URAN Atlas Daten und Fakten über den Rohstoff des Atomzeitalters IMPRESSUM

Der URANATLAS ist ein Kooperationsprojekt Besonderer Dank und wird gemeinsam von Le Monde Dr. Becky Alexis-Martin, diplomatique, der Nuclear Free Future Almoustapha Alhacen, Dennis Baldin, Foundation, der Rosa-Luxemburg-Stiftung Oleg Bodrow, Dr. Stefan Cramer, sowie dem Bund für Umwelt und Naturschutz Dr. , Nadezhda Kutepowa, Deutschland herausgegeben. Jeffrey Lee, Anthony Lyamunda, Prof. Dr. Andreas Nidecker, 1. Auflage: September 2019 Dr. Sebastian Pflugbeil, Dave Sweeney V.i.S.d.P. Projektleitung Claus Biegert, [email protected] Dr. Horst Hamm, [email protected] Druck Redaktionsleitung pva, Druck und Mediendienstleistungen Claus Biegert, Dr. Horst Hamm GmbH; Klimaneutral gedruckt auf 100 % Redaktion Recyclingpapier Thorben Becker, Andreas Bohne, Franza Drechsel, Günter Wippel Art-Direktion, Infografik und Herstellung Tanja Hoffmann Beiträge Thorben Becker, Claus Biegert, Dr. Horst Hamm, Günter Hermeyer, Gefördert durch Mittel des Manfred Kriener, Winona LaDuke, Bundesministeriums für wirtschaftliche Linda Pentz Gunter, Mia Pepper, Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Mycle Schneider, Susi Snyder Für die Inhalte sind alleine die Herausgeber*innen verantwortlich; die Übersetzungen dargestellten Positionen müssen nicht Richard Freeman zwangsläufig den Standpunkt des Schlussredaktion Zuwendungsgebers widerspiegeln. Dominik Baur Kartenvorlagen Mike Berwanger, tausendblauwerk.de, Philippe Rivière, visionscarto.net Covermotive , Älteste der Mirrar- Dieses Werk mit Ausnahme des Coverfotos Bestelladresse Gundjeihmi vor der Ranger Mine in steht unter der Creative-Commons-Lizenz: Rosa-Luxemburg-Stiftung Namensnennung – 4.0 international (CC BY Australien, Atomkraftwerk Temelín in Franz-Mehring-Platz 1 Tschechien, Atombombenversuch der USA 4.0). Die einzelnen Infografiken des Atlas auf dem Bikini-Atoll am 25. Juli 1946 können für eigene Zwecke genutzt werden, D-10243 Berlin wenn der Urhebernachweis »Nuclear Free Bildnachweise Future Foundation/Hoffmann, CC BY 4.0« in Cover: Tanja Hoffmann, mit Fotos von Das PDF zum Download der Nähe der Grafik steht (bei Bearbei- Dominic O’Brien (links oben), tungen: »Nuclear Free Future Foundation/ finden Sie auf: dpa/Picture Alliance/CTK (rechts oben), Hoffmann (M), CC BY 4.0«). Der Text der rosalux.de/uranatlas Alex Staroseltsev/shutterstock.com (Mitte), Lizenz ist unter https://creativecommons.org/ nuclear-free.com/uranatlas mauritius-images/Masterfile/SuperStock licenses/by/4.0/legalcode abrufbar. (unten) bund.net/uranatlas Innenteil: stas 11/shutterstock.com (S. 3, 6, 37), Vladimir Melnik/shutterstock.com Artikel, Charts und Infografiken (S. 11), RIA Novosti archive, werden regelmäßig aktualisiert image #132609/RuslanKrivobok/CC-BY-SA 3.0 (S. 12), Sunshine Seeds/shutterstock.com und können auf (S. 14), Dominic O’Brien (S. 17), Dan Budnik nuclear-free.com (S. 18), Claus Biegert (S. 21), heruntergeladen werden. MircoStockHub/istockphoto.com (S. 23), Horst Hamm (S. 25), Pressmaster/shutterstock.com (S. 27), Archiv Nuclear Free Future Foundation (S. 28), Bundesarchiv, Bild 183-50115-0001/CC-BY-SA 3.0 (S. 31), dpa/Picture Alliance/CTKAP (S. 32), Fotokon/shutterstock.com (S. 34), U.S. Federal Government (S. 36), U.S. National Archives and Records Administration (S. 38), zentsev/shutterstock.com (S. 40), Pierre Gleizes/Greenpeace (S. 42), vchal/shutterstock.com (S. 45), Kinek00/shutterstock.com (S. 47), zentilia/istockphoto.com (S. 48) URANAtlas Daten und Fakten über den Rohstoff des Atomzeitalters

2019 INHALT

DER WEG DES URANS 8 AUS DER ERDE IN DIE SACKGASSE Seit den 1930er Jahren wird Uran aus der Erde geholt. Radio- aktive Belastung und Strahlenmüll kennzeichnen seinen Weg

GESUNDHEIT 10 DAS TÖDLICHE ERZ Bereits die Gewinnung von Uran kostet Menschenleben. Die gesundheitlichen Folgen des Uranbergbaus sind immens

GESCHICHTE 12 KOLONIALES ERBE Bis in die 1970er Jahre war die Uranförderung vor allem militärisch begründet. Von Anfang an ging sie zu Lasten der lokalen Bevölkerung, besonders indigener Gesellschaften

AFRIKA 14 LIEFERANT FÜR DEN REICHEN NORDEN Über Jahrzehnte war Südafrika der wichtigste Uranlieferant des Kontinents, heute sind es Namibia und Niger

AUSTRALIEN 16 WARNUNGEN AUS DER FRÜHZEIT Die ersten Völker des Kontinents verstanden sich als Hütende der Schätze aus dem Erdinneren. Gegen uranfördernde Bergbaufirmen haben ihre Nachfahr*innen selten eine Chance

NORDAMERIKA 18 STRAHLENDE SCHILDKRÖTENINSEL Das Land der indigenen Völker war von Anbeginn im Fokus der Nuklearindustrie. Nur so wurden Kanada und die USA die historisch größten Uranproduzenten

EUROPA 20 GLOBALER GROSSABNEHMER Anfang 2019 waren in der Europäischen Union noch 130 Atommeiler am Netz. Damit ist die EU der weltweit größte Uranverbraucher

URANWIRTSCHAFT I 22 ERFOLGREICHER WIDERSTAND Der Preis für Uran ist seit Jahren im Keller und mit ihm die Uranwirtschaft. Gleichzeitig wehren sich immer mehr Gruppen gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen

URANWIRTSCHAFT II 24 DAS WHO-IS-WHO DER PLAYER Die zehn größten Abbaukonzerne sind für 88,5 Prozent der Uranproduktion verantwortlich. Sie dominieren den Markt und die Ausbeutung von Indigenen

IAEA UND EURATOM 26 EINE FRAGE DER MACHT Die WHO wird in Atomfragen von der IAEA bestimmt. Und der EURATOM-Vertrag verpflichtet alle EU-Mitglieder zur Förderung der Kernkraft

SANIERUNG 28 OFFENE WUNDEN, SICH SELBST ÜBERLASSEN Die Gewinnung von Uran ist nie schonend. Zurück bleiben radioaktive und toxische Halden mit 80 Prozent der ursprünglichen Radioaktivität

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DEUTSCHLAND I 30 DIE ALTLAST DER WISMUT Uranbergbau in Sachsen und Thüringen: Fast vergessen, mit Milliardenaufwand saniert, aber immer noch ein Problem

DEUTSCHLAND II 32 ATOMAUSSTIEG MIT LÜCKEN Die Bundesrepublik hat das Ende der Atomkraft festgelegt. Die Urananreicherungsanlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen laufen jedoch weiter

ATOMKATASTROPHEN 34 VON MAJAK ÜBER CHURCH ROCK BIS FUKUSHIMA Super-GAU und Dammbruch, Reaktorfeuer und Explosionen: Was nicht passieren darf, geschieht doch immer wieder

ATOMWAFFEN 36 DAS NEUE WETTRÜSTEN Ein Atomkrieg kennt keinen Sieger. Dennoch erneuern Atommächte ihre Arsenale und setzen auf »kleine Nuklearwaffen«

ATOMBOMBENTESTS 38 SEIT 1996 VERBOTEN Die erste Atombombe wurde am 16. Juli 1945 in Alamogardo in New Mexico gezündet. Es folgten 2057 weitere Tests, zuletzt durch Nordkorea 2017

URANWAFFEN 40 DU: KÜRZEL FÜR DEN KRIEG OHNE ENDE Projektile, die Panzer durchdringen, gehören heute zum Arsenal jeder Artillerie. Ihre Geschosse bestehen aus preiswertem Uran-238

ATOMMÜLLENTSORGUNG 42 ENDLAGER MEER Zwischen 1946 und 1993 haben vor allem Großbritannien und die Sowjetunion ihren Atommüll im Meer verklappt – bis 1975 sogar hochradioaktive Abfälle

ENDLAGER 44 DER ORT, DEN ALLE SUCHEN Weltweit steht nur ein Endlager für hochradioaktive Abfälle kurz vor seiner Fertigstellung. Doch es gibt inzwischen 350000 Tonnen hochradioaktiven Atommüll

ENERGIEWIRTSCHAFT 46 PROGNOSE: AUSGESTRAHLT Seit Jahrzehnten wird die Renaissance der Atomenergie ausgerufen. Die Wirklichkeit: Milliardenverluste, Zeitverzögerungen und die Konkurrenz der Erneuerbaren

KLIMAWANDEL 48 DIE LEGENDE VON DER KLIMAFREUNDLICHEN ENERGIE Die Atomlobby versucht Atomkraftwerke mit dem Argument des drohenden Klimawandels zu verkaufen. Es gibt jedoch bessere, billigere und ungefährliche Alternativen

2 Impressum 4 Inhalt 6 Mitarbeiter*innen und Autor*innen 7 Vorwort 50 Glossar 51 Die Partner

5 AUTOR*INNEN UND EXPERT*INNEN

Europa Dr. Günter Baitsch (Lörrach, DE) Kardiologe, ehemaliges Vorstandsmitglied der IPPNW Schweiz, gründete 2010 die Arbeits- gruppe Uran Thorben Becker (Berlin, DE) Jurist, Leiter Atompolitik in der Bundesge- schäftsstelle des BUND Michael Beleites (Blankenstein, DE) Gärtner, Autor »Pechblende« (1988) Claus Biegert (München, DE) Umweltjournalist, Initiator des World Ura- nium Hearing, Mitgründer des Nuclear-Free Future Award Mycle Schneider (Paris, FR) Linda Pentz-Gunter (Tacoma Park, MD/USA) Dr. Bruno Chareyron (Valence, FR) Berater, Mitherausgeber des jährlichen Umweltjournalistin, Mitgründerin von Nuklearphysiker, Gründer von CRIIRAD, World Nuclear Industry Status Report Beyond Nuclear, betreibt die Internetplattform zahlreiche Recherchen in Afrika; NFFAward Beyond Nuclear International 2016 Patrick Schukalla (Berlin, DE) Forscht am Leibniz-Zentrum Moderner Dr. Manuel Pino (Scottsdale, AZ/USA) Peter Diehl (Arnsdorf, DE) Orient zu »Ressourcenpolitiken«; promoviert Soziologe, Angehöriger der Tewa-Nation von Betreiber der Internetplattform WISE Ura- über Uranabbau in Tansania Acoma; promovierte über die »Auswirkun- nium Project. Bietet die umfassendste Über- gen des Uranbergbaus auf die indianischen sicht zur Urangewinnung Susi Snyder (Utrecht, NL) Kulturen«; NFFAward 2008 Bei PAX Christi Leiterin der Projektgruppe Franza Drechsel (Berlin, DE) »No Nukes – Keine Atomwaffen« und Ini- Paul Robinson (Albuquerque, NM/USA) Sozialwissenschaftlerin, Projektmanagerin tiatorin der Kampagne »Don’t Bank on the Direktor am Southwest Research and Infor- im Afrika-Referat der Rosa-Luxemburg- Bomb!«, Mitglied von ICAN mation Center, Experte für die Sanierung Stiftung von Uranbergbau, setzt sich für die Entschä- Heinz Stockinger (Salzburg, OE) Sascha Hach (Berlin, DE) digung von Diné-Bergleuten ein Hochschuldozent für Französisch, Gründer Friedensforscher, Politikwissenschaftler und der »Plattform gegen Atomgefahren / für Charmaine Whiteface (Rapid City, SD/USA) ehemaliges Vorstandsmitglied von ICAN neue Energien« (PLAGE) in Salzburg. Schwer- Biologin, Aktivistin, Angehörige der Lakota- Deutschland punkte: Austritt aus dem EURATOM-Vertrag Nation, Gründerin der Defenders of the Black Dr. Horst Hamm (München, DE) / Koalition atomfreier Länder (KOALA) Hills; NFFAward 2007 Umweltjournalist, Schwerpunkte Atomkraft, Günter Wippel (Freiburg, DE) Erneuerbare Energien, Mitarbeiter Nuclear Organisierte die erste Rundreise des afri- Afrika Free Future Foundation kanischen Widerstands gegen Uranabbau; Bertchen Kohrs (Windhoek, NA) Günter Hermeyer (Lüchow-Dannenberg, DE) Gründer von -network.org Umweltaktivistin und Gründerin von Earth Anti-Atom-Aktivist bei der Bürgerinitiative Life Namibia Umweltschutz Lüchow-Dannenberg Nordamerika Golden Misabiko (Lubumbashi, DRK) Marion Küpker (Hamburg, DE) Klee Benally (Flagstaff, AZ/USA) Anti-Uran-Aktivist und Präsident von Friedensaktivistin und Koordinatorin der Aktivist, Musiker, Filmemacher. Angehöri- ASADHO, deckte Korruption und Geheim- Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte ger der Diné-Nation, Initiator »Clean Up The absprachen der Regierung mit Areva auf und KriegsdienstgegnerInnen für die Abschaf- Mines!« musste ins Exil fliehen; NFFAward 2014 fung von Atomwaffen Prof. Dr. Doug Brugge (Boston, MA/USA) Dr. Ibrahima Thiam (Dakar, SN) Manfred Kriener (Berlin, DE) Biologe und Mediziner an der Tufts Programmkoordinator für Natürliche Res- Umweltjournalist, Mitgründer und Chefre- University of Medicine, ausführliche Unter- sourcen und Klimawandel im Auslandsbüro dakteur von ZO2, Mitgründer der taz suchungen bei Diné-Bergleuten der Rosa-Luxemburg-Stiftung Dr. David Lowry (Stoneleigh, GB) Robert Del Tredici (Montreal, QU/CAN) Mitglied von Nuclear Transparency Watch, Fotograf und Künstler, dokumentierte die Australien NFFAward 2001 Folgen des Reaktorunfalls von Harrisburg; Mia Pepper (West Perth, WA) Prof. Dr. Manfred Mohr (Berlin, DE) gründete 1987 die Atomic Photographers Umweltaktivistin des Conservation Council Völkerrechtler an der Akademie der Wissen- Guild for Western Australia; Schwerpunkt Bergbau schaften in Berlin, Mitgründer von ICBUW Winona LaDuke (White Earth Reservation, auf indigenem Land Dr. Alex Rosen (Berlin, DE) MN/USA). Aktivistin, Politikerin, Schriftstellerin, Kinderarzt an der Charité, Vorsitzender von Angehörige der Anishinabe-Nation, brachte Asien IPPNW Deutschland das Thema Uranbergbau 1977 erstnals vor die Vereinten Nationen in Genf Shri Prakash (Ranchi, Jharkhand, IN) Prof. Dr. Inge Schmitz-Feuerhake (Bremen, DE) Dokumentarfilmer, Umwelt-Aktivist, der mit Physikerin an der Uni Bremen, Studien zu Leona Morgan (Albuquerque, NM/USA) seinen Filmen den Kampf indigener Gesell- ionisierenden Strahlen in niederen Dosisberei- Anti-Atom-Aktivistin, Sozialarbeiterin, schaften in Bihar und Jharkand aufzeigt chen; NFFAward 2003 Angehörige der Diné-Nation

