Anyhow dar: Einfache Grundelemente linear von einer Konzeptskizze druck menschlicher Kultur. Doch werden einem Feld von Einflüssen zum Gebäude entwickeln, son- das Ausmaß der Nachfrage in Im Juni diesen Jahres fand am (wie hier z.B. Sonneneinstrahlung dern diese Genese erst im Nach- unserer heutigen Massenkultur Nederlands Architectuurinstituut und Autoverkehr) ausgesetzt, die hinein von den Architekten ge- stelle die Möglichkeit zu physi- in (NAi) die 7. ANY- die Elemente nach vorher festge- fälscht werde. In Wirklichkeit scher Expansion in Frage. Die Konferenz statt. Die von Peter setzten mathematischen Regeln vollziehe sich der Entwurfsprozeß Natur sei konsumiert, die Kolo- Eisenman und seiner Frau Cyn- in Bewegung versetzen. Aus die- viel chaotischer und oft ließe nialisierung zu einem Tabu ge- thia Davidson initiierte und or- sem mit Hilfe von Animations- sich der Autor einer Idee nicht worden, womit wir – so Geuze – ganisierte Veranstaltungsserie software simulierten Bewegungs- feststellen. dem Ende der Kultur näher hat den Anspruch, mit multidis- verlauf werden schließlich In anderer Weise sprach sich gerückt seien. ziplinären Konferenzen die Be- Formen abgeleitet, die die Bewe- auch John Rajchman für eine Rem Koolhaas berichtete von dingungen von Architektur am gung im Raum umschreiben. offene Entwurfsmethodik aus. Er seiner gemeinsam mit Havard Ende des Jahrtausends zu erfor- Diese haben eine kontinuierliche, plädierte für einen ‘Neuen Prag- Studenten durchgeführten Studie schen. ANY sieht sich selber in mehrfach gekrümmte Oberfläche. matismus', nicht im Sinne von über die chinesische Städte (Pearl der Tradition von CIAM, den Im Vergleich zu dieser Arbeits- Zweckrationalität oder Utilitaris- River Delta, siehe 137 ARCH+, Metabolisten, oder dem Treffen weise von Lynn ist Ben van Ber- mus, sondern im Sinne einer S. 16). Er beschrieb insbesondere in Charlottesville. kels weniger radikal, doch auch Diagnose und diagrammatischen anhand von Statistiken die Das Wort ‘ANY' (dt.: ‘irgend- er versucht, aus Bewegungsstu- Analyse des Gegebenen, um da- gänzlich anderen Konditionen etwas') soll die Suche nach dem dien Baukörper zu entwickeln. von ausgehend experimentelle der Architekturproduktion in Unbestimmtem, dem Anderen Er stellte unter anderem ein Pro- Interventionen zu entwickeln. Asien. Mit einem Bruchteil des zum Ausdruck bringen. Zugleich jekt für den Bahnhofsvorplatz in Rajchman erwähnte Foucaults Honorars entwerfen die chinesi- ist ANY auch die Abkürzung von Arnhem vor, bei dem die Archi- Arbeiten, doch könnte man auch schen Architekten ein Vielfaches ‘Architecture ', und tektur aus einer detaillierten das Dérive der Situationisten an Gebäuden; Millionenstädte bezeichnet somit die Herkunft Analyse von Verkehrsströmen – oder Rem Koolhaas’ Analyse von entstehen innerhalb weniger der meisten ‘Mitglieder' – Archi- Fußgänger, Fahrradfahrer, Busse New York und die daraus ent- Jahre. tekten, Theoretiker und Philoso- etc. –, hergeleitet werden soll. wickelten Entwurfsstrategien als Mit diesen Prozessen verän- phen aus der New Yorker Szene Aus diesen Flußanalysen be- eine solche Methodik verstehen. dern sich die Voraussetzungen und ihrem Umkreis. Dazu gründet auch er eine organizi- Ein weiterer Themenkomplex, von Architektur grundsätzlich gehören , Rem stisch-dekonstruktivistische For- zu dem es einige interessante und somit hätte ein solches The- Koolhaas, Ben van Berkel, Greg mensprache. Beiträge gab, war die Globalisie- ma eigentlich einen zentralen Lynn, Saskia Sassen, Frederic Van Berkel wie Lynn wurden rung und das Problem der großen Stellenwert in der Konferenz ha- Jameson, Sanford Kwinter und von Rem Koolhaas scharf ange- Zahl. Saskia Sassen umriß in ei- ben müssen. Stattdessen wurde Jeffrey Kipnis. Jedes Jahr trifft griffen. An Lynns Arbeit bewun- nem kritischen und sehr anregen- es nur am Rand behandelt und sich diese Gruppe von ca. 20 derte er zwar die faszinierende den Vortrag einige wesentlichen zeigte damit ein grundlegendes Personen an einem anderen Ort Intelligenz der Methodik, war je- Aspekte der Weltökonomie. Un- Problem der ANY-Gruppe auf. der Welt mit einigen lokalen Ar- doch schockiert über die un- ter anderem wies sie darauf hin, chitekten und Theoretikern. glaubliche Banalität des Aus- daß der digitale Raum der Fi- Zu Beginn der diesjährigen gangspunktes und skeptisch über nanzökonomie nicht in sich ab- Tagung trug Sanford Kwinter das Resultat, das ihn an einen geschlossen, sondern mit dem den Entwurf für ein Manifest Kirchenraum erinnerte. Er fand physischen Raum eng verwoben vor, mit dem er die Gründung es äußerst merkwürdig, daß Lynn sei. Die ökonomischen Aktivitä- einer neuen Architektengruppe auf die Linearität seiner Arbeits- ten fänden sowohl im digitalen, anregen wollte. Er skizzierte die weise stolz ist; daß er also eine wie im physischen Raum statt. Idee eines sich selbst organisie- Ausgangskonstellation konstru- So gehe dann auch in den Fi- renden Entwurfsprozesses, der iert und sich dann der Entwurf nanzzentren die Konzentration nach Festlegung einer Versuchs- nahezu automatisch entwickelt, von digitalen Prozessen einher anordnung quasi automatisch ohne daß die Anfangsprämissen mit einer physischen Akkumula- abläuft. Das Entwerfen von Ar- jemals wieder in Zweifel gezogen tion in Form von Hochhäusern. chitektur solle sich als eine nicht werden. Zudem vermißte er in Aus dieser Verflechtung stellen von außen beeinflußte Evolution dieser Herangehensweise eine sich neue Fragen an die Archi- vollziehen, analog zur biologi- kulturelle Dimension. tektur. schen, sozialen oder digitalen Ebenso kritisierte Koolhaas Sassens Vortrag wurde ebenso Evolution. Projekte seien aus dem Ben van Berkels Methodik, die wie die beiden weiteren Beiträge Material selber heraus zu ent- zu Gebäuden mit völlig festge- zum Thema der Globalisierung wickeln, ohne daß der Architekt legten Funktionen führe. Letzt- und Massengesellschaft nicht ihm seine Ideen aufzwänge. Man endlich seien sie Ausdruck eines diskutiert. Der holländische Land- solle Mut zur Häßlichkeit und veralteten Funktionalismus, der schafts- und Städteplaner Naivität haben und jegliche mo- die Bewegungen perfektionieren Adriaan Geuze sprach in seinem ralischen und ästhetischen Vor- wolle und eine idealisierte Kon- Vortrag von dem Prozeß der Ko- urteile hinter sich lassen. figuration festlege. Im Vergleich lonalisierung – der Aneignung Zwar zog Kwinter nach den dazu sei Mies van der Rohes und Überformung der Landschaft ersten Nachfragen und Kritiken Farnsworth House oder die cha- – als einem elementaren Aus- sein Manifest sofort wieder zu- otische Box, die das Flughafen- rück, doch zeigten Greg Lynn terminal Heathrow darstelle, un- und Ben van Berkel in den bei- endlich flexibler und einer den folgenden Tagen Entwürfe, Architektur der Strömungen viel die einem solchen Denken weit- angemessener. gehend entsprechen. Lynn stellte Völlig unberücksichtigt blie- am Beispiel eines Ausstellungs- ben in dieser wohl interessante- pavillons für Schwechat (Öster- sten Diskussion der ANY-Konfe- reich) seine Arbeitsmethodik mit renz die Vorträge von Francesca faszinierenden Videosequenzen Hughes und John Rajchman, die gänzlich andere Ideen vom Ent- wurfsprozeß skizziert hatten. Hughes wies darauf hin, daß sich Architekturentwürfe nicht

