gerichts formen. die Sanktionen des UN-Sicherheitsrats allgemeinen und auf den erfolgreichen und sächlich sind einige wichtige Grundzüge Während des Wahlkampfes hatte Trump gegen den Iran wiedereinzusetzen, die im prosperierenden demokratischen Staat Is- seiner Regierung bereits ersichtlich. klargemacht, dass er sich dem linken, von Zuge des Atomabkommens aufgehoben rael und die Juden im Besonderen, ein Jahr Zuerst einmal wird das Erbe von Präsi- Obama verfochtenen Plan widersetzt, aus wurden. Ein solcher Schritt wird langwie- des islamischen Terrors, der ruchlosen flä- dent Barack Obama verschwinden, sobald dem Gericht eine kaiserliche Justiz zu ma- rige Verhandlungen erfordern, und deren chendeckenden Brandstiftung gegen Land er am 20. Januar das Weiße Haus verlässt. chen, die gesellschaftliche und kulturelle Ergebnis ist keineswegs garantiert. Seite 2  Es mag sein, dass sich Republikaner über Normen bestimmt und von der Richter- Auch wird Trump nicht die Milliar- vieles nicht einig sind. Doch in einem bank aus regiert. den Dollar zurückholen können, die der Österreich 3,70 €; Italien 3,70 €; Schweiz 4,60 CHF; stimmen Trump und seine Partei überein: Auch bei der Bundessteuerbehörde, Iran aufgrund der Beendigung der Wirt- Luxemburg 3,80 €; Belgien 3,90 €; Niederlande dass Obamas politische Richtlinien auf- dem Internal Revenue Service (IRS), schaftssanktionen und durchG eldzah- 4,50 €; Slowakei 4,50 €; Slowenien 35 KN gegeben und durch andere ersetzt werden wird Trump aufräumen. Unter Obama lungen vonseiten der Obama-Administ- müssen. Und sie werden zusammen daran ist der IRS zu einer Waffe in der politi- ration bereits erhalten hat. arbeiten, das, was Obama als Präsident ge- schen Kriegsführung geworden. Kon- Dafür aber wird Trump von seinem tan hat, rückgängig zu machen. servative und rechte Pro-Israel-Gruppen ersten Tag als Präsident an die Rich- Was die Politik im eigenen Land be- wurden systematisch diskriminiert und tung der US-Politik gegenüber dem Iran trifft, bedeutet dies zuallererst,O ba- wegen angeblich missbräuchlicher Prak- ändern. Er wird etwas dagegen unter- macare zu widerrufen und durch eine tiken ins Visier genommen. Man darf nehmen, dass der Iran in den Besitz von Reform des Gesundheitswesens zu er- annehmen, dass Trump die IRS-Funk- Atomwaffen gelangt. Er wird sich Irans setzen, die den Krankenversicherungs- tionäre, die an diesem Amtsmissbrauch Aufstieg zu einer regionalen Hegemoni- markt für Konkurrenz öffnet. beteiligt waren, feuern wird. almacht widersetzen. 2 WELT № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU  Fortsetzung von Seite 1 Israel in der Trump-Ära Eine zweite Aussage, die man schon Auch David Friedman und Jason jetzt über Trumps Präsidentschaft ma- Greenblatt, die Trump während des chen kann, ist, dass sie der indirekten Wahlkampfes in israelischen Angele- Politik Reagans ähnlicher sein wird als genheiten beraten haben, zählen zu den dem Mikro-Management Obamas. Sei- energischsten Anwälten der US-Israel- ne Vergangenheit als Geschäftsmann Allianz der letzten Jahrzehnte. und sein Mangel an Erfahrung an Re- Die auffällige Freundlichkeit des gierungs- und Politikererfahrung wer- Trump-Wahlteams ist umso bemer- den Trump dazu bewegen, zwar allge- kenswerter, wenn wir uns anschauen, meine politische Richtlinien und Ziele was Israel vonseiten einer Regierung zu setzen, die Verantwortung für das Hillary Clinton zu erwarten gehabt hät- Erarbeiten der jeweils geeigneten Maß- te. Clintons Schattenkabinett im von nahmen und Programme aber seinen George Soros finanzierten und von John Ministern und Beratern zu überlassen. Podesta geleiteten Center for American Das bedeutet, dass das Personal in Progress enthielt keine ernsthaften Für- der Trump-Regierung in hohem Maß sprecher der US-Israel-Allianz. die Politik bestimmen wird. Während Und ihr Beraterstab stand Israel nicht Obamas Minister und Berater mehr einfach bloß indifferent gegenüber. oder weniger austauschbar waren, da Die WikiLeaks-Enthüllungen aus Obama alles selbst entschied – von den Podestas E-Mails, wie etwa die Korre- Details seiner Politik bis hin zu der Art spondenz, die Judicial Watch aus Clin- und Weise, wie diese der Öffentlichkeit für Trump gearbeitet haben, hat Israel Verfechter des amerikanisch-israeli- tons Amtszeit als Außenministerin ver- verkauft (oder vor ihr verheimlicht) und guten Grund, optimistisch zu sein. schen Bündnisses. öffentlicht hat, zeigen deutlich, dass in umgesetzt wurde – ist Trumps Auswahl Der gewählte Vizepräsident Mike Das Gleiche gilt für den ehemaligen Clintons Team zahlreiche Berater mit seiner Berater strategisch bedeutsam. Pence ist einer der am stärksten prois- New Yorker Bürgermeister Rudy Giuli- einer tief sitzenden Feindseligkeit ge- Noch wissen wir natürlich nicht, wer raelischen Politiker in Amerika. Der ani, den früheren Senator Rick Santo- genüber Israel, wenn nicht gar mit Hass Trumps Berater und Kabinettsmitglie- frühere Sprecher des Repräsentanten- rum, den pensionierten General Mike auf Israelis und die israelische Regie- der sein werden. Doch sieht man auf die hauses, Newt Gingrich, ist ein ausge- Flynn und den früheren UN-Botschaf- rung waren. Berater, die während des Wahlkampfes sprochener Verbündeter Israels und ter John Bolton. Fortsetzung auf Seite 6 

 Fortsetzung von Seite 1 KOLUMNE DES HERAUSGEBERS DR. R. KORENZECHER und Menschen in Israel und – ge- die Vertreibung Englands aus der miten und Ermächtigungsgesetz- tanjahu- und Israel-Bashing-Politik, stützt durch unsere am Willen ihrer EU verantwortlichen Politversager- Usurpator Erdogan im Stile Angela die Europas Wähler an den rechten Wähler unbeirrt vorbeiregierenden Chors auf höchster Regierungs- und Merkels bis zur Übelkeit zu hofieren Rand getrieben hat. Es sind die fas- westeuropäischen Islam-Einlass- Ministerebene, die in nahezu glei- und dem viel zu lange sein entrech- sunglos machenden Perversitäten, Politiker – ein Jahr der expansiven cher personeller Besetzung schon tetes Volk drangsalierenden Mörder politisches Versagen mit einem lu- islamischen Aggression gegen unse- die Wahl des seinerzeit mit größten und Diktator Fidel Castro in blumi- krativen Ämtertausch beispielswei- re westliche Rechtsordnung, gegen Vorschuss-Lorbeeren versehenen gen Worten nachzutrauern, belegen se ins Amt des Bundes-Präsidenten, unsere Städte und gegen alles, was Politflops Obama begrüßten und in beredter Weise, wie heilsam, wich- wie besonders im Falle Steinmeier unser Leben in Freiheit und Toleranz der kübelweise von der gleichen, je- tig und erforderlich der neue ameri- zu belohnen, genau desjenigen, bislang lebens- und liebenswert ge- der Selbsteinsicht unzugänglichen kanische Umbruch ist, auch für die der verantwortlich zeichnet für die macht hat. Politikergruppe und der mit ihr ver- von seinen bislang noch gewählten deutsche Zustimmung zu derartigen Aber dennoch oder gerade des- linkten Medien auf dem Kandidaten Politikern im Stich gelassenen euro- geschichtsklitternden Resolutionen halb, vor allem auch im Blick auf die ausgeschüttete Verunglimpfungs- päischen Völker und für die in immer der überflüssig gewordenen Islam- jüngste, kaum noch zu erhoffende Unrat haben die Niederlage des lin- größerer Zahl vor dem Islam-getra- Diktatoren-Spielwiese UNO, wie politische Entwicklung in den USA, ken Lügen-Establishments um das genen Antisemitismus und seinen etwa der Behauptung das jüdische könnte es ein Jahr der Zuversicht amerikanische Angela-Merkel-Pen- häufig ungeahndeten Auswüchsen Volk hätte weder ein geschichtliches für Israel und vielleicht auch für das dant Hillary Clinton, und damit die aus West-Europa davon laufenden Anrecht auf den Tempelberg noch durch seine eigenen bisherigen Ver- längst überfällige Abwendung von Juden. auf seine ewige Hauptstadt Jerusa- sagens-Politiker geschundene und dem Islam-Appeasement Obamas Für die Sicherheit Israels durch die lem. den Folgen der vorsätzlich schönge- und die mehr als erforderlich gewor- angekündigte Abkehr vom desast- Kein Stück entschuldbarer ist die redeten Migranten-Invasion längst dene politische Neubesinnung nicht rösen Iran-Atom-Bewaffnungs-Deal Zustimmung des Steinmeier-Amtes nahezu völlig preisgegebene West- verhindern können. Obamas und Steinmeiers, für die zu ausgerechnet am 29. November, europa. Das neue amerikanische Duo Bekämpfung des durch unsere hie- dem 69. Jahrestag der UNO-Reso- Israel hat indessen den Messer- Trump – Pence signalisiert Zuver- sigen Terror-gegen-Israel-Versteher lution 181, die die Grundlage der Terror gegen seine Menschen und sicht auf eine längst überfällige Kor- bislang nur halbherzig und unter neuzeitlichen Staatsgründung Isra- die widerwärtigen, an Menschen- rektur des von Obama vorsätzlich Schuldzuweisung gegenüber den els war, vorgenommenen Reihe voll- verachtung kaum zu überbietenden ruinierten amerikanischen Verhält- jüdischen Opfern verurteilten Islam- kommen unangemessener islam- flächendeckenden, arabischen Neid- nisses zu seinem einzigen wahren Terrors gegen Israel, für die Anerken- induzierter Anti-Israel-Resolutionen, und Hass-Brandstiftungen wieder in und natürlichen Verbündeten im Na- nung der ungeteilten ewigen jüdi- darunter auch derartige Abstrusitä- den Griff bekommen. hen Osten. Es verheißt eine Abkehr schen Hauptstadt durch Verlegung ten, wie die sofortige Rückgabe der In den USA geht erfreulicherwei- von der Politik der ständigen Maß- der US-Botschaft nach Jerusalem, für Golan-Höhen an das bekannterma- se die viel zu lange Ära der unsägli- regelung und Delegitimierung des die Beendigung der Dauer-Diffamie- ßen führungslose, terror- und Bür- chen, israel-aversen, islam-affinen, Staates Israel und der neben Obama rung Israels und seines demokratisch gerkriegs-erschütterte Syrien. Atom-für-den-Iran-befürwortenden, und Clinton besonders auch von den gewählten Ministerpräsidenten, der Ganz im Sinne des Chanukkah-Fes- Ost-Europa-Konflikt-verschärfenden europäischen Steinmeiers verschul- im Übrigen durch die gleichen Poli- tes können auch in den Zeiten größ- Präsidentschaft des Barack Hussein deten atomaren Aufrüstung des Ho- tiker vom Schlage Steinmeiers ge- ter Bedrohung offensichtlich kaum Obamas zu Ende. locaustleugners und -bereiters Iran. maßregelt wird , die Trump die Gra- für möglich gehaltene Ereignisse Die keine Grenzen des Anstands Der Schlecht-Verlierer-Versuch, das tulation zur Wahl verweigern, und den Lauf der Geschichte verändern. kennenden publikumsträchtigen amerikanische Wahlergebnis anzu- nicht zuletzt für eine Entspannung Mit diesen Zeichen der Zuversicht Beschimpfungstiraden der links- fechten, der hilflose Hassaufschrei der Konfrontation in Osteuropa lie- wünsche ich unseren Lesern, dem lastigen, allen anderen gegenüber und die Verweigerung diplomati- fert die Wahl in den USA neue his- Staat IsraeI, dem jüdischen Volk Wasser predigenden, aber selbst scher Glückwunsch-Usancen gegen- torische Chancen und Perspektiven, und allen friedvollen Menschen auf Wein trinkenden Hollywood-und über dem demokratisch gewählten die es ohne die auch in Europa über- gleich welchem Kontinent ein glück- Broadway-Schickeria, die Verach- neuen amerikanischen Präsidenten fällige Neuorientierung und bei der liches Chanukka-Fest und friedvolle tung der nur in ihrer eigenen Dar- durch die zunehmend volksfernen Wahl der Obama-Politik-Fortsetzerin Weihnachten . stellung liberalen, in Wahrheit europäischen und deutschen politi- Hillary Clinton nie gegeben hätte, wählerverachtenden, arroganten schen Noch-Führungen und Israel- wofür auch die neuesten politischen Am Israel Chai! und selbstverliebten sogenannten Basher, die nichts dabei finden, jede Perversionen der hiesigen Politik be- amerikanischen Medien- und Poli- blutverschmierte Hand eines wider- redtes Zeugnis abgeben. Ihr Dr. Rafael Korenzecher teliten, das begleitende Hassgeze- wärtigen islamischen Diktators zu Es ist der Mangel an politischem ter des westeuropäischen, auch für drücken, den Panislamisten, Antise- Gespür eben dieser Trump-, Ne- № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 3 Nachrichten aus einem verunsicherten Land Tuvia Tenenbom ist „Allein unter Amerikanern“ Von Valerie Herberg einzuflößen und sie in ei- er in den Gesprächen teilweise ein anderes ner Weise zu segregieren, Herkunftsland, eine andere Religion oder Mit der Wahl Donald Trumps zum US- die zum Himmel stinkt. eine andere politische Einstellung an, um Präsidenten rückten die Amerikaner welt- [...] Wie ungezogene klei- die Menschen zu provozieren und zu ehr- weit in den Mittelpunkt von Diskussionen ne Kinder sind die Ameri- lichen Antworten zu bewegen. Das ist oft und Debatten. Viele rätseln über ein Land, kaner ständig besorgt, je- amüsant – und fast immer wirkungsvoll. von dem sie dachten, sie würden es kennen. mand da draußen könnte „Ich antworte ihr, dass es bei uns in Der jüdische Journalist Tuvia Tenenbom sie eines Tages ‚verraten‘ Deutschland keine Schwarzen gibt. Punkt. ist im vergangenen Jahr durch die USA ge- und aller Welt erzählen, Wir sind alle weiß, blond und groß. Tul- reist. Er hat mit den Menschen dort über was sie wirklich denken. sa, erzählen sie mir, ist vielfältig. Amerika Politik, ihren Glauben und ihr Leben in Das Problem ist nur, dass auch. Und es ist großartig, wirklich groß- den USA gesprochen und seine Erlebnisse die Amerikaner keine artig – so Nancy –, in einem so vielfältigen und Eindrücke dokumentiert. Herausge- Kinder sind: Sie verfügen Land zu leben wie den Vereinigten Staaten kommen ist „Allein unter Amerikanern“ über gewaltige Bomben von Amerika. Ich halte dagegen, dass ich – eine ehrliche, teilweise provokante und und werfen sie manch- die mangelnde Bevölkerungsvielfalt mei- erschütternde Reportage über ein verunsi- mal gerne irgendwie ir- nes geliebten Deutschland sehr genieße, chertes Land. gendwo ab. Amerika ist wirklich sehr, sehr genieße. ‚Wie, Sie mö- Tenenbom wurde in Israel geboren und auch eine der stärksten gen keine Diversität?‘, fragt Nancy. ‚Wie lebt aktuell in Europa und . Volkswirtschaften derkönnen Sie in einem Land leben ohne…‘ Nach seinen beiden Bestsellern „Allein un- Welt, zeitweise sogar die Ich falle ihr ins Wort. Seien wir doch mal ter Juden“ und „Allein unter Deutschen“, in stärkste, aber kann sich ehrlich! Ist dieses ‚Diversitäts‘-Ding nicht denen er seine Eindrücke von Deutschland die Menschheit auf dieses bloß ein Lippenbekenntnis? Das wurde und Israel beschrieb, nimmt er die Leser Land verlassen? Ich wür- doch vor nicht allzu langer Zeit erfunden, dieses Mal mit in die USA. „Ich bereise de es nicht tun.“ oder? Oder gab’s das schon, als Sie heirate- sechs Monate lang ein Land, spreche mit so ten? Nein, gab es nicht. ‚Diversität‘, soweit vielen Menschen wie möglich und porträ- Individuelle Bruce sich erinnert, kam erst vor rund 15 tiere den Charakter des Landes und seiner Momentaufnahmen Jahren in den amerikanischen Sprachge- Bewohner", lautete die Agenda für die bei- Bei all dem erhebt der brauch, maximal.“ den ersten Bücher sowie für „Allein unter Autor keinen Anspruch Amerikanern“. auf Repräsentativität. Er Sarkasmus, Humor und Selbstkri- betont, dass er lediglich tik Freiheit: Eine Farce? Einzelfälle porträtiert Tenenbom provoziert nicht nur seine Ge- In den kurzen Gesprächen, die der Autor und seine persönlichen sprächspartner. Er führt auch den Lesern mit Politikern, Angestellten, Obdachlosen, Eindrücke wiedergibt. Widersprüche vor Augen, stellt herkömm- Christen, Muslimen, Juden, Mormonen, auf Menschen geschossen wird. Warum Doch gerade diese individuellen Moment- liche Denkweisen in Frage und regt zum Ureinwohnern und vielen anderen führt, interessieren sich diese Menschen so für aufnahmen und die ehrlichen, ungeschön- Nachdenken an. So unbequem wie Tenen- offenbart sich eine überraschende Ten- Israel? Keine Ahnung.“ ten Berichte machen das Buch besonders boms Fragen für die Interviewten gewesen denz: Die viel beschworene Freiheit und Die befragten Menschen, die sich selbst authentisch. Tenenbom redet mit Armen sein dürften, können seine Erkenntnisse Offenheit in die USA scheinen vielerorts als konservativ bezeichnen, scheinen dabei und Reichen, Leuten verschiedener Glau- für die Leser sein. Gleichzeitig spart er eine Farce zu sein. Wenn es darum geht, eher Israel zu unterstützen, Liberale eher bensrichtungen, Straftätern, Gefängnis- auch nicht an Selbstkritik. eine politische Meinung zu äußern, zeigen die „Palästinenser“. Gleiches gilt, wie Te- personal, PR-Leuten und Politikern. Er Dass der Bericht in lockerem Ton ge- die meisten Menschen sich verunsichert schrieben ist, macht ihn leicht lesbar und bis verängstigt. unterhaltsam. Neben Sarkasmus und „Niemand kann je den nächsten Präsidenten Selbstironie kommt auch der Humor nicht „Wenn es um Politik geht, ziehe zu kurz. Immer wieder leistet Tenenbom ich eine rote Linie.“ einer Nation vorhersagen, deren Bürger sich sich zum Beispiel Seitenhiebe auf die US- Da ist zum Beispiel der Mann, mit dem amerikanische Küche. Tenenbom auf einem Bierfestival in Den- nicht trauen, einem Fremden zu verraten, ver spricht: „Wäre doch interessant, mal Journalismus, wie wir ihn derzeit zu hören, was ein betrunkener Amerika- für welchen Kandidaten sie in der dringend brauchen ner wirklich über gewisse Themen denkt. All dies macht Tenenboms Buch zu etwas Als Erstes frage ich ihn, ob er für die Roten Vergangenheit gestimmt haben.“ Besonderem. Er liefert damit zwar einen oder für die Blauen ist. Aber damit komme subjektiven, aber auch ehrlichen und un- ich nicht weit. Obwohl er ziemlich betrun- nenboms Bericht nahelegt, offenbar auch wagt sich in Gegenden vor, aus denen geschönten Eindruck vom Stimmungsbild ken ist, weiß dieser Mann, welche Grenzen für manche Juden. Gegen Ende seiner Journalisten nur selten berichten. Und er in den USA. Die Mischung aus Reportage, er nicht überschreitet: ‚Wenn es um Poli- Reise besucht der Autor eine Konferenz scheut sich nicht, auch heikle Themen an- Reisebericht und Selbstversuch ist nicht tik geht, ziehe ich eine rote Linie.‘ O Gott, in New York, die vom amerikanisch-jüdi- zusprechen. nur aufschlussreich, sondern auch unter- nicht einmal die Betrunkenen trauen sich, schen „New Israel Fund“ und der israeli- Was dabei leider zu kurz kommt, sind haltsam. Die Leser lernen Seiten der USA im Land der Freien über Politik zu reden!“ schen Zeitung „“ organisiert wird, Frauenrechte – in den USA, wo Frauen kennen, die viele nicht einmal geahnt ha- Und da ist das junge Paar auf Jekyll Island, und an der größtenteils liberale amerika- immer noch keinen Anspruch auf bezahl- ben dürften. Mehr lernen und erfahren für das Politik ein so heikles Thema ist, dass nischen Juden teilnehmen: „Die liberalen ten Mutterschutz haben, wäre dies eine Er- kann nur, wer selbst dorthin reist. Tenen- die beiden nicht einmal untereinander be- amerikanischen Juden von heute sprechen wähnung wert gewesen. Auch etwas mehr boms Buch ist deswegen empfehlenswer- sprechen, welche Partei sie wählen. laut und deutlich über Israel und die Ju- Empathie gegenüber den Opfern sexueller ter Lesestoff für alle, die sich für die USA Diese Angst, sich politisch zu äußern, den: Sie fänden es toll, wenn beide sich in Gewalt, von denen Tenenbom hört und interessieren und die mehr über die Men- könnte laut Tenenbom ein Grund dafür Luft auflösten. Was daran ist ‚liberal‘? Ich mit denen er spricht, wäre wünschenswert schen wissen wollen, die Donald Trump sein, warum so manche Umfragen vor der weiß es nicht. Ich halte es für das Gegenteil gewesen. ins Weiße Haus gewählt haben. „Allein Präsidentschaftswahl falsch lagen: „Nie- von allem, was man als liberal bezeichnen unter Amerikanern“ ist genau die Art von mand kann je den nächsten Präsidenten ei- könnte.“ Lässt die Menschen selbst zu Wort Journalismus, die wir derzeit dringend ner Nation vorhersagen, deren Bürger sich kommen brauchen. nicht trauen, einem Fremden zu verraten, Waffen ja, Zigaretten nein Nichtsdestotrotz: Das Besondere an Te- für welchen Kandidaten sie in der Vergan- Tenenbom berichtet auch von immer noch nenboms Buch ist, dass er die Menschen Tuvia Tenenbom genheit gestimmt haben.“ grassierendem Rassismus in den USA, so- selbst zu Wort kommen lässt. Es ist keine Allein unter Amerikanern wie von Obdachlosigkeit und Armut. Die anonyme Studie oder Umfrage – die Leser suhrkamp taschenbuch Liberale für die „Palästinenser“, USA zeigt sich in dem Buch als ein Land, erfahren Alter, Herkunft und Beruf der Be- 463 Seiten, ISBN: 978-3-518-46734-3 Konservative für Israel in dem Menschen sich verschulden müs- fragten. Teilweise gibt es sogar ein Foto mit Dennoch kristallisiert sich in den Gesprä- sen, um ihre Behandlungskosten zahlen Tenenbom. Das verleiht dem Reisebericht Am 12. Dezember 2016 wird Tuvia Te- chen ein Thema heraus, das die Menschen zu können, während es mancherorts Kran- Unmittelbarkeit und Authentizität. nenbom im Berliner Adlon-Hotel der sehr beschäftigt, und zu denen die meisten kenhäuser für Schildkröten gibt. Als ein „Preis für ehrlichen Journalismus“ von nicht nur eine Meinung zu haben scheinen, Land, in dem man vielerorts zwar Waffen Provoziert zu ehrlichen der JÜDISCHEN RUNDSCHAU verliehen. sondern damit auch nicht hinter dem Berg tragen, aber nicht rauchen darf. Antworten halten: der israelisch-arabische Konflikt. Tenenboms Fazit fällt negativ aus: „Da- Der Autor bezieht auch regelmäßig selbst Wann: Montag, 12. Dezember um 19 Uhr „Während den Philadelphiern um mich durch, dass sie ihre Bürger gewaltsam in Stellung. Ehrlich ist er allerdings nur ge- Wo: Palaissaal des Adlon-Hotels am herum die Palästinenser, die zigtausende den gigantischen Kochtopf der Vielfalt genüber den Lesern: Seinen Gesprächs- Brandenburger Tor in Berlin Kilometer entfernt von ihnen leben, keine geworfen hat und sie beschämt, wenn sie partnern gab er sich zwar offen als Journa- Ruhe lassen, scheint kein einziger Quäker nicht stolz darauf sind, ist es Amerikas De- list zu erkennen, und reiste unter anderem Anmeldung: [email protected] hier zu zittern, weil in Gehweite von ihnen mokratie gelungen, ihren Bürgern Furcht mit einem Kameramann. Allerdings gab 4 WELT № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Die zweifelhaften Angriffe gegen Stephen Bannon Was steckt hinter dem jüdischen Magazin Breitbart News Network? Von Lennart Kaworski

Die Medien versuchen schon seit Mona- ten Trump in das schlimmstmögliche Licht zu rücken. Seine Position zu ille- galen Einwanderern dafür zu benutzen reicht nicht. Erst wenn Trump des Anti- semitismus überführt wurde, ist die Meu- te befriedigt. Diese These erfuhr große Zustim- mung, weil Trump sich nicht von dem Rechtsextremen David Duke distanzie- ren wollte, der zu seiner Wahl aufgerufen hatte. Wer sich allerdings schlau macht, erfährt, dass Trump in besagtem Fern- sehinterview sagte, dass er sich in dieser Frage nicht festlegen wolle, weil Duke ihm unbekannt sei. Nach dem Grundsatz in dubio pro reo (Im Zweifel für den Angeklagten) müs- sen wir diese Aussage auch glauben. Bei genug Anlässen hat Trump unter Beweis gestellt, dass er schlicht auf vielen politi- schen Feldern absolut ahnungslos ist. Ei- nige Tage später distanzierte er sich dann eindeutig von David Duke, aber zu spät: Die Medien hatten ihr Urteil gefällt und erwähnten die Distanzierung nur beiläu- fig. Wer erinnert sich eigentlich noch da- Stephen Bannon, Berater und Wahlkampfhelfer von Donald Trump ran, dass die „Nation of Islam“ zur Wahl Obamas aufrief? Immerhin ist die Grup- Dieser Pastor hatte sich für die Wahl doch auf ein ganz neues Ziel eingeschos- Ein Artikel hatte den Republikaner Bill pierung muslimischer Schwarzer nicht Trumps ausgesprochen, war aber nicht sen, nämlich Stephen Bannon. Dieser or- Kristol als „abtrünnigen Juden“ bezeich- nur rassistisch anti-weiß und homophob, Mitglied dessen Wahlkampfteams. Ähn- ganisierte Trumps Wahlkampf und wird net. Man sollte jedoch bedenken, dass sondern auch antisemitisch. lich verhält es sich, wenn jüdische Journa- seinen Chef auch im Weißen Haus wei- der Autor des Artikels, David Horowitz, Es mutet seltsam an, wenn ein Artikel listen, die kritisch über Trump berichten, terhin beraten. Bannon ist Chef der kon- selbst Jude ist. Er bezeichnete Kristol als über den „von Trump befeuerten Anti- Morddrohungen aus dem rechtsextre- servativen News-Website „Breitbart“, der „abtrünnigen Juden“, weil er sich gegen semitismus“ spricht, aber dann nicht ein men Lager erhalten. Abscheulich ja, aber nun Antisemitismus vorgeworfen wird. die Kandidatur Trumps ausgesprochen einziges Beispiel dafür aufzählen kann, Trump hat diese Drohungen nicht ausge- Aber der Reihe nach: Gründer Andrew hatte. Damit, so Horowitz, habe Kristol wo Trump dies auch tatsächlich getan sprochen. Breitbart (2012 an einem Herzinfarkt ge- die Sicherheit Israels gefährdet, schließ- hat. So wird in dem Artikel erwähnt, Die Wahrheit ist viel simpler und weni- storben) war Jude. Er hatte in Israel (!) er- lich hatte Trump doch eine härtere Gang- dass der Trump-Unterstützer und Pastor ger reißerisch. Trumps Tochter Ivanka ist klärt, eine Website zu gründen, mit dem art gegenüber dem Iran angekündigt. Mark Burns den jüdischen Demokraten ihrem Mann Jared Kushner zuliebe zum Ziel „der anti-israelischen Ausrichtung Ein weiterer Artikel hatte behauptet, Bernie Sanders dazu ermunterte, zum Judentum konvertiert. Der „First Schwie- der Mainstreammedien“ etwas entgegen- dass die „polnisch-jüdisch-amerikani- Christentum zu konvertieren. Mal ab- gersohn“ wird vermutlich eine Rolle in zusetzen. Dieses Ziel verfolgt die Website sche Elitistin Anne Applebaum mehr Gift gesehen davon, dass diese Aussage weit der neuen US-Regierung spielen. Zudem auch nach Breitbarts Tod weiterhin. und Galle spucke als die Hölle“. Liest man entfernt vom Rassenantisemitismus der hat Trump immer wieder klargestellt, an dann den Artikel, findet sich eine bitter- NSDAP ist und Burns selbst schwarz ist: der Seite Israels zu stehen. Worauf stützen sich die jetzigen Anti- böse Abrechnung mit besagter Journa- Was sagt das über Trump aus? Mittlerweile hat sich die Journaille je- semitismus-Vorwürfe dann? listin, in dem der Autor vor persönlichen Angriffen nicht zurückschreckt. Dass er in seinem Angriff nicht auf anti- semitische Untertöne verzichtet, spricht jedoch weniger für Antisemitismus als vielmehr für einen hitzköpfigen Charak- ter. Und so lässt sich dann im folgenden auch kein Pauschalurteil über alle Juden finden. Kein Wunder: Autor Matthew Tyrman ist Jude. Weitere Vorwürfe erhebt der jüdische Autor Ben Shapiro (ziemlich viele Juden für eine antisemitische Website, nicht wahr?), der mittlerweile ausgestiegen ist. Er hielt den oben erwähnten Horowitz- Artikel für eine Zumutung. Hier darf al- lerdings die kritische Anmerkung erlaubt sein, dass Shapiro zuvor auf ganz ähnliche Weise israel-kritische Juden als „Juden nur dem Namen nach“ bezeichnet hatte. Übrig bleibt nur noch der Vorwurf, Bannon habe sich dagegen gesträubt, fine flowers dass seine Töchter zusammen mit Juden auf eine Schule gingen. Ein harter Vor- wurf, der sich auch durch semantische Spielereien nicht mehr kleinreden lässt, wenn er denn stimmt. Wenn. Man sollte sich vergegenwärtigen, dass Bannons Ex-Frau diese Vorwürfe im Scheidungskrieg erhob und ihrem Mann auch häusliche Gewalt vorgeworfen hat- te. Das aber ist eine Diskussion, die eher an Sarah Engels und Pietro Lombardi er- Schlüterstr. 63 – 10625 B | Tel.: 32769600 | www.rosaundbella.de innert.

№ 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 5 Mike Pence, „katholikal“ und ein großer Freund Israels Der neue US-Vizepräsident im Porträt Von Felizitas Küble indem sie ständig eine Bibel in ihrer Hand- tasche trug. Das erscheint allerdings wenig Michael (Mike) Pence, zukünftiger Vize- glaubwürdig bei einer Frau, die gleichzei- Präsident der Vereinigten Staaten, ist von tig für totale Abtreibungsfreiheit eintritt seiner Persönlichkeit her völlig anders und die Gender-Ideologie unterstützt. gestrickt als Donald Trump. Der Gouver- Dazu kommt die gediegene parlamen- neur von Indiana gibt sich insgesamt eher tarische Erfahrung von Michael Pence, ei- zurückhaltend, argumentiert besonnen, nem Sohn irischer Einwanderer und Vater aber wortgewandt, sein Auftreten wirkt von 3 Kindern, der seit 31 Jahren mit sei- seriös, gelassen, er ist höflich, souverän ner Frau Karen verheiratet ist: Bevor er im und zugleich volksnah und verbindlich – Januar 2013 als Gouverneur von Indiana unterm Strich könnte man auch sagen: gewählt wurde, war Pence bereits 12 Jahre staatsmännisch. lang im US-Repräsentantenhaus vertre- In seinen Ansichten ist der 57-jährige ten. Vorher arbeitete er zunächst als Jurist Jurist freilich deutlich konservativer und und danach als Moderator eines konserva- vor allem christlicher geprägt als der auf- tiven politischen Senders. trumpfende, impulsive und bisweilen un- Er sorgte während des Wahlkampfs der berechenbar wirkende Milliardär Trump, letzten Monate im Hintergrund vor al- dessen Großvater übrigens deutscher Her- lem dafür, dass die Verbindung zwischen kunft ist (aus Rheinland-Pfalz in die USA Trump und seiner Republikaner-Partei eingewandert). sowie dem Kongress nicht zerriss. Einige Viele christliche Amerikaner, für derbe Sprücheklopfereien Trumps hatten die Trump nicht gerade der geborene in den Reihen der Republikaner für Ver- Wunschkandidat war, wählten ihn vor al- ärgerung und Irritationen gesorgt. lem deshalb, weil er sich Mike Pence als Wie Trump auch, ist Pence für seine Vizepräsidentschafts-Kandidat an Land israelfreundlichen Positionen bekannt. gezogen hatte. Damit scheint nämlich Er bezeichnete den jüdischen Staat als die konservative Agenda für die nächste „ewigen Verbündeten“ der USA. Entspre- Amtszeit gesichert. chend positiv ist sein Verhältnis zu ameri- In den USA kann nur selten jemand ins kanischen Juden – und umgekehrt. Weiße Haus einziehen, wenn er den „Bi- Der Gouverneur erklärte mit „Nach- belgürtel“ (vor allem die evangelikal ge- druck“, dass er sich nicht allein aus po- prägten Südstaaten) nicht auf seiner Seite litischen Gründen für Israel engagiert, hat. (Dieser „Bibelgürtel“ wird auch gerne sondern direkt aus seinem christlichen Michael Pence, ein Sohn irischer Einwanderer und Vater von 3 Kindern als Amerikas „Sicherheitsgürtel“ bezeich- Glauben heraus, der ihn dazu veranlasse, net.) den jüdischen Staat wertzuschätzen. Geboren und aufgewachsen in ei- Interview beschrieb er sich als „wieder- Trump erschien diesen „Frommen im Auf einer Republikaner-Konferenz ner katholischen Familie, besuchte er geborener Christ“ und als „evangelikaler Lande“ auch inhaltlich zu schillernd und sagte er im vergangenen Dezember: eine kirchliche Privatschule, war aktiv Katholik“ – vielleicht könnte man auch verdächtig liberal, mag er sich auch wie- „Israels Feinde sind unsere Feinde, die als Messdiener und geprägt von dem sagen: „katholikal“. derholt als „enorm gläubig“ bezeichnet Sache Israels ist unsere Sache. Wenn diese Wunsch, Priester zu werden. Als Student Nach dem Wahlerfolg Trumps und da- haben. Das wirkte nach zwei Scheidungen Welt sonst nichts Anderes weiß, aber dies lernte er dann eine evangelikal-freikirch- mit auch seinem Sieg schrieb Pence auf nicht sehr überzeugend. Aber er holte mit soll sie wissen: Amerika steht zu Israel.“ liche Gruppe kennen und schätzte deren seinem Facebookportal: Pence als Stellvertreter seinen besten Joker Der Politiker definiert seinen grund- Betonung einer persönlichen Beziehung „Alles, was ich bin, alles, was ich jemals aus der Tasche. sätzlichen Standpunkt mit den Worten, zu Jesus Christus. sein werde, verdanke ich Gott, meinen El- Übrigens hatte auch Clinton versucht, er sei „ein Christ, ein Konservativer, ein Zugleich lobt er aber die katholische tern, meiner Familie und dem Bundesstaat bei den christlichen Wählern zu punkten, Republikaner – in dieser Reihenfolge“. Prägung in seinem Elternhaus. In einem Indiana.“ Trump und die Jerusalem-Frage Wie „Palästinenser“ Donald Trump erpressen wollen

Von Stefan Frank schaft würde es eine amerikanische bäude gebaut werden soll. Während brauch gemacht, wovon die Medien Botschaft in Jerusalem geben. Dem der Zeit des britischen Mandats stand nie berichten. Bush brach dabei ein Sollte der neugewählte US-Präsident Do- Fernsehsender CNN sagte er im März: dort die Allenby-Kaserne, die die Jeru- Wahlkampfversprechen: Wie Trump nald Trump seine Ankündigung wahrma- „Es gibt niemanden, der stärker pro- salem-Garnison der britischen Armee hatte er zugesagt, die amerikanische chen und die amerikanische Botschaft israelisch ist, als ich es bin. Wir müssen beherbergte. Botschaft nach Jerusalem zu verlegen. in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem ver- Israel schützen. Israel ist so wichtig Im Oktober 1995 verabschiedete Sollte Trump Wort halten, wäre das legen, würde die Palästinensische Auto- für uns.“ Auf die Frage, ob er Jerusa- der amerikanische Kongress mit einer eine radikale Wende gegenüber der nomiebehörde (PA) Trump „das Leben lem als Israels Hauptstadt anerkennen überwältigenden Mehrheit (93 zu 5 Politik der bisherigen US-Präsidenten, schwer“ machen, sagte Riyad Mansour, der und die Botschaft dorthin verlegen Stimmen im Senat, 374 zu 37 im Re- die Jerusalem nicht als Hauptstadt Is- Botschafter der PA, als Reaktion auf Trumps werde, antwortete er: „Ja, das würde präsentantenhaus) den Jerusalem Em- raels anerkannt haben und sich dabei überraschenden Wahlsieg. Mansour erläu- ich. Tatsache ist, dass ich es gern se- bassy Relocation Act, der den Umzug auf den UN-Teilungsplan von 1947 be- terte seine Drohung mit den Worten: hen würde, dass sie verlegt wird, ich der Botschaft in Jerusalems Haupt- riefen, der vorsah, dass Jerusalem als „Das würde der Erklärung eines möchte sie in Jerusalem sehen“ – und stadt „bis zum 31. Mai 1999“ vorsieht Corpus separatum unter internationa- Kriegszustandes gleichkommen. (…) zwar „sehr schnell“. Später wiederhol- und 100 Millionen US-Dollar für den le Kontrolle gestellt würde. Wegen der Ich kann vielleicht keine Resolution te Trump dieses Bekenntnis in seiner Bau des Gebäudes bewilligt. Das Ge- Ablehnung des Plans durch die arabi- durch den Sicherheitsrat bringen, Rede auf dem Treffen des American Is- setz enthält eine Strafklausel, die das sche Seite und deren Überfall auf den doch ich kann ihr Leben [das der US- rael Public Affairs Committee (AIPAC). Budget für die weltweite Infrastruktur neugegründeten Staat Israel wurde Regierung] Tag für Tag unglücklich Der legislative Weg zur Errichtung des State Departments kürzt, falls die dieser jedoch nie umgesetzt. Erst kürz- machen, indem ich ein Veto gegen der Botschaft wurde bereits 1988 Frist überschritten wird – gleichzeitig lich hatte die Obama-Administration meine Aufnahme als Mitgliedsstaat durch das Helms Amendment geeb- räumt das Gesetz dem Präsidenten mit ihrer Haltung in der Jerusalem- [der Vereinten Nationen] provoziere. net, das zwei „diplomatische Einrich- aber das Recht ein, diese Klausel für Frage für Empörung gesorgt: In einer Italien bekam 1949 dreimal in Folge tungen“ in Israel schuf und es dem die Dauer von sechs Monaten außer Presseerklärung des Weißen Hauses ein Veto der Sowjetunion gegen seine Präsidenten anheimstellte, zu ent- Kraft zu setzen, falls er dies für „im In- anlässlich der Beerdigung des verstor- Aufnahme in die UNO. Solche Sachen scheiden, welche davon die US-Bot- teresse der Sicherheit der Vereinigten benen früheren israelischen Präsiden- kann ich machen. … Niemand kann schaft sein soll. In Jerusalem unterhal- Staaten“ befindet. ten Schimon Peres hieß es zunächst, uns dafür verurteilen, dass wir all die ten die USA derzeit ein Konsulat. Am Sowohl der damalige Präsident Bill diese finde auf dem Friedhof auf dem Waffen einsetzen, die wir in der UNO 18. Januar 1989 unterzeichneten die Clinton als auch seine beiden bis- Herzlberg in „Jerusalem, Israel“ statt, haben, um uns zu verteidigen, und wir Vereinigten Staaten und Israel einen herigen Nachfolger George W. Bush Später wurde den Journalisten eine haben viele Waffen in der UNO.“ zunächst 99 Jahre laufenden Mietver- und Barack Obama haben bislang „korrigierte“ Fassung der Erklärung Trump hatte im Wahlkampf wieder- trag über ein Grundstück im Westen alle sechs Monate von diesem Presi- geschickt: Auf dieser war das Wort „Is- holt versichert, unter seiner Präsident- der Stadt, auf dem das Botschaftsge- dential waiver genannten Recht Ge- rael“ durchgestrichen. 6 WELT № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Israel in der Trump-Ära Was können wir von der Regierung des gewählten Präsidenten Donald Trump erwarten? Von Caroline Glick

