DONNERSTAG, 6. SEPTEMBER 2012 Paralympics Zeitung

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„Welcome back home, Paralympics!“ Das ist das Motto dieser Tage in Lon- don. Hier wurden die Spiele 1948 als Wett- kämpfe für Kriegs- Hello! Foto: promo versehrte in Stoke Mandeville geboren, jetzt kehren sie als Pa- On behalf of every ralympics zurück, dorthin, wo der Exil-Deut- Briton and every sche Sir Ludwig Guttmann sie gemeinsam Hallo! lover of sport, it is mit seinen britischen Kollegen einst erfand. my great honour to Und wir können mit Stolz sagen: Die Para- Zwei Wochen lang ha- welcome everyone lympics sind erwachsen geworden. Volle Sta- ben mich die Olympi- home to the Para- dien, erstklassige Sportwettkämpfe und schen Sommer- lympic Games. The eine nie dagewesene Berichterstattung. Es spiele in London in ih- Foto: p-a/dpa movement that has freut mich, dass unsere jungen Redakteurin- ren Bann gezogen. led us here, to this exhilarating moment, to nen und Redakteure der Paralympics Zei- Natürlich nicht von these incredible games, began here in Bri- tung aus Deutschland, Großbritannien und früh bis spät, aber tain on the day London opened the 1948 der Schweiz in diesem besonderen Jahr da- Foto: Reuters doch immer wieder Olympic Games. bei sind und uns einen unverfälschten, fri- mal und dann mit vielen Emotionen. Eben- We are also welcoming home a movement schen Blick auf die Spiele bieten. Auch diese falls mit Emotionen, aber noch viel mehr mit that shows what sport is all about. Sport is deutsch-britische Kooperation ist etwas Bewunderung und Respekt habe ich den about what you can do, what you can ganz Besonderes. Wir erleben hier in Lon- Summer-Paralympics entgegen gesehen, don mediale Quantensprünge: Von zehn ak- die nun in London laufen. Lange führten achieve, the limits you can reach, the bar- kreditierten Journalisten vor einigen Jahren diese Spiele ein Nischendasein, kaum beach- riers you can break. And everything sport sind es jetzt bis zu 200 deutsche Journalis- tet von den Medien, einer breiten Öffentlich- stands for we are witnessing at the moment, ten, die von den Paralympics vor Ort berich- keit und Sponsoren. Aber schon immer wa- in our venues, at these . ten wollen.Trotzdem sind wir noch nicht da, ren diese Wettkämpfe Schauplätze echter The enthusiasm for these Paralympics is wo wir hingehören. Aber es ist viel wichtiger, Begeisterung, tiefer Motivation und geprägt extraordinary – our venues are full of passio- die Flamme weiterzutragen als zu verhar- von einem Geist des sportlich fairen Mitein- nate fans, cheering on our athletes from ren. Jungen Leuten gehört die Zukunft, und anders, den man im Sport wie auch im tägli- around the world. I am delighted that so diese jungen Reporter tragen mit ihrem jour- chen Leben bisweilen vermisst. many people have taken the chance to be nalistischen Engagement dazu bei. Warum bin ich so voller Bewunderung there and continue this incredible summer und Respekt? Weil wir jetzt hier in London – of sport. We want to inspire a generation and FRIEDHELM JULIUS BEUCHER, Präsident wie schon zuvor in Athen, Peking oder Van- these Games will help us achieve this vision. Deutscher Behindertensportverband e.V. (DBS) couver – täglich miterleben können, wie The Paralympic Post has been a great Menschen Siege feiern. Nicht nur Siege, die champion of these and previous Games and I mit Gold-, Silber- oder Bronzemedaillen de- am delighted that they will help bring the Pa- koriert werden. Sondern ganz persönliche ralympic spirit to an even wider public. Siege: über das eigene Leid. Darüber, dass Herausforderungen angenommen und LORD SEBASTIAN COE, Wege aus Isolation und Nichtbeachtung ge- Chair of the London Organising Committee funden wurden. Für mich sind diese Sport- of the Olympic and Paralympic Games (LOCOG) ler echte Vorbilder. An ihnen sollten wir uns orientieren; wir alle, die wir häufig und schnell über was auch immer ins Jammern geraten. MARTIN SCHULZ, Präsident des Europäischen Parlaments

20 KÖPFE, 1 ZIEL!

Oft herrscht unter Journalisten, die von beliebten Sportveranstaltungen berichten, eine ausgeprägte Ellenbogenmentalität. Nicht so in unserem 20-köpfigen Team der Paralympics Zeitung. Die 16- bis 19-jährigen Nachwuchsjournalisten aus Großbritan- nien, der Schweiz und Deutschland sind eine eingeschworene Truppe. Sie begeistern sich für ein gemeinsames Ziel: Sie wollen ihren Lesern die spannendsten und emotio- nalsten Geschichten der Paralympics erzählen. Dafür nutzen sie ihre unterschiedli- chen Talente, Fachwissen in einzelnen Sportarten, vielfältige Sprachkenntnisse, priva- ten Kontakte zu Sportlern und Schreiberfahrungen. Wenn zum Beispiel jemand nicht sicher ist, wann die Finalkämpfe in seiner Sportart stattfinden, kann er immer Nico anrufen. Er kann die Wettkampfzeiten selbst im Schlaf aufsagen, da er den Sende- plan für die erste Ausgabe der Paralympics Zeitung erstellt hat. Dafür steht die Schweizerin Alisha allen zur Verfügung, die französisch- oder italienischsprachige Sportler interviewen wollen. Insiderwissen über das Leben im Paralympischen Dorf kann Alice bieten. Ihre große Schwester spielt im britischen Rollstuhlbasketballteam. Das Paralympics-Zeitung-Team hat so zum Beispiel das Interview mit Bundesfinanz- minister Wolfgang Schäuble arrangiert, sich mit Bundespräsident Joachim Gauck unterhalten und die erste deutsche Medaillengewinnerin, Manuela Schmermund,als erstes interviewt. Dies alles können Sie auf den folgenden Seiten lesen. Wir hoffen, KARIN PREUGSCHAT dass Ihnen unsere Zeitung so viel Freude bereitet wie uns. Foto: Thilo Rückeis Paralympics_Zeitung_6. September 2012_4 Gleich ein Volltreffer So lange wie bei Olympia musste das deutsche Team bei den Paralympics nicht auf eine Medaille warten – dank Luftgewehrschützin Manuela Schmermund

VON DOMINIK PRÜFER, 19 JAHRE an die Medaillenränge herankommt. „Ich habe versucht, das völlig auszublenden. Und chützin Manuela Schmermund si- während der Hallensprecher die aktuellen cherte gleich am ersten Wettkampf- Ergebnisse verkündet hat, habe ich mir tag eine Silbermedaille für das deut- selbst Geschichten erzählt“, erklärt sie ihr Ssche Team. Sie musste sich nur der „Erfolgsgeheimnis“. Welche Geschichten Chinesin Zhang Ciuping geschlagen geben. das waren, will Manuela Schmermund nicht Doch leicht war es nicht. verraten. „Ich wollte mich einfach nur ablen- Das Finale dauerte zwar nicht lange. Für ken“, ergänzt sie mit einem Lächeln. Der Manuela Schmermund waren es jedoch 20 Bundestrainer hat eine etwas andere Erklä- lange und äußerst anstrengende Minuten. rung: „Manuela hat da einfach ihre ganze „Mir tut jeder Knochen weh, und ich bin völ- Routine ausgespielt.“ lig k.o., aber mehr als glücklich. Vor allem Aber trotz aller Routine und Erfahrung, nach dem Vorkampf“, sagt die 40-Jährige wie groß die Anspannung schlussendlich aus dem hessischen Niederaula. Mit einer doch war, sah man, nachdem der letzte Medaille hatte nach Platz sieben im Vor- Schuss gefallen war. Da lagen sich dann Trai- kampf niemand mehr gerechnet. „Für uns ner und Athletin freudig in den Armen. „Es war der Finaleinzug das Ziel“, begründet war hier härter als in Peking, und obwohl ich dies der Bundestrainer Uwe Knapp im Nach- schon so lange schieße, war ich nervös wie hinein. Denn seit Schmermunds Silberme- beim ersten Mal“, beschreibt die Hessin ih- daille von Peking vor vier Jahren ist die inter- ren Wettkampf. Trotzdem möchte sie keine nationale Spitze enger zusammengerückt. Wertung abgeben, welche Silbermedaille Nur nicht auf den letzten Platz zurückfal- sich besser anfühlt. „Ich finde alle meine Me- len – das war Schmermunds Devise. Dabei daillen gut. Diese fühlt sich allerdings Fotos: dapd, dpa steigt normalerweise die Anspannung und schwerer an, aber nur vom Gewicht“, sagt Startschuss. Luftgewehrschützin Manuela Schmermund gewann mit Silber Nervosität, wenn sie merkt, dass sie näher die Schützin. die erste deutsche Medaille bei den Paralympics in London.

VON ALISHA MATHIS, 18 JAHRE er immer mit Training oder Wettkämpfen. „In den letzten Jahren hat sich das Training ie Anspannung im Velodrom des stark verändert.“ Es sei professioneller ge- Olympic Park ist spürbar. Die Zu- Gold liegt auf worden, erklärt der Topathlet. schauer schauen gebannt auf die Durch die Professionalisierung gibt es im- DBahn, dann ertönt das Startzei- mer mehr Spitzensportler, und die Wett- chen. Die Arena wird erschüttert von wilden kämpfe werden immer härter. Tobias Graf Anfeuerungsrufen. Das Publikum auf den war im Top Team mit 54 weiteren deutschen Rängen schreit, singt und tobt voller Begeis- der Straße Sportlern. Dadurch erhielt er auch noch terung. Mittendrin – die Überraschung des eine spezielle Förderung. Ambitioniert nach Bahnradfahrens – Tobias Graf aus Deutsch- Schon vor den Spielen war Tobias Graf der heimliche neuen Herausforderungen suchend, tritt land. Graf auch gegen nicht behinderte Sportler Der 28 Jahre alte Radsportler, der bei ei- Star im deutschen Team. Nach Bronze und Silber an. Seine bisher erreichten Spitzenzeiten nem Mähdrescherunfall sein linkes Bein ver- auf der Bahn will er nun im Straßenrennen siegen lassen so manchen zweibeinigen Sportler lor, sahnt gleich bei seinen ersten beiden zittern und im Regen stehen. Rennen zwei Mal Edelmetall ab – Silber und Seine eigene Aufgabe im Team ist jetzt Bronze. Vor den Paralympics wurde Graf in team mit dabei. Ein alter Fuchs könnte man zu sammeln. „Ich bin kein Vollprofi, neben auch das Motivieren seiner Kameraden. „Ei- den eigenen Reihen als heimlicher paralym- sagen, da er schon als 16-Jähriger sein ers- dem Leistungssport arbeite ich noch 35 nige sind schon enttäuscht, aber ich moti- pischer Star gehandelt. Seine größte Medail- tes internationales Rennen fuhr. Um an die Stunden in der Woche“, sagt der gelernte viere meine Teamkameraden natürlich, in lenchance sah Graf beim Verfolgungsren- Spitze zu gelangen, braucht es unzählige Technische Zeichner. den weiteren Rennen alles zu geben.“ Dass nen über 3000 Meter, nicht gerechnet hatte harte Trainingsstunden und zurückgelegte In den vergangenen vier Monaten ver- alles gegeben wird, erwarten auch die mitfie- er aber mit seinem dritten Rang im 1000-Me- Kilometer. Erfahrung und das richtige Alter brachte Graf nur zwei Wochenenden zu bernden Fans im Velodrom. Manchmal kann ter-Zeitfahren. „Ich habe dieses Resultat sind eine gute Kombination, um Medaillen Hause, die restlichen freien Tage verbrachte man kaum sein eigenes Wort verstehen. selbst nicht erwartet, sondern einfach auf „Der Lärm ist extrem in der Halle, vor allem das Bestmögliche gehofft“, so der Sportler. wenn man sich auf sein nächstes Rennen Schon in Athen 2004 erreichte Graf einen vorbereitet.“ Die Gefahr ist groß, dass die zweiten und dritten Platz, und in Peking plat- Vorbereitungen nicht gut laufen und dass zierte er sich als Dritter auf dem Podest. die Konzentration verloren geht. „Ich wurde Jetzt fehlt ihm noch die Goldmedaille in sei- gewarnt, dass während der Olympischen ner Sammlung. In London musste sich Graf im 3000-Me- Spiele eine Lautstärke von bis zu 130 Dezi- ter-Verfolgungsrennen der Klasse C2 im Fi- bel erreicht wurde.“ Aus diesem Grund ist nale dem chinesischen Konkurrenten Gui- er vor den Rennen in der Aufwärmphase oft hua Liang geschlagen geben. Er hat aber mit Ohrenstöpseln anzutreffen. „Ich glaube nicht die Goldmedaille verloren, sondern das Anpassen an die Halle ist mir ganz gut eine Silbermedaille gewonnen. „Direkt nach gelungen“, sagt Graf über seine Erfahrung dem Rennen war ich enttäuscht, dass es mit der emotional geladenen Stimmung. nicht ganz gereicht hatte. Mit meiner Leis- Ihm steht auch noch das Straßenrennen tung bin ich aber zufrieden“, sagte Graf nach bevor. „Im Straßenrennen wird es schwierig der Medaillenzeremonie. In seinen beiden sein, nach vorne zu kommen“, sagt Graf Rennen ist er auch zwei Mal Weltrekordzeit über seine nächsten Wettkämpfe. gefahren. Sein chinesischer Kontrahent un- Doch der Radfahrer hat schon zu Beginn terbot sein Resultat im 3000-Meter-Sprint seiner paralympischen Wettbewerbe bewie- noch weiter. „Zwar keine Goldmedaille, aber sen, dass er immer wieder für eine Überra- die Freude über die neu aufgestellten Weltre- schung gut ist. Man wird sehen, ob er nun korde ist dafür umso größer.“ auch endlich eine Goldmedaille vom Stra- Die überraschende Bronzemedaille ßenrennen seiner Sammlung hinzufügen wurde Tobias Graf vom Bundespräsidenten kann. Das Team Deutschland hofft auf einen

Joachim Gauck übergeben. Seit rund zwölf Foto: Thilo Rückeis Erfolg seines nicht mehr ganz so heimlichen Jahren ist Graf schon im deutschen Rad- Silbermedaillengewinner Tobias Graf im Interview mit Schülerreporterin Alisha Mathis. Stars. 5_Paralympics_Zeitung_6. September 2012

VON ALEXANDER KAUSCHANSKI, 18, und NICO FEißT, 19 JAHRE

eine größte Konkurrenz im Weit- Weltrekorde sprung ist er selbst: Markus Rehm hat bei den Leichtathletikkämpfen Sgleich zwei Mal seinen eigenen Welt- rekord gebrochen. Als er anläuft, spannt sich sein Körper an. und Gold Bei jedem kraftvollen Schritt wechseln Pro- these und Bein sich ab. Er stößt sich ab und Weitspringer Markus Rehm bricht die Weltbestweite springt mit einem mächtigen Satz nach vorne bis über die Sieben-Meter-Marke. gleich doppelt. Zweimal Silber und Bronze für die Die 80 000 Zuschauer im Olympiastadion raunen,dannzeigtdieBildtafelseineSprung- deutschen Leichtathleten folgen weite an. Es sind 7,14 Meter. Es ist der erste Wettkampf bei Rehms Paralympics-Debüt. Ein Athlet erzählt ihm, damit liege er auf dem die Klassifizierung: „Die Punktetabelle hat Im ersten Anlauf bricht er direkt seinen eige- Niveau des damaligen deutschen Rekords. für Oberschenkelamputierte gar keine defi- nenWeltrekord,denervoreinemJahrinNeu- Schnell etabliert Rehm sich in der Leicht- nierteWeite,diesiefür einesolche Punktzahl seeland aufgestellt hat. Doch dabei bleibt es athletik. Er schraubt seinen Weltrekord bei benötigt hätten. Czyz hätte auch 15 Meter nicht: Im letzten Sprung übertrifft er seinen seinen passionierten Sprüngen immer hö- springen können und hätte nur Silber.“ eigenen Weltrekord noch mal. Mit 7,35 ge- her, auch in London, wo er seinen kurz zuvor HeinrichPopowfehlenmit6,07Meternvier winnt er schließlich Gold. aufgestelltenWeltrekordnocheinmalverbes- Zentimeter für eine Medaille. Dies motiviert Wahrscheinlich ist Markus Rehm schon sert. „Das war der perfekte Sprung“, sagt er. ihn am nächsten Morgen, als er über 200 Me- als 14-Jähriger so weit gesprungen, als er „Ich habe im Training schon gezeigt, dass ich ter in persönlicher Bestzeit von 26,90 Sekun- mit einem Wakeboard von Welle zu Welle ge- gut springen kann. Aber dass es so weit geht, den zu Bronze rennt, umso mehr: „Ich habe glittenist.Sein Vater fährtdasMotorboot,das hätte ich im Traum nicht gedacht.“ Rehm ist das deutsche Podest verschenkt, daher den Jungen zieht. Bei einem missglückten begeistert von der Atmosphäre im Stadion. musste ich Wiedergutmachung betreiben. Sprung lässt Rehm die Zugleine los und „Es war ein unglaublicher Tag. Wir hatten ein Das ist mir gelungen“, sagt der Leverkuse- tauchtinsWasserein.EinfremdesBootüber- tolles Publikum mit grandiosen Bedingun- ner, der sich jetzt auf die 100 Meter konzen- siehtihn. RehmgerätmitseinenBeinen indie gen.“ triert.FürCzyz,dermitderkurzenRegenera- Schiffsschraube. Die Ärzte kämpfen im OP Sein Kollege Wojtek Czyz gewinnt mit 6,33 tionszeit schlechter zurecht kommt als Po- um seine Beine. Nach drei Tagen muss sein Metern Silber und bringt Deutschland damit pow, reicht es nur zu Rang fünf. rechtes Bein aufgrund einer Blutvergiftung beim Weitsprung zu einem Doppelsieg. Die Auch die Frauen haben an Tag zwei zuge- unterhalb des Knies amputiert werden. Für beiden Sportler strahlen nach dem Wett- schlagen: Claudia Nicoleitzik gewinnt über die erste Zeit ist Rehm geschockt. Er weiß kampf vor Freude. Das Gold glänzt an Rehms 200 Meter in 32,08 Sekunden Bronze, weil ein nicht, wie er mit seiner Amputation umgehen Brust. Durch seine Sprünge hat nun auch er Protest der deutschen Mannschaft Erfolg soll. Mithilfe der Unterstützung seiner Fami- zum ersten Mal ein Kapitel im Buch der Para- hat:NicoleitzikistbeimRennenvoneinerKon- lie und Freunde findet er sich bald in seinem lympics-Geschichte geschrieben. kurrentinirritiertworden.MarianneBuggen- neuen Leben zurecht. Nachdem er eine Pro- „MarkuswirdbaldauchbeidennichtBehin- hagenhat sich vor den Paralympics geärgert, these bekommen hat, beginnt er wieder mit derten starten können“, meint Czyz. Als dass Diskuswerfen in ihrer Startklasse nicht Fotos: dapd dem Sport. Neben dem Wakeboarden ver- Rehm über sieben Meter gesprungen ist, mehr auf dem Programm steht. Sie setzt ihre Weitspringer Markus Rehm hat mit sucht er sich im Weitsprung. Er springt mit wird Czyz klar, dass er kein Gold mehr holen Wut in Kraft um und holt Silber im Kugelsto- Weltrekord Gold gewonnen. Springt er bald seiner Holzprothese weiter als fünf Meter. kann. Karl Quade, Chef de Mission, erklärt ßen. bei Wettkämpfen der Nichtbehinderten? Es bleibt in der Familie Zwei Schwestern, zwei Medaillen, eine Leidenschaft. Gleich am ersten Tag der Paralympischen Spiele gibt es im Judo jeweils Gold für die Zwillinge Brussig

VON KARLA IMDAHL, 18 JAHRE zelnd nach dem Wettkampf. Und fügt dann schnell hinzu: „Naja, irgendwann kennt man armen Brussig, die 15 Minuten äl- sich an der Weltspitze. Deshalb wusste ich, tere Schwester, verwirklicht ihren dass sie einen Schulterwurf ansetzen wird. Traum als Erste: In der ausverkauf- Den hab ich abgewürgt.“ Der Weg von der Cten Excel Arena gewinnt sie das Matte führt Ramona direkt in die Arme ihrer Judo-Finale in der Klasse bis 48 Kilogramm Zwillingsschwester. Fassungslos halten sich gegen die amtierende Weltmeisterin Kai-Lin die „golden girls“ aneinander fest. Lee und holt Gold. „Dass eine Medaille drin sein könnte, ha- Nur wenige Minuten später steht ihre ben wir uns schon gedacht“, versucht Car- Schwester Ramona in der Gewichtsklasse men die tobende Menge im Stadion zu über- bis 52 Kilogramm auf der Matte. Sie macht tönen. „Aber dass es Gold wird, das geht gar es kurz und schmerzlos: Nach 19 Sekunden nicht!“ Ramona fügt hinzu: „Natürlich wacht

Foto: dpa liegt ihre Gegnerin Lijing Wang am Boden. man nicht morgens auf und erwartet Gold. Kurzer Kampf. Ramona Brussig holt Gold, so wie Schwester Carmen zuvor. „Abgewürgt hab ich sie“, sagt sie schmun- Deswegen freuen wir uns jetzt umso mehr!“

Ein starkes Stück Gemeinschaft.

Ein selbstbestimmtes Leben führen und uneingeschränkt Wir freuen uns auf die Wettkämpfe der Paralympics. am beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben Wenn zum Beispiel sehbehinderte Sportler und können – das ist unser Ziel bei der Wiedereingliederung ihre Führungsläufer der ganzen Welt zeigen, welche von Verletzten und Erkrankten. Die starke Solidargemein- Höchstleistungen in der Gemeinschaft möglich sind. schaft der BG ETEM ermöglicht das durch eine optimale Betreuung nach Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten. Gemeinsam können wir alle viel erreichen. www.bgetem.de © Liao Yujie/Xinhua Press/Corbis Paralympics_Zeitung_6. September 2012_6 Spirit und Spitzensport Bei den Paralympics 2012 messen sich behinderte Sportlerinnen und Sportler in 20 Sportarten. Foto: Clive Rose / Getty Images So viele Zuschauer wie nie zuvor sorgen für die nötige Stimmung bei den Wettkämpfen. Wasserspiele Ungewohnte Ansicht: Eine Unterwasserauf- Impressionen der Spiele nahme der Neuseeländerin Sophie Pascoe aus dem Londoner Aquatics Centre, in dem schon bei den Olympischen Spielen die Schwimmwettkämpfe ausgetragen wurden. Nun schwimmen hier Paralympioniken.

Ballgefühl Bei den Paralympics gibt es zwei Fußball- Wettbewerbe: Gelähmte Sportler spielen sieben gegen sieben. Sehbehinderte dagegen fünf gegen fünf – wie hier beim Spiel zwischen Frankreich

und Brasilien. Foto: Ben Stansall/AFP/Getty Images Kraftakt Sitzvolleyball ist eines der Highlights in Lon- don. Das Feld ist deutlich kleiner als beim Volleyball, dafür müssen die Spieler die Bälle sehr genau berechnen und über eine tolle Technik verfügen. Hier spielen Brasi- lien und Ruanda gegeneinander.