16 ANY befaßt sich vorwiegend mit sich jedoch – sobald es um Ent- Anspruch bestünde, mehr als Fragen der Formgenerierung und wurf geht – von Fragen der Bau- nur eine spezielle Sichtweise zu Zeitung deren philosophischen Begrün- produktion wie der gesellschaft- vertreten. In Rotterdam versuchte dungen. Andere Aspekte von lichen Realitäten weitgehend die Mehrzahl der eingeladenen Wenn ANY nicht ein koloniali- Architektur, sei es der Urbanis- gelöst hat. In Europa hingegen Gäste sich durch entsprechendes stisches Projekt ist, mit der Ab- mus, das Programm oder die herrschen noch die mittelständi- Zitieren dem vorgegeben Kanon sicht, den internationalen Diskurs Konstruktion, bleiben nahezu schen Büros vor, die mehr oder mehr oder weniger gekonnt anzu- zu dominieren, sondern tatsäch- völlig ausgeblendet, was sowohl minder interessante Architektur passen. Wenn sie jedoch eigen- lich an einem interkulturellen in Kwinters Argumentation wie produzieren und durch diese ständige Thesen vortrugen wie Austausch interessiert ist, täte es in Lynns Entwürfen sehr deut- Praxis vor sehr konkrete Proble- z.B. Francesca Hughes, Adriaan Not, sich der beschriebenen Dis- lich wurde. Dieses Desinteresse me gestellt sind. Geuze und Paul Andreu, verhall- krepanz bewußt zu werden und ist ein spezifisch amerikanisches Diese Kluft zwischen einem ten ihre Beiträge undiskutiert, sich auf die zum Teil ganz an- Problem, das in der dortigen sehr theoretischen Diskurs und weil sie nicht in die gewohnten ders strukturierten Diskurse in Trennung zwischen bauenden einer an konkreten Bauaufgaben Argumentationsmuster paßten. anderen Ländern einzulassen. und denkenden Architekten be- orientierten Architekturpraxis Zudem waren einige der in- Andernfalls ist ANY in Gefahr, gründet ist. hatte sich schon bei früheren teressantesten Vertreter der nie- zu einer selbstbezüglichen Clique In den USA kommen Archi- ANY-Konferenzen in und derländischen Szene – wie Winy zu werden, in der sich zwar eini- tekten – wenn sie nicht in einem in Buenos Aires aufgetan. ANY Maas von MVRDV, der Künstler ge der potentesten Architekten der gleichermaßen großen wie hinterläßt zuweilen den Eindruck Joop van Lieshout oder die Ar- unserer Zeit wiederfinden, die belanglosen Architekturfirmen einer um den Globus reisenden chitektengruppe NOX – gar nicht einen hochspezialisierten theore- arbeiten – kaum mehr zum Sekte, die zu sehr in ihren eige- erst eingeladen worden. Damit tischen Diskurs führen, aber nicht Bauen. Sie unterrichten an den nen Glaubenssätzen befangen wurde die Chance vertan, die mehr in der Lage sind, auf aktu- Eliteuniversitäten, halten Vorträ- ist, als daß sie in der Lage wäre, holländische Architektur – eine elle Entwicklungen in der Ge- ge und publizieren, doch erhalten aktuelle Tendenzen aufzuspüren, der zur Zeit interessantesten in sellschaft wie in der Architektur sie selten einen Auftrag für etwas zu absorbieren oder gar nur Europa –, mit der sehr entwickel- selber einzugehen. mehr als eine Villa, eine Galerie wahrzunehmen. Längst hat sich ten und anregenden amerikani- oder ein Ausstellungsdesign. Vor ein fester Kanon von Ideen aus- schen Theorie zu verbinden. Philipp Oswalt diesem Hintergrund hat sich in gebildet, der einerseits auf der den USA ein sehr fundierter französischen Philosophie – von Theoriediskurs entwickelt, der Bergson über Foucault zu Deleuze und Derrida –, und zum anderen auf naturwissenschaftlichen Theorien beruht. Dies wäre nicht weiter tragisch, wenn nicht der

17 + Preisträger der ARCH Umbau und Neubau der Dresdner Außenraum in die Kundenhalle dige Fundamentierung frei über- Bankfiliale in Wurzen optisch einbindet. Ein offenes spannt werden können oder der Leserumfrage Im historischen Kontext der alten und transparentes Bankgebäude, Dachtorso auf bereits vorhandene Architekturbüro Jägerkaserne in Wurzen wurde das möglichst viel Licht in das Stützen aufgesattelt werden kann. das Garnisonsgebäude im Zu- Gebäude führt und so mit den Da das Dach als System kon- Michael Christl und sammenhang mit einem ange- klassischen, hochgesicherten zipiert ist, kann es durch die fügten Neubau saniert und als Bankgebäuden bricht. Galerien, Auswahl entsprechender Stützen Joachim Bruchhäuser modernes Bankgebäude umge- verglaste Wände und offene und Träger beliebigen, auch ge- Frankfurt am Main baut. Als einfacher kubischer Räume geben dem Kunden preis, krümmten Bahnsteigbreiten und Baukörper läßt der Anbau das was hinter dem Tresen passiert. -längen angepaßt werden. Dies denkmalgeschützte Gesamten- erfolgt durch proportionales Mit den globalen Veränderungen semble unangetastet, und der System für eine Bahnsteigüber- ‘Wachsen’ der Längs- und Quer- in Wirtschaft und Politik organi- Altbau bleibt ablesbar. dachung träger. Die Querschnittsform des siert sich auch das Aufgabenfeld Vorhandene Stilelemente des Im Rahmen der Neugestaltung Daches entspricht im weiteren des Architekten neu. Wirtschaft- Garnisonsbaus wurden im Neu- von Haltestellen für den öffent- Sinn dem Aufbau von Skelett- lichkeit um jeden Preis bedeutet bau neu interpretiert: Die Säulen- lichen Verkehr wurde ein System konstruktionen (wirbelartige schnellere Bauzeiten, oft zu un- vorhalle findet im farbigen Glas- entwickelt, das möglichst flexibel Segmentierung). gunsten funktionaler Werte und band des Obergeschosses ihre auf die unterschiedlichen Gege- gestalterischer Qualitäten. Be- Entsprechung und die Rundbo- benheiten vor Ort reagieren kann. Michael Christl und griffe wie Proportion und Ange- genfenster des Altbaus werden Mit einem optimierten Tragsy- Joachim Bruchhäuser messenheit der Mittel treten in in schlichte rechteckige Öffnun- stem wird größtmögliche Kon- den Hintergrund. gen übersetzt, so daß ein Dialog struktionsfreiheit erzielt, so daß Neben der klassischen Bau- zwischen alt und neu hergestellt bei Spannweiten bis 16 m vor- tätigkeit wurde unser Büro in den wird. Der Rhythmus und die handene Treppenabgänge und vergangenen Jahren verstärkt bei Kraft der alten Fassade bleiben Bahnsteigmobiliar ohne aufwen- der Projektentwicklung größerer erhalten. Bauvorhaben eingeschaltet. Die Im Inneren entstehen durch Beschleunigung des Bauprozesses die Fügung der beiden Baukörper bedingt die Notwendigkeit einer spannungsreiche Raumabfolgen, verstärkten Absicherung aller die mit der großen Glaswand den planungsrelevanten Parameter weit im Vorfeld. Änderungen im Organisationsaufbau vieler Be- triebe, Fusionen und Privatisie- rungen im öffentlichen Bereich führen zu völlig neuen Aufga- benfeldern, die sich insbesondere mit der Umnutzung und Neu- strukturierung bestehender Gebäude auseinandersetzen.

Grundriß und Modell- foto der Bahnsteig- überdachung (Studie) von Michael Christl und Joachim Bruch- häuser.

Perspektive und Foto des Umbaus der Dresdner Bankfiliale in Wurzen von Michael Christl und Joachim Bruchhäuser.

18 Architekturbüro Ich selbst habe erst an der Fach- Ein leichten Südhang, die Orien- hochschule und anschließend an tierung zur Sonne und zum Aus- Zeitung Stephan Eberding der Universität in Stuttgart Ar- blick, der zweigeschossige Wohn- Stuttgart chitektur studiert. Das Thema raum, sowie Einflüsse durch die Die massiven Speicherwände ab- meiner Diplomarbeit (1994) bei Nachbarbebauung und eine nahe- sorbieren die Wärme der flach Peter von Seidlein war “Venice- gelegene Bahnlinie führen zur einfallenden Wintersonne und Vor über 10 Jahren kam ich zum Pier, California”. Der Diplomar- äußeren Form. gleichen dadurch bedingte kurz- ersten Mal mit der Architektur beit ging eine Vertiefung über Der Baukörper ist kompakt ge- fristige Temperaturschwankun- Richard Neutras in Berührung. die städtebauliche Entwicklung halten, das Dach begrünt. Glas- gen aus. Sonnenkollektoren auf Während eines einjährigen Auf- von Los Angeles voraus. flächen nach Süden öffnen das dem Dach sorgen für die Warm- enthaltes in Los Angeles wohnte Während des Studiums bear- Haus zur Sonne, während Schlaf- wasserbereitung. ich durch Zufall in Neutras V.d.L. beitete ich in Büros erste Wett- und Nebenräume im Norden an- Kostengünstiges Bauen steht Research House in Silverlake. Ich bewerbe und daraus resultieren- geordnet sind und als Rückzugs- neben der Umweltvertäglichkeit begann mich intensiv mit seinen de Bauvorhaben. So konnte ich bereich dienen. fast immer im Vordergrund, ins- Häusern und seiner Architektur- mich unmittelbar nach dem Stu- Die Südfassade besteht aus besondere, wenn es darum geht haltung (“Survival Through De- dium selbständig machen. offenen und geschlossenen Flä- potentielle Bauherren vom Sinn sign”) zu beschäftigen. Charles Bei meinen Projekten handelt chen, die von beweglichen Son- einer Zusammenarbeit mit einem Eames, Craig Ellwood, Raphael es sich bis jetzt fast ausschließlich nenschutzelementen überspielt Architekten zu überzeugen. Sorano, R.M. Schindler und Frank um Wohnungsbauten privater werden. Mauerscheiben und um- Der intensive Austausch zwi- Lloyd Wright waren neben vielen Auftraggeber. gebende Natur definieren den schen Architekt und Bauherr ist anderen zu entdecken. Raum. daher Voraussetzung für ein er- Bei späteren Aufenthalten in Das Haus in Riederich folgreiches Bauvorhaben. Los Angeles stellte ich fest, daß Das Haus in Riederich, südlich Neutras Bauten nichts von ihrer von Stuttgart am Fuß der schwä- Stephan Eberding Anziehungskraft auf mich verlo- bischen Alb gelegen, ist als Haus ren hatten, sondern mir zuneh- für zwei Personen mit offenem mend besser gefielen. Es waren Grundriß konzipiert. nicht so sehr die auf den ersten Blick spektakulären Grundrisse, sondern eher eine Vielfalt, die gerade in den kleinen Dingen zu Grundriß 1.OG liegen schien. Man braucht – wie in der Musik – einige Zeit, um alle Qualitäten zu entdecken.