Die dritte Sache, die wir schon jetzt über das Wesen der Trump-Administration sagen können, ist, dass sie nicht zögern wird, konventionelle Lehren, die man ihr über eine Reihe von Dingen erteilt, in den Wind zu schlagen und stattdessen eine Politik zu verfolgen, die die Eliten beider Parteien nicht einmal zu denken wagen würden. Trumps Sieg war in allererster Linie eine Niederlage für die amerikanische Elite, für die, die Professor Angelo Codevilla einmal denkwürdig als Ame- rikas „herrschende Klasse“ bezeichnet hat. Trump nahm in seinem Wahlkampf nicht einfach nur das demokratische Establishment ins Visier; das republi- kanische Establishment attackierte er ebenso. Wohl wahr, in seiner Siegesrede sagte Trump, er beabsichtige, die Kluft in der amerikanischen Gesellschaft zu heilen – wohl angefangen mit seiner eigenen Partei. Doch eines sollte über diese Wiedervereinigung klar sein: Als gewählter Präsident wird Trump die Bedingungen des Heilungsprozesses bestimmen. Es gibt allen Grund anzunehmen, dass Trump zumindest denjenigen Re- Mit dem Wechsel von Obama zu Trump dreht sich der Wind. publikanern, die sich geweigert haben, ihn zu unterstützen oder die sich seiner Clinton für das jüdische Establishment solchen Deals sind allen Beteiligten Viele von Trumps Beratern – dar- Bewerbung um das Präsidentenamt haben wird. Das Weiße Haus mit Trump gleichermaßen klar. Israel muss die unter Gingrich, der als aussichtsreicher sogar widersetzt haben, nicht sobald wird keine offene Tür für diejenigen ha- Kontrolle über Jerusalem, Judäa und Kandidat für die Rolle des Stabschefs im vergeben wird. Mitglieder des Never- ben, die Trump fälschlicherweise des Samaria vollständig oder zum größten Weißen Haus oder das Amt des Außen- Trump-Lagers werden in der Trump- Antisemitismus bezichtigt haben. Jüdi- Teil abgeben und diese Gebiete mehr ministers gehandelt wird – haben diese Administration keine Positionen oder sche Amerikaner werden entweder die oder weniger judenfrei an die PLO Lehrmeinung zurückgewiesen. 2011, in Einfluss haben und in die politische Führer jener Gruppen entlassen müssen, überstellen. einer Debatte anlässlich der Vorwahlen Wüste geschickt werden. denen ihre Partei wichtiger war als ihre Diese von beiden Parteien getragene der Republikaner zur Präsidentschafts- Ein anderes Establishment, das bei Gemeinschaft; oder sie müssen neue Or- Sichtweise ist ihrer Natur nach zutiefst wahl, bezeichnete Gingrich die Paläs- dieser Wahl auf sein eigenes Schwert ganisationen zur Verteidigung ihrer In- feindlich gegenüber Israel. Sie bürdet tinenser als ein „erfundenes Volk“ und gefallen ist, ist das amerikanisch-jüdi- teressen gründen. Welchen Weg sie auch Israel die alleinige Verantwortung für merkte an, dass sie ihre Kinder dazu sche Establishment. Angeführt von der wählen, der Prozess des Wiederaufbaus das Schließen eines Friedens auf. Und indoktrinieren, die Juden als Untermen- Anti-Defamation League standen das schen zu betrachten und deren Auslö- amerikanisch-jüdische Establishment schung anzustreben. Für diese Tatsa- und seine größten Geldgeber fast wie Das jüdische Establishment hat die Antise- chenfeststellung wurde Gingrich von ein Mann hinter Clinton. Seine Obe- demokratischen und republikanischen ren stellten ihre Parteipräferenz über miten unter den Demokraten immer igno- Eliten brutal angegriffen. die Interessen ihrer Gemeinschaft und Doch er hat seine Äußerung nie wi- ihre Verantwortung dieser gegenüber. riert und weggeleugnet, selbst als sie beim derrufen. Dadurch schwächten sie die Gemein- Die Wahl Trumps bietet Israel zum schaft auf eine Weise, die zu reparieren Nominierungsparteitag der Demokraten ersten Mal in 50 Jahren die Chance, das schwierig werden wird. Bündnis mit den USA neu zu definieren. Sowohl die Demokratische Partei als israelische Flaggen verbrannten. Das neue Bündnis muss auf gemein- auch die Republikanische Partei haben samem Verstehen und Respekt dessen Antisemiten in ihren Reihen. Das jüdi- der gemeinschaftlichen Infrastruktur, als die alleinverantwortliche Partei gründen, was Israel den USA zu bieten sche Establishment hat die Antisemiten die von den Anführern zertrümmert ist Israel auch die einzige Partei, die hat und was die Grenzen dessen sind, unter den Demokraten immer ignoriert wurde, wird langwierig, schwierig und schuld ist am Ausbleiben des Friedens. was die USA Israel bieten können. Die und weggeleugnet, selbst als sie beim teuer werden. Der Umkehrschluss ist gleichermaßen Grenzen der US-Unterstützung sind Nominierungsparteitag der Demo- Anders als für die amerikanisch-jü- bedrückend. Die Palästinenser werden zum großen Teil die Folge der vielen Dä- kraten israelische Flaggen verbrann- dische Gemeinschaft ist die Niederlage von der Verantwortung für Terroris- monen, die Obama in den letzten acht ten. Sie schwiegen, als Judicial Watch des amerikanischen Establishments für mus, Hass und politische Kriegsfüh- Jahren aus der Flasche gelassen hat. Die die antiisraelischen Tobsuchtsanfälle Israel eine positive Entwicklung. Die rung gegen Israel freigesprochen. Chancen werden sich eher auf Gebieten von hochrangigen Clinton-Beratern von den außenpolitischen Eliten vor- Die in dem Zwei-Staaten-Paradigma ergeben, die etwas mit Israels Bezie- wie Thomas Pickerin und Anne Marie gegebene überparteiliche Position ge- steckende Anti-Israel-Feindseligkeit hung zu den „Palästinensern“ und dem Slaughter – die man im günstigsten Fall genüber Israel war sowohl schlecht für hat zu einer Situation geführt, in der politischen Krieg zu tun haben, den die im Grenzbereich zum Antisemitismus Israel als auch für die Gesundheit und selbst proisraelische US-Offizielle am Europäer gegen Israel führen, als auf den verorten kann –veröffentlichte. Verlässlichkeit von Israels Bündnis mit Ende mit ihren Anti-Israel-Kollegen Herausforderungen, die durch den Auf- Auf der anderen Seite geißelte das den USA. gemeinsam auf Israel einschlagen, da- stieg des Islamismus im Nahen Osten jüdische Establishment Trump als an- Wie ich in meinem Buch The Israeli mit dieses auf eine Art handelt, die so- entstehen. tisemitisch, weil es am äußersten Rand Solution – A One-State Plan for Peace wohl seiner nationalen Sicherheit als Gewiss ist Trump unbeständig. Doch der republikanischen Partei Antise- in the Middle East erklärt habe, gab auch dem Gedanken der amerikanisch- nach dem, was wir wissen, müssen wir miten wie David Duke gibt. Legitime es immer eine bestürzende Beständig- israelischen Allianz höchst abträglich anerkennen, dass sein Aufstieg eine Bie- Kritik an dem Anti-Israel-Finanzier keit in der US-Politik gegenüber Is- ist. Dadurch, dass sich die herrschende gung in der US-Geschichte markiert. George Soros wurde als antisemitisch rael, von Bill Clinton über George W. Klasse der Außenpolitik auf das Zwei- Es ist der seltene Moment, wo Dinge, verurteilt, während die wirklich anti- Bush bis Obama. Spätestens seit den Staaten-Paradigma eingeschworen hat, die noch vor einem Monat unvorstell- semitischen Angriffe, die Unterstützer Clinton-Jahren lautete die nie in Frage ist sie blind geworden dafür, wie wich- bar waren, plötzlich möglich geworden Clintons gegen Trumps Spender Shel- gestellte Lehrmeinung der amerikani- tig Israel strategisch für die USA ist; sind. Wenn wir unsere Karten richtig don Adelson vorbrachten, nicht thema- schen außenpolitischen Elite: die USA stattdessen sieht sie in dem einzigen ausspielen, dann wird Israel ebenso wie tisiert wurden. müssten Israel schleunig dazu bringen, stabilen Verbündeten der USA in der das amerikanische Volk auf eine Weise Es ist klar, welche Konsequenz seine ein Abkommen mit der PLO zu unter- Region eine Belastung für US-Interes- gewinnen, die wir uns niemals haben fast vollständige Mobilmachung für zeichnen. Auch die Einzelheiten eines sen. träumen lassen. № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 7 USA wählen Donald Trump ohne deutsche Erlaubnis Die deutschen Reaktionen auf Trumps Sieg sagen mehr über die Deutschen als über Trump aus Von Ramiro Fulano jetzt wirklich genug geholfen, Frau Dr. te Peinlichkeit namens „Morgenpost“. (zuerst erschienen auf haolam) Merkel. So eine tolle Bundeskanzlerin Das ist deutsche Journaille wie sie leibt wie Sie hat niemand verdient. und schreibt. Interessant wird es nur, Derlei politische Reflexe verraten eine Die Arroganz und Borniertheit deut- wenn in diesen Reihen die Beobachtung Menge über Leute, die sich einer Rhetorik scher Außenpolitik wird nur durch ihre gemacht wird, dass „der Trump“ doch aus wahnhaften Träumen vom nahenden abgrundtiefe Blödheit und unverbesserli- „irgendwie ein zweiter Hitler“ wäre. Weltuntergang und lustvollen Projektio- che Idiotie übertroffen. Kann sein, dass die Ich will mal dahingestellt sein lassen, nen von einem neuen Faschismus hinge- deutsche Bundeskanzlerin zudem auch er- dass man, wenn man an Klimawandel ben. Jenes Amerika, das Donald Trump schreckend schlecht beraten wird. Wie war und die zionistische Weltverschwörung demokratisch gewählt hat, spielt für den das noch mal mit dem NATO-Beitrag von glaubt, eigentlich auch an politische Anti-Trump-Komplex jedoch so gut wie 2 % des BIPs? zahlt seit Jahren Wiedergänger glauben sollte (und sei es keine Rolle. Das widerlich Verlogene und nur etwa die Hälfte davon. Was das bedeu- auch nur um der eigenen Verrücktheit abgrundtief Blöde an dieser ins politische tet, will Ursel aus dem Ei natürlich nicht willen, liebe „MoPo“). Aber ich möch- gewendeten Idiotie ist vor allem, wie genau wahrhaben – andere Leute schon. te doch anmerken, wie peinlich diese sie den emotionalen Bedürfnissen jener Werfen wir einen kurzen Blick in die Zu- Hitler-Vergleich mich immer wieder be- Milieus entspricht, die diesen staatspoli- kunft. Bei den anstehenden Präsident- rühren. tisch verordneten Unsinn erfinden, publi- schaftswahlen in Frankreich zeichnet Wer in Trump einen zweiten Hitler zieren und nachkauen, weil sie davon leben. sich ein deutlicher Rechtsruck ab. Selbst sieht, muss nachsitzen. Denn er/sie/es Machen wir uns nichts vor, liebe Lese- wenn nicht davon auszugehen ist, dass es hat nicht nur den Geschichtsunterricht rinnen und Leser: Donald Trump ist nicht „Vater Staat“ beschäftigten oder per So- demnächst eine Madame la Présidente verpennt (was im Germany der GEW der neue Hitler. Es wäre zwar für einige zialhilfe alimentierten Milieu besonders geben wird, erscheint es höchst unwahr- leider nur zu oft das Beste ist, was man Leute sehr bequem, wenn es so wäre, aber beliebt sind. Auch dieser Aspekt des Anti- scheinlich, dass „Mehr Europa“ (zudem damit anfangen kann), sondern weiß vor es stimmt einfach nicht. Er ist ein Milliar- Trump-Komplexes verrät mehr über den, noch unter deutscher Führung) in Paris allem noch immer nicht, was Faschismus där mit einem streckenweise etwas lautem der spricht, als über den Gegenstand sei- dieselbe Priorität genießen wird, wie die wirklich ist. Zudem hat er/sie/es das Ver- und buntem Auftreten, aber während laute ner Rede. dringend benötigte Reform des franzö- hältnis zur Wirklichkeit und Proportion und bunte Auftritte beim linksalternativen Erfolgreiche Menschen sind immer sischen Arbeits- und Sozialrechts sowie verloren. Hier hat keiner zur Ermordung Straßenfest in den derzeit angesagten Sze- unbequem, denn wenn Erfolg eine ganz die Sanierung des Staatshaushaltes. Andersdenkender aufgerufen oder ange- nevierteln des deutschen Kleinbürgertums bequeme Angelegenheit wäre, dann hätte Das „Projekt Europa“ wird ein politisch kündigt, dass er ein ganzes Volk vernich- groß in Mode sind, sind sie natürlich völlig ihn jeder. Bequeme Menschen hingegen zweiter oder dritter Punkt auf der Tages- ten wird. Hier strebt auch keiner einen Tabu für US-Präsidenten. Da wünscht sich sind meist nicht sehr erfolgreich, sondern ordnung und man wird es sich im Palais Rachefeldzug gegen „die Plutokratien das deutsche Gemüt eben die mystische lassen sich lieber von anderen durchfüt- de l‘Elysee in Zukunft zweimal überle- des Westens“ an, und niemand fordert Weihe des Wahlkaisertums, so groß ist die tern. Und es ist natürlich nur zu bequem, gen, ob man lieber mit den Deutschen Revanche, weil er sich symptomatisch zu angstbesetzte Lust auf „die mächtigste Po- sich sein subjektives Scheitern als Konse- über Mülltrennung und Windmühlen kurz gekommen wähnt. sition der westlichen Welt.“ quenz zu hehrer politischer Ideale im An- diskutieren möchte oder jene Probleme Ich persönlich kann auch nichts beson- Aus diesem Grund ist es aus germani- ders Verwerfliches darin erkennen, wenn scher Sicht absolut nicht opportun, dass Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ein Staat das Leben seiner Bürger schützt ein politischer Außenseiter dieses Mandat und generell Bedingungen herstellt, un- errungen hat – wo doch Außenseiter sonst Herr Trump mir als Chef einer inhaberge- ter denen seine Finanziers (vulgo: Steu- so toll sind. Minderheiten sind das A und O erzahler) ihren rechtmäßigen Geschäften der politischen Szene links der CDU, aber führten Firma wie ein recht typischer Ver- unbehelligt nachgehen können, sodass es bei Donald Trump wird eine Ausnahme ihren Kindern eines Tages bessergeht, als gemacht. Denn Minderheitenschutz gilt treter der Gattung Chef vorkommt. Ich kann ihnen selbst. Aber ich bin eben auch kein natürlich nur für politisch opportune Mi- Linker. noritäten: islamistische Terroristen, inter- mich an ein paar bequeme Chefs erinnern. Was das linke Milieu und sein poli- nationale Sozialisten und linksalternative tisches Establishment in Germany of- Ökopathen. Die dürfen selbstverständlich Die meisten haben nicht nur sich, sondern fenbar derartig in Aufregung versetzt, machen, was sie wollen, denn die sind dazu ist, dass man in Zukunft für die Folgen selbstermächtigt. Alle anderen nicht. Nicht vor allem ihre Mitarbeiter innerhalb kürzes- seiner Entscheidungen wieder selbst ver- wahr, liebes uffjeklärtes Milieu? antwortlich sein wird. Man wird die Kon- Doch es wird nicht nur mit zweierlei ter Zeit arbeitslos gemacht. sequenzen seines Tuns und Lassens in Maß gemessen, sondern es ist auch anzu- Zukunft nicht mehr so einfach abspalten merken, dass das politische Establishment gesicht der zionistischen Weltverschwö- lösen will, die zum Beispiel der islamis- und auslagern können. Man wird indivi- mal wieder keine Ahnung hat, wovon (vor rung und des Klimawandels zu erklären, tische Terrorismus verursacht. duelles und soziales Scheitern nicht mehr allem aber: mit wem) es spricht. So ist das nicht wahr, liebe Linksalternative? Währenddessen baut sich das Verei- so leicht anderen in die Schuhe schieben eben, wenn die Wirklichkeit dem Wahn Wer bis jetzt der Meinung war, dass die nigte Königreich eine pragmatische und und auf Kosten (unbeteiligter) Dritter angepasst werden muss. Aus eigener Erfah- deutsche Reaktion auf Donald Trump ideologiefreie Position im Welthandel entsorgen können. Man wird es dennoch rung kann ich sagen, dass Herr Trump mir sich durch ein besonderes Maß an Selbst- auf; nicht zuletzt dank jener Handels- versuchen, denn man ist unverbesserlich. als Chef einer inhabergeführten Firma wie gefälligkeit und Blödheit auszeichnet, abkommen mit Indien, China und den Aber die deutsche Ideologie wird es in ein recht typischer Vertreter der Gattung könnte nach dem Auftritt der deutschen USA, die „Europa unter deutscher Füh- Zukunft etwas schwerer haben. Bereits Chef vorkommt. Er gehört offensichtlich Bundeskanzlerin versucht gewesen sein, rung“ nicht auf die Reihe gebracht hat. jetzt schreien Medien und Politik wie zu einer Sorte Mensch, die es gewohnt ist, den Glauben an die Menschheit zu verlie- Meine Prognose: Am Vorabend der Junkies auf Entzug, weil die Wähler in sich ihre Meinung selbst zu bilden, weil er ren. Da stellt sich diese Person doch tat- Bundestagswahl im September 2017 den USA ihnen ihr Lieblingsspielzeug auch die Konsequenzen seiner Entschei- sächlich vor ein Mikrofon und bietet sich wird Germany außenpolitisch sowohl in weggenommen haben. Wie wär’s, wenn dungen selbst verantworten muss. im Ernst an, den Amerikanern die Demo- Europa als auch in der Welt deutlich iso- die üblichen Verdächtigen in Medien und Derlei hat man im Germany der links- kratie zu erklären – unter deutscher Füh- lierter dastehen, als im Jahrzehnt zuvor Politik sich jetzt einfach mal einen schö- alternativen Konsensdiktatur inzwischen rung, versteht sich. – schlecht für eine Export-Nation. Dan- nen starken Kräutertee kochen und dann verlernt und mag auch nicht verstehen, Das ist bereits aus historischen Grün- ke, liebe Sozis: Schlafwandler auf dem endlich das lernen, was sie zeitlebens wieso jemand aus der urgemütlichen den peinlich. Aber sehen wir uns doch deutschen Sonderweg – mal wieder! versäumt haben: einen konstruktiven Nestwärme der alternativen Harmonie- mal die aktuellen Errungenschaften der Während die Bilanz der offiziellen Po- Umgang mit der Wirklichkeit. Oder kurz hütte und des linken Gruppendenkens deutschen Bundeskanzlerin an: Germa- litik also mehr oder weniger bescheiden gesagt: erwachsen werden. Sonst geht die ausbrechen will. Zwar ahnen sogar man- ny ist das Zentrum eines internationalen ausfällt, und damit recht typisch für ein chronisch prekäre und inzwischen mal che Linke, dass nicht das ganze Leben Krisengebietes namens EU, in dem seit Krisengebiet, will die Linke jetzt den Po- wieder recht problematische Beziehung aus Sozialpädagogik besteht. Aber wieso einem Jahrzehnt Millionen von Men- pulismus entdecken. Denn merke: Ge- zwischen Deutschland und der Wirklich- muss der Trump so unbequem sein? schen keine wirtschaftliche Perspektive nau, wie bunte, laute Außenseiter eine keit nämlich zum dritten Mal in hundert Ich kann mich an ein paar bequeme mehr haben, weil die Folgen von „Mehr feine Sache sind, solange sie „unsere“ Jahren zu Lasten Germanys aus. Chefs erinnern. Die meisten haben nicht Europa“ durch „Noch mehr Europa“ kor- bunten, lauten Außenseiter sind, wird Abschließend möchte ich die Beob- nur sich, sondern vor allem ihre Mitar- rigiert werden. daraus ein „Horror-Clown“, wenn Herr achtung einer befreundeten Psychologin beiter innerhalb kürzester Zeit arbeitslos Zudem hat Frau Dr. Merkel rund an- Trump dasselbe macht. So denkt der ge- zitieren, die sich mir gegenüber sehr ge- gemacht. Vielleicht wünscht man sich derthalb Millionen „Refugees“ zu sich meine Schrebergärtner politisch linker wundert hat, weil sich seit Trumps Sieg das im linksalternativen Milieu, denn eingeladen und den Steuerzahlern recht Couleur sich das, wenn er dazu ansetzt, die meisten ihrer Beratungsgespräche nur noch mehr Menschen von staatlichen üppige Kosten ans Bein gebunden. Vor die Menschheit auf sein (subjektiv meist noch um „Trump“ drehen (oder vielmehr Almosen abhängig zu machen, vergrö- allem, damit die „Willkommens-Kultur“ bescheidenes) Einheitsmaß zurechtstut- das, was ihre KlientInnen sich darunter ßert die politische Kundschaft der Sozis sich gut fühlt; in nächster Zeit werden da- zen, um nicht als einziger als jener Depp vorstellen). Verrückte Menschen machen und Ökopathen. Zudem bedient soziales für zwischen 15 und 20 Milliarden Euro dazustehen, der er/sie/es vermutlich ist. sich eben gerne verrückt, sonst wären sie Elend jene politischen Phantasien vom pro Jahr fällig (genau weiß es keiner). Die papiergewordene Realität dieser genauso langweilig wie der Rest. Und Ende des Kapitalismus, die im linken, bei Danke, Angie! Ich glaube, Sie haben uns Idiotie ist eine in Hamburg publizier- dazu ist ihnen jedes Mittel recht. 8 WELT № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU „Im 21. Jahrhundert wurden alle antisemitischen Morde in Europa durch Moslems begangen“ Eine Analyse des israelischen Antisemitismus-Forscher Manfred Gerstenfeld Von Ulrich Jakov Becker

Der „Hyper Casher“ – ein koscherer Supermarkt in Paris. Es ist bald Schab- bat. Die letzten Einkäufe gegen Mittag. Kunden schlendern durch die Regale. Ein schwarzer Mann mit Tarnjacke und schwarzer Weste kommt herein. Aus dem ERIC CABANIS / AFP Nichts heraus eröffnet er das Feuer mit einer Kalaschnikow und einer Tokarev- Pistole. Zwei jüdische Kunden erschießt er sofort. Die Pistole hat Ladehemmun- gen, er legt sie ab, zückt eine weitere und geht weiter. Zwei junge jüdische Männer, nähern sich der Pistole, während der IS-Terrorist Coulibaly einen kleinen Jungen bedroht. Yohan Cohen ergreift die Pistole und versucht den Terroristen zu erschießen. Die Pistole klemmt immer noch. Sofort erschießt Coulibaly Yohan und seinen Helfer Yoav mit Kopfschüssen. Während er die Überlebenden Geiseln in Schach hält, lädt er jetzt auf seinem mitgebrachten Laptop das Video seiner GoPro-Kamera herunter, mit denen er die Morde gefilmt hatte. Er will sie via Internet verschicken, bekommt aber keine Verbindung hin. Er Gedenken an ermordeten Juden in Frankreich. zwingt eine der Geiseln ihm zu helfen einen Computer des Supermarktes zu be- ermorden aber letztendlich jeden, den Manfred Gerstenfelds Forschung er- 19. März 2012, Toulouse (Frankreich): nutzten. Es gelingt ihm. Das Video wurde sie sehen können, außer Corinne und gab u.a. einen simpel klingenden Fakt, Der muslimische Terrorist Mohammed verschickt, aber nie veröffentlicht. eine weitere weibliche Mitarbeiterin, mit tiefer Bedeutung: Merah ermordet einen jüdischen Tho- Dann ruft er den französischen Nach- Sigolène Vinson. Ein Terrorist erklärt „Im 21. Jahrhundert wurden alle in ralehrer und seine drei Kinder vor der richtensender BFMTV an. Sigolène mit vorgehaltener Kalasch- Europa begangen Morde an Juden, die Ozar-HaTorah-Schule. Nach Berichten BFMTV: „Haben Sie das Geschäft aus nikow, sie nicht zu töten, weil sie eine getötet wurden, weil sie Juden waren, von hatten Merahs Eltern ihre Kinder antise- einem bestimmten Grund ausgesucht?” Frau sei und der Koran das verbiete. Moslems begangen.” mitisch-fanatisch erzogen, berichtet u.a. Coulibaly: „Ja. Die Juden. ...” War Elsa Cayat keine Frau? Sie wurde Und die europäischen Gastländer die- Merahs Bruder in seinem Buch. Die 20 Uhr-Tagesschau am folgenden von den gleichen Terroristen sehr wohl ser stark antisemitisch geprägten Bevöl- 24. Mai 2014, Brüssel (Belgien): Ein Abend wird berichten: „Bei der Geisel- ermordet. kerungsschicht können nicht alle Ver- ISIS-Terrorist erschießt vier Menschen nahme hier im Südosten von Paris star- In der letzten Zeit vor dem Anschlag antwortung abstreiten. Als souveräne vor dem jüdischen Museum mit einer ben gestern vier Geiseln - wohl alle durch erhielt Elsa immer wieder anonyme, an- Staaten können Deutschland und Co. Kalaschnikow und flieht. Opfer sind das die Schüsse des später getöteten Geisel- tisemitische Anrufe, wie ihre Cousine in sich aussuchen wen sie aufnehmen oder jüdisch-israelische Pärchen Emanuel und nehmers.” einem CNN interview berichtete. „Dre- nicht. Und der massive Antisemitismus Miriam Riva, der jüdische Museumsmit- Kein Wort von einem koscheren Super- ckige Jüdin, höre auf für Charlie Hebdo von Moslems aus dem Nahen Osten ist arbeiter Alexandre Strens und die franzö- markt. Kein Wort von ermordeten Juden zu arbeiten!“ Sie geht davon aus, dass Elsa schwer zu übersehen. sische Volontärin Dominique Sabrier, 66. (alle Ermordeten waren Juden). Kein ermordet wurde, weil sie eine Jüdin war, Tatsächlich, wenn wir 16 Jahre bis zum 15. Februar 2015, Kopenhagen (Däne- Wort von einem muslimischen Täter. während nichtjüdische Frauen, die für Jahr 2000 zurückblicken, können wir mark): Ein Moslem erschießt den 37-jäh- Kein Wort von einem antisemitischen Charlie Hebdo arbeiteten, von den Ter- keinen, aufgeklärten Fall eines antise- rigen jüdischen Sicherheitsmann Dan Live-Anruf. Kein Wort, dass Coulibaly roristen bewusst verschont wurden. Eine mitischen Mordes finden, der nicht von Uzan vor einer Synagoge. erst einmal willkürlich Juden mordete, Selektion inmitten eines muslimischen muslimischen Tätern verübt wurde. Nach der letzten islamischen Terror- bevor es eine Geiselnahme wurde. Terroranschlags. Und viel, viel länger ist eine Schatten- welle in Frankreich, die sehr deutlich Die Tagesschau fasst so bezeichnend Bei Tagesschau und Co. wieder kein liste von allen geplanten, „missglückten“ auch ihre antisemitischen Motive klar- pointiert zusammen, woran Europa und Wort über antisemitische Motivationen. oder vereitelten antisemitischen Mord- machte, gab sich der französische Prä- seine Juden leiden: Ein hochaggressiver, Nimmt man es einmal ganz trocken sta- versuchen, Messer- und Schussanschlä- sident Francois Hollande gegenüber mörderischer Antisemitismus, der von tistisch, waren über 40 % - fast die Hälfe gen und Brandstiftungen. Hier nur eine der jüdischen Gemeinde Frankreichs europäischen Moslems ausgeht auf der - aller ermordeten Zivilisten bei der An- kurze List der prominenten antisemiti- beschützend, bat sie zu bleiben, und einen, und eine verschleiernde, wegku- schlagsserie von „Charlie Hebdo“ und schen Morde in Europa seit 2000. erklärte einmal mehr beschwichtigend, ckende, wegdefinierende europäische „Hyper Cacher“ Juden. Wurde das be- 19. November 2003, Paris (Frank- wie der Islam eigentlich zu verstehen Gesellschaft auf der anderen Seite. richtet? Oder ging es nur um Kunst- und reich): Zwei Juden werden in zwei ver- sei und eigentlich überhaupt nichts mit Zwei Tage vor dem Blutbad im „Hyper Meinungsfreiheit? schiedenen Angriffen von Moslems dem Terrorismus zu tun hat. Im Gegen- Cacher“ verübten andere muslimische Für den gebürtigen Wiener und heu- ermordet. Sebastian Sellam (DJ Lam) teil, dies seien nur Fanatiker, die nichts Terroristen das Massaker im Magazin tigen Jerusalemer Manfred Gerstenfeld, werden von seinem ehemaligen, musli- mit der islamischen Religion zu tun ha- Charlie Hebdo. Dies war kein antisemiti- einen der renommiertesten israelischen mischen Kindheitsfreund und antisemi- ben. scher Anschlag, oder? Antisemitismusforscher und Publizisten, tischen Wiederholungstäter zuerst die Einzig der israelische Premier Netanja- Die zwei vermummelten Terroristen ist das kein Zufall und kein Versehen. Kehle durchgeschnitten und dann seine hu widersprach ihm klar und offen: „Die- – ebenfalls mit Kalaschnikow, Tokarev- Seit langem zeigt er auf, wie muslimi- Augen ausgestochen. Der Täter Amel se Angriffe in Paris sind die Fortsetzung Pistole – und einer Maschinenpistole er- sche Immigranten, die selbst oder deren Amastaibou sagte „Ich habe einen Juden des Krieges, den der extremistische Islam morden in der „Charlie Hebdo“-Redakti- Familien aus hoch antisemitisch gepräg- getötet! Ich komme ins Paradies! – Es war gegen unsere freie Zivilisation führt.” on zehn Mitarbeiter, zwei davon Juden: ten Ländern stammen, in den letzten Allah, der das wollte.“ Wenn die europäischen Regierungen Karikaturist Georges Wolinski (80) und Jahren und Jahrzehnten in Europa aufge- 13. Februar 2006 Saint Genevieve des und Gesellschaften wirklich etwas un- Psychoanalytikerin und Autorin Elsa Ca- nommen werden und ein quantitativ und Bois (Frankreich): Der junge Jude Ilan ternehmen wollen, wenn sie Juden in yat (54). qualitativ ganz neues Level von aggressi- Halimi wird von einer moslemischen ihrer Gesellschaft haben wollen, und Das könnte natürlich reiner Zufall vem Antisemitismus forcieren. Bande in einen Hinterhalt gelockt und wenn sie wirklich den von ihnen impor- und Statistik sein, aber im Falle von Waren es vor Jahrzehnten noch vorwie- entführt. Über drei Wochen wird er ab- tierten, mörderischen Antisemitismus Elsa Cayat sieht es eher nach einer ge- gend ausländische arabisch-muslimische wechselnd von etwa 20 Moslems, darun- nicht mehr dulden wollen, sollten sie zielten, antisemitischen Selektion aus: Terroristen, die in Europa ihre antisemi- ter Teenagern, gefoltert und verbrannt, zumindest damit anfangen nicht mehr Als die Terroristen unten am Gebäude tischen und antiisraelischen Anschläge während die Gruppe außerdem versucht unkontrolliert Millionen von Menschen ankommen, zwingen sie die Karikatu- verübten und mordeten – teilweise auch Lösegeld zu erhalten („Juden haben aus mehrheitlich antisemitischen Gesell- ristin Corinne „Coco“ Rey ihnen die unterstützt von europäischen Linksex- Geld“). Die Polizei, die die Ermittlung schaften aufzunehmen und aufhören sich Tür via Code zu öffnen, lassen sie aber tremisten –, sind es heute immer mehr geheimhält, versagt und findet das Ver- hinter politisch korrekten Wunschkonst- am Leben. Oben im Konferenzraum Moslems, die bereits in Europa aufge- steck nicht, bis die Bande Ilan halbtot auf rukten zu verbarrikadieren, sondern dem identifizieren sie einige ihrer Opfer wachsen sind und die die Landessprache eine Straße schmeißt. Er stirbt auf dem antisemitischen Problem vor der Haustür mit Namen, bevor sie sie erschießen, akzentfrei sprechen. Weg ins Krankenhaus. in die Augen zu sehen. № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 9 Ist Frankreichs voraussichtlich neuer Präsident pro oder kontra Israel? Die gewollten Unbestimmtheiten von Francois Fillon Von Stefan Frank tischen Mentalität abweichen, die die Dip- lomatie Frankreichs prägt – eines Landes, François Fillon wird wohl der nächste Prä- das im Abstieg begriffen ist und dabei die sident Frankreichs werden. Der ehemalige Stirn hat, andere belehren zu wollen.“ Ministerpräsident entschied kürzlich die Sollte es zu einem weiteren Konflikt Vorwahlen der konservativen Partei Les zwischen Israel und der Hamas kommen, Républicains mit zwei Dritteln der Stim- werde Israel wieder einmal wegen „unver- men für sich und wird damit der Kandidat hältnismäßiger Gewalt“ verurteilt werden. des bürgerlichen Lagers für die Präsident- „Ich erwarte auch, dass die ‚unmenschli- schaftswahlen im nächsten Jahr. Da die So- JEAN-FRANCOIS MONIER / AFP che Blockade’ des Gazastreifens verurteilt zialistische Partei von Präsident François wird. Fillons Regierung wird Israel wegen Hollande derzeit in einer Vertrauenskrise der Besatzung heruntermachen, wird Isra- steckt, rechnen die meisten Beobachter el Vorwürfe machen, weil es sich weigert, damit, dass Fillon und die Vorsitzende des Frieden mit den Palästinensern zu schlie- Front National, Marine Le Pen, in einer ßen, und er wird von Israel mehr Zuge- Stichwahl um das Präsidentenamt konkur- ständnisse für den Frieden verlangen, aber rieren werden. Diese dürfte Fillon für sich keine von den Palästinensern.“ entscheiden. Er rechne damit, dass Frankreich unter In Israel verfolgen die rund 200.000 Fillon die Beziehungen zum Iran deutlich französischstämmigen Juden die politi- intensivieren werde, so Grumberg: „Er wird sche Lage in ihrer Heimat aufmerksam. das iranische Regime niemals kritisieren, Was bedeutet Fillon für den Nahen Osten? Wirtschaftsbeziehungen knüpfen und As- Frankreichs Konservative haben eine lan- sad unterstützen, zumindest im Geheimen. ge Geschichte der antiisraelischen Politik, Außerdem wird er wird Israel dazu drän- seit Charles de Gaulle sich im Juni 1967 auf gen, sich aus dem Golan zurückzuziehen.“ die Seite der Araber schlug und ein Waffen- Francois Fillon An der Nahostfront werde sich Fillon mit embargo gegen Israel verhängte (selbst für den Schiiten und den auf den Status quo Flugzeuge, die bereits bezahlt waren). ich um Israel gezittert. Jede unserer Natio- Jean Patrick Grumberg bedachten sunnitischen Ländern verbün- Seine konservativen Nachfolger Georges nen musste Prüfungen überstehen, um zu „Fillon wird wahrscheinlich der nächste den und den Islamischen Staat bekämpfen. Pompidou, Valéry Giscard d’Estaing und existieren und sich zu einen, doch Israel ist Präsident. Seine Außenpolitik wird die tra- Vergessen dürfe man bei alldem aber nicht, Jacques Chirac waren ebenso feindselig ge- keineswegs eine Nation wie jede andere. ditionelle antiisraelische französische Hal- dass Frankreich „ein ziemlich machtloses genüber dem jüdischen Staat. Nicolas Sar- Israel wurde in den Trümmern der Schoah tung sein: Israelbashing, flankiert von Lob Land“ geworden sei: „Es wird nur Reden kozy brachte eine leichte Entspannung im geboren, der schlimmsten Barbarei unse- und Freundschaftsbekundungen. Sie wird gegen Israel geben, aber keine Taten. Vor französisch-israelischen Verhältnis. Fran- rer Zeit. (…) Was Antisemitismus betrifft, nicht von der Arroganz und der kolonialis- allem mit Trump im Weißen Haus.“ çois Fillon wiederum fällt immer wieder ist Frankreich unerbittlich. (…) In Frank- durch verstörende Bemerkungen auf, die reich ist Antisemitismus keine Meinung, mitunter von antisemitischen Klischees sondern eine Straftat.“ geprägt sind. Erst letzte Woche etwa be- Doch sobald Fillon zu einem anderen Unterstützen Sie Deutschlands einzige hauptete er, Frankreichs Juden hätten sich Publikum spricht als zu einem rein jü- in der Vergangenheit nicht an die Gesetze dischen, ist bei ihm von Sorge um Israel des Landes gehalten. Anlass der Äußerung nichts mehr zu spüren. Nach den Terror- unabhängige jüdische Zeitung! war das Thema des islamischen Funda- anschlägen in Paris vom 13. November mentalismus. Fillon sagte: „Wir müssen 2015 forderte er, der Westen solle sich im diesen Fundamentalismus bekämpfen, Kampf gegen den Islamischen Staat mit Abonnieren Sie und schalten Sie Wer- genauso, wie wir das in der Vergangenheit dem Iran und der Hisbollah verbünden. getan haben. … Wir haben gegen einige Am 16. November 2014 – zufälligerweise Formen des katholischen Fundamentalis- zwei Tage vor dem Blutbad in der Jerusa- bung in der JÜDISCHEN RUNDSCHAU! mus gekämpft und wir haben die Bestre- lemer Kehilat-Bnei-Torah-Synagoge, wo bungen von Juden bekämpft, in einer Ge- arabische Terroristen betende Juden mit meinschaft zu leben, die nicht alle Regeln Hackmessern in Stücke schlugen – sagte der französischen Republik respektiert.“ Es Fillon: „Die Gründung eines palästinen- Liebe Leserinnen und Leser, sei unklar, was Fillon damit gemeint habe, sischen Staates ist die conditio sine qua schreibt die Nachrichtenagentur Reuters. non. Israel bedroht den Weltfrieden, in-  Frankreich ist im Abstieg begriffen gegründet im Sommer 2014, als Reaktion auf die an- und hat dabei die Stirn, andere tisemitischen Demonstrationen in ganz Deutschland, setzt sich die JÜDISCHE RUNDSCHAU heute für jüdi- belehren zu wollen. sche Belange und für Israel ein wie kein zweites Medi- Wie der Autor eines Artikels der fran- dem es sie verzögert.“ Fillon unterstützt um im deutschsprachigen Raum. zösischsprachigen Ausgabe der Online- auch die stigmatisierende Etikettierung zeitung „Times of Israel“ anmerkt, war von israelischen Waren aus Gebieten jen- dies „nicht das erste Mal, dass Fillon die seits der Waffenstillstandslinie von 1949: Die positiven Rückmeldungen aus Deutschland, Ös- jüdische Gemeinde Frankreichs stigmati- „Das ist sehr bescheiden im Vergleich zu siert hat“. Im Juli, als in Frankreich darü- dem, was Europa tun müsste.“ terreich, der Schweiz und Israel bestärken uns in unse- ber debattiert wurde, ob es muslimischen Von „kontrastreichen Positionen“, Schülern wegen des Fastenbrechens (Eid spricht der Abgeordnete Meyer Habib im rer Arbeit. al-Fitr) gestattet sein soll, die Abiturprü- Hinblick auf Fillons Haltung gegenüber fungen zu verschieben, hatte Fillon ge- Israel. Habib, der im Wahlkampf Fillons sagt, es sei in Frankreich Tradition, auf unterlegenen Gegenkandidaten Nicolas Dennoch brauchen wir auch Ihre Hilfe: Abonnieren religiöse Feiertage Rücksicht zu nehmen; Sarkozy unterstützt hat, sagt: „Wenn Fran- Sie die JÜDISCHE RUNDSCHAU, erzählen Sie in der „die Hauptnutznießer [dieser Tradition] çois Fillon auch in den letzten Wochen Is- sind keinesfalls die Muslime, sondern die rael ein Freundschaftspfand überreicht hat, Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis von unse- Franzosen der jüdischen Religion, die sehr insbesondere, indem er sich gegen BDS rer noch jungen Zeitung! Verschenken Sie Abos und kompromisslos sind, wenn es um ihre reli- wandte und das Votum der UNESCO ver- giösen Feste geht.“ urteilte, so bleibe ich doch besorgt, was sein reichen unsere Zeitung weiter! Was nun Israel betrifft, so hat Fillon Projekt eines gegen den Islamischen Staat mehrfach betont, dass er ein Freund des gerichteten Bündnisses mit dem Iran, dem Denn eine Zeitung wird erst durch ihre Abonnenten Landes und ihm der Kampf gegen Antise- Assad-Regime in Syrien und der Hisbollah mitismus sehr wichtig sei. Bei einer pathe- betrifft.“ stark. Auch Deutschland, Österreich und die Schweiz tischen Rede vor frankophonen Studenten Der israelisch-französische Journalist brauchen eine selbstbewusste jüdische Stimme! im israelischen Küstenort Netanya im Ja- Jean Patrick Grumberg, Redakteur von nuar 2014 sagte er: „Israels Schicksal hat Frankreichs wichtigster konservativer mich immer mit Leidenschaft erfüllt (…) Website dreuz.info, findet im Gespräch mit Ihre JÜDISCHE RUNDSCHAU-Redaktion Während des Jom-Kippur-Kriegs habe Mena Watch noch klarere Worte: 10 WELT № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Die PLO ist eine Schöpfung des KGB Die sowjetisch-palästinensische Lüge