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in der wir die Wahrheit nicht erfahren dürfen? In unseren indi- VORWORT genen Kulturen bringen wir den Kindern bei, dass wir Men- schen für die Folgen unseres Handelns verantwortlich sind. Doch Verantwortung können wir nur übernehmen, wenn wir die Folgen unseres Handelns kennen. Diese industrielle Gesell- schaft hat Angst vor der Wirklichkeit. Die klügsten Köpfe des nuklearen Establishments haben sich Jahrzehnte den Kopf zermartert über die Frage: Wohin mit dem Atommüll? Eine Lösung erschien ihnen in den USA sehr attraktiv: Bei Nacht und Nebel aufs Indianerreservat! Damit stehen wir Indigenen am Anfang und am Ende der Von Winona LaDuke nuklearen Kette. Jede Nation, die sich der Atomenergie ver- schrieben hat, muss sich klar werden, dass sie sich mitschuldig n einem Schöpfungsmythos der Diné, einem indigenen macht. Uran bringt uns um. Volk im Südwesten der USA, ist die Rede von zwei Sorten Ich möchte noch eine andere Prophezeiung heranzie- I gelben Staubs: Die gelben Pollen der Maispflanze werde hen, diesmal von meinem Volk, den Anishinabe, auch Ojibway ihr Leben sichern, so wurde den ersten Menschen eingeschärft, genannt. Sie spricht von einer Zeit, in der wir an einer Gabe- der andere gelbe Staub hingegen werde ihr Leben bedrohen. lung stehen werden und uns zwischen zwei Wegen entschei- Ihn, so wurden sie gewarnt, dürften sie nie aus der Erde holen. den müssen: Der eine Weg ist ausgetreten und versengt, der Ein großes Unglück würde sonst über sie kommen. andere kaum benutzt und grün. Wir stehen jetzt an dieser Das Unglück kam. Das Uran, das weltweit gehandelt wird, Stelle. Die Zukunft offenbart sich grün, auch für uns indigene trägt sogar einen Namen, der an diese Geschichte vom Beginn Völker. Um ihren Ausstoß an CO2 zu verringern, müssen die der Zeit erinnert. Er heißt Yellowcake – Gelber Kuchen. Über USA in den nächsten zehn Jahren saubere Kraftwerke mit dreitausend Diné, wie sich die Navajo selbst nennen, arbeite- einer Leistung von 185000 Megawatt installieren. Da können ten in den 1950er Jahren in den Urangruben, ohne spezielle wir unseren Teil dazu beitragen, denn wo wir wohnen, weht Arbeitskleidung und ohne jeglichen Strahlenschutz. Bedeckt häufig der Wind, und die Sonne scheint auch. Die Reservate mit radioaktivem Staub gingen sie nach Hause zu ihren Fami- bieten ein Potenzial von 200000 Megawatt. Wir Indigene lien – und verseuchten diese, ohne es zu wissen. Noch immer haben die Möglichkeit, im verschwenderischsten und zerstö- sterben die Menschen im Dinétah, dem Land der Navajo, die rerischsten Land der Welt eine Alternative aufzubauen. Doch Gefahr ist nicht gebannt, denn an die tausend verlassene wir müssen achtsam sein, denn die Atomindustrie will uns Minen belasten bis heute die Region. weismachen, dass sie eine Klimaretterin sei. Wir müssen uns Wenn wir als indigene Menschen von Turtle Island – alle zusammentun und den grünen Pfad betreten – nicht den wir nennen Nordamerika die Schildkröteninsel – gegen den versengten, ausgetretenen. Abbau von Uran Widerstand leisten, dann geschieht das Schul- Lasst uns auf dem grünen Pfad treffen. Lasst das Uran in ter an Schulter mit allen indigenen Völkern dieser Welt, die der Erde. denselben Kampf führen. Es geht dabei nicht nur um unser Überleben, sondern um das Überleben aller Lebewesen. Wir sind alle verwandt. Die industrielle Gesellschaft führt einen Krieg gegen die Erde. Wir betrachten uns als Kinder der Erde, Winona LaDuke, geboren 1959, Aktivistin, Autorin und daher ist dieser Krieg ein Krieg gegen uns. Angehörige der Anishinabe-Nation, lebt im Reservat White Die ersten Bewohner*innen Australiens sprechen eine Earth im Norden des US-Bundesstaates Minnesota. ähnliche Warnung aus: Wer den Schlaf der Regenbogen- 1977 sprach sie als Highschool-Absolventin vor der UNO schlange stört, entfesselt Kräfte des Unheils, die wir Menschen in Genf und offenbarte erstmals, dass das meiste Uran nicht bändigen können. Wenn wir die Uranadern aufreißen, Nordamerikas auf indigenem Land abgebaut wird. sagen die Aboriginals im Nordwesten des Kontinents, wecken wir die schlafende Schlange. Es braucht nicht viel Vernunft, um zu erkennen, dass der nukleare Weg ein Weg in den Abgrund ist. Uran ist auch nicht einfach da und wartet auf seine Ver- wertung. Dieses Bild verbreiten Medien und Schulbücher: Roh- stoffe würden nahezu darauf warten, die westliche Zivilisation und die Infrastruktur der modernen Welt aufrecht zu erhal- ten. Der Uranbergbau ist dabei nicht die einzige Bedrohung, die Gewinnung von Öl aus Teersand hinterlässt ebenfalls tote, unbewohnbare Landschaften. Doch woher die Ressourcen kommen und welche Verwüstung ihre Gewinnung bedeutet, wird unserem Blick entzogen. Was ist das für eine Zivilisation,

7 DER WEG DES URANS

Aus der Erde in die Sackgasse 1789 isoliert Heinrich Klaproth aus dem Mineral Pechblende ein neues Element. Er nennt es Uran nach dem Planeten Uranus. Es ist ein instabiles, radioaktives Schwermetall und erhält die Ordnungszahl 92. Nachdem 1938 die Kernspaltung entdeckt wird, beginnt das Atomzeitalter. Uran wird Grundstoff für Atombomben und Atomstrom

VERFAHREN DES ABBAUS Uran findet sich in verschiedenen Uranmineralien. Uranerz besteht aus diesen Mineralien und dem Begleitgestein. Um es zu gewinnen, muss je nach Lagerstätte unterschiedlich viel Mate- rial entfernt werden: der Abraum. Die

(CC) URANATLAS 2019 / WISE Uranium Project / SIPRI IAEA eigene Recherche 2019 / WISE Uranium Project URANATLAS (CC) Urankonzentration im Erz variiert stark. Bei einem »normalen« Urangehalt 10 000 t 1 t Uran in 7,11 kg spaltbares von zum Beispiel 0,1 Prozent müs- => => sen 1000 Tonnen Erz für eine Uranerz Yellowcake Uran-235 Tonne Uran abgebaut werden. Lange wurde Uran nur unter Tage und im Tage- bau gewonnen. Seit den 1980er Jahren wird auch In-situ Leaching als Verfahren genutzt.

AUFBEREITUNG Beim konventionellen Abbau wird das Erz mechanisch zerbrochen und gemahlen und das Uran anschließend chemisch heraus gelöst. Es entsteht Uranoxid U3O8, mit 99,284 Gewichts- prozent nicht Yellowcake spaltbarem URANOXID-Konzentrat Uran-238 (U₃O₈) und nur 0,711 DAS ERBE DER MINEN Gewichtspro- enthält ca. KONVERSION zent spaltba- 99,9 Prozent des Uranerzes bleiben in 75 % In Konversionsanlagen rem Uran-235. Tailingbecken zurück. Sie sorgen auch URAN wird der Yellowcake in Uran- Der gehandelte nach Schließung einer Mine dafür, dass die tetrafluorid (UF4) und schließ- Yellowcake ent- Gebiete radioaktiv kontaminiert sind. In den lich Uranhexafluorid (UF6) hält bis zu 75 Prozent Uran. Die dabei USA wurde hierzu der Begriff National umgewandelt, das für die entstehenden giftigen Schlämme, die Sacrifice Area – Nationales Opfergebiet – ein- Uran-Anreicherung sogenannten Tailings, werden in riesi- geführt. Sie befinden sich überwiegend auf gebraucht wird. gen oberirdischen Becken langfristig den Territorien indigener Völker. gelagert.

Weltweit protestieren Menschen in allen Atomstaaten gegen die Nutzung von Uran. Und auch in Abbau- ländern wächst der Widerstand. 70 Prozent des weltweiten Urans stammt vom Land indigener Völker. Auf allen Kontinenten fordern Vertreter*innen dieser Völker: Das Uran muss in der Erde bleiben. W I D E R S T A N D

8 URANAtlas

ANREICHERUNG In weltweit 13 Anreichungsanlagen wird der Uran-235-Anteil erhöht, 38 Brennelementefabriken stellen Brennstoff für AKWs her. Mit den Fabriken in Gronau und Lingen ist Deutschland unbefristet am Atomgeschäft beteiligt. GEFÄHRLICHES spaltbares URAN-235 NEBENPRODUKT Abgereichertes Uran, im Fachjargon Depleted Uranium (DU), enthält hauptsächlich Uran-238 und nur auf auf ca. ABGEREICHERTES URAN 0,2 bis 0,3 Gewichtsprozente 3-5 % 90 % spaltbares Uran-235. Das extrem angereichert angereichert dichte Schwermetall ist Strahlen- müll, wird aber als Rohstoff dekla- riert und zum Teil für panzerbrechende Munition verwendet.

ZIVILE . MILITÄRISCHER 413 14 930 NUTZUNG AKTIVE ATOM- EINSATZ Auf drei bis fünf ATOMKRAFT- SPRENGKÖPFE Auf über 90 Prozent angerei- WERKE in in Prozent angerei- chertes Uran-235 wird für chertes Uran-235 31 9 Kernwaffen benutzt. Bei der wird für die Her- LÄNDERN LÄNDERN Zündung einer Atombombe stellung von wird das spaltbare Material Brennstäben für (Uran-235 oder Plutonium) zur Kernkraftwerke kritischen Masse vereinigt. Es in 31 Ländern verwendet. kommt zu einer nuklearen Ketten- Über 70 Prozent des Atom- reaktion und damit zur Atomexplosion. stroms wird in den USA, Frank- reich, China, Russland und Südkorea produziert.

WIEDERAUFBEREITUNG In Wiederaufbereitungsanlagen in China, England, Frankreich, Indien, Pakistan und Russland werden aus abgebrannten Brennstäben noch verwendbares Uran-235 und Plutonium extrahiert. Damit wird die Atommüll- menge insgesamt um den Faktor zehn vergrößert.

STRAHLENMÜLL In jedem Schritt, angefangen KONTROLLE? beim Uranabbau bis hin zur Die International Atomic Wiederaufbereitung, fällt 350 000 Energy Agency (IAEA) in Wien Strahlenmüll an. Weltweit Tonnen hatte ursprünglich den Auftrag, die warten etwa 350000 Tonnen HOCHRADIOAKTIVER zivile Nutzung der Atomkraft zu för- hochradioaktiver ATOMMÜLL dern und in den einzelnen Staaten zu Abfall auf eine sichere weltweit etablieren. Heute muss sie vor allem Endlagerung – nicht auch darüber wachen, dass bom- mitgerechnet: die Halden benfähiges Uran wie auch Pluto- der Uranminen. Kein nium nicht weiter verbreitet Land der Welt hat bislang werden. ein Endlager für die strahlende Altlast.

Die australische Regenbogenschlange ist zu einem Symbol für die Bewegung geworden: Die Schlange schläft in der Erde und darf nicht erwachen, so eine Warnung der Aboriginals, denn ihre Kräfte kann der Mensch nicht bändigen. W I D E R S T A N D

9 GESUNDHEIT DAS TÖDLICHE ERZ Die Schrecken eines Atomkriegs oder eines Super-GAUs bestimmen die öffentliche Wahrnehmung des Uran. Dabei kostet bereits die Gewinnung von Uranerz Menschenleben

ie nukleare Kette beginnt immer mit der Bereitstellung und Uranstaub. Beim Zerfall von Uran und seinen Zerfallspro- des spaltbaren Materials und dem Abbau von Uran. dukten werden Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlung freige- D Hierzulande ist dies praktisch kein Thema. Bergbau- setzt. Ionisierende Strahlen können grundsätzlich dazu führen, firmen und Abbauländer hüllen sich bei Gesundheitsrisiken dass von ihnen getroffene Körperzellen absterben. Überleben in Schweigen, AKW-Konzerne sprechen von »sauberer« und sie, kann ihre Erbsubstanz geschädigt werden. Derartig ver- CO2-armer Stromerzeugung, die Hersteller von Brennstäben änderte Zellen vererben die geschädigte Erbsubstanz an ihre und die Betreiber von Urananreicherungsanlagen verweigern »Nachfolgerinnen« und können deshalb noch nach Jahrzehn- die Auskunft darüber, woher ihr Rohstoff Uran überhaupt ten zu bösartigen Tumoren führen. Da Schwermetalle jenseits stammt. In der DDR wurde das Erz sogar unter dem Tarnna- der ionisierenden Strahlung toxisch wirken, potenziert sich men »Wismut« abgebaut. bei Uranarbeiter*innen und ihren Familien die Gefahr, an Uran kommt überall in der Erde und meist nur in sehr Krebs zu erkranken. Das Ungeborene ist besonders emp- geringen Konzentrationen vor. Am unteren Ende der abbau- findlich, da sein Organismus noch in der Entwicklung ist. Es würdigen Vorkommen liegt derzeit die Rössing-Mine in kommt zu Totgeburten, Frauen werden seltener schwanger. Namibia mit etwa 0,03 Gewichtsprozent Uran, inzwischen Kinder in Abbauregionen erkranken außerdem häufiger an wird aber bereits der Abbau von Lagerstätten mit so gerin- Leukämie als anderswo. Für Erwachsene sind Lungen- und gen Konzentrationen wie 0,017 oder gar 0,01 Gewichtsprozent Rachenkrebs, Herz-Kreislauf- und Immunschwächeerkrankun- angedacht. Am oberen Ende liegt aktuell die Mine Cigar Lake gen typisch, hinzu kommen psychische Störungen. Indigene in Kanada mit circa 13 Gewichtsprozent Uran. Zumeist müs- Bewohner*innen von Abbauregionen berichten außerdem von sen deshalb im Tage- und Untertage-Abbau große Erzmengen gefördert werden, um einen nennenswerten Ertrag zu bekom- men: Bei einem Urangehalt von 0,1 Prozent bleiben pro geför- Die Dauer von Unendlich derte Tonne 999,9 Kilo als Abfall zurück. Er kontaminiert die Umgebung auf Jahrtausende. Die Zerfallsreihe von Uran-238 zu Blei-206 Warum das so ist, liegt an den Eigenschaften des Roh- stoffs: Uran ist ein Schwermetall, das zunächst wie Blei oder Isotop Halbwertszeit Quecksilber chemotoxisch wirkt. Gleichzeitig ist Uran kein sta- URAN-238 . biles Element, sondern bereits in natürlicher Form radioaktiv 4,46 Milliarden Jahre und damit radiotoxisch. Es zerfällt zu anderen Elementen, die THORIUM-234 . Alpha-, Beta- und Gammastrahlung freisetzen, bis am Ende der 24,1 Tage Zerfallsreihe das stabile Blei-206 übrig bleibt. Im Uranbergbau 2019 / CC-BY-SA-3.0 URANATLAS (CC) PROTACTINIUM-234 . sind deshalb Fein- und Grobstäube voll von strahlenden Parti- 46,69 Stunden keln und die Atemluft Radongas belastet – ein Hauptgrund für . URAN-234 . den Lungenkrebs vieler Bergarbeiter*innen. Das Trinkwasser 245500 Jahre wird mit Uran und seinen Zerfallsprodukten genauso kontami- THORIUM-230 . niert wie die Nahrungskette. Selbst wenn ein Organismus nur 75400 Jahre geringer Strahlung ausgesetzt wird, kann er Schaden nehmen. RADIUM-226 . Bergarbeiter*innen müssen schwere körperliche Arbeit 1599 Jahre verrichten und deshalb schwer atmen. Im Tagebau wie unter RADON-222 . Tage sind sie Lärm, Staub, Schwermetallen, Radon und ionisie- 3,82 Tage render Strahlung ausgesetzt. Grund- und Grubenwasser sind POLONIUM-218 . verschmutzt. Die Arbeiter*innen leiden deshalb am stärksten 3,04 Minuten unter Folgeerkrankungen. Ihre Familien können über Nahrung, . BLEI-214 . belastete Kleidung, verschmutztes Trinkwasser sowie toxische 27 Minuten und radioaktive Staubteilchen kontaminiert werden. BISMUT-214 . Bereits im ausgehenden Mittelalter war die »Schneeber- 19,9 Minuten ger Lungenkrankheit« ein Begriff. Arbeiter*innen aus Silber- POLONIUM-210 . minen im Erzgebirge erkrankten an ihr. Kein Mensch konnte 0,16 Millisekunden seinerzeit die vielen mysteriösen Todesfälle erklären. Heute BLEI-206 . Blei-206 ist stabil. weiß man, dass es Lungenkrebs war – verursacht durch Radon

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Auswirkungen auf Organe, Hirn, Fötus und Skelett Was Uran, Thorium, Radium, Radon und Polonium für den Körper bedeuten

RADON Aufnahme über die Atemwege Lagert sich nicht im Körper ab, seine Zerfallsprodukte dagegen schon. Das kann zu Alzheimer und Parkinson führen, wahrscheinlich auch zu Multipler Sklerose. Radon ist plazentagängig. Mögliche Folgen: DNA-Veränderungen URAN beim Fötus, Erweiterung des Gehirns, geistige Behinderungen und Totgeburten. Radon gilt als zweithäufigste Ursache fürLunge nkrebs. Wird vom Organismus wie Calzium und Östrogen verstoff- wechselt; Aufnahme über Atem- wege und Verdauungstrakt RADIUM Bei jedem Zerfall Transport aus der Lunge Wird vom Körper wie Calcium eines Atomkerns kann (CC) URANATLAS 2019 / Yuko Tonohira / Radiation Monitoring Project / Radiation Monitoring Tonohira 2019 / Yuko URANATLAS (CC) in Nieren, Leber sowie ins verstoffwechselt; Aufnahme über Alpha-, Beta- und Knochenmark. Folgen: Atemwege, Darm, Magen Gamma-Strahlung Organ- und Knochenschäden, Radium lagert sich in den Knochen abgegeben werden. hormonelle Störungen, ab, beeinträchtigt die Blutbildung und Die Reichweite von Unfruchtbarkeit, Missbildungen vermindert die Bildung von Leukozyten. Beta-Strahlung beträgt beim Fötus. Folgen: Anämie, Kiefernekrose, mehrere Meter, die Gehirnabszess, Entzündung der Bronchien, von Gamma-Strahlung Gefährdung des Fötus. deutlich mehr, die von Alpha-Strahlung wenige Zentimeter, im THORIUM Körpergewebe sogar Wird vom Organismus wie Eisen nur bis zu Bruchteilen verstoffwechselt; Aufnahme über von Millimetern. Da Atemwege und Verdauungstrakt POLONIUM die Alpha-Teilchen Krebsgefahr für Lunge, Wird vom Organismus wie Schwefel auf einer sehr kurzen Lymphknoten, Knochenmark, verstoffwechselt; Aufnahme über Distanz ihre Energie Leber, Milz, wahrscheinlich Atemwege und Verdauungstrakt abgeben, haben sie auch Bauchspeicheldrüse und Polonium ist extrem toxisch und eine 20-fach höhere Dickdarm, Gefährdung des Fötus hochradioaktiv. Es lagert sich in Wirksamkeit als durch Missbildungen. Leber, Nieren, Knochenmark und Röntgenstrahlung Geschlechtsdrüsen ab; Gefahr für und schädigen das Eierstöcke, Unfruchtbarkeit, Fehl- und Gewebe besonders Missgeburten. stark. Deshalb ist es gefährlich, ionisierende Partikel einzuatmen oder über die Nahrung aufzunehmen.

Niereninsuffizienz, sowie vermehrt von Diabetes Typ2. Die und Nichtraucher*innen unter den Bergleuten hatten übrigens Datenlage dazu ist dünn und wissenschaftlich nicht belastbar. ein in gleicher Weise erhöhtes Risiko. Da sich jedoch die Aussagen aus allen Kontinenten ähneln, ist Kritiker*innen fordern, Konzerne, die Uran abbauen, die Wahrscheinlichkeit hoch, dass viele Erkrankungen eine in die Verantwortung zu nehmen und zu kontinuierlichen direkte Folge des Uranbergbaus sind. betriebsärztlichen Untersuchungen zu verpflichten, die auch die umliegende Bevölkerung mit einschließen. Diese Resultate Uran wirkt als Schwermetall müssen veröffentlicht werden. Für Kompensationszahlungen chemotoxisch. Gleichzeitig ist es an erkrankte Mitarbeiter*innen und die umliegende Bevölke- radioaktiv, weil es kein stabiles rung fehlen bislang eindeutige Kriterien. Weder Bergbau-Kon- Element ist zerne noch staatliche Institutionen sind an derartigen Untersu- chungen, deren Veröffentlichung und der Entschädigung von Erkrankten oder Hinterbliebenen interessiert. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Berlin bestä- Nach Ansicht seiner Gegner*innen verletzt Atomstrom tigt die Erkenntnisse durch eine weltweit einzigartige Unter- letztlich das Recht der Menschen auf körperliche Unversehrt- suchung: In der sogenannten Kohorten-Studie sind 59000 heit. Bergarbeiter*innen in Niger und Namibia dürfen offiziell Arbeiter*innen erfasst, die am Uranbergbau der Wismut einer Strahlenbelastung von 20 Millisievert im Jahr ausgesetzt beteiligt waren. Die Ergebnisse der Studie, veröffentlicht werden. Das ist so viel, als würde ihre Lunge zweitausendmal auch im »British Journal of Cancer«, zeigten einen Anstieg geröntgt. ● der Lungenkrebsrate um 50 bis 70 Prozent sowie über 7000 strahleninduzierte Todesfälle unter den 59000 untersuchten Studienteilnehmer*innen (11,9 Prozent). Es ergab sich eine sig- Weiterführende Informationen Otto Hug Strahleninstitut: W. Mämpel, S. Pflugbeil, R. Schmitz, I. Schmitz-Feuerhake, nifikante Korrelation zwischen Arbeitszeit und Krebsrisiko Unterschätzte Gesundheitsgefahren durch Radioaktivität, Bericht Nr. 25 (21 Prozent höheres Risiko pro Arbeitsmonat). Raucher*innen Wismut-Kohortenstudie des BfS: bfs.de, Rubrik Wissenschaft

11 GESCHICHTE KOLONIALES ERBE Bis in die 1970er Jahre war die Uranförderung zum größten Teil militärisch begründet. Sie ging von Anfang an zu Lasten der lokalen Bevölkerung, besonders indigener Gesellschaften. Daran hat sich bis heute wenig geändert

u Beginn des 19. Jahrhunderts wurde Uran erstmals als Den Rohstoff für das Manhattan-Projekt – der Entwick- Nebenprodukt in englischen und sächsischen Minen lung der Atombombe während des Zweiten Weltkrieges – Z gewonnen. Mit dem Schwermetall konnten Kerami- bekam die US-Regierung aus dem damaligen Belgisch-Kongo ken bemalt und sogenanntes Vaselineglas hergestellt werden. und aus Kanada. In der kongolesischen Shinkolobwe-Mine Erst mit der Entdeckung, dass man zur Kernspaltung Uran- wurde Uran Anfang der 1920er Jahre entdeckt und später 235 braucht, und dem Bau der ersten Atombomben während gezielt abgebaut. Das Erz enthielt bis zu 65 Prozent Uran, so des Zweiten Weltkriegs kam es zum aggressiven Abbau. Das viel wie keine andere Mine auf der Welt. In Kanada wurde Schwermetall wurde bis weit in die 1960er Jahre vor allem zu Uran 1930 in der Region des Great Bear Lake entdeckt. militärischen Zwecken und zum Aufbau der Abschreckungsar- Während sich noch kein US-Präsident für die atomare senale in Ost und West abgebaut. Verwüstung von Hiroshima und Nagasaki entschuldigt hat, taten dies die kanadischen Dene – selbst Opfer von Uranabbau – 53 Jahre nach dem Abwurf. Weil auch von ihrem Territorium Uranproduktion 1945 bis 2017 Uran für die ersten Bomben stammt, fühlten sie sich für die Zerstörung mitverantwortlich. Historischer Abbau nach Ländern in Tonnen Der Uranabbau kann nicht losgelöst von kolonialen Kon- tinuitäten betrachtet werden. Schon ein oberflächlicher Blick auf die Ungleichverteilung von Orten der Rohstoffproduktion ANDEREDR KONGOSÜDAFRIKANAMIBIADDR/ BRDUKRAINEAUSTRALIENNIGER TSCHECHIENKASACHSTANKANADARUMÄNIENUSBEKISTANFRANKREICHUSA UDSSR/ RU und der Nutzung von Atomenergie zeigt die Parallele zu kolo- nialer und neokolonialer Ausbeutung. Von den 1940er bis in die 1980er Jahre hinein kam der überwiegende Teil des für ameri-

70 000 60 000 50 000 40 000 30 000 20 000 10 000 0 kanische, britische und französische Bomben und Reaktoren 2015 genutzten Urans aus damaligen, ehemaligen oder »internen« Kolonien. Auch das Uran aus Kanada kam aus den indigenen,

2010 nie abgetretenen Gebieten der Dene, die bis heute unter dem

(CC) URANATLAS 2019 / WNA, IAEA, WISE Uranium Project URANATLAS (CC) Uranbergbau leiden. Ein anderer Teil stammt aus der Elliott 2005 Lake Region – wo bis heute das nahegelegene Reservat radio- aktiv belastet wird. In der Provinz Quebec verhinderten die 2000 James Bay Cree 2015 neue Uranminen. Bis heute besteht dort de facto ein Moratorium. Geschichte und Gegenwart des Uran- 1995 bergbaus sind dementsprechend eng mit der Missachtung indi- gener Rechte verbunden. 1990

Uranbergbau begann im 1985 damaligen Belgisch-Kongo und in Kanada. Heute ist Kasachstan 1980 das wichtigste Förderland

1975 Während die USA nach dem Zweiten Weltkrieg eine Auf- 1970 kaufgarantie für Uran aus dem eigenen Land gaben und unzäh- lige private Firmen anlockten, war Uranbergbau in Frank- 1965 reich und der Sowjetunion Staatssache. Ganz Afrika geriet ins Blickfeld, in der DDR und der Tschechoslowakei entstand eine 1960 riesige Bergbau-Industrie.

1955 Doch erst mit der zivilen Nutzung der Atomenergie wurde Uran in den 1970er Jahren zu einem kommerziellen 1950 Rohstoff und Uranbergbau zu einem Geschäftsfeld priva- ter Konzerne. Wurden 1950 gerade einmal 4800 Tonnen aus 1945 dem Boden geholt, waren es 1980 fast 70000, so viel wie in

12 URANAtlas

Uran für die Welt Kumulierte Förderung des Rohstoffs nach Abbauländern von 1940 bis 2017 in Tonnen Uranbergbau ist von kolonialen, neokolonialen und autoritären Strukturen USA KANADA 377 144 geprägt. Der Rohstoff 524 437 des Atomzeitalters wurde in den vergangenen 80 Jahren vor allem in Ländern Afrikas, in

(CC) URANATLAS 2019 / WISE Uranium Project URANATLAS (CC) China, der Sowjetunion, der DDR, Russland und Kasachstan gefördert – TCHECHIEN oder dem Land indigener 112 055 RUSSLAND DEUTSCHLAND UNGARN 167 821 Völker in Australien und 21 075 UDSSR -1991 Nordamerika entnommen. ARGENTINIEN (hauptsächlich DDR) 102 886 2 582 219 731 FRANKREICH = 270 706 BRASILIEN 80 976 4 216 UKRAINE (ab 1992) PORTUGAL 131 986 3 720 KASACHSTAN (ab 1992) SPANIEN 5 028 316 523 CHINA RUMÄNIEN 44 984 BULGARIEN 19 049 Mehr als 400000 16 364 NIGER USBEKISTAN 300000 - 400000 143 225 (ab 1992) 135 095 200000 - 300000 INDIEN 12 679 100000 - 200000 PAKISTAN 10000 - 100000 GABUN 25 403 1 574 1000 - 6000 DR KONGO Unter 800: MADAGASKAR, 25 600 BELGIEN, POLEN, MALAWI MONGOLEI, SLOWAKEI, NAMIBIA 131 228 4 217 SCHWEDEN, SAMBIA, AUSTRALIEN JAPAN, IRAN, MEXIKO, 212 502 FINNLAND SÜDAFRIKA 160 701

keinem Jahr zuvor und danach. Seinerzeit wurden am Spot- ist, achtete auch kaum jemand auf notwendige Sicherheits-, markt über vierzig US-Dollar für ein Pound Uran (454 Gramm) Strahlenschutz- und Gesundheitsstandards. bezahlt. Je weniger sich Bergbaufirmen um die Gesundheit Mit dem Ende des Kalten Krieges endete der militärische der Arbeiter*innen und die Sicherung der Minen und Tailings Bedarf an Uran. Durch die Atomkatastrophen in Tscherno- kümmerten, desto höher war ihr Profit. Und weil Uranbergbau byl und vor allem Fukushima sowie die Stilllegung sämtlicher in der breiten Öffentlichkeit (bis heute) praktisch kein Thema Atomkraftwerke in Japan ging auch die zivile Nachfrage deut- lich zurück. Mehr noch: Die Atommächte deckten nach 1990 ihren Brennstoffbedarf zum Teil durch die Abrüstung ihrer Produktion und Verbrauch von Uran Atomraketen. Der Uranspotmarktpreis sank auf ein histori- sches Tief von acht US-Dollar im Jahr 2002, stieg 2007 auf über Ziviler und militärischer Bedarf von 1946 bis 2018 in Tonnen 100 Dollar und liegt aktuell bei 25 Dollar (Stand: 25. Juli 2019). Militärisch genutzte Uranmenge 2002 wurden weltweit nur noch 37000 Tonnen Uran gefördert. Zivil genutzte Uranmenge 2017 waren es 59500 (s. S. 22-23). Weltweite Produktion von Uran Historisch betrachtet ist Kanada mit Abstand der welt- 70000 weit größte Uranförderer: 524000 Tonnen und damit über ein 60000 Sechstel der gesamten Uranproduktion stammen von dort. Danach kommen die USA, gefolgt von Russland beziehungs- 50000 weise der Sowjetunion, Kasachstan, der DDR und Australien.

(CC) URANATLAS 2019/ WNA, IAEA, Klingbiel, T. URANATLAS (CC) 40000 Seit 2009 ist Kasachstan das wichtigste Förderland, wobei der Staat kaum Informationen über Uranbergbau preisgibt. Schon 30000 gar nicht über mögliche Probleme. ● 20000

10000 Weiterführende Informationen 0 Weltkarte atomarer Verwüstung: -worldwide.org 1946 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Informationen über den weltweiten Uranabbau: uranium-network.org

13 AFRIKA LIEFERANT FÜR DEN REICHEN NORDEN Koloniale Strukturen bestimmten den Uranbergbau in Afrika von Anfang an. Über Jahrzehnte war Südafrika der wichtigste Uranlieferant des Kontinents, heute sind es Namibia und Niger

n Afrika begann Uranbergbau in den 1930er Jahren im 35 Millionen Tonnen radioaktiver Abraum liegen offen und Kongo unter belgischer Kolonialherrschaft und katastro- ungeschützt um die Minen. Die Hintergrundstrahlung ist I phalen Bedingungen in der Shinkolobwe-Mine. In Handar- 200-fach erhöht. Niger ist nicht das einzige afrikanische Land, beit und mit einfachstem Werkzeug lieferten die Bergleute dort in dem Areva nach Uran gesucht hat: In Gabun war der Kon- den Rohstoff für den Bau der Atombombe. Der belgische Berg- zern ebenfalls aktiv, hat den Uranbergbau aber schon vor baukonzern Union Minière hatte die Verfügungsgewalt über 20 Jahren wieder beendet. Auch hier wurden Tailings und alle Bodenschätze des Landes. Strahlenschutz oder Gesund- Abraumhalden nicht saniert. heitsvorsorge kannte er nicht. Wer sich der Ausplünderung Rio Tinto Zinc, heute Rio Tinto und eine der drei größten widersetzte, wurde drakonisch bestraft. Bergbaugesellschaften der Welt, eröffnete 1976 mit Rössing die Bis 1950 stammte über ein Drittel des weltweit geförder- erste Mine in Namibia. Weitere folgten – mit allen negativen ten Urans aus dieser Mine, es ging hauptsächlich in die USA. Folgen für die Bergarbeiter*innen: Sie bekamen zwar weiter 1960 endete die Kolonialherrschaft formell. Das bedeutete aber Lohn, wenn sie krank wurden, mussten aber Krankheitskosten nicht, dass das Land danach nicht mehr ausgebeutet wurde. selbst tragen. Ein Prozess gegen Rio Tinto scheiterte, weil zwei Bergbau finanzierte den Bürgerkrieg, bis zu 20 Milliarden US- Arbeiter die Frist überschritten hatten, innerhalb der sie Scha- Dollar des kongolesischen Vermögens landeten auf Auslands- denersatz hätten fordern können. Namibia ist heute viertgröß- konten, so die »Financial Times«. Golden Misabiko, der Präsi- ter Uranproduzent der Welt. dent von ASADHO Katanga, widersetzte sich der Staatswillkür In den Goldminen Südafrikas ist Uran zwar nur ein und deckte 2009 den heimlichen Vertrag zwischen den Präsi- Nebenprodukt des Goldbergbaus, das Geschäft damit reichte denten Joseph Kabila (DR Kongo) und Nicolas Sarkozy (Frank- aber, um Südafrika zum wichtigsten Uranproduzenten Afrikas reich) auf, mit dem die Uranressourcen des Landes exklusiv zu machen. Weil der südafrikanische Goldrausch bereits Ende Areva zugeschanzt wurden. Er wurde deshalb inhaftiert und des 19. Jahrhunderts begann und die Bergbaufirmen damals gefoltert, konnte schließlich ins Exil fliehen. kein Interesse an Uran hatten, blieb das Schwermetall auf den Gesteinshalden als strahlender Abfall zurück. Direkt dane- Mit dem Ausbau der Atomenergie ben wohnen die Bergleute mit ihren Familien. Inzwischen begannen Urankonzerne in den enthalten die Halden mehr Uran als manch neue Uranmine 1960er Jahren in verschiedenen Staaten und werden erneut »ausgebeutet«. Unter dem Apartheid-Sys- Afrikas nach Uran zu suchen tem Südafrikas gehörte es Jahrzehnte zum Standard, dass Arbeiter*innen mit verdächtigen Krankheitssymptomen einen letzten Monatslohn erhielten und entlassen wurden. Mit dem Ausbau der Atomenergie gerieten etliche andere In den vergangenen Jahrzehnten gab es viele neue Länder Afrikas ins Blickfeld: Niger wurde zwar 1960 unab- Explorationsanträge zum Abbau von Uran, auch mit deut- hängig, der französische Staat und der Atomkonzern Areva scher Unterstützung, wie das Beispiel Tansania zeigt: Von führten die koloniale Ausbeutung aber auf ihre Weise fort. 1978 bis 1982 suchte dort die Uranerzbergbau GmbH aus Die Uranförderung begann 1971 in Arlit am südlichen Rand Bonn nach Uran. Ihre Datenbasis wurde nach der Jahr- der Sahara und wurde drei Jahre später in Akokan erweitert. tausendwende zum Gegenstand von Spekulationen. Viele 2017 war Niger der fünftgrößte Uranproduzent der Welt. Der Bewohner*innen von Dörfern in der Nähe des südtansani- Uranreichtum hat den Menschen in Niger aber nichts gebracht, schen Mkuju-River-Projekts sind nach Angaben tansanischer obwohl in der Zwischenzeit 143000 Tonnen Uran das Land Menschenrechtsaktivist*innen frustriert. »Schon seit über verlassen haben, was einem Weltmarktpreis von aktuell neun zehn Jahren heißt es: Forschung und Exploration. Was den Milliarden US-Dollar entspricht. Noch heute gehört das Land Menschen der Umgebung bleibt, ist unsichere Beschäftigung zu den ärmsten der Welt, hat jetzt aber eine strahlende Hin- für nur wenige und für den Rest der Staub, den die Autos und terlassenschaft: Almoustapha Alhacen gründete die lokale LKWs aufwirbeln«, berichtet ein Aktivist aus Songea, der aus NGO Aghirin`man – in der Sprache der Tuareg »Schutz der Sicherheitsgründen namentlich nicht genannt werden möchte. Seele« – und ließ Wissenschaftler*innen des unabhängigen Der gestiegene Uranpreis in den Jahren 2007 und 2008 französischen Labors CRIIRAD das Arlit-Gelände untersuchen. hatte zu einem wahren Boom an Explorationsaktivitäten in »Was dort passiert, grenzt an fahrlässige Körperverletzung«, Afrika geführt. Weil der Uranpreis aber wieder sank (s. S. 23), sagt CRIIRAD-Direktor Bruno Chareyron. »Das Trinkwasser wurde, abgesehen von Husab und Langer Heinrich in Namibia zum Beispiel ist zehn- bis hundertmal mehr mit Radioaktivität und Kayelekera in Malawi, keine neue Mine eröffnet. Als Folge belastet, als von der WHO empfohlen.« Straßen wurden – wie des niedrigen Preises musste die südafrikanische MinTails anderswo auch – mit strahlenden Gesteinsresten befestigt. Konkurs anmelden, während Areva mit Steuergeldern vor

14 URANAtlas

Uran unter afrikanischem Boden Die Minen Afrikas und die Menge der noch nicht abgebauten Uranvorkommen (links) sowie die Gesamtmenge des bis heute abgebauten Urans (rechts) in Tonnen Explorationserwartungen 6 600 000 Kumulativ bis 2017 abgebaute Uranmenge Länder mit bisher unangetasteten Uranvorkommen MAROKKO und 170 600 WESTSAHARA Länder mit eingestellter Minenaktivität, ÄGYPTEN Stand 2019 Länder mit aktivem Uranabbau 155 000 ALGERIEN aktive Minen stillgelegte Minen

25 800 MAURETANIEN Akouta Arlit k.A. Azelik NIGER 143 225 9 900 MALI 1 400 SENEGAL (CC) URANATLAS 2019 / Abbau: WISE Uranium Project; Vorkommen: OECD, WNA OECD, Vorkommen: 2019 / Abbau: WISE Uranium Project; URANATLAS (CC) 4 400 GUINEA 16 000 SOMALIA 36 400 ZENTR. AFR. REPUBLIK 12 100 KAMERUN

GABUN 25 403 Mikouloungou Okelobondo Boyindzi Oklo Mounana DR KONGO 25 600 73 000 TANSANIA

Shinkolobwe Kayelekera Kitwe MALAWI 4 217 57 000 SAMBIA 86 MADAGASKAR 785 4 217 SIMBABWE Vatovory Trekkopje 100 100 BOTSWANA Rossing Langer Heinrich 131 228 Husab Ezulwini k.A. NAMIBIA Dominion Stilfontein Hartebeestfontain Gauteng Vaal River Region k.A. SÜDAFRIKA 160 701

Aktive und stillgelegte Minen Afrikas: Wem sie gehören und wie viel Uran bisher aus ihnen geholt wurde GABUN... und Untertagebau seit ca. 1938, Husab (Rössing Süd): 34 % hält Orano (frz.), 31 % Nebenprodukt des Goldberg- Mounana: 5760 Tonnen, 1960 stillgelegt. Seither illegaler Tagebau seit 2016, 1332 Niger, 25 % OURD (jap.), baus gewonnen. Zuständig Tage- und Untertagebau, Abbau Tonnen, 90 % Taurus Minerals 10 % ENUSA (span.). 2017 seit 1967: die Nuclear Fuels 1960–1999 MADAGASKAR... Ltd (chin.) Produktionskürzung um 21 %. Corporation of South Africa, Oklo: 14649 Tonnen, Tage- Vatovory: 785 Tonnen, Langer Heinrich: Tagebau Akokan und Arlit: 75986 Tonnen heute eine Tochter der Anglo und Untertagebau, 1970–1985 Tagebau, 1950er Jahre, franz. seit 2007, 16416 Tonnen, 75.% seit 1998 Gold Ashanti Okelobondo: 3144 Tonnen, Atomministerium Paladin, 25 % CNNC, 2018 Azelik: Tage- und Unterta- Wichtige Minen: Untertagebau, 1988 geschlossen eingemottet gebau 2007–2015. 615 Tonnen, Ezulwini (früher Randfon- MALAWI... Boyindzi: 2471 Tonnen, Trekkopje: 437 Tonnen, 37 % CNNC, 33 % Niger, 25 % tein): 217 Tonnen, 2011–2017 Untertagebau, 1980–1991 Kayelekera: Tagebau seit 2011–2013. Ursprünglich ZXJOY Invest, 5 % Korea Vaal River Region Mikouloungou: 85 Tonnen, 2009, 4217 Tonnen. 85 % 100 % Areva, 49 % an CGNPC Resources Corporation (Kopanang, Moab Khotsong): Paladin. 2014 stillgelegt Tagebau, 1997–1999 (chin.) verkauft SAMBIA... 2817 Tonnen, 2011–2017 NAMIBIA... Eigner aller Minen in Gabun: NIGER... Kitwe: 86 Tonnen in 1950er Stilfontein (k.A.) Areva/Gabun Rössing: 66722 Tonnen, Arlit: Tagebau seit 1971. 64 % Jahren Dominion (k.A.) Tagebau seit 1976, gehörte zu Hartebeestfontain (k.A.) DR KONGO... im Besitz von Orano, 36 % Niger SÜDAFRIKA... 68 % Rio Tinto, 2018 von CNNC Gauteng (k.A.) Shinkolobwe: 25600 Tonnen, Akokan (Akouta): In Südafrika wird Uran als erste Uranmine der Welt. Tage- übernommen Untertage-Abbau seit 1974. dem Bankrott gerettet wurde und Paladin an der Pleite knapp und plant, die Mine komplett zu übernehmen. Husab wurde vorbeischrammte. Chinesische Unternehmen, die aufgrund 2016 in aller Stille in Betrieb genommen. ● der hohen staatlichen Anteile weniger kurzfristig profitorien- tiert arbeiten, nutzen währenddessen die Chance: Die CNNC Weiterführende Informationen sicherte sich Rechte an Uranvorkommen, fördert die Erkun- : Left in the dust. AREVA’s radioactive legacy in the desert towns of Niger dung neuer Lagerstätten, kaufte Anteile an Langer Heinrich Film: – what are we talking about? Günter Wippel, 76 Min., auf Youtube

15 AUSTRALIEN WARNUNGEN AUS DER FRÜHZEIT Die ersten Völker des Kontinents verstanden sich als Hütende von Schätzen im Erdinneren, die nicht an die Oberfläche geholt werden dürfen. Gegen die uranfördernden Bergbaufirmen haben ihre Nachfahr*innen selten eine Chance

n sämtlichen Formen der Landschaft sehen die indige- Jahren unter Wasser liegen, Orte, die von ihren Vorfahr*innen nen Völker Australiens die Manifestation der gestalten- benannt wurden, als Neuguinea und Tasmanien noch mit dem I den Kräfte einer Vorzeit, die bis heute wirkt. Dement- Kontinent durch Landbrücken verbunden waren. sprechend intensiv ist ihre Bindung an ihre Umwelt; in ihrer Lieder und Tänze sorgen dafür, dass das kollektive Kosmologie »alcheringa« verstehen sie sich als Wesen, die zur Gedächtnis das Wissen aus dieser Vergangenheit bewahrt. Natur gehören – nie dürfen daher Menschen von der Natur Dazu gehören auch Warnungen, das Innere der Erde nicht Besitz ergreifen, sie können sie nur hüten. Vor rund 50000 zu verwunden. Bekannteste Botschaft ist die der Regenbo- Jahren wurde die Landmasse besiedelt; Aboriginals erinnern genschlange, die Berge und Seen schuf und deren unterirdi- sich heute noch an die Namen von Orten, die seit rund 15000 scher Schlaf nicht gestört werden darf; anderenfalls würden

Australisches Uran ist Aboriginal-Uran Minentätigkeit in den fünf kontinentalen Bundesstaaten, Stand 2019

Minennamen und Namen der Aboriginal-Völker und -Clans, Alligator River auf deren Land die Minen liegen: Jabiluka Nabarlek Darwin Ranger Aktive Minen Rum Jungle Beverly Four Mile (SA), Adnyamathanha Koongara Olympic Dam (SA), Kokatha Vorübergehend eingestellte Minen / in Vorbereitung für (CC) URANATLAS 2019 / australianmap.net URANATLAS (CC) Sanierung Broome Beverley (SA), Adnyamathanha Westmoreland Beverley North (SA), Adnyamathanha Honeymoon (SA), Ngurunta, Wilyakali Ranger (NT), Mirarr Port Hedland Valhalla NORTHERN TERRITORY Stillgelegte Minen (NT) Mary Kathleen Alligator River (NT), Gagudju, Amarak, Iwaidja Manyingee Kintyre Ben Lemond Hunters Hill (NSW), Wallumedegal Mary Kathleen (QLD), Kalkatunga, WESTERN AUSTRALIA Alice Springs Mitakoodi (WA) Angela Pamela QUEENSLAND Mt Painter (SA), Adnyamathanha Narbalek (NT), Madjawrr Wiluna (QLD) Port Pirie (SA), Nukunu Yeelirie SOUTH AUSTRALIA Radium Hill (SA), Wilyakali (SA) Rum Jungle (NT), Kungarakan, Warai Brisbane Wild Dog (SA), Kaurna Mulga Rock Mt Painter Beverly North Geplante Minen Olympic Dam Beverly Kintyre (WA), Martu Beverly Four Mile Mulga Rock (WA), Ngadju Perth Mt Gee Oban NEW SOUTH WALES Wiluna (WA), Tarlpaa Honeymoon (NSW) Yeelirrie (WA), Tjiwarl, Koara Samphire Radium Hill Fortgeschrittene Erkundung der Port Pirie Hunter's Hill Lagerstätte Ben Lomond (QLD), Juru, Gia Adelaide Sydney Wild Dog Manyingee (WA), Baijungu Canberra Oban (SA), Ngurunta, Wilyakali Als der Uranabbau Mitte der 1950er Jahre begann, konnten die VICTORIA Samphire (SA), Barngarla Bergbaukonzerne ihre Minen ungehindert auf dem Land der (VIC) Valhalla (QLD), Kalkadoon Indigenen eröffnen. Erst ein Jahrzehnt später begannen Aboriginal- Melbourne Westmoreland (QLD), Gangalidda, Organisationen allmählich Jagdrechte und den Zugang zu heiligen Garawa Stätten einzuklagen. Bodenschätze unter dem ihnen inzwischen Erfolgreiche Verhinderung von zugesprochenem Land gehören den ersten Bewohner*innen bis geplanten Minen Angela Pamela (NT), Arrernte heute nicht. TASMANIA Jabiluka (NT), Mirarr Bundesstaat mit aktiver (TAS) Koongara (NT), Djok Minentätigkeit Mt Gee, Adnyamathanha

16 URANAtlas todbringende Kräfte entfesselt, die der Mensch nicht bändigen Australien betreibt kein eigenes kann. Die Regenbogenschlange, so die Aboriginals heute, ist Atomkraftwerk, Uran wird nur für den die Hüterin der Uranadern. Einen Einblick in die lebende Erde Export abgebaut. Neue Minen wurden gab Joan Wingfield, Aktivistin der Kokotha aus Südaustralien, durch den Widerstand der Aboriginals auf dem World Uranium Hearing 1992 in Salzburg, als sie über verhindert Galda, die Stumpfschwanzechse, und die Uranmine Olympic Dam sprach: »Der erste gegrabene Schacht geht durch den Bauch der Echse. Dort holen sie nicht nur Uran, sondern auch gab es weder Verhandlungen noch Entschädigungen. Erst 1993 Gold, Silber, Kupfer, Blei. Wenn wir den Bauch von Galda öff- verabschiedete das Parlament in Canberra den »Native Title nen, finden wir die gleichen Farben.« Act« – ein Gesetz, das die traditionellen Landrechte aller Abo- Der Uranbergbau begann 1954, abgesehen von ersten riginal-Völker sichern sollte. Während es von der Regierung Entnahmen 1906 zur medizinischen Forschung. Inzwischen ist als wegweisende Anerkennung proklamiert wird, sehen die Australien mit insgesamt über 212000 Tonnen der sechstgrößte Betroffenen die Fortsetzung des alten Ungleichgewichts: Wenn Uranproduzent; aktuell liegt das Land hinter Kasachstan und eine Firma Uran abbauen will, tragen sie die Beweislast und Kanada sogar an dritter Stelle der weltweiten Förderer. Mit müssen nachweisen, dass sie bis heute eine ununterbrochene geschätzt über einer Million Tonnen verfügt das Land über die Beziehung zu ihrem Land pflegen. Ein Hohn in den Augen größten abbauwürdigen Uranressourcen der Welt – allerdings derer, die hier seit Urzeiten leben. nur bei einem Uranpreis von über 130 US-Dollar pro Kilo. Auch wenn eine Klage vor Gericht zugunsten der Aborigi- Abgebaut wird bis heute im Outback, fern weißer Städte. nals entschieden wird, müssen sie dennoch mit den Bergbau- Den ursprünglichen Besitzer*innen des Landes wurden dabei firmen verhandeln. Einigen sie sich nicht, erhält das Vorhaben jahrzehntelang keinerlei Landrechte eingeräumt, so dass die der Firma Vorrang vor der Anerkennung des indigenen Landti- Bergbaufirmen de facto machen konnten, was sie wollten. tels. Eine gesetzliche Handhabe, dagegen ein Veto einzulegen, gibt es nicht. Gemeinden und Gruppen, die den Zutritt verweh- ren wollen, sind oft gar nicht an den Verhandlungen beteiligt, da die Firmen sich ihre Gesprächspartner*innen selbst aussu- chen können und mit finanziellen Belohnungen winken. Die Die Änderung der Besitztitel australischer Bundesstaaten Queensland, New South Wales und Victoria Landesteile ab 1960 erlauben derzeit keinen Abbau; diese Haltung kann sich nach jeder Parlamentswahl jedoch wieder ändern. 1960 Dennoch machen einige Erfolge den Aboriginal-Völkern Im Zuge der Kolonisierung Mut: Jeffrey Lee, letzter Angehöriger der Djok, weigerte sich, Australiens durch das Vereinigte Königreich und die Übernahme Koongara, das Land seiner Ahnen im Northern Territory, zu des Landes durch weiße verkaufen. Die französische Firma Areva überbot sich in ihren Einwander*innen wurden die Summen, um die geschätzten 14000 Tonnen Uran unter sei- Aboriginals zunächst vollständig nem Land abzubauen. Jeffrey lehnte ab und wollte stattdes- enteignet. Noch 1960 gehörte ihnen kein Quadratmeter Land. sen Koongara dem Kakadu-Nationalpark angliedern. Er reiste Von der Regierung erhielten die mit einer Delegation nach Paris brachte auch die UNESCO Bergbaukonzerne alle gewünschten auf seine Seite, die den Park bereits 2003 als Weltkulturerbe Schürfrechte auf Aboriginal-Land. anerkannt hatte. Zur gleichen Zeit hatte in der Nachbarschaft (CC) URANATLAS 2019 / Jon Altman/Australian National University 2019 / Jon Altman/Australian URANATLAS (CC) Yvonne Margarula (s. Abb. Titelseite), eine Mirrar, erfolgreich 2013 gegen die Eröffnung der Mine Jabiluka gekämpft und 2005 Seit Mitte der 1960er Jahre einen Baustopp erreicht. gehen Aboriginal-Organisationen Auch der Widerstand gegen die Ranger-Mine direkt vor Gericht. Mit Erfolg, wie die neben dem Nationalpark zeigt Wirkung. Seit 1980 förderte Karte zeigt. 2013 hatten sie über einen großen Teil ihrer Heimat sie Uran, hauptsächlich für Japan und Deutschland. Über 200 die Verfügungsgewalt zurück Pannen mit Verseuchungen der Umwelt sind bekannt – 2013 erhalten. Die Landklagen dauern flossen eine Million Liter radioaktiver Schlamm in den Park. bis heute an. Im Frühjahr 2019 wurde die Produktion eingestellt. zugesprochenes Im Northern Territory, auf dem Land der Arrernte, Aboriginal-Land konnte zudem die Mine Angela Pamela verhindert werden. In Südaustralien stoppten massive Proteste den Plan, die Uranre- serven im Wildnisreservat Arkaroole im Land der Adnyama- thanha zu erschließen. 2008 erlaubte dagegen der Bundesstaat Erst mit der Zeit führten die Bundesstaaten unterschiedliche Westaustralien den Uranabbau; seitdem kämpft die Bewegung Regelungen ein. Das erste Zugeständnis lieferte die Regierung gegen ein Minenprojekt, dem die Betreiberfirma BHP einen im Northern Territory 1976: Der »Aboriginal Land Rights Act« Aboriginal-Namen gab: Yeelirrie. ● gibt Aboriginals dort das Recht, Probebohrungen zu untersa- gen. Doch die wenigsten indigenen Gesellschaften wussten, dass nach einer Zustimmung zur Exploration eine Verweige- Weiterführende Informationen Australian Conservation Foundation: Kampagne »nuclear free«, acf.org.au rung der Förderung kaum durchzusetzen war. Bei den Minen Anna Luisa Schmid: Darkroom. Trickfilm,vimeo.com/81749731 im Northern Territory, die vor diesem Gesetz eröffnet wurden, Auth, Huber, Schnatz: Uranium – is it a Country? Dokumentarfilm, 53 min, 2009

17 NORDAMERIKA STRAHLENDE SCHILDKRÖTENINSEL Von der Subarktis im Norden bis zum Colorado-Plateau im Süden: Das Land der indigenen Völker war von Anbeginn im Fokus der Nuklearindustrie. Nur so wurden Kanada und die USA die historisch größten Uranproduzenten

a u m war Enrico Fermi und seinem Team in Chicago eine Diné-Familie, die nicht ein Mitglied durch Lungenkrebs am 2. Dezember 1942 die erste kontrollierte nukle- verloren hat. Die hohe Zahl an Krebskranken führte 1990 nach K are Kettenreaktion gelungen, gab er am Telefon die hartem Kampf zur Verabschiedung des »Radiation Exposure Nachricht an seine Kolleg*innen an der Harvard Univer- Compensation Act«. sity verschlüsselt weiter: »Der italienische Seemann hat die Doch die Wiedergutmachung verläuft bis heute zäh: Neue Welt erreicht.« Die Rückfrage »Wie verhielten sich die Wenn Papiere fehlen, verfällt der Anspruch. Diné, die nicht Ureinwohner*innen?« beantwortete der Physiker Fermi mit: Englisch sprachen, bejahten bei Interviews in der Regel die »Sehr freundlich!« Da wusste man in Harvard: Experiment Frage nach Tabakkonsum gegenüber Dolmetscher*innen, da gelungen! Dass für den Code die Landung von Kolumbus Tabak als heilige Pflanze gilt und bei Zeremonien Tabak ver- gewählt wurde, passt in das große Ganze, denn aus Sicht der wendet wird. Sie ahnten nicht, dass damit ihr Lungenkrebs Indigenen ist der Beginn des Atomzeitalters eng mit ihrer einer Raucherlunge zugeordnet wurde. Für Anwohner*innen, Geschichte verwoben – als Geschichte der Zerstörung. die in der Nähe strahlender Abraumhalden leben, gilt das Wie- Als in den 1930er Jahren weit oben im kanadischen Nor- dergutmachungsgesetz ohnehin nicht. den, in der Echo Bay am Ostufer des Großen Bärensees im Die US-Regierung habe, so Doug Brugge von der Tufts Land der Dene, die erste Uranmine Nordamerikas eröffnet University School of Medicine in Massachusetts in einer wurde, nahmen viele die neuen Jobs an. Sie wurden Bergleute Studie 2002, es wissentlich versäumt, sich mit der Gesund- und trugen die Säcke mit dem Erz auf den Schultern zu den heitsgefährdung der Diné auseinanderzusetzen. Brugge: Schiffen, die sie zu den Mühlen brachten, bis der Yellowcake »Wissenschaftler*innen, die schon früh auf die Misere auf- unter Geheimhaltung nach Los Alamos in die USA geschafft merksam machten, wurden von den verantwortlichen Regie- wurde, in dessen Nachbarschaft die Tewa-Dörfer Santa Clara rungsstellen ignoriert.« Rafael Moure-Eraso, Arbeitsmediziner und San Ildefonso liegen. Dort wurde »«, die erste an der University of Massachusetts, kam 1999 zu dem Schluss: Atombombe, entwickelt und schließlich in der Wüste White »Im Zeitraum von 1947 bis 1966 nutzte die Regierung die Gele- Sands im Land der Apachen getestet. Für die weiteren Bom- genheit, an den Diné-Bergleuten die Auswirkungen radioak- ben, von Hiroshima und Nagasaki abgesehen, wählte das US- tiver Strahlung zu studieren.« Er sprach von »Experimenten Verteidigungsministerium erst einmal die Insulaner*innen der an Menschen, ohne deren Wissen«. Für das Colorado-Plateau, Südsee, bevor es die Heimat der Western Shoshone in Nevada auf dem auch Kohle in großem Stil abgebaut wird, prägte die opferte (s. S. 38-39). US-Regierung in den 1980er Jahren den Begriff »National Sac- rifice Area – Nationales Opfergebiet«. 2005 erließ der Diné-Rat Die US-Regierung nutzte zwischen ein Gesetz, das den weiteren Abbau verbietet; 523 verlassene 1947 und 1966 die Möglichkeit, die Minen warten auf Sanierung. Auswirkungen radioaktiver Strahlung an In Kanada entwickelte sich Saskatchewan zur Uran-Pro- Diné-Bergleuten zu studieren vinz. Alle drei Straßen, die in den Norden führen, wurden für die Minen gebaut. Sie liegen in den Jagdgründen der Cree und Dene, die über die Gefahren nicht informiert waren, als dort Während in Los Alamos im Norden New Mexicos noch der Uranbergbau begann. Die Region gehört zur Subarktis, ist Uran von weither verarbeitet wurde, ahnte niemand, dass von Seen, Bächen und Sümpfen durchzogen und von Oktober schon bald im Südwesten, auf dem Reservat der Diné (Navajo), bis Mai mit Schnee bedeckt. Ackerbau ist nicht möglich, Jagd Uran entdeckt werden und ein Schürf-Boom ohnegleichen und Fischfang sind hier traditionell die einzig mögliche Über- losbrechen sollte. Von den 1950er Jahren bis 1971 war die US- lebensform. Die Uranminen, die dazugehörigen Mühlen und Regierung die alleinige Abnehmerin, hauptsächlich für militä- Abraumhalden können in der Tundra nur schwer eingegrenzt rische Zwecke. Der Staat garantierte hohe Preise und kaufte werden. Die Jäger*innen der Cree und Dene berichten von jedes Kilo Uran, das aus dem Boden geholt wurde. Fehlgeburten bei Elchkühen, Elchföten mit zwei Köpfen und Die Diné, die in den Minen und Mühlen Arbeit fanden, blinden oder deformierten Fischen. Die kanadische Regierung wurden weder über die Gefahren aufgeklärt, noch ausreichend erwägt, in den bereits stark belasteten Regionen ein Atom- geschützt. Sie arbeiteten unter Tage, ständig Radongas und müll-Endlager zu errichten. Außerdem sollen neue Lizenzen radioaktivem Staub ausgesetzt, und inhalierten alphastrah- vergeben werden für die Förderung von Uran und Ölsand. lende Partikel. Wenn sie nach Hause kamen, schüttelten sie »Wir werden kämpfen«, sagt der Dene-Jäger Don Montagrand, ihre Kleidung ab und verseuchten den Familienraum. Kaum »und zwar für unsere Kinder.«

18 Widerstand imWiderstand Südwesten der USA: Dokumentarfilm: Weiterführende Informationen »We have to ban uranium mining – Wir müssen den Uranab den müssen –Wir mining uranium »We ban to have City und Montreal siegte über die Lobbyist*innen des Unter des Lobbyist*innen die über siegte Montreal und City Quebec, wo Anfang des neuen Jahrtausends ebenfalls Uran Uran ebenfalls Jahrtausends neuen des Anfang wo Quebec, entdeckt wurde. Die kanadische Firma Strateco Inc. durchfors Inc. Strateco Firma kanadische Die wurde. entdeckt die Verhandlungen zum weiteren Uranbergbau und erließ ein ein erließ und Uranbergbau weiteren zum Verhandlungen die Moratorium für Exploration und Abbau. Abbau. und Exploration für Moratorium Rock, dem Regierungssitz der Diné, pflanzt sich in der indige der in sich pflanzt Diné, der Regierungssitz dem Rock, Quebec nach Mistissini von Cree jugendlicher Protestmarsch nen Welt ein Kampfruf fort, der weltweit Widerhall findet: findet: Widerhall weltweit der fort, Kampfruf Welt ein nen schließlich 2015 beendete Provinzregierung Die nehmens. ein Doch Probebohrungen. mit begann und Gegend die tete bau ächten!« ächten!« bau Provinz der Norden im Bay James der östlich beispielsweise (CC) URANATLAS 2019 / U.S. Department of Energy, world-nuclear.org/information-library Es gibt seit Jahrzehnten Widerstand gegen Uranabbau, Uranabbau, gegen Widerstand Jahrzehnten seit gibt Es Seit dem Indigenous Uranium Summit 2006 in Window Window in 2006 Summit Uranium Indigenous dem Seit 1380 319 ● The Return of Navajo Boy, Jeff Spitz / Bennie Klain, 52 min, 2000 2000 min, 52 Klain, Bennie / Spitz Jeff Boy, Navajo of Return The San Francisco San WASHINGTON OREGON Los Angeles Arizona One NEVADA

413 indigenousaction.org/ North Butte Brown Ranch Brown Butte North Smith Ranch-Highland Smith Ranch-Highland NORTHWEST TERRITORIES Orte undAnzahlderaktivenstillgelegtenMinen Nordamerikas Orte IDAHO Church Rock ARIZONA USA und Kanada: Hier begann das Atomzeitalter das begann Hier Kanada: und USA Pinenut UTAH Cluff Lake Cluff McArthur River McArthur Gunnar MONTANA RayRock Port Radium Port WYOMING NEW MEXICO Key Lake Key COLORADO Ambrosia Lake Ambrosia KANADA Sunday Mt. Taylor Mt. TCHEWAN Lorado SASKA- Schwartzwalder Cigar Lake Cigar Rabbit Lake Rabbit Crow Butte Butte Crow Beaverlodge McLean Lake McLean DAKOTA NORTH DAKOTA NEBRASKA SOUTH 247

- - TEXAS

- - Alta Mesa USA von Uran innerhalb des Reservats verbietet. von innerhalb Uran des Reservats Gewinnung die das Gesetz, ein 2005 erließ Diné der Regierung Die 1200. über auf Zahl die schätzt Mines« The Up »Clean NGO Die Diné. der Reservat EPA auf dem der US-Umweltbehörde Angaben 523 1539

stillgelegte Uranminen stillgelegte

Flagstaff ARIZONA

Desert Painted Painted UTHA New Orleans Page Tuba City Tuba ONTARIO Reservation Hopi durch Uranminen geschieht ungehindert. geschieht Uranminen durch Substanzen Indigenen. Die Verbreitung radioaktiver der Subsistenzwirtschaft zur hier gehört Fischfang und Jagd Baumgrenze. der nördlich Landschaft durchzogene Die Elliot Lake Elliot Winslow

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MEXICO NEW von ihnen querque A Albu- tlas

19

EUROPA GLOBALER GROSSABNEHMER Anfang 2019 waren in der Europäischen Union noch 130 Atommeiler am Netz. Damit ist die EU der weltweit größte Uranverbraucher. Der Brennstoff kommt aber von außerhalb, und gegen neue Bergwerke gibt es heftigen Widerstand

it der südöstlich von Prag gelegenen Rožná-Mine dafür entschied, billigeres Uran aus Kanada zu kaufen. Mit wurde Anfang 2017 die letzte Mine in Mitteleuropa dem heimischen Uran bildet der rumänische Staat derzeit eine M stillgelegt. Rožná wurde bereits in den 1950er Jahren Art Reserve, die den Bedarf fünf Jahre lang decken soll. erschlossen, beschäftigte während ihrer Hochzeiten in den Darüber hinaus gibt es in Europa nur noch in Kasachs- 1970er Jahren 4000 Menschen und lieferte insgesamt 4000 tan, Russland und der Ukraine Uranbergbau. Dabei ist seine Tonnen Uran. Heute ist die Crucea-Mine in Rumänien die ein- Geschichte auch hier lang und verhängnisvoll. Noch während zige noch arbeitende Uranmine in der EU. Und auch das nur, des Zweiten Weltkriegs, im Januar 1945, begannen sowjetische weil die nationale Urangesellschaft, die die Mine betreibt, mit Geolog*innen in Bulgarien nach Uran zu suchen. Sie waren – einem Millionenkredit am Leben erhalten wurde, nachdem die genauso wie die US-Amerikaner*innen mit dem Manhattan- rumänische Nuclearelectrica, die einzige Abnehmerin, sich Projekt – mit Nazi-Deutschland im Wettstreit beim Bau einer

Europas Anteil an der Uranförderung Kumulierter Uranabbau der einzelnen Länder in Tonnen

Die Karte zeigt, wie viel Uran in den KASACHSTAN* verschiedenen Ländern Europas nach UDSSR 316523 dem Zweiten Weltkrieg bis Ende 2017 UDSSR + RU abgebaut wurde. (bis 1991) 102886 270706 In Deutschland wurde die Hauptmenge Über 200000 vor der Wende in Sachsen und 80000 - 132000 Thüringen gefördert. 3000 - 21000 * Zu den Daten: Kasachstan, dessen unter 700:

Landmasse zu einem großen Teil BELGIEN 686 WNA 2019 / WISE Uranium Project, URANATLAS (CC) zu Asien gehört, Russland und die DEUTSCHLAND POLEN 650 219731 Ukraine sind bis 1991 unter UdSSR RUSSLAND SLOWENIEN 382 ausgewiesen. SLOWAKEI 211 (seit 1992) 167821 SCHWEDEN 200 FINNLAND 30

UKRAINE 131986 Anteil der Kontinente am Uranbergbau TSCHECHIEN 112 055 bis heute in Prozent EUROPA (inkl. Russland) FRANKREICH 80 976 44,3 SÜDAMERIKA UNGARN 0,2 21 075 BULGARIEN ASIEN 2 16364 SPANIEN RUMÄNIEN AUSTRALIEN 7 30 5028 19049 PORTUGAL 16,4 3720 AFRIKA NORD- AMERIKA

20 URANAtlas

Atombombe. Sie konnten damals aber genauso wenig wie die Zahlen, von denen niemand spricht US-Regierung abschätzen, wie weit Hitlers Kriegsindustrie bereits in der Lage war, die von der Propaganda angekündigte Anzahl der ehemaligen Uranminen Frankreichs »Wunderwaffe« fertig zu stellen; immerhin hatte Der französische Staat suchte nach dem Zweiten Weltkrieg überall 1938 in Berlin die erste kontrollierte Kernspaltung durchge- im Land nach Uran, um beim Wettrüsten mithalten zu können. führt. 439 Minen sind das Ergebnis. Die letzte wurde im Jahr 2001 geschlossen. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Bomben-Projekt der Sowjetunion weiter. So begannen bereits Ende Mai 1945 Erkundungen im tschechischen Jáchymov und im Erzgebirge. 56 Getrieben vom Wettrüsten in den Zeiten des Kalten Krieges, holten die Menschen in Sachsen und Thüringen bis zur Wende 30 231000 Tonnen Uran aus der Erde, in Tschechien über 100000 Paris ALSACE 7 Tonnen. BRETAGNE PAYS DE Bis Ende der 1950er Jahre haben die Bergleute in Tsche- LA LOIRE BOURGOGNE- 45 chien und der DDR unter schlimmsten Bedingungen Uranerz FRANCHE-COMPTÉ gefördert, in der DDR wurden viele sogar zwangsverpflichtet. Insgesamt haben über eine halbe Million Menschen für die d'uranium / IRSN 2007 minieres national des sites 2019 / Inventaire URANATLAS (CC) NOUVELLE- AUVERGNE- 129 Wismut gearbeitet, die als Betreibergesellschaft den Uranberg- 99 AQUITAINE RHÔNE-ALPES bau in der DDR organisierte. In der Sowjetunion selbst wurden bis zu ihrem Zusammenbruch »nur« rund 100000 Tonnen Uran OCCITANIE PROVENCE- 5 ALPES- gefördert, Kasachstan und die Ukraine wurden erst danach CÔTE wichtige Uranproduzenten. D´AZUR In Ostdeutschland wurde der Uranbergbau nach der Wie- 68 dervereinigung eingestellt, in Tschechien erst 2017. Deutsche Steuerzahler*innen haben in den vergangenen 25 Jahren rund sechs Milliarden Euro für die Sanierung der Hinterlassenschaf- ten des Uranbergbaus in Sachsen und Thüringen ausgegeben – so viel wie kein anderes Land oder Unternehmen. In Tsche- In allen Abbaugebieten Frankreichs, die der Strahlen- chien investierte der Staat bislang umgerechnet 540 Millionen schutzspezialist Bruno Chareyron mit seinem Labor CRIIRAD Euro. Bis 2040 will er noch einmal das Dreifache ausgeben. untersucht hat, lag die Strahlungsbelastung weit über der nor- In Westdeutschland suchte die Atomindustrie seit den malen Hintergrundstrahlung. Die radiologische Gefährdung 1950er Jahren ebenfalls nach Uran. Menzenschwand im für Anwohner*innen besteht weiter, so das Ergebnis seiner Schwarzwald, Müllenbach bei Baden-Baden, Mähring in der Untersuchungen, und ist mit der Schließung der Minen längst Oberpfalz und Weißenstadt im Fichtelgebirge heißen die Orte, nicht behoben. an denen zumindest zeitweise Uran abgebaut wurde. In Ell- Portugal wiederum, das selbst kein einziges Atomkraft- weiler in Rheinland-Pfalz wurde es zwischen 1961 und 1989 zu werk hat, gehörte mit 91 Uranminen und insgesamt 3720 Ton- Yellowcake verarbeitet, dem Ausgangsstoff für die Herstel- nen bis 1991 ebenfalls zu den Uranförderern Europas. Im Nach- lung von Brennelementen. Nachdem festgestellt wurde, dass barland Spanien, dessen letzte Mine 2001 geschlossen wurde, aus den illegalen Abraumhalden zu viel Radon emittierte und waren es über 5000 Tonnen. Wie in den meisten Ländern mit die zulässigen Grenzwerte überschritten wurden, meldete der Uranbergbau, wurde die Hinterlassenschaft nur unzureichend Betreiber Konkurs an. Der Staat ließ die Halden mit 6,9 Milli- saniert. onen Mark aus öffentlichen Kassen sanieren. Weil es letztend- Dennoch will die britisch-australische Energiefirma lich keine wirtschaftlich interessanten Lagerstätten gibt, kam Berkeley Energia mit dem sogenannten Salamanca-Projekt es in der alten Bundesrepublik nie zu einem kommerziellen erneut in die Uranförderung einsteigen. Tausende protestie- Abbau im großen Stil. ren seither immer wieder dagegen und machen auf die Risiken aufmerksam. Bei der Umweltverträglichkeitsprüfung wurde Portugal als direkter Nachbar nicht mit einbezogen, so dass sie In Frankreich gab es 439 nicht EU-Recht entspricht. Die Plattform Stop Uranio brachte Uranbergwerke. Die Gefährdung durch das Thema deshalb vor den Petitionsausschuss des EU-Par- Radongas ist mit der Schließung der Minen längst nicht behoben laments. Aber auch die übergeordneten Behörden in Spanien haben sämtliche Genehmigungen widerrufen und beispiels- weise den Bau einer nötigen Zugangstraße gestoppt. Frankreichs Atomindustrie konnte auf größere Vorkom- Das Beispiel Spanien zeigt, dass das Ende des Uranberg- men zurückgreifen: Es gab 439 Uranbergwerke, die rund baus in Europa nicht von alleine kommt. Erst die anhaltenden 81000 Tonnen Uran aus dem Boden geholt haben. Darunter Proteste haben neue Abbauprojekte verhindert. Darüber hin- waren viele kleine Minen mit nur einem Schacht, aber auch aus unterstützt der niedrige Uranpreis und die Krise der Atom- große Bergwerke wie Mas Lavayre oder Margnac-Peny aus wirtschaft die Abkehr von der Uranförderung. ● denen 5000 bis 10000 Tonnen abgebaut werden konnten. Alle Lagerstätten in Frankreich sind weitgehend ausgebeutet wor- Weiterführende Informationen den, die letzte Mine wurde im Jahr 2001 geschlossen, praktisch Dän. Institut für Internationale Studien: diis.dk/en/projects/governing-uranium keine einzige wurde ordnungsgemäß saniert. Bulletin of the Atomic Scientists: thebulletin.org/

21 URANWIRTSCHAFT I ERFOLGREICHER WIDERSTAND Der Preis für Uran ist seit Jahren im Keller – und mit ihm der Uranbergbau. Gleichzeitig wehren sich immer mehr Gruppen gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen

eit gut 20 Jahren beschwört die Atomwirtschaft eine Deutschland haben seither Belgien, Spanien, die Schweiz und Atomrenaissance. Doch die Wirklichkeit sieht anders zuletzt Südkorea den Atom-Ausstieg beschlossen. Die Produk- S aus: 126 Atommeiler sind in der Europäischen Union tion von Atomstrom ist um über zehn Prozent gesunken und im Jahr 2019 noch am Netz – ungefähr jeder dritte in der Welt der Uranbedarf somit zurückgegangen: Von 68 646 Tonnen und 51 weniger als 1989, dem historischen Höchststand. Fünf vor der Katastrophe auf nur noch 56585 Tonnen im Jahr 2014. sind in der EU derzeit im Bau (s. S. 35). Gleiches gilt für die USA Inzwischen ist die Atomstromproduktion und die Uranach- und Kanada: Zwischen 1996 und 2015 wurde dort kein einziges frage wieder gestiegen, aber hauptsächlich wegen neuer Kraft- AKW fertiggestellt. Einzig Watts Bar in Tennessee ging Mitte werke in China. Statt der erhofften Renaissance gibt es nur 2016 ans Netz. »Die Triebkraft hinter diesem Neubau dürfte Stagnation. die Herstellung von militärisch nutzbarem Tritium für das US- Kasachstan ist mit einem Anteil von 39 Prozent an der Atomwaffenprogramm sein«, vermutet Alex Rosen, Vorstand weltweiten Produktion derzeit wichtigster Uranlieferant. Seit von IPPNW-Deutschland. 2009 nimmt das Land diese Spitzenpositition ein. Die staat- In Japan wurden nach der Fukushima-Katastrophe alle liche Kazatomprom fördert den Rohstoff ausschließlich im 54 Reaktoren abgeschaltet. Neun waren Anfang 2019 wie- In-situ-Leaching-Verfahren. Weil es dadurch keine Tailings der am Netz, neue Projekte wurden ausgeschlossen. Neben gibt und die Kontamination unsichtbar bleibt, sprechen Regierungsvertreter*innen von einer »sauberen Technologie«. Den Yellowcake liefert Kazatomprom nach Russland, China, Indien, Frankreich, Kanada und in die USA. Um den Uranpreis Die derzeitigen Uranproduzenten zu stützen, hat der Staatskonzern die Produktion 2017 um fünf Weltweite Uranproduktion im Jahr 2017 in Tonnen und 2018 um 20 Prozent gedrosselt. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben dra- KASACHSTAN matische Auswirkungen auf den Preis von Uran. Der liegt seit 23321 2016 unter 30 US-Dollar und macht die meisten Bergwerke unwirtschaftlich; neue werden kaum noch erschlossen, beste- hende stillgelegt oder verkauft. In Malawi schloss Paladin bereits 2014 Kayelekera. Es würde Millionen kosten, den Uranabbau wieder aufzunehmen. In Niger hat Areva 1,9 Milli- arden in Imouraren investiert, den Uranabbau aber nie gestar- KANADA tet; und in Namibia hat der Konzern Klein Trekkopje schon

(CC) URANATLAS 2019 / WISE Uranium Project, WNA 2019 / WISE Uranium Project, URANATLAS (CC) 13 116 vor Jahren stillgelegt, weil das Bergwerk nur noch Verluste gemacht hat. Langer Heinrich liegt ebenfalls in Namibia und hat dazu beigetragen, dass die australische Paladin kurz vor der Pleite stand. Anfang 2018 wurde das Bergwerk »eingemot- AUSTRALIEN tet«. In Mali liegt Falea brach, in Südafrika – historisch immer- RUSSLAND 5882 hin der wichtigste Uranproduzent Afrikas – wurden 2017 nur 2917 CHINA noch 308 Tonnen gefördert. In Kanada wurde McArthur River 1885 stillgelegt, in Australien Ranger Deeps zwar erschlossen, aber nicht in Betrieb genommen. In den USA versucht die Trump- USBEKISTAN Regierung, stillgelegte Minen um den Grand Canyon wieder- USA 2404 940 zubeleben, bislang ohne Erfolg. UKRAINE PAKISTAN Gegenwärtig warten Bergbaukonzerne darauf, dass sich 550 45 INDIEN 421 der Uranpreis erholt. Gleichzeitig wehren sich immer mehr NIGER Menschen in Afrika, Australien, Nordamerika und Europa 3449 gegen Uranbergbau und die Vernichtung ihrer Lebensgrund- lagen. Bereits 2003 holte beispielsweise Almoustapha Alha- NAMIBIA cen unabhängige Wissenschaftler*innen aus Frankreich nach 4224 Niger und ließ die Strahlenbelastung um Arlit messen. Das Ergebnis: dramatisch überhöhte Werte, die die vielen Krebs- SÜDAFRIKA fälle erklärten. Uran-Gigant Areva verwies auf eigene Mes- 308 sungen: Alles sei unbedenklich. Einen unerwarteten Gegner

22 URANAtlas

Die Entwicklung des Uranhandels vor dem Hintergrund zentraler Ereignisse Der Börsenpreis von 1946 bis 2017 in US-Dollar

2006 1979 Historisches Maximum: Teilweise Kernschmelze im Reaktor Three Mile Island 368 Gigawatt AKW-Leistung bei Harrisburg nahe New York. Nach der Beinahe- am Netz

Katastrophe ging in den USA über 35 Jahre kein neuer 1986 Tschernobyl – der Super-GAU belastet Meiler mehr ans Netz 2008 große Teile Europas radioaktiv Finanzkrise. Sämtliche Rohstoffpreise sinken dramatisch 1949 1989/1990 Erste russische Atombombe gezündet. Mauerfall in Berlin und 2011 Beginn des Wettrüstens Zusammenbruch der Sowjetunion: Fukushima. Der Uranbergbau der Wismut wird Nach der Reak- 1. 120 1956 sofort nach der Wende stillgelegt. torkatastrophe Erstes kommerzielles AKW der Welt Ein Großteil der Atomraketen wird werden alle 54 (CC) URANATLAS 2019 / Nuclear Engineering, eigene Recherche finanzen.net, URANATLAS (CC) am Netz in Calder Hall/ England abgerüstet, der Bombenstoff z. T. japanischen in AKWs genutzt. Atommeiler 100 abgeschaltet.

2005 Der weltweite 1957 Baubeginn AKW Europäische Atomgemeinschaft Uranbedarf Olkiluoto/Finnland. 70 gegründet, heute EURATOM sinkt. Nur neun Seit Tschernobyl werden in Europa Meiler sind erstmals wieder AKWs gebaut. bislang wieder 1970 Die Atomindustrie prognostiziert am Netz 60 Boomphase eine Atomrenaissance der Atomkraft beginnt 2004 40 Entscheidung für das AKW Flamanville/Frankreich. Baubeginn ist 2007 20

0 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015

erhielt Areva in Australien: Die UNESCO erklärte das Gebiet weil der Widerstand so groß war. Der Marsch auf den Kili- Koongarra im Northern Territory zum Weltkulturerbe. Weil mandscharo war quasi ein weithin sichtbares Zeichen dafür. ihre Proteste außerhalb Afrikas kaum wahrgenommen wur- Staatsapparate nehmen Proteste jedoch nicht einfach den, schlossen sich 2009 Aktivist*innen aus Niger, Tansania, nur zur Kenntnis. In Malawi wurden 2017 acht Aktivist*innen Malawi und Südafrika zur »African Uranium Alliance« zusam- aus Tansania über 100 Tage als »ausländische Agent*innen« men. Neben dem Widerstand gegen neue Abbauprojekte galt inhaftiert, weil sie sich ein Bild vom Uranbergbau und dessen es, die Arbeiter*innen in den Bergwerken zu sensibilisieren: Folgen in Malawi machen wollten. In Russland sind Anti- Oft fehlten Schutzkleidung, Dosimeter und ausreichende Atom-Aktivist*innen ins Exil geflohen, nachdem sie vom Staat Sicherheitsbestimmungen. ebenfalls als »ausländische Agent*innen« eingestuft worden waren; diejenigen, die im Land bleiben, werden eingeschüch- tert und fühlen sich bedroht. In der Türkei wiederum will in In fast allen Uran-Regionen wehren dem derzeit herrschenden politischen Klima niemand nament- sich die Menschen gegen Abbau und die Ausbeutung ihres Landes und die lich genannt werden, der sich im persönlichen Kontakt mit den Vernichtung ihrer Lebensgrundlagen Autor*innen des URANATLAS gegen Atomprojekte ausspricht. Aus diktatorisch und autokratisch geführten Ländern wie Kasachstan und China dringen Proteste gleich gar nicht an die Im westafrikanischen Mali vergab die Regierung 2007 Öffentlichkeit. die Konzession, in der Falea-Region nach Uran zu suchen. Auch in Spanien wurden Anti-Uran-Aktivist*innen krimi- Gegen den Abbau wehrt sich seitdem die Bürgerinitiative nalisiert. Massive Proteste haben aber dort wie in Tschechien ASFA21. In Tansania waren es Jugendliche aus verschiedenen neue Uranbergwerke zumindest vorerst verhindert. Weltweit Teilen Afrikas, die 2015 den Kilimandscharo bestiegen und verbreitet sich dabei in der Bewegung das Motto der indigenen vom höchsten Berg Afrikas aus die »Ächtung des Uranberg- Völker Nordamerikas: »We are not protestors, we are protec- baus« forderten. tors«. Die Protestierenden sehen sich als Beschützende – und Der Ort wurde auch deshalb gewählt, weil die Regierung verweisen auf die immer kostengünstiger werdenden Erneuer- das Land zu einem der führenden Uranproduzenten machen baren Energien. ● und die in den 1970er und 1980er Jahren entdeckten Uranla- gerstätten ausbeuten will. Als auf Feldern und Weidegründen Weiterführende Informationen nach möglichen Standorten gesucht wurde, konnten Explora- Zur Ächtung von Uranbergbau: u-ban.org tionen zeitweise nur unter Polizeischutz durchgeführt werden, Zur Kilimandscharo-Besteigung: twitter.com/kproject2015?lang=de

23 URANWIRTSCHAFT II DAS WHO-IS-WHO DER PLAYER Uranbergbau ist ein überschaubarer Markt. Die zehn größten Konzerne sind für 88,5 Prozent der Uranproduktion verantwortlich. Sie dominieren den Markt und die Ausbeutung von Indigenen

ranbergbau wird von wenigen Akteuren beherrscht: das Firmenkonglomerat Orano/Framatome/Areva/Cogéma in den beiden Staatskonzernen Kazatomprom (Kasach- die »Hall of Infamy« aufgenommen. Dabei lässt sich »Infamy« U stan) und Rosatom (Russland) sowie von Cameco sowohl mit Schande als auch mit Niedertracht oder Unver- (Kanada) und der französischen Orano-Gruppe, die aus der de schämtheit übersetzen. facto bankrotten Areva ausgegliedert und mit Staatsgeldern Andere Konzerne verfahren nicht viel anders: Die staat- gerettet wurde. Diese vier waren im Jahr 2017 für 63,3 Prozent liche CNNC ist nicht nur Chinas führende Betreiberin von der weltweiten Uranproduktion verantwortlich. Zählt man Kernkraftwerken und verantwortlich für Bergwerke und Uran- die CGN Uranium Resources hinzu, eine hundertprozentige mühlen in China. Der Konzern sichert sich auch den atomaren Tochter der staatlichen China National Nuclear Corporation Brennstoff in anderen Regionen der Welt: Er besitzt jeweils (CNNC), so kommen die großen Fünf auf einen Weltmarktan- 49 Prozent an den Minen Semizbai und Irkol in Kasachstan. teil von 70 Prozent. Entsprechend ihrer Größe waren und sind In Namibia hält er 25 Prozent der Anteile an Langer Hein- diese Big Player überall dort aktiv, wo der Rohstoff des Atom- rich, verbunden mit der Option, auf 49 Prozent aufzustocken, zeitalters abgebaut wird – und das ist zu großen Teilen auf sobald der Betrieb wieder aufgenommen wird, sowie ebenfalls dem Land von Indigenen. Umgekehrt kommen, rechnet man 49 Prozent am Erkundungsprojekt Zhonge in Namibia. Aber Kazatomprom und die chinesische CNNC hinzu, alle großen auch in Russland, Simbabwe und Australien – das chinesische Urankonzerne aus dem Globalen Norden. Dort wird das Uran Unternehmen ist mit von der Partie. verwertet, das vor allem aus dem Globalen Süden stammt. Im Jahr 2013 hat der russische Staatskonzern Rosatom Areva/Orano ist seit Jahrzehnten ein zentraler Akteur die kanadische Bergbaugesellschaft Uranium One übernom- und im weltweiten Uran- und Atomgeschäft gut vernetzt: So hat der Konzern 17 Beteiligungen an Uranvorkommen in Kanada, mehrere in Niger, drei in Gabun, zwei in der Mongolei, Die größten Uranbergbaufirmen drei in Jordanien. Auch hier ist es das Land indigener Gesell- Weltmarktanteile im Jahr 2017 schaften, aus dem Areva/Orano seinen Anteil von 13,5 Prozent in Prozent an der weltweiten Uranproduktion herausholt. Bereits in den 1960er Jahren haben Orano beziehungs- weise seine Vorgängerfirmen Uranlager in Afrika erkundet und in Niger den Uranbergbau gestartet. Hier gehören dem

Unternehmen die Mine Arlit zu 63,4 Prozent, die Gesellschaft 2019 / WNA URANATLAS (CC) 21 15,4 Somaïr zu 37 und das Vorkommen Imouraren zu 56 Prozent. In Kazatomprom Kasachstan, seit 2009 der weltweit größte Uranproduzent, ist Cameco 13,5 KASACHSTAN KANADA Orano an den Uranminen Tortkuduk und Myunkum beteiligt, Orano in Kanada mit 37 Prozent an Cigar Lake sowie 30 Prozent an (ehem. Areva) FRANKREICH McArthur River. Die beiden kanadischen Uranminen sind die größten der Welt: 22 Prozent der weltweiten Uranförderung 8,6 kamen 2017 von dort. Uranium One Bei den Beteiligungen geht es jedoch nicht allein um andere 7,8 (Rosatom) Förderung, sondern auch um Exploration, die Sicherung neuer RUSSLAND Paladin Lagerstätten und die Erwartung künftiger Profite. Manche Energy 1,6 6,5 Mine ist vorübergehend geschlossen, andernorts ist es bei der AUSTRALIEN 2,0 CNNC & CGN 2,6 CHINA Erkundung geblieben, weil nach der Fukushima-Katastrophe Sopamin die Nachfrage nach Uran gesunken ist. NIGER 3,7 4,9 Dieses Geschäftsmodell wird von staatlicher Seite General 4,0 4,0 4,3 Atomics/Quasar ARMZ gedeckt: Mal sind französische Spezialeinheiten unterwegs, USA (Rosatom) um die Uranminen in Niger zu sichern, dann retten der franzö- Energy Asia Navoi RUSSLAND SINGAPUR USBEKISTAN sische Staat und damit die Steuerzahler*innen Areva/Orano Rio Tinto mit 4,5 Milliarden Euro vor der Pleite. So kann Orano den ato- BHP Billiton GB/AUSTRALIEN maren Irrsinn weiter vorantreiben. WISE Uranium Project hat GB/AUSTRALIEN

24 URANAtlas

Die Fäden werden im Norden gezogen Uranbergbau-Konzerne und ihre Lieferländer Die Grafik verdeutlicht, wie beim Uranbergbau USA Saskatoon/CA die Länder des Nordens die Länder des Südens KANADA ausbeuten: Die großen Konzerne sitzen in London, Paris, Peking, Moskau und Saskatoon (Kanada). Den Rohstoff

(CC) URANATLAS 2019 / WNA, eigene Recherche URANATLAS (CC) RUSSLAND Uran holen sie zum großen Teil aus Afrika und den indigenen Gebieten Australiens und Nordamerikas. London/GB Moskau/RU Peking/CN Paris/FR

KASACHSTAN Almati

USBEKISTAN Uranlieferländer NIGER Kazatomprom ist mit Firmensitz in Almati nur in Kasachstan tätig Zum Firmensitz von Cameco, Saskatoon/CA Zum Firmensitz von Orano, Paris/FR Zum Firmensitz von Rosatom, Moskau/RU MALAWI Zum Firmensitz von CNNC, Peking/CN NAMIBIA AUSTRALIEN Zum Firmensitz von Rio Tinto, London/GB MOSAMBIK SIMBABWE SÜDAFRIKA

men und wurde dadurch auf einen Schlag zu einem der welt- Der Blick auf die zehn größten Uranminen der Welt weit mächtigsten Player. Rosatom hält 94,4 Prozent der Anteile, verdeutlicht den neokolonialen Charakter des Geschäftsmo- der Rest gehört dem russischen Finanzministerium. Seit dieser dells: Cigar Lake und McArthur River liegen auf dem Gebiet Übernahme ist Rosatom an fünf Minen in den USA, an drei der Cree und Dene, Olympic Dam und Ranger auf dem Land Minen in Kanada sowie an Projekten in Mosambik und Tansa- der Kokatha und Mirrar, Somaïr im Territorium der Tuareg. nia beteiligt. Das Unternehmen unterhält Büros in Südafrika Fünf Minen liegen in Kasachstan, einem autoritär geführten und Australien und ist mit einer Förderung von 5 100 Tonnen der viertgrößte Uranproduzent. Weil Rosatom gleichzeitig Uranbergbau ist ein neokoloniales jedoch auch den Bau neuer Atomkraftwerke anzustoßen ver- Geschäftsmodell: Fünf der weltweit sucht, laufen viele Fäden in der Konzernzentrale zusammen. zehn größten Uranminen liegen auf dem China, Indien, die Türkei, der Iran und Ungarn stehen unter Land inidigener Völker, die anderen anderem auf der Kontakt- und Auftragsliste. fünf in Kasachstan Auch der kanadische Uran-Gigant Cameco ist überall dort zu finden, wo es den Stoff für Atombomben und Atom- kraftwerke gibt. 20 Beteiligungen im eigenen Land, zehn in Land, das keinen Widerstand gegen Uranbergbau duldet. Den den USA, weitere in Kasachstan, in Niger sowie in Australien. Preis dafür, dass Atomkraftwerke in Südkorea, China, Japan, Auch Cameco hat es in die »Hall of Infamy« geschafft. Russland, der EU und den USA am Laufen bleiben, bezahlen Kazatomprom wiederum betreibt 17 Uranminen in die Menschen aus den Bergbauregionen: