Diplomarbeit

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Diplomarbeit View metadata, citation and similar papers at core.ac.uk brought to you by CORE provided by OTHES DIPLOMARBEIT Titel der Diplomarbeit „Unterhaltungstheater und vormärzliche Öffentlichkeit. Adolf Bäuerles Possen zwischen Zensur, Kommerz und Kritik“ Verfasser Julius Dominik Lottes angestrebter akademischer Grad Magister der Philosophie (Mag. Phil.) Wien, 2012 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 190 333 313 Studienrichtung lt. Studienblatt: Lehramtsstudium UF Deutsch & UF Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung Betreuerin / Betreuer: Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Johann Sonnleitner 2 Inhaltsverzeichnis Vorwort 1. Einleitung 5 2. Erster Teil: Zensur, Kommerz und politische Kommunikation. Das Wiener Unterhaltungstheater im Vormärz 2.1. Die Zensur im nachjosephinischen Österreich 16 2.2. Lachen im Theater zwischen Einnahmequelle und politischer Kritik 28 2.3. Bäuerle, das Leben eines Theaterunternehmers zwischen Kunst, Kommerz und Obrigkeitsstaat 41 2.4. Bäuerle als Theoretiker der Posse und des Komischen 52 3. Zweiter Teil: Untersuchung ausgewählter Possen Adolf Bäuerles 60 3.1. Das Leopoldstädter Theater als Ort der habsburgloyalen Propaganda zur Zeit der Befreiungskriege oder Staberl als exzentrisches Mitglied des bürgerlich- kleinbürgerlichen Milieus in Die Bürger in Wien 61 3.2. Auf der Gratwanderung zwischen Affirmation und Sozialkritik: Der Fiaker als Marquis 75 3.3. Krähwinkel sells in Die falsche Prima Donna 87 3.4. Aline, abseits der literarischen Vorgänger oder Golkonda, eine Folie des vormärzlichen Wiens in Aline oder Wien in einem andern Welttheile 97 4. Resümee 106 Literaturverzeichnis 111 3 Vorwort Ich danke Professor Johann Sonnleitner dafür, dass er mein Interesse an der österreichischen Theater- und Literaturgeschichte geweckt hat. Über seine Veröffentlichungen und deren Weiterführungen in seinen Lehrveranstaltungen bin ich in ein Thema hineingewachsen, das mir die Möglichkeit gibt, germanistische Arbeiten im Kontext der Nachbarwissenschaften, die mich immer interessiert haben, zu betreiben. Seine bereitwillig gegebenen Literatur- und Quellenhinweise habe ich zur Grundlage meiner eigenen Überlegungen zu machen versucht. Ferner gebührt Anneliese Magenheim Dank, die mir die Bäuerle Briefe, die ihr verstorbener Gatte Gerhard Magenheim größtenteils aus den Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek und der Wienbibliothek im Rathaus zusammengetragen und transkribiert hat, zugänglich machte. Schließlich möchte ich meiner Familie für ihre nie erlahmende Unterstützung während meines Studiums Dank sagen. 4 1. Einleitung In Marie von Ebner-Eschenbachs in Briefform gehaltenen satirischen Reisebericht Aus Franzensbad findet sich folgende Kritik an der romantisch-nationalen Literaturgeschichtsschreibung des deutschen Historikers und Literaturhistorikers Georg Gottfried Gervinus´ in zugespitzter und geraffter Form. Eine Stimme (draußen): Die österreichische Muse bittet um gnädiges Gehör. Zeus Gerbinus (sic!): Kenne keine österreichische Muse. Österreichische Muse: (tritt ein und beugt das Knie): Lerne mich kennen, Großer, Unfehlbarer Allwissender! Zeus Gerbinus: Ich lerne nicht mehr, ich lehre. Österreichische Muse: Wollte Dein Angesicht zu mir wenden, auch ich habe unsterbliche Söhne geboren. Zeus Gerbinus: Bäuerle und Nestroy meinest Du? Ihrer hab ich würdig gedacht. Österreichische Muse: O Herr! Herr! – Noch leben Grillparzer und Halm, und auch leben Heb. Zeus Gerbinus: Nicht für mich. (…)1 Es ist natürlich davon auszugehen, dass Ebner-Eschenbach um die richtige Schreibweise Gervinus´ wusste. Die satirische Schreibweise ist möglicherweise ganz trivial dadurch zu erklären, dass die Briefschreiberin den Gestus der unfehlbaren und allwissenden Lehrautorität in der Literaturgeschichtsschreibung Gervinus ironisieren wollte. Schließlich erscheint die österreichische Literaturgeschichte hier als Negativfolie der deutschen. Unser Augenmerk gilt es darauf zu richten, dass Bäuerle gemeinsam mit Nestroy auf eine Stufe gestellt worden ist. Dass Gervinus ihrer würdig gedacht habe, bezieht sich auf eine Erwähnung am Rande nach der Hinrichtung Grillparzers als eines romantischen epigonalen Dichters.2 Denn „die Bäuerle, Gleich, Stegmayer, Nestroy u.A.“, heißt es bei Gervinus, „hatten für den Geschmack des Leopoldstädter Publikum zu arbeiten“.3 In einer bildungsbürgerlichen Literaturgeschichte, deren Maßstab sozialgeschichtlich leere und ausgelagerte Idealräume sind, erstaunt es nicht, dass für eine sozioökonomisch konkrete lokal- gebundene Komik nur die Abschiebung in den Nebensatz bleibt. Es ist zu vermuten, dass Gervinus das für den Wiener Theaterbetrieb so folgenreiche Jahr 1776 in seinem romantisch – nationalen Kalender gar nicht notiert hat. Für die Tatsache, dass sich mit der Gründung des Leopoldstädter Theaters – als einer der großen kommerziell geführten Wiener Vorstadtbühnen nach der Spektakelfreiheit – ein Gegenlachtheater neben dem zum 1 Zit. nach Ebner-Eschenbach, Marie von: Aus Franzensbad. Sechs Episteln von keinem Propheten. Hrsg. von Karlheinz Rossbacher. Wien: ÖBV 1985 ( Reprint der Ausgabe von 1858). S. 46-47. 2 Vgl. Gervinus, G.G.: Geschichte der deutschen Dichtung. Vierte verbesserte Ausgabe. Fünfter Band. Leipzig: Wilhelm Engelmann 1853. S. 624-625. 3 Zit. nach Ebda: S. 625. 5 Nationaltheater erhobenen Burgtheater formierte, hatte er in seiner literaturgeschichtlichen Vorstellungswelt noch keinen Platz. Per Daniel Amadeus Atterbom weiß das Leopoldstädter Theater als eigentliches Nationaltheater Wiens im Gegensatz zu den deutschen Vergnügungstouristen richtig einzuschätzen.4 Nach Johann La Roches Tod, der das Ausscheiden Kasperls nach sich zog, konkurrierten auf den kommerziell geführten Wiener Vorstadttheatern Bäuerle, Meisl und Gleich.5 Der Zeitgenosse und Memoirenschreiber Franz Gräffer ruft uns dieses Panorama ins Gedächtnis. Bäuerle, Meisl, Gleich, leuchtendes, unvergängliches Triumvirat, ihr habt versäumt, uns einen neuen stehenden Charakter zu gründen!“ Nicht Raimund mit seinen „krankhaft geschraubten, metaphysisch allegorischen Nebeleien“, nicht Nestroy mit „seiner grotesken Ueberschwänglichkeit“, aber Bäuerle mit seinem echt originellen, unerschöpflich gefunden [sic!] Haushumor hätte dies gekonnt. Bäuerle, erhebe dich noch einmal in deiner Kraft, der ungeschwächten, und erschaffe uns das, was wir brauchen!6 Möglicherweise erklärt sich dieses überschwängliche Lob Bäuerles einerseits und die Herabstufung Raimunds und Nestroys andererseits daraus, dass Gräffer Bäuerle und seine Theaterzeitung mit Textbeiträgen belieferte.7 Dergleichen Urteile waren dieser Geschäftsbeziehung sicherlich ganz förderlich. Diese literarische Rangfrage ist für die folgende Untersuchung allerdings sekundär. Zum Forschungsstand. Otto Rommels monumentale Darstellung Die Alt- Wiener Volkskomödie8 aus dem Jahr 1952 fungiert noch immer als das Standardwerk zur Wiener Komödie.9 Das Verhältnis der Forschung zu Rommels materialreichen Vorarbeiten ist zwiespältig: einerseits hat sich Rommels Alt- Wiener Volkskomödie als beliebtes und materialreiches Nachschlagewerk bewährt, anderseits relativierten und kritisierten neuere Forschungsarbeiten Rommels 4 Atterbom, Per Daniel Amadeus: Reisebilder aus dem romantischen Deutschland. Jugenderinnerungen eines romantischen Dichters und Kunstgelehrten aus den Jahren 1817 bis 1819. Stuttgart: Steingrüben 1970. (Bibliothek klassischer Reiseberichte, hrsg. von Georg A. Narciss). S. 222-223. 5 Otto Rommel behandelt die Vorstadttheaterdichter Bäuerle, Gleich, Meisl als „die Großen Drei“ in seinem Standardwerk zur Alt- Wiener Volkskomödie eingehender. Rommel ist aus einer Publikationsreihe der österreichischen Literatur- und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts mit seinen Textausgaben zum „Alt- Wiener Volkstheater“ nicht wegzudenken. 6 Gräffer, zit. nach Raimunds Vorgänger. Bäuerle, Meisl, Gleich. Hrsg. und eingeleitet von Rudolf Fürst. Selbstverlag der Gesellschaft für Theatergeschichte 1907. (Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte 10). S. LXXVIII. 7 Vgl. Adolf Bäuerle. Geisteskraft und Federmacht im Biedermeier und Vormärz. Eine „sämtliche Briefe“ enthaltende, illustrierte Biographie von Gerhard Magenheim. 2 Bde. Bd 1. S. 46 [unveröffentlicht]. 8 Vgl. Rommel, Otto: Die Alt-Wiener Volkskomödie. Ihre Geschichte vom barocken Welt-Theater bis zum Tode Nestroys. Wien: Anton Schroll 1952. 9 Bereits die Bezeichnung ist in der Forschung umstritten. Nebeneinander finden sich Begrifflichkeiten wie Wiener Volkstheater (Jürgen Hein), Alt- Wiener Volkstheater (Otto Rommel), Wiener Komödie (Reinhard Urbach, Johann Sonnleitner) etc. Ich komme auf die Relevanz der Unterscheidung noch zurück, spreche im Folgenden aber von Wiener Komödie. 6 Ansichten und Terminologisierungen. Ich rekapituliere hier die wichtigsten Ansätze der bisherigen Forschung kritisch. Betrachtungen des Wiener Volkstheater hat es aber natürlich auch schon vor Rommel gegeben, ich bringe sie an den geeigneten Stellen ein. Das „Alt Wiener Volkstheater“ – eine sozialromantische Verbundenheit von Publikum und Theater über mehr als eineinhalb Jahrhunderte? Bei Rommel liest es sich jedenfalls so: Es macht die Besonderheit des Alt- Wiener Volkstheaters aus, daß sich von den Tagen des Wienerischen Hanswurst bis auf die Zeit des späten Nestroy in den Volkstheatern Abend für Abend eine wohl ausgewogene Auslese aus allen Schichten der Bevölkerung zu gemeinsamem Genießen zusammenfand. Da saßen neben dem „einfachen Leuten“ die Männer und Frauen des gebildeten Bürgertums, und selten fehlten in den Logen die Vertreter der „ersten Gesellschaft“, ja
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