Von Judith Bergman

Die neueste Entdeckung, dass Mach- mud Abbas, Präsident der Palästinen- sischen Autonomiebehörde (PA), 1983 in Damaskus als Spion des KGB tätig war, wurde von vielen in den Main- Jewel SAMAD / AFP stream-Medien als „historische Kuri- osität“ abgetan – außer dass die Nach- richt ungelegen ausgerechnet zu einer Zeit herauskam, in der Präsident Wla- dimir Putin versuchte neue Gespräche zwischen Abbas und dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu zu organisieren. Vorhersehbar wies die PA die Nachricht sofort zurück. Der Fatah-Vertreter Nabil Sha‘ath bestritt, dass Abbas jemals für den KGB arbei- tete und nannte die Behauptung eine „Diffamierungskampagne“. Die Entdeckung ist weit davon ent- fernt eine „historische Kuriosität“ zu sein; sie ist ein Aspekt der vielen Teile des Puzzles der Ursprünge des islami- schen Terrorismus im 20. und 21. Jahr- hundert. Diese Ursprünge werden fast Jassir Arafat 1970. immer verschleiert und verdunkelt; dazu gibt es kaum verhüllte Versuche Mitrokhin-Archiv dokumentiert wird, le für Sonderoperationen Balaschika, Regierungen“), die den Zweck hatte die ein besonderes Narrativ zu den Ursa- außerdem in den Büchern und Werken östlich von Moskau, ausgebildet und Vereinigten Staaten so zu beschreiben: chen des zeitgenössischen Terrorismus von Mihai Pacepa, dem ranghöchsten entschied Mitte der 1960er Jahre ihn ein „arrogantes und überhebliches jüdi- vorzulegen, während alle Beweise des kommunistischen Beamten, der aus als zukünftigen PLO-Führer aufzubau- sches Lehen, das von jüdischem Geld Gegenteils als „Verschwörungstheori- dem ehemaligen Sowjetblock überlief. en. Zuerst vernichtete der KGB sämt- finanziert und von jüdischen Politikern en“ verunglimpft werden. Pacepa war Leiter des Auslandsge- liche Dokumente zu Arafats Geburt in geführt wird, dessen Ziel es war die Es gibt nichts Verschwörerisches zu heimdienstes Rumäniens und persön- Kairo und ersetzte sie durch fiktive Do- gesamte islamische Welt zu unterwer- der jüngsten Enthüllung. Sie kommt licher Berater des rumänischen Kom- kumente, die sagten, er sei in Jerusalem fen“. Rund 4.000 Agenten wurden vom aus einem Dokument im Mitrokhin- munistenführers Nicolae Ceausescu, geboren und daher Palästinenser durch Sowjetblock in die islamische Welt ge- Archiv im Churchill Archives Cen- bevor er 1978 in die Vereinigten Staaten Geburt.“ schickt, bewaffnet mit Exemplaren der ter an der University of Cambridge in überlief. Pacepa arbeitete mehr als 10 Der verstorbene Historiker Robert S. alten russisch-zaristischen Fälschung Großbritannien. Wasili Mitrokhin war Jahre mit der CIA zusammen, um den Wistrich schrieb in „A Lethal Obsessi- „Die Protokolle der Weisen von Zion“. ein ehemaliger ranghoher Beamter des Kommunismus zu Fall zu bringen; die on“, dass der Sechstagekrieg eine lang- Der KGB-Vorsitzende Juri Andropow sowjetischen Auslandsgeheimdienstes, Agency beschrieb seine Kooperation gezogene, intensive Kampagne seitens gab an: der später auf die Stufe eines KGB-Ar- als „einen wichtigen und einzigartigen der Sowjetunion entfesselte, um Israel "Die islamische Welt war eine warten- chivars heruntergestuft wurde. Unter Beitrag für die Vereinigten Staaten“. und die Bewegung für jüdische Selbst- de Petrischale, in der wir einen anste- enormem Risiko für sein eigenes Le- In einem Interview mit dem FrontPa- bestimmung, die wir als Zionismus ckenden Strang Amerikahass nähren ben verbrachte er 12 Jahre damit flei- ge Magazine sagte Pacepa 2004: kennen, zu delegitimieren. Das wurde konnten, gezogen aus de, Bakterium ßig geheime KGB-Akten zu kopieren, „Der KGB hatte sich die PLO aus- gemacht, um den Schaden zu beseiti- des marxistisch-leninistischen Gedan- die andernfalls für die Öffentlichkeit gedacht; er hatte eine Schwäche für gen, die das Prestige der Sowjetunion kenguts. Islamsicher Antisemitismus nicht zugänglich geworden wären (die ‚Befreiungs‘-Organisationen. Es gab nach Israels Sieg über ihre arabischen reichte tief... Wir mussten nur unsere KGB-Auslandsarchive bleiben trotz die Nationale Befreiungsarmee von Verbündeten erlitt: Themen wiederholten – dass die USA des Untergangs der Sowjetunion für und Israel 'faschistische, imperial-zio- die Öffentlichkeit unzugänglich). Als nistische Länder' sind, finanziert von Mitrokhin 1992 aus Russland über- Rund 4.000 Agenten wurden vom reichen Juden. Der Islam war besessen lief, brachte er die kopierten Akten mit davon die Besatzung seines Territori- nach Großbritannien. Die freigegebe- Sowjetblock in die islamische Welt ums durch Ungläubige zu verhindern nen Teile des Mitrokhin-Archivs wur- und er war höchst empfänglich für un- den in den Schriften des Cambridge- geschickt, bewaffnet mit Exemplaren sere Darstellung des US-Kongresses als Professors Christopher Andrew an die habgierigem zionistischem Gremium, Öffentlichkeit gebracht, der zusammen der alten russisch-zaristischen Fälschung das es darauf abgesehen hat die Welt mit dem sowjetischen Überläufer „The in ein jüdisches Lehensgut zu verwan- Mitrokhin Archive“ schrieb (in zwei „Die Protokolle der Weisen von Zion“. deln." Bänden veröffentlicht). Mitrokhins Ar- Schon 1965 hatte die UdSSR formell chiv führte unter anderem zur Entde- Bolivien, 1964 vom KGB mit Hilfe „Nach 1967 begann die UdSSR die in der UNO eine Resolution vorgeschla- ckung vieler KGB-Spione nicht nur im von Ernesto ‚Che‘ Guevara gegründet Welt mit einem ständigen Strom antizi- gen, dass Zionismus als Kolonialismus Westen. ... der KGB schuf auch die Demokrati- onistischer Propaganda zu fluten... Nur und Rassismus zu verurteilen sei. Ob- Leider ist die Geschichte des vol- sche Front zur Befreiung Palästinas, die die Nazis hatten in ihren zwölf Jahren wohl die Sowjets mit dem ersten Ver- len Ausmaßes des Einflusses und der zahlreiche Bombenanschläge verübte... an der Macht jemals erfolgreich solch such keinen Erfolg hatten, stellte sich Desinformationsoperationen des KGB 1964 genehmigte der erste PLO-Rat, einen kontinuierlichen Strom an erfun- die UNO als überwältigend dankbarer nicht ansatzweise so bekannt, wie es der aus 422 vom KGB handverlesenen denen Verleumdungen als Instrument Empfänger sowjetischer Bigotterie und sein sollte, bedenkt man den immen- palästinensischen Repräsentanten be- ihrer Innen- und Außenpolitik produ- Propaganda heraus; im November 1975 sen Einfluss, den der KGB auf interna- stand, die palästinensische National- ziert.“ wurde schließlich Resolution 3379 ver- tionale Angelegenheiten ausübte. Der charta – ein Dokument, das in Moskau Dazu beschäftigte die UdSSR jede abschiedet, die Zionismus als „Form KGB führte feindliche Operationen entworfen wurde. Die palästinensische Menge Nazi-Triggerworte, um den von Rassismus und Rassendiskriminie- gegen die NATO als Ganzes, gegen Nationalvertrag und die palästinensi- israelischen Sieg über die arabische rung“ verurteilte. Diese Kampagne war demokratische abweichende Meinun- sche Verfassung wurden ebenfalls in Aggression von 1967 zu beschreiben, so gestaltet, dass sie Unterstützung für gen innerhalb des Sowjetblocks und Moskau geboren; dabei half Ahmed von denen mehrere von der westlichen die sowjetische Außenpolitik in Afrika setzte subversive Vorkommnisse in La- Schuqairy, ein KGB-Einflussagent, der Linken noch heute eingesetzt werden, und dem Nahen Osten aufbaute. Eine teinamerika und dem Nahen Osten in der erste PLO-Vorsitzende wurde.“ wenn es um Israel geht; dazu gehö- weitere Taktik bestand darin in den Gang, die bis heute nachwirken. Im Wall Street Journal erklärte Pace- ren „Völkermord praktizierend“, „ras- sowjetischen Medien ständig visuelle Der KGB war darüber hinaus ein ex- pa, wie der KGB Arafat aufbaute – oder sistisch“, „Konzentrationslager“ und und verbale Vergleiche zwischen Israel trem aktiver Akteur bei der Gründung in heutiger Ausdrucksweise – wie man „Herrenvolk“. und Südafrika zu ziehen (das ist der Ur- der sogenannten Befreiungsbewegun- für ihn ein Narrativ aufbaute: Darüber hinaus betrieb die UdSSR in sprung des der Lüge von „israelischer gen in Lateinamerika und dem Nahen „Er war ein ägyptischer Bourgeois, der arabischen Welt eine internationale Apartheid“). Osten – Bewegungen, die in der Folge der vom KGB-Auslandsgeheimdienst Verleumdungskampagne. 1972 startete Nicht nur die Dritte Welt, sondern tödlichen Terrorismus betrieben – was in einen eifrigen Kommunisten gedreht die Sowjetunion „Operation SIG“ (Sio- auch die westliche Linke verschlang neben vielen anderen Stellen auch im wurde. Der KGB hat ihn in seiner Schu- nistskiye Gosudarstwa – „zionistische diese ganze sowjetische Propaganda № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 11 unverarbeitet. Letztere verbreitet bis Hauptquartier) traf, prahlte der General: heute weiter große Teile davon. Tat- „Flugzeugentführungen sind meine ganz sächlich wurde jemanden als rassis- persönliche Erfindung.“ Ql-Qaida nutzte tisch zu verleumden, wer immer es auch beim 11. September Flugzeugentführun- ist, eine der Hauptwaffen der Linken gen, als sie Flugzeuge benutzten, um Ge- gegen diejenigen, die nicht ihrer Mei- bäude zerstören. nung sind. Wo passt dann Machmud Abbas in all Teil der sowjetischen Taktik zur Iso- das hinein? 1982 studierte Machmud lierung Israels bestand darin die PLO Abbas in Moskau am Institut für Ori- „respektabel“ erscheinen zu lassen. entstudien an der Akademie der Wis- Nach Angaben von Pacepa fiel diese senschaften der UdSSR. (1983 wurde er Aufgabe dem rumänischen Führer Ni- dann KGB-Spion.) Dort schrieb er seine colae Ceausescu zu, der das merkwür- Dissertation, die auf Arabisch als „Die dige Propagandakunststück erreichte, andere Seite: Die geheimen Beziehun- den skrupellosen rumänischen Polizei- gen zwischen dem Nationalsozialismus staat dem Westen gegenüber als „mo- und der Führung der zionistischen Be- derates“ kommunistisches Land er- wegung“ veröffentlicht wurde. Darin be- scheinen zu lassen. Nichts hätte von der stritt er die Existenz von Gaskammern Wahrheit weiter entfernt sein können, in den Konzentrationslagern und stellte wie sich letztlich 1989 im Gerichtsver- die Zahl der Holocaustopfer in Frage, fahren gegen Nicolae Ceausescu und indem er die sechs Millionen getöteten seine Frau Elena zeigte, das mit beider Juden „eine fantastische Lüge“ nannte, Hinrichtung endete. während er gleichzeitig die Schuld am Pacepa schrieb im Wall Street Journal: Holocaust den Juden selbst zuschrieb. „Im März 1978 brachte ich Arafat Sein Doktorvater war Jewgeni Prima- heimlich zu abschließenden Anweisun- kow, der später Außenminister Russ- gen, wie er sich in Washington verhalten lands werden sollte. Selbst nach Been- sollte, nach Bukarest. ‚Du musst einfach digung seiner Dissertation hielt Abbas immer weiter behaupten, dass du mit enge Verbindungen mit der Sowjetfüh- dem Terrorismus brechen und dass du rung, dem Militär und Mitgliedern der Israel anerkennen wirst – immer und im- Geheimdienste. Im Januar 1989 wurde mer und immer wieder‘, sagte Ceausescu er zum Vizevorsitzenden des palästinen- ihm [Arafat]... Ceausescu wurde wegen sisch-sowjetischen (und dann russisch- der Aussicht euphorisch, dass sowohl palästinensischen) Arbeitskomitee für Arafat als auch er in der Lage sein könn- Der rumänische Kommunistenführer Nicolae Ceausescu war ein Förderer Arafats den Nahen Osten ernannt. ten mit ihrer falschen Zurschaustellung Wenn der aktuelle Führer der paläs- des Olivenzweiges einen Friedensnobel- tet Pacepa, was Arafat bei einem Treffen „General Aleksandr Sakharovsky, der tinensischen Araber Gefolgsmann des preis zu ergattern. mit ihm im PLO-Hauptquartier in Beirut die Geheimdienststruktur des kommu- KGB war – dessen Machenschaften allein ... Ceausescu scheiterte beim Nobel- etwa zu der Zeit sagte, als Ceausescu ver- nistischen Rumänien aufbaute und dann im Nahen Osten das Leben tausender preis. Aber 1994 bekam Arafat den sei- suchte die PLO „respektabel“ zu machen: zum Leiter aller russischen Auslandsge- Menschen gekostet hat – kann das nicht nen – alles, weil er weiter die Rolle bis „Ich bin Revolutionär. Ich habe mein heimdienste aufstieg, belehrte mich oft: als eine „historische Kuriosität“ abgetan zur Perfektion spielte, die wir ihm gaben. ganzes Leben der palästinensischen Sa- ‚In der heutigen Welt, in der Atomwaffen werden, selbst wenn heutige Meinungs- Er hatte seine terroristische PLO in eine che und der Vernichtung Israels gewid- militärische Streitkräfte überflüssig ge- macher es vorziehen würden das als sol- Exilregierung verwandelt (später die pa- met. Ich werde mich nicht ändern und macht haben, sollte Terrorismus unsere che zu betrachten. lästinensische Autonomiebehörde), im- auch keine Kompromisse eingehen. Ich Hauptwaffe werden.‘“ Obwohl Pacepa und Mitrokhin ihre mer vortäuschend dem palästinensischen werde nichts zustimmen, das Israel als Der sowjetische General machte kei- Warnungen vor vielen Jahren ausgaben, Terrorismus Einhalt zu gebieten, wäh- Staat anerkennt. Niemals... Aber ich wer- ne Witze. Allein 1969 gab es weltweit 82 behelligten sich nur wenige damit ihnen rend er ihn unvermindert weitergehen de immer bereit sein den Westen glauben Flugzeugentführungen. Nach Angaben zuzuhören. Sie sollten es aber. ließ. Zwei Jahre nach Unterzeichnung der zu machen, dass ich will, von dem Bruder von Pacepa wurden die meisten davon Oslo-Vereinbarungen war die Zahl der Ceausescu möchte, dass ich es tue.“ von der PLO und ihr angegliederten Judith Bergman ist eine Schriftstelle- von palästinensischen Terroristen getöte- Die Propaganda ebnete sauber den Gruppen verübt, alle unterstützt vom rin, Kolumnistin, Juristin und ten Israelis um 73% gestiegen.“ Weg für Terrorismus, erklärte Pacepa in KGB. 1971, als Pacepa Sakharovsky in Politikanalystin. In seinem Buch „Red Horizons“ berich- der National Review. seinem Büro in der Lubjanka (dem KGB- Übersetzung: Herbert Eiteneier Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in der digitalen Welt, in der wir leben, darf unsere Redaktion sich nicht auf die gedruckte Zeitung beschränken. Denn die Verbreitungsmöglichkeiten der Zeitung auf Papier sind beschränkt. Sie bekommt man nicht unbedingt in jedem Pres- sekiosk – besonders in kleineren Orten ist das problematisch. Sie wird nicht überall ins Ausland ausgeliefert, und wenn, dann mit einigen Tagen Verspätung. Eine Abo-Lieferung ins Ausland kostet zusätzlich. Aber auch wenn alle diese Schwierigkeiten auf Sie nicht zutreffen und Sie vor der Haustür einen Pressekiosk haben, wo die Zeitung regelmäßig angeboten wird, möchten Sie möglicherweise nicht immer vor die Tür gehen und in der Zeitung blättern (falls das vom Kioskbesitzer geduldet wird), bevor Sie sie kaufen. Für alle, die es bequem, schnell und ohne geografische Einschränkungen mögen, bieten wir nun eine neue Vereinfachung: Kaufen Sie jede einzelne Ausgabe der „Jüdischen Rundschau“ oder abonnieren Sie die Zeitung als e-Paper. Das bringt Ihnen nur Vorteile: • Sie können die Zeitung lesen noch bevor sie an die Kioske und zu den Abonnenten der Druck-Ausgabe kommt. • Sie können die Zeitung bzw. einzelne Artikel bequem elektronisch archivieren, ohne viel Papier zu Hause zu stapeln. • Sie können sich vor der Kaufentscheidung einen Eindruck über den Inhalt der aktuellen Ausgabe verschaffen, ohne einen kritischen Blick des Kioskbesitzers ertragen zu müssen. • Sie können die Zeitung an jedem Ort der Welt lesen, wo Sie Internet haben – ohne zeitliche Verzögerungen und ohne Aufpreis. • Sie sparen Geld – die Einzelausgabe kostet als e-Paper 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk, das Jahresabo 33 Euro statt 39 Euro für die Druckausgabe. • Und nicht zuletzt tragen Sie sogar zum Schutz der Umwelt bei. Um all diese Vorteile zu nutzen, brauchen Sie nur unsere Website www.juedische-rundschau.de zu besuchen. Ein Button für den Kauf der Zeitung als e-Paper finden Sie sowohl auf der Hauptseite (oben rechts und ganz unten im Menü „Service“) als auch hinter jedem einzelnen Artikelausschnitt in der Online-Version der Zeitung. 12 WELT № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Jean Ziegler der Lüge überführt Der schweizerische Gaddafi-Freund und Israel-Hasser ist wieder im UN-Menschenrechtsrat

Von Alex Feuerherdt

Der Schweizer Sozialdemokrat Jean Ziegler ist erneut zum Berater des no- torischen UN-Menschenrechtsrates gewählt worden. Wenn man weiß, wel- ches abgründige Verständnis von den Menschenrechten beide teilen und wie ERIC CABANIS / AFP sehr ihnen an der fortwährenden Dä- monisierung Israels gelegen ist, ist das zwar nur konsequent. Dass die Schweiz ihn wiederum nominiert hat und diese furchtbare Liaison damit auch noch le- gitimiert, ist jedoch genau deshalb ein Skandal. Die wohlbegründeten Proteste von UN Watch haben nichts genützt: Jean Ziegler, 82-jähriger Soziologe und Dik- tatorenfreund aus Genf, ist erneut in das Beratergremium des Menschen- rechtsrats der Vereinten Nationen be- rufen worden. Zum dritten Mal schon, obwohl eine Wiederwahl eigentlich nur einmal möglich ist – aber die eige- nen Statuten kümmern diese Uno-Ein- richtung offenkundig so wenig wie die Menschenrechte, denen sie ausweislich ihres Namens verpflichtet sein müsste. Bereits im Jahr 2013 gab es Kritik an der Nominierung von Ziegler, nicht nur von UN Watch, sondern auch von der Außenpolitischen Kommission des Na- tionalrates. Der Bundesrat wischte die Einwände jedoch beiseite und unter- stützte Zieglers neuerliche Kandidatur Jean Ziegler – so wie auch diesmal. Der Schweizer bleibt damit der Vertreter der westli- terstützung für allerlei Autokraten und in Gebiete zu schicken, in denen Men- den Schweizer scharf dafür, als Red- chen Staatengruppe im Beratungsaus- Diktatoren – neben Gaddafi, den er für schen hungern, hat Ziegler, wie Stefan ner auf einer Demonstration die isra- schuss des Menschenrechtsrates, dem ein „politisches Genie“ hielt und regel- Frank resümierte, „nicht versucht, die- elischen Soldaten mit den Wächtern 18 vermeintliche Menschenrechtsex- mäßig traf, wären hier beispielsweise se Aufgabe möglichst effektiv zu erfül- der nationalsozialistischen Konzent- perten angehören, deren Aufgabe es auch Mengistu Haile Mariam und Ro- len, um möglichst viele Menschenleben rationslager verglichen zu haben. Bei ist, Studien zum Thema Diskriminie- bert Mugabe zu nennen – bereits hin- zu retten, sondern hat sich allein von derselben Manifestation hatte Ziegler rung anzuleiten und sich darum zu länglich bekannt. Auch wusste man, seinem Narzissmus und seinem blin- auch zu einem Boykott israelischer kümmern, dass ethnische und religiöse welchen Schaden er zu Beginn dieses den Hass leiten lassen“. Waren aufgerufen. 70 amerikanische Minderheiten in den Staaten, in denen Jahrtausends in seiner Funktion als Kongressabgeordnete wandten sich sie leben, gesetzlich geschützt werden. UN-Sonderberichterstatter für das Hass auf Israel und den Westen damals mit einem gemeinsamen Sch- Vor drei Jahren führten nicht einmal Recht auf Nahrung angerichtet hatte. Der Soziologe habe sich „über Jahr- reiben an die Vereinten Nationen und die eigentlich entlarvenden Recher- Ziegler hatte damals „tatkräftig dazu zehnte ein Welt- und Gesellschaftsbild kritisierten Ziegler für seinen Antise- chen von UN Watch dazu, dass Zieg- beigetragen, das Los der Hungernden aufgebaut, das er sich durch keine Er- mitismus, die kanadische Regierung ler endlich zur persona non grata für formulierte eine offizielle Protestnote. Demokraten wird. Die Organisation Ein Jahr später protestierte eine Koa- konnte nachweisen, dass er 2002 einen Zieglers hauptsächliche Qualifikation lition von 15 Nichtregierungsorgani- vom libyschen Diktator Muammar al- sationen – der auch viele Opfer von Gaddafi gestifteten und mit 100.000 darin besteht, „Heiligenscheine für Regimen angehörten, die Ziegler stets Dollar dotierten „Menschenrechts- verteidigte – dagegen, dass Ziegler als preis“ in Tripolis persönlich entgegen- Diktatoren anzufertigen“. Menschenrechtsexperte für die Ver- genommen hatte. Ziegler – der 1989 in einten Nationen aktiv sein darf. der Jury saß, als diese „Auszeichnung“ härter zu machen“, wie Stefan Frank in kenntnisse zerstören lässt“, konstatierte Es half jedoch alles nichts, Jean Zieg- erstmals vergeben wurde – hatte das der „Basler Zeitung“ schrieb. Denn er Dominik Feusi, ebenfalls in der „Basler ler blieb in Diensten der UNO und stets bestritten, nun war er der Lüge hatte „die Regierungen in Ländern des Zeitung“, nachdem Ziegler Ende Sep- ist nach seiner jetzigen Wiederwahl überführt. Als sich das nicht mehr südlichen Afrikas, die von Dürren be- tember zum dritten Mal in das Bera- weiterhin ein Garant dafür, dass Isra- leugnen ließ und auch das Schweizer troffen waren, dazu aufgestachelt, Nah- tergremium des UN-Menschenrechts- el „ganz speziell und mehr als alle an- Fernsehen darüber berichtete, änderte rungsmittelhilfen aus dem Ausland ab- rates gewählt worden war. Zu dieser deren Länder der Welt zusammen an er kurzerhand seine Strategie und be- zulehnen, wenn nicht klar sei, ob nicht Weltsicht gehört auch, dass die Hisbol- den Pranger des Menschenrechtsrates hauptete, den Preis damals „innerhalb auch genveränderter Weizen, Soja oder lah keine Terrororganisation ist, son- gestellt wird“, wie Dominik Feusi zu von 48 Stunden wieder zurückgege- Mais darunter sei“. dern „eine nationale Widerstandsbe- Recht schrieb. Genau deshalb passt er ben“ zu haben. Im gleichen Atemzug James Morris, der Direktor des Uno- wegung“. Er könne es verstehen, wenn allerdings perfekt zu dieser Einrich- bezichtigte er UN Watch einer „Diffa- Welternährungsprogramms, hatte UN- sie Soldaten entführt, sagte Ziegler tung, sie ist ihm regelrecht auf den Leib mierungskampagne“ gegen ihn. Tat- Generalsekretär Kofi Annan deshalb einmal. Dem französischen Holocaust- geschneidert. Denn so, wie Zieglers sächlich kam er damit durch und wurde im November 2002 aufgefordert, Zieg- leugner Roger Garaudy – der Gaddafis hauptsächliche Qualifikation darin be- schließlich zum zweiten Mal nach 2008 ler des Amtes zu entheben. Er schrieb „Menschenrechtspreis“ im selben Jahr steht, „Heiligenscheine für Diktatoren in die Beratungskommission des Men- damals, die „aufhetzende Politik“, die erhielt wie Ziegler – bescheinigte er anzufertigen“ (Stefan Frank) und den schenrechtsrates gewählt. von Ziegler betrieben werde, habe „ei- 1996 „stringente Analysen“, „Standhaf- jüdischen Staat zu dämonisieren, so nen negativen Effekt auf das Leben tigkeit» und „ehrliche Analysen“. Zieg- führt auch der UN-Menschenrechtsrat Das Los der Hungernden härter der Hungernden“. Zieglers Berichte ler selbst stellt die Schoah zwar nicht in seinem Namen zum Trotz nichts an- gemacht zeigten einen „ernsthaften Mangel an Abrede, war in seinem tiefen Hass auf deres im Schilde als genau diese Per- Damit war klar, dass noch die stich- ökonomischem Verstand und Kenntnis Israel, die USA und den Westen über- vertierung der Menschenrechte. Dass haltigste Kritik an Jean Ziegler und der Details der Lebensmittelsituation haupt bei der Suche nach Bündnispart- der Schweizer Bundesrat dies durch die eindeutigsten Beweise nicht dazu in den Gebieten“, die er untersuchen ner aber nie wählerisch. Zieglers erneute Nominierung auch führen würden, ihn von diesem Pos- sollte. Seine Verlautbarungen machten Im Jahr 2005 rügten der damalige noch unterstützt hat und legitimiert, ist ten fernzuhalten. Denn zahlreiche es der Uno „schwerer statt leichter, den UN-Generalsekretär Kofi Annan und gleichwohl ein unfasslicher Verrat an andere Argumente lagen ja längst auf Hungernden in Notsituationen zu hel- die seinerzeitige Hochkommissarin den Menschenrechten und damit ein dem Tisch. So war etwa Zieglers Un- fen“. Als es darum ging, Lebensmittel für Menschenrechte, Louise Arbour, handfester Skandal. № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 13 Libanon mauert „Palästinenser“ ein – und keinen interessiert’s! Ain al-Hilweh ist das größte „palästinensische“ Flüchtlingslager auf libanesischem Boden Von Stefan Frank gebaut werden, was wir akzeptiert haben“. Er gab zu, dass dies negative Folgen für die Das libanesische Militär hat damit begon- Bewohner haben könne. „Die psychologi- nen, um Teile des Flüchtlingslagers Ain al- schen Implikationen einer Mauer sind ne- Hilweh in der Nähe der südlibanesischen gativ und schwer abzubauen.“ Stadt Sidon eine hohe Betonmauer samt Immer wieder sorgen palästinensische Wachtürmen zu bauen. Das berichten Flüchtlingslager für Spannungen in Israels libanesische und israelische Zeitungen. 0DELIL SOULEIMAN / AFP Nachbarstaaten. Als die PLO im Septem- „Die Arbeiten an dem Bau einer großen ber 1970 den jordanischen König Hussein Mauer um das berüchtigte palästinensi- stürzen wollte, ließ dieser die Lager bom- sche Flüchtlingslager Ain al-Hilweh bei bardieren, es gab Tausende Tote. Anders Sidon verliefen am Samstag reibungslos“, als bei Gefechten, an denen Israel beteiligt meldet die englischsprachige libanesische ist, bekommen solche Ereignisse internati- Zeitung „The Daily Star“. Auf der Website onal kaum Aufmerksamkeit. Das gilt auch ist ein Foto von einem LKW-Kran abge- für das Flüchtlingslager Jarmuk in Damas- bildet, der vorgefertigte Betonteile zu ei- kus, das durch Gefechte und Belagerung ner Mauer türmt. Im Hintergrund ist eine weitgehend zerstört wurde. Stadt zu sehen: das sogenannte Flücht- Die palästinensischen „Flüchtlinge“ im lingslager. In der Bildunterschrift ist von Libanon geben ihren „Flüchtlings“-Status der „Grenze“ zu Ain al-Hilweh die Rede. von Generation zu Generation weiter. So Ain al-Hilweh ist das größte palästinen- wollen es auch die Statuten der UNRWA, sische Flüchtlingslager auf libanesischem dem Palästinenserhilfswerk der Verein- Boden. Auf einem Quadratkilometer le- ten Nationen, das für die Versorgung der ben mindestens 70.000 Bewohner; durch „Flüchtlinge“ zuständig ist: Eine Eingliede- den Zustrom von Bürgerkriegsflüchtlin- rung in die Gesellschaft gehört ausdrück- gen aus Syrien in den letzten Jahren sind es lich nicht zu seinem Auftrag; vielmehr inzwischen wohl schon über 100.000. sollen die „Flüchtlinge“ eines Tages nach Der Libanon behandelt dieses und ande- „Palästina“ „zurückkehren“. Im Libanon re Flüchtlingslager wie exterritoriales Ge- sind sie völlig rechtlos: Sie dürfen nicht ar- biet; von der Polizei und Armee wird es in beiten, keine Häuser und keinen Grundbe- der Regel nicht betreten, in den Medien ist „Palästinensisches” Flüchtlingslager sitz erwerben, nicht zur Schule gehen. Sie darum auch von einer „gesetzlosen Zone“ dürfen nicht einmal das Wenige, das sie be- die Rede. Für „Sicherheit“ zu sorgen, ob- Gefechten zwischen der Armee und einer getötet und mehr als 200 verletzt worden. sitzen, an ihre Kinder vererben. Da sie und liegt der Fatah, die versucht, Gruppen wie Dschihadistengruppe namens Fatah al- Wie die „Jerusalem Post“ meldet, sollen ihre Kinder keine registrierten Bürger sind, den Islamischen Staat oder Al-Nusra au- Islam zerstört. der Bau der Mauer und der Wachtürme kann laut libanesischem Recht nichts ver- ßen vor zu halten und zu diesem Zweck ein Rivalitäten zwischen der Fatah und in 15 Monaten abgeschlossen sein; bei- erbt werden; alles, was sie haben, wird nach Bündnis mit bewaffneten Splittergruppen anderen Terrorgruppen haben sich seit des sei Teil einer Vereinbarung zwischen ihrem Tod vom Staat konfisziert. eingegangen ist, das sich „Gemeinsame Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs ver- der libanesischen Armee und den von Auf Facebook, das zeigt ein Screenshot Palästinensische Sicherheitskräfte“ nennt. schärft; im Juni 2015 wurde Talal Balaw- der Fatah gesteuerten Sicherheitskräften. der „Jerusalem Post“, machen Bewohner Vereinzelt aber dringt die libanesische na, ein hochrangiger Milizenführer der Deren Chef, Munir al-Maqdah, sagte laut von Ain al-Hilwah indessen ihrem Ärger Armee doch in solche Gebiete ein, um Fatah, in Ain al-Hilweh ermordet. Die der „Jerusalem Post“ dem Fernsehsender Luft. Einer hat Fotos vom Bau der Mauer bestimmte gesuchte Terroristenführer libanesische Regierung fürchtet, dass von Sky News Arabia: „Die Mauer wird au- gepostet und dazu geschrieben: „Diese Fo- zu verhaften, zuletzt im September 2016, Lagern wie Ain al-Hilweh aus Anschläge ßerhalb des Lagers gebaut und weit weg tos stammen nicht aus dem besetzten Pa- als sie in Ain al-Hilweh den Gründer der im Land geplant und verübt werden könn- von den Wohngebieten.“ Das Militär habe lästina. Das Unternehmen, das das Projekt Terrorgruppe Jund al-sham, Imad Yas- ten. Bei den verheerenden Terroranschlä- die palästinensischen Führer im Libanon ausführt, ist kein zionistisches. Die libane- min, verhaftete. 2007 wurde das nördli- gen vom 12. November 2015 – einen Tag darüber informiert, dass „die Mauer und sischen Behörden bauen eine Mauer rund che „Flüchtlingslager“ Nahr al-Bared in vor denen in Paris – waren 44 Menschen die Wachtürme aus Sicherheitsgründen um Ain al-Hilwah, das nur 1 km² groß ist.“ Israel-Apartheid-Vorwurf bagatellisiert das Leid afrikanischer Schwarzer Die einzigen Araber, die frei wählen können,sind die israelischen Araber tertür zu betreten, damit die weißen Pati- Juden, Araber und alle anderen saßen chen, da zu viele von ihnen dorthin gereist von Andrew Friedman/ enten am Empfang sie nicht sehen wür- nebeneinander. Im Toten Meer schwam- waren und ihre Meinung daraufhin geän- TPS/Redaktion Audiatur den. Ich weiß nicht, ob es illegal war, wenn men alle gleichzeitig. Ich suchte Strände dert hatten – und dies stellt ein politisches weiße Ärzte schwarze Patienten behandel- mit dem Hinweis ‚nur Schwarze‘, aber es Problem in einem Land dar, in dem es so- Jeder schwarze Südafrikaner, der behaup- ten. Aber in der Realität taten dies nur sehr gab keine. Arabische Lehrer unterrichte- wohl eine weitverbreitete Unzufrieden- tet, es gebe Apartheid in Israel, ist entwe- wenige.“ ten in jüdischen Schulklassen! Das wäre heit mit der aktuellen Regierung als auch der uninformiert oder offensichtlich unehr- „Einige Südafrikaner, die sagen, dass es zur Zeit der Apartheid niemals möglich eine wachsende, lautstarke muslimische lich – mit dieser Aussage verkündete ein Apartheid in Israel gebe, wiederholen nur gewesen“, sagte er. Minderheit mit unerschütterlichen pro- Mitglied des Parlaments in Pretoria, dass das, was sie von anderen Leuten gehört „Nehmen wir eine Sache, die ich gera- „palästinensischen“ Ansichten gibt. jeder Versuch, die Erfahrungen der „Paläs- haben – und nichts, was sie wirklich selbst de auf dieser Reise gelesen habe“, sagte Wenn es eine Gruppe gibt, die Meshoe tinenser“ in Israel mit dem früheren rassis- gesehen haben. Sie geben nur Propagan- Meshoe. „Die Hamas will die sogenann- frustriert, dann sind es die arabischen tischen Regime Südafrikas zu vergleichen, da weiter. Andere – Politiker – denken nur ten ‚Siedler‘ bekämpfen, indem sie Ara- Mitglieder der Knesset. Zwar traf er sich eine Beleidigung derer darstelle, die unter an ihre eigenen Bedürfnisse und an die ber benutzt, die in Israel arbeiten. Das während dieser Reise nicht mit Fraktions- dem System der Rassentrennung litten. Aussagen, die ihren Bedürfnissen dienen. wird alles nur schlimmer machen. Wenn mitgliedern der Gemeinsamen Liste, doch Kenneth Meshoe, Vorsitzender der Frak- Sie fragen sich: ‚Was nützt es mir [zu be- ich mich in Ihre Lage versetze, muss ich er berichtete der Nachrichtenagentur TPS, tion der African Christian Democratic Party, haupten, es gebe Apartheid in Israel oder mich fragen: ‚Wird diese Person, die für dass ihn seine Interaktionen mit Abgeord- sagte, dass die Lebenswirklichkeit in Israel nicht]?‘, und treffen dann eine Entschei- mich arbeitet, mich bei nächster Gele- neten wie Hanin Zoabi bei früheren Reisen nicht mit den Erfahrungen vergleichbar sei, dung. Sie verbreiten also etwas, von dem genheit umbringen?‘ Das könnte die frustrierten. die er als Heranwachsender machte – ganz sie ganz genau wissen, dass es gelogen ist.“ Regierung also leider dazu veranlassen, „[Sie] beschwerten sich darüber, unfair gleich, vor welchen Herausforderungen so Meshoe. bedauerliche Maßnahmen einzuleiten, behandelt zu werden. Zu den Dingen, die die arabische Minderheit in Israel stehe. Meshoe sagte, er habe Israel zum ersten um Unschuldige zu beschützen. Daher wir ihnen verdeutlichen mussten, gehörte, „In diesem Land herrscht eine Bewe- Mal einige Jahre nach der Wahl Nelson ist dies eine sehr heikle Angelegenheit. dass die Tatsache, dass sie Mitglieder eines gungsfreiheit, die wir in Südafrika niemals Mandelas zum Präsidenten im Jahr 1994 Man kann jedoch nur Vertrauen haben, Parlaments sind, ihre Situation grundle- hatten“, berichtete Meshoe während eines besucht. Er schloss sich einer kirchlichen wenn die Sicherheit und der Schutz nicht gend von unserer während der Apartheid Besuches in Jerusalem vergangene Wo- Delegation an, die ins Heilige Land reiste, beeinträchtigt werden.“ unterscheidet. Natürlich stehen sie vor He- che. „An Bänken und öffentlichen Toilet- und nutzte die Gelegenheit für eine religi- Meshoe sagte, er habe im Parlament rausforderungen, doch die kann man nicht ten stand ‚nur für Weiße‘. Wir konnten nie öse Pilgerfahrt und gleichzeitig für politi- angeboten, parlamentarische Informati- als Apartheid bezeichnen. Wenn es hier mit ‚weißen‘ Verkehrsmitteln fahren. Die sche Weiterbildung – doch letzteres über- onsreisen nach Israel und in die Palästi- Apartheid geben würde, säßen sie nicht im meisten weißen Ärzte behandelten keine raschte ihn. nensischen Autonomiegebiete zu leiten, Parlament. So einfach ist das. Ein arabischer schwarzen Patienten, nur weiße. Und vie- „Während dieser Reise hielt ich gezielt doch nur wenige seiner Kollegen seien Richter dürfte keine Verhandlung leiten, in le derer, die aus Mitgefühl doch schwarze nach allem Ausschau, was nach Apart- bereit gewesen, mitzukommen. Er fügte die ein Jude involviert ist. Sie sollen sich also Patienten behandeln wollten, baten ihre heid aussah. Ich nahm den Bus ins Stadt- hinzu, dass selbst die ANC-Regierung ihren ein anderes Wort dafür überlegen, aber das Patienten darum, ihre Praxis durch die Hin- zentrum von Jerusalem, aber Schwarze, Mitgliedern davon abrate, Israel zu besu- ist keine Apartheid“, sagte Meshoe. 14 WELT № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Ist holländischer Nationalismus bedrohlicher als Islamismus? Hollywood erfindet nicht-moslemische Terroristen, um einer politischen Korrektheit zu genügen Von Daniel Greenfield

Im wirklichen Leben sind Terroristen fast immer Moslems. Im Kino sind sie al- les Mögliche, nur das nicht. In amerikani- schen Fiction-Produktionen verbringen Geheimagenten, Undercover-Agenten und einzelgängerische Bullen, die nur ih- Jewel SAMAD / AFP ren eigenen Spielregeln gehorchen, mehr Zeit damit, serbische Terroristen zu be- kämpfen, als damit, moslemische Terro- risten zu bekämpfen. Bevor der 11. September die Party vermasselte, kämpfte Jack Bauer in der Fernsehserie „24 – Twenty Four“ gegen die internationale Bedrohung, die im ser- bischen Terrorismus bestand. Serbische Terroristen tauchten auch im Kinofilm „Diplomatic Siege“ (Diplomatische Be- lagerung) von 1999 auf, wo deren „Serbi- sche Befreiungsfront“ eine US-Botschaft besetzte, ebenso im Film „Projekt: Peace- maker“ von 1997, in dem George Cloo- ney sich beeilt, einen Serben daran zu hindern, eine Atombombe in New York City zu zünden. Die Vereinigten Staaten blieben, wenn- gleich dasselbe nicht von Peter Weller, dem Star von „Diplomatic Siege“, und Mimi Leder, der Regisseurin von „Pro- jekt: Peacemaker“ behauptet werden kann, vom serbischen Terrorismus unbe- schadet, jedoch nicht von moslemischen Terroranschlägen. Trotz des 11. Septem- bers, des Massakers von Fort Hood und der Bombenanschläge auf den Boston- Marathon hat Hollywood sein Augen- merk entschieden auf die wirkliche Be- drohung konzentriert. Nämlich auf den serbischen Terrr oris- Schauspieler Kenneth Branagh, Keira Knightley und Chris Pine bei der Premiere der „Jack Ryan: Shadow Recruit” mus. An diesem Wochenende hat der Film Der Drehbuchautor Dan Pyne tat den is- Einem noch größeren Klischee entspre- wird die Kamera bedeutungsschwer „Ride Along“, in dem Ice „F___ the Po- lamischen Terrorismus als ein „Klischee“ chend wurde Theo Van Gogh, der gerade bei einem muslimischen Retter verwei- lice“ Cube einen Polizisten spielt, an der ab – obwohl eine Handlung eigentlich die Dreharbeiten von „Der sechste Mai“, len, der zu Unrecht von einem bigotten Abendkasse den Spitzenplatz von Lone kein Klischee sein kann, wenn sie nur im einem Film über die Ermordung von Pim NYPD in Gewahrsam genommen wird, Survivor übernommen und nimmt er- wirklichen Leben und nie in Spielfilmen Fortuyn, abgeschlossen hatte, von Mo- während er die wahren neonationalisti- neut den Kampf gegen die schreckliche erscheint. Pyne fand jedoch einen realis- hammed Bouyeri, einem muslimischen schen serbisch-holländischen Konzern- Bedrohung auf, die vom … serbischen tischeren Bösewicht. „Ich denke, es gab Einwanderer aus Marokko, ermordet, der schurken übersieht. Terrorismus ausgeht. gewisse neonationalistische Aktivitäten der Mutter des Opfers erzählte, dass er Aber die Serben, die Russen, die Wenn die Serben zu sehr damit be- in Holland, und es passierten Dinge in keine Empathie für sie haben könne, da Nordkoreaner und die Neonationalisten schäftigt sind, Schnee zu schaufeln, gibt Spanien und Italien. Daher erschien dies sie eine Nicht-Muslimin sei. der Niederlande sind nur die Ersatzper- es immer noch die Russen. Was die Rus- als eine logische und dauerhafte Idee, die Es handelte sich um die Art lächerli- sonen, die aufgerufen werden, wenn die sen betrifft, ist es nach dem Fall der So- universellen Charakter haben würde.“ ches Klischee, die Dan Pyne nie in ein üblichen Schurken, die Rechtsextremis- wjetunion sogar noch wahrscheinlicher, Nichts ist universeller als die Be- Skript aufgenommen hätte. ten, die Amerika unter falscher Flagge dass sie als Schurken auftreten, als es drohung, die von Neonationalisten in Stattdessen machte Dan Pyne sich in einen Krieg mit den Muslimen ziehen während der kommunistischen Ära der Holland ausgeht. Der niederländische nun daran, ein Remake von „The Man- wollen, im Urlaub sind. Fall war. Es ist, als ob das Ende des So- Neonationalismus ist eine beständige churian Candidate“ (dt. Botschafter der Nachdem die Serie „24“ mit der serbi- wjetkommunismus Hollywood endlich schen Terrorgefahr fertig geworden war, dazu befreit hätte, am Spaß von Boris- schaltete sie auf den Standard in Form und Natascha-Schurken teilzunehmen, Sollte in zehn Jahren ein Film über den der realen Gefahr um, dass Kriegstrei- ohne dass es sich der Kommunistenhatz ber in der Regierung versuchen, eine schämen müsste. 11. September gedreht werden, werden muslimische Terrorbedrohung vorzu- Als es im Film „Jack Ryan: Shadow Re- täuschen. Nach 9/11 handelte die Ge- cruit“ um eine Terrorzelle in Dearborn die Bösewichte wahrscheinlich serbische schichte der zweiten Staffel von „24“ von ging, agierten die Bösewichte, obwohl einer üblen Regierungsverschwörung dieses Gebiet von moslemischen Sied- Nationalisten sein. mit dem Ziel, einen muslimischen Ter- lern beherrscht wird, von einer russisch- roranschlag vorzutäuschen. Alles ande- orthodoxen Kirche aus und erhielten ihre weltweite Bedrohung, zu der jeder einen Angst) zu schreiben, in dem das kom- re wäre ein Klischee gewesen. Und um Einsatzsignale von einem Priester, der Bezug hat. munistische China durch das „Unter- Klischees zu vermeiden, wurden in drei in der Bibel las, während die Terroristen Bei den Neonationalisten der Nieder- nehmen Manchurian [Global]“ ersetzt Staffeln der Serie Variationen derselben „Slava Bogu“, d. h. „Gelobt sei Gott“, aus- lande, die Pyne in einer alten Ausgabe wurde. Er arbeitet derzeit an einem Film Handlung verwendet. riefen. der „Los Angeles Times“ entdeckt hat- über einen syrischen Rettungssanitäter, Als die Serben im vergangenen Jahr in Es wäre doch sehr unrealistisch gewe- te, handelte es sich wahrscheinlich um der mit einem Terroristen verwechselt den Streik traten, kam in „White House sen, sie stattdessen dabei zu zeigen wie sie die Partei von Pim Fortuyn. Fortuyn wird, während er versucht, während des Down“ ein schurkischer Sprecher des Allah priesen. war ein homosexueller Soziologiepro- Hurrikans „Katrina“ Leben zu retten. Repräsentantenhauses mit einem jüdi- „Jack Ryan: Shadow Recruit“ ist der fessor und ehemaliger Marxist, der Das ist zwar ein Klischee, aber ein Kli- schen Nachnamen zum Zuge, der einen jüngste Versuch, einen Tom-Clancy-Film für die Legalisierung von Drogen, die schee von der Art, wie sie Hollywood schwarzen Präsidenten zu ermorden ohne Tom-Clancy-Elemente zu machen. gleichgeschlechtliche Ehe und weniger gefällt. hatte, um dessen Vertrag mit dem Iran In „Der Anschlag“, einem der ersten Fil- moslemische Einwanderung war. Die Sollte in zehn Jahren ein Film über zu sabotieren. Der Film fuhr einen der- me über Terrorismus, die nach dem 11. neonationalistische Bedrohung der Nie- den 11. September gedreht werden, artig großen Verlust ein, dass Sony ihm September herauskamen, wurden Clan- derlande erwies sich als nicht dauerhaft, werden die Bösewichte wahrscheinlich die Schuld für seinen Quartalsverlust cys muslimische Schurken über Bord ge- als Fortuyn um die Zeit, als „Der An- serbische Nationalisten sein. Oder viel- von 197 Millionen Dollar gab. worfen und durch Neofaschisten ersetzt, schlag“ in den Kinos lief, von einem Lin- leicht eine niederträchtige „September Aus: Daniel Greenfield, „Hollywood’s die vorhatten, Europa in einen „vereinten ken ermordet wurde, der sich wie Pyne 11 Corporation“. Es wäre ein Klischee, Muslim Lies“ faschistischen Superstaat“ zu verwan- Sorgen um das Schicksal der Muslime 19 muslimische Entführer 3.000 Men- Übersetzung aus dem Englischen: deln. machte. schen ermorden zu lassen. Und dann Ralph Raschen № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 15 Wie viele „Palästinenser“ gibt es überhaupt? Um den Wasserverbrauch der „Palästinenser“ berechnen zu können, müsste man erstmal wissen wie viele es gibt Von Ulrich Sahm (Audiatur)