Zielsprint Das Olympic Stadium ist die Bühne für die paralympischen Leichtathleten. Hunderte Sportler kämpfen täglich um Gold, Silber und Bronze. Hier läuft neuen Weltrekord mit 21,30 Sekunden im

Foto: D. Grombkowski/Getty Images Vorlauf der 200 Meter der Männer. Handarbeit Auch William und Kate haben sich von der tollen Atmosphäre in den paralympi- schen Sportstätten anstecken lassen. Ihr Landsmann Aled Davies (links) gewann am zweiten Tag im Kugelstoßen die Bron- zemedaille. Fotos: AFP, Getty Images Foto: Thilo Rückeis 7_Paralympics_Zeitung_6. September 2012 „Sport erfüllt alle“ Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble spricht im Interview mit Schülerreporter Nico Feißt über die paralympische Bewegung und das Arbeitsleben behinderter Menschen

Als Innenminister waren Sie auch für Vor allem macht das Miteinander die Pa- den Sport zuständig. In dieser Funktion ha- ralympics aus. Sehen Sie keine Gefahr da- ben Sie viele Paralympics-Athleten getrof- rin, dass bei einer Professionalisierung fen und deren Geschichten kennen ge- des Behindertensports das verloren lernt. Haben Sie diese Begegnungen beein- ginge? flusst? Im menschlichen Leben hat alles zwei Sei- Zum ersten Mal bin ich bei Behindertenspie- ten. In der Professionalisierung oder Kom- len in den Siebzigerjahren gewesen. Das merzialisierung steckt immer auch eine hat mich beeindruckt und positiv beein- Kehrseite. Dass die Behindertensportler flusst. Insbesondere seit ich selbst zu den sich unglaublich faszinierende Wettkämpfe Behinderten gehöre, kann ich noch besser auf einem unheimlich hohen Niveau liefern, beurteilen, wie wichtig Sport für behinderte geht nur, weil sie sich toll vorbereiten und Menschen ist. für ihr Training und den ganzen Aufwand Gibt es einen paralympischen Moment, entsprechende Unterstützung erhalten. der Ihnen besonders im Gedächtnis geblie- Behindertensport wird nicht nur wäh- ben ist? rend der Paralympics betrieben. Wie erklä- Bei den Winterspielen 2006 in Turin haben ren Sie es sich, dass fast niemand weiß, mir als ehemaligen Skifahrer vor allem was Deaflympics für die Gehörlosen oder diese imponiert. Auch was Special Olympics für die geistig Behinder- ten sind? Das hängt vielleicht mit unserer Gesell- „Was Oscar Pistorius schaft zusammen. Die Weltspiele der Behin- leistet, ist derten in Schanghai waren für China ein Riesenereignis. Es hat viel mehr Aufmerk- unglaublich“ samkeit erregt, als es hier der Fall gewesen wäre. Ich habe damals gesagt, ähnlich wie als Blinde im Langlauf leistet, ist phänome- bei den Paralympics in Peking, dass man nal. Aber ich habe auch eine frühe Erinne- hinter dem Regime in China viele Fragezei- rung an die ersten Spiele, bei denen ich da- chen setzen kann. Dennoch: Ein Staat, der mals war, da haben Sehbehinderte Goalball in einem so starken Maße Behinderten- gespielt. Hinterher habe ich beobachtet, wie sport fördert, hat offenbar zumindest das die Sportler Zeitung gelesen haben. Sehbe- Interesse, den Menschen zu vermitteln, hindert muss ja nicht gleich ganz blind be- dass er sich für alle Menschen einsetzt und deuten. Dennoch muss man darauf achten, nicht nur für die privilegierten. Es ist zu- dass trotz unterschiedlicher Behinderungs- tiefst menschlich, dass allen die Chance ge- grade faire Wettbewerbe hergestellt wer- boten wird, für ihre persönliche Erfüllung den. Bliebe noch die spannende Frage, wie Sport zu treiben – egal, ob sie behindert es mit dem Südafrikaner ist, der bei Olympia sind oder nicht. läuft. In den vergangenen Jahren sind Sie ver- Sie meinen Oscar Pistorius. Insbeson- mutlich immer weniger Handbike gefah- dere er lieferte in jüngerer Vergangenheit ren. Ihr Arbeitspensum ist enorm gestie- immer wieder besondere Momente. Was gen, vor allem auch durch die Schulden- empfinden Sie, wenn Sie hören, dass ihm krise. Spüren Sie die Belastung in Ihrem von Kritikern vorgeworfen wird, er hätte Job auch körperlich? durch seine Behinderung einen Vorteil? Ja, aber dann fahre ich in Berlin oder in mei- Ich weiß nicht, ob das ein Vorwurf ist. Es än- ner Heimat Offenburg Handbike. Ich versu- dert ja nichts daran, dass es eine unglaubli- che, mich fit zu halten. che Leistung ist, aber es könnte schon ein Wann ist für Sie der richtige Zeitpunkt Wettbewerbsvorteil sein. Wenn dann die gekommen, dass Sie sich eine Auszeit von

Sportgerichte sagen, es sei keiner, dann ist dem ganzen Arbeitsstress nehmen müs- Foto: Thilo Rückeis das okay. Da kann Herr Pistorius gar nichts sen? Finanzminister Wolfgang Schäuble kennt sich bei den Paralympics bestens aus. dafür, ich kann das auch verstehen, dass er Ich schaue, dass ich mich vom Stress nicht da sagt: ‚Nein, ich will zeigen, dass ich mit auffressen lasse. Wenn man immer im meinen Prothesen genauso bei den nicht Stress ist, kann man seine Arbeit nicht gut Auch wenn Sie diese Rolle nicht anneh- ton Churchill und der hatte keine Behinde- Behinderten gewinnen kann.' Die Frage, ob machen, da ein einigermaßen freier Kopf men möchten: Für viele Menschen sind rung. es wirklich gleiche Bedingungen sind, kann wichtig ist. Daher genießen Handbikefah- Sie ein Vorbild. Sowohl ältere Menschen, Welchen Traum würden Sie sich gerne ich aber nicht ernsthaft beurteilen. ren, Musik, Theater, Kino und Bücher neben als auch Menschen im Rollstuhl bewun- privat noch erfüllen? Pistorius ist Vollprofi. In Großbritannien allen Eurokrisen auch weiterhin eine hohe dern Ihre Leistungsfähigkeit. Woher neh- (lacht) Früher habe ich gedacht, ich würde ist es so, dass es im paralympischen Be- Priorität. men Sie die Kraft, Ihre vielen Reisen und gerne in Wimbledon Tennis spielen, aber reich viele Profis gibt. Sollte Deutschland Termine gesundheitlich durchzustehen? den Traum werde ich mir wohl nicht mehr sich daran ein Beispiel nehmen und Profi- Ich glaube, es ist für nicht Behinderte erfüllen. Aber ich bin mit meinem Leben strukturen auch im Behindertensport för- „Ein Rollstuhlfahrer wichtig zu sehen, dass ein Rollstuhlfahrer recht zufrieden, und daher kann es ruhig so dern? kann wie jeder andere genauso wie jeder andere viele Dinge ma- bleiben, wie es ist. Der Staat fördert Leistungssportler, auch chen und eine berufliche Aufgabe erfüllen Was geben Sie dem deutschen Team für behinderte Leistungssportler. Ich habe da- viele Dinge machen“ kann. Ansonsten habe ich als Minister natür- die Paralympics mit auf den Weg? mals als Innenminister – auch mit Unter- lich viel Unterstützung, insofern habe ich es Ich wünsche der deutschen Mannschaft, stützung des damaligen Bundespräsiden- Für den außenstehenden Betrachter besser als andere. Dass man immer ein dass jeder den optimalen sportlichen Erfolg ten Horst Köhler – bei Unternehmen und sind Sie ein Paradebeispiel für gelungene Auto zur Verfügung hat, das ist schon ein hat; und die Sportler trotz aller Konzentra- auch in der Bundesverwaltung dafür gewor- Rehabilitation. Ihre Behinderung spielt im großer Vorteil, der das Leben einfacher tion auf die Wettbewerbe auch die Gemein- ben, dass wir Stellen schaffen, bei denen politischen Alltag scheinbar keine Rolle. macht, aber das wusste auch schon Wins- schaftserfahrung und tolle, individuelle Er- sich behinderte Leistungssportler auf inter- Wann merken Sie, dass Sie dennoch einge- lebnisse in London haben werden. Außer- nationale Wettkämpfe entsprechend so vor- schränkt werden und Ihre Behinderung dem wünsche ich den Athleten, dass sie wäh- bereiten können, dass sie reelle Chancen ein Thema ist? rend der Paralympics ein Stück weit für die auf einen Sieg haben. Hinterher müssen sie Ich weiß nicht, ob ich ein Paradebeispiel Anstrengungen des Trainings in den vergan- aber wieder in einen Beruf einsteigen kön- bin, aber in meiner politischen Tätigkeit genen Jahren belohnt werden. nen. spielt die Tatsache, dass ich behindert bin, keine Rolle. Ich bin deswegen kein besserer Die Fragen stellte der Schülerreporter Politiker, aber auch kein schlechterer. Un- NICOLAS FEIßT, 19 Jahre ter Menschen bei einem Empfang oder ei- ner Party beispielsweise tue ich mich manchmal schwer. Wenn alle stehen, dann bist du als Rollstuhlfahrer blöd dran. Paralympics_Zeitung_6. September 2012_8 Short! hört auf Kurz! Natalie Du Toit ist eine der erfolgreichsten Motivation vom paralympischen Athletinnen, die es jemals gab. Außerdem ist sie die erste Schwimme- rin, die sich mit einem amputierten Unter- Präsidenten schenkel für die Olympischen Spiele qualifi- zierte. Bei den Paralympics in London will sie sieben Goldmedaillen holen und anschlie- ßend ihre Karriere beenden. „Ich habe alles erreicht, was ich wollte. Jetzt will ich studie- ren“, sagt Du Toit. Ihr langjähriger Trainer Károly von Törös dagegen hofft, dass sie ihre Laufbahn als Schwimmerin fortsetzen wird: „Ich kann nicht glauben, dass sie aufhö- Kurz! ren will.“ MAXIE BORCHERT, 18 Jahre

Goldene Sport- Foto: Thilo Rückeis

Rund 150 Paralympische Athletinnen und und Filmstars Athleten wurden vergangenen Donnerstag im Deutschen Haus ausgezeichnet. Bundes- Die Dreharbeiten für den Film „GOLD - Du präsident Joachim Gauck und Innenminister kannst mehr als du denkst“ sind in vollem Hans-Peter Friedrich ehrten die Sportler Gange. Tagtäglich begleitet die Film-Crew und motivierten sie für die kommenden von Parapictures Film Production einen der Tage. Nach dem ersten Wettkampftag zeigte drei internationalen Protagonisten durch des- sich vor allem der Bundespräsident begeis- sen Wettkampftag. Die Dokumentation fängt tert. „Ich hatte mir zwei Namen möglicher Medaillenkandidaten notiert – und jetzt sind Foto: Parapictures/Olaf Ballnus die einzigartige Atmosphäre und Stimmung bei den Paralympics 2012 ein. Das Filmpro- es bereits sieben. Sie alle werden noch viele jekt entstand auf Initiative der Deutschen Ge- Menschen mitreißen.“ Besonders hervorge- setzlichen Unfallversicherung. Sportstars hoben wurde Luftgewehrschützin Manuela wie die deutsche Schwimmerin Kirsten Schmermund (Bild), die freudestrahlend Parkett- Bruhn stehen im Mittelpunkt der Dokumenta- ihre Silbermedaille präsentierte. . WIBKE SCHUMACHER, 18 Jahre tion. Das Filmteam besuchte Kirsten Bruhn geschichten im Paralympischen Dorf und filmte ihre Wett- kämpfe. Am letzten Tag der Spiele wird es noch einmal richtig spannend, wenn neben Sportfans aufgepasst! Bei den Paralympics dem kenianischen Marathonläufer Henry Wa- wurde eine neue Disziplin eingeführt: Das nyoike auch dem australischen Rennroll- Theater im Surfen. Allerdings surfen hier keine Profi- stuhlfahrer der finale Wett- sportler, sondern wir alle selbst. Behinder- kampf bevorsteht und die Kamera die Emotio- Schwimmbad tensport trifft auf das digitale Zeitalter: Jan nen der Sportler hautnah einfängt. Mit der Haller, deutscher Rollstuhlbasketballer, Abschlussfeier am 9. September wird auch Nicht nur der Leistungssport, auch die Kul- nutzt das Netz, um über seinen Sport aufzu- das Ende der Dreharbeiten eingeläutet. Im tur prägt während der Paralympics das Bild klären. Seit Juli ist der Nationalspieler auf Frühjahr 2013 kann dann der Kinobesucher in London: Bei der atemberaubenden Perfor- der Plattform www.parkettgeschichten.de alle Höhen und Tiefen vom jahrelangen Trai- mance „Creating the Spectacle!“ sitzt das aktiv. In seinem Blog „Hall(er) of Fame“ er- ning bis zum Wettkampftag in einem spekta- Publikum mit Taucherbrillen und Atemmas- klärt der 23-Jährige den Usern nicht nur die kulären Dokumentarfilm nachempfinden. ken unter Wasser. In einem Schwimmbe- Basics des Rollstuhlbasketballs, sondern be- MAXIE BORCHERT, 18 Jahre cken staunen sie, wie die Künstlerin Sue Aus- richtet auch vom Trainingsalltag. Medienken- tin in einem Rollstuhl mit Propellerbetrieb ner, die gerne am Ball bleiben, können sich zu ihnen hinuntersinkt. Mit eleganten Bewe- zusätzlich via Twitter auf den neusten Stand gungen gleitet sie bei ihrer Choreografie bringen. ENYA WOLF, 18 Jahre durch die Tiefe. Das Unterwassertheater Lob für junge von London soll Behindertenkunst zur ge- meinsamen Erfahrung für Künstler und Pu- Journalisten blikum machen. Ball game in ALEXANDER KAUSCHANSKI, 18 Jahre „Wie könnten wir dieses Projekt nicht unter- stützen? Es bewegt so viele Menschen.“ St. Paul’s Doug Wills, Chef vom Dienst des London Eve- ning Standard, steht auf der Bühne des Deut- Medaille sind Surely not? In London, during the Paralym- schen Hauses und lobt die Paralympics Zei- pic Games, things are different. A team of tung des Tagesspiegels vor rund einhundert young British wheelchair basketball players Gästen. Eingeladen vom deutschen Botschaf- natürli s Ziel showcased their sport inside St Paul's cathe- ter Georg Boomgaarden (Bild) sind sie ge- dral. The athletes performed training drills kommen, um das Nachwuchsprojekt näher We make it happen, so lutet s Motto vom in front of a capacity audience. The Kaos kennenzulernen und um die erste Ausgabe Schwizer Team. Medaille sind natürli s Ziel, choir, made up of deaf children, then sang a zu bewundern. In Abendgarderobe waren aber wie a de Eröffnig vo de Swissfanzone rendition of 'Respect', leaving the congrega- alle Mitglieder der Paralympics Zeitung an- gseit worde isch, söll me nöd nur Medaille tion on their feet. Former wheelchair racer wesend, unterhielten sich mit Reportern zelle, sondern alli erlebte Moment. Es isch Baroness Tanni Grey-Thompson ended the und knüpften Kontakte. Ein rundum gelunge- aber gar nöd so eifach, `s eifach gscheh lah, evening with a significant statement: “I am ner Abend. WIBKE SCHUMACHER, 18 Jahre me muen im richtige Moment sis ganze proud to be a Paralympian.” Chöne abrüefe, so de Rollstuehlliechtathlet BRADLEY NEEN, 17 Jahre Marcel Hug. D`Frau Bundespräsidentin Wid- mer-Schlumpf wünsch sich natürli, dass das klappet, aber falls nöd, hoff sie wenigs- tens, dass me guet mitere Niederlag chan umgah. Das isch nämli genau so wichtig. ALISHA MATHIS, 18 Jahre, Schweizerin WWW

Foto: Thilo Rückeis tagesspiegel.de/paralympics Ein Tagebuch unserer Schülerreporter finden Sie auf unserer Onlineseite 9_Paralympics_Zeitung_6. September 2012

VON BENJAMIN SCHOLZ, 19 JAHRE alssehrpositiv,dassimBehindertensportalle eine große Familie bilden und nicht wie sonst chiedsrichter gelten oft als Buhmän- auf der einen Seite Spieler und Trainer und auf Freunde ner. Sie werden schon mal von allen deranderenSeitedieFeindbilderSchiedsrich- Seiten beschimpft und ernten Kritik, ter sind“, sagt Bernhard Karau. Sgelobt aber werden sie selten. Da darf Der 56-Jährige ist ein Kollege von Niels es einem schon seltsam vorkommen, wenn Haupt. Er ist seit 1983 Schiedsrichter im ein Schiedsrichter von viel Kollegialität und Tischtennis, bereits 1984 stieg er in die Bun- statt Feinde Respekt untereinander spricht. Im Behinder- desliga auf. Karau verfügt über die soge- tensport ist der Umgang mit Männern wie nannte Blue-Badge-Lizenz, die es ihm er- Die Schiedsrichter Niels Haupt und Bernhard Karau Niels Haupt eben ein anderer. Auch auf der möglicht, Endspiele zu leiten bei wichtigen ganz großen Bühne. Turnieren, wie zum Beispiel den Paralym- erleben bei den Paralympics einen ganz Der 39-jährige Niels Haupt aus der Nähe pics. Zum Behindertensport kam er durch von Hannover pfeift als einziger Deutscher dieTeilnahme an einem internationalen Tur- anderen Umgang mit ihrer Rolle beim paralympischen Blindenfußballturnier. nier für Behinderte, das 2004 in Bielefeld Dass er einmal aktiv bei einem Großereignis stattfand. Und die Athleten zogen Karau – dabei sein würde, hat er sich wohl nicht ein- mag es auch kitschig klingen – schlichtweg in malimTraumvorgestellt,alservor19Jahren ihren Bann: „Ich war fasziniert von der Leis- seine Schiedsrichterlizenz erwarb. Im Nach- tungsfähigkeit der Behinderten.“ hinein war es auch eher dem Zufall geschul- SeinemanschließendenEngagementindie- det. Denn Haupt war im Jahr 2008 kurz davor, sem Bereich hat er auch seine erstmalige No- seineKarrierezubeenden.Für ihnalsOberli- minierung für die Paralympics zu verdanken, gaschiedsrichter stellte sich damals „die glaubt der Paderborner. Und diese womöglich Frageder Perspektive“, wie er sagt.Er schien einmalige Gelegenheit, ein wenig mit im Ram- nicht weiter nach oben zu kommen – bis er penlicht dieser „Wahnsinnsveranstaltung“ zu eine andere Chance sah. stehen, möchte Karau nutzen. Einerseits hat FürdieneuinsLebengerufeneBlindenfuß- er natürlich Ambitionen, möglichst wichtige ballbundesliga wurden Schiedsrichter ge- Spiele zu leiten. Andererseits aber, und das sucht, sodass Haupt auf „absolutem Neu- scheintihmnochvielwichtigerzusein,möchte land“ noch einmal von vorne begann. Er er „viele nette Bekannte wiedertreffen“. Eine mussteetwalernen,dassdieStimmeimBlin- ArtFamilientreffenaufgroßerBühneerwartet denfußball eine herausragende Rolle ein- ihn und Niels Haupt also: Beide haben durch nimmt, weil sie zusätzlich zu ihrer eigentli- ihrelangjährigeTätigkeitschonfreundschaftli- chenFunktionauchnochMimikundGestiker- che Beziehungen zu behinderten Athleten und setzen muss. Langsam aber sicher sam- unter den Schiedsrichtern aufgebaut. melte Haupt so erste Erfahrungen in der Nur der Umgang mit den Behinderten ist neuen alten Sportart. beibeiden verschieden.WährendHauptbeim Dazu gehörte auch die Erkenntnis, dass das Blindenfußball zum Teil behutsamer vorge- „Wir-Gefühl“ im Behindertensport sehr stark hen muss als sonst, unterscheidet Karau ausgeprägt ist. Solidarität statt Egoismus, nicht zwischen behindert und nichtbehin- Foto: promo Teamwork stattEinzelarbeit – unterSportlern dert, aus einem ganz einfachen Grund: „Das Umgeschult. Niels Haupt pfiff früher in der Oberliga und heute beim Blindenfußball. und unter Schiedsrichtern. „Ich empfinde es sind Menschen wie wir alle.“

Träume leben, Ziele erreichen.

Erfolg im Sport – Power im Alltag. Und mit Sicherheit mobil.

Nicole Seifert weiß, wie wichtig Mobilität für Rollstuhlnutzer ist. Als Botschafterin der Kampagne „sicher mobil“ gibt sie ihre Erfahrungen weiter. Sie steht aktiv für Lebensqualität, Selbstbestimmung sowie die Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben. Fotos: DRS/Armin Dieckmann, Andreas Joneck

„sicher mobil“ ist die aktuelle Kampagne der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und des Deutschen Rollstuhl-Sportverbandes (DRS).

Weitere Informationen zur Kampagne: www.sichermobil.org www.bgw-online.de www.rollstuhlsport.de

Nicole Seifert Gold bei der Basketball-Europa- meisterschaft 2005/2007; Silber bei den Paralympics 2008

FÜR EIN GESUNDES BERUFSLEBEN Paralympics_Zeitung_6. September 2012_10 Am Imbiss entdeckt Mario Galla ist behindert – und seit einigen Jahren eines der gefragtesten Models in Deutschland. Ein modernes Märchen

VON NORA TSCHEPE-WIESINGER, 18 JAHRE derungen. Und das, obwohl er sich selbst in keiner Weise behindert oder einge- äre heute gutes Wetter, ganz un- schränkt fühlt. „Ich habe kein Problem da- typisch für England, dann würde mit, wenn jemand zu mir sagt, dass ich be- Mario Galla kurze Hosen tragen. hindert bin. Aber ich fühle mich nicht ange- WUnd viele würden gucken. Nicht sprochen“, sagt Mario Galla. „Mein Bein etwa, weil der 1,86 Meter große gebürtige hat mich nie wirklich behindert. Ich hab von Hamburger mit den strahlend blauen Augen Fußball und Basketball bis hin zu Snow- und den strohblonden Haaren dem Schön- boarden schon alle möglichen Sportarten heitsideal eines Models entspricht, sondern ausprobiert. Meine Orthoprothese war da- weil Mario Galla behindert ist. bei nie ein Problem.“ Er hat ein zu kurzes Bein. Gallas rechtes Und auch sonst scheint im Leben Mario ist etwa 15 Zentimeter kürzer als das linke, Gallas derzeit alles nach Plan zu laufen. Er genau nachmessen will er nicht. Aufgrund hat einen großen Freundeskreis und eine des Längenunterschiedes brauchte er von Freundin. Er studiert Medienwissenschaf- klein auf eine Orthoprothese. Sie unter- ten in Hamburg und postet auf seiner Face- stützt die Gliedmaßen, die zwar vorhanden, bookseite Bilder, die ihn schlammver- aber nicht stark genug ausgeprägt sind. schmiert auf dem Heavy-Metal-Festival im Hätte er diese Unterstützung nicht, könnte schleswig-holsteinischen Wacken zeigen. Galla nicht laufen. Zu den Paralympischen Spielen fuhr Ma- Trotz seiner Behinderung zählt Mario rio Galla dieses Jahr vor allem aus eigenem Galla derzeit zu den gefragtesten Topmodels Interesse. „Ich finde es cool, dass es die Pa- in Deutschland. Seine Geschichte ist einzig- ralympics gibt, und dass sie mittlerweile so artig, denn der 27-Jährige wurde vor fünf einen hohen Stellenwert haben. Die Teilneh- Jahren von einem Modelscout in einer Im- mer leisten viel mehr als ich. Ich bin nur ein bissbude entdeckt. Damals gab er dem Model und habe eine Behinderung. Aber die Mann hinter dem Tresen reichlich skeptisch bringen extreme sportliche Leistungen.“ seine Handynummer – um am Tag darauf Als Mario Galla sich am Ende des Inter- von einer professionellen Modelagentur views von mir verabschiedet, sagt er ab- zum Casting eingeladen zu werden. schließend: „Ich bin so geboren und war im- Was wie ein modernes Märchen angefan- mer in dieser Situation. Ich bin ein ganz nor- gen hat, setzt sich auch so fort: Bald schon maler Typ.“ Als er dann zur Ausgangstür bekommt Mario Galla seine ersten Jobs, humpelt, bin ich verblüfft. Komisch, aber wird von Designern wie Hugo Boss und während des Interviews hatte ich ganz ver-

Foto: Hendrik Ballhausen Jean-Paul Gaultier gebucht und wird damit gessen, dass Mario Galla ja eigentlich behin- Auf dem Laufsteg. Mario Gallas rechtes Bein ist zu kurz – trotzdem modelt er. zum Vorbild für viele Menschen mit Behin- dert ist.

VON ANNETTE KÖGEL jekt „Gold“, das das Leben von drei Paralym- pioniken dokumentiert. y one thing – see the strength, not Auch die Allianz ist stark engagiert. „Mich the weakness. Eine Hauptsache Eine eigene beeindruckt das positive Feedback unserer im Leben: Man möge sich bitte Mitarbeiter“, sagt Werner Zedelius, Vor- Mauf seine Stärken und nicht seine standsmitglied bei der Allianz SE. Der Versi- Schwächen konzentrieren – das ist ein Slo- cherungskonzern unterstützt zudem zehn gan der Plakatkampagne, mit der die Allianz nationale Paralympische Komitees, etwa in dank Behindertenleistungssportler wie dem Dynamik Portugal, der Türkei oder Australien. In Schweizer Marcel Hug für Werte wie Durch- Kroatien initiieren Mitarbeiter und Paralym- haltevermögen, Hingabe und Motivation Die Marke Paralympics? Hingabe und Lebensfreude. pioniken an Schulen Sportprojekte. In wirbt. Seit 2011 ist das Versicherungsunter- Deutschland schulen Sportler wie der Gold- nehmen der erste Internationale Partner Diese Werte schätzen viele Firmen und Mitarbeiter. medaillen-Weitspringer Markus Rehm als des Internationalen Paralympischen Komit- Unterstützung der Spiele Coach Mitarbeiter. „Für uns Athleten sind tees (IPC). Die weltweite Allianz SE ist mit Warum sie für die werben die Unterstützungen sehr wichtig, wir wür- der Telekom als Förderer des deutschen Top- den sonst nicht so eine breite Öffentlichkeit teamkaders mit derzeit 55 Athleten bereits begeistern können“, sagt Skisportlerin ein langjähriger Partner der paralympi- Anna Schaffelhuber. schen Bewegung – wie die Deutsche Gesetz- Das IPC lädt jetzt anlässlich der Paralym- liche Unfallversicherung (DGUV), der Prothe- pics 2012 zu einem Marketing-Gipfel nach senhersteller Ottobock, Acer und Coca Cola. London. Zehn Millionen Pfund ergab der Ver- Auch kleinere Firmen entdecken immer öf- kauf der TV-Übertragungsrechte, mit 2,7 Mil- ter Charme, Humor, Lebensfreude und Au- lionen Tickets wurden so viele wie nie ver- thentizität der Protagonisten. Alles Werte, kauft. Marketing und Unterstützungsaktio- die sich auf Firma, Produkte und Mitarbeiter nen wirken selten so sympathisch wie bei übertragen lassen, die selbst verinnerlicht der Marke Behindertenleistungssport. Das werden oder Synergien ergeben. Nicht Be- ergab die repräsentative Studie des Markt- hinderte profitieren von Behinderten. forschungsinstituts Sport+Markt im Auftrag Einer der Hauptakteure, die Deutsche Ge- des Deutschen Behindertensportverbandes setzliche Unfallversicherung, engagiert sich und der Deutschen Telekom. schon jahrelang bei der Unterstützung von So sind bei den Paralympics 2012 im Deut- angehenden Athleten mit Handicap. „Um Ath- schen Haus auch lokale Firmen dabei wie leten zu fördern, unterstützen wir sie auch das Weingut Werner Anselmann oder der im beruflichen Werdegang“, sagt DGUV- Bundesverband Deutscher Milchviehhalter Hauptgeschäftsführer Joachim Breuer, „wir – Paralympics machen fit. Samsung und sind einfach begeistert vom Sport und den Channel 4 pushen den Sport mit dynami- Athleten.“ Zudem hat die Versicherung zahl- schen Werbespots, und David Beckham reiche gesellschaftspolitische Projekte ins trägt das Charity-T-Shirt von Adidas - zu-

Leben gerufen wie die „Paralympics Zeitung/ Foto: Allianz SE gunsten der British Paralympic Association Paralympic Post“ oder das Sporkinofilmpro- Nach vorne schauen. Rennrollstuhlfahrer Marcel Hug macht’s vor. und „Help for Heroes“. 11_Paralympics_Zeitung_6. September 2012 Helden des Alltags Ein Tipp: Konzentriere dich auf Die Herstellung von Sportprothesen hat sich in den das, was du hast – vergangenen Jahren rasant entwickelt. Viele Firmen sind in London dabei, um die Athleten zu unterstützen und nicht auf das, was du verloren hast. Foto: promo Ein Techniker von Ottobock repariert im Paralympischen Dorf ein Sportgerät.

VON DOMINIK PRÜFER, 19 JAHRE funktionieren rein mechanisch, es sind also keine Mikroprozessoren vorhanden. Und rei Athleten, zwei Gemeinsamkei- während die sportliche Variante zum Groß- ten: Der Leverkusener Heinrich Po- teil aus Carbon besteht, sind die Alltagsge- pow, die Russin Svetlana Moshko- räte aus robusteren Materialien wie Alumi- Dvich und die Australierin Kelly nium hergestellt. So kann man mit der Pro- Cartwright haben ein Ziel – Medaillen bei these auch gegen etwas stoßen, ohne gleich den Paralympics 2012 in London zu gewin- einen Schaden befürchten zu müssen. nen. Und dabei wird das Trio von der Firma Im Gegenzug sind die Sportgeräte nicht Ottobock unterstützt, ihres Zeichens Markt- alltagstauglich. Ottobocks wissenschaftli- führerin in der Herstellung von Prothesen. che Koordinatorin sagt: „Die Energierück- „Unsere Techniker begleiten die Athleten gabe ist zu groß. Wer einmal genau die Sprin- regelmäßig zum Training, um die Prothesen ter beobachtet, wird bemerken, dass sie Katrin Green, Sprinterin ständig weiterzuentwickeln“, sagt die wis- ständig in Bewegung sind.“ senschaftliche Koordinatorin von Ottobock, Aufgrund dieser Energierückgabe haben Alexandra Grossmann. Die Erkenntnisse, die Athleten jedoch keinen Vorteil, wie es die daraus gezogen werden, kommen allen zum Beispiel dem „Bladerunner“ Oscar Pis- Athleten bei den Paralympics zugute. Denn torius aus Südafrika vorgeworfen wurde. das Unternehmen aus dem niedersächsi- „Man muss nicht mit der Materie vertraut schen Duderstadt ist mit einem großen Auf- sein, um zu erkennen, dass die Athleten Glauben Sie an sich selbst. gebot in London, um allen Athleten vor Ort nicht die kompletten Gliedmaßen haben, die Unterstützung anzubieten. Für manche sie nutzen könnten“, meint Tino Hartmann, Sportler wäre ein Start gar nicht möglich, der als Techniker für Ottobock im Paralympi- wenn sie ihre Hilfsmittel nicht notfalls unmit- schen Dorf ist. „Da kann man nun argumen- tieren, wie man will, sie werden nie die hun- telbar an der Wettkampfstätte reparieren dert Prozent eines nicht Behinderten errei- lassen könnten. chen“, ergänzt er. Die Vorwürfe seien nicht Dabei ist der Weg zu einer Prothese lang. nur unbegründet, sondern auch unange- Zu allererst steht der Alltagsgebrauch im bracht. Rüdiger Herzog aus Ottobocks Pres- Vordergrund, da nicht jeder Besitzer einer seabteilung schließt sich Hartmanns Mei- Prothese Spitzensportler wird. Alltagspro- nung an: „Ich halte es für ein Unding, dass Partner of the International thesen sind wahre Wunderwerke der Tech- man Menschen, die auf eine Prothese ange- Paralympic Committee. nik. Am besten lässt sich das bei einer Bein- wiesen sind, Doping vorwirft.“ prothese verdeutlichen: Mikroprozessoren Der Weg vom Holzbein und der Haken- im Kniegelenk, die auf den individuellen Be- hand, wie man sie noch aus Peter Pan kennt, wegungsapparat des Nutzers abgestimmt hin zu den heutigen Hightechprothesen war sind, ermöglichen einen natürlichen Gang. lang, aber äußerst erfolgreich. Modernste Für Heinrich Popow ist das etwas ganz Be- Computertechnik macht es möglich, die na- sonderes. „Ich muss nicht mehr auf den Bo- türlichen Bewegungen der Gliedmaßen den gucken. Ich kann den Leuten ins Gesicht – seien es die Finger, der Arm oder das Bein schauen. Das ist für mich das Wichtigste“, – perfekt wiederzugeben. Sportprothesen er- sagt der 29 Jahre alte Leichtathlet. Aller- möglichen körperliche Höchstleistungen, dings kostet so eine Prothese auch zwischen auch abseits der Sportstätten, wie Kelly 25 000 und 30 000 Euro. Cartwrights Besteigung des Kilimandscha- Nun könnte man meinen, dass es lange ros zeigt. Sie bringen ihren Benutzern Le- dauert, eine technisch so anspruchsvolle bensqualität. Das macht Prothesen zu den Prothese herzustellen. Mitnichten. „In der versteckten Helden des Alltags. Regel brauchen wir sieben Werktage, um eine Prothese fertig zu stellen. Und dann noch einmal ungefähr zwei Wochen, bis wir alles individuell und zur Zufriedenheit des WWW Kunden angepasst haben“, erklärt Alexan- tagesspiegel.de/paralympics dra Grossmann. Ergebnisse, Bildergalerien, Analysen. Mit solch einer Alltagsprothese wird aller- Weitere Infos auch unter dguv.de dings kein Sport getrieben. Sportprothesen

0412_04_AZD_Paralympics_118,3x370,5_B_NP.indd 1 25.07.12 16:19 Paralympics_Zeitung_6. September 2012_12 Aus einem Guss In London nutzen die Organisatoren der Paralympics die gleiche Logistik wie bei den Olympischen Spielen. Offenbar mit Erfolg

VON ALEXANDER KAUSCHANSKI, 18 JAHRE vermieden werden. Bei den Paralympics werden dieselbe Infrastruktur, dieselben ie Athleten stehen am Startblock, Sportstätten, Medien und Transportmittel der Startschuss schallt durch die wie bei den Olympischen Spielen genutzt. Arena. Sie sprinten auf die Ziellinie Holmes sieht darin Potenzial: „Der olympi- Dzu, um später den Jubel der begeis- sche Erfolg kann die Paralympics nur bestär- terten Zuschauer zu empfangen. ken.“ Was das Publikum häufig nicht weiß: Hin- Die erste Herausforderung stellte sich bei ter dem Vorhang des gigantischen Sport- der Einreise der 4200 Sportler. „Das war ein events verbirgt sich eine Maschinerie, die gewaltiger logistischer Einsatz“, erzählt das Ereignis Paralympics erst möglich Craig Spence vom Internationalen Paralym- macht. Chris Holmes gilt als Großbritan- pischen Komitee. Die meisten Sportler reis- niens erfolgreichster Schwimmer mit einem ten mit dem Flugzeug an. Die Rennroll- Handicap. Nun sorgt der blinde Ex-Athlet da- stühle nahmen beim Gepäcktransport viel für, die bestmögliche „Paralympic-Erfah- Platz ein. Daher war Vorplanung und Zeitma- rung“ zu schaffen. Holmes ist Direktor für nagement notwendig. „Eine effektive Trans- paralympische Integration. Er kümmert sich portstruktur vor Ort war unentbehrlich“, er- um die gleichberechtigte organisatorische läutert Spence. Aber nicht nur an die Sport- Planung von Paralympics und Olympischen ler, auch an die Zuschauer wurde gedacht. Spielen. Aus den Pannen, die während der „Die Besucher erwarten bei der Anreise we- Sommerspiele 1996 in Atlanta passiert sind, nig Unannehmlichkeiten. Wir kümmern uns lernten die folgenden Organisationkomitees auch darum“, erklärt Chris Holmes. besser miteinander zu kommunizieren. Da- Und so ist er sich trotz des gewaltigen or- mals bauten die Organisatoren die Sportstät- ganisatorischen Aufwands sicher, die erfolg- ten nach den Olympischen Spielen schon ab, reichsten Spiele aller Zeiten zu erleben. Fotos: promo, Thilo Rückeis sodass für die Paralympics nur „Ruinen“ üb- „Die Paralympics 2012 werden ein sensatio- Alles klar auf der Bahn. Im Velodrom gab es nach den Olympischen Spielen wenig rig blieben. In London sollte das unbedingt nelles Ereignis“, sagte Holmes im Vorfeld. Umbaubedarf. Auf behindertengerechten Transport musste natürlich geachtet werden.

Speakers’ Corner Mit Sport zurück

Prince Edward jubelt im sen bedienen sich ihrer Fachkenntnis. Auch die Paralympics Zeitung ist als Informations- ins Leben Velodrom – but he takes quelle gefragt, sie liegt im Deutschen Haus some time to chat aus, dem beliebten rustikalen Treffpunkt an den Docklands. Draußen feiern die Touristen Maurer Sascha Bechtold überlebte nur knapp in der Sonne, drinnen arbeiten die jungen Re- einen Arbeitsunfall. Zwei Jahre danach Das ausverkaufte Velodrom in London tobt, porter. Topmodel Mario Galla steht stunden- und inmitten der euphorisierten Zuschauer lang mit seiner Freundin im Stau, um sich kann er wieder auf der Baustelle arbeiten reißt Prinz Edward die Arme bei der den Fragen der Schülerreporter zu stellen. La-Ola-Welle für die Radrennfahrer hoch. We are proud of our enthusiastic and hard- „Unsere Sportstätten finde ich toll, und die working young journalists, who work from VON ALEXANDER KAUSCHANSKI, 18 JAHRE Atmosphäre großartig“, sagt der jüngste seven in the morning until three in the mor- Sohn der Queen, Earl of Wessex, dem Tages- ning. Their work is also highly appreciated s ist ein sonniger Tag im August spiegel beim Wettkampf. Edward, mit vollem by media colleagues, who use our Paralym- 2012. Am Bostalsee bei Saarbrü- Namen Edward Antony Richard Louis Mount- cken bedient Sascha Bechthold mit- pic Post in the German House as a source batten-Windsor, besucht als Botschafter der tels Computer die Betonmischan- for their stories. And that Prince Edward E paralympischen Bewegung regelmäßig die lage. Rund um den See entsteht eine Bunga- took some time to answer questions for Der Spiele – und trägt ein Great-Britain-Shirt. low-Anlage. Wer dem athletisch gebauten Tagesspiegel. I interviewed him in Beijing Auch die anderen Royals promoten die Olym- 42-Jährigen bei seiner Arbeit zuschaut, four years ago when he returned to the pischen Spiele der Körperbehinderten. glaubt kaum, dass er vor knapp zwei Jahren

Bei der Eröffnungsfeier saß Prinz Edward wheelchair tennis stadium after a short einen schweren Unfall hatte. Foto: promo rechts neben seiner Mutter, der Queen. Sie break. This time he was cheering in the Velo- Es war ein ähnlich sonniger Tag am 13. Ok- Zurück auf dem Bau. Sascha Bechthold eröffnete die 14. Paralympics. Die ersten drome, and he took part in a Mexican wave. tober 2010. Bechthold arbeitete damals als Spiele von Kriegsversehrten hatten auf briti- His Royal Highness said, he is very proud of Maurer der Firma OBG Tiefbau auf einer Sport – Fit im Job’. Wer Sport treibt, ist auch schem Boden stattgefunden: 1948 in Stoke the wonderful arenas and the enthusiasm of Landstraße an einer Kanalmessung. Zwei im Beruf belastbarer. Der Fall von Sascha Mandeville. Bei der Londoner Zeremonie the British audience. "I want to watch as Kollegen regelten mit Signalflaggen den Ver- Bechthold zeigt, dass ein trainierter, kräfti- nun war Sir Philip Craven, Präsident des In- many competitions as possible", he said, we- kehr. Aber ein Autofahrer übersah die War- ger Körper Verletzungen besser kompensie- ternationalen Paralympischen Kommittees aring a shirt with a Great Britain logo. There nung und erfasste den knieenden Becht- ren kann und sich schneller erholt.“ (IPC), links neben der Königin platziert. are still a lot of competitions to come. The hold. Er erlitt einen Schädelbasis- und Len- Sascha Bechthold profitierte von dem re- Auch William und Kate beklatschten die German House with its entire wooden inte- denwirbelbruch. Weitere Wirbel waren ange- gelmäßigen Krafttraining, das er jahrelang 2400 Athleten, Betreuer, Coaches und Phy- rior is a cosy meeting point, a welcome brochen, dazu war das rechte Schulterblatt gemacht hatte. Trotz seiner guten Kondition siotherapeuten aus 167 Ländern. „Ich gucke source of information and a place to be. doppelt und das linke einfach gebrochen. und den Rehamaßnahmen konnte er nach mir so viele Wettkämpfe wie möglich an“, Thank you for the support. We are ready Die Operationen verliefen gut und Becht- dem Unfall aber nicht mehr körperlich auf sagt Prinz Edward. Als Tennisspieler for the upcoming adventures. hold verließ die Klinik nach nur drei Wochen. dem Bau arbeiten. Reha-Manager Reiden- schätze er etwa die Rollstuhltennisspielerin- Er bekam ein Rehabilitationsprogramm mit bach beschloss mit dem Arbeitgeber, Becht- nen. Zuletzt begleitete Prinz Harry kriegsver- Muskelkräftigung und Bewegungstherapie. hold zum Maschinenführer umzuschulen. sehrte Athleten bei einer Expedition zum Da es sich um einen Arbeitsunfall handelte, „Er hat seine Ausbildung bei uns gemacht Nordpol. Harry war auch schon mal in Ber- war die Berufsgenossenschaft der Bauwirt- und war seit 26 Jahren hier angestellt. So je- lin bei der Präsentation der „Paralympics schaft (BG BAU) als Träger der gesetzlichen manden lassen wir nicht einfach fallen“, Zeitung/Paralympic Post“ in der Britischen Unfallversicherung zuständig. Die schnelle sagt der Sicherheitsbeauftragte der OBG Botschaft zu Gast. Genesung des Bauarbeiters verblüffte Tiefbau, Klaus Pocher. Nur acht Monate So sind unsere Schülerreporter schon selbst den erfahrenen Reha-Manager der nach dem Unfall schloss Bechthold seine selbst zu Celebrities geworden. Kollegen Foto: Thilo Rückeis BG BAU, Andreas Reidenbach: „Wir werben Fortbildung ab und arbeitet seitdem wieder vom Radio interviewen sie, alte Medienha- ANNETTE KÖGEL seit vielen Jahren mit der Kampagne ‚Fit im auf der Baustelle. 13_Paralympics_Zeitung_6. September 2012

Gold statt Krieg „Help for Heroes“ macht britische Invaliden zu Athleten

VON BRADLEY NEEN, 17 JAHRE, UND JACOB JOY, 18 JAHRE

Für verletzte Soldaten, die nach Großbritan- nien zurückkehren, mag es zunächst den An- schein haben, als gäbe es nach einer Ver- wundung keine Perspektive und kaum Unter- stützung. Seit 2007 bietet „Help for Heroes“ (HFH) aber genau das für Kriegsveteranen an. Die von Bryn Parry gegründete Organisa- tion unterstützt britische Kriegsinvaliden bei der Rehabilitation. HFH hat eine ganze Gene- ration von ehemaligen Soldaten zu Athleten gemacht. Die Unterstützung von Soldaten, die Arme, Beine und manchmal sogar den Lebenswillen verloren haben, ist unbezahl- bar für viele, die das „Team GB“ bei den Para- lympics 2012 vertreten. Chris Holmes, fünzehnmaliger Goldme- Foto: Hubert Kemper, SportSBw, Warendorf daillengewinner bei Paralympischen Spie- Kraftvoll zurück ins Leben. Verwundete Soldaten beim Funktionskrafttraining in der Sportschule der Bundeswehr. len im Schwimmen und „Director of Para- lympic Integration“ beim Londoner Organisa- tionskomitee 2012, ist seit langem HFH-Schirmherr. „Ich habe kurz nach der Gründung von dem Projekt gehört und war direkt so begeistert, dass ich es unterstüt- zen wollte“, sagt er. „Was Bryn versucht zu Kameradschaft erreichen, ist außergewöhnlich und absolut richtig.“ Mit prominenter Hilfe könne die Wohltätigkeitsorganisation, wie Holmes sagt, „ unseren Verwundeten die Unterstüt- in Turnschuhen zung bieten, die sie verdienen“. In Warendorf startete die Bundeswehr vor knapp einem Jahr einen Pilotlehrgang, um kriegsversehrte Soldaten zum Sport zu bringen. Inzwischen ist daraus ein großes Projekt geworden

VON NICOLAS DIEKMANN rechts). An Ostern starben drei Bundeswehr- passt. Inzwischen sind zudem die Familien- soldaten, viele wurden bei der Zerstörung ei- angehörigen miteinbezogen, an einigen Ta- m englischen Aylesbury nahmen die Pa- nes deutschen Panzers verwundet. gen sind auch sie in Warendorf, nehmen an

ralympischen Spiele ihren Anfang. 1948 Anfang Februar dann wurde die den Beratungsgesprächen teil. „Die Bundes- Foto: dapd war es die Idee des deutschstämmigen Ursprungsidee ausgeweitet, eine eigene Ab- wehr hat dazugelernt“, sagt Sportwissen- Stark an der Scheibe. Derek Derenalagi. INeurologen Ludwig Guttmann, dass teilung am Sportmedizinischen Institut gebil- schaftler Wieger. sich kriegsversehrte Männer und Frauen pa- det. Sie heißt „Sporttherapie nach Einsatz- Hauptfeldwebel N. war bei dem Karfrei- Denn das ist genau das Ziel des Pro- rallel zu Olympia in London sportlich mes- schädigung“ und kümmert sich ganzjährig – tagsgefechtinAfghanistandabei,seineOber- gramms: Kriegsverwundeten einen Weg zu- sen. Bei den sogenannten „Stoke Mandeville also auch jenseits der Lehrgänge – um die schenkel erlitten schwere Schussverletzun- rück ins normale Leben zu zeigen. HFH bie- Games“ konkurrierten die Teilnehmer im Bo- Betreuung der körperlich versehrten Solda- gen.N.wareinerderTeilnehmerimPilotlehr- tet finanzielle Unterstützung für die Rehabili- genschießen. ten. Derzeit sind es etwa 60. „Die Lehrgänge gang im letzten Jahr. Durch einen Kamera- tation und den Sport an. Andreas Lison wird diese Geschichte wohl sind das eine“, sagt Hauptmann Michael Wie- denwurdeeraufdasProjektaufmerksam.In- Derek Derenalagi, der dank des Sports nicht im Kopf gehabt haben, dennoch knüpft ger, der als Sportwissenschaftler von An- zwischen ist er Teil des sportmedizinischen wieder ein erfülltes Leben führen kann, ist seine Idee an den Gründungsmythos der Pa- fang an dabei war. „Doch wir kümmern uns TeamsinWarendorf,alsOrganisationsfeldwe- nur ein Beispiel für die gelungene Arbeit von ralympics an. Vor einem Jahr bildete sich 365 Tage im Jahr um die Kameraden.“ Ober- bel. Über den Lehrgang sagt er: „Im Gegen- HFH. „Ich habe mich entschieden, eine sport- eine Gruppe von Sportwissenschaftlern, Phy- stabsarzt Lison ergänzt: „Unser Motto ‚Ka- satz zu zivilen Rehamaßnahmen muss hier liche Karriere anzustreben, und ich liebe es, siotherapeuten und Ärzten. Lison ist Leiter meraden für Kameraden' geht über die Prä- keiner erklären, warum er da ist. Niemand seitdem ich mit der Leichtathletik angefan- des Sportmedizinischen Instituts der Bun- senzzeit vor Ort hinaus.“ muss sich dafür rechtfertigen, Soldat zu gen habe“, erzählt er. deswehr, und in Kooperation mit der Sport- Wie viele verwundete Soldaten von ihren sein.“ Was er außerdem begrüßt: „Hier wird 2007 verlor Derenalagi bei seinem Militär- schule wurde ein Pilotlehrgang in Waren- Auslandseinsätzen zurückkehren – diese niemand betüddelt.“ Den Teilnehmern der einsatz in der afghanischen Provinz Hel- dorf im Münsterland ins Leben gerufen, um Zahlen erhebt die Bundeswehr offiziell nicht. Lehrgänge geht es auch um die Kamerad- mand beide Unterschenkel samt Knien, als verwundete deutsche Soldaten sportlich zu Dass es in den zurückliegenden Jahren aber schaft, die sie von ihren Einsätzen aber auch sein Patrouillenwagen über eine Spreng- fordern und gesundheitlich zu fördern. mehrgewordensind,istangesichts derange- ausdenKasernenkennen.„Wirhelfenunsge- stofffalle fuhr. Seitdem hat er zwei britische Wenigerjedoch,umsiefürdieParalympics spannten Lage und der zunehmenden An- genseitig–körperlichwiepsychisch“,sagtN. Rekorde im Kugelstoßen gebrochen und vorzubereiten: Hier werden Rehamaßnah- schlägeinAfghanistansicher.Immernochbe- Noch kann die Nachfrage gedeckt wer- hofft nun, seinen Erfolg im Diskus zu wieder- men durchgeführt und gleichzeitig werden den. Das Problem ist eher, dass es aufgrund holen. „Help for Heroes ist eine fantastische diehäufigtraumatisiertenSoldatenpsycholo- der ärztlichen Schweigepflicht und der Da- Wohltätigkeitsorganisation,“ sagt Derena- gischunterstützt.FastalleLehrgangsteilneh- Das nächste Ziel: tenschutzbestimmungen schwierig ist, an lagi. „Ich bin einfach dankbar dafür, was sie mer kommen von einem Auslandseinsatz Die offene die Betroffenen heranzukommen. Bisher, so für das öffentliche Ansehen von verwunde- aus Afghanistan zurück, einige auch aus dem Leiter Lison, seien die Soldaten begeistert. ten Soldaten wie mir getan haben.“ Kosovo. „Die ganze Gruppendynamik soll we- Leichtathletik–EM Das nächste Ziel ist die Teilnahme von ver- Die Arbeit von HFH zeigt Wirkung. Es gibt nig therapeutisch auf die Patienten wirken“, wundeten Soldaten an der offenen Europa- immer mehr verwundete Soldaten, die sagt Lison über den Grundansatz. findensichknapp5000deutscheSoldatenam meisterschaft der Leichtathletik 2013. „Und durch die finanzielle Unterstützung an den Erstmals fand der Lehrgang im Septem- Hindukusch, nicht wenige müssen anschlie- vielleicht“, sagt Andreas Lison, „werden ir- Paralympics teilnehmen können. Ohne das ber 2011 statt, damals mit elf Teilnehmern, ßend zumindest psychologisch betreut wer- gendwann meine ehemaligen Patienten Projekt hätten viele Teilnehmer nicht die drei Wochen lang. Es folgten weitere. „Nach den. Und einige auch körperlich. auch bei den Paralympics starten.“ Zwar Möglichkeit, ihren Sport auf solch einem ho- den schlimmen Gefechten in Afghanistan Im Anschluss an die Lehrgänge werden in- sind die Qualifikationshürden hierfür sehr hen Niveau zu betreiben. Die Paralympics ha- am Karfreitag im Jahr 2010 musste etwas dividuelle Trainingspläne erstellt, Sportge- hoch und die Soldaten zuvor in der Regel ben einen langen Weg hinter sich – seit den passieren“, sagt Lison. Eine recht späte Er- räte für Übungen daheim mitgegeben. Und keine Hochleistungssportler gewesen. Spielen von Stoke Mandeville 1948, den ers- kenntnis innerhalb der Bundeswehr. In Eng- es gibt eine Zielvereinbarung. Nach drei, „Aber wenn es einen viel versprechenden ten inoffiziellen Paralympischen Spielen, die land war mit ähnlichen Projekten schon vor sechs und neun Monaten werden die Fort- Athleten unter den Soldaten geben sollte, von Sir Ludwig Guttmann organisiert wur- Jahren begonnen worden (siehe Text schritte überprüft und die Ziele jeweils ange- werden wir ihn unterstützen", sagt Lison. den. Paralympics_Zeitung_6. September 2012_14

VON ENYA WOLF, 18, KARLA IMDAHL, 18 JAHRE froh, dass ich ihr helfen kann“, erzählt sie über Dedeline Mibamba Kimbata. n meinem Dorf dachten die Leute, ich Mit 30 Jahren vertritt sie ihr Land Kongo sei verflucht“, sagt Anne Wafula-Strike Aus dem zum ersten Mal bei den Paralympics. In heute. Die Kenianerin erkrankte mit Afrika hatte die 1500 Meter-Rollstuhlsprinte- Izwei Jahren an Kinderlähmung. Jetzt rin nie die Chance, ein professionelles Sport- nimmt sie an den Paralympics teil. Aufgrund gerät zu nutzen. Daher organisierte Anne ihrer Behinderung war Annes Kindheit nicht Wafula-Strike einen Rennrollstuhl für sie. unbeschwert. Zwar war ihre Familie immer Abseits Mindestens genauso wertvoll war für Dede- für sie da, trotzdem fühlte sie sich oft als Au- line Kimbata das persönliche Coaching mit ßenseiterin. „Wenn meine Freunde spielten, In Entwicklungsländern fehlt es oft der erfahrenen Paralympionikin. Diese konnte ich nur zuschauen. Auch im Sportun- nahm sich viel Zeit, um der Sportlerin Tipps terricht saß ich immer auf der Bank“, erin- an Unterstützung für behinderte Sportler. zu geben und sie anzuspornen. „Ich habe De- nert sich Wafula-Strike. Die Wenigsten sa- deline den Rollstuhl gegeben und mit ihr trai- hen ihr Potenzial, sondern immer nur die Doch es gibt Menschen, die das ändern wollen niert“, schreibt Wafula-Strike in ihrem Blog. Dinge, die sie nicht tun konnte. Doch nicht nur Spitzensportler aus Ent- Das änderte sich im Jahre 2000. Anne Wa- wicklungsländern sind auf Unterstützung an- fula heiratete und zog nach England, in die gewiesen. In vielen Teilen der Welt gibt es Heimat ihres Mannes. Hier entdeckte sie für behinderte Menschen noch immer kaum das große Sportangebot für Menschen mit Möglichkeiten, an sportlichen Events teilzu- einer Behinderung. Dann ging alles ganz nehmen. Dabei ist Sport ein guter Weg, Be- schnell: Schon vier Jahre später nahm sie hinderte in die Gesellschaft zu integrieren. als erste Rollstuhlsprinterin aus Ostafrika „Besonders in Zentralafrika ist der Behinder- an den Paralympics in Athen teil. Von da an tensport unterentwickelt“, sagt Horst Stroh- nahm Anne Wafula-Strikes sportliche Kar- kendl. Der Universitätsprofessor arbeitet eh- riere einen steilen Verlauf. Heute ist sie in renamtlich für den Deutschen Rollstuhl- Großbritannien eine bedeutende Vertreterin Sportverband. Im Juli dieses Jahres veran- der paralympischen Bewegung. Deshalb staltete er einen viertägigen Workshop in wurde ihr eine ganz besondere Ehre zuteil: Uganda. Dort brachte er Männern und Sie durfte das paralympische Feuer ein Frauen mit Behinderung die Grundlagen Stück weit tragen. des Rollstuhlbasketballs bei. Doch trotz ihres Erfolges ist die Keniane- Ziel des Workshops war vor allem die rin auf dem Boden geblieben. Die Kraft für Freude an der gemeinsamen Bewegung. ihren Sport sei ein Geschenk von Gott. „Er Strohkendl sagt: „Wettkampfangebote und hat mir Sport als Mission gegeben, um mei- Ausleseverfahren sollten erst nach dem Auf- nen Weg zu gehen, aber auch um anderen bau eines breiten nationalen Sportangebo- Menschen zu helfen“, erklärt die gläubige tes erfolgen.“ Es bestehe für einige afrikani- Christin. sche Politiker nämlich die Verlockung, früh- Anne Wafula-Strike engagiert sich in zahl- zeitig die Teilnahme an internationalen Wett- reichen Projekten, um Behindertensport bewerben zu forcieren. Dabei geht es aller- weltweit zu fördern. Dabei setzt sie sich ins- dings hauptsächlich um internationales An- besondere für körperlich benachteiligte sehen und wirtschaftliche Interessen. Sportler aus Entwicklungsländern ein. An- Kleine Sporteliten werden gefördert, der lässlich der aktuellen Paralympics küm- Breitensport bleibt auf der Strecke. Dabei mert sich Wafula-Strike um eine junge sollte Sport für alle da sein. Menschen wie

Sportlerin aus dem Kongo. „Die Geschichte Foto: picture alliance / empics Anne Wafula-Strike und Horst Strohkendl dieser Frau hat mich sehr berührt. Ich bin Gegen Widerstände. Mibamba Kimbatahas (l.) beim Training mit Anne Wafula-Strike. kämpfen dafür. Die Möglichmacher Auch im paralympischen Bereich gibt es Extremsportler. Hunderte von Kilometern legen sie im Wasser und auf dem Rad zurück

VON NICO FEIßT, 19 JAHRE der USA und die Grenzerfahrung entschädig- ten jedoch für die Tortur. xtremsportler wie Vico Merklein, Er- Sein Teamkollege Errol Marklein hat im rol Marklein, Kelly Cartwright oder Handbike bereits zweimal die 540 Kilometer Philippe Croizon streben nicht nur von Trondheim nach Oslo zurückgelegt, den Enach Medaillen, sie versuchen auch, berühmten Styrkeprøven. „Das ist grenzen- das Unmögliche möglich zu machen. Dies lose Freiheit“, schwärmt der sechsfache Pa- ist ihnen bereits auf die unterschiedlichste ralympics-Medaillengewinner. „Auf dem Po- Art und Weise gelungen. dium mit einer Medaille zu stehen, ist ex- Extremschwimmer Philippe Croizon, der trem befriedigend, aber auf einer solchen weder Unterarme noch -schenkel hat, hat Fahrt hat man mehr Gelegenheit, sich mit es dieses Jahr geschafft, in vier Etappen die sich selber auseinanderzusetzen. Das hat Kontinente schwimmend zu verbinden. 2010 mehr Tiefe.“ So vergleicht Errol Marklein durchschwamm der Franzose, dem im Was- den Styrkeprøven mit dem Erfolg bei den Pa- ser an den Beinen befestigte Flossen zur ralympics. Nach einem schweren Unfall mit Fortbewegung dienen, bereits den Ärmelka- dem Handbike setzte er sich noch im Kran- nal. „Im Wasser frage ich mich schon, wa- kenhaus das Ziel, das Langstreckenrennen rum ich mir das antue, aber ich will nieman- erneut zu bewältigen: Nach 25 Stunden kam den enttäuschen, der an mich glaubt. Außer- er in Oslo an, mehr als acht Stunden schnel- dem entschädigt die Ankunft für alles.“ ler als fünf Jahre zuvor. „Man muss Ziele im Das bestätigt auch Vico Merklein. Er wird Leben haben, daher musste ich schneller im Handbike-Marathon in London mit dem sein. Jetzt bin ich erfahrener und die Distanz Ziel antreten, Gold zu gewinnen. Eine verliert den Schrecken", sagt Marklein. Stunde Fahrzeit wird ihm dann vermutlich Nächstes Jahr will er die Strecke nochmal kurz vorkommen: Merklein absolvierte 2009 fahren, dann soll auch die 24-Stun- das „Race across America“, ein 5000 Kilome- den-Marke geknackt werden: „Ich will das ter langes Radrennen quer durch die USA. Unmögliche möglich machen", sagt er. Nicht nur die 5000 Kilometer Distanz, son- Grenzerfahrungen machte auch die Aus- dern auch 30 000 Höhenmeter und kaum tralierin Kelly Cartwright: Sie bestieg den Ki- Schlaf in den knapp neun Tagen setzten dem limandscharo mit ihrer Beinprothese und ist amtierenden Marathon-Weltrekordler zu: sicher: „Diese Erfahrung macht mich auch

„Das war das Härteste, was mein Körper bis- für die Leichtathletik besser, weil ich weiß, Foto: AFP her geleistet hat.“ Die vielseitige Landschaft dass ich über meine Grenze gehen kann.“ Extremes Hobby. Philippe Croizon schwimmt ohne Unterschenkel und -arme. 15_Paralympics_Zeitung_6. September 2012

„Sport hilft“

Die Paralympics Zeitung befragt Marina Schröder, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, zu ihrem Engagement im Behindertensport

Wieso unterstützt die DGUV den Behin- dertensport? Wir engagieren uns für den Reha- und Be- hindertensport, weil er eine unserer Kern- aufgaben anspricht. Unser Auftrag ist es, Versicherte, die einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit erlitten haben, mit „al- len geeigneten Mitteln“ zu rehabilitieren und wenn möglich wieder ins Arbeitsleben einzugliedern. Das kann aber nur gelingen, wenn Bewegung ein Teil der Reha ist. Eine erfolgreiche Rehabilitation ohne Sport ist kaum denkbar. Denn Bewegung fördert nicht nur die Mobilität, sie unterstützt auch das Selbstbewusstsein und das psychische Wohlbefinden der Betroffenen. Foto: Thilo Rückeis Annette Kögel und Alexander Was ist das DGUV-Team? Kauschanski sprechen mit Das Team bilden 15 paralympische Sportle- DGUV-Sportler Heinrich Popow. rinnen und Sportler, die unsere BG Klinik- tour unterstützen. Diese bundesweite Infor- mationstour findet alle zwei Jahre statt. Dann präsentieren sich Berufsgenossen- Ein Team schaftliche Kliniken und Behandlungsstel- len der Öffentlichkeit mit Aktionen und Ge- sprächen. Die Sportler sind unsere Bot- schafter. Sie berichten von ihren Erfahrun- gen. Wie sie Unfall oder Krankheit erlebt zeigt Stärke haben, wie sie zum Sport gekommen sind und was er für sie bedeutet. Mit einem engagierten Team von 15 Paralympics-Sportlern will die DGUV Menschen mit Behinderungen zeigen, IMPRESSUM dass sie trotzdem etwas leisten können Herausgeber: Stephan-Andreas Casdorff, MAXIE BORCHERT, 18, und NICO FEIßT, 19 JAHRE stellt, Schwimmerin Kirsten Bruhn im Un- prägt. Er trägt eine lange Hose, wenn er Pa- Lorenz Maroldt fallkrankenhaus Berlin. tienten besucht, damit man seine Prothese Redaktion: ernsehzuschauer könnten diesen „Sie alle haben eine herausragende Bot- auf Anhieb nicht sieht. Kommt dann vonsei- Nicolas Diekmann, Clara Kaminsky, Satz kennen: „Die Paralympics wer- schafterfunktion und helfen uns, den Men- ten des frisch Verunfallten der vermeintlich Carsten Kloth, Annette Kögel, den Ihnen präsentiert von der schen zu zeigen, dass sie durch den Sport berechtigte Vorwurf, Popow würde ihn nicht Jan Mohnhaupt, Karin Preugschat, FDGUV.“ Werbung ist bei großen besser mit ihrer schweren Lebenssituation verstehen, zieht er sich um und kommt in Katrin Schulze, Claus Vetter, Events heute gang und gäbe – die Deutsche zurechtkommen können“, erklärt Gregor kurzer Hose zurück, sodass der Patient se- Thomas Wurster (V.i.S.d.P.) Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) aber Doepke, Pressesprecher und Leiter der hen kann, dass er verstanden wird. Artdirektion: Yvonn Barth, kümmert sich auch zwischen den Spielen Kommunikation der DGUV, die Zusammen- Geschichten und Aktionen wie diese ma- Carmen Klaucke um die Belange der Behinderten. Die Kurz- stellung seines Teams. Besonders wichtig chen Popow, aber auch die anderen, als Bot- Fotoredaktion: Thilo Rückeis spots, die momentan bei ARD und ZDF zu se- wird diese Botschafterfunktion bei den schafter so wertvoll. Doepke versteht zwar, Anzeigen: Jens Robotta, LuxxMedien hen sind, stellen nur einen kleinen Teil einer BG-Kliniktouren, die 2006 von den Berufsge- dass Menschen, die einen Unfall hatten, sich Produktion: Detlev Jackschenties, groß angelegten Kampagne der DGUV dar. nossenschaften und Unfallversicherungen meilenweit von den Athleten des DGUV- Fritz Schanninger Neben dem Film „GOLD“, der Paralympics gemeinsam ins Leben gerufen wurden. Hier Teams entfernt sehen, dennoch sagt er: Reporter: Zeitung und dem German Paralympic Media „Wir müssen Vorbilder schaffen. Die Mitglie- Maxie Borchert, Carina Canavan, Award ist das DGUV-Team der Hauptakteur der unseres Teams sind alle glaubwürdig, Alice Conroy, Nicolas Feißt, dieser Kampagne. „Ich bin direkt, weil sie selbst alle Zeiten hatten, in denen Karla Imdahl, Emily Jamison, Ein Teil des Teams – Alpin-Skiläufer Gerd auch wenn Realität sie mit ihrem Schicksal gehadert haben.“ Jacob Joy, Tavishi Kanwar, Schönfelder, Monoskifahrer Martin Braxen- Dabei geht es der DGUV nicht vorrangig Alexander Kauschanski, Alisha Mathis, thaler und die blinde Biathletin Verena Ben- manchmal wehtut“ um den Leistungssport, sondern vielmehr Lucy Michaeloudis, Bradley Neen, tele – ist in den Spots zu sehen. Daneben zäh- um Rehabilitation und Prävention, neben Al Maatin Pereira Dos Santos, len zwei weitere Wintersportler sowie zehn treffen sich die Spitzensportler mit Klinikpa- der Entschädigung die zwei großen Säulen Dominik Prüfer, Benjamin Scholz, Sommersportler, die momentan alle bei den tienten und sprechen mit diesen, um ihnen der Unfallversicherung. Schließlich wolle Wibke Schumacher, George Simonds, Paralympics am Start sind, zum 15-köpfigen Mut zu machen. Manchmal braucht es dafür man die Versicherten nicht zu Leistungs- Nora Tschepe-Wiesinger, Keri Trigg, Team. Die Schützin Manuela Schmermund, laut Heinrich Popow, der gerade Bronze sportlern ausbilden, sondern primär ins Be- Enya Wolf. die Schwimmerinnen Kirsten Bruhn und über 200 Meter gewonnen hat, auch krasse rufsleben zurückführen. Dafür bedürfe es Christiane Reppe, die Fechterin Simone Methoden: „Ich bin direkt und erzähle, was neben der physischen Rehabilitation vor al- Die Paralympics Zeitung ist ein Gemein- Briese-Baetke, die Rollstuhlbasketballerin- ich erlebt habe, auch wenn Realität manch- lem der Wiederherstellung der mentalen schaftsprojekt von Tagesspiegel, Deut- nen Edina Müller und Natalie Simanowski, mal wehtut.“ Er wünscht sich, dass in Zu- Stärke. „Von den Erlebnissen bei unseren scher Gesetzlicher Unfallversicherung die Tennisspielerin Petra-Katharina Krüger, kunft noch mehr und häufiger auf die Patien- Kliniktagen erzählen unsere Patienten noch und panta rhei, Beratungsgesellschaft Tischtennisspieler Holger Nikelis und die ten zugegangen wird, da er aus Erfahrung Wochen danach. Die Botschafter vermitteln für gesellschaftliche Prozesse mbH. Leichtathleten Heinrich Popow und Marc weiß, wie wichtig solche Gespräche sind. ihnen, dass sie sich darauf konzentrieren sol- Schuh sind in London dabei. Als Popow neun Jahre alt war, stand mit len, was möglich ist, und nicht, was nicht In Kürze soll auch Ilke Wyludda zum Arno Becker ein Paralympics-Medaillenge- möglich ist“, sagt Doepke. „Wenn man sich TITELBILD Team stoßen, da sie wie Kirsten Bruhn winner an seinem Krankenbett, der ihm über die kleinen Dinge freuen kann, lernt Radfahrer Tobias Graf holte schon Sil- selbst für die gesetzliche Unfallversiche- sagte: „Du kannst alles wieder machen. Du man das Leben wieder zu genießen. Das mo- ber und Bronze. Reporterin Alisha Ma- rung arbeitet. Leichtathletin Ilke Wyludda musst dich nur etwas mehr anstrengen als tiviert die Menschen und macht ihnen Mut, this hat ihn getroffen. Foto: Getty Images ist als Ärztin in der BG-Klinik Halle ange- andere.“ Dieser Satz hat ihn bis heute ge- weiterzumachen.“ Paralympics_Zeitung_6. September 2012_16

VON MAXIE BORCHERT, 18 JAHRE gung die Grundvoraussetzung ist. Ganz nach dem Motto: Der Ball kommt nicht zu dir, son- aben Sie schon einmal versucht, dern du musst zum Ball. Eine neue sich im Sitzen so schnell wie mög- Nach dem Einspielen stand „Angriff“ auf lich fortzubewegen? Ich spiele seit dem Trainingsplan. Die Angreifer platzierten Hzehn Jahren Volleyball, aber wäh- sich auf der linken Seite des Feldes und der rend des Sitzvolleyballtrainings in Leipzig Zuspieler stellte den Pass. Die Aufgabe be- entpuppte sich das Unterfangen als Heraus- stand darin, den Ball so hart wie möglich in Perspektive forderung, zumal die Nationalspieler Chris- das hintere Drittel des Feldes zu schlagen. toph Herzog, Peter Schlorf und Alexander Zunächst beobachtete ich die anderen, dann Unsere Autorin ist seit zehn Jahren Volleyballerin. Schiffler meine Mitspieler waren. war ich an der Reihe. Ich ging den Ablauf Als ich kurz vor Trainingsbeginn hochmoti- noch einmal im Kopf durch: Den Pass ein- Nun spielte sie ihren Sport erstmals im Sitzen. viert die Halle betrat, wurde gerade das schätzen, an das Netz heranrutschen, den Netz aufgebaut. Super, dachte ich, das Feld Oberkörper aufrichten, zur Schlagbewe- Ein Selbstversuch mit Hindernissen ist nicht so groß wie gewohnt, das dürfte gung ausholen, den Ball so hoch wie mög- nicht so schwierig werden. Wie sehr ich lich treffen und das Handgelenk abklappen. mich getäuscht habe, sollte ich später erfah- Ich will nicht wissen, wie das Resultat am ren. Völlig unbeschwert machte ich mich Ende ausgesehen hat. Den Blicken meiner warm. Ich mobilisierte meine Gelenke, Mitspieler nach zu urteilen, nicht besonders dehnte die Muskulatur und machte ein paar eindrucksvoll. Der Ball landete im Netz. Stabilisationsübungen. Mein Freund, der mit- Als nächstes konnte ich mich beim Zuspie- gekommen war, spielte sich anschließend len versuchen. Ich positionierte mich in der mit mir ein. Natürlich im Sitzen. Wir pritsch- Mitte des Feldes. Trainer Bernd Zimmer- ten und baggerten den Ball hin und her, was mann warf mir den Ball zu, ich versuchte die uns keine Schwierigkeiten bereitete – jeden- Flugkurve frühzeitig zu erkennen, bewegte falls solange wir uns nicht bewegen muss- mich zum Ball und spielte den Pass. Bei- ten. nahe wäre er mir auf den Kopf gefallen, Allerdings hatte ich bereits Probleme doch der Angreifer konnte den Pass verwer- beim Sitzen, denn es stellte sich die Frage ten. Obwohl ich manchmal zur Seite fiel, lag nach dem „Wie?“. Sollte ich die Beine ge- mir das Zuspielen eindeutig besser. rade nach vorne ausstrecken oder doch lie- Es folgten weitere Übungen und abschlie- ber zu einer Seite anwinkeln? Eines wurde ßend spielten wir zwei gegen drei auf dem mir schnell bewusst: Ich war für beide Vari- halben Feld. Mit drei Metern Breite und fünf anten zu unbeweglich. Was Peter Schlorf vor Metern Länge war das Feld also noch klei- dem Training gesagt hatte, stimmt wirklich: ner, aber die Bälle waren teilweise uner- „Beinamputierte Athleten haben beim Sitz- reichbar. Wir gaben dennoch unser Bestes volleyball einen enormen Vorteil.“ und kämpften um jeden Punkt. Den zweiten Da saß ich also und wusste nichts mit mei- Satz haben wir sogar gewonnen. „Ihr wart nen Gliedmaßen anzufangen. Doch ich wirklich richtig gut“, lobte Peter Schlorf mei- wollte mich auf keinen Fall blamieren und nen Freund und mich nach dem Training. Ein

Foto: promo versuchte, mir etwas bei den Profis abzug- Glück, dachte ich mir dann, die zehn Jahre Umgefallen. Beim Sitzvolleyball die Haltung zu bewahren, ist gar nicht leicht. ucken. Schnell wurde mir klar, dass Bewe- Training haben doch was genützt. Lernen – aber sicher!

Im Unterricht, auf der Klassenfahrt, auf dem Schulweg: Wir schützen Ihr Kind vor Unfällen.ind wir Und für Sie wenn doch etwas passiert, s und Ihre Liebsten da – beitragsfrei.

Ihre gesetzliche Unfallversicherung