Erdgeschoßgrundriß

Wohnhaus in Riederich von Stephan Eberding

Modellfoto

Schemaskizze

19 Jumpin’ through Menschen auf dem Globus ver- (a) Naturnahes Bauen in Anleh- Impuls anhaftete und die vor al- einigen könnte, eine Metaerzäh- nung an die Sprachen der Natur; lem durch ihren Monismus, Elitis- heavens door lung vom Universum und von (b) Darstellung der kosmogeni- mus und Intoleranz auffiel. Was dessen Schöpfung. Sie steigt aus schen Grundwahrheit – Selbst- mag in diesen zehn Jahren wohl Charles Jencks. The Architecture der zeitgenössischen Wissen- organisation, Emergenz und passiert sein? Etwa ein plötzlicher of the Jumping Universe – schaft und Kosmologie auf, wel- Sprünge zu einem höheren (oder architektonischer Paradigmen- A Polemic: How Complexity che erneut die tieferen Fragen niedrigeren) Niveau; (c) Organi- wechsel, dessen Ausmaß erst Science is Changing Architecture stellen: Woher kommen wir? sationstiefe, Multivalenz, Kom- jetzt sichtbar wird? Jencks’ Buch and Culture. Revised Edition Wer sind wir? Was ist unsere plexität und Rand des Chaos; (d) liefert kaum Anhaltspunkte, um (mit neuer Einführung und Stellung innerhalb einer sich Würdigung der Diversität, der einen derartigen Bruch nachvoll- Nachwort). Academy Editions. entwickelnden Welt?" “Sie ver- Vielfalt, der partizipatorischen ziehen zu können, geschweige 1997 (1995). fügt über die Kraft der Erklärung Basissysteme, die den Unterschied denn einen Rückfall ins meta- und sie ist wahr", hieß es dazu maximieren; (e) Unterstützung physische Schwarze Loch, den “Hoffentlich verwechselt der Leser in der ersten Auflage des Buches. der Diversität durch Techniken seine jetztigen Ausführungen das, was ich ‘condition postmo- Erwartungsgemäß setzt sich die wie Collage, radikaler Eklektizis- implizieren. Ganz im Gegenteil: derne' genannt habe, nicht mit Metaerzählung von Jencks nicht mus und Übereinanderstellung was in “Architecture Today" de- der ‘postmodernen' Architektur zur Aufgabe, modernes Wissen (Superposition); (f) Anerkennung konstruktivistischer Vorwurf war, eines Jencks". So schrieb einmal zu legitimieren. Seine Abneigung der Zeit und ihres zwingenden verwandelt sich nun in “Jumping der Philosoph Jean-François gegenüber der Moderne, oder Prinzips, samt ökologischen Im- Universe" beinahe unvermittelt Lyotard. Er bezog sich dabei auf gegenüber dem, was er darunter perativs und politischen Pluralis- in komplexitätstheoretisches Lob. die Publikation “Die Sprache der versteht, bleibt seit seinen frühe- mus ; (g) Doppelkodierung dieser Am Beispiel Peter Eisenmans läßt postmodernen Architektur", auf ren Schriften unverändert. Ins- Interessen in ästhetischer und sich dies fast Wort für Wort be- jenes “schichtweise entstandene gesamt leide die Moderne unter konzeptueller Hinsicht; (h) Zu- legen. So schmal ist der theore- Buch", in dem der amerikanische der sogenannten “Monothemati- griffe zum Kosmischen Kodex tische Pfad, auf dem sich Jencks Architekturkritiker Charles Jencks tis" – eine Jenckssche Wort- mittels der Wissenschaft, beson- bewegt. innerhalb der Zeitspanne eines schöpfung, welche das moderne ders der zeitgenössichen Wissen- Doch auch praktisch sehen Jahrzehnts und in drei sukzessi- Krankheitsbild ‘begrifflich' er- schaften. die Dinge kaum besser aus. In ven Auflagen die “Entstehung fassen soll: Reduktivismus, Me- Wem dieser Katalog zu un- der Tat führt Jencks in seinem und Entwicklung einer alternati- chanismus, funktionaler Deter- übersichtlich – “fuzzy" – er- Buch eine Reihe eigener Projekte ven Tradition" in der Architektur minismus. Noch entspricht die scheint, sollte in den anderen vor – in einem nördlich des beschrieb (1978-1987). Lyotard Jenckssche Metaerzählung der dreizehn Kapiteln des Buches schottischen Dumfries gelegenen erschien der darin vertretene Heilgeschichte des Christentums, nachschlagen. Dort werden näm- Anwesen realisierte Gartenarchi- ‘Supermarkt'-Eklektizismus als deren Linearität die Moderne lich die Beispiele aufgeführt, die tektur, dazu Einrichtungsgegen- glattweg unerträglich. Zwar be- unglücklicherweise wiederaufge- eine Architektur “of a jumping stände und Freiplastiken. Was gründete er seinen Widerspruch nommen habe. universe" illustrieren sollen: Peter man sehen kann, sind abstra- philosophisch; deutlich, ja un- Strukturell – d.h. gemäß ihrem Eisenmans Rebstock-Projekt in hierte Übertragungen kuspen- mißverständlich meldete sich wahrheitssuchenden und sinnstif- Frankfurt steht für Faltung und oder nabelkatastrophischer, gra- aber dahinter auch eine Aufleh- tenden Anspruch – unterscheidet Katastrophe, so auch Zaha Hadids phischer Darstellungen aus René nung des Geschmacks. sich Jencks' Metaerzählung von Projekt für das Opernhaus in Thoms Traktaten, Nachbildungen In seinem neuesten Werk, “The den zwei von ihm kritisierten Cardiff, Daniel Libeskinds Jüdi- fossiler Formen, dreidimensiona- Architecture of the Jumping Uni- kaum. Doch inhaltlich schöpft sie sches Museum in für plötz- le Projektionen von Ideogram- verse", das – nur zwei Jahre – im Gegensatz zu ihnen – aus liche Emergenz und Phasenüber- men und Diagrammen erdenge- nachdem es zuerst erschienen ist dem Genius dessen, was er für gänge, Frank Gehrys Vitra-Bauten schichtlicher Vorgänge usw., (1995) – nun in der zweiten Auf- das postmoderne wissenschaftli- in Weil am Rhein und anderswo alles in allem eine Art Totemi- lage vorliegt, holt Jencks zu ei- che Paradigma schlechthin hält: für Organisationstiefe oder ganz sierung von Architektur und nem Gegenangriff aus. Dabei “Komplexitätstheorie" – so lautet allgemein (wie übrigens auch Landschaft, mittels naturmimeti- zielt er auf das Kernstück des das Schlüsselwort des Untertitels mancher andere Bau von Peter scher Haltung und platter Sym- Lyotardschen Verständnisses der seines Buches. Ziemlich wahllos Eisenman) für eine “kosmogeni- bolik. Den Höhepunkt bildet ein Postmoderne. Seinen Begriff der und in einem Atemzug werden sche Architektur", Rem Koolhaas' Möbelstück, auf dem – den Wor- Postmoderne leitet Lyotard be- dazu noch “die Gaia-Hypothese, Projekte für Superposition und ten des Autors zufolge – die kanntlich aus der kritischen Re- Katastrophen-, Chaos- und Quan- zeitliches Bauen. Hinzu kommen Konzepte des Determinismus, flexion des modernen Wissens tentheorie" und andere mehr ge- auch , Nicholas des Zwecks und des Zufalls dar- ab, die von der Skepsis gegen- nannt. Eine präzise Differenzie- Grimshaw und andere für die gestellt sind. An dessen linkem über den großen “Metaerzählun- rung wäre auch, nach Meinung Verbindung von Technologie, Flügel befindet sich eine Uhr, gen" gekennzeichnet ist, d.h. ge- des Autors, müßig; schließlich Ökologie und Biomorphismus. symbolische Verdichtung der genüber jenen Leitideen, auf gehe es bei seiner “freundlichen Mit einer solchen Namensliste Idee eines Uhrwerk-Universums, welche das moderne Wissen stets Polemik" – so Jencks – um das ist man verblüfft, hatte doch eingefasst in einem Quadrat, zurückgreift, sobald es um die “große Bild", um die große Linie Jencks vor kaum zehn Jahren zu worauf die Namen von determi- Legitimierung seiner Wahrheits- sozusagen. den meisten der genannten Ar- nistischen Denkern aufgelistet ansprüche geht, so zum Beispiel Wenn auch in theoretischer chitekten seine bedingungslose sind – Marx und Freud gehören auf “die Dialektik des Geistes, Hinsicht etwas vage, sind die ar- Opposition zum Ausdruck ge- dazu. Am rechten Flügel (zur die Hermeneutik des Sinns, die chitektonischen Konsequenzen bracht: in seinem Buch “Architec- Uhr symmetrisch) ist ein runder Emanzipation des vernünftigen des vermeintlichen neuen Welt- ture Today" (vgl.: 96/97 ARCH+) Müllschlucker (sic!) plaziert – oder arbeitenden Subjekts". Me- bildes kaum zu überschätzen, diente ihr Werk als Beleg der de- Symbol des Zufalls; analog zum taerzählungen setzt Lyotard seine denn jetzt endlich biete sich die konstruktivistischen Wendung linken Flügel ist er mit den Na- postmodernen “petites histoires" Chance, die Architektur als welt- der Architektur – nach seinen menslisten einschlägiger, dies- gegenüber. anschauliche Kunst wiederher- damaligen Worten einer “Theorie mal also nicht-deterministischer “Zum erstenmal seit dem zustellen: “Form Follows World und Praxis des Negativen", der Denker quadratisch eingerahmt. zwölften Jahrhundert", behaup- View" (1. Aufl.), so paraphrasiert zudem mangelnder innovativer Die Mitte ist schließlich jenen tet nun Jencks bereits in der Ein- Jencks das bekannte Diktum wenigen vorbehalten, die eine führung seines Buches, “beginnen Louis Sullivans. Im Schlußkapitel dritte Position einnehmen, den wir im Westen eine allumfassende seines Buches (in der Neuauflage Postmodernisten: im Gegensatz Erzählung aufzustellen, die die wird es um einen Nachtrag mit zu den doktrinären Modernisten den neuesten architektonischen und zu den harten Nihilisten – so Entwicklungen erweitert) bietet Jencks – glauben nämlich diese, er sogar einen Kriterienkatalog, daß das Ich und die selbstorga- eine Art Verhaltenskodex der nisierenden Systeme aus dem neuen weltanschaulichen Archi- tektur:

20 Spalt zwischen Zufall und Not- Kristallisation von Ordnung aus Maaskantpreis für wendigkeit auftauchen, genau komplexen Systemen, ohne Zeitung am “Rand des Chaos" – ein natürliche Selektion und ohne Christian Rapp wahrhaftig philosophischer Einwirkung einer äußerlichen Küchenschrank! Kraft”. Während manche darin Der in Berlin und Die Jury will die Preisverleihung In Begründungsschwierigkei- die endgültige Aufhebung der tätige Architekt Christian Rapp ausdrücklich als eine Kritik an ten gerät Jencks damit freilich kartesianischen Seelen-Körper- wird in diesem Jahr mit dem der aktuellen Architektur in nicht: “Die ästhetischen Sprachen Dichotomie erblicken, fühlen Maaskantpreis ausgezeichnet. Holland verstanden wissen. Denn der Natur gingen uns voran und sich andere in ihrer Annahme Diese in den Niederlanden be- die Niederlande seien “verpost- erzeugten die unsrigen", Liebe, eines ‘großen Programmierers’ deutende Auszeichnung wird alle modernisiert". Nach einem Jahr- Schönheit und Ästhetik existie- bestätigt, der Urheber des ord- zwei Jahre an Architekten unter zehnt günstiger Konjunktur und ren unabhängig von uns und nungsstiftenden “Geistes in der 35 Jahren vergeben. dem Aufkommen eines weltweit lange bevor wir daraus Urteils- Maschine” sein soll. Von der Einmal ganz abgesehen von dominierenden Wanderzirkus von systeme abzuleiten vermochten. Qual der Wahl zwischen beiden der Tatsache, daß so gut wie kein Szenestars habe sich “Trendgeil- Mehr als einmal sind solche Aus- Optionen ist man dennoch kaum deutscher Architekt im Ausland heit und (moderner) Eklektizis- sagen in Jencks' Buch enthalten. entlastet. Nicht unerwähnt blei- Beachtung findet, ist die Preis- mus" in der gegenwärtigen Ar- Der Wissende des “kosmischen ben sollte schließlich das magi- verleihung an Christian Rapp im chitekturszene festgesetzt. Und Kodex" ist natürlich imstande, sche Wort “Ganzheit”, dessen nicht immer unkomplizierten gegen diese Haltung soll der diese “Sprachen” zu entschlüs- unauslöschliche Aura das Herz deutsch-niederländischen Ver- Maaskantpreis eine Ermutuigung seln. Und wem die Resultate sol- manchen Spätgoetheaners immer hältnis eine Besonderheit. Mit für junge Architekten sein, wie- cher Entschlüsselung nicht ge- noch lauter klopfen läßt. Dabei Blick auf die holländische Archi- der nach “tieferen Motiven" zu nehm sind, der ist schlicht nicht ist der Anlaß weitaus profaner, tekturszene ist die Honorierung suchen. Abseits der geltenden von dieser Welt. als man vermutet. Er wäre un- von Christian Rapp auch in an- Moden, so die Jury anerkennend, Natürlich üben in unserer denkbar ohne eine entwickelte derer Hinsicht außergewöhnlich. suche Rapp nach “der zeitlosen Kultur die neuen Theorien im Computertechnologie, die die Christian Rapp, der gemeinsam Essenz der Architektur." Umfeld der Komplexitätstheorie modellhafte Replizierung kom- mit Stephan Höhne ein Büro in “Tiefe Motive" und “zeitlose eine große Faszination aus. Vor- plexer dynamischer Systeme und Berlin und Amsterdam führt, hat Essenz" – diese Rethorik läßt stellungen, daß die Welt, in der die virtuelle Simulation evolu- in Holland bisher nur ein Gebäu- aufhorchen. Erinnert sie doch an wir leben, irgendwie komplex tionärer Prozesse zuläßt. Erst da- de realisiert. Als Projektleiter für das Vokabular der mittlerweile ist, zudem oft chaotisch und ge- mit ist die Voraussetzung dafür Hans Kollhoff baute er den verjährten Berlin-Debatte. Über- legentlich auch katastrophal, geschaffen, solche Systeme als KNSM-Block im Amsterdamer raschend ist, daß jetzt – ausgelöst finden für manche in eben diesen Ganzheiten zu erfassen, und mit- Hafen (s.134/135 ARCH+, S. 52ff). durch den Maaskantpreis – in Theorien ihre Bestätigung. Dies hin eine methodische Alternati- Dennoch zeigte sich die Jury vor Holland ein Konflikt entstehen ist nicht verwunderlich, denn ein ve zum klassischen analytischen allem von seiner “eigensinnigen könnte, der in Berlin nicht mehr ähnliches Muster populärer An- Ansatz anzubieten, der die Er- und widerborstigen Berufsauf- als verhärtete Fronten hervorge- eignung begegnet uns bei frühe- klärung natürlicher (und womög- fassung" beeindruckt. Christian bracht hat. Man darf also ge- ren wissenschaftlichen Theorien lich auch kultureller) Phänome- Rapp, der vor seinem Studium spannt sein, ob sich nun in auch. Einsteins Relativitätstheo- ne mittels ihrer Zerlegung in ihre eine Maurerlehre machte, arbei- Holland vor dem Hintergrund rie beispielsweise, besonders nach Bestandteile vornahm. Ganzheit, tete sowohl bei Rem Koolhaas einer anderen kulturellen Tradi- der Bestätigung der Graviations- Globalität entsteht an der Schnitt- als auch bei Hans Kollhoff. In tion eine fruchtbarere Debatte theorie während der Sonnenfin- stelle zwischen Realität und Vir- Holland profiliert er sich mit einer über das zeitgenössische städti- sternis am 29. März 1919, wurde tualität. Wer darin umfassende für die niederländische Architek- sche Bauen entwickeln wird. zum Anlaß eines zügellosen le- Welterklärungen sucht, ist tur untypischen Mischung aus Angesichts der anspruchsvollen bensweltlichen Relativismus. Die schlecht beraten. Tradition, Handwerklichkeit und Aufgabe, in dem Land mit der Aussage: “alles in der Welt ist So auch Jencks, der bei seiner Monumentalität. Seine Bewunde- schon heute höchsten Siedlungs- relativ” wurde zum geflügelten Suche nach dem “kosmischen rung gilt der Vertiefung in all- dichte Europas bis 2015 eine Wort. Zweifellos bietet die Kom- Kodex” (ein Ausdruck, den er tägliche Dinge, der “akribischen Millionen Wohnungen zu bauen, plexitätstheorie ein recht ‘frucht- übrigens dem vor zehn Jahren Energie" eines Tessenow und der ist diese Debatte mit Spannung bares’ Feld zu ähnlicher Triviali- verstorbenen Physiker Heinz Pa- Zeitlosigkeit eines Mies van der zu erwarten. sierung. Besonders ihre Aussagen gels entlehnt) sich in unlösbare Rohe. über Ordnung und Stabilität Widersprüche verstrickt. Denn Jan Dittmar (“komplexe adaptive Systeme seine naturphilosphische quasi- Niko Knebel sind Mustersucher” – Murray religiöse Erzählung bleibt der Gell-Mann) wird von manchem Architektur im wesentlichen “Law and order”-Fetischisten als äußerlich, ihr nur mittels mime- ein besonders verlockendes Ver- tischer oder symbolisch-meta- sprechen aufgefaßt. Doch in phorischer Darstellung zugäng- Wirklichkeit bietet die Komple- lich. Die architektonische Form xitätstheorie einen Grund zur erscheint als minderwertiges De- Entwarnung besorgter Ord- rivat morphogenetischer Prozes- nungshüter im Rahmen derarti- se, die von ihr fern und unab- ger Analogieschlüsse keineswegs; hängig stattfinden. Es ist nicht eher das Gegenteil trifft zu, denn leicht auszumachen, ob Jencks evolutionäre Systeme weisen ra- hier die Komplexitätstheorie oder sche Übergänge von einer Orga- die Architektur verrät. Jedenfalls nisationsebene zur nächsten, versperrt er die Aussicht, die Po- Stabilitäten sind temporär. Und tentialitäten der neuen Theorien man darf nicht vergessen: kleine für die Architektur nutzbar zu Veränderungen können zu spek- machen (vgl.: 119/120, 121, 128, takulären Ergebnissen führen. 131 ARCH+). Dies aber ist eine Ein weiteres Faszinosum ist si- andere Diskussion. cherlich die “Selbstorganisation”, In einem Essay über “Die Ein alien ist ein Werk, die “Ordnung umsonst” (“order Sokratis Georgiadis Ordnung des Gebäudes" das mit einem überdeut- for free”), wie Stuart Kauffmann schreibt Christian Rapp, lich strukturierenden vom Santa Fe Institute den Sach- daß ein ideales Gebäude Konzept zugleich auf sich verhalt formuliert, oder – nach immer auch ein alien sei. selber und auf die Tradi- Zur Illustration dieses tion verweist. Ein alien seinen Worten – “die spontane Phänomens zieht Rapp ist eigenständig, fremd- beispielsweise Christos artig und doch zugleich “valley curtain" heran. vertraut.