Wasser ist selbst in der Wüste nur eine Geldfrage. Heutzutage kann man belie- big viel Trinkwasser aus Meerwasser ge- winnen oder Brauchwasser klären, um es in der Landwirtschaft für Bewässerung zu nutzen. Die Palästinenser sagen, dass der meis- te Regen im Heiligen Land in den Bergen MOHAMMED ABED / AFP des Westjordanlandes falle. Deshalb ge- höre ihnen das Wasser. Doch der Regen versickert, fließt unterirdisch weiter und entspringt als Quellwasser am Fuße die- ser Berge in Israel. Das ist Diebstahl! – schreien die „Palästinenser“. Geografie kann gemein sein. Das statistische Lieblingsspielzeug in diesem Streit ist der „Pro-Kopf-Ver- brauch“. Damit kann das vergnüglichste Zah- lenratespiel beginnen. Man stützt sich auf die offiziellen Wasserbehörden in Israel und Ramallah oder auf „Autoritäten“ wie den EU-Parlamentsvorsitzenden Martin Schulz. Der behauptete vor der Knesset, dass „Palästinenser“ nur 17 Liter Wasser zur Verfügung hätten. Dabei zitierte er einen „palästinensischen“ Jugendlichen. Man darf vermuten, dass der auf Englisch statt 17 wohl eher 70 gesagt hat. Seven- teen und Seventy klingen fast identisch. Das nennt man „stille Post“. Es existieren bis heute keine zuverlässigen Zahlen darüber, wie viele „Palästinenser“ es überhaupt gibt. 70 Liter laut palästinensischer Behörde sind kein Widerspruch zu den 100 Litern verzeichnet mehr als 2,4 Millionen Paläs- aus dem theoretischen Bevölkerungszu- 1,4 Millionen und 2,4 Millionen schwan- laut israelischen Quellen. Denn wenn die tinenser in der Westbank, während die wachs und den tatsächlich vom Gesund- ken, ist jede Behauptung über Pro-Kopf- Israelis rund 100 Liter pro Kopf liefern, American-Israel Demographic Research heitsministerium registrierten Geburten. Verbrauch unsinnig. ziehen die Palästinenser 30 % Verluste Group (AIDRG) nur auf 1,4 Millionen Die „Palästinenser“ berichten auch von Genauso fragwürdig sind statistische wegen maroder Rohre und Wasserdieb- kommt. Zehntausenden Einwanderern seit 1990. Angaben zum Wasserverbrauch in ande- stahl ab. Beim Endkonsumenten kom- Das PCBS zählt 250.000 Palästinenser Die Grenzen werden jedoch von den ren Ländern der Welt. Die USA führen men tatsächlich nur 70 Liter an. in Ostjerusalem und 150.000 Palästinen- Israelis kontrolliert und da wurden im mit 1630 m³ pro Kopf. In Deutschland Daniel Killy, Journalist und Presse- ser mit, die durch Heirat und Familien- gleichen Zeitraum mehr Ausreisende als sind es 400 m³, während die Luxembur- sprecher der Jüdischen Gemeinde in Zusammenführung nach Israel ausge- Einreisende registriert. ger mit nur 90 m³ fast auf dem Trocknen Hamburg, hat auf ein weiteres Problem wandert sind. Laut AIDRG sind diese Gemäß „palästinensischen“ wie isra- sitzen. Die Schweizer verbrauchen mit bei den statistischen Berechnungen hin- 400.000 an die israelische Wasserversor- elischen Angaben gibt es zudem in der 340m³ weniger als Deutsche. Die Tür- gewiesen. Zur Berechnung des Wasser- gung angeschlossen. Darüber hinaus hat Gegend von Jericho und im Norden des ken verbrauchen ganze 640 m³ und die verbrauchs benötigt man zwei Zahlen: das PCBS 400.000 im Ausland lebende Westjordanlandes etwa 250 „illegale“ Griechen bei einem Klima ähnlich wie in die Bevölkerungsgröße und die Wasser- „Palästinenser“ mitgezählt. Die AIDRG Brunnen. Allein deswegen ist es un- Israel mit 850m³ doppelt so viel Wasser menge. berücksichtigt diese Gruppe nicht, da möglich, die tatsächlich zur Verfügung wie die Deutschen. Angesichts der oben Bei der Bevölkerungszahl klaffen die sie kein Wasser in den palästinensischen stehende Gesamtmenge des Wassers zu aufgezeigten Zahlenspiele sind diese An- Angaben weit auseinander. Das Palesti- Gebieten verbraucht. Die restliche Dif- messen. Wenn nun auch noch die Anga- gaben von statistica.com mit Vorsicht zu nian Central Bureau of Statistics (PCBS) ferenz von 200.000 Personen ergibt sich ben über die Bevölkerungszahl zwischen genießen. Gilt das globale„Community-Bekenntnis“ von Airbnb auch in Saudi-Arabien? Gutmenschen-Geheuchel nun auch im Bettenverleih Von Dirk Maxeiner ständig irgendwelche Allgemeinen Ge- setze auf? Dem einen seine Scharia, dem Ach ja, was passiert eigentlich, wenn schäftsbedingungen ungelesen abzuha- anderen sein Community-Bekenntnis? ich dem Bekenntnis nicht zustimme? Ich werde nicht gerne ungefragt ge- ken. Aber ein Bekenntnis? Ist das nicht Fröhliches Diskriminieren nach Gutdün- „Wenn du dem Bekenntnis nicht zu- duzt. Angefangen hat damit IKEA. Der eher was für die örtliche Sektion der Wie- ken rundum? stimmst, kannst du nicht als Gastgeber Bettenvermittler Airbnb hat es sich da dertäufer? Zeitgeistige Gesinnungsschnüffelei als auf Airbnb fungieren oder über Airbnb offenbar abgeschaut. Das Ganze soll „Du erklärst dich bereit, jeden – un- Promotion und Corporate Identity verreisen. Du hast dann die Möglich- locker, bunt und unkommerziell rüber- abhängig von Rasse, Religion, Herkunft, Wo wir gerade dabei sind, lieber Ge- keit, deinen Account zu löschen.“ Dacht kommen. Motto: Was sind wir doch für Volkszugehörigkeit, einer Behinderung, meindevorstand von Airbnb: Ihr vermie- ich mir es doch. Genau meine Erfahrung eine tadellose, hundert Prozent toleran- Geschlecht, Geschlechtsidentität, sexuel- tet doch auch Schlafgelegenheiten in mit Leuten, die einen ungefragt duzen. te, bunte und weltoffene Community! ler Orientierung oder Alter – respektvoll, Saudi-Arabien und anderen lupenrein Welch wunderbar subtile Unterstellung Meine persönliche Lebenserfahrung hat vorurteilsfrei und unvoreingenommen demokratischen Staaten. Wie haltet ihr in euren dürren Zeilen liegt: Wer euren leider ergeben, dass es in solchen DU- zu behandeln,“ heißt es da. Schön und es da eigentlich mit eurem Community- Gesinnungskodex aus welchen Gründen Läden häufig besonders intrigant und gut. Aber ich weiß selbst, wie ich mich Bekenntnis? Wie macht ihr das bloß in auch immer nicht unterschreiben will, hinterhältig zugeht. Riecht immer leicht zu benehmen habe, dafür brauche ich Ländern, wo Frauen im Haus und Homo- wird aus der Gemeinschaft der Wohlmei- nach Sekte. Als Arbeitnehmer würde ich keine Nachhilfe vom Bettenhandel. Da- sexuelle im Knast eingesperrt werden? nenden ausgeschlossen. in jedem Fall irgendeinen Spießerladen von ganz abgesehen: Gibt es dafür in Müsst Ihr eure Geschäftstätigkeit dort Ich bin mir übrigens gar nicht sicher, vorziehen, da muss man arbeiten und Deutschland nicht längst ein Anti-Diskri- nicht umgehend einstellen, wenn Ihr ob das mit dem deutschen Anti-Diskri- nicht heucheln. minierungsgesetz? euer eigenes Community-Bekenntnis minierungsgesetz in Einklang zu bringen Und damit komme ich nun zu Airbnb. Verlangt Mercedes demnächst von mir, auch nur halbwegs ernst nehmt? Oder ist. Darin steht nämlich, dass niemand Wer dort ein Zimmer vermieten will (was dass ich vor dem Kauf einer S-Klasse ein ist das Bekenntnis etwa nur für politi- aufgrund seiner Weltanschauung diskri- ich nicht will) oder ein Zimmer mieten Bekenntnis zum Klimaschutz abgebe sche Schönwetter-Regionen gedacht, miniert werden darf. Und meine Weltan- will, der kann das nämlich nicht einfach und feierlich gelobe, niemals über 130 zu wo Ihr euch ein bisschen weltoffen, bunt schauung sagt mir unmittelbar, dass ich buchen, bezahlen und fertig ist. Nein. fahren? Verlangt meine Bank demnächst und unglaublich tolerant gerieren wollt? mir keine semi-religiösen Bekenntnisse Zuerst einmal muss er ein „Community- von mir, dass ich bestimmte Parteien Ein bisschen zeitgeistige Gesinnungs- irgendwelcher Art aufs Auge drücken las- Bekennntnis“ ablegen. Nun ist der mo- meide, wenn ich ein Girokonto eröffnen schnüffelei als Promotion und Corpo- se, um am allgemeinen Geschäftsverkehr derne Mensch ja gewöhnt, im Internet will? Stellt jetzt jeder seine eigenen Ge- rate Identity? teilzunehmen. 16 DEUTSCHLAND № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Wie halten Sie es mit dem achten Gebot, Herr Landesbischof Bedford-Strohm? Ein offener Brief von nen Gruppen und oft mit Aufsicht ein- Splitt will „nicht weiter vertiefen“, wel- Gerd Buurmann gelassen. Der Felsendom darf nur von che jüdischen Geistlichen ihn angeb- Muslimen betreten werden! Verboten lich gedrängt haben. Sehr geehrter Landesbischof Heinrich sind zudem das Mitbringen von Bü- Entschuldigen Sie, Herr Bedford- Bedford-Strohm, chern und Kultgegenständen und das Strohm, aber so geht das nicht. Ich Das achte Gebot lautet: „Du sollst Abhalten von Gebeten anderer Religi- erwarte, dass Sie die Sache nicht nur nicht falsch Zeugnis reden wider dei- onen. Wenn Juden den Tempelberg be- vertiefen, sondern klären, denn es nen Nächsten!“ treten, werden sie nicht selten bedroht. darf nicht angehen, dass der Verdacht So wie es aussieht, haben Sie dieses Auch Christen können auf dem Tem- im Raum stehen bleibt, ein Landesbi- Gebot gebrochen und wollen es nun pelberg Probleme kriegen. schof und Ratsvorsitzender der Evan- auch noch vertuschen. Ich bin weder in Stellen Sie sich mal vor, Christen gelischen Kirche in Deutschland wi- der Lage noch verspüre ich den Drang, AFP würden sich so benehmen. Was wür- dersetzt sich erst der Lehre Jesu und einen Stein zu werfen, aber einen Brief de wohl geschehen, wenn der Vatikan bricht dann auch noch eines der zehn möchte ich schreiben. jeden christlichen Feiertag Muslimen Gebote, indem er ein falsches Zeugnis Bei einem Besuch des Tempelbergs den Zutritt ins Land verweigern würde über Juden abgibt. Gerade als Bischof, in Jerusalem nahmen Sie als Ratsvor- oder wenn Juden am Sonntag den Platz der in der Tradition von Martin Luther sitzende der Evangelischen Kirche in vor dem Kölner Dom nicht betreten steht, muss diese Angelegenheit geklärt Deutschland zusammen mit ihrem ka- dürften. Der Islam aber erklärt, zu wel- werden, denn das falsche Zeugnis, das tholischen Kollegen Kardinal Reinhard chen Zeiten welche öffentlichen Orte in Luther einst über Juden abgab, vergiftet Marx ihre Brustkreuze ab, bevor sie den der islamischen Welt judenrein zu sein heute noch die Beziehungen. Hier ein Tempelberg besuchten. Sie rechtfertig- haben und Sie ehren dieses Verhalten, paar Zitate: ten die Entscheidung mit diesen Wor- indem Sie Ihr Kreuz abnehmen. „Wisse du, lieber Christ, und zweifle ten: „Wir haben aus Respekt vor den Das allein schon ist schlimm genug nicht daran, dass du nächst dem Teufel Gastgebern gehandelt“ und fügten hin- und geht gegen die Erklärung Ihres keinen bittereren, giftigeren, heftigeren zu, es habe sich „um eine Antwort auf Chefs Jesus, der Tempelberg solle al- Feind hast als einen rechten Juden, der den Wunsch der Gastgeber“ gehandelt. Verbreitet der Landesbischof Unwahrheiten? len Gläubigen offenstehen, Sie haben mit Ernst ein Jude sein will.“ Diesem „Wunsch“ ausgerechnet auf vermutlich sogar noch ein Bruch des „Sie sind eitel Diebe und Räuber (…) dem Tempelberg nachzukommen, war Sehr geehrter Herr Bedford-Strohm, achten Gebots hinzugefügt, indem Sie Denn ein Wucherer ist ein Erzdieb und so falsch, wie etwas nur falsch sein darf ich fragen, wer von jüdischer ein falsches Zeugnis abgelegt haben. Landräuber, der billig am Galgen sie- kann. Es gab da mal einen Mann, der Seite Ihnen aufgetragen haben soll, das Israels Militärsprecher, Arye Sharuz benmal höher als andere Diebe hängen sagte, genau dieser Ort, „soll ein Haus Kreuz nicht zu tragen? Als ich bei der Shalicar, erklärt dazu, in Israel sei man sollte.“ des Gebetes für alle Völker sein.“ Wis- Klagemauer war, habe ich eine solche „empört über diese Behauptung“ und „Ich will meinen treuen Rat geben. sen Sie, wer das gesagt hat? Jesus! So Aufforderung nicht vernommen. Auf schreibt in Richtung Bedford-Strohm: Erstlich, dass man ihre Synagogen oder steht es jedenfalls bei Markus 11, 17. den öffentlichen Plätzen Israels und „Ich fordere Sie hiermit auf, öffentlich Schulen mit Feuer anstecke und, was Jesus stand zu seinen Überzeugungen an der Klagemauer gibt es eine solche zu machen, welcher Sicherheitsdienst nicht verbrennen will, mit Erde über- und er leugnete seinen Glauben nie. Regelung nämlich nicht. Wissen Sie von jüdischer Seite aus bei Ihrem Be- häufe und beschütte, dass kein Mensch Sie, Herr Bedford-Strohm, haben Ihren jedoch, wo es eine solche diskriminie- such der Klagemauer in Jerusalem von einen Stein oder Schlacke sehe ewiglich Glauben jedoch geleugnet und erklär- rende Regelung gibt? Auf dem Tempel- Ihnen gefordert haben soll, ‚aufgrund (…) Zum zweiten: dass man ihre Häuser ten später sogar, in dieser besonderen berg! der angespannten Lage in Jerusalem‘ desgleichen zerbreche und zerstöre.“ Situation in Jerusalem wäre es falsch Der Tempelberg wird heute von der Ihre Glaubenssymbole nicht offen zu Sehr geehrter Herr Bedford-Strohm, gewesen, dem Wunsch der islamischen sogenannten „Frommen Stiftung des tragen, um angeblich ‚eine Provokation ich erwarte eine Antwort von Ihnen! Gastgeber nicht nachzukommen. Islams“ (Waqf) kontrolliert. Sie sorgt zu vermeiden‘.“ Es geht mir nicht darum, Sie zu verur- Zu dieser Leugnung habe ich bereits dafür, dass im Jahr 2016 an einigen Ta- Sehr geehrter Heinrich Bedford- teilen. Es geht mir nur darum, Ihnen die in einem offenen Brief an Sie Stellung gen im Monat für den Tempelberg gilt, Strohm, Möglichkeit zu geben, entweder eine genommen, den unter anderem die was im Jahr 1942 für Parks in Deutsch- dieser Forderung schließe ich mich Sache zu klären oder sie wiedergutzu- JÜDISCHE RUNDSCHAU veröffent- land galt: „Nicht für Juden!“ Der Zu- an, denn mittlerweile haben sowohl machen. Denken Sie immer daran – so- licht hat. Auf meinen Brief haben Sie gang zum Tempelberg ist über elf Tore der Sprecher der Deutschen Bischofs- gar Petrus hat Jesus verleugnet. Sie sind nicht geantwortet, aber an anderer Stel- an der Nord- und Westseite der Anlage konferenz, Matthias Kopp, als auch der also in guter Umgebung. Petrus ließ je- le haben Sie Ihre Leugnung auch noch möglich. Allerdings ist der Zutritt dort Sprecher der Evangelischen Kirche in doch nicht später durch einen Sprecher durch ein falsches Zeugnis über Juden nur Muslimen erlaubt. Sollten Zweifel Deutschland, Carsten Splitt, auf Nach- verlauten, er werde die Angelegenheit erweitert: bestehen, müssen ausländische Musli- frage eingeräumt, von Sicherheitskräf- „nicht weiter vertiefen“. „Man inszeniert einen Kulturkampf me ihre Zugehörigkeit zum Islam be- ten nicht zur Kreuzabnahme aufgefor- Klären Sie die Sache, Herr Bedford- mit dieser Sache, um zu zeigen, der Is- legen. Andersgläubigen ist der Zutritt dert worden zu sein. Da aber auch sie Strohm, wie Petrus einst am See Gene- lam sei intolerant. Warum wird nicht nur von Samstag bis Donnerstag über darauf beharren, von ihren jüdischen zareth. Ich bin mir sicher, Sie verstehen gleichzeitig darauf hingewiesen, dass das Marokkanertor bei der Klagemauer „religiösen Gastgebern“ darum gebeten mich, wenn ich Sie im Sinne von Jo- wir bei beiden Religionen, die wir be- erlaubt. Das Betreten ist dort nur nach worden zu sein, möchte ich wissen, wer hannes Kapitel 21 bitte: Sorge für seine sucht haben, von den Betreuenden ge- scharfen Sicherheitskontrollen außer- diese Gastgeber waren. Matthias Kopp Schafe! beten wurden, das Kreuz nicht zu tra- halb der Gebetszeiten möglich. Juden jedoch erklärt: „Wir werden das nicht Mit freundlichen Grüßen, gen, um nicht zu provozieren?“ werden, wenn überhaupt, nur in klei- weiter konkretisieren.“ Auch Carsten Gerd Buurmann

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Es war Wahl, das Wahlvolk hatte entpuppte sich gegen die Aktivisten- gesprochen und das Ergebnis wurde szene als Glücksfall und seinen Rake- akzeptiert. Und was ist heute zu beob- ten danke ich noch immer. Über die achten? Das US-Wahlergebnis würde Aktivisten schüttelte ich damals den nur akzeptiert, wenn es passt? Das ist Kopf und komme heute wieder nicht widerlich und fällt mehr auf die Hys- aus dem Lachen raus. Uralt im Kopf teriker als auf den Sieger zurück. Alles und nix dazu gelernt – mehr kann ich Psychologie. da nicht attestieren. Wie ich oben schrieb, ich kann Trump Das aktuelle Kampflied heißt: Der nicht einschätzen. Seine Rede nach Menschheitsfeind in Washington pö- dem Sieg klang vernünftig. Er sammel- belt (was er tatsächlich gröblichst te sogar einiges aus dem Wahlkampf im Wahlkampf tat), plustert sich auf sofort ein. Inzwischen traf er personelle und heißt Trump. Ich weiß nicht, wer Entscheidungen, die so schlecht nicht Trump ist. Ich kann ihn wirklich nicht sind. Der Krieg gegen den Westen ist einschätzen. Ist das meine Schuld? Das eine Tatsache und dürfte als Erkennt- streite ich ab. Schuld daran sind unsere nis keineswegs zum Ende der NATO eigentlich freien Medien. Im SED-Pro- führen. „Donald allein zu Haus“ wäre pagandastil ließen sie kein gutes Haar global betrachtet auch für einen Groß- am Bösewicht Trompete. Sie ließen so töner wie Trump eine Nummer zu groß gründlich kein gutes Haar an diesem sein. Gottseibeiuns, dass mir die Zweifel wie zu Zonenzeiten kamen, ob das denn Zwischen roten Linien lässt sich tatsächlich das richtige Bild vom Do- besser als im Nebel verhandeln nald ist. Richtig ist seine Forderung an die Euro- Genauso hatten uns die Kommunis- päer, mehr für die eigene Sicherheit zu ten die Bundesrepublik und Sozialde- tun. Es geht nicht an, die alten und neu- mokratie zur Sau machen wollen. Des- en „Ami-go-home-freaks“ zu päppeln halb kam ich in meiner Jugend darauf, (Linksaußen dabei sogar einen Regie- mich selbst um Informationen über die rungsplatz einräumen zu wollen!) und Sozialdemokraten, über Kurt Schuma- die Amis den Schutz allein finanzieren cher, über Willy Brandt, über Helmut zu lassen. Wer muss hier eigentlich auf Schmidt, auch über Sozialdemokraten die Couch? Trump oder Europa? Auch wie Mosche Dajan zu kümmern. Im Er- ist es wichtig zu wissen, dass sein Si- gebnis wurde ich Sozialdemokrat. Os- cherheitsberater Russland zu den Fein- kar Lafontaine trug keinerlei Schuld an den des Westens zählt. Nicht, weil das diesem Erkenntnisprozess. Krieg bedeutet. Nein. Weil es klare rote Linien bedeutet. Rote Linien sind So gut wie alle Medien reiten für alle gut. Zwischen roten Linien unisono den Angstgaul lässt sich besser als im Nebel verhan- Zurück zu Mr. Trump. Meine Zwei- deln. Das war schon zu Brandts und fel haben sich gemehrt. Gemehrt auch, Schmidts Zeiten so. weil dieses mediale Affentheater täg- Eine Sorge wurde öffentlich wirksam lich so weiter geht. Nun ist es das ur- Gunter Weißgerber kann sich noch gut an die Hetze gegen Reagan erinnern. mit der Figur eines möglichen Dikta- alte und bewährte US-Wahlsystem, tors Trump erfunden. In seiner Hun- was von Europas Straßen und Plätzen Stacheldraht, Schießbefehl, Gelbes denn dann mit dem bundesdeutschen derttagebotschaft nahm er sich nur aus geändert werden muss? Von Stra- Elend, Hohenschönhausen, die poli- Wahlmännersystem zur Wahl des Bun- Projekte vor, die der Präsident allein ßen und Plätzen, die nur durch Präsenz tisch instrumentalisierten Irrenanstal- despräsidenten umgehen wollen? entscheiden kann. Seine weiteren fak- der US-Amerikaner freie Straßen Plät- ten und so weiter und so fort machen Warum haben sich die freien Medi- tisch noch unbekannten Schwerpunkte ze wurden und bleiben konnten? Ich diesen Vergleich mit gelenkten Medien en zu Lautsprechern ein und desselben will er mit dem Kongress aushandeln. krieg‘ die Tür nicht zu. unmöglich. Liedes verändert? Für mich ist das eine Weise, die Insti- Um es vorwegzunehmen: Frank- Umso erstaunlicher ist es, dass so Ich selbst akzeptiere das US-Wahlsys- tutionen achtet. Bis jetzt hat das Amt furter Allgemeine, Frankfurter Rund- gut wie alle Medien dieses freiesten tem, was anderes bleibt mir angesichts noch jeden Präsidenten stärker geformt schau, Zeit, Spiegel, ARD, ZDF, die Deutschlands, was es je gab, unisono der US-Demokratie auch nicht übrig, als es umgekehrt der Fall war. Ich bin Privaten – sie alle sind keine vom Polit- den Angstgaul reiten und sogar das und ich verteidige das deutsche Wahl- auch deshalb gelassen und wechsle büro straff gelenkte DDR-Medienland- US-amerikanische Wahlmännersys- männersystem als zeitlos richtig. Ich nicht dreimal am Tag Trump’s wegen schaft. Definitiv nicht. Unsere Medien tem, welches sowohl republikanische verteidige zudem diese Bundesrepublik die Windeln. Das können die Bettnäs- sind frei. Medien in Freiheit hatten wir als auch demokratische Präsidenten gegen den Schwachsinn „Deutschland, ser viel besser. Ich war 1981 schon kei- uns sehnlichst gewünscht und 1989/90 hervorbrachte, aus Gründen der Men- Du mieses Stück Scheiße“. Aber das nur ner. den Weg dazu erkämpft. Allein die feh- schenrettung am liebsten ändern woll- nebenbei. Ich frage mich, wieso haben Er wurde demokratisch gewählt. Ein- lenden Todesmauern und Todeszäune, ten. Interessant zu wissen wäre, wie sie sich viele dieser freien Medien zu Laut- hundert Tage stehen ihm ohnehin zu. sprechern ein und desselben Liedes ver- An seinen Taten werde ich ihn messen. ändern können? Wieso geben diese Me- Mein Hauptaugenmerk wird auf sei- Die älteren Ausgaben der „Jüdischen Rundschau“ dien ein so einfarbiges gegenüber dem nen roten Linien liegen. Die NATO- sind in der Redaktion erhältlich. tatsächlich grellbunten Stimmungsbild Außengrenzen sind besonders wichtig. in der Bevölkerung ab? Hängt dies mit Ohne diese können wir den großen Wenn Sie eine oder mehrere Ausgaben brauchen, teilen Sie dem Marsch durch die Institutionen Rest an eigenen Zielen und Wünschen zusammen? Ist die 68er Bewegung (Be- beinahe vergessen. uns bitte auf dem Postweg (J. B. O., Postfach 12 08 41, 10598 wegung sic!) jetzt auf fast jedem Redak- Ach so, er ist kein Sozialdemokrat. Berlin) mit, welche genau, an welche Adresse sie geschickt wer- tionsstuhl zum Schreiben und damit Schade. Ich kann es nicht ändern. zum Bleiben angekommen? den sollte und legen Sie bitte als Bezahlung Briefmarken zu je Bekommt hier überhaupt jemand 70 Cent bei: mit, dass Deckel und Topf nicht nur in Gunter Weißgerber ist ehemaliger Bun- der Politikbundesliga, sondern auch im destagsabgeordneter der SPD (1990 - • Für eine Ausgabe – 3 Briefmarken; Medienbereich nicht mehr passfähig 2009) und gehörte in der DDR zu den • Jede weitere Ausgabe – eine zusätzliche Briefmarke. übereinander liegen? Dass die Statik Leipziger Gründungsmitgliedern der verrutscht wurde? Dass sich alle Par- Partei 18 DEUTSCHLAND № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Man muss kein Trump-Freund sein, um Clinton nicht zu mögen Die Unwählbarkeit der Hillary Clinton Von Attila Teri

„Du bist ein rechtsradikaler Nazi!“, „Du bist ein naiver, linker Gutmensch!“ – mit diesen oder ähnlichen Vorwürfen muss ich mich schon länger herumschlagen, je nachdem, welchem Lager ich auf die MIKE SARGENT / AFP Füße trete und so habe ich mich inzwi- schen notgedrungen an die Einsamkeit in der Mitte gewöhnt. Doch was ich in den letzten Monaten wegen der US-Wahlen miterleben musste, hat ungeahnte Quali- täten erreicht und meinen Eindruck ver- festigt, zwischen allen Stühlen zu sitzen, wenn ich nicht bereit bin mit dem Rudel zu heulen – mit welchem auch immer. Dabei betrachte ich lediglich die Ge- schehnisse als Vertreter einer scheinbar aussterbenden, liberalen Spezies – auch den Erfolg von Donald Trump. Ich erleb- te die letzten Jahre des Kalten Krieges als Mitarbeiter der ungarischen Abteilung von „Radio Freies Europa“, in meiner Eigenschaft als „Propagandist der bö- sen, amerikanischen Imperialisten“. Da- bei fällt mir gerade ein, es gab auch eine armenische Abteilung. Frage an Radio Jeriwan: „Macht die Wahl Trumps auch Sie krank? Antwort: Im Prinzip ja, aber noch mehr die Reaktionen darauf!“ Bes- ser könnte ich meine gegenwärtige Ge- Nicht wenige Journalisten schmähten Ronald Reagan. Aus heutiger Sicht gilt er als einer der besten Präsidenten der Vereinigten Staaten, der entscheidend zum fühlslage kaum beschreiben. Ende des Kalten Krieges beigetragen hat. Die Hetzjagd auf diesen zweifellos umstrittenen, selbstverliebten, stillosen bisheriger Außenminister und baldiger „Trump wird Hass liefern – Der Repu- bringer für eine glorreiche neue Zeit sorgt und populistischen Unsympath widert Bundespräsident nannte, abgegeben ha- blikaner Donald Trump wird der neue – wie es seine unerschrockenen und be- mich genauso an wie die, in meinen Au- ben. Am besten widerspiegelt diese Stim- Präsident der USA. Die Wahl des Anti- geisterten Fans überschwänglich verspre- gen völlig ungerechtfertigten Huldigun- mung der Spruch eines Farmers. „Ich demokraten ist eine unüberhörbare War- chen. Ich gebe ihm einfach eine Chance gen der Hillary Clinton. Für mich stand hätte auch Donald Duck gewählt, um nung an die Welt.“ – titelt die „taz“. Weiter und werde ihn weder verherrlichen noch seit Monaten fest, dass es eigentlich eine Hillary zu verhindern.“ Der gute Mann heißt es: „Rassismus und Hass werden als verteufeln. Und das tue ich sicher nicht Wahl zwischen Pest und Cholera ist. war übrigens sein Leben lang Demokrat. Ersatz für das Einhalten von Verspre- aus Opportunismus. Ich vertraue schlicht Beide Krankheiten sind bekanntlich bei Wie auch immer, jetzt haben wir den chungen herhalten müssen.“ und ergreifend der amerikanischen De- rechtzeitiger Erkennung und richtiger Salat, ob wir Veganer oder Steakliebha- Aber der ungekrönte König unter den mokratie, die bewusst und freiwillig die Behandlung heilbar, können aber auch ber sind. Ergo, entweder essen wir ihn weltuntergangsbeschwörenden Kollegen Gründungsväter als politisches System einen tödlichen Verlauf nehmen. Meiner oder verhungern. Meinerseits halte ich ist für mich Carsten Luther von „Zeit On- implementiert haben. Sie funktioniert nun irrelevanten und bescheidenen Meinung vom Letzteren herzlich wenig. Also ver- line“: „Ein totalitärer Blender und betrü- schon 240 Jahre und wurde vom amerika- nach, wäre Michael Bloomberg der einzig suche ich die ganze Angelegenheit objek- gerischer Dilettant hat es geschafft sich nischen Volk gar in den größten Krisen des geeignete Kandidat gewesen. Er ist ein er- tiv zu beurteilen – im Gegensatz zu vielen ins Weiße Haus wählen zu lassen. Donald Landes ohne Wenn und Aber mitgetragen. folgreicher Geschäftsmann, erwiesener- meinen mehr oder weniger ehrenwerten Trump ist ein epochales Desaster, das Sie wird auch Trump überleben. maßen fähiger Politiker, aber vor allem, Journalistenkollegen ohne Vorurteile. nicht nur dieses große Land und seine Meine Sorge gilt daher erheblich mehr unabhängig vom verhassten Establish- Es kommt mir so vor, als ob man ihnen Demokratie auf Jahre hinaus verändern Deutschland, mit gerade mal 70 Jahren ment und von fremdem Geld. bis heute nicht Bescheid gegeben hätte, wird...Verdammt, sie hatten nur einen demokratischer Tradition (bzw. etwas Dass ich nicht ganz allein mit meiner dass die Wahl vorbei ist und sie mit ihrem Job: diesen Mann zu verhindern!“ mehr als 80 Jahren, wenn man das kur- These dastehe, bestätigte ein Amerika- Wahlkampf für oder gegen Trump aufhö- Ich überlege gerade, wie er wohl über ze Intermezzo der Weimarer Republik ner, den ich vor wenigen Tagen zufällig ren können, da sie schon nicht kapiert ha- John F. Kennedys oder Bill Clintons Aben- hinzuzählt). Umso mehr, wenn ich mir an einer Bar in München traf. Er vereint ben, dass sie nicht mitwählen dürfen. Mit teuer geschrieben hätte. Wahrscheinlich zu Gemüte führe, dass diese Staatsform so ziemlich alles, was dieses immer noch halbwegs ausgewogener Berichterstat- gar nicht. Dafür umso mehr 1980 über bei der Gründung der Bundesrepublik großartige Land ausmacht. Sein Vater ist tung haben nur die wenigsten Artikel und einen bestimmten amerikanischen Film- von den alliierten Siegermächten dem Inder, seine Mutter in zweiter Generation Land aufgezwungen wurde, während im Russin und er ein waschechter „Chica- „Macht die Wahl Trumps auch Sie krank? östlichen Teil lediglich die Nazisymbole goans“, wie die Einwohner der „Windy denen der glorreichen Sowjetunion wei- City“ am Michigansee genannt werden. Antwort: Im Prinzip ja, aber noch mehr chen mussten und sonst alles mehr oder Der studierte Mitdreißiger ist viel in der minder beim Alten blieb. Eine Diktatur Welt herumgekommen und wie sich he- die Reaktionen darauf!“ ersetzte eine andere, und das war es. rausstellte überaus gut informiert – über In Ost wie in West mussten sich die die Grenzen hinaus, womit er zu einer Kommentare zu tun, wie ich es bei einem schauspieler. Vermutlich hätte er damals Menschen kaum Gedanken über ihre Zu- Minderheit im „Land der unbegrenzten ausgiebigen Streifzug durch die deutsche gefragt, wie es sein könne, dass ein zweit- kunft machen. Im Arbeiter- und Bauern- Möglichkeiten“ gehört. Als ich ihm von Presselandschaft feststellen durfte. Drei klassiger B-Movie-Star und abgetakelter staat nahm ihnen die Partei das Denken „meinem Kandidaten“ erzählt habe, war kleine Beispiele: Westernheld ins Weiße Haus zieht. Nicht ab und in der Bundesrepublik garantier- er hellauf begeistert und meinte „Du bist „Die Wahl Donald Trumps ist das Ende wenige seiner Kollegen von der „linken“ ten die Alliierten die Freiheit. Genauge- mein Mann! Bloomberg hätte die Wahl des Westens“, lautet die Überschrift bei Presse betitelten Ronald Reagan so oder nommen ist Deutschland eigentlich erst mit geschlossenen Augen haushoch ge- einem Facebook-Post meines „Lieblings- so ähnlich am Anfang seiner Präsident- seit der Wende und der Wiedervereini- wonnen. Aber leider haben seine Berater Israel-Mobbers“ . Für schaft. Aus heutiger Sicht gilt er als einer gung ein unabhängiges Land, das tun ihm eingeredet, dass er als unabhängiger ihn steht fest: „Nach dem Versagen der der besten Präsidenten der Vereinigten und lassen kann, was es möchte. Und was Bewerber keine Chance hätte. Was für liberalen Demokratie blüht uns nun ein Staaten, der entscheidend zum Ende des macht das Volk mit dieser Freiheit? Bei Vollidioten!“ autoritäres Zeitalter. Trump, Putin, Er- Kalten Krieges beigetragen hat, um nur der ersten wirklichen Krise pöbeln Linke Wegen fehlender Alternativen wählte dogan, Netanyahu, bald Le Pen – diese einen seiner Erfolge hier anzufügen. Nun, wie Rechte und unternehmen alles, um mein neugewonnener Freund Trump, Leute werden sich alle gut verstehen.“ ich bin kein Hellseher und werde es somit sie zu zerstören. Wenn ihnen das gelieb- da er Hillary am liebsten auf den Mond Was der Ministerpräsident der einzigen tunlichst vermeiden, irgendwelche Pro- te Vaterland tatsächlich am Herzen liegt, schießen würde. Wie die meisten der Demokratie des Nahen Ostens auf dieser gnosen über die bevorstehende Amtszeit sollten sie sich eher darüber Gedanken Trump-Wähler, die keinesfalls aus pu- Liste verloren hat, bleibt sein Geheimnis. von Donald Trump zu wagen. Wir werden machen, wie die geschenkte Demokratie rer Überzeugung, sondern aus Not ihre Offensichtlich ist nur, dass er nicht mal in es früh genug erfahren, ob er die Welt in in Deutschland erhalten bleibt, statt über Stimme für den „Hassprediger“, wie ihn diesem Zusammenhang darauf verzich- Schutt und Asche legt – wie es seine Geg- die USA herzuziehen und jeden plattzu- „liebevoll“ und sehr diplomatisch unser ten kann/will, Israel zu diffamieren. ner lauthals prophezeien – oder als Heils- machen, der ihrer Meinung widerspricht! № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU DEUTSCHLAND 19 Geteilte Stadt, geteilte Aufarbeitung Ein Gespräch mit Gerd Kühling über die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus in Berlin (Ost) und (West) Von Laura Külper kerung hatte wenig Inte- kämpfen mussten. Aber es gab natürlich resse daran, sich mit dem Personen, deren Wirken sehr beeindru- Die Aufarbeitung und der Umgang mit Thema und auch der ei- ckend ist. Ich denke da an Heinz Galin- der nationalsozialistischen Vergangen- genen Rolle während der ski, den langjährigen Vorsitzenden der heit in Ost und West ist und bleibt Streit- Zeit des Nationalsozia- Jüdischen Gemeinde West-Berlins. Oder thema unter Historikern, doch bietet lismus zu konfrontieren. Adolf Burg, der lange Vorsitzender eines gleichzeitig ein interessantes und vielfäl- In Ihrem Buch wid- Verbandes von NS-Verfolgten war. Auf tiges Forschungsgebiet. Dr. Gerd Küh- men Sie sich unter ande- ihn ging eine frühe Gedenktafel mit heb- ling widmete sich in seiner Dissertation rem dem Thema „Margi- räischem Schriftzug am ehemaligen De- „Erinnerung an nationalsozialistische nalisierung der jüdischen portationsbahnhof Grunewald zurück. Verbrechen in Berlin. Verfolgte des Drit- Opfer“, könnten Sie das Die Tafel wurde in den 1980er Jahren ten Reiches und geschichtspolitisches näher erklären? gestohlen, worauf der Senat ein ähnliches Engagement im Kalten Krieg 1945-1979“ Nach der Gründung Gedenkzeichen neu anbringen ließ. Wenn dieser Thematik. Die Buchvorstellung im der Bundesrepublik und man heute das Mahnmal Gleis 17 besucht, Herbst 2016 fand in der „Stiftung Topo- der DDR und mit der kann man diese Tafel noch finden. Sehr graphie des Terrors“ in Berlin statt und Zuspitzung des Kalten spannend fand ich auch die Recherchen nur wenige Tage später konnten wir in der Krieges gerieten die jü- zum Auschwitz-Überlebenden Joseph Redaktion der JÜDISCHEN RUND- dischen NS-Opfer noch Wulf. Er wollte bereits in den sechziger SCHAU ein Exemplar in den Händen weiter in den Hinter- Jahren im Haus der Wannsee-Konferenz halten und uns dieser komplexen The- grund als sie es zuvor ein Dokumentationszentrum einrichten, matik widmen. Doch wo es um komple- ohnehin schon waren. In scheiterte aber mit diesem Plan. Diese Ge- xe Themen geht, möchte man gern auch beiden deutschen Staa- schichte weiter auszuleuchten und dabei nachhaken. Daraus ergab sich ein infor- ten berief man sich zur auf die verschiedensten Akteure zu sto- matives und spannendes Interview mit Herrschaftslegitimie- ßen, die Wulfs Vorhaben verhinderten, hat Gerd Kühling, über Verdrängung, Erin- rung stattdessen auf den mich sehr beschäftigt. nerung, die Marginalisierung jüdischer Widerstand gegen Hit- Sie arbeiten in der Gedenk- und Bil- Opfer und gravierende Unterschiede bei ler. Die Erinnerung an dungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz der Aufarbeitung des Nationalsozialis- die Ermordung der Ju- und waren davor im Deutschen Histori- mus in Ost und West. den hätte da nur gestört. schen Museum beschäftigt. Woher rührt Auch stützte die Politik Ihr Interesse für Vermittlung historischer Wie fanden Sie zum Thema Ihrer Dis- die in der Mehrheitsbe- Fakten, die sich mit den Verbrechen des sertation? völkerung weitverbreite- Nationalsozialismus beschäftigen? Schon während meines Studiums te Wahrnehmung, nach Ich finde es überaus wichtig, Museums- habe ich mich sehr für die Entstehungs- welcher die Deutschen oder Gedenkstättenbesuchern zu verdeut- geschichte von Gedenkstätten und die selbst Opfer des Kriegs lichen, dass der Nationalsozialismus nur Auseinandersetzung mit dem National- gewesen seien. In West- funktionierte, weil so viele mitgemacht sozialismus in Deutschland nach 1945 den. Ich denke da zum Beispiel an die Berlin kam sogar ein ausgeprägtes Op- haben. Dafür mussten nicht alle überzeug- interessiert. In Berlin waren für mich ne- Hinrichtungsstätte in Plötzensee, für fernarrativ hinzu, da man sich als Opfer te Nationalsozialisten und ausgeprägte ben Täterorten wie der Gestapo-Zentrale die schon wenige Jahre nach dem Krieg des Stalinismus sah. Die um Neutralität Antisemiten sein. Es brauchte genügend in der einstigen Prinz-Albrecht-Straße erste Pläne für eine Gedenkstätte aufka- bemühte Jüdische Gemeinde geriet in Menschen, die um des eigenen Vorteils oder dem Haus der Wannsee-Konferenz men. Als dann in den Auseinanderset- diesem Klima zunehmend zwischen die Willens mit dem Strom schwammen und gerade ältere Gedenkorte interessant. zungen des Kalten Krieges der Umgang Fronten. Im September 1950 blieb sie aus Bequemlichkeit oder Gleichgültig- Genannt sei hier zum Beispiel der Ge- mit der NS-Vergangenheit zu einem der den berlinweiten Gedenkfeiern für die keit wegschauten und schwiegen, wenn denkstein für die Opfer des Nationalso- umstrittensten Themen wurde, wurden „Opfer des Faschismus“ sogar demonst- Unrecht geschah. Historische Bildung ist zialismus am Steinplatz in Charlotten- zahlreiche dieser Gefechte im geteilten rativ fern, um nicht für politische Zwecke somit auch ein wichtiger Schlüssel, um burg, der bereits 1953 errichtet wurde. Berlin ausgetragen. Auch beeinflusste missbraucht zu werden. gegenwärtige Entwicklungen besser zu Mich hat damals schon erstaunt, dass es die unmittelbare Nachbarschaft zum Welche massiven Unterschiede zeigten verstehen und kann dazu beitragen, un- zur Entstehung vieler Gedenkorte in der politischen Gegner den Umgang mit der sich bei der Erinnerung an NS-Verbre- demokratische Tendenzen schneller zu Stadt nur unzureichende Informationen NS-Vergangenheit. Jeder Staat wollte ge- chen in Ost und West? erkennen. gab. Auch spielten der Kalte Krieg und rade in Berlin zeigen, dass seine Form von In der DDR verengte sich das staatliche Wie sehen Sie den gegenwärtigen Stand die Teilung Berlins kaum eine Rolle. Ich „Vergangenheitsbewältigung“ die bessere Gedenken auf den kommunistischen Wi- in Sachen Aufarbeitung nationalsozialis- dachte mir, diese unausgesprochenen ist, um möglichst große Teile der Bevöl- derstand. Demgegenüber wurde in der tischer Verbrechen? Verbesserungswürdig Zusammenhänge müsse man einmal un- kerung in sein System zu integrieren. Bundesrepublik und in West-Berlin der oder ausreichend? tersuchen. Sie hatten von den NS-Verfolgten ge- militärische Widerstand des 20. Juli 1944 In den letzten Jahrzehnten ist in der Wie würden Sie die Sonderstellung sprochen. Wie groß war der Einfluss von zentral. Erst ab Ende der siebziger Jahre Gedenkpolitik und der zeithistorischen Berlins im Umgang mit der Aufarbeitung Überlebenden und Opfern? sollte es zu einer umfassenderen gesell- Forschung eine Menge geschehen. Mit nationalsozialistischer Verbrechen erklä- Tatsächlich war der Einfluss von Über- schaftlichen Auseinandersetzung mit der dem größeren zeitlichen Abstand ist ge- ren? lebenden groß. Schon früh ist mir bei Ermordung von sechs Millionen Juden rade die Täterforschung ein gutes Stück Da kommt eine Reihe von Faktoren meinen Recherchen aufgefallen, dass kommen. Bis dahin kämpfte in beiden vorangekommen. Abgeschlossen ist sie zusammen. Zunächst einmal befanden sich in den ersten Jahrzehnten nach deutschen Staaten allenfalls eine Minder- aber noch längst nicht. Gleiches gilt für sich in Berlin als der Hautstadt des „Drit- Kriegsende vor allem ehemals Verfolgte heit gegen das Vergessen, wobei jüdische die Anerkennung der verschiedenen ten Reiches“ zahlreiche Institutionen der für Erinnerungsfeiern und Gedenktage, Überlebende sehr aktiv waren. Auch hier Opfergruppen. So gibt es in Berlin zwar Verfolgung, Entrechtung und des Völ- Gedenkstätten und Denkmäler einsetz- gab es freilich Unterschiede zwischen mittlerweile über 7.000 Stolpersteine für kermordes, deren Geschichte nach 1945, ten. In Berlin waren ihre Organisationen West und Ost: Die Verfolgten-Organi- NS-Opfer. Es hat aber bis 2016 gedau- zumindest von einer Minderheit, immer stark vertreten. Zudem war die Jüdische sationen in der Bundesrepublik erhielten ert, das erstmals vier Stolpersteine für wieder ins Gedächtnis gerufen wurde. Gemeinde West-Berlins die zahlenmäßig keine Anweisungen von staatlicher Seite, die als „asozial“ Verfolgten verlegt wur- Zudem gab es viele Orte, an denen poli- größte in der Bundesrepublik, gleiches in der DDR wiesen ihre Aktivitäten da- den. Auch ein Denkmal für die Opfer tisch, rassistisch und religiös Verfolgte, galt für die Ost-Berliner Gemeinde in der gegen mehr oder weniger direkt auf die der NS-Lebensraumpolitik in Osteuropa die es in Berlin zahlreich gegeben hatte, DDR. Deren Engagement rief oft Ableh- Entscheidungsebene der Staatsführung steht noch immer aus. Spannend wird inhaftiert, gefoltert und ermordet wur- nung hervor, denn die Mehrheitsbevöl- zurück. Wenn in der DDR die NS-Juden- zudem sein, wann es endlich zur Ver- vernichtung thematisiert wurde, dann wirklichung des geplanten Gedenkortes hatte dies meistens propagandistischen am ehemaligen Deportationsbahnhof Die älteren Ausgaben der „Jüdischen Rundschau“ Charakter und war gegen die Bundesre- Moabit kommt. Mit Denkmälern alleine sind in der Redaktion erhältlich. publik gerichtet. Die Verantwortung für ist es natürlich nicht getan. Ich fände es die Verbrechen wurde einfach auf die sehr begrüßenswert, wenn die an diesen Wenn Sie eine oder mehrere Ausgaben brauchen, teilen Sie westdeutschen Eliten geschoben. Orten thematisierten Zusammenhänge Welche Charaktere und Geschichten stärker ins allgemeine Bewusstsein drin- uns bitte auf dem Postweg (J. B. O., Postfach 12 08 41, 10598 begeisterten Sie im Zuge Ihrer Recherchen gen und das Gedenken nicht einfach nur Berlin) mit, welche genau, an welche Adresse sie geschickt wer- am meisten? zum Ritual wird. Ich weiß nicht, ob es der Begriff „Be- den sollte und legen Sie bitte als Bezahlung Briefmarken zu je geistern“ in die richtigen Worte fasst. Die „Erinnerung an nationalsozialistische 70 Cent bei: deutsch-deutsche Auseinandersetzung Verbrechen in Berlin- Verfolgte des Drit- mit der NS-Vergangenheit war ja keines- ten Reiches und geschichtspolitisches En- • Für eine Ausgabe – 3 Briefmarken; wegs eine Erfolgsgeschichte, wenn man gagement im Kalten Krieg 1945–1979“ • Jede weitere Ausgabe – eine zusätzliche Briefmarke. sich anschaut, gegen welche Widerstän- erschien im Sommer 2016 im Metropol de und Ablehnung viele Überlebende Verlag. 20 DEUTSCHLAND № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Neues zum „Fall Christoph Glanz alias Ben Kushka “aus Oldenburg Ein Interview mit Sara Rihl (SPD) und Rolf Woltersdorf (DIG) Von Stefan Frank keine Konsequenzen hat, weil die GEW sie „zionistisch“ sagen. Mitglieder der Woltersdorf: Manchmal wird erwähnt, Oldenburg ja wieder umgeschwenkt ist: Deutsch-Israelischen Gesellschaft Ol- dass Glanz Antisemitismus vorgeworfen Sara Rihl ist Studentin und Ratsfrau der Nachdem sie schon einmal gesagt hatten denburg werden pauschal als „Zionisten“ wird. Bei den Lokalblättern – mit der SPD in Oldenburg. Sie wurde von Chris- „Lasst uns damit in Ruhe, ihr habt alle bezeichnet. Der Widerstand, den es sonst Ausnahme von Alexander Will – ist die toph Glanz und dessen Anwalt, Ratsherr Schaum vorm Mund“, haben sie dann ge- noch gegen BDS gibt – der ja weit über Parteinahme für Glanz schon sehr deut- Hans-Henning Adler (Die Linke), ver- sagt „Wir entschuldigen uns dafür, wird die DIG Oldenburg hinausgeht –, wird lich. klagt, weil sie Glanz einen „bekannten nie wieder vorkommen, wir wussten gar ignoriert. Sind Sie beide insgesamt zufrieden da- Antisemiten“ genannt hatte. Eine Ent- nicht, was BDS ist“. Dann haben sie wieder JÜDISCHE RUNDSCHAU: Sie re- mit, wie die Debatte läuft, und mit dem scheidung in dieser Sache steht noch aus. einen Schwenk gemacht und die Erklärung den lieber über Personen als über Argu- Maß an Öffentlichkeit, das erzeugt wor- Rolf Woltersdorf ist Mitglied des Vor- wieder aus dem Netz genommen. Mittler- mente. den ist? stands der Deutsch-Israelischen Gesell- weile ist offensichtlich, dass die Mehrheit Woltersdorf: Genau. Es wird gar nicht Rihl: Von der Nordwest-Zeitung hät- schaft Oldenburg. der Oldenburger GEW Glanz unterstützt. zu Inhalten Stellung genommen, son- te ich mir eine andere Berichterstattung JÜDISCHE RUNDSCHAU: Frau Sie sagen es zwar nicht öffentlich, aber es dern gesagt: Das kommt aus der und der gewünscht, aber nun scheint es besser zu Rihl, was motiviert sie, im Rechtsstreit Ecke. Nachdem Benjamin werden. Kürzlich hat der Lokalredak- mit Christoph Glanz nicht aufzugeben, Weinthal, der Europa-Kor- teur zum ersten Mal auf eine Pressemit- sondern sich gegen Antisemitismus einzu- respondent der „Jerusalem teilung von mir hin geantwortet und setzen, notfalls auch vor Gericht? Post“, Christoph Glanz ge- sogar Zitate daraus veröffentlicht. Es Rihl: Ich finde, das Thema ist sehr wich- fragt hatte, warum er bei wurde auch zum ersten Mal geschrie- tig, und es wird gern außenvorgelassen. seinen öffentlichen Auftrit- ben, dass das erste Gerichtsurteil gegen Viele Leute in der Politik äußern sich am ten ein jüdisch klingendes mich kein inhaltliches, sondern ein for- liebsten gar nicht dazu. Ich habe mit 15 Pseudonym („Christopher males war. bei den Jusos angefangen, Antisemitis- Svenja Grebener / FACEBOOK Ben Kushka“) benutze, hat Woltersdorf: Die erste Meldung der mus und Israel wurden schnell wichtige Glanz, statt zu antworten, NWZ zum Prozess hatte gelautet: Themen für mich. Der „AK Antifa“ der einen „Brief an Benjamin „Glanz kein Antisemit“. Das war eine Jusos München, dessen Sprecherin ich als Weinthal“ im Netz veröf- Pressemitteilung von Glanz selbst, die Schülerin war, hat sich viel mit Antisemi- fentlicht, in dem Rolf Verle- die NWZ wortwörtlich übernommen tismus und israel-bezogenem Antisemi- ger ihm vorwirft, Weinthals hat, das wurde auch nie richtiggestellt. tismus befasst. Die Jusos sind auch über Antrieb sei doch das Geld: Rihl: Vielleicht wird die Berichter- das Willy-Brandt-Center in Jerusalem Er würde angeblich für jede stattung ja jetzt etwas neutraler. mit Israel verbunden. In Tel Aviv bin ich Veranstaltung, die ausfällt, Was ist mit den überregionalen Me- auch persönlich mit vielen Menschen be- eine Prämie bekommen. dien? freundet. Außerdem, und das ist Woltersdorf: Da hätte mehr berich- Was war Ihre Reaktion, als Sie das Sch- noch ärger, würde Weinthal tet werden können. Die „taz“ hat zwar reiben von Glanz’ Anwalt (dem „Linke“- ja auch noch „von woanders Benjamin Weinthal zu Wort kommen Ratsherrn Hans-Henning Adler) beka- Sara Rihl her“ Geld bekommen, als nur lassen, dann aber einen Artikel veröf- men? von der „Jerusalem Post“. Es fentlicht, in dem das Thema Antisemi- Rihl: Ich habe mich zuerst sehr erschro- ist ganz deutlich zu merken, auch an den geht also mal wieder um eine Verschwö- tismus ins Lächerliche gezogen wurde, cken. Ich habe das gelesen, als ich in der Reaktionen der Einzelnen, wenn man sich rung: Der Jude will nur Geld und außer- als „das böse A-Wort“. Und Weinthals Vorlesung saß. Ich musste erst mal rausge- mit ihnen auseinandersetzt. Einzelne dem steckt irgendwas Dunkles dahinter. Kommentar wurde von der „taz“ unter hen, weil ich gar nicht wusste, was das für Vorstandsmitglieder der Oldenburger Antisemitismus trifft linken Materialis- der Überschrift „Alles Antisemiten“ mich heißt. Glücklicherweise habe ich in GEW halten zudem die Website „Elect- mus. gebracht! Auf Weinthals Kommentar der SPD sehr gute Freunde, die auch gute ronic Intifada“ für eine objektive Infor- Woltersdorf: Ja, dass wir, die wir gegen folgte eine Replik von Rolf Verleger. Kontakte haben, wenn es um Juristisches mationsquelle, das sagt einiges. In den BDS sind, andere als eigennützige, ma- Dass sie versucht, Antisemitismus lä- geht. Einige beobachten Glanz’ Aktivitäten letzten Wochen und Monaten habe ich terielle Motive haben könnten, wird uns cherlich zu machen, ist ein generelles schon seit langem. in Gesprächen mitbekommen, dass sie nicht zugestanden. Problem bei der „taz“. Was die anderen Haben Sie Rückhalt in der SPD und an sagen: Der Herr Glanz ist doch ein ganz Sie sagten, in der Nordwest-Zeitung Zeitungen betrifft, so hätte man ange- der Uni, an der Sie studieren? sichts des Antisemitismus-Skandals Rihl: Ja, in der Partei habe ich Unterstüt- an der Uni Hildesheim und der Tatsa- zung. Der Oldenburger SPD-Vorsitzende Mittlerweile ist offensichtlich, dass die Mehr- che, dass Samuel Salzborn an der Uni hat sich öffentlich klar auf meine Seite Göttingen abgesägt wird, dafür aber gestellt, andere unterstützen mich bei Re- heit der Oldenburger GEW Glanz die „Nakba“-Ausstellung kommt, mehr cherchen. Es gibt aber auch Leute, die sich Reaktionen über das, was in Oldenburg nicht äußern wollen. Einer gab mir den unterstützt. Sie sagen es zwar nicht öffentlich, passiert, erwarten können – denn das Ratschlag, als Politikerin solle ich mich we- zeigt ja, dass das Thema eine Relevanz der zu Israel noch zu den Kurden äußern, aber es ist ganz deutlich zu merken. hat, über Oldenburg hinaus. weil man da angeblich nur in Fettnäpfchen In Israel hat das Thema hohe Wellen treten könne. An der Uni hat der AStA eine netter Lehrer. Sie haben ja auch die Er- gebe es zwei Fraktionen. Was ist mit der geschlagen. Nicht nur die englischspra- Resolution verfasst, die sagt, dass die BDS- klärung herausgegeben, die in der NWZ anderen? chige „Jerusalem Post“, sondern auch Bewegung antisemitisch ist. zitiert wurde, in der sie sich voll und Woltersdorf: Es gibt noch den Redak- „Israel Hayom“, die größte Zeitung des Einige CDU-Politiker, mit denen ich ganz hinter Glanz stellen – nur in Bezug teur Alexander Will, der zu BDS kla- Landes, die in Israel auf den Straßen sprach, wollen sich nicht zu dem Fall äu- auf ihn als Lehrer zwar, dass er so „enga- re Worte findet. In einem Kommentar kostenlos verteilt wird, hat berichtet. ßern. Die Grünen haben auf meine An- giert“ sei, doch vor dem Hintergrund der schrieb er: „Gespenstisch: Im Jahre 2016 Woltersdorf: Ich bin sehr froh darü- fragen nicht mal geantwortet. Haben Sie BDS-Affäre ist das ein deutliches Wort diskutiert man in Deutschland allen ber, dass durch die Artikel der „Jerusa- Verständnis für so ein Verhalten? pro Glanz. BDS wird nicht verurteilt. Ernstes, ob eine Bewegung, die den Staat lem Post“ das ganze Thema überhaupt Rihl: Viele setzen sich nicht mit Anti- Ist das Corpsgeist? Israel abschaffen will, antisemitisch ist. erst öffentlich geworden ist. Vorher semitismus auseinander, weil sie denken, Woltersdorf: So scheint es, aber auch Wie anders soll man es nennen, wenn der haben wir Proteste veranstaltet gegen dass er sie nicht betrifft. Ich finde, dass man inhaltlich scheint die Linie pro BDS in einzige Ort, an dem Juden im Ernstfall die Reklameveranstaltungen für BDS, eine Grundposition haben sollte. Wenn das der Oldenburger GEW mehr Befürwor- sicher sind, durch die Hintertür zerstört die Christoph Glanz mit seinem BDS- ein wichtiges Lokalthema ist und man sich ter zu finden als die dagegen. Dass die werden soll?“ Dazu hat er den Göttinger Freund Ronnie Barkan in Oldenburg komplett weigert, sich damit zu beschäfti- Landes-GEW sich klar dagegen ausge- Antisemitismusforscher Samuel Salz- durchführen wollte. Damit fing ja al- gen, dann finde ich das – eher schwierig. Es sprochen hat, hat offenbar keine Aus- born interviewt. Sobald es aber in den les an; erst wollte er in der Evangeli- muss ja nicht jeder Einzelne tun, aber in je- wirkungen. Lokalteil geht, ist die Berichterstattung schen Studentengemeinde auftreten, der Fraktion sollte es jemanden geben, der Wie ist die Berichterstattung in der eine völlig andere. Da wird Christoph dann in Räumen der Stadt. Beides sich damit auseinandersetzt. Lokalzeitung, der „Nordwest-Zeitung“? Glanz immer als „Israelkritiker“ bezeich- haben wir zwar mit unseren Protesten Herr Woltersdorf, viele haben sich in Woltersdorf: Es ist auffällig, dass es dort net – als ob man den Apartheidsvorwurf verhindert, doch eine öffentliche Re- den letzten Wochen zu der Affäre Glanz zwei Fraktionen gibt: Im Lokalteil kom- u.ä. als „Kritik“ ansehen könnte. Auch sonanz gab es zu der Zeit nicht. Dann geäußert, u.a. der Oldenburger Oberbür- men diverse Unterstützer von Glanz zu die „Neue Osnabrücker Zeitung“ hat ei- hat Benjamin Weinthal in der „Jeru- germeister Jürgen Krogmann (SPD), die Wort – Rolf Verleger beispielsweise –, nen Artikel gebracht, in dem Glanz aus- salem Post“ das Thema aufgegriffen, ehemalige Präsidentin des Zentralrats die ganz klar mit ihm gemeinsame Sache führlich zu Wort kommt. Auffällig bei als es um die GEW-Zeitung ging. Seit- der Juden in Deutschland, Charlotte Kno- machen. Von denen gibt es reihenweise vielen Berichten ist, dass Glanz oft das dem reagieren die Leute, seitdem pas- bloch, und der GEW-Landesvorstand. Leserbriefe: Sie haben eine Kampagne ge- letzte Wort hat – am Ende des Artikels siert was. Nehmen wir das Verfahren Was war Ihnen besonders wichtig? startet gegen die „zionistische Hexenjagd“. darf er sagen, dass er kein Antisemit sei, der Schulbehörde gegen Glanz: Nur, Woltersdorf: Die Äußerungen des GEW- Echt? alles bloß „Israelkritik“. weil Benjamin Weinthal so hartnäckig Landesvorstands waren auf jeden Fall sehr Woltersdorf: Ja, Kritik ist bei denen Vielleicht trauen sich die Zeitungen nachgefragt und Artikel geschrieben wichtig, was die GEW angeht. Wobei mitt- nicht nur Kritik, sondern immer gleich nicht, irgendjemanden einen Antisemiten hat, ist das überhaupt in Gang gekom- lerweile der Eindruck entsteht, dass das eine „Hexenjagd“ und dazu müssen zu nennen? men. № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU DEUTSCHLAND 21 Die DIG bittet zum Tanz 30 Jahre Jugendforum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Von Dr. Nikoline Hansen

Wer hätte das vor 30 Jahren bei der Grün- dung des Jungen Forums der Deutsch- Israelischen Gesellschaft in Bonn ge- dacht, dass die Jubiläumsfeier eine tolle Party in einem der angesagtesten Clubs in Berlin werden würde? Diese Vision hatten die damaligen Gründer in Bonn sicher nicht vor Augen. Und doch, sie wurde wahr: Am 12. November stieg die Party im „The Pearl“ mit koscherem Catering, koscherem Wein und einem israelischen Diskjockey. Organisiert hatte das Ereignis ein junges Team um Mike Delberg, der dann auch kurzwei- lig moderierend durch den Abend führ- te – denn vor der Party kamen die Erin- nerung und die Reden. Unter den Rednern waren neben dem Bundesvorsitzenden des Jungen Tibor Luckenbach Mike Delberg Forums Tibor Luckenbach, der auf den wachsenden Erfolg des Jungen Forums durch die bundesweite Gründung neu- er Hochschulgruppen hinwies, Jochen Feilcke, Vorsitzender der Arbeitsge- meinschaft Berlin-Potsdam, der wie immer betonte, dass sein ganzes En- gagement der Freundschaft zu Israel diene und er es sich zum Ziel gesetzt habe, noch während seiner Amtszeit die Mitgliederzahl der Berliner Ge- sellschaft auf über tausend zu steigern sowie Maya Zehden, stellvertretende Vorsitzende in Berlin und Mitglied des bundesweiten Präsidiums. In ih- rer Rede, in der sie auch die Gründung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft vor fünfzig Jahren erwähnte, deren Geschichte auf der Webseite der Berli- ner Arbeitsgemeinschaft nachzulesen ist, ging sie insbesondere auch auf das Problem ein, dass Israel seit dem Liban- onkrieg 1985 immer kritischer gesehen wird: „Dabei fällt auf, dass eigentlich we- nig gewürdigt wird, welche Leistungen Maya Zehden Team Junges Forum Israel vollbracht hat und vollbringt: 500.000 Juden lebten vor der Staats- gründung in Palästina und waren da- mals schon ständig bedroht von ihren arabischen Nachbarn. 1948 gewannen sie trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit am Tag der Staatsgründung den Krieg, der ihnen von den umliegenden arabi- schen Ländern erklärten worden war. Anschließend integrierten sie rund 850.000 Juden, die aus den arabischen Ländern vertriebenen wurden und dort alles zurücklassen mussten. Gemein- sam mit den Überlebenden der Schoah, trotz aller kulturellen Unterschiede, ge- lang es den ihnen, ein modernes funkti- onierendes Staatswesen zu schaffen. Auch die im Land verbliebenen Ara- ber wurden nicht wie in den umlie- genden arabischen Ländern in Lager gesteckt, wo sie heute noch leben, von der Weltgemeinschaft finanziert und Jochen Feilcke Yakov Hadas-Handelsman von ihrer Führung als Aggressionspo- tential gegen Israel benutzt. Araber in Selbstmordattentäter gezahlt werden. lischen Gesellschaft und insbesondere setzt werden kann. Meggie wäre sicher Israel haben die israelische Staatsange- Dagegen setzt die Deutsch-Israelische auch der jungen Leute für Israel sehr zu zufrieden gewesen, hätte sie das Enga- hörigkeit und machen inzwischen 20% Gesellschaft klare Zeichen, indem sie schätzen wisse. gement und die Leidenschaft, mit der der Bevölkerung aus. Dass sie sich ab- sich ohne Wenn und Aber für Israel en- Eine der damaligen Gründerinnen junge Menschen heute für Israel ein- gehängt fühlen, ist ein Problem, an dem gagiert – dem einzigen Land im Nahen des Jugendforums, Meggie Jahn, konn- treten, noch erleben dürfen. Spaß muss das Land dringend arbeiten muss.“ Osten, in dem die Demokratie und der te leider nicht mehr dabei sein. Sie war dabei sein – schließlich ist Tel Aviv wie Weiter ging sie auf die unverhält- Rechtsstaat funktionieren, sodass auch nach dem Umzug der Bundesregie- Berlin eine Stadt, in der das Leben tobt nismäßige finanzielle Unterstützung Minderheiten geschützt werden. rung von Bonn nach Berlin viele Jahre und gerne Party gemacht wird – sie hat der „Palästinenser“ durch die Welt- Ehe die Party losging empfingen die stellvertretende Vorsitzende der Ar- dabei den Vorteil eines wunderbaren gemeinschaft ein, mit der nicht nur Gäste noch einen Überraschungsgast: beitsgemeinschaft Berlin-Potsdam und Strands direkt am Mittelmeer. Die Par- ein verhältnismäßig bequemes Leben Israels Botschafter Yakov Hadas-Han- organisierte nicht nur regelmäßig Ver- ty war aber auch im kühlen Berlin bei ermöglicht, sondern auch Propagan- delsman ließ es sich nicht nehmen, die anstaltungen, sondern auch die Reisen Novemberwetter das richtige Angebot da und Hass auf den „zionistischen Party persönlich zu besuchen. Dabei nach Israel mit großem Engagement. um Werbung für das kleine Land am Feind“ geschürt wird – nicht zuletzt betonte er, dass Israel auf Solidarität So konnte sie viele Menschen für das Mittelmeer zu machen, wie die vielen durch den sogenannten Märtyrerfond, und Freundschaft angewiesen ist und Land begeistern. Maya Zehden ist es zu begeisterten Gäste bewiesen. Es wurde aus dem Renten an Hinterbliebene der er das Engagement der Deutsch-Israe- verdanken, dass diese Tradition fortge- getanzt und gefeiert. Mazel tov! 22 DEUTSCHLAND № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Wer definiert „Hass“? Volker Kauders Ruf nach Internet-Anstandsregeln ist ohne eine Beschneidung der Meinungsfreiheit nicht umsetzbar Von Roger Letsch Falsche Versprechungen sind auch eine Art der Lüge und die Kunst, durch Wenn ich morgens beim ersten Kaffee Auslassungen, Verharmlosungen oder meine Mails lese und erfahre, ich sei ein Übertreibungen um des Pudels wahren unerträglicher „Linksintellektueller Kern zu kreisen, beherrschten Politiker Rechtspopulist“ (wörtlich) und hätte aller Zeiten. Sind die Medien der Hort

sowieso keine Ahnung von gar nichts JOHN MACDOUGALL / AFP der Wahrheit? Doch dort müsste man und solle mich verdammt noch mal zunächst mal die „seriösen“ von den schämen oder besser gleich erschießen, „unseriösen“ unterscheiden. Die Regen- schwindet meine Aufmerksamkeit sehr bogenpresse jammert ja auch, weil sie schnell. Persönliche Angriffe auf die- das Monopol auf Gerücht und Intrige sem Niveau bringen mich weder dazu, verloren hat. Es löste sich in der Mas- meine Meinung zu ändern, noch em- se der sozialen Netzwerke auf. Und die pört zu antworten. Das ignoriere ich „seriösen“ Medien? Sehr wahrscheinlich und denke höchstens kurz „Was für ein hat es niemals eine Zeitung oder ein Ma- Vollidiot“. gazin gegeben, das „nur die Wahrheit“ Es ist davon auszugehen, dass Politi- berichtet. Denn es sind immer noch ker, die schon von Berufs wegen ein di- Menschen, die die Artikel schreiben ckeres Fell haben sollten, welches ihnen und es ist verdammt schwer, Nachricht im Laufe ihrer durchschnittlich langen von Meinung zu trennen – der Artikel, Parteikarriere schon ordentlich gegerbt den Sie gerade lesen, besteht zu großen wurde, ebenso denken. Frau Merkel Teilen aus subjektiver Meinung, die zu wird mit den meisten Beschimpfungen hinterfragen Ihre Aufgabe als Leser ist. sicherlich nicht einmal persönlich kon- „Meinung“ ist nun mal deutlich för- frontiert, weil Sicherheitsdienst und derlicher für das Ego eines Autors, als Pressereferent das Schlimmste wegfil- das sachliche Vortragen von Wasser- tern. Beschimpfungen, die persönlich standsmeldungen. Außerdem zwingen und verbal sogar gewalttätig werden, wirtschaftliche Abhängigkeiten die Me- kann sie also getrost ignorieren und das dien häufig zu einem gewissen Opportu- tut sie ja auch. Werden sie schlimmer nismus. Wir hatten in Deutschland die oder verlassen sogar die verbale Ebene, Chance, zumindest diesen Opportunis- kümmert sich die Polizei oder der Ver- mus für unsere GEZ-finanzierten Me- fassungsschutz um die Wütenden. So dien zurückzudrängen, worin wir leider wird aus Protest und Ohnmacht auf der vollkommen versagt haben, weil wir es einen Seite Strafrecht und Staatsmacht, zuließen, dass sich im öffentlich-recht- und je dunkler diese Seite durch ihren lichen Fernsehen ein starker politischer Hass erscheint, umso heller und mar- Opportunismus entwickeln konnte. ginaler erscheint ein Rechtsbruch auf Wenn Volker Kauder über die Lüge der anderen Seite. Meine Großmutter spricht, die er verbieten möchte, hat er würde es kürzer sagen: „Wer schreit, als Quelle der Wahrheit natürlich sich hat unrecht“. Eine Maxime, die zwar und die Regierung im Sinn. Viele Be- falsch ist, das friedliche Zusammenle- strebungen der Politik gehen in diese ben in Familien oder Schulklassen aber Richtung. Wenn etwa der Justizminis- recht gut regelt. Laut werden bringt Volker Kauder ter Maas einen steuerfinanzierten Ver- also nichts, brüllen schon gar nichts. ein wie die Amadeu-Antonio-Stiftung Hasstiraden auf Facebook und Galgen auf den neudeutschen Begriff „Hate- von Sarkasmus zu unterscheiden und mit der Netz-Inquisition beauftragt, auf Pegida-Demos noch weniger. Soll speech“, was dediziert auf die sozialen vielleicht auch noch Wahrheit von Lüge sind Interessenkonflikte vorprogram- man sich also mit „der Klügere gibt Medien Facebook und Twitter abzielt. – das werden Algorithmen nie zuver- miert. Papst Gregor IX. beauftragte im nach“ aus dem Streit zurückziehen? Hassen darf man also noch, solange die lässig hinbekommen. Das werden die 13. Jahrhundert den Dominikaneror- Dann gewönne in der Praxis aber stets Öffentlichkeit davon nichts erfährt – Nutzer auch künftig selbst tun müssen. den mit der Verfolgung von Häresien der Dumme, was auch keine gute Idee und schon gar nicht unsere Politiker! Was uns zu zwei weiteren Problemen und machte die Ordensmitglieder so sein kann. zu „domini canes“, den „Hunden des Die Regenbogenpresse jammert ja auch, Herrn“ – des Herrn Papstes, versteht Kritik, Ironie, Beleidigung, sich! Die Parallelen sind erschreckend, Hass weil sie das Monopol auf Gerücht und auch wenn heute keine Scheiterhaufen Menschen beleidigen andere Men- brennen. Die Grenzen zwischen dem schen, das ist kein neues Phänomen. Intrige verloren hat. berechtigten Kampf gegen Gewaltauf- Idealerweise ist der Beleidigte persön- rufe und Cyber-Mobbing einerseits und lich nicht mal anwesend, wenn über ihn CDU-Urgestein Volker Kauder der „Netzzensur“ bringt. Möchte man der Diffamierung Andersdenkender auf beim Ältestenrat unter der Dorflinde, schrieb für MSN-Nachrichten einen im Internet Recht so durchsetzen, wie der anderen Seite sind fließend. Die Ver- am Stammtisch oder in deftiger Prosa Artikel mit der Überschrift „Wenn im täglichen Leben auch, muss vor der suchung ist groß, durch clevere Definiti- einer Toilettenschmiererei hergezogen das Netz weiter lügt, ist mit Freiheit Verurteilung verhandelt werden, weil on des Begriffes „Hass“ den politischen wurde. Schon die Wände von Pom- Schluss“, in dem er die Betreiber der Rechtsprechung anderenfalls Willkür Gegner gleich mit zu erledigen. Staat- peij waren voll von Schmierereien und sozialen Medien der Pflichtverletzung ist. Es müsste Einspruchsmöglichkei- lich angeordnete Meinungslenkung war Beleidigungen. Im Fall einer direkten bezichtigt. „Hatespeech“ müsse viel ten und Fristen geben. Ebenso Gegen- konstitutionell für Nazideutschland und Konfrontation half Jahrhunderte lang konsequenter verfolgt und gelöscht darstellungen und Schadensersatz im auch für die DDR – beides Systeme, nach das Duell zur Regulierung von Beleidi- werden und man solle auch gleich noch Fall von Fehlurteilen. Das System, wel- deren Werten wir nicht streben sollten. gung und „Ehrabschneidung“, was aber Lügen herausfiltern und unterdrücken. ches man für all das errichten müsste, heute verboten ist – vermutlich, weil Ich glaube jedoch, dass Facebook und ist schlicht unbezahlbar. Zudem gibt Woher kommt nur einige Menschen (ich eingeschlossen) Twitter mit dieser Aufgabe vollkom- es ja auch Bestrebungen, die Währung, all der Hass her? vor lauter Duellen zu nichts anderem men überfordert sind. Würde Face- mit der wir alle bei Facebook und ande- Früher versuchte die Politik, die Bevöl- mehr Zeit hätten. Heute genügt ein book zum Beispiel alle Forderung von ren Plattformen bezahlen, weiter einzu- kerung zu erreichen. Heute versucht der kleines @ vor einem Twitter-Namen Volker Kauder erfüllen, müssten wohl schränken und zu verknappen: unsere Politiker, den Wähler zu erreichen und für eine schallende Ohrfeige, die man hunderttausende Mitarbeiter die Aber- Daten! Auch hier gibt es berechtigte zu diesem Zweck verfolgt er ihn überall noch dazu anonym auf die Reise schi- millionen Einträge, die Tag für Tag Interessen, diesmal der Aspekt des Da- hin. Es gibt keine politikfreien Räume cken kann. hinzukommen, manuell prüfen. Man tenschutzes. Dinge teurer machen und mehr, spätestens seit Guido Westerwelle Sie ahnen es, liebe Leserinnen und versucht es mit Algorithmen, die aber gleichzeitig die Geldmenge verkleinern in den Big-Brother-Container zog. Wie Leser, es geht um Hass. Hass würde eher schlecht als recht funktionieren. – das führt zwangsläufig zum System- selbstverständlich nahmen die Politi- unsere Bundesregierung gern abschaf- Sie erinnern sich sicher noch an die kollaps. ker die sozialen Medien als Chance und fen oder doch zumindest verbieten. Da kurzfristige Löschung eines berühm- Das zweite Problem der von Kauder Einladung dazu wahr, ihre Versprechen aber jedem klar ist, dass Hass zunächst ten Fotos der Zeitgeschichte, auf dem geforderten Netzzensur ist seine Idee, noch in den letzten Winkel der privaten einmal nichts anderes als ein Gefühl ein nacktes Mädchen, ein Napalm-Op- die Lüge als solche auszumerzen. Dazu Lebensäußerung zu tragen. Die kontro- ist, das der Liebe diametral gegenüber- fer im Vietnamkrieg, zu sehen ist. Da müsste man nämlich zunächst mal fest- versesten Debatten fanden noch vor we- steht und schon deshalb nicht verbo- hatte sich ein Algorithmus leider geirrt. legen, wo die Wahrheit zu Hause ist. In nigen Jahren in den Parlamenten statt. ten werden kann, kapriziert man sich Hass von mieser Laune oder Pöbeleien der Politik? Im Bundestag vielleicht? Meinungen und Weltanschauungen № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU DEUTSCHLAND 23 prallten dort ungebremst aufeinander, und vorher selbst die Kriterien für diese Müssen Politiker vor der Meinung der te ich für eine Utopie. Die Forderung, Konsens gab es nur in sehr wenigen The- Einteilung definiert? Bevölkerung geschützt werden und gilt Betreiber von sozialen Medien müss- men. Die Stammtischpöbeleien von vor Existiert die Meinungsfreiheit noch, das nicht auch anders herum? ten dort eine Art „Safe-Space“ schaffen, 30 Jahren waren am Morgen danach ver- wenn ein Islamkritiker wie Imad Karim ist nichts als der Traum vom Paradies, gessen, bei Facebook und Twitter kann bei Facebook alle paar Tage gesperrt Fazit in dem Lamm und Löwe gemeinsam man am „Morgen danach“ haarklein wird, Seiten wie „Deutsche Hausmusli- Sehr geehrter Herr Kauder, ich muss Ih- als Veganer auf einer Wiese leben. Es nachlesen, wer sich wieder danebenbe- me“ ihre Drohungen jedoch ungestraft rer Aussage „Wenn das Netz weiter lügt, wird nicht funktionieren, denn das, was nommen hat. und anonym kübelweise über sogenann- ist mit Freiheit Schluss“, widersprechen. man da zu verbieten versucht, sind die ten Islam-Dissidenten ausschütten dür- Das Netz lügt nicht, Herr Kauder, leider Nebenwirkungen, die schon immer im Wenn es gefährlich wird… fen und wäre das Netz „gerechter“, wenn sind aber Lügner und Hetzer im Netz „Kleingedruckten der Packungsbeilage“ Am Anfang war das Wort. Aber bekannt- es andersherum wäre? unterwegs. Einige davon kennen Sie des Internet zu finden waren. Es nützt lich blieb es nicht dabei. Nur allzu oft Ist die Aussage von Claudia Roth, der vielleicht sogar persönlich, also reden Sie ja auch nichts, Bankräubern und braven wird es zur bösen Tat. Ich vermute, die Bürgern das Benutzen derselben Straßen Politik stürzt sich auch deshalb so vehe- zu verbieten. Wir sollten stattdessen die ment auf die Zensur der sozialen Medi- Die Versuchung ist groß, durch clevere Grenze zwischen Cyber-Space und der en, weil man da juristisch kaum Erfolge realen Welt besser schützen, damit eini- und Misserfolge erzielen kann und man Definition des Begriffes „Hass“ den politi- ge der schrecklichsten Auswüchse des gleichzeitig nur gegen Worte kämpfen Hasses diese Grenze nicht mehr so leicht muss. Man kann sich in den Kampf ge- schen Gegner gleich mit zu erledigen. übertreten können. gen den Hass stürzen und viel heiße Luft Dazu sollte die Politik in der Lage sein, erzeugen ohne dass man dem Feind je Herr möge „Hirn vom Himmel werfen“ mit ihnen, ohne Kamera bitte! Ihre Aus- weil das Volk genau dafür ein Mandat er- ins blutunterlaufene Auge blicken muss. und damit die gegen sie pöbelnden De- sage, mit der Freiheit sei bald Schluss, teilt hat. Um Kriminelle, auch um die im Erfolgskontrolle? Schwierig! monstranten treffen, legitimer als eine wenn das Lügen nicht aufhöre, klingt Internet, müssen sich Polizei und Justiz Anders sieht es aber aus, wenn der wütende und unsachliche Antwort auf in meinen Ohren wie eine Drohung an kümmern. Das können sie auch schaf- Hass die Grenzen der virtuellen Welt eine der naiven Talkshow-Aussagen die- die Freiheit. Die Vorstellung, das Netz fen, wenn man sie entsprechend ausstat- überschreitet und sich im Alltag mani- ser Politikerin? von „Hassrede“ säubern zu können, hal- ten würde. festiert. Getrieben von Lügen und Ge- rüchten, Falschmeldungen und Hass- kampagnen – auch im Netz – aber mit handfesten Konsequenzen als in der Welt der Bits und Bytes. Polizei und Justiz tun sich beispielsweise unend- lich schwer im Kampf gegen den An- tisemitismus, wie er sich etwa in der BDS-Kampagne zeigt, oder wenn auf Pro-Hamas-Demos „Juden ins Gas“ skandiert wird. Der Islamismus zum Beispiel mag seine geistigen Opfer über das Internet einfangen, die eigentliche Radikalisierungen jedoch findet im Kreis Gleichgesinnter statt, ganz tradi- tionell in Wohnungen, Moscheen oder Vereinen und weit weg von Facebook und Twitter. Der Hass, der sich dann zeigt, braucht kein Internet mehr. Und er sucht sich seine Opfer in der realen Welt. Ein Verbot von Hass im Internet genügt nicht, um in der realen Welt den Geist zurück in die Flasche zu bekom- men. Social Networker aller Länder, artikuliert euch! Ich bin Realist, deshalb glaube ich, dass man Hate-Speech im Netz nicht wirk- sam verbieten oder abschalten kann, ohne dass man dadurch die Meinungs- freiheit gleich mit abschaffen würde. Es ist frustrierend, aber ich muss mir einge- stehen, dass auch ich keine Patentrezep- te habe. Statt Antworten habe ich immer nur noch mehr Fragen: Unser Service für Sie Wo beginnt Hass und wo endet die Religionsfreiheit? Gregory’s Joaillier am Kurfürstendamm zeichnet sich nicht nur durch innovatives Design unter der Verwendung edelster Soll man einem Salafisten im Namen der Schmucksteine aus. Eine Besonderheit ist die haus-interne Werkstatt mit Goldschmied und Steinfasser, die vor Ort Religionsfreiheit Mordaufrufe an Juden individuell auf Kundenwünsche eingehen können. Exklusive Sonderanfertigungen oder das sensible Umarbeiten von altem und Christen erlauben, weil das gewis- Schmuck wird hier professionell und mit größter Sorgfalt erledigt. Sowohl Fasser als auch Goldschmied können jahrelange sermaßen zum Markenkern seines Re- Erfahrung und Expertise vorweisen und arbeiten auf höchstem Niveau. ligionsverständnisses gehört, während man einen Christen für einen Hasskom- mentar sperren darf, weil Feindesliebe Umarbeiten Unikate Reparaturen und Reinigung seine religiöse Pflicht ist? Ist die Aussage von Gerd Wilders, „we- Geliebter alter Schmuck hat oft einen Entweder wählen Sie eines der Ein Standard-Service für unsere Kunden: niger Marokkaner“ in die Niederlande starken emotionalen Wert, entspricht bereits fertigen Unikate von Gregory’s kleine Reparaturen und regelmäßige zu lassen, Ausdruck von unzulässigem manchmal aber nicht mehr dem Joaillier oder aber Sie bringen einen Reinigung Ihres vielgetragenen Schmucks Populismus, während die Aussage „mehr eigenen Geschmack. Gregory’s Joaillier eigenen Entwurf mit. Gemeinsam mit gehören zum Standard-Repertoire. Marokkaner“ ins Land zu lassen, straf- hilft Ihnen ein neues Lieblingsstück dem Inhaber Gregroy Loeb wird die Selbstverständlich sind wir durch unsere frei bleiben muss? daraus zu machen, ohne dass es den Auswahl der Materialien und Steine hauseigene Werkstatt in der glücklichen Ist Hass gesellschaftlich ungesund, ursprünglichen Charakter verliert. sowie die Umsetzung besprochen. Lage Ihre Schmuckstücke selbst zu Hass auf die Hassenden jedoch in Ord- Von kleinen Änderungen bis hin zur Leidenschaftlich gerne designt reparieren. Gerne stehen wir Ihnen nung? kompletten Neufassung von Steinen Gregory’s Joaillier beratend zur Verfügung und machen Ihnen Gilt das Gebot der Toleranz auch für und Umnutzung des Trägermaterials einen unverbindlichen Kostenvoranschlag. Menschen, die sich meinen persönlichen erstrahlen die antike Kette oder ein alter politischen und religiösen Überzeugungen Ring in neuem Glanz. gegenüber als absolut intolerant erweisen? Kann man wirklich noch von Mei- Kurfürstendamm 50A 10707 Berlin nungsfreiheit sprechen, wenn eine staat- lich finanzierte Privatorganisation wie Tel.030 88917555 [email protected] die Amadeu-Antonio-Stiftung die Ein- www.gregorysjoaillier.com teilung in richtig und falsch vornimmt 24 DEUTSCHLAND № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Der Kampf um das Etikett der „neuen Juden“ Bei der Suche nach den „neuen Juden“ wird vergessen, dass die Verfolgung der „alten“ Juden noch immer andauert Von Melissa Kaiser schutz benötigen, wird bereitwillig außenvorgelassen. Ihre Gedankenwelt Niemand möchte gerne Opfer sein, verbietet es, dass Menschen jüdischer schon gar nicht in dem Ausmaß wie es Herkunft auch heute noch massivste Juden zur Zeit der Nationalsozialisten Diskriminierung und Ausgrenzung waren. Allerdings liefern sich Cartoo- erfahren. nisten, Talkshows oder Internet-Nut- Ein gewichtiger Grund für diese ver- WIKIPEDIA zer in den Kommentarspalten welt- zerrte Wahrnehmung dürfte in Vor- weit eine wahre Schlammschlacht, bildern wie Jürgen Todenhöfer oder wenn es darum geht die „neuen Juden“ Dieter Dehm zu finden sein. Gerade der Gesellschaft zu deklarieren. Dabei Letzterer betonte auf einer Anti-NA- meinen sie nicht selten auch ihre ei- TO-Demonstration, der Begriff des gene Person. Dass Juden niemals ein Antisemitismus müsse dem Massen- Ende ihrer Verfolgung erlebt haben mord an den Juden vorbehalten blei- und Synagogen oder andere jüdische ben. Diese Aussage erntete nicht über- Einrichtungen permanenten Polizei- raschend leidenschaftliche Jubelrufe der Demonstranten. Virtuelle Jubelru- fe werden dagegen dem selbsternann- ten Koran- und Nahostexperten Todenhöfer zuteil, der auf seiner Face- bookseite Islamis- ten und Judenfein- den eine Plattform des Austauschs bie- tet, indem er unter anderem Israel das Label „Besatzungs- macht“ aufdrückt. Entgegen seiner Behauptungen, Is- rael müsse als Land respektiert werden, Musikproduzent, Liedermacher und Politiker Diether Dehm . etablierte vor allem er mit seiner Reich- die Arme der Menschen, die dieses werden. Muslime dienen unter die- weite die Umschrei- Etikett bereitwillig an sich oder ande- sen Umständen daher als Objekt und bung der Muslime re Nichtjuden verteilen. Woran liegt Instrument, um das antisemitische als „die neuen Ju- das? Vielen Menschen ist schlicht und Weltbild ohne befürchtete verbale den“ in der deut- ergreifend bewusst, dass Diskriminie- Sanktionen ausleben zu können. Ge- schen Gesellschaft. rung nicht nur dann existiert, wenn sie rade deshalb sollten sich auch Musli- In Kooperation mit mit der Verfolgung der Juden durch die me gegen die genannten böswilligen Xavier Naidoo ver- Nationalsozialisten gleichzusetzen ist. Absichten wehren. Denn diese stehen öffentlichte er den Dennoch gibt es nicht wenige Perso- keineswegs in Verbindung mit Groß- Song „Nie mehr nen, die genau darin ein probates, ge- herzigkeit oder Empathie. Krieg“, der konkret sellschaftlich anerkanntes und daher Sicherlich möchte man glauben, vom „neuen Juden- unschuldiges Mittel zur Relativierung dass es Menschen, welche derartigen stern“ sprach und des Antisemitismus entdecken. Ziel ist „Etikettenschwindel“ praktizieren, an das Bild der Mus- es, Juden aus einer phantasierten Vor- Feinsinnig- und Gewissenhaftigkeit lime mit Juden- machtstellung zu verdrängen und ande- mangelt, um den zugrundeliegenden stern zementierte. re Personengruppen, die aus vielfältigs- Relativierungsversuch erkennen zu Fleischgewordener ten Gründen eine höhere Sympathie können. Tatsächlich aber treffen hier Traum der beiden bei den Betroffenen genießen, an deren manipulative Absichten auf ein allzu dürfte dabei die Stelle zu setzen. Gerade diese erdachte bereitwilliges Publikum. Aktivistin Rose Vormachtstellung ist Teil des Weltbil- Dieses gilt es soweit als möglich auf- Hamid verkörpern, welche als Muslima mit Judenstern auf Das Etikett der „neuen Juden“ ist vor der Brust Anfang 2016 gegen Trump allem bei Antisemiten heißbegehrt. protestierte. Dabei wurde sie aus der des, wonach Juden die Welt und auch zuklären und die Ausbreitung dieser betreffenden Veran- die Medienlandschaft durch das Auf - gefährlichen Umdeutung aufzuhalten staltung verbannt, rechterhalten des Schoah-Gedenkens oder im besten Falle zu verhindern. woraufhin sie sich beherrschen. Daher sind dieses Welt- Es ist fatal, dass diese zu einem neuen bei dem Fernseh- bild und seine Auslebung ohne Euphe- Volkssport gedeiht und der Kampf ge- sender CNN als mismus als antisemitisch einzustufen. gen diese Art von Antisemitismus auch Opfer inszenierte Wenn es „neue Juden“ gäbe oder bei selbsternannten „Antifaschisten“ und darauf verwies, diese gefunden wären, so dürfte und entweder ignoriert, als Bestandteil lediglich die Angst könnte es kaum Beachtung der „alten von Sonntagsreden geheuchelt oder vor Muslimen neh- Juden“ mehr geben. Dieses Etikett ist gar fortgesetzt wird. Es gibt keine neu- men zu wollen. ergo der verschleierte Versuch einen en Juden. Der Kampf gegen Antise- Das Etikett der Schlussstrich unter das Gedenken der mitismus ist nicht vorbei. Und gerade „neuen Juden“ ist ermordeten Juden zu ziehen, indem deshalb darf die Beschreibung „neue vor allem bei An- diese keine Mahnung mehr für den Juden“ nicht als vermeintlich schickes tisemiten heißbe- heutigen Antisemitismus sein dürften. Accessoire derjenigen vor sich herge- gehrt. Weltweit Lebende Juden sind mit ihren Proble- tragen und verliehen werden, welche werden unzählige men unter dieser Prämisse quasi aus- sich einbilden besonders viel aus der Personengruppen radiert. Wer Muslimen einen „Juden- Geschichte gelernt zu haben. unterdrückt oder stern“ anheftet, der ist weder Freund Liebe Todenhöfers dieser Welt: Be- schlecht behan- der Juden noch der Muslime, da diese herzigt das, denn ihr stellt einen ge- delt, doch nicht in diesem Szenario nur als Kollektiv wichtigen Teil des geschilderten Pro- jeder wirft sich in existieren und daher entmenschlicht blems dar! № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU DEUTSCHLAND 25 Über den Mut in der Politik Ein Gespräch des Historikers Michael Wolffsohn über sein Buch „Zivilcourage“ mit dem Publizisten Gerhard Haase-Hindenberg In seinem Buch „Zivilcourage“ geht der jüdische Historiker Michael Wolffsohn mit dem Staat hart ins Gericht, der „sei- ne Bürger im Stich“ lasse – so der Unter- WIKIPEDIA titel. Viel wurde in den letzten Wochen darüber geschrieben und Wolffsohn hat zahlreiche Interviews gegeben. Unser Autor Gerhard Haase-Hindenberg hat einige der im Buch verwendeten Begriff- lichkeiten aus jüdischer Sicht hinterfragt. Herausgekommen ist ein Gespräch auf Augenhöhe. Zivilcourage Herr Prof. Wolffsohn, sind wir uns darin einig, dass die Deutung dieses Begriffes abhängig ist von den gesellschaftlichen Umständen, in denen er gebraucht wird? Immerhin verdankten in der Nazizeit al- lein in Berlin 1.700 Juden ihr Überleben der Zivilcourage nicht-jüdischer Nach- barn, Kollegen und Freunde. Sie haben völlig Recht. Anders als die meisten Anderen, die heute diesen Begriff gebrauchen, ist für Sie Zivilcourage mit Widerstand gleichzusetzen. Nur so ist Zivilcourage gemeint und zu verstehen. Im heutigen Deutschland verwechseln die meisten Widerspruch mit Widerstand und nennen den Widerspruch Zivilcou- rage. Das ist ebenso widersinnig wie un- sinnig. Zivilcourage, wörtlich übersetzt „Bürgermut“ hat eine politische und mo- ralische Dimension. Beide gehören zu- sammen. Staatsversagen Sie beschreiben den Fall eines Attentä- ters in einem französischen Zug, der von Der Münchner Professor Michael Wolffsohn sechs beherzt zugreifenden Fahrgästen vom Anschlag abgehalten werden konn- Klischee dient die Vokabel „Nazi“ als Verharmlo- Inwiefern kann man da bereits von Si- te. In diesem Zusammenhang zitieren Sie Sie haben zwei Beispiele gewählt. Einer- sung des Islamischen Terrors. tuationen „am Rande des Bürgerkriegs“ Brecht, der Galilei sagen lässt „Unglück- seits der Anschlag auf die Synagoge in sprechen? lich das Land, das Helden nötig hat“. Bert Düsseldorf, als Bundeskanzler Schröder Abendländisches Der deutsche Jude, Politiker und Unter- Brecht verwendet diesen Satz aber in ei- den Ermittlungen vorausgreifend von ei- jüdisch-christliches Erbe nehmer, Walther Rathenau, hat ein Buch nem gänzlich anderen Zusammenhang, nem rechtsradikalen Anschlag ausging. Sie schreiben zu diesem gehöre die Miz- mit dem Titel geschrieben „Von kommen- nämlich als „heldenhaften“ Widerspruch Ein Irrtum wie sich bald zeigte. Auch der wa „Liebe den Fremdling wie dich selbst“. den Dingen“. Der Volksmund kennt – dank gegen die Obrigkeit. deutsche Botschafter in Israel sprach bei Tatsächlich kannte der Jude Jeschua von der Hebräischen Bibel – den Ausdruck Wieder haben Sie Recht. Womit wir „Zeichen an der Wand“. Heinrich Heine wieder bei der politischen Dimension von hat dazu das grandiose Gedicht „Belsa- Zivilcourage sind. Also kein Widerspruch. W enn Juden heute in Deutschland zar“ geschrieben. Auch ohne mit der Bibel Die Frage steht, ob es jemals einen oder Heine auch nur annähernd wetteifern Staat geben kann, der seine Bürger so angegriffen werden, liegt natürlich zu können, ist es möglich, jene Zeichen an weit zu schützen in der Lage ist, dass er der Wand zu erkennen und zu benennen, selbst einem allein agierenden Selbst- der Reflex nahe: Das waren Nazis die Sie erwähnen. mordattentäter rechtzeitig erkennen und eliminieren kann? Oder anders dem körperlichen Angriff auf Rabbi Alter Nazareth dieses Gebot aus dem dritten Nationalstaat ausgedrückt, ob der geschilderte Fall von der Kontinuität nationalsozialistisch- Buch Moses und verwendete es laut christ- Sie machen auch schon in Ihrem Buch tatsächlich ein geeignetes Beispiel für deutscher Geschichte, obgleich bekannt licher Bibel in seiner Bergpredigt. Das aber „Zum Weltfrieden“ das Festhalten am Staatsversagen ist? war, dass es sich um islamistische Täter war nicht im Abendland. Im Abendland ist starren Nationalstaaten-Prinzip für vie- Darum geht es nicht. Es geht darum, handelte. Sie schreiben: „Wer Klischees die christliche Tradition ja gerade dadurch le Kriege und regionale Konflikte ver- dass der Seinsgrund eines jeden Staates für Diagnose hält, wird gesellschaftliche geprägt, dass sie zumindest gegenüber antwortlich. Stattdessen fordern Sie ein die Sicherheit seiner Bürger nach innen und politische Krankheiten nicht heilen, den Juden über Jahrhunderte nur wenig radikales Umdenken – weg von traditi- und außen ist. Für die Innen-Sicherheit weil ein Klischee und als Klischee ist je- Liebe verspürte. Worin also besteht Ihrer onellen Staatenmodellen hin zu födera- ist die Polizei zuständig, für die Außen- des Klischee falsch. Nie gibt es die Wirk- Ansicht nach das „abendländisch jüdisch- tiven Systemen. Haben Sie Verständnis, Sicherheit die Bundeswehr. Die Defizite lichkeit wieder, es spiegelt eine falsche christliche Erbe“? dass ich solche Überlegungen als Euro- sind bekannt. Auch die Gründe. Gesell- vor.“ Soweit, so gut. Dann aber heißt es Gegen diese inhaltslose Phrase, die ja erst in päer sympathisch, als Jude hingegen in schaft, Politik, Wissenschaft und Medi- bei Ihnen: „Und doch hat fast jedes Kli- den 1950er Jahren als Wiedergutmachung in Bezug auf Israel als bedrohlich empfin- en Deutschlands, auch anderer Staaten schee, auch dieses, seinen Ursprung in Mode kam, schreibe ich seit Jahrzehnten an. de? Westeuropas verträumten und versäum- der Wirklichkeit.“ Wie lässt sich dieser Die in Ihrer Frage enthaltene Skepsis ist abso- Einerseits habe ich dafür Verständnis, ten die Wirklichkeit. Sie wähnten sich Satz an den obigen Beispielen erklären? lut berechtigt. Sie betrifft allerdings mehr ein andererseits nicht. Wie wäre es mit Lessings nach innen und außen sicher. Nun wa- Hoffentlich erinnert sich jeder daran, Problem der Kirche: Ihr ist Jesus abhanden- Nathan der Weise: „Sind Christ und Jude chen sie auf. Seit langem waren Polizei dass – gar nicht so lange her – Juden in gekommen. Anders formuliert: Erst wenn die eher Christ und Jude als Mensch?“ Das Ju- und Bundeswehr nicht so beliebt wie jetzt. Deutschland ihres Lebens nicht sicher Kirche im Geiste Jesu bzw. jesuanisch spricht dentum will bzw. soll „Licht für die Völker“ Wenn der Staat aber Zivilcourage einfor- waren. Diplomatisch ausgedrückt. Wenn und handelt, wird sie christlich. sein. Das heißt auch: Es gibt nur ein Licht. dert – und das geschieht – dann fordert Juden heute in Deutschland angegriffen Dasselbe für Juden und Nichtjuden. Die er einerseits zum Widerstand gegen sich werden, liegt natürlich der Reflex nahe: Bürgerkrieg von mir beschriebenen föderativen Struk- selbst auf. Das ist absurd. Darüber hinaus Das waren Nazis. Die lieben uns Juden Sie sprechen in Deutschland ange- turen würden Frieden bringen. Juden und macht er seine Aufgabe – Sicherheit – zur bekanntlich auch gegenwärtig und künf- sichts vielerlei Faktoren (Untergang Nichtjuden gleichermaßen. „Und wenn ihr Gemeinschaftsaufgabe. Damit entledigt tig nicht, aber wer „Nazi“ sagt, um Ara- des Ostblocks, Massenwanderung wollt, ist es kein Märchen.“ er sich seiner Verantwortung. Ich bin ber oder andere Muslime nicht als Täter u.a.) von „bürgerkriegsreifen oder sich nicht bereit, den Staat aus seiner Verant- zu benennen, ist unwillig und unfähig, am Rande des Bürgerkriegs entwickel- wortung für die Sicherheit seiner Bürger Täter zu erkennen, zu bestrafen und ihre te Situationen“. Noch aber sind die Michael Wolffsohn: zu entlassen. Nicht Bürgermut ist gegen Taten zu verhindern. Es ist wie im Stra- Anschläge von Paris die Tat einzelner „Zivilcourage – Wie der Staat seine Unsicherheit gefragt, sondern der Mut des ßenverkehr: Wer nur nach hinten schaut, Terroristen und die rassistische Pegi- Bürger im Stich lässt“ Staates zu sich selbst – für uns Bürger. verursacht vorne einen Unfall. So gesehen, da-Bewegung eine absolute Minorität. 94 Seiten, dtv, 7.80 € 26 ISRAEL № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Trump hat gewonnen – was sagen „die Siedler“? Stimmen zum amerikanischen Wahlausgang aus Judäa und Samaria Von Chaya Tal

Donald Trump hat die US-Wahlen 2016 gewonnen, er wird voraussicht- lich der 45.Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein, und das nach einem Wahlsieg mit einer deutlichen Jil Cohen-Magen / AFP Mehrheit (279 Wahlstimmen) gegen- über seiner Hauptkonkurrentin Hillary Clinton (228 Wahlstimmen). Und jetzt kommt die spannende Frage: Was sagen „die Siedler“ zu dem Wahlsieg Trumps? Nun, ich bin keine Expertin im Fach der Politikanalyse, ich kann nur die öffentliche Meinung wiedergeben, wo ich sie zu hören und zu sehen bekom- me. Verlassen wir uns also erst einmal darauf und schauen uns die ersten Re- aktionen aus der Siedlerbewegung und ihrer Unterstützer/innen an. Die offiziellen Vertreter sehen den Sieg Trumps eindeutig als Gewinn für die Siedlerbewegung aufgrund der wiederholten Ankündigung sei- nerseits, den jüdischen Bau in Judäa und Samaria zu unterstützen, gegen die Anti-Siedler-Hetze vorzugehen und der Errichtung eines Palästinen- serstaates entgegenzuwirken. So wird die Unterstützung Trumps für das Be- siedlungsprojekt beispielsweise von seinem Berater David Friedman in ei- nem Artikel der „Jerusalem Post“ bei einem Treffen mit Delegierten aus der Regionalverwaltung von Judäa und Sa- maria eindrucksvoll erklärt; ebenso in einem Interview mit der „Daily Mail“, Abgeordneter Yehuda Glick (Likud): Ich wünsche ihm, auf den Tempelberg zu steigen und von diesem Ort des Lichts und der Energie aus der ganzen Welt einen in welchem sich Trump gegen einen Dialog der Aussöhnung und des Friedens anzubieten. Siedlungsstopp ausspricht und dies mit der Bedrohung für Israel durch Terror- dazu ein Judäa und Samaria zu besu- Heim), Mitglied im Sicherheitsaus- Unterstützung zugesagt hat, und des- gruppen wie Hamas begründet. chen und mit seinen Augen zu sehen, schuss, gratulierte kurz: sen Hauptberater David Friedman vor Erziehungsminister Naftali Bennett dass die Besiedlung dieses Gebiets der „Lasst uns hoffen und beten, dass es unseren Augen nicht nur von seinem (Jüdisches Heim) gratulierte dem neu- Weg zum Frieden ist.“ für die Vereinigten Staaten und auch Glauben an die jüdischen Rechte in gewählten Präsidenten, dankte formal Abgeordneter Betzalel Smotritch für Israel gut sein wird. Wir werden zur Judäa und Samaria, sondern auch von Hillary Clintons für ihre Freundschaft (Jüdisches Heim), stellvertretender Verantwortung gerufen sein, auf dass der Unterstützung der Annektierung zu Israel und kommentierte mit folgen- Knessetsprecher, vermeldete: Präsident Obama Israel in den letzten dieser Gebiete zum Staatsgebiet Israels den Worten: „Es ist beschlossen. Der gewaltige Monaten seiner Regierungszeit keinen gesprochen hat. (…) Ich lade Trump „Der Sieg Trumps ist eine gewaltige Umschwung, der heute die Vereinigten Schaden zufügt. Und danach wird – so dazu ein, uns in Samaria, dem Herzen Gelegenheit für Israel bekanntzuma- Staaten erfasst hat, ist eine beschlosse- Gott will – alles offen sein für strategi- des jüdischen Volkes und des Staates chen, dass es die Idee eines palästinen- ne Tatsache. Eines muss klar sein – die sche Beziehungen zwischen Israel und Israel, zu besuchen.“ (Quelle: INN, sischen Staates im Herzen des Landes Idee der Zweistaatenlösung hat man den USA, auch in Bezug auf unsere D.Ha’ivri) zurücknimmt, welche eine Verletzung auf der Stelle ins Archiv zu befördern. ewigliche Zukunft und die Stärkung Im September 2016 traf er sich wäh- unserer Sicherheit und unseres Wahr- Die Regierung der USA wurde abgelöst unserer Präsenz in Judäa und Israel. rend der Wahlkampagnen zusammen heitsanspruches darstellt. Dies ent- und mit ihr gilt es auch, den furchtba- Guten Morgen USA. Guten Morgen mit einer Delegation aus der Regio- spricht den Ansichten des gewählten ren Baustopp, zu welchem die israeli- Israel.“ nalverwaltung mit Donald Trump; bei Präsidenten in seinen Erklärungen und sche Regierung durch das vorherige Yossi Dagan, Vorsitzender der Regi- diesem Treffen sicherte Trump ihnen sollte selbstverständlich auch unsere Regime gezwungen worden war, durch onalverwaltung von Judäa und Sama- die Unterstützung für den Bau in Judäa Ansicht sein. Einfach, klar und deut- einen Aufschwung der Bauaktivitäten ria, vermerkte in den ersten Stunden und Samaria zu. lich. Die Ära des Palästinenserstaates Yochai Damari, Vorsitzender der Re- ist vorbei. “ (INN, Facebook) gionalverwaltung Südhevronberge, er- Abgeordneter Yehuda Glick (Likud), E s ist nicht nur ein Festtag für die USA, klärte: der führende Aktivist für die Öffnung „(…) Ich hoffe, dass diese staatliche des Tempelberges und der dort befind- sondern auch für Israel und die jüdische Umwälzung zu einer Revolution auf lichen jüdischen heiligen Stätten für der Bewusstseins- und Praxisebene jüdische Gläubige, selbst in Otni’el in Besiedlung von Judäa und Samaria. in der Einstellung gegenüber der jüdi- Südhevron wohnhaft, veröffentlichte schen Besiedlung Judäas und Samarias folgende Stellungnahme: (in Judäa und Samaria) abzulösen. Ich kurz auf seiner Facebookseite: „Zeit zu führen wird – die Anerkennung dessen „Es scheint, als ob Donald Trump der rufe den Premierminister und die ge- bauen“, in Anlehnung an den Vers aus wird eine Möglichkeit zu einem wirkli- neue Präsident der Vereinigten Staaten samte Regierung dazu auf, hinter dem Ecclesiastes 3 („Es gibt eine Zeit zum chen Frieden öffnen. (…) Die schweren wird. Es wird deutlich, dass dem ame- Siedlungsprojekt in Judäa und Samaria Durchbrechen und eine Zeit zu bau- Tage mit Obama in Bezug auf die Be- rikanischen Volk die Heuchelei und zu stehen, Baupläne und den Bau von en“). In seiner ausführlichen Stellung- siedlung sind vorbei. Wenn wir es jetzt Political Correctness anstatt Geradli- neuen Städten und Dörfern voranzu- nahme verdeutlichte er: schaffen werden, diese Angelegenheit nigkeit leid geworden ist. Ich übersen- treiben und den Schandfleck zu entfer- „Es ist nicht nur ein Festtag für die klug und erfolgreich anzugehen, so gibt de Herrn Trump meine Glückwünsche nen, den die vorherige amerikanische USA, sondern auch für Israel und die es die Chance auf eine neue Realität für aus Jerusalem. ‚Möge Gott dein Anlitz Regierung dem Siedlungsprojekt als jüdische Besiedlung von Judäa und Sa- die Besiedlung und für den Staat Israel erleuchten und dir Gnade erweisen; ‚Friedenshindernis‘ aufgesetzt hat. Die maria. Wir haben einen wahren Freund als solches.“ möge Gott dir Sein Antlitz zuwenden Besiedlung von Jerusalem, Judäa und erhalten. Während der Wahlkampagne Nadia Matar und Yehudit Katzover, und dir Frieden geben (4.Buch Moses, Samaria, ebenso wie das gesamte zio- habe ich offen meine Unterstützung für Vorsitzende der Bewegung „Women in 6, 22ff.)‘. Ich wünsche ihm, auf den nistische Projekt, ist ein historisches Trump bekundet, denn dies war eine Green“ für die jüdische Besiedlung von Tempelberg zu steigen und von diesem Recht und unsere moralische Verpflich- wichtige Stunde für das Siedlungspro- Judäa und Samaria, veröffentlichten die Ort des Lichts und der Energie aus der tung ist es, diese zu stärken, und das in jekt, für Samaria, das hiermit einen folgende Pressemeldung: ganzen Welt einen Dialog der Aussöh- Zusammenarbeit mit dem gewählten israel-liebenden Präsident bekommt, „Durch ihre Stimme für Sie, hat das nung und des Friedens anzubieten. Ich Präsidenten.“ der die Besiedlung Samarias stärkt. amerikanische Volk sein nüchternes lade ihn auf seiner Reise nach Israel Abgeordneter Motti Jogev (Jüdisches Einen Präsidenten, der sowohl seine und gutes Urteilsvermögen bewiesen, № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU ISRAEL 27 in seinem Streben nach den ameri- kanischen Prinzipien von Gerechtig- keit, Ethik, nach biblischen Werten und der starken Haltung gegenüber internationalem Terror und der Ach- se des Bösen, sowie in der Loyalität gegenüber den Vorreitern der Wahr- heit. (…) Wir glauben an das Poten- tial des Wandels, welchen Sie in der amerikanischen Politik erwirken wollen, um die Kräfte des Lichts in der ganzen Welt im Allgemeinen und im Nahen Osten im Besonderen zu stärken. Wir basieren unsere Zuver- sicht auf Ihre langwierige Position zur Unterstützung des Staates Israel und des jüdischen Volkes; ebenso wie Ihr Versprechen, die amerikanische Bot- schaft nach Jerusalem, die Hauptstadt Israels, zu verlagern. Dasselbe gilt für den Wandel innerhalb des republika- nischen Lagers, welcher (unserer) Re- gierung einen Schwung geben könn- te, um die ersehnte Entscheidung zu treffen, eine Entscheidung, die mit dem ethischen Geist der Thora, mit dem Sicherheitsverständnis und der Wahrheit kompatibel ist – die Erklä- rung der israelischen staatlichen Sou- veränität über das Gebiet von Judäa und Samaria, die Wiege des Heimat- landes des jüdischen Volkes.“ Rabbiner Shlomo Riskin, Rabbi- Jil Cohen-Magen / AFP ner der Bezirksverwaltung Efrat im Erziehungsminister Naftali Bennett: Der Sieg Trumps ist eine gewaltige Gelegenheit für Israel bekannt bekanntzumachen, dass es die Idee eines palästinensischen Gusch Etzion, und bekannt für sei- Staates im Herzen des Landes zurücknimmt, welche eine Verletzung unserer Sicherheit und unseres Wahrheitsanspruches darstellt. nen Einsatz für interreligiöse Begeg- nungen, beglückwünschte Trump und Israel festhalten sollte. Obama verhielt richten, seine Unterstützung der Sied- ihre Wahlversprechen bezüglich Isra- bezeichnete den Wahlsieg als den „Sieg sich herablassend gegenüber unserem lerbewegung und seine exzentrischen els nicht immer hielten, bringt manche der einfachen amerikanischen Bürger, Premierminister und das können wir Politanalysen im israelischen Radio, dazu, Trumps Wahl mit Skepsis zu be- und einen Sieg für das Volk Israel, so- ihm nicht verzeihen. Trump hatte sich gab vor den Wahlen bekannt, bei einem trachten und nicht in den Freudentau- wohl für die Juden in Amerika als auch gänzlich anders ausgesprochen und er- Sieg Trumps würde er 100.000 Schekel mel miteinzustimmen. Vor allem ist der in Israel selbst. Der einfache Amerika- wähnte sogar die Notwendigkeit, die an die jüdische Gemeinde in Hevron Wahlausgang ein wiederholter Grund, ner mag keine Heuchelei und legt gro- amerikanische Botschaft nach Jerusa- spenden. Heute äußerte er bei Kanal sich auf die Verse der jüdischen heili- ßen Wert auf Gleichberechtigung und lem zu verlegen, und daher setze ich 7, der Scheck solle innerhalb von 48 gen Schriften zu besinnen, die so cha- Demokratie, in welcher ein jeder dem viele Hoffnungen in ihn.“ Stunden auf das Konto der Gemeinde rakteristisch die Dilemmata gegenüber anderen gleichgestellt wird.“ Der Anwalt und Radiosprecher Yo- übergehen: der Entscheidungen der Politiker und Was den Bau in Judäa und Samaria ram Sheftel, bekannt für seine kon- „Noch nie habe ich mich so wohl da- ihrer Konsequenzen darstellen: angeht, so erklärte er: troverse Rolle als Anwalt des Nazi- bei gefühlt, um 100.000 Schekel ärmer „Wie Wasserbäche ist das Herz eines „Präsident Obama war der erste, der Kriegsverbrechers John Demjanjuk in zu werden.“ (INN) Königs in der Hand von Gott, Er lenkt die großen Siedlungsblöcke, die wir den 80ern (bei einem Säureanschlag Was die öffentliche Meinung betrifft, es, wie es ihm gefällt.“ (Sprüche 21), hier aufgebaut haben, nicht respek- auf ihn im Zuge der Verhandlungen so bewegt sich diese zwischen Gewin- oder auch der bekannteste davon: „Vie- nertaumel und Zuversicht, aber auch le Gedanken weilen im Herzen eines Furcht. Zum einen ist man glücklich, Menschen und der Rat Gottes wird (am dass die Bedrohung der Zukunft der Ende) zur Wirklichkeit werden.“ (Sprü- jüdischen Gemeinden in Judäa und che 19) Samaria mit der Nicht-Wahl Hillary Wie sich die Politik des neuen Präsi- Clintons offenbar gänzlich vom Tisch denten in Zusammenarbeit (oder auch gefegt worden ist – diese war durch- nicht) mit dem Kongress und dem Senat gehend eine Unterstützerin der Zwei- auf Israel und speziell auf die Realität der Staaten-Lösung. Auch ist die Freude Bevölkerung in Judäa und Samaria aus- groß, dass man dem „linken Lager“, wirken wird, können wir jetzt zunächst der „Elite“, wie sie häufig genannt wird, einmal nicht wissen. Auch ich blicke mit Donald Trump eins „auswischen“ mit Skepsis, und doch mit Zuversicht konnte – angesichts der offenen Par- auf die bevorstehenden Veränderungen. teinahme der größeren israelischen Zum einen, weil ich mich dabei nur um Medienkanäle und Berichterstatter für die Zukunft meines Landes und meiner Clinton und der Favoritisierung Clin- Bevölkerung sorgen muss und daher in tons im linken politischen Lager eine keinen Interessenskonflikt mit der Sor- verbreitete Ansichtsweise, nicht unbe- ge um die Zukunft der US-Amerikaner dingt nur im „Siedlerlager“. kommen muss. Zum anderen, weil es Zum anderen hat das Gerücht von nach der Obama-Regierung tatsächlich Trump als einem „unberechenbaren eines Wandels bedarf, den Hillary Clin- Wüterich“ auch hier die Runde ge- ton offenbar nicht bieten konnte. macht; auch die schlechte Erfahrung Auf gut Glück also, und mazal tov, mit ehemaligen US-Präsidenten, die Mr.President Elect!

Die älteren Ausgaben der „Jüdischen Rundschau“ sind in der Redaktion erhältlich. Wenn Sie eine oder mehrere Ausgaben brauchen, teilen Sie uns bitte auf dem Postweg (J. B. O., Postfach 12 08 41, 10598 WIKIPEDIA Berlin) mit, welche genau, an welche Adresse sie geschickt wer- Abgeordneter Motti Jogev: Lasst uns hoffen und beten, dass es für Potential des Wandels, welchen Sie in der amerikanischen Politik erwirken wollen, um die Kräfte des Lichts in der ganzen Welt im Allgemeinen den sollte und legen Sie bitte als Bezahlung Briefmarken zu je und im Nahen Osten im Besonderen zu stärken. 70 Cent bei: tiert hatte. Alle anderen Präsidenten wurde Sheftel nachhaltig verletzt) und • Für eine Ausgabe – 3 Briefmarken; stimmten dem zu, dass man an diesen seine Verteidigung von Angeklagten • Jede weitere Ausgabe – eine zusätzliche Briefmarke. aus Sicherheitsbedenken für den Staat schweren Grades vor israelischen Ge- 28 ISRAEL № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU „Hatespeech“ anlässlich der Großbrände in Israel Hass und Schadenfreude nicht zuletzt auch in deutschsprachigen sozialen Medien Von Alex Feuerherdt / Audiatur Exklusiv

Seit Tagen wüten im jüdischen Staat großflächige Feuer und richten verhee- rende Zerstörungen an. Einige israeli- sche Medien und Politiker vermuten, dass ein Teil der Brände absichtlich gelegt wurde – aus politischen Grün- den. Andere wiederum sehen keine neue Form des Terrors. In den sozialen Netzwerken freuen sich derweil Hun- derttausende über die Katastrophe. Allmählich können die meisten der rund 75.000 Menschen, die wegen rie- siger Brände ihre Wohnungen in Haifa verlassen mussten – das ist mehr als ein Viertel der Bevölkerung dieser israeli- schen Stadt –, wieder in ihre Domizile zurückkehren. Die Feuerwehr, die seit Tagen ununterbrochen mit mehreren hundert Einsatzkräften die Flammen bekämpft, hatte in gleich elf Stadtvier- teln die Bewohner evakuiert, weil die Gefahr bestand, dass die Feuer auf de- ren Häuser übergreifen. Dem Bürger- meister von Haifa, Yona Yahav, zufolge war diese Rettungsaktion die größte Massenmobilisierung von Zivilisten in der Geschichte des Landes. Etwa 600 Häuser haben Schäden davongetragen, 37 sind komplett zerstört worden. Am Freitag mussten noch 26 Bewohner der im Norden des Landes gelegenen Küs- tenstadt wegen Rauchvergiftungen im Krankenhaus bleiben; insgesamt wur- den in Haifa 136 Menschen stationär behandelt. Todesopfer sind bislang nicht zu be- klagen, auch im übrigen Israel nicht. Das immerhin ist ein gravierender Un- Großbrände in Haifa terschied zu den Großbränden im Jahr 2010 im Carmel-Gebirge, bei denen 44 überwiegend auf das Konto von Brand- Großbrände in Israel. Die arabische rufen“ und „Diese Hurensöhne sollen Menschen starben. Dennoch ist das stiftern gehen. In manchen israelischen Variante des Hashtags „Israel brennt“ lebendig brennen .. ich wünsche sonst Ausmaß des seit Dienstag tobenden In- Medien ist bereits von einer „Feuer- – der nahezu ausschließlich von jenen niemandem sowas aber die haben es fernos dramatisch, nicht nur in Haifa, Intifada“ die Rede, das heißt: von einer benutzt wird, die diese Tatsache begrü- verdient“ bis hin zu „Juden BBQ in sondern auch in Jerusalem, im Süden organisierten, politisch motivierten ßen – war am Donnerstag die weltweit Palästina“ und »Freut mich da Le- von Tel Aviv, in Zichron Yaacov, Neve Brandstiftung durch „Palästinenser“ drittpopulärste auf Twitter. Hundert- ben sowieso keine Menschen die sind Schalom, Modiin und vielen weiteren und israelische Araber. Premierminis- tausende verbreiten Tweets mit Fotos schlimmer als Tiere« (Orthografie und Orten. Noch immer sind Tausende von ter Benjamin Netanjahu nannte die und Videos von den Feuern und ver- Interpunktion im Original). Menschen auf der Flucht vor den Flam- Brandstiftungen einen „Terrorakt“ und sehen sie, wie Zusammenstellungen Buurmann merkte dazu treffend an: men, etwa 750 Hektar Wald und land- kündigte eine harte Bestrafung der Tä- der „Times of Israel“ und der Ynetnews „Feuer gehörte schon immer zu den wirtschaftliches Gebiet wurden bisher ter an. zeigen, mit hasserfüllten oder hämi- Lieblingswaffen der Nazis. Heute wird vernichtet. Da im jüdische Staat eine Zurückhaltender äußerte sich Mi- schen Kommentaren. Ein saudischer das Feuer im November 2016 in Israel große Trockenheit und starker Wind cky Rosenfeld, der Sprecher der is- Imam mit über 16 Millionen Followern von vielen Leuten so gefeiert, wie Na- herrschen, sind die Feuer nur schwer raelischen Polizei. Gegenüber Antje beispielsweise schrieb, noch immer zis einst die Brände im November 1938 unter Kontrolle zu bringen. Die Armee Schippmann von Bild Online sagte er: brenne das Feuer „in der zionistischen feierten.“ hat sogar Reservisten einberufen, die „Politisch motivierte Brandstiftung ist Entität“, und hoffte, dass Gott „die Al- Aufschlussreich ist auch die Reak- Feuerwehr und Polizei unterstützen nichts Neues für uns. Aber ich gehe Aqsa-Moschee von Israels Schmutz be- tion der deutschen Bundesregierung: sollen. Russland, Kroatien, Zypern, nicht davon aus, dass sich die Brände zu freit“. Ein kuwaitischer Imam twitterte: Tagelang war nichts von ihr zu der Feu- Griechenland, die Türkei und die USA einer organisierten Terrorwelle entwi- „Den Feuern viel Glück“ – und fügte erkatastrophe im jüdischen Staat zu haben Löschflugzeuge entsandt, Ägyp- ckeln werden.“ Es gebe diesbezüglich einen lachenden Smiley an. vernehmen – kein Hilfsangebot, keine ten und Jordanien helfen mit Hub- auch keine organisierten Aufrufe. Boaz Viele – darunter auch Hamas-Funk- Solidaritätsadresse, nicht einmal eine schraubern und Feuerwehrfahrzeugen. Ganor vom Internationalen Institut für tionäre – glauben, die Brände seien die förmliche Betroffenheitsbekundung. Auch die Palästinensische Autonomie- Terrorabwehr sieht der Tageszeitung Strafe Allahs dafür, dass Israel den Ruf Dann nahm das Auswärtige Amt doch behörde hat einige Feuerwehrwagen Jerusalem Post zufolge ebenfalls „keine des Muezzins über Lautsprecher an den noch Stellung zu Israel – aber nicht zu zur Brandbekämpfung geschickt. neue Form von Terrorismus“. Es gebe Moscheen verboten habe. (In Wirk- den Bränden, sondern zur Entscheidung keine Terrororganisation, die ihre Mit- lichkeit existiert kein Verbot, sondern der Jerusalemer Stadtverwaltung, das Politisch motivierte Brandstif- glieder anweist, Brände zu legen, auch bislang nur die Überlegung der israe- Planungsverfahren für die Erweiterung tung? wenn es sein könne, „dass Gruppen lischen Regierung, diese Beschallung, einer Siedlung in Ost-Jerusalem wieder Ein Teil der Brände scheint vorsätzlich wie die Hamas in Kürze die Feuer für die bereits früh morgens einsetzt, ein- aufzunehmen. Diesen Beschluss verur- gelegt worden zu sein. Bislang sind 15 sich reklamiert“. Wenn man von einer zudämmen – eine Beschränkung, die es teilte das Außenministerium als „völ- Menschen festgenommen worden, die „Feuer-Intifada“ spreche, überschätze teilweise selbst in islamischen Staaten kerrechtswidrig“. Erst am Freitag rang der Brandstiftung verdächtigt werden, man das Phänomen jedoch, so Ganor, wie Saudi-Arabien und Ägypten gibt.) es sich dazu durch, in einer kurzen Er- sechs davon sollen für einen Teil der selbst wenn die Bilder, die in den sozi- Auch im deutschsprachigen Raum klärung seiner „allergrößten Sorge“ über verheerenden Feuer in Haifa verant- alen Netzwerken von den Flammen in gibt es in den sozialen Netzwerken die Flächenbrände Ausdruck zu geben wortlich sein. Ein Beduine kam in Po- Haifa und der Umgebung von Jerusa- zahllose Nutzer, die die Feuer in Isra- und seine Bereitschaft, Hilfe zu leisten, lizeigewahrsam, weil er auf Facebook lem kursierten, „der Himmel für jene el mit Schadenfreude, Häme und Hass zu verkünden. Andere Länder waren da dazu aufgerufen haben soll, für weitere sind, die sich einer solchen Intifada ger- kommentieren. Auf seinem Blog „Tap- bekanntlich längst aktiv geworden. So Brände zu sorgen. Der israelische Mi- ne anschlössen“. fer im Nirgendwo“ hat der Autor und sieht sie aus, die deutsche Prioritätenset- nister für öffentliche Sicherheit, Gi- Theaterregisseur Gerd Buurmann eine zung und die angebliche „tiefe Verbun- lad Erdan, geht davon aus, dass mehr Hass und Schadenfreude in den Auswahl dokumentiert. Die Äuße- denheit“ mit dem jüdischen Staat. als die Hälfte der Brände gezielt von sozialen Netzwerken rungen reichen von „Endlich mal eine Menschenhand verursacht worden In der Tat zeigen unzählige Social- gute Nachricht“ und „Gerechte Strafe“ Zuerst veröffentlicht auf sind. Auch Bildungsminister Naftali Media-Nutzer in der arabischen Welt über „Verreckt ihr Bastards. Möge allah MENA-Watch – Der unabhängige Bennett ist überzeugt, dass die Feuer unverhohlene Schadenfreude über die euch noch schlimmere Tage herbei- Nahost-Thinktank. № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU ISRAEL 29 Goldfine, übernehmen Sie! Ein Interview mit dem Star-Anwalt Yitzhak Goldfine Von Martin Jehle fine besuchte als fentlichkeit und Medien und machte aus Zuschauer die Ge- der Angeklagten selbst eine Anklägerin. Mitte Oktober, wenige Tage vor Beginn richtsverhandlung Oder der Fall der Münchnerin Ursula der jährlichen Frankfurter Buchmesse, und war fasziniert. Glück, Nichte des früheren bayerischen warteten überregionale Zeitungen wie „Ich wusste ab die- Landtagspräsidenten Alois Glück, die „Die Welt“ plötzlich mit angeblichen Ent- sem Moment: Ich mit einem Israeli verheiratet war, der erst hüllungen zur CDU-Spendenaffäre um werde Strafvertei- verschiedene Lebensversicherungen auf Helmut Kohl aus den Jahren 1990/2000 diger“, so der agile sie abschloss und sie schließlich auf einer auf. Unter den bis heute vom Altkanzler 80-jährige, für den Reise in den Anden erschoss. nicht preisgegebenen Namen der Parteis- dieser Prozess bis Oder die drei jungen orthodoxen Män- pender soll sich auch der 1997 verurteilte heute „der größte ner aus Williamsburg, die als Drogen- Baulöwe Jürgen Schneider befinden. Das politische Prozess kuriere missbraucht wurden und sich in jedenfalls behauptet sein damaliger An- in der Geschichte einem japanischen Gefängnis wiederfan- walt: Dr. jur. Yitzhak Goldfine aus Israel. Israels ist.“ Dem den. Plötzlich verhandelte Goldfine zwi- In seinem im Herbst erschienenen Buch Verfahren, in dem schen einer chassidischen Sekte und der „Die Wahrheit hinter der Wahrheit. Die am Beispiel der japanischen Mafia. Kein Zweifel, Goldfi- Goldfine-Akten“ (zusammen mit Peter Person von Rudolf ne ist da, wo es heikel und international Mathews, Europa Verlag, 232 S., 19,90 Kasztner die Rol- wird, politische Verwicklungen nicht €) ist dem Fall des Millionen-Pleitiers le der jüdischen weit sind. Jürgen Schneider ein Kapitel gewidmet. „Kapos“ in den In einer Erbschaftsangelegenheit be- Schneider soll, so Anwalt Goldfine, die Konzentrations- kommt Goldfine heraus, dass der Ver- Hoffnung gehabt haben, durch seine an- lagern und ihre storbene kurz vor seinem Tod von seiner geblichen Spenden an Bundeskanzler Mitverantwortung Haushälterin wegen seiner Vergangen- Kohl einer Gefängnisstrafe zu entgehen. am Holocaust ver- heit als „Kapo“ in einem Konzentrations- Es kam aber anders, Schneider zog für handelt wurde, hat lager erpresst wurde und das Testament ein paar Jahre in die Justizvollzugsanstalt Goldfine eins von änderte. Der um einen Teil des Erbes Frankfurt-Preungesheim ein. Für Goldfi- zehn Kapiteln ge- gebrachte Neffe berät sich mit Goldfine, ne ist der Fall aber noch nicht zu Ende: Er widmet, in denen ob er das Testament anfechten soll. Der vermutet, dass Schneider Geld auf Kuba bedeutende Fälle Preis wäre, dass die Wahrheit über den beiseitegeschafft hat und verlangt ausste- geschildert wer- Onkel an das Licht der Öffentlichkeit hendes Anwaltshonorar. den, an denen er kommt. Der Bezug zur „CDU-Spendenaffäre“ entweder als Straf- war ein willkommener Aufhänger für verteidiger mit- Unorthodoxe Wege deutsche Medien und hat die Berichter- gewirkt hat oder Goldfine konfrontierte Prozessgegner stattung über das Buch überlagert. Dabei die ihn auf andere schon mal mit ihrer Vergangenheit, Fun- haben die in dem Werk gesammelten Kri- Weise geprägt ha- den aus Archiven oder anderem. Er ist minalfälle und Erzählungen aus Gold- ben. ideenreich, wenn es darum geht, „der fines ereignisreichem Leben zwischen Wahrheit hin und wieder auf die Sprünge Deutschland und Israel noch viel mehr Ein Bein in zu helfen“, wie er freimütig schreibt. zu bieten. Israel, eins in Deutschland Gericht, sondern auch ihn in die Irre ge- Das unterhaltsame und gut lesbare Mit Goldfine, der israelischer und deut- Der Tod eines Onkels führte Goldfine führt hatte. Der UN-Soldat war in Wirk- Buch wird abgerundet durch autobio- scher Staatsbürger ist, traf ich mich in ei- 1961 nach Frankfurt a.M., wo er kurz lichkeit der Geliebte seiner Frau, den er graphische Ausführungen, die auf die nem Café in der Ortschaft Yahud in der darauf an der Universität zu promovieren loswerden wollte. Für Goldfine als junger israelische Gründungsgeschichte Bezug Nähe von Tel Aviv. Goldfine ist seit fast beginnt. Es folgten weitere wissenschaft- Strafverteidiger eine einschneidende Er- nehmen. Goldfines Vater kam als sozi- 50 Jahren Strafverteidiger, er gehört der liche Stationen an der Freien Universität, fahrung. alistischer Zionist nach der russischen Kanzlei Weiss Porat & Co. in Tel Aviv an. als Assistent von Aharon Barak, dem spä- teren Präsidenten des Obers- ten Gerichtshofs in Israel, und Plötzlich verhandelte Goldfine zwischen – durch Vermittlung des Jeru- salemer Bürgermeisters Teddy einer chassidischen Sekte und der japani- Kollek – am Max-Planck-Insti- tut in Hamburg, wo Goldfine schen Mafia. Kein Zweifel, Goldfine ist da, Schriften zum israelischen und jüdischen Recht veröffentlich- wo es heikel und international wird, politi- te. In Hamburg lernte Gold- fine den jungen Rechtsanwalt sche Verwicklungen nicht weit sind. Gerhard Strate kennen (heute einer der bekanntesten Straf- verteidiger Deutschlands), der Goldfine erinnert auch an die Ermor- Revolution nach Palästina und gründete ihn in einen Fall mit einem dung des israelischen Premierministers einen Kibbuz, seine Mutter entstammt israelischen Angeklagten ein- Yitzhak Rabin im Jahre 1995, den poli- einer seit Mitte des 19. Jahrhunderts im bezieht. Es ist der Auftakt für zeilichen Ermittlungen und der Verur- Libanon und in Jaffa ansässigen Rab- Goldfines Arbeit als Strafver- teilung von Jigal Amir. An dem Prozess binerfamilie. Goldfine ist mit einer Ham- teidiger in Deutschland, Israel war er selbst nicht beteiligt, aber er erhielt burgerin verheiratet und lebt abwech- und der Welt. Sein Buch er- später die Gelegenheit, die Ermittlungs- selnd in Israel und Deutschland. zählt davon zehn Fälle, die un- akten zu studieren und stellt auf dieser Für Goldfine sind „Recht und Gesetz terschiedlicher, spektakulärer Grundlage verschiedene Theorien zu nur die Verkehrsordnung im Dschun- und unglaublicher nicht sein dem Mord an Rabin dar, wägt sie unter- gel des Lebens“, „Fakten sind Bau- oder können: einander ab, um sein Urteil abzugeben: Stolpersteine auf dem Weg zum Ziel.“ Den Auftakt macht die Ge- Amir war Einzeltäter, kein Auftragskiller Deshalb habe er sich nie nur auf die Ak- schichte von Leo („Der perfek- oder Marionette. „Verschwörungstheori- tenlage und auf Paragraphen verlassen, te Irrtum“), der vermeintlich in en“ erteilt er eine Absage. sondern sei oft lange und mühsame Wege Notwehr einen Einbrecher er- Dann wäre da noch Tamar Segal, eine gegangen, um die Wahrheit zu finden. schießt. Das Opfer, ein in Isra- gebürtige Israelin, die als Therapeu- Und noch etwas ist Goldfine wichtig: el stationierter UN-Blauhelm- tin in einer Psychiatrie mit Maßregel- „Ich will zeigen, dass Recht und Gerech- soldat, hatte sich vielleicht nur vollzug arbeitete und dem dreifachen tigkeit zwei völlig verschiedene Sachen in der Tür geirrt. Die Staatsan- Sexualmörder Thomas Holst („Hei- sind. “ Das gelingt ihm mit seinem Buch waltschaft klagte dennoch an, demörder“) 1995 zur (vorübergehen- hervorragend. Dass er als Strafverteidi- eine ganze Salve aus der Uzi den) Flucht verhalf. Goldfine holte für ger für diese Diskrepanz auch mitver- Dr. jur. Yitzhak Goldfine und dann noch in den Rücken sie zwei Jahre auf Bewährung raus; sie antwortlich ist, verhehlt er nicht. Ein des Opfers, das sich bereits von konnte das Gericht als freie Frau verlas- Schmunzeln geht über seine Lippen, be- Studiert hat er an der Hebräischen Uni- der Tür wegbewegt hatte, war ihr dann sen. Die Verteidigung hatte er im Sin- vor er freudig mitteilt, dass auch eine eng- versität Jerusalem, während seines ersten doch zu viel. Goldfine erstritt für seinen ne seiner Mandantin genutzt, die mit lischsprachige Fassung seines Buchs und Semesters 1954 fand gerade der „Kaszt- Mandanten einen Freispruch, der von der ihrer Tat gegen die Verhältnisse in der Veröffentlichung in Amerika geplant sei. ner-Prozess“ statt, der in die israelische 2. Instanz noch bestätigt wird. Später er- geschlossenen Psychiatrie protestieren Dann aber ohne das Kapitel über Jürgen Rechtsgeschichte eingehen sollte. Gold- fährt er, dass sein Mandant nicht nur das wollte. Goldfine spielte gekonnt mit Öf- Schneider. 30 KULTUR № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Dreckig, aber herzlich Der jüdische Komiker Oliver Polak startet durch mit seiner neuen Late Night-Talkshow „Applaus und Raus!“ Von Jerome Lombard gerade an Selbstbewusstsein für seine neue Aufgabe: „Ich bin der perfekte Der Gegenüber, mit dem man aus ir- Moderator. Ich bin eine Ein-Mann-Ar- gendwelchen Gründen ins Gespräch mee im Kampf für gute Unterhaltung. gekommen ist, erweist sich als echte Ich bin der Commander!“. Nervensäge. Schon nach kürzester Zeit labert er oder sie nur dummes Zeug.

Gerald von Foris Jüdischer Humor für die Berli- Erzählt in einer nicht zu überbietenden ner Republik Schamlosigkeit ausschließlich von sich Oliver Polak ist der einzige jüdische selber. Es ist grauenhaft! Jeder kennt Komiker Deutschlands. Sein Vater war diese Situationen. Sie sind nahezu alltäg- als deutscher Jude in mehreren Kon- lich und gehören wohl oder übel zu den zentrationslagern interniert und über- Schattenseiten des Lebens. Da muss man lebte die Schrecken der Schoah. Nach einfach durch. Man wurde ja schließlich dem Zweiten Weltkrieg kehrte er in sei- gut erzogen und die Netiquette gebie- ne Heimatstadt Papenburg im Emsland tet es nun mal nicht, aufzustehen und zurück. Polaks Mutter stammt gebürtig zu gehen, oder den menschgewordenen aus Russland. Sein Judentum hat für Abturner da vor sich einfach fortzuschi- Polak seit seiner Kindheit eine Rolle cken. Oder etwa doch? gespielt. In dem heute geschlossenen Man lasse folgendes Gedankenexpe- „Carmel College“ im englischen Wal- riment zu: In der Jackentasche, prak- lingford, einem jüdisch-orthodoxen tisch zur Hand, befindet sich ein knall- Internat, erhielt er neben der weltli- roter Buzzerknopf. Einmal beherzt chen auch eine religiöse Bildung. Seine draufgehauen. Ein schrilles Piepsen! große Leidenschaft ist zweifelsohne die Und schwuppdiwupp muss der ätzen- Stand-Up-Comedy. Seit 2006 tritt er de Gesprächspartner den Raum ver- als Alleinunterhalter in Berlin auf. Und lassen. Kein Lamento. Keine Diskus- das mit Erfolg! sion. Hasta la vista. Was für den einen Vier eigene Show-Programme hat überaus verlockend, für den anderen er seitdem auf die Beine gestellt. 2010 ziemlich unhöflich und für alle min- ist er mit „Jüd Süß Sauer“ an den Start destens ganz schön unrealistisch im gegangen. Später folgten „Ich darf das, alltäglichen Gebrauch klingen mag, ist ich bin Jude“ (2012), „Krankes Schwein im deutschen Fernsehen jetzt Realität Tour“ (2014) und „Super Sad Tour“ geworden. Findet der Moderator sei- (2015). Sein Anspruch dabei: Jüdischen nen Talk-Show-Gast langweilig, buz- Humor mit all seinen Facetten einem zert er ihn kurzentschlossen raus. In breiten Publikum zugänglich machen. der Hoffnung, der nächste möge doch „Lassen Sie uns ganz unverkrampft bitte spannender sein. Hand aufs Herz, miteinander umgehen. Ich vergesse die wie häufig hätten Sie genau das nicht Sache mit dem Holocaust und Sie ver- schon mal von der Couch aus während zeihen uns Michel Friedmann“, so einer einer der abendlichen Talk-Runden im seiner klassischen Gags. „Ein Jude, fett öffentlich-rechtlichen TV gemacht? und in Farbe? Ich weiß, ihr seid Juden Anne Will, Sandra Maischberger und in dünn, abgemagert in schwarz-weiß Markus Lanz – das Establishment-Trio ser Krawatte, sondern locker in Adidas- Schauspieler, Polaks Mutter – die ers- gewohnt“, so seine Begrüßung zur ers- der deutschen medialen Gesprächsrun- Jacke und stylischen Turnschuhen. Das ten Folgen haben bereits gezeigt, dass ten Ausgabe von „Applaus und Raus!“. den-Hosts – können von einem Next- Konzept des Speed-Talks ist so neu wie wirklich jeder auf dem Stuhl landen Bissiges, Anrüchiges, Polarisieren- Please-Buzzer aber weiterhin nur träu- kreativ. Die Funktion des Buzzers, der kann. Und nicht selten schneller wieder des sind seine Markenzeichen. Polaks men. Es ist niemand Geringeres als der auf Polaks dunklem Talkmaster-Tisch gehen muss, als ihm oder ihr lieb ist. Vorbilder: Berühmte englischsprachi- von Hause aus gelernte Komiker Oliver ge jüdische Komiker wie Woody Allen Polak, der zum Herrn des Buzzers er- oder Sol Bernstein. Seine Themen sind nannt wurde. O liver Polak ist der einzige jüdische aus seinem eigenen Leben gegriffen: Im November ist seine Late-Night- Aufwachsen als Jude in der norddeut- Talkshow mit dem prägnanten Titel Komiker Deutschlands. schen Provinz, das stets schwierige „Applaus und Raus!“ im Privatsender Verhältnis eines jüdischen Jungen zu „ProSieben“ angelaufen. Immer mon- so bedrohlich thront, wurde bereits er- Das Konzept ist skurril und durch- seiner Mutter, die Herausforderungen tags um 23.15 Uhr empfängt der ge- wähnt. Wer nervt oder langweilt, wird aus gewagt. Die Gefahr der Beliebig- der Generation Y und Depressionen. bürtige Papenburger die bunt zusam- schnurstracks nachhause geschickt. keit und flacher Locker-Room-Talks Denn auch das ist Oliver Polak: Nach- mengewürfelten Gesprächspartner für Und damit nicht der Überraschung durch das Situative in Kombination dem er 2014 wegen schwerer Depressi- knappe 45 Minuten vor Live-Publikum genug: Die Gäste sind dem Gastgeber mit fehlendem Script groß. Das Gan- onen mehrere Monate in einer psychia- auf seinem heißen Stuhl. Nicht in einem vorher nicht bekannt. Vorschläge von ze, von „ProSieben“ als Ersatz für die trischen Klinik verbracht hatte, schrieb mausgrauen Studio mit beigen Sofas in seiner Seite sind verboten. Wer kommt, viele Jahre auf demselben Sendeplatz er über seine Erfahrungen ein Buch Mainz oder Köln, sondern in der ur- entscheidet allein die Redaktion. Po- erfolgreich laufende „TV Total“-Show mit dem Titel „Der jüdische Patient“. banen „Baumhaus Bar“ mit hipper lila lak hat keine Ahnung und muss sich ad von Stefan Raab gedacht, könnte ein Auch in seinem Programm „Krankes Neonreklame und Blick aufs Schlesi- hoc auf sein Gegenüber einstellen und Flop werden. Wäre da nicht Oliver Schwein Tour“, noch im selben Jahr sche Tor in Berlin-Kreuzberg. Nicht im Gesprächsthemen finden. B-Promis, Polak. Der 40-Jährige ist mit seiner produziert, spricht er ganz offen über dunkelblauen Hosenanzug und offiziö- Freaks, Adlige, Ex-Nazis, israelische kumpelhaften Art, seiner derben Spra- seine schwierige Zeit in der Klinik. Es che, seinem Hang zum schonungslosen ist diese Offenheit zusammen mit dem Dirty-Talk und seinem bestimmt nicht dezidierten Anspruch, jüdischen Post- politisch korrekten Humor der richtige Ironie-Witz für ein junges deutschspra- Mann für den Job des Buzzer-Talkers. chiges Publikum zu machen, die Oliver Wenn es mit ihm nichts werden sollte, Polak zu einem erfrischenden Unikat in kann der Sender das Format getrost der Landschaft der deutschen Comedy- einstampfen. Szene machen. Das findet auch ProSieben-Sender- Es mögen zwar noch immer die Ma- chef Daniel Rosemann: „Eine Talk- rio Barths sein, die ganze Fußballstadi- show wie ‚Applaus und Raus!‘ kennt en mit ihrem Nonsens-Klamauk füllen. der deutsche TV-Zuschauer bislang Aber dafür hat Polak jetzt einen schi- nicht. In dieser Show hat der Gastgeber cken Schreibtisch samt 50er-Jahre-Ses- so viel Macht, dass er seine Gäste so- sel und einen Sendeplatz in der kusche- gar aus der Show bitten kann, ehe das ligen „Baumhaus Bar“ bekommen. Ihn Gespräch überhaupt richtig begonnen als Showmaster auszuwählen war eine hat. Oliver Polak sagt sehr direkt, was mutige Entscheidung vom „ProSieben“- er denkt, eiert nicht herum. Deswegen Management. „What’s up crazy peop- ist ‚Applaus und Raus‘ wie für ihn ge- le?“. Ab jetzt beginnt die neue Woche macht.“ mit einem zünftigen One-Night-Stand- Und Polak selber fehlt es auch nicht Talk mit Oliver Polak. № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU KULTUR 31 Er wird fehlen! Die Redaktion hat jüdische Künstler in Deutschland um Worte zum Tod von Leonard Cohen gebeten Wenn die letzten Blätter von den Bäumen fielen und es zu Leonard Cohen war einer der ersten Künstler bei Immer wenn ich seine Musik hörte, wollte ich mit kalt wurde, um sich draußen aufzuhalten, wenn plötzlich denen ich verstand, dass wahre Kunst die Worte mehr ihm schlafen. Seine Stimme, seine Texte – alles an ihm war wieder das Verlangen nach Kerzen und heißer Schoko- heiligt, als die Melodie, der Sound, das Konzept oder Erotik, Melancholie und stille Rebellion – bis er zuletzt lade aufflammte, dann wurden bei uns Leonard Cohen- die Darbietung. An erster Stelle steht der Text, der sein ‚Hineni’ verkündete, dass er bald gehen würde. Und Platten aufgelegt. Das war gepflegte Melancholie. Dass er genau in dieser Zeit den Planeten Erde wieder verlässt, ist so stilvoll, wie seine Erscheinung und das künstleri- Privat Matthias Bothor

nun ist die dunkle Welt noch dunkler und niemand besingt mehr die Nachtzeit. Du fehlst mir jetzt schon entsetzlich, Mr.Cohen! So long Leonard! Baruch dajan haemet! Ramona Ambs (Schriftstellerin) Rest kommt von allein. Es muss eben nur geschrieben und geschaffen werden. Das war sein Wille und sein Leonard Cohen hat mit seinen melancholisch poeti- Weg. Tschüß, Leonard! schen Songs viele verschiedene Generationen tief be- Yehuda Swed (Fotograf) rührt. Zu Songs wie Suzanne, Sisters of Mercy und So Long, Marianne hat wohl jeder getanzt – so auch ich. TO BE CONFINED TO BED AND LISTEN TO YOUR SONGS Unsterblich aber wird Cohen mit seinem Song Halle- GENTILITY OF WORDS SUNG BY THE GENTLEFOLKS lujah. 2007 wurde Hallelujah von der britischen Zeit- sche Erbe, das er uns hinterlässt. Auch wenn es uns ein KEPT ME GOING ON FOR MORE THAN THIRTY YEARS schrift Q als bestes Lied aller Zeiten genannt. Hier kom- mulmiges Gefühl gibt, dass so viele Künstler, die unsere COVERED ME WITH KISSES; LULLED ME INTO SLEEP men seine jüdischen Wurzeln am eindrucksvollsten zum Seele über so lange Zeit gefüttert haben, „die Party“ vor AND DRIED UP MY TEARS uns verlassen – es ist nun mal unsere Natur sterblich zu FROM SURFACE TO THE DEEP INNERMOST FEARS… sein. So wie es scheint, hatte Leonard Cohen zumindest …so begann ein Poem, das ich Leonard Cohen habe ein erfülltes und relativ langes Leben, in dem er durch zukommen lassen, in welchem ich beschrieb, was sei- seine Kreativität und seine Existenz Millionen inspiriert ne Musik und Texte für mich bedeuten. Daraufhin und erreicht hat. Auch mich, obwohl oder vielleicht ge- erhielt ich im Jahr 2008 die Einladung zum Tourstart rade weil ich die Texte eigentlich nie richtig kapiert habe. in Manchester. Dabei realisierten die Crew und sein Schönbröcher Walter Da fällt mir nur eins ein: Hallelujah! Management, dass ich extrem gut mit ihm zurecht- Sharon Brauner (Sängerin) kam, obwohl er ein sehr scheuer Mensch war. Er hatte damals Schwierigkeiten auf die Bühne zu gehen und Mit Leonard Cohen gibt es einen großen Freund versteckte sein Gesicht ständig hinter seiner Hand der Frauen weniger. Was für ein Glück, dass er uns oder unter einem sei- ner Fedora-Hüte. Ich Privat sprach ihn direkt dar- auf an, sagte ihm, dass die Menschen nicht

Nadja Klier Nadja 200 $ und mehr für ein Ticket zahlen, um ihn nicht zu sehen. Nennen wir es ‚personal coach’, wofür ich schließlich engagiert wurde. Gegen Ende Ausdruck, denn der Lied-Text verweist auf König David der Tour war er so frei, dass er auf die Bühne sprang in der Thora. Leonard Cohen wird fehlen. und den Zuschauern entgegenlief. In der 5-jährigen Alice Brauner (Filmproduzentin) Zusammenarbeit und Betreuung auf seiner Unified Heart Tour 2008-2012 hat er mir das Gefühl gegeben, Leonard Cohen, der schon in einem schwarzen Anzug Teil einer Familie und von etwas Größerem zu sein. geboren zu sein schien, liebte es dunkler. Schon immer. Mit Leonard Cohen zu reisen war ein Fest und un- Nun ist er endlich am Ziel. Quasi als Zugabe zu seiner letz- glaubliches Erlebnis. Farewell, my friend. ten Platte „You want it darker“. Dunkler als der Tod geht’s Katja Bienert (Schauspielerin) nicht. Hallelujah! Seine betörend dunkle Stimme, blieb immer monoton und magisch wie die eines Priesters vom Um ehrlich zu sein, war ich nie ein Fan vom Sän- Anfang aller Zeit. Er schien auch immer ein aus der Zeit ger, sehr wohl aber vom Songwriter und Komponis- gefallener Wiedergänger der uralten Cohns oder Kohans, so viele großartige Songs geschenkt hat, die bleiben ten Leonard Cohen. Sein werden. weltberühmtes ‚Halleluja’ ist Katharina Palm (Schauspielerin/Autorin) nicht nur einer der schöns- ten Songs der Popgeschich- Cohens Tränen fallen unkontrolliert in den Krater te, sondern auch ein großes eines mächtigen Vulkans. Sie kommen an und ver- spirituelles Kunstwerk. Ich

dampfen, mutieren zu einem Gasgemisch. Wir sollten höre dieses Lied oft und in Swed Yehuda diese neu entstandene Luft einatmen und nicht ver- sehr verschiedenen Versio- gessen was es bedeutet, zu empfinden. nen – etwa als vierstimmi- Alexander Iskin (Maler) gen a capella-Gesang von der Gruppe ‚Pentatonix’, auf Hebräisch von Israel Gurion oder in jiddischer Überset-

Stefanie Loos Stefanie zung von Daniel Kahn. Sei- nen musikalischen Abschied ein jüdischer Priester also zu sein. „Born that way“. An- vom irdischen Dasein aber, statt die segnenden Hände über die Gemeinde, erhob er den Song ‚You Want It Dar- seine Stimme, die in der Glut der Sehnsucht nach Frieden ker’ mit dem auf Hebräisch glomm. Damit rührte und verstörte er unsere Herzen und hingehauchten ‚Hineni, Hi- Seelen. Der Depressive sang für Depressive und tröstete sie neni’, möchte ich von keinem anderen hören, als nur zugleich. Nun ist er gegangen! Zum Glück hinterließ er uns von ihm. seine alles heilende Stimme. Ein Gottesmann in Schwarz Gerhard Haase-Hindenberg mit Hut. Hut ab, Kippa auf! (Schauspieler/Autor) Marcia Zuckermann (Schriftstellerin) 32 KULTUR № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Nachricht über einen angekündigten Tod Zum Tod von Leonard Cohen Von Dr. Ludger Joseph Heid

Die jüdische Welt ist traurig, dass einer aus der Heerschar des Moses von ihr gegangen ist: Einer, der einen großen Anteil an der populären Musik hat. Der kanadische Songpoet Leonard Cohen VALERY HACHE / AFP starb am 7. November 2016 in Los An- geles. Er wurde, wie es seiner Tradition entsprach, auf dem jüdischen Friedhof seiner Geburtsstadt Montreal, Shaar Hashomayim Congregation Cemetery, beigesetzt bevor sein Tod in der Welt bekannt wurde. Es heißt, 2016 sei das Jahr, in dem der Pop starb. David Bowie, Prince – jetzt, da auch Leonard Cohen nicht mehr hier ist, vielleicht eine Klarstellung: Cohen ist nicht 2016, sondern im Jahr Cheschwan 5777 gestorben. Er ist als Jude geboren und im Alter von 82 als Jude gestorben. Die Weitsicht dieses Predigers im finsteren Tal, der die bi- belfeste Metaphorik aus dem Effeff be- herrschte, reichte dazu, uns die Musik für seinen Abschied aus diesem Leben zu hinterlassen. Geboren wurde Leonard Cohen am 21. September 1934 in Montreal. Sein Urgroßvater Lazarus Cohen war Leh- rer an der örtlichen Jeschiwa im litau- ischen Vilkaviskis. 1860 wanderte er nach Kanada aus, war als Unternehmer erfolgreich und wurde Präsident der jüdischen Gemeinde Shaar HaSho- mayim, der größten in Montreal. Sein Sohn Lyon Cohen, Leonards Groß- Akkorde zu seinen Gedichten – dar- for“, gab Cohen als ambulanter Trup- seinen Sound behutsam den 80er Jah- vater, der als Textilkaufmann und unter auch, wie nebenbei, mit „One Of penbetreuer während des kompletten ren anpasste, mit Songs wie „Hallelu- Versicherungsmakler erfolgreich war, Us Cannot Be Wrong“, das vielleicht er- Jom-Kippur-Kriegs 1973 bis zu acht jah“ – einer der meist gecoverten Songs folgte ihm in das Amt des Synagogen- greifendste Liebeslied aller Zeiten. Sei- Konzerte täglich vor den Zahal-Trup- in der Musikgeschichte überhaupt - vorstands. Dessen Sohn Nathan, ein ne Songs changieren zwischen amou- pen, teilweise sogar während der Ge- oder „First We Take Manhattan“ seinen Ingenieur, übernahm das große Textil- rös und religiös. fechte. Er hatte sich ohne Plan spontan zweiten oder dritten Frühling. Inhalt- kaufhaus. Nathan Cohen starb, als Leo- Die Folksängerin Judy Collins inter- ins Flugzeug gesetzt in der Absicht, lich blieb er seinen gewichtigen The- nard neun Jahre alt war. Seine musisch pretierte bald darauf Cohens „Suzan- die ägyptischen Kugeln aufzuhalten. men treu, sang mit Grabesstimme über interessierte Mutter Marsha war die ne“. Collins war es auch, die Cohen am Er machte später nicht viel Aufhebens Lust, Liebe und den Tod. Nachdem Tochter des aus Russland eingewander- 30. April 1966 zu seinem ersten Gig auf darum und seine Rolle im Song „Field ihm 1992 mit „The Future“ ein Werk ten Talmudgelehrten Rabbi Solomon die Bühne schieben musste. Es war ein Commander Cohen“ wusste er sogar zu von prophetischer Düsternis gelungen Klonitsky-Kline. Konzert gegen den Vietnamkrieg. Die ironisieren. Trotzdem habe er „als Jude war und auch die Kritiker wieder hin- Leonard Cohen wuchs in einem aus- Musik passte zur Hippie-Bewegung, den Juden“ helfen wollen, ein histori- hörten, verschwand er. gesprochen jüdischen Milieu auf, be- der Typ in seinen eleganten Anzügen sches Foto zeigt ihn im offenen Hemd „Du warst Jesus Christus, mein wegte sich zeitlebens auf jüdischen We- eher nicht. Dafür war er schon zu alt. unter israelischen Soldaten, gleich ne- Gott,/ Und ich war der Geldverleiher/ gen – als Mann und als Künstler. Er war „Darling“, informierte er später seine ben Ariel Scharon. Du warst die empfindsame Frau/ Ich Jude durch und durch. Wer Cohen oder Biografin Sylvie Simmons: „Ich bin in In dieser Zeit tourte Cohen wieder- der altehrwürdige Freud“, singt Leo- Kohn, Coen, Kagan oder Kogon heißt, einem Anzug geboren.“ holt um die ganze Welt, trat immer nard Cohen. Der Geldverleiher und stammt der Überlieferung nach von Als antizyklische Erscheinung folgte wieder in Israel und für die israelische Sigmund Freud, der Begründer der den Kohanim ab, den Priestern im Je- Cohen weiter seinem eigenen Stern. Er Armee auf und begriff sich selbst als Psychoanalyse, ein jüdisches Stereotyp rusalemer Tempel. Cohens Familie war kaufte ein Haus auf der griechischen Soldat. So beschrieb er in einem Inter- und ein berühmter jüdischer Wissen- Teil einer Art jüdischen Adels im eng- Insel Hydra, wo er die norwegische view 1974 auch sein strenges Auftreten schaftler – beide Zielscheiben antise- lischsprechenden Westmount, in dem Touristin Marianne Ihlen kennenlern- auf der Bühne: „Ich singe ernsthafte mitischer Hetze. „In diesem Sinne sind er aufgewachsen ist. Es kam Leonard Freud und der Geldverleiher archety- nie in den Sinn, sich seines Nachna- pische Figuren einer desillusionierten mens zu schämen. Einmal beteuerte er: M it seinem letzten Album „You Want It Welt“, schreibt Caspar Battegay in sei- „Ich habe mich meiner jüdischen Her- nem Buch über Juden im Pop. kunft nie geschämt, und in jeder Krise Darker“, vor wenigen Wochen erschienen, Mit seinem letzten Album „You Israels werde ich da sein. Ich habe mich Want It Darker“, vor wenigen Wochen dem Überleben des jüdischen Volkes schuf er ein dunkelglänzendes Spätwerk, erschienen, schuf er ein dunkelglän- verschrieben“. Dafür hatte er sich einer zendes Spätwerk, sein musikalisches gegen den Staat Israel gerichteten Boy- sein musikalisches Testament, Lieder Testament, Lieder zum endgültigen kott-Bewegung zu erwehren. Abschied – sein persönliches Kad- Mit Rock hatte Cohen nie etwas am zum endgültigen Abschied – sein disch. Als Begleitsänger trat der or- Hut, in die Welt des Pop geriet er in thodoxe Synagogenchor Shaar HaSha- den 80er Jahren eher aus Versehen. persönliches Kaddisch. mayim auf, der einst von seinem Vater Tatsächlich bewohnte er seit den 60er und Großvater geleitet worden war. In Jahren das höchste Plateau des Folk – te. Er veröffentlichte weiter Platten und Lieder, und ich trete ernsthaft auf, weil dieser Synagoge saß der Enkel Leonard gleichberechtigt neben den beiden an- pflegte flamboyante Affären, von Joni ich es anders nicht kann. Ein Stier- jeden Schabbes und an jedem Feiertag deren großen jüdischen Songwritern Mitchell bis Janis Joplin. Dass er sein kämpfer betritt die Arena ja auch nicht in der dritten Reihe. Das You, das sich des Jahrhunderts, Bob Dylan und Paul Techtelmechtel mit Joplin im explizi- lachend.“ In welchem Krieg er kämpfte Dunkelheit wünscht, ist dasselbe You Simon. Musikalisch wird er selten im ten „Chelsea Hotel No. 2“ besang und und auf welcher Seite, ließ er stets offen. aus dem Gedicht „The Genius“ („For gleichen Atemzug genannt, als Persön- öffentlich machte, diese Indiskretion Vielleicht war es der Kampf um Worte, you/I will be a ghetto jew“) – es ist der lichkeit aber überstrahlte er beide. bedauerte der Gentleman bis zuletzt. Kampf um die Liebe, Kampf mit Gott. Gott der Juden, den Cohen wütend, Zwar war er mit seinen ersten gefei- Sieben Jahre nachdem er gegen den Diese drei Themen bestimmten sein zweifelnd, preisend ansingt. Es kann erten Gedichtbänden („Let Us Com- Vietnamkrieg auf der Bühne stand, Werk. Cohen hat sich mehrfach für eine eigentlich keinen Zweifel daran geben, pare Mythologies“, 1956) zu jung, um zog es den Dichter unversehens selbst friedliche israelisch-palästinensische dass der Song auch ein letzter Versuch noch als Beat-Poet gelten zu können. an die Front. Während John Lennon Koexistenz ausgesprochen. ist, sich dem Thema der Schoah zu nä- Auf Künstlerpartys schlug er ein paar träumte, da wäre „nothing to kill or die Wider Erwarten erlebte Cohen, der hern – „a million candles burning for № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU KULTUR 33 the help that never came“. Das ewige Ringen jüdischer Theologie, nach der Schoah trotzdem noch an HaSchem zu glauben, wird hier durch Wut und Vor- würfe aufgelöst. Cohen besingt hier den heilverheißenden und zugleich Heilung verweigernden jüdischen Gott. Er wusste, dass es sein letztes Album werden würde – und behielt recht. Und er hat es auch gesagt. Weil große Dichter große Wahrheiten aussprechen müssen, wenn sie sie spüren. Wenn der Kartenspieler die nächste Runde gibt, wird er sein Blatt nicht mehr auf- nehmen, singt er dort, bereits schwer krank. Das heißt: Er singt nicht, er spricht mit dieser tiefen, sanften, war- men Erzählerstimme. Cohen kehrte zurück zu dem, der er immer sein woll- te: Nicht Folksänger, sondern Erzähler, Poet, Lyriker, Autor von zwei Romanen und vier Gedichtbänden. Dafür erhielt er zwar nicht den Literatur-Nobelpreis, aber er hätte ihn womöglich verdient. Leonard Cohen war zweifellos einer der ganz Großen der poetischen Pop- musik. Dass er nur ein paar Wochen nach der Nachricht von der Verlei- hung des Literaturnobelpreises an Bob Dylan starb, ruft auch noch einmal in Erinnerung, dass Cohen ein begnade- ter Texter war. „Nur Bob Dylan hat ei- nen tiefgreifenderen Einfluss auf seine Generation gehabt und vielleicht nur Paul Simon und seine Landsfrau Joni Bis zuletzt mit voller Kraft im Einsatz: Leonard Cohen Mitchell waren auf einer Stufe mit ihm als Song-Poet“, urteilt das Musik-Ma- In einem großen Portrait im New Yor- für den letzten Weg vorbereitet, als er eine Erklärung dafür, die dem Kabba- gazin Rolling Stone. ker, geschrieben vom Chefredakteur auf seinem letzten Album – zum Teil listen Cohen vielleicht gefallen hätte: Als einfacher Mönch verbrachte er David Remnick, zeigte sich Cohen kurz aufgenommen in der Montrealer Syna- Gerade in diesem dunklen Moment einige Jahre in einem buddhistischen vor Veröffentlichung des Albums als goge – das hebräische „Hineni, hineni“ muss Gott gepriesen und sein Name Kloster bei Los Angeles. Er entzog äußerst bereit zu gehen. Die göttliche haucht – „I am ready, my Lord!“. Das „vergrößert“ werden, weil der Tod eines sich einer Welt, in der seine Kunst im- Stimme, die ihn sonst immer ermahne, kann den Hörer – zumal den mit der Menschen die Schöpfung etwas weni- mer wichtiger, in der er selbst immer dass er gerade alles versaue, muntere hebräischen Liturgie vertrauten – nicht ger vollkommen macht. schmerzlicher vermisst wurde. Auch in ihn jetzt nur auf, noch die letzten Dinge kaltlassen. Auf seiner (letzten) Pressekonferenz dieser Zeit brach er nie mit dem Juden- zu erledigen. Nach diesen Worten über „Magnified, sanctified be thy holy zur Veröffentlichung von „You Want It tum – weil es sein Wesen war, und weil seinen scheinbar nahenden Tod sagte name”, singt er auf „You Want It Dar- Darker“ vor zwei Monaten hat er alles Zen-Buddhismus keine Anbetung ei- er wenig später, dass er mindestens 120 ker”. Es sind die ersten Worte des Kad- wieder zurückgenommen. Da sagte nes höheren Wesens erfordere, erklärte Jahre alt werden möchte, wie von Gott disch, des Trauergebets, das kein Wort er, auf seinen Stock gestützt und leise er. Das Ende der Entrückung kam ab- in der Thora vorgesehen. über Verlust verliert, sondern nur die in die Runde lächelnd wie ein gütiger rupt, als Cohen 2004 erkennen muss- Remnik diktierte er ins Notizblock: Herrlichkeit Gottes preist. Jissgadal Großvater, der die berechtigten Sorgen te, dass seine Managerin ihn betrogen, „Ich bin bereit zu sterben. Ich hoffe nur, wejisskadasch, schmeh raboh, beolmoh seiner Kinder und Enkelkinder mit ge- sein komplettes Hab und Gut verzockt es wird nicht zu ungemütlich. Das ist es di w’roh chir’usseh wejamlich malchus- wohntem Witz zerstreut: „Da habe ich hatte. Sein Bankrott kümmerte ihn we- dann auch schon für mich.“ Das war zu- seh: verherrlicht und geheiligt werde wohl übertrieben. Ich neigte schon im- nig, Steuernachforderungen aber be- gleich die Mitteilung, mit der er seinen Sein großer Name in der Welt, die Er mer zur Selbstinszenierung. Meine Ab- drohten ihn existenziell. Und so musste baldigen Tod ankündigte. Er war also erschaffen nach Seinem Willen. Es gibt sicht ist es, ewig zu leben.“ Das wird er. er weitermachen. Leonard Cohen war, wie Bob Dylan, der frischgebackene Literatur-Nobel- preisträger, ein Mann der vielen Ge- sichter und er wäre ein ebenso würdi- ger Nobel-Preisträger gewesen. Es ist interessant, dass Cohen in Europa an- ders auftrat als in Israel. 2009 hatte er ein Konzert bei Tel Aviv, dort sprach er am Ende einen hebräischen Segens- spruch und das Publikum antwortete mit Amen, was ja zu seinem Namen Cohen, also Hohepriester, passt. Vor ei- nem jüdischen Publikum sah er sich als eine Art Pop-Priester. Und das schon seit den 70er Jahren. Seine Hinwen- dung zum Buddhismus war allenfalls ein harmloser Flirt, denn er bekann- te: „Ich bin kein Buddhist. Meine alte Religion passt bestens. Ich fühle mich immer noch wie ein Jude und ich pflege einige der alten Traditionen“. „Lord, I'm ready“, singt er auf seinem letzten Album, das schon als Vermächt- nis angelegt ist. In diesem Sommer schrieb er seiner alte Muse Marian- ne Ihlen („So Long, Marianne“) eine Mail, die ihr noch am Sterbebett vorge- lesen wurde: „Nun ist es schon so weit, dass unsere Körper auseinanderfallen. Und ich denke, ich werde dir bald fol- gen. Wisse, dass ich so dicht hinter dir bin, dass du meine Hand berüh- ren kannst, wenn du deine Hand aus- streckst.“ Schöne Worte, voller Poesie, traurig und anrührend zugleich. 34 KULTUR № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Die ganze Familie unter einem Dach Ein Ausblick auf den jüdischen Gemeindetag im Dezember Von Rabbiner Elischa Portnoy

Als ich davon gehört habe, dass dieses Jahr der Zentralrat der Juden wieder einen Gemeindetag veranstaltet, habe ich mich sehr gefreut. Obwohl seit dem letzten Gemeindetag schon drei Jahre vergangen sind, sind die warmen Erin- nerungen noch ziemlich frisch im Kopf. Der 1.Gemeindetag fand 2012 in JONATHAN NACKSTRAND / AFP Hamburg statt und war ein voller Er- folg und hat Lust auf mehr gemacht. Deshalb fand der 2.Gemeindetag auch schon im darauffolgenden Jahr statt – diesmal jedoch in Berlin – und wurde sofort zu einem der Höhepunkte des jü- dischen Lebens in Deutschland. Der Ort für diese anspruchsvolle Veranstaltung wurde sehr passend ge- wählt: das Fünf-Sterne-Hotel „Inter- continental“ im Herzen Berlins, das sowohl einen schönen und eleganten Aufenthalt als auch viele Räume für zahlreiche Veranstaltungen bietet. Es war wirklich ein einmaliges Erleb- nis an einem Ort so viele Bekannte aus allen Ecken Deutschlands zu treffen, die man jahrelang nicht gesehen hat. Da die Veranstaltung von Donnerstag bis Sonntag stattfand, gab es genug Zeit und Gelegenheiten sich mit allen Be- kannten ausgiebig zu unterhalten, oder auch neue Bekanntschaften zu knüp- fen. Eurovision-Song-Contest-Teilnehmer . Außerdem wurde ein sehr interes- santes und abwechslungsreiches Pro- zusammen und haben mehr als eine für die Seele gesorgt sein. ben, so dass jeder Teilnehmer seine Be- gramm mit Arbeitsgruppen, Schiurim Stunde inspirierende Schabbat-Lieder Auch für dieses Jahr wurde ein be- ziehung zu G'tt nach seinen Vorstellun- und Diskussionen geboten. Auch an gesungen. Es war herrlich! Alle, die kannter israelischer Koch eingeladen, gen erleben kann. gutem Essen hat es nicht gefehlt. Für zu diesem Zeitpunkt noch im Esssaal um für leckeren Gaumenschmaus zu Nach dem Schabbatausgang wird es die zahlreichen Kinder gab es gute anwesend waren, haben dieses Singen sorgen. Wie gewohnt wird das Essen ein großes Dinner geben, bei dem u.a. und professionelle Betreuung, die den sehr genossen. streng koscher sein, dafür sorgen zwei Eurovision-Song-Contest-Teilnehmer Eltern die Teilnahme an den Arbeits- Nach dem unvergesslichen Schabbat erfahrene Rabbiner der Orthodoxen Amir Haddad sein erstes Deutschland- gruppen, Unterhaltung mit Freunden und der eindrucksvollen Havdala-Ze- Konferenz Deutschlands und ihr Ma- Konzert geben wird. und Konzentration bei den Gebeten remonie, die wieder mehrere hundert schgichim-Team. Auch am Sonntag kann man sich mit ermöglichte. Teilnehmer versammelte, gab es den Damit auch der Körper das Wochen- der Abreise Zeit lassen: Es wird eine Die zwei Höhepunkte des vergange- zweiten Höhepunkt: Das Gala-Dinner. ende genießt, werden dieses Jahr auch spannende Podiumsdiskussion mit nen Gemeindetages müssen aber unbe- Um dieses Dinner perfekt zu machen Sportaktivitäten, unter anderem Lau- dem Präsidenten des Zentralrats Dr. dingt separat erwähnt werden. wurde ein israelischer Star-Koch einge- fen, am frühen Morgen angeboten. Josef Schuster, dem Präsidenten des Als Erstes: Kabbalat Schabbat. Hun- laden. Und das Gala-Dinner, das durch Mit zahlreichen Arbeitsgruppen, Po- Bundesverfassungsschutzes, Hans-Ge- derte Teilnehmer in zwei großen gefüll- Gastredner und ein Konzert begleitet diumsdiskussionen und interessanten org Maaßen, dem CDU-Innenpolitiker ten Sälen (es gab parallele Gebete mit wurde, wurde tatsächlich seinem Na- Gastrednern wird es keinem Teilneh- Ansgar Heveling und mit dem ehemali- orthodoxem und mit liberalem Ritus), men gerecht. mer langweilig werden. Und damit die gen Pressesprecher der Israelischen Ar- hunderte brennende Schabbat-Kerzen, Dieses Jahr findet endlich der 3. Ge- Eltern ihr gefülltes Programm genie- mee Major Arye Sharuz Shalicar über warme Atmosphäre, viele festlich ge- meindetag unter dem Motto „Ein Dach, ßen können, wird es für die Kinder von Islamismus geben. kleidete Kinder – so was ist in Deutsch- eine Familie“ statt. Auch diesmal ist vier bis zwölf Jahren im „Kids Club“ ein Also – die jüdische Familie land wirklich einmalig! eine tolle Veranstaltung zu erwarten. Programm vorbereitet. Deutschlands kann sich schon darauf Nach der genussreichen Schabbat- Dieses Mal kommen fast 1.200 Teil- Selbstverständlich wird es wieder freuen, unter einem Dach in Berlin Mahlzeit kamen mehrere Rabbiner und nehmer nach Berlin. Und es wird – wie eine gemeinsame Schabbat-Feier mit ein spannendes Wochenende zu ver- Rabbinerstundenten an einem Tisch immer – sowohl für den Leib als auch orthodoxem und liberalem Ritus ge- bringen! „Sachor Jetzt!“ – Holocaust-Gedenken 2.0 Die Springer-Akademie geht unkonventionelle Wege in der geschichtllichen Aufklärung

Von Mike Delberg „Wir wollten diese Zielgruppe bewusst jüdischen Vergangenheit. So besuchen scher Varianten zu bedienen, sprechen mit einem Thema konfrontieren, das sie Gedenkstätten von Konzentrations- die Springer-Journalisten die Jugend di- Darf man im KZ snappen? Diese Fra- man sich im ersten Moment nicht auf ei- lagern, fliegen in das ehemalige Ghetto rekt an. Snapchat statt Schulbücher. Vi- ge stellten sich die Volontäre der Axel- ner solchen Plattform vorstellen kann“, in Minsk oder sprechen mit einer Überle- deos statt Frontalunterricht. Springer-Akademie. Vor einigen Wochen sagt Abdullah Khan. Der 27-jährige ist benden, gerettet durch Schindlers Liste. Diesen Montag startete das innovati- erhielten die angehenden Jung-Jour- einer der Initiatoren des Projekts und hat ve Social-Media-Projekt. Bis zum kom- nalisten eine durchaus knifflige Aufga- bereits durch eine spektakuläre Under- Holocaust im Unterricht menden Sonntag (11.12.) kann man die be: Seriösen Journalismus auf Snapchat cover-Reportage im Bundesministerium Seit Jahren diskutieren Lehrer und Bil- spannenden Geschichten der jungen Vo- präsentieren. Wie soll das funktionieren? für Migration und Flüchtlinge für Aufse- dungsexperten, wie zeitgemäß das The- lontäre verfolgen und das Springer-Team Snapchat ist eine kostenlose Internet- hen gesorgt. „Der Holocaust und die Ver- ma Holocaust in der Schule noch behan- virtuell begleiten (Profilname: sachor- plattform, auf der es den Nutzern er- folgung von Juden im dritten Reich ist delt wird. Die Umwandlung der Schoah jetzt). Aber aufgepasst: Nach 24 Stunden möglicht wird Fotos und kurze Videos an das dunkelste Kapitel der Menschheits- zu einem als vergangen betrachteten ist alles weg! Für all diejenigen, die noch ausgewählte Freunde zu versenden, die geschichte. Wir, die heutige junge Gene- Teil der Geschichte bereitet nicht nur der nicht zur Snapchat-Gemeinschaft gehö- sich nach dem Ansehen selbst „zerstö- ration, sind möglicherweise die Letzten, jüdischen Gemeinschaft große Sorgen. ren oder eine Story verpasst haben gibt ren“. Auch das Erstellen von sogenann- die noch mit Überlebenden sprechen Wie bringen wir unseren Jugendlichen es jedoch Trost: Unter www.sachor.jetzt ten „Stories“ ist eine beliebte Funktion. können. Ihre Geschichten müssen wei- den Holocaust bei und wie schaffen wir werden alle Aufnahmen samt Untertite- Hierbei sind die Aufnahmen 24 Stunden tererzählt werden“, so Khan. Deshalb be- es die immer größer werdende Distanz lung nochmal online gestellt. lang für alle Freunde sichtbar. Die meis- geben sich die 16 angehenden Journalis- zwischen Vergangenheit und Gegenwart Und zur Frage, ob man nun im KZ ten User sind Jugendliche und benutzen ten auf eine einwöchige Reise durch die zu überbrücken? „Sachor jetzt!“ ist eine snappen darf, sagen wir: Bild dir deine das Programm mehrmals täglich. verschiedenen Facetten der europäisch- mögliche Antwort. Anstatt sich klassi- Meinung! № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU GESCHICHTE 35 Die älteste Pariserin ist eine Wiener Jüdin Ilse Weiszfeld ist 112 Jahre alt Von Danny Leder Seitenstettengasse. Ilses Familie, die Russ Verwandten ein „Familien-Visum“ zu Alain. Und wieder schufen Ilse und (zuerst erschienen bei Hagalil) aus Trebitsch in Mähren, die auf eine verschaffen. Alle zogen nach Paris bis Fritz einen Betrieb, „Le Fleuron“ (das lange Ahnenreihe von Grabsteinmet- auf einen Bruder, einen ehemaligen Prunkstück), der mit Damen-Unter- Ilse Weiszfeld beging soeben ihren 112. zen und Rabbinern zurückging, nahm Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs. wäsche und später sogar mit den ersten Geburtstag. Die gebürtige Wienerin zog es mit der Religion ernst – Ilse sollte Der Bruder wurde in Dachau umge- Bodys Furore machen sollte. 1932 mit ihrem Mann Fritz nach Paris. Das auch noch später in Paris ein „Gebets- bracht. Alle nach Paris gezogenen Ver- „Meine Eltern waren derartig zusam- jüdische Paar und ihre rechtzeitig aus Wien buch für den Alltag“, eine Übersetzung wandten sollten hingegen die Vernich- mengeschweißt, das es für uns Kinder nachgeholte Familie überlebte die Nazi- hebräischer Gebete ins Deutsche in go- tungsmaschinerie der Nazis überleben. schon wieder schwer war, weil man Besetzung versteckt bei Lyon und in den tischer Schrift, bei sich bewahren. Bei ja keinen von Beiden weich klopfen Alpen. In Paris schufen sie einen Textil-Be- den Weiszfelds hingegen, die aus Un- Das Versteck in den Bergen konnte“, bedauert Monique: „Aber im trieb, der mit ausgeklügelten Herstellungs- garn stammten und sogar den Gründer Denn Fritz reagierte abermals voraus- Betrieb war das perfekt. Ilse leitete die methoden und bahnbrechenden Modellen der ungarischen liberalen Partei in ih- schauend. Als Hitlers Truppen 1940 in Werkstatt, sie konnte mit den jungen Furore machte. ren Reihen zählten, hielt man nicht viel Frankreich einmarschierten, brach die Näherinnen bestens umgehen, noch Es ist eine der üblichen Geburtstagsfei- von religiösen Vorschriften. Vater Da- Familie in die so genannte freie Zone Jahre später bekam sie von ehemali- ern in einem Altersheim des 13.Pariser vid pflegte ausgerechnet am jüdischen auf. Bis 1942 blieb dieser südöstliche gen Mitarbeiterinnen Grußschreiben. Arrondissement – aber mit zwei Beson- Fastentag, dem Jom Kippur, Schweins- Teil Frankreichs unbesetzt und unter- Mein Vater aber konnte buchstäblich derheiten: neben Verwandten sind auch haxen mit Sauerkraut zu speisen. stand ausschließlich dem französischen alles: verkaufen, die Modelle entwer- Kommunalpolitiker erschienen, um der Als Ilse heiratete – sie hatte inzwi- Kollaborationsregime. fen und das Wichtigste, er schuf mit ältesten Pariserin zu gratulieren. Und diese Die Weiszfelds machten sich eigenen Händen die Metallstücke für 112-jährige Dame wird vom Pflegeperso- aber keine Illusionen über dieses die Maschinen, um die Modelle präzi- nal „Mutti“ genannt und spricht Deutsch Regime, das den Besatzern bei der se herzustellen. Wie oft kauften Kon- mit Wiener Akzent. Wenn ihr etwa eine Judenverfolgung schnell zur Hand kurrenten unsere Waren und konnten ihrer Enkeltöchter einen Urenkel, die dun- ging. Monique und ihre Tante doch nicht die Herstellungsmethoden kelhäutige Emily (der Vater des Kindes Irma, die Schwester von Ilse, wur- entschlüsseln.“ stammt aus Kamerun) entgegenhält, sagt den in ein entlegenes Alpenmassiv Wie bei vielen jüdischen Migranten sie: „Wie reizend, dieses Kind“. geschickt, das Ilse und Fritz bei war nach dem Krieg – allen scheußlich- Aber auch der gelernte Wiener vermag ihren Skitouren entdeckt hatten. en Erinnerungen zum Trotz – Öster- nicht mit Gewissheit zu sagen, welchen Es handelte sich um die Bergkette reich-Nostalgie angesagt: bei den El- Grad an echtem Entzücken über den jüngs- hagalil des Vercors südlich von Grenoble tern von Ilse gab es regelmäßig Abende ten Familiennachwuchs diese Formulie- Hochzeit 1928 im Wiener Stadttempel – die Ironie der Geschichte: die mit Wiener Liedern für die ganze Fami- rung enthält. So dürfte sie es ihr langes Le- Gegend, die die Weiszfelds wegen lie. ben lang gehalten haben, die Ilse Weiszfeld, schen ein Examen in Französisch und ihrer vermeintlichen Abgeschieden- Mit der Zeit kamen neue, harmlosere geborene Russ, die in Wien 1904 zur Welt Englisch bestanden – war ihr ursprüng- heit und Ruhe als Unterschlupf für ihre Erschütterungen: der Sohn, später ein kam, als Tochter eines Spirituosenverkäu- licher Berufstraum, selber an einer Tochter ausgewählt hatten, wurde zu erfolgreicher Forscher auf dem Gebiet fers bei einer Kutschenhaltestelle in Schön- Schule Sprachen zu unterrichten, be- einer Hochburg der Résistance. Wi- der Zahnmedizin, war als Gymnasiast brunn und einer Standlerin für Milchwa- reits zerstoben. Im darbenden Wien der derstandskämpfer und die Miliz des ein rebellischer Maoist – und wurde ren am Naschmarkt. „Eine eiserne Faust in Zwischenkriegszeit schlug sie sich auch Kollaborationsregimes lieferten sich dafür von seiner Tante enterbt. einem Samthandschuh“, sagt über sie ihre als Sekretärin mehr schlecht als recht dort erbitterte Kämpfe. 1944 wurde Tochter, Monique, und rätselt: „Hat Mut- durch. Da traf es sich gut, dass Fritz ihr die natürliche Bergfestung von einem In älteren Jahren fühlten sich Ilse ti die Hautfarbe von Emily nicht bemerkt eine Anstellung im Betrieb seiner El- Großaufgebot an deutschen Boden- und Fritz mehr denn je der jüdischen oder wollte sie nichts dazu sagen?“ tern verschaffte. Doch auch in der Fir- Luft-Truppen eingenommen und die Schicksalsgemeinschaft verbunden. Tochter Monique, eine pensionierte Uni- ma Weiszfeld und Co., die „Damenwä- Überlebenden hingeschlachtet. Aber Was Fritz allerdings nicht daran hin- professorin (für englische Zivilisation), ist sche aller Art“ im dritten Bezirk Wiens, Monique und Irma durchlebten diese derte, in der Tradition seiner liberal en- auch schon 80. Aber ausschauen tut sie wie am Rennweg, erzeugte, langte es bald Wirren unbeschadet, weil ein beträcht- gagierten ungarisch-jüdischen Familie, 60 und redet wie eine 20-jährige – und das nicht mehr für alle. Fritz war eine Art licher Teil der Bergbevölkerung ge- religiöse Orthodoxie und Vorschriften ebenfalls in perfektem Wiener Deutsch. frühreifer Tausendsassa, der die Schule genüber den Kollaborationsbehörden mit ironischer Skepsis zu betrachten Dabei ist Monique in Paris geboren und mit 14 beendet und bloß im elterlichen Stillschweigen bewahrte und zusam- – im Keller ihres Hauses im Pariser kennt Wien nur von vereinzelten Besuchen Unternehmen das Handwerk gelernt menhielt. Vorort Le Vésinet, so erinnert sich Mo- und den Erinnerungen ihrer Mutter, die ihr nique, hatte ihr Vater stets einen „wun- ein gemischtes Österreich-Bild vermittelte. derbaren Paprika-Speck“ aufgehängt.  „Meine Großmutter wollte partout nicht Das hinderte ihn freilich nicht daran, Die Lehrerin nennt sie „Sarah“ als großzügiger Spender die örtliche statt Ilse verstehen, warum sie im Narrenhaus ihre Synagoge zu unterstützen. Und das kam so: die kleine Ilse, die in Afrikanische Geburtstagslieder Wien in der Märzstraße aufwuchs, bekam Wiener Mehlspeisen nicht weiter zurichten Einer Enkelin, die sie zur Situati- manchmal in der Schule zu spüren, dass on der Frauen im Rückblick befragte, sie doch nicht ganz dazugehörte. Eine Zei- konnte“, erzählt Monique. sagte Ilse vor wenigen Jahren: „Es ist chenlehrerin nannte sie immerzu Sarah, eine neue Welt. Die Berufstätigkeit der bis Ilse drohte, sie werde das der Direkto- hatte. Mit 16 war er bereits als Vertre- Die betagten Eltern von Ilse wiede- Frauen, die Entbindung im Spital, die rin melden. Das wollte die Zeichenlehre- ter losgezogen. Vier Jahre nach seiner rum wurden in einem psychiatrischen Empfängnisverhütung, das Recht auf rin dann doch nicht riskieren, alles war da- Hochzeit mit Ilse wagte er den Sprung Sanatorium untergebracht, ein ideales Abtreibung. Aber dann kamen die vie- mals noch nicht erlaubt. Und so es kam zu nach Paris. Versteck. „Meine Großmutter wollte len Scheidungen. Die Jungen machen einem Arrangement: Ilse, die fürs Zeich- partout nicht verstehen, warum sie im heute Kinder ohne Heirat. Und dann nen keine Begabung hatte, durfte fortan Die ersten Erfolge in Paris Narrenhaus ihre Wiener Mehlspeisen diese Mischung der Kulturen. Wenn bei Prüfungen Zeichnungen vorlegen, die In einem Kämmerchen in Paris legte nicht weiter zurichten konnte“, erzählt man so viel Unterschiede hat, wie soll ihre Lehrerin angefertigt hatte. das Paar den Grundstein für eine be- Monique. man dann noch zusammenhalten? Aber Es gab aber in ihren Erinnerungen auch triebliche Erfolgsgeschichte. „Mein Va- Ilse mietete eine Wohnung in einem es ist jetzt alles so sehr im Fluss, das ist viel Schönes: einen Park, in dem Ilse Schu- ter,“ erzählt Monique, „kaufte eine Rol- Vorort von Lyon. Aber Fritz, der seinen nicht leicht. Ihr werdet schon wissen, le schwänzte, um „Babys zu sehen“ – bis le Stoff und schnitt sie zu, meine Mutter österreichischen Akzent nicht zu ver- was gut für Euch ist. Mein Kram ist das die Eltern dahinterkamen. Der Viertelliter nähte, sie hatten eine Stickerei-Technik bergen vermochte, musste ständig in ja nicht mehr.“ Milch, den sie der Großmutter heimbrin- für Unterwäsche und Nachthemden einem kleinen Raum versteckt bleiben. Im Vorjahr, bei Ilses 111. Geburtstag, gen sollte, und den sie unterwegs zur Hälf- aus Wien mitgebracht, die damals in Die perfekt französischsprachige Ilse sangen die – überwiegend afrikani- te austrank und dann mit Wasser nach- Paris noch nicht bekannt war. Mein Va- hingegen konnte mit dem gefälschten schen – Pflegerinnen Glückwunschlie- füllte. Sie sah den Kaiser in einer Kutsche ter bot das den großen Kaufhäusern an, Ausweis einer nicht-jüdischen Freun- der in afrikanischen Sprachen – eine vorbeifahren. Später kam die Oper mit ih- den „Galerie Lafayette“ und dem „Prin- din und ihrer üblichen Nervenstärke nette Revanche für die vielen Anreden ren Stehplätzen. Und noch später der jüdi- temps“, die waren begeistert. Kaum hat- die häufigen Straßenkontrollen passie- auf Deutsch, die „Mutti“ ihnen gegen- sche Sportklub „Hakoah“, das Schifahren te er die ersten Lieferungen abgesetzt, ren und Schwarzmärkte nach Essbarem über ständig gebraucht. Wenn es zur und Schwimmen. Da lernte sie Fritz Weis- rannte er los, um Stoff nachzukaufen.“ abklappern. Sache geht, kann Ilse aber auch wie- zfeld, einen feschen Amateur-Fußballer, Ein florierendes Unternehmen ent- der auf Französisch schnippisch wer- kennen. stand. „Meine Mutter bekam in Paris Fritz – ein genialer Maschinen- den. Als ihr eine Bezirksrätin ein Buch auch viel weniger Antisemitismus als in bastler übergab, ätzte sie: „Mademoiselle, Sie Steinmetze und Rabbiner als Wien zu spüren“, ergänzt Monique. Nach der Befreiung Frankreichs gebar schenken mir seit Jahren immer das Vorfahren Aber Fritz ahnte die Gefahr für die Ilse, die in Wien „lieber Babys im Park gleiche Buch. Jetzt könnten Sie sich Geheiratet wurde 1928 im jüdischen „Tem- Juden in Österreich. Er bestach einen anschauen als in die Schule ging“, in aber zur Abwechslung etwas Neues pel“, der größten Wiener Synagoge in der Pariser Beamten, um seinen engsten Paris 1946 das zweite Kind, ihren Sohn einfallen lassen“. 36 WISSEN № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU „Fartaitscht un farbesert“: Die Falsch-Übersetzungen des Martin Luther Martin Luther machte Fehler bei seiner Bibel-Übersetzung, die bis heute nachwirken Von Miriam Magall Juden sollen Christen werden. Als sie aber weiterhin verstockt bleiben und es Wenn von Martin Luther (1483— trotzdem mehrheitlich ablehnen, wird 1546) die Rede ist, denken die meisten der Herr Dr. Luther recht böse auf sie. an den herausragenden Bibel-Überset- Der Rest ist bekannt: zer, wenige andere dagegen an seine unsäglichen Schmähungen gegen die OMAR TORRES / AFP „Fartaitscht un farbesert“: Juden. Wie Luther das geworden ist, Luthers Bibel-Übersetzung was er war, ist in der allgemeinen Dis- Doch jetzt zum Hebräischen und der kussion über diesen wichtigen Mann hebräischen Bibel. In Wittenberg hat der deutschen Geschichte weitgehend Luther etwas Zeit und, wohl angeregt untergegangen. Und doch ist Luthers durch seine eigene, ziemlich späte di- Werdegang bestimmend für seine Ent- rekte Begegnung mit der Bibel, auf La- wicklung zu dem, wie man ihn zu ken- teinisch, versteht sich – das war damals nen meint. die übliche Sprache in christlichen Gelehrtenkreisen – wendet er sich nun Luthers Werdegang ganz ernsthaft der Bibel zu. Im Mai Beginnen wir beim Anfang: Martin Lu- 1521 nimmt er die Übersetzung des der (kein Schreibfehler!) wächst in einer Neuen Testaments ins Deutsche in An- weitgehend mittelalterlich geprägten griff. Eine ihm wohl vertraute Welt mit Welt auf. Gehorchen ist das A und O. Zu wohl bekannten Themen und Perso- Hause bei den Eltern, später im Kloster. nen. Kein Wunder, dass schon nach ge- Zauber, Hexenwesen und der Teufel sind rade einmal zehn Monaten die fertige die Luder prägenden Begriffe. Schwere Übersetzung gedruckt vorliegt. 1523 Kindheit. Kein Wunder, dass er das wur- oder 1524 wagt er sich an die deutsche de, was er wurde, würde man heute ent- Übersetzung des von den Christen so schuldigend sagen. Ja, was? Ein glühender genannten Alten Testaments. Luther Antisemit. Einer, der die Juden noch ver- gesteht ein, er könne die Sprache nicht folgt, als er, 1546, schon auf dem Sterbe- besonders gut. Daher braucht er für die bett liegt – und: seine negativen Werteur- Übersetzung des Alten Testaments ja teile hallen lange nach. auch 12 Jahre! Dass er überdies eine Im Alter von 7 Jahren kommt Luder auf nicht unbeträchtliche Zahl von Über- die städtische Trivialschule. Dort lernt er setzungsfehlern macht, würde ihm Schreiben und Rechnen, aber auch und heute kein Verleger, der etwas auf sich vor allem Latein, unterstützt von Schlä- hält, nachsehen. Als Übersetzerin von gen und sofortigen Strafen, wenn ein 310 Büchern weiß ich, wovon ich spre- Schüler statt Latein Deutsch zu sprechen che. Seine Übersetzungsfehler haben wagt. Die nächste Etappe seiner Bildung das christliche Bild der Welt um die ist die Domschule in Magdeburg. Er Zeitwende so nachhaltig geprägt, dass wohnt dort bei den „Brüdern vom Ge- sogar die gesamte Heilslehre eng mit meinsamen Leben“, noch keine klöster- ihr verflochten ist. liche Gemeinschaft, aber sie prägt ihn religiös. Ab 1498 besucht Martin Luder Beispielhaft vorgeführt seien hier ei- die Lateinschule der St. Georgspfarrei in nige der gröberen Fehler, die weiterhin Eisenach, die Geburtsstadt seiner Mut- als Wahrheiten verbreitet werden. Die ter. Eine Nebensächlichkeit: Sowohl in nachhaltigste bezieht sich wohl auf den Magdeburg als auch in Eisenach müssen Begriff „Jungfrau“. In Jesaja 7,14 heißt die Schüler durch Betteln mit für ihren es, so Luther: „Die Jungfrau wird ein Unterhalt sorgen. Das lehrt Luder demü- Kind empfangen, sie wird einen Sohn tige Entsagung. Möglicherweise liest er gebären.“ Um diese Jungfrau dreht sich hier das kurz zuvor erschienene Buch des Martin Luther (hier mit einem Fußball verziert) beeinflusste die deutsche Sprache wie kaum ein Zweiter die gesamte Heilslehre: Der Sohn die- Nikolaus von Lyra aus der Normandie ser Jungfrau namens Maria bringt in (um 1270—1349), eine Kampfschrift mit gust 1513 um 6 Uhr morgens (!) an in Luders Psalter lediglich 2 (!) frei von der Tat ihren Sohn Jesus auf die Welt, dem anregenden Titel „Gegen die Treu- der Universität zu Wittenberg – über polemischen oder abwertenden Aussa- ohne dass sie mit ihrem späteren Mann losigkeit der Juden“, die 1497 in Nürn- die Psalmen. Für seine Vorlesung lässt gen über die Juden oder die Synagoge Josef verheiratet wäre. Eigentlich ein burg nachgedruckt wird. Er wird sie bei er alle Psalmen extra drucken – und (Ps 97 und 112). Hinzu kommt gemäß krasser Fall von – Entschuldigung – der Hand haben, als er seine erste Vorle- setzt ihnen eine „Praefatio“ voraus: Luder die „Urhandlung“ der Juden: die damals genau so genannt, Hurerei, die sung gibt. Und sogar noch 1543 dient sie „Vorwort Jesu Christi des Gottes Soh- Kreuzigung Christi, eine Perspektive, generell mit der Todesstrafe geahndet ihm als ergiebige Quelle. 1501 immat- nes und unseres Herrn zu den Psalmen die er unkritisch vom Kirchenvater Au- wird. Aber nichts davon droht der jung- rikuliert sich Luther an der Universität von David.“ Er bringt es fertig, diesen gustinus (354—430 d. Z.) übernimmt. fräulichen Maria vor oder nach der Ge- Erfurt, um das vom Vater verordnete von David tröstenden Worten einer Und, so Luder, die Juden setzen ihr burt ihres Sohnes. Aber wir sind bei der Studium, Jura, aufzunehmen. Wie schon jüdischen Zukunft einen völlig neuen, mörderisches Handwerk in der Gegen- Sprache. In der hebräischen Bibel steht ein anderer Prominenter hat auch Luder gegen die Juden gerichteten Sinn zu ge- wart fort: Sie kreuzigen und bespucken an dieser Stelle, auf die Luther sich aus- sein „Damaskus-Erlebnis“: Als ihn der ben: „Die mich (Christus) ohne Grund die Heilige Schrift, die Propheten und drücklich bezieht: Ha-alma hara ve-jo- Blitz trifft, soll er in Todesangst gerufen hassen“ (d.h., die Juden), und „die mir Schriftgelehrten. Die Juden sind, so leddet ben, das heißt auf Deutsch: „Das haben: „Hilf du, Heilige Anna, ich will zu Unrecht feind sind und mich verder- Luder weiter, ein „Blutacker“, ein „Kö- junge Weib wird schwanger und gebiert ein Mönch werden!“ Anna hilft. Luder ben wollen“ (V5), „meine Widersacher nigreich des Blutes und eine Synagoge einen Sohn.“ Nehmen wir als Vergleich überlebt den Blitzschlag. Gerade einmal sind dir [G-tt] alle vor Augen“ (immer des Satans bis auf den heutigen Tag“. eine andere Bibelstelle, in der eben- zwei Wochen später wird Luder bei den die Juden!) (V20), „Ihre Wohnstatt soll Zur Erinnerung: Wir befinden uns hier falls von einer jungen Frau die Rede Jenaer Augustiner-Eremiten Mönch, Bet- verwüstet werden“ (V26), sehr ver- im Jahr 1513, Luder ist gerade einmal ist. Beim selben Jesaja ist etwas später, telmönch. Hier im Kloster, er ist 20 Jahre traute Worte aus späterer Zeit! Und er 30 Jahre alt, als er sich derart gegen die ebda., 47,1, die Rede von der „jungfräu- alt, liest Luder die Bibel! Zum ersten Mal wettert: Die Juden seien „hochmütig“, Juden ereifert! lichen Tochter Babel“, auf Hebräisch: hat er eine komplette Bibel in der Hand! „neidisch“, „gottlos“, „Feinde“, „Has- Im Jahr 1519 kam der Bruch mit betula bat-Bawel. Luther macht daraus: Und liest sie fortan, zweimal pro Jahr, von ser“, „Verfolger“, „Sünder“, „Gottlose“ dem Papst und der Namenswechsel „Jungfrau, du Tochter Babel“. Anfang bis zum Ende durch! Kein Wun- und noch einige negative Dinge mehr. zu Luther. Damit ändert sich jäh seine Wir haben es hier gleich zweimal mit der, dass er sie besser als die meisten sei- Luder muss es immer wieder beto- Einstellung zu den Juden. Schließlich einer jungen Frau zu tun, einmal mit ner Zeitgenossen kennt. nen: Die Juden können lediglich alles braucht er neue Verbündete. Zu die- alma, ein zweites Mal mit betula, also platt irdisch auslegen, sind immer nur sem Zweck verfasst er seine Schrift von „junge Frau“ und „Jungfrau“. alma wird Luders erste Schritte als „Bibel- ans „Fleischliche“ gebunden. Sie hän- Jesus, der ein geborener Jude gewesen im „Hebräisch-aramäischen Wörter- Interpret“ gen am tötenden Buchstaben, den geis- sei. Mild spricht er mit einem Mal über buch zum Alten Testament“ von Dr. Seine erste „hauptamtliche“ Vorlesung tigen Sinn verfehlen sie dagegen völlig. die von ihm bisher so arg verleumde- Eduard König, Leipzig 1922, als „ein beginnt Dr. Martin Luder am 16. Au- Von den insgesamt 150 Psalmen sind ten Juden. Denn aus den verstockten mannbares junges Mädchen“ bezeich- № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU WISSEN 37 net, so auch die Braut Isaaks (Gen. krasse Fehlübersetzung. Denn es gibt Gussopfer macht er ein „Trankopfer“, nicht mehr dazu. Er stirbt am 18. Feb- 24,43). Dieselbe deutsche Überset- doch wohl einen Unterschied zwischen und aus dem hebräischen Friedensop- ruar 1546 in Eisleben. zung, „Jungfrau“, finden wir im selben „morden“ und „töten“. Ein Mensch darf fer ein „Heilspfer“ (ebda. 15, 8). Bei Wörterbuch für den hebräischen Be- töten, um sich oder andere zu verteidi- „Gussopfer“ oder „Trankopfer“ halte Die Wirkung griff betula. gen, aber morden, siehe die so genann- man sich die Bedeutung des jeweiligen „Worte können genauso mörderisch Nach diesen einführenden Bemer- ten „Selbstmordattentäter“, wie sie im Verbs vor Augen: Wein Im Jerusalemer sein wie ein Schwert.“ Wie wahr, man kungen wenden wir uns dem Anfang Staat Israel und seit einiger Zeit auch in Tempel wurde an die Füße des Altars betrachte nur Martin Luther und die zu, der Schöpfungsgeschichte. In Ge- Europa immer wieder mit fatalen Fol- gegossen. Oder haben die Priester ihn Wirkungsgeschichte seiner Bibel- nesis 2,21 wird von der Erschaffung gen für die Umgebung begegnen, das etwa ausgetrunken? Zwei völlig ver- Übersetzung. Wie kaum ein anderer des ersten Menschen berichtet. In der ist absolut verboten. schiedene Vorgänge. Das Trinken ge- Mensch hat er die Sprache der Bibel hebräischen Bibel liest sich das so: ve- In Leviticus erfahren wir einiges über fällt Dr. Martin Luther anscheinend und damit auch das Judenbild für Jahr- jekach achat me-zlaotav, auf Deutsch: das erste Heiligtum, das der erste na- besser. Und auch der Unterschied zwi- hunderte geprägt. Zwar hat er den An- „und nahm eine von seinen Seiten“. Lu- mentlich genannte Künstler der Welt, schen „Friedensopfer“ und „Heilsop- tijudaismus nicht erfunden, das hat die ther macht daraus: „nahm eine seiner Bezalel, auf Deutsch: „im Schatten des fer“ sticht sogleich ins Auge. Das erste Kirche schon lange vor ihm getan, aber Rippen.“ zlaotav kann, in der Tat, bei- Ewigen“, auf G-ttes Anweisungen hin will versöhnen, das zweite sucht, egois- mit seinen Vorlesungen und Schriften, des bedeuten: „Rippen“ und „Seiten“. baute: ohel-moed, das „Stiftszelt“, wie tischer, das „Heil“! angefangen von seiner ersten Vorlesung Nach jüdischem Verständnis waren es in der deutschen Übersetzung der Am Ende kommt Luther zu dem als ganz junger Mann 1513, die größ- Mann und Frau ursprünglich eins – hebräischen Bibel heißt und anhand Schluss, die Juden hätten ihre eigene tenteils übersehen wird, spricht man und wurden von G-tt getrennt, da ha- seiner Beschreibung auch sein muss. Schrift verfälscht bzw. sie verstünden von Luthers Antijudaismus, bis zu sei- ben wir zwei Seiten. Luther nutzt hier Luther hat dafür den Begriff „Stiftshüt- sie nicht einmal – nämlich, in seiner ner letzten Schrift „Über die Juden und die vorherrschende Meinung über den te“ eingeführt, und Generationen von Sicht richtig, als Vorgriff auf das Neue ihre Lügen“ aus dem Jahr 1543 bringt untergeordneten Status der Frau: Sie ist Protestanten kennen diesen Bau nur Testament, denn wie er schon 1521 in er seine Verachtung und seinen Hass keine eigene Schöpfung, sondern nur unter diesem Namen. Bei meinen Füh- seiner ersten Vorlesung über die Psal- auf sie zum Ausdruck, unterbrochen le- ein Ableger Adams und ihm daher un- diglich von dem kurzen Intermezzo, in terlegen und untergeben, eine Sicht, die dem er auf die große „Judenbekehrung“ jahrhundertelang bestimmend für ihre Sowohl in Magdeburg als auch in Eisenach hofft und darin furchtbar enttäuscht gesellschaftliche Stellung war. wird, sodass er schließlich zu seinen al- Wie die Frau bei ihrer Schöpfung müssen die Schüler durch Betteln ten Überzeugungen über die Juden zu- heißt, ist zwei Verse weiter zu erfahren, rückkehrt und unermüdlich gegen sie Genesis 2,23, auf Hebräisch: ve-sot jik- mit für ihren Unterhalt sorgen. hetzt und wütet – ohne dass er übrigens ra ischa, auf Deutsch: „diese soll Män- auch nur je einen näher gekannt hätte! nin heißen“, ischa ist abgeleitet von isch, Das lehrt Luder demütige Entsagung. Ohne jeden Skrupel eignet sich Mar- auf Deutsch „Mann“. Luther nennt sie tin Luther die Hebräische Bibel an und einfach „Weib soll sie heißen!“ Inzwi- macht daraus sozusagen ein Vorwort schen wird dieser heute beleidigende rungen durch die Synagoge in Berlin men alles aus dem Mund von Jesus zum Neuen Testament, indem er al- Ausdruck durch „Frau“ ersetzt und von werde ich immer wieder dementspre- zitiert, stellt auch das restliche so ge- les aus der Sicht seines Heilands Jesus ganz modernen christlichen Interpre- chend korrigiert und muss dann das nannte „Alte Testament“, die Hebräi- sieht und sagt. Und auch das: Viele sei- ten sogar durch „Männin“. Man hat ge- folgende anführen: Luther hat hier den sche Bibel in jüdischem Verständnis, ner falschen Übersetzungen gelten seit- lernt und bei der jüdischen Konkurrenz hebräischen Begriff, s.o., falsch über- nichts als eine Ankündigung des Erlö- her fest zum Kanon der Bibel-Zitate. nachgeschaut. setzt. Und natürlich hat ein Zelt einen sers dar. Im selben Kapitel, Genesis 37,4, heißt Eingang (Lev. 1,3), wie es in der richti- Angesichts dieser Sprachvergleiche Verwendete Bibelausgaben es zu Josefs Bekleidung: ve-assa lo kton- gen Übersetzung der hebräischen Bibel stellt sich die Frage bei Martin Luther, net passim, zu Deutsch: „und er machte an dieser Stelle heißt. Dass Luther dar- ob er denn ein Antisemit, nach heuti- Christliche: ihm ein Streifenkleid“. Luther erklärt: aus eine „Tür“ macht, ist wegen seines gem Sprachgebrauch, war. Drei Tage Die Lutherbibel, revidierte Fassung „machte ihm einen Ärmelrock“. Das vorherigen Übersetzungsfehlers durch- vor seinem Tod macht der 63-jährige 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer – richtige – Original zeigt Josefs her- aus einleuchtend. Luther Halt in einem Dorf. Darüber Rechtschreibung: 1999 Stuttgart vorgehobene Stellung an: Ein Strei- Zum Schluss kommen wir noch zu berichtet er seiner Frau: „Aber, wenn Die Bibel. Einheitsübersetzung. Altes fenkleid besteht aus mehreren Farben, den verschiedenen Opfern, die im Du da gewesen wärst, so hättest Du und Neues Testament. Stuttgart 1980. etwas, was sich nur Wohlhabendere Tempel in Jerusalem dargebracht wur- gesagt, es wäre der Juden oder ihres Jüdische: leisten konnten, das gemeine Volk trug den. Sie werden ausführlich in Nume- Gottes Schuld gewesen, denn wir 3. Pentateuch mit Haftarot, Basel 2013. einfarbige Gewänder. Wie aus ktonnet ri 15 geschildert. Da haben wir (Lev. mussten durch ein Dorf kurz vor Eis- Hebräisch und Deutsch. passim für Luther „Ärmelkleid“ wer- 15,3) das isché, das „Feueropfer dem leben, darinnen viel Juden wohnen. 4. Thora, Newi’im und Ktuwim, Jerusa- den konnte, muss wohl sein Geheimnis Ewigen“, ein olé o sewach, ein „Gan- Vielleicht haben sie mich so scharf lem 1966. Hebräisch. bleiben. zopfer oder ein Schlachtopfer“, ebenso angeblasen“... und weiter: „... muss 5. Die 24 Bücher der Heiligen Schrift, Ba- Besonders störend für jüdische Oh- wie (ebda. 15,7) ein ve-jajin la-nessach, ich mich an die Arbeit machen, die sel 1906. Deutsch. ren und Augen ist das, was über eines das heißt, „und [Wein] als Gussopfer“ Juden zu vertreiben. Graf Albrecht ist der zentralen Feste in christlichen und schließlich (15,8): schlamim, auf ihnen Feind und hat sie schon für vo- Zur Autorin: Miriam Magall ist Juda- Übersetzungen wie hier in Exodus Deutsch „Friedensopfer“. Natürlich gelfrei erklärt. Aber niemand tut ih- istin und Sprachwissenschaftlerin; sie 12,11 steht: „Es ist die Paschafeier“. In weiß Luther es besser als die Juden. nen noch etwas. Will’s Gott, ich will hat 310 Bücher ins Deutsche übersetzt, der hebräischen Bibel hört sich das so Aus dem Ganzopfer in der hebräischen auf der Kanzel Graf Albrecht helfen unter anderen „Tehillat HaSchem“, an: Pessach hu la-Adonai, „ein Über- Bibel wird bei ihm (ebda. 15,7) ein und sie auch preisgeben.“ Zum Glück Gebetbuch für Wochentage und den schreitungsfest dem Ewigen“. Es ist an „Brandopfer“ (ebda. 15,3); aus dem für die Juden kommt Martin Luther Schabbath. der Zeit, meine ich, diese Verballhor- nung gegen den richtigen Namen, eben Pessach, auszutauschen. Sie interessieren Sich für die „Jüdische Rundschau“, möchten sie aber In Exodus 13,4 ist von den Feiertagen die Rede, wie sie von Juden bis heute aus bestimmten Gründen nicht abonnieren. Deswegen haben Sie die begangen werden – und fahren mit dem schon erwähnten Pessach-Fest fort, Zeitung ab und zu im Zeitungskiosk gekauft. Aber Sie laufen nicht denn hier ist zu lesen, wann es began- gen wird: ha-jom atem joz’im be-cho- gerne zum Zeitungskiosk oder finden da die Zeitung nicht immer. desch awiw, auf Deutsch: „Heute zieht ihr hinaus im Frühlingsmonat.“ Bei Lu- Möglicherweise ist Ihre Beweglichkeit begrenzt oder Sie möchten es ther heißt es dagegen: „heute im Monat lieber bequem… Abib“ (sic!). Er weiß anscheinend nicht, dass (a) der hebräische Begriff awiw auf Deutsch „Frühling“ bedeutet, sondern hält ihn wohl für einen Monatsnamen. Dann haben wir ein Auch weiß er – und mit ihm bis heu- te christliche Theologen – allem An- schein nach nicht, (b) dass der hebräi- tolles Angebot für Sie! sche Buchstabe beth /b/ zwischen zwei Vokalen als weth /w/ ausgesprochen wird, denn bis zum heutigen Tag sagt Sie können auf unserer Website www.juedische-rundschau.de die aktu- man in christlich-theologischen Krei- elle Ausgabe der „Jüdischen Rundschau“ bestellen und online bezahlen. sen immer noch Abib, Beerscheba, usf. In Exodus, 20,13 stehen die Zehn Die Zeitung wird innerhalb von 24 Stunden nach Bestellung und Bezah- Gebote, darunter auch das 6. Gebot: lo tirzach!, auf Deutsch: „Du sollst nicht lung an Sie verschickt und kommt direkt zu Ihnen per Post in einem neu- morden!“ In Luthers Übersetzung wird tralen Briefumschlag. daraus: „Du sollst nicht töten!“ Eine 38 WISSEN № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Wie ein deutscher Jude Häuptling eines Indianer-Stammes wurde Von der bewegten Geschichte der Juden im Wilden Westen Von Michael Selutin chen an. So zum Beispiel Moses Baruch („Israel heute“ / aish.com) im Bundesstaat Oregon. Er trieb Han- del mit den Umatila-Indianern und Im frühen 19. Jahrhundert war der Wilde lernte ihre Sprache. Später war er ihr Westen Amerikas auch die Heimat vieler Übersetzer und Berater. In Los Ange- Juden. Es müssen mehr als 230.000 ge- les gewann Wolf Kalischer die Freund- wesen sein. Sie gehörten zu den mutigs- schaft des Stammes der Temecula. ten Pionieren und haben das Land maß- Salomon Bibo ging noch einen GERARD JULIEN / AFP geblich geprägt. Schritt weiter. In Deutschland in eine Eine der detailliertesten Aufzeich- traditionelle jüdische Familie hinein- nungen über das jüdische Leben im geboren, siedelte er mit seinen Brüdern Wilden Westen stammt von der New 1869 in die Neue Welt über. Sie lebten Yorker Jüdin Flora Spiegelberg. Sie hat- in Santa Fe, und Salomon handelte mit te den aus Deutschland eingewander- dem Stamm der Acoma. Er freundete ten Willie Spiegelberg geheiratet. Auf sich so gut mit ihnen an, dass er sie bei ihrer Hochzeitsreise nach New Mexico Gebietsdisputen mit der amerikani- führte Flora Tagebuch. Die Eisenbahn schen Regierung vertrat. Er heiratete fuhr nur bis Las Animas, von wo die eine Acoma-Frau und wurde 1885 zum Spiegelbergs mit der Kutsche weiter- Häuptling gewählt. Häuptling Bibo reisten. Als sie das Hotel der Stadt unterzog den Indianerstamm mehren betraten, „waren gerade zweihundert Reformen. Er veranlasste die India- Cowboys von den Weiden zurückge- ner, umzusiedeln, führte moderne Me- kehrt. Alle waren bis an die Zähne be- thoden in die Landwirtschaft ein und waffnet“, schrieb Flora. „Als sie mich gründete eine Schule. sahen, erhoben sich alle wie auf Befehl. Berühmt als Jude im Wilden Westen Lange Zeit galt die Jeans als Arbeiterhose des Westens, bis Touristen zu Besuch nach Kalifornien ka- Sie johlten mir zu: Hallo Lady, schön, war auch Loeb Strauss, ebenfalls aus men. Sie brachten die blauen Hosen mit nach Hause, die Jeans trat ihren Siegeszug an. Sie zu sehen! Ich war die erste Frau, die Deutschland. Als 1848 in Kaliforni- sie seit Monaten zu sehen bekamen.“ en Gold entdeckt wurde, gab er seine Die erste Jeans war geboren. Lange Zeit sie Schüsse auf der Straße hörte, lief sie Flora und Willie Spiegelberg ließen Schneiderei in New York auf, um ein galt die Jeans als Arbeiterhose des Wes- ohne Kopfbedeckung neugierig hin- sich in Santa Fe nieder, wo Flora für Geschäft zur Versorgung der Goldgrä- tens, bis Touristen zu Besuch nach Kali- aus. „Wyatt Earp, ein , sah die dortigen acht jüdischen Kinder eine ber zu gründen. Er änderte seinen Vor- fornien kamen. Sie brachten die blauen mich und kam auf mich zu“, schrieb Jo- Schule gründete. Willie wurde 1884 namen in Levi. Strauss verkaufte den Hosen mit nach Hause, die Jeans trat ih- sephine. „Mein einziger Gedanke war: Bürgermeister. Minenarbeitern alles, was sie brauch- ren Siegeszug an. Im Zweiten Weltkrieg Mein Gott, ich habe keine Haube auf! Die Juden kamen auch mit den Indi- ten. 1872 verriet ihm der Schneider wurde Jeansstoff sogar rationiert. Was wird der Mann von mir denken?“ anern in engen Kontakt. 1867 wurde Jakob Davis, dass man mit Hilfe von Das Feuergefecht am O.K. Corral Er dachte wohl nichts Schlechtes, denn in Nebraska bei einer Büffeljagd der Metallnieten sehr widerstandsfähi- am 26. Oktober 1881 war eines der be- er und Josephine heirateten. Die Ehe Geschäftsmann Julius Meyer von Si- ge Hosen machen könne. Die beiden rühmtesten des Wilden Westens. Eine bestand 50 Jahre. Der berühmte Revol- oux-Indianern entführt. Er verbrachte verheld, Vorbild für einige Hollywood- mehrere Jahre unter ihnen und erlern- Produktionen, wurde schließlich in Ka- te mehrere indianische Dialekte. Sein Der berühmte Revolverheld Wyatt Earp lifornien auf einem jüdischen Friedhof indianischer Name war „Lockiger wei- begraben. ßer Häuptling mit einer Zunge“, wobei wurde schließlich in Kalifornien auf Anders als ihre Brüder in Europa, „eine Zunge“ für „Ehrlichkeit“ stand. die in Ghettos und heruntergekom- Meyer war später beim amerikanischen einem jüdischen Friedhof begraben. menen Dörfern von einem Pogrom Kongress Dolmetscher für die Urein- zum nächsten dahinvegetierten, konn- wohner Amerikas. Männer meldeten das zum Patent an Augenzeugin war die jüdische Teen- ten die Juden Amerikas nicht nur Viele jüdische Händler knüpften und stellten schroffe Wollhosen her, die agerin Josephine Sarah Marcus. Sie Abenteuer erleben, sondern auch der Handelsbeziehungen mit den India- an besonders anfälligen Stellen mit Kup- war aus Abenteuerlust mit einer Thea- aufstrebenden Supermacht helfen, nern. Dabei eigneten sie sich ihre Spra- fernieten zusammengehalten wurden: tertruppe in den Westen gezogen. Als zu dem zu werden, was sie heute ist. In Aschkelon zu Hause? Das Balkan-Volk der „Aschkali“

Von Edgar Seibel Felsenfest behauptet die Minderheit te man, so versichern es einige der Min- als Pilger aus der Stadt Aschkelon im derheit selbst, auf dem Arbeitsmarkt Es ist die Geschichte eines der breiten heutigen Israel (nach einem Verbleib im erkennbar bessere Chancen. Masse kaum bekannten Phänomens. alten Ägypten) nach Europa gelangt zu Die Volksgruppe selbst ist sich jeden- Eine alteingesessene Volksgruppe auf sein. Beweise dafür wollen die Aschkalis falls einig darüber, dass sie mit der indi- dem Balkan ist der festen Überzeugung, auch in der Heiligen Schrift gefunden schen Herkunftssgeschichte der Roma dass ihr Stamm ursprünglich in Aschke- haben. nichts gemein hat, obwohl es durchaus lon ansässig gewesen sei. Aufgrund des den Roma und Sinti starke Assimilierungsversuche von de- Die Rede ist von den „Aschkali“, die sehr ähnlichen Brauchtumes, so zum ren Seite gibt. bis heute an ihrem beeindruckenden Beispiel den gleichen Heiratsregeln, In den 90er Jahren entstand im Ko- Herkunftsmythos festhalten. In vielen wollen zumindest die westlichen Völ- sovo die Demokratische Partei der al- Staaten des ehemaligen Jugoslawiens, kerkundler trotz der eigenen Überzeu- banischen „Aschkali“. Und ebenfalls in und heute auch noch über seine alten gung der Minderheit keine „Israeliten“ den 90ern entwickelte sich auch in Ma- Grenzen hinaus, lebt die ethnische Min- Aschkali-Flagge oder „Alt-Ägypter“, sondern unverän- zedonien der Verein der sogenannten derheit der Roma und Sinti, die zwar dert eine Roma-Gruppe in ihr sehen. „Balkan-Ägypter“. Seit Neuestem gibt überwiegend dem Islam angehört, aber schab, nach Europa gekommen sein Mit den Roma gleichgesetzt, verließen es die Organisation „RROGRAEK“, einen auch christliche, meist russisch-orthdo- sollen. Doch dieser Theorie wollen sich auch einige der Aschkalis während und gemeinnützigen und aktiven Verein für xe Gruppen aufweist. Wie es den meis- die Aschkali selbst ungern bis gar nicht nach dem Kosovokrieg von 1999 die Frauen der aschkalischen Minderheit im ten bekannt sein dürfte, waren auch die beugen, und man verweist manchmal jugoslawische Heimat. Die Forscher Kosovo. Roma und Sinti in der NS-Zeit mörderi- darauf, dass auch all die anderen Roma nehmen man, hier habe eine Gruppe Die Zahl der Aschkalis beträgt nach schen Repressalien unterworfen. Rund ursprünglich nicht Indien, sondern von Menschen eine ausgefallene Mög- einer Volkszählung von 2011 genau 500.000 verloren damals auf grausams- Ägypten als ihre Urheimat angaben. So lichkeit für sich entdeckt, nicht länger 15.436 Personen im Kosovo; rund 25.000 te Weise ihr Leben. sei auch die Bezeichnung „gypsy“ bzw. als „Personen zweiter Klasse“ zu gel- in Albanien; 3.713 in Mazedonien; 2.054 Vielen Ethnologen zufolge handelt das serbokroatische „djubzi“ oder das ten. Denn auch heute noch werden die in Montenegro und nur 835 in Serbien. es sich auch bei den Aschkali um eine mazedonische „gubzi“ als Anlehnung an Roma und Sinti diskriminiert und sind Auch in Griechenland sollen ein paar Splittergruppe der Roma, deren ge- „Ä-gypter“ bzw. „E-gipcani“ zu verste- auf dem Balkan unbeliebt. Armut und von ihnen eine neue Heimat gefunden meinsame Vorfahren aus dem mittlel- hen. Und die Aschkali kannten das Alte Arbeitslosigkeit plagen die Minderheit haben, wo sie als „die Ägypter“ bezeich- alterlichen Indien, der Region Pand- Ägypten gut – so sagen sie. in Südosteuropa, und als „Aschkali“ hät- net werden. № 12 (28) Dezember 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU RELIGION UND TRADITION 39 Das lehrhafte Chanukka-Fest Bei Festen ist es immer ratsam zu fragen, warum wir sie feiern

Von Rabbiner Elischa Portnoy

Wenn wir an das Chanukka-Fest denken, dann ist das Bild oft recht einfach: antike Griechen haben die Juden unterdrückt, Juden haben einen Aufstand gemacht, die Griechen besiegt und G‘tt hat für die MENAHEN KAHANA / AFP heldenhaften Juden mit Öl ein Wunder gemacht. Deshalb feiern wir jetzt das schöne Lichter-Fest. Wenn man jedoch die ganze Geschich- te (die Gründe für die Unterdrückung und den Auslöser für den Aufstand) sorg- fältig analysiert, kommen erstaunliche Erkenntnisse heraus, die uns ganz anders auf das Chanukka-Fest blicken lassen. Fragen über Fragen Die antiken Griechen waren bekanntlich Götzendiener und hatten viele Götter im Pantheon. Stellt sich die Frage, warum sie der jüdische G‘tt so störte, dass sie gegen die jüdische Religion vorgehen mussten? Ein Gott mehr, einer weniger – warum sollte das ein Problem sein? Umso weni- ger, da Alexander der Große, der Gründer des antiken griechischen Imperiums, laut Das traditionelle Entzünden der Leuchter. unseren Weisen ein großer Bewunderer des Judentum gewesen ist. echtes Wunder war, schenken unsere ner Stärke und Klugheit zuschreibt. Und schen Religion störten sie nur dabei die Außerdem waren die Hellenisten nicht Weisen diesem Wunder erstaunlicher- gerade bei einem militärischen Sieg ist es hellenistische Kultur zu genießen und dafür bekannt die eigene Religion ge- weise ganz wenig Aufmerksamkeit! leicht zu sagen: richtige Strategie, Mut, ihre wenig moralischen Sitten zu prakti- waltsam durchzusetzen. Ganz im Gegen- Es gibt im Talmud ein ganzes Traktat, gute Ortskenntnisse – da bleibt für G‘tt zieren. teil: Sie gestatteten ihren Untertanen die das dem Purim-Fest gewidmet ist (Trak- kein Platz mehr. Als die Makkabäer, die die Mehrheit Verehrung einheimischer Götter und die tat Megila), über Chanukka jedoch gibt es Außerdem hat der Sieg im Krieg dazu des Volkes repräsentierten, die G‘tt und griechisch-makedonischen Vorstellun- den Geboten der Thora treu geblieben gen von der Götterwelt trafen auf lokale sind, den Aufstand begonnen haben, orientalische Kulte, woraus sich jeweils U nreine, Frevler, Trotzige sind nicht konnten sie auf keinen Fall von einem spezifische wechselseitige Beeinflussun- Sieg ausgehen. Es waren nur ganz wenige gen ergaben. die damaligen Griechen, sondern die Juden, Priester gegen die starke und erfahrene Deshalb macht es wenig Sinn, dass die griechische Armee, und die Chancen, Besatzer nur in Israel antireligiöse Geset- die von der hellenistischen Kultur diese Armee zu besiegen, waren fast null. ze machten. Wenn es jedoch darum ging für G‘tt verblendet waren. zu kämpfen, haben diese Kohanim keine Fragen zum Aufstand Überlegungen angestellt, ob es sich lohnt Auch wenn man sich mit dem Aufstand nur eine einzige Stelle im Traktat Schab- geführt, dass die Makkabäer, die eigent- oder nicht, sondern sind einfach in den der Makkabäer gegen die Griechen aus- bat. Die Bücher von den Makkabäern, lich Priester waren, nach dem Sieg den Kampf gezogen. einandersetzt, stellen sich einem mehrere in denen die Geschichte vom Aufstand König aus ihren Reihen gestellt haben. Und genau aus dem gleichen Grund starke Fragen. und dem wunderbaren Sieg festgehalten Und das war absolut falsch, denn nur die wurden die Juden mit dem Öl-Wunder Erstens bestand die Unterdrückung wurde, wurden in den Tanach nicht auf- Nachkommen von König David haben belohnt: auch hier hätte man argumen- nicht nur auf der religiöser Ebene. Es gab genommen und sind nur für die Forscher das Recht König zu werden. Für dieses tieren können, dass das rituell reine Öl zusätzlich sowohl eine soziale als auch der jüdischen Geschichte interessant. Vergehen wurden die Makkabäer von un- nicht nötig sei, und man ja auch mit dem eine wirtschaftliche Unterdrückung. seren Weisen stark kritisiert. unreinen Öl entzünden darf. Jedoch woll- Rambam in seinem halachischen Werk War das Wunder mit dem Öl Erstaunlicherweise wird der Sieg von ten enthusiastische Priester das Gebot „Mischne Tora“ formuliert es am An- tatsächlich nötig? unseren Weisen aber doch beachtet! Im der Menora auf die beste Weise erfüllen, fang von Hilchot Chanukka (Chanukka- Das Wunder mit dem Öl steht dagegen täglichen Gebet „Amida“ werden an den sie haben sich Mühe gegeben und ein Gesetze) folgendermaßen: „Als während ganz im Zentrum der Chanukka-Feier. Feier- und Fastentagen spezielle Einfü- Fass mit dem nötigen Öl gefunden und es des zweiten Tempels das griechische Unsere Weisen haben das Gebot vom gungen gesagt. Und die Einfügung am trotz aller Bedenken, dass es nicht lange Reich die Macht (über Israel) hatte, ver- Lichter-Anzünden am Chanukka sehr Chanukka, die „al haNissim“ (für die reicht, entzündet. hängte es Verbote über Israel, störte die ernst genommen. Es gibt zahlreiche Ha- Wunder) heißt, besteht hauptsächlich aus Und G‘tt hat mit dem Wunder ein Zei- Gesetzesausübung, und erlaubte ihnen lachot (Gesetze), die das Chanukkia- der Dankbarkeit für den militärischen chen gegeben, dass Er diese bedingungs- nicht, sich mit Thora und Mitzwot zu Entzünden betreffen: die Zeit des Ent- Sieg: „Für die Wunder, die Befreiung, die lose Treue schätzt und auch in dieser beschäftigen. Sie streckten ihre Hände zündens, der Platz zum Aufstellen der Ruhmestaten, die Siege und die Kämp- schweren Zeit mit dem jüdischen Volk ist. nach ihrem Vermögen und nach ihren Chanukkia, die Dauer des Brennens der fe, die unsere Väter vollbracht in jenen Töchtern aus...Israel war durch sie in gro- Kerzen, welche Öle und Kerzen verwen- Tagen zu dieser Zeit... Gab Stärke in die Was wir daraus lernen sollen ßer Bedrängnis, sie unterdrückten sie mit det werden dürfen usw. Sogar ein Armer Hand von Schwachen, Viele in die Hand Und das ist eine wichtige Lehre, die wir furchtbarem Druck...“. soll alles dafür tun, die Chanukkia zu ent- von Wenigen, Unreine in die Hand Rei- aus den Ereignissen der Chanukka-Zeit Jedoch begann der Aufstand wegen des zünden, im Notfall sogar dafür die eigene ner, Frevler in die Hand Gerechter, Trot- ziehen sollen: wir sind „Das Volk des Bu- religiösen Konflikts: nachdem ein jüdi- Kleidung verkaufen! zige in die Hand derer, die sich mit deiner ches“ und sollen auf jeden Fall versuchen scher Priester (Kohen) namens Matisya- Aber wenn man genauer hinschaut, Lehre beschäftigen...“. den Sinn der Gebote nachzuvollziehen. hu, aus dem adligen Geschlecht der Has- stellt man mit Erstaunen fest, dass dieses Wenn es jedoch um die Ausführung monäer, in seiner Heimatstadt Modi’in Wunder eigentlich nicht nötig war: der Nicht zögern, wenn es von Mitzwot geht, dann muss nicht lan- als Opfer für Antiochos gefordert worden Halacha nach hätten die Makkabäer in um G‘tt geht ge überlegt und nach richtigen Strategien war, tötete er den seleukidischen Boten der damaligen Situation (wenn Kohanim Und genau hier, in diesem Gebet finden gesucht werden, sondern einfach mal das und einen Juden, der das Opfer vollziehen sowieso rituell unrein waren) die Meno- wir die Antworten auf unsere Fragen: ausgeführt werden, was von einem gerade wollte, und zog sich mit seinen Söhnen ra auch mit dem unreinen Öl entzünden Unreine, Frevler, Trotzige sind nicht die erwartet wird. und einigen Getreuen in die Wüste zu- dürfen! damaligen Griechen, sondern die Juden, Man kann lange überlegen, wie wich- rück. Damit begann der Krieg gegen das Warum aber hat G‘tt das Wunder doch die von der hellenistischen Kultur ver- tig das Gebot vom Tfillin-Legen ist und Imperium, der fast hundert Jahre dauerte geschehen lassen? Und warum ist dieses blendet waren. welche tiefen Geheimnisse es beinhaltet, und mit einem wunderbaren Sieg endete. Wunder für unsere Weisen viel wichtiger Genau diese Juden, die „Mitjawnim“ aber wenn man schlussendlich den Tfil- als das Wunder des militärischen Sieges? (hellenisiert) genannt wurden, die ei- lin nicht angelegt hat, sind alle gute Über- Aus Sicht unserer Weisen gentlich die Elite des Volkes darstellten, legungen nutzlos. Jetzt müssen wir noch genau hinschauen, Im Gebet wird der Sieg erwähnt haben darauf gedrängt, den Hellenismus Und wenn wir die Gebote mit Freu- wie unsere Weisen diesen Krieg bewer- Eine der Erklärungen, warum unsere in Israel durchzusetzen. Sie haben das de und Enthusiasmus erfüllen, könnten ten. Weisen dem Sieg die Bedeutung abspre- traditionelle Judentum gehasst, denn die auch wir mit guten Zeichen von G‘tt be- Auch wenn der militärische Sieg ein chen wollten, ist, dass man ihn nicht eige- hohen moralischen Standards der jüdi- lohnt werden. 40 ZU GUTER LETZT JÜDISCHE RUNDSCHAU Dezember 2016 № 12 (28) Hunde aus Cottbus für Israel Wussten Sie, dass zahlreiche Wachhunde israelischer Kasernen aus dem branden- burgischen Cottbus stammen? Die JÜDISCHE RUNDSCHAU hat für Sie die Kaserne besucht, in der die- se ganz besonderen Hunde aufgezogen werden.

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