21 Termine Aufführungen, Konzerte und architecture Die Architekten, so fordert Pro- Diskussionen zur Geschichte der fessor Marcos Novak von der NAi Rotterdam: Daniel Libeskind bewegten Künste, zu Erzählfor- Digitale Welten University of Texas in Austin, & : Unfolding, men der Medienkunst und zum sollten endlich mehr wagen und 5.9. - 23.11. Thema Nostalgie und Neue “A new life, liberty and happi- als “Magellans" die spekulativen Kunst. Anläßlich der Preisverlei- ness" spürt die Zeitschrift ‘archi- Welten der Software entdecken. Die Zusammenarbeit von Daniel hung des Medienkunstpreises an tecture', seit sie nicht mehr das Novak sieht in diesem Zusam- Libeskind und Cecil Balmond für Vilém Flusser (1921-1991) wird offizielle Magazin des American menhang drei Richtungen: ‘liquid die Erweiterung des Victoria and dem ZKM Karlsruhe der Nachlaß Institute of (AIA) ist. spaces', ‘transarchitecture' und Albert Museum in London ist des Philosophen übergeben. Und das macht sich besonders ‘avatarchitecture'. ‘Liqiud spaces' Thema der Ausstellung “Unfol- bei der innovativen Graphik der seien Formen, die sich aus realen ding" am Niederländischen Ar- ZKM Karlsruhe Zeitschrift bemerkbar. Vor allem Datenfeldern generieren. Sie chitekturinstitut in Rotterdam. Postfach 6909 die hohe Anzahl der Werbeseiten wirken “flüssig, so als wären sie Abseits der herkömmlichen D-76049 Karlsruhe und deren graphische Qualität aus einem kontinuierlichen Arbeitsweise ihrer Disziplinen Tel 0721 - 8100-0 zwingt die Graphiker von ‘archi- Rhythmus plötzlich zu Form ge- treffen sich der Architekt Daniel Fax 0721 - 8100-1139 tecture', der Werbung immer ei- froren". ‘Transarchitecture' hin- Libeskind und der Ingenieur Cecil nen Schritt voraus zu sein. So gegen sei von Natur aus hybrid, Balmond (von Ove Arup & Part- überbrückt die pfiffige Trennung eine Collage aus realen Teilen, ners) auf einer von philosophi- des Namens in die Silben ‘archit-' die zu virtuellen Welten zusam- schen und mathematischen Ge- Telepolis – auf der Frontseite und ‘-tecture' mengesetzt werden. ‘Avatarchi- danken inspirierten Ebene. Zur das Magazin der im Inhaltsverzeichnis einen ersten tecture' ist die extremste der drei Ausstellung gibt es einen Katalog, Werbeblock am Anfang des Ma- Spielwiesen, die Novak den Ar- oder vielmehr eine Box mit viel- Netzkultur gazins. Auf der Inhaltsseite wird chitekten vorschlägt. Hier gäbe fältig gestalteten und unter- dann ein Farbakkord komponiert, es keine realen Formen mehr. Die schiedlich gebundenen Büchern aus dem ein Farbton isoliert wird, Programmierer sind völlig frei und Büchlein. In der Ausstellung Das Internet war hype, bevor es der den redaktionellen Teil als und können beliebige Formen, ist ein großes Modell des Ent- vor allem mit Negativmeldungen ganzseitiger, monochromer Hin- Figuren und Räume phantasieren. wurfs als begehbare Skulptur auf- in die Schlagzeilen kam. Nun tritt tergrund durch das gesamte Heft Von diesen eher akademischen gebaut. Dazu enthält die Katalog- eine Phase der Normalisierung begleitet. Dieser Farbton ist eben- Fragen bis hin zu Produktvor- box auch ein kleines Modell, den ein und langsam entsteht eine so eindringlich wie ungewöhn- stellungen und einem Panorama man sich mit Schere und Kleber sogenannte “Netzkultur". Dieser lich: hell-violett, grasgrün oder von ‘media-labs' und ‘cyberca- selber basteln kann. Idee fühlt sich Telepolis als ein sattes Orange. fes' zeigt ‘architecture' Einfluß Die Austellung läuft noch bis deutschsprachiges Onlinemagazin Ein Blick auf das Layout von und Auswirkung der “digitalen 23. November. verpflichtet. Netzkultur ist für ‘architecture' zeigt, daß der Ein- Welten", von denen in den USA Telepolis mehr als Web-Häppchen satz des Computers nicht einfach immerhin bereits jeder zweite Nederlands Architectuurinstituut oder blinkende Videoclips. Viel- nur die alten Werkzeuge der Arbeitsplatz abhängt. 25 mehr will Telepolis als Zeitschrift Graphik ersetzt, sondern zu ei- In den USA steht ‘architecture' 3015 CB Rotterdam für Netzkultur die Möglichkeiten nem völlig neuen Verständnis nur das eher hausbackene Archi- Tel 0031-(0)10 - 4401200 eines Onlinemediums nutzen, um von Graphik geführt hat. “Lear- tectural Record gegenüber. Als Fax 0031-(0)10 - 4367554 aktuellen und kritischen Lesestoff ning from software" könnte man Nachfolger von Progressive Ar- zu allen Aspekten der Digitali- diesen Ansatz nennen, und ‘ar- chitecture führt ‘architecture' die 3. internationale Biennale sierung unserer Lebenswelt zu chitecture' zeigt im diesjährigen Verleihung des renommierten film+arc, Graz 12. - 16.11. verbreiten. Neben einer alle drei Juni-Heft, wie diese Lektion aus und vielbeachteten P/A-Award Wochen erscheinenden aktuellen den “digitalen Welten" sowohl fort. Daher widmete sich die erste Thema der viertägigen Konferenz Ausgabe werden in Telepolis re- die akademische Landschaft als Ausgabe in diesem Jahr ganz ist die theoretische und künstle- gelmäßig Sonderthemen behan- auch die Berufspraxis der Archi- den Preisträgern, die ja laut Sta- rische Auseinandersetzung mit delt. So veröffentlichte beispiels- tekten in den USA verändert hat. tut der Jury allein für ungebaute visuellen Medien als Reflexions- weise eine Ausgabe über Wie kann der Computer mehr Projekte ausgezeichnet werden. ebene von Architektur, Urbanität “Architektur und Urbanismus" sein als nur ein verbessertes Zei- und Raum. Das Symposion “In zusätzlich zu einem Interview cheninstrument, heißt die zentra- architecture Search of Dialog Spaces” wird mit Daniel Libeskind Texte von le Frage. ‘architecture' beleuchtet 1130 Connecticut Ave sich mit der Beziehung und den Marcos Novak über “transArchi- daher die Anwendung des Com- N.W. Suite 625, Potentialen von Handlungs-, Er- tektur" und Buchbesprechungen puters als Mittel, sowohl den Washington, D:C: 20036 eignis- und Kommunikations- u.a. der “City of Bits" von Entwurf, als auch die Produktion tel 001 - 2028280993 räumen beschäftigen. Geladene William Mitchell. Mittlerweile von Gebäuden zu verändern. fax 001 - 2028280825 Gäste sind u.a.: Manuel Castells, wurden über 800 Artikel veröf- [email protected] Rem Koolhaas, Marcos Novak, fentlicht. Sie sind miteinander The Institute of Inverse Techno- vernetzt und “verlinkt" und er- logy und Knowbotic Research. möglichen eine völlig andere Leseweise von Texten als ein film+arc.graz Printmedium. Die Redaktion des Hallerschloßstraße 21 Onlinemagazins, das zum Heise A-8010 Graz Verlag gehört, hat übrigens kei- Tel 0043 - 316 - 356155 nen festen Ort mehr und sitzt Fax 0043 - 316 - 356156 räumlich verteilt in London und München. ZKM Karlruhe: Multimediale 5, Als Printausgabe erscheint 18.10. - 9.11. Telepolis vierteljährlich beim Bollmann Verlag, Mannheim. Mit der Multimediale 5 zieht das http://www.heise.de/tp/ ZKM mit seinen Museen, Institu- ten, Sammlungen und Produk- tionsstätten in sein neues Gebäu- de in Karlsruhe ein. Das Veran- staltungsprogramm umfaßt

22 Harvard Design Im Gegensatz dazu steht der von Buchtips den New Urbanists in die Diskus- Zeitung Magazine sion gebrachte Ansatz, Identität Das Buch zur Documenta X. Urbane Welten und Gemeinschaft durch die Be- poetics/politics, Cantz Verlag, David Dunster: sinnung auf neo-traditionelle Ostfildern 1997, DM 148,- Arups on Engineering, Bauformen zu erreichen. Bemer- Ernst & Sohn, Berlin 1996, Seit Anfang dieses Jahres er- kenswert sind an dieser Gegen- Elisabeth Blum: Ein Haus, ein DM 128,- scheint das Harvard Design Ma- überstellung die völlig unter- Aufruhr. Anmerkungen zu Zaha gazine als ‘offizielles' Magazin schiedlichen Resultate, die aus Hadids Feuerwehrhaus, Vieweg, Christoph Hackelsberger: der Harvard Graduate School of dem kommunitaristischen Den- Braunschweig/Wiesbaden 1997, U-Bahn Architektur in München, Design (GSD). Im Gegensatz zu ken stammen. Hier eine moderne, DM 49,80 Prestel, München 1997, DM 78,- seinem Vorgänger, GSD NEWS, progressive Metropole in Südost- ist das Magazin handlicher ge- Asien, dort traditionelle, konser- Jürgen Joedicke und Heinz Werner Müller: bunden und einfacher gegliedert. vative Kleinstädtchen in Nord- Windfeder (Hrsg.): 25 Jahre Grundlagen gotischer Bautechnik, Neben den Internas der Schule amerika. Deutscher Architekturpreis, Karl Deutscher Kunstverlag, und einer ausgedehnten Rubrik Daß der Kommunitarismus Krämer Verlag, Stuttgart 1997 München 1990, DM 168,- mit Buchbesprechungen widmet nur ein oberflächliches Heilmit- sich die erste Ausgabe im tel ohne konfliktlösendes Poten- Johann Friedrich Geist: Aimée de Back/Sabine Berndsen Schwerpunkt den ‘Changing tial ist, zeigt das Magazin mit Die Kaisergalerie. /Camiel Berns: Cities'. einem Blick auf Sao Paolo und Biographie einer Berliner Passage, Een zeer aangenaam verblijf. Het Das Magazin bündelt eine Rio de Janeiro. In diesen “cities Prestel, München 1997, DM 78,- dienstbodenhuis van J. Duiker Reihe von Essays und Photos of impossibility” wird die Stadt op sanatorium Zonnestraal über den Zustand der Metropolen als ‘Moloch' mit einer zutiefst Werner Müller, Norbert Quien: (A space of their own. The Abidjan, Teheran, Bombay, Sin- gespaltenen Gesellschaft erfah- Von Deutscher . servants’ house by J. Duiker at gapur, Sao Paolo und Rio de Ja- ren. David Harvy schreibt in sei- Architekturphotographie, Zonnestraal sanatorium), neiro. Diesem Panorama von nem Beitrag ‘New Urbanism und Computergraphik, Deutung, 010 Publishers, Rotterdam 1996 Weltstädten wird eine Diskussion die kommunitaristische Falle': Saecula Spiritalia 33, über die Bewegung des New Ur- “New Urbanism baut nur das Verlag Valentin Koerner, Rolf Herken (Hrsg.): The Universal banism in den USA gegenüber- Trugbild einer Gemeinschaft auf, Baden-Baden 1997 Turing Machine. A Half-Century gestellt. Anregend ist vor allem und zwar für jene, die es nicht Survey, Springer Verlag, die Kombination der Beiträge, wirklich benötigen; während es Anthony Blunt: Wien/New York 1995 wird doch der eine Teil des Ma- die, die Gemeinschaft brauchen, Philibert de l'Orme, gazins vom anderen konterka- ihrem ‘Unterklasse'-Schicksal documenti di architettura, Jan de Graaf und D'Laine Camp riert. überläßt.” Electa, Mailand 1997, DM 88,- (Hrsg.): Europe: Coast Wise So taucht beispielsweise der Die nächsten Ausgaben wid- – an anthology of reflections on Begriff des Kommunitarismus, men sich folgenden Themen: Hans Sedlmayr: architecture and tourism, d.h. die Förderung von Identität Durability versus ephemerality; L'architettura di Borromini. 010 Publishers, Rotterdam 1997, und Gemeinschaft und die Beto- Values expressed by recent documenti di architettura, DM 118,- nung kollektiver Interessen ge- architecture; Electa, Mailand 1997, DM 88,- genüber liberalem Individualis- Photography and lies Otto Kapfinger/Michaela Steiner mus, in zwei völlig unterschied- David Hilbert und Stephan (Hrsg.): St. Pölten neu lichen Ausformungen auf. Zum Harvard Design Magazine Cohn-Vossen: Anschauliche (The New St. Pölten), Springer, einen verdeutlicht das Beispiel 48 Quincy Street Geometrie, Springer Verlag, Wien/New York 1997, DM 42,- Singapur, daß Modernisierung Cambridge, MA 02138 Berlin/Heidelberg 1996, DM 68,- auch auf der Basis traditioneller USA Daniel Libeskind & Cecil Bal- Gemeinschaften stattfinden kann. tel 001 - 6174961225 Jeanne Peiffer/ mond: Unfolding, NAi Publishers, fax 001 - 6174963391 Amy Dahan-Dalmedico: Rotterdam 1997, NLG 110,- [email protected] Wege und Irrwege – Eine Geschichte der Mathematik, Daniel Libeskind: Fishing From Birkhäuser Verlag, Basel 1997, the Pavement, NAi Publishers, DM 98,- Rotterdam 1997, NLG 45,-

Keith Devlin: Sternstunden der Thesis. Wissenschaftliche Zeit- modernen Mathematik, schrift der Universität Birkhäuser Verlag, Basel 1997, Weimar, Bd. 1+2: Techno-Fiction. DM 78,- Zur Kritik der technologischen Utopien, 7. Internationales Bau- Andrew Hodges: haus-Colloquium, Weimar, Juni Alan Turing. Enigma, 1996, Verlag der Bauhaus-Uni- Springer Verlag, versität Weimar 1997, beide Wien 1994, DM 63,- Bände zusammen DM 59,80 Einzelband DM 40,- Viviane Forrester: Der Terror der Ökonomie, Die Welt von Ray und Charles Paul Zsolnay Verlag, Eames, Ausstellungskatalog mit Wien 1997, DM 36,- Beiträgen von D. Albrecht, B. Colomina, J. Giovanni, Kevin Kelly: A. Lightman, H. Lipstadt und Das Ende der Kontrolle. P. Morrison, Die biologische Wende in Wirt- Ernst & Sohn, Berlin 1997, schaft, Technik und Gesellschaft, DM 98,- Bollmann Verlag, Mannheim 1997, DM 58,- Alejandro de la Sota, AA Publi- cations, London 1997, £ 29,95 Michael Mönninger (Hrsg.): Steffen Lehmann & Partner, Martin Kieren: Neue Architektur Katalog zur Ausstellung im /New Architecture, Berlin 1990- Bauhausgebäude in Dessau, 2000, Govis Verlag, Berlin 1997 Junius 1997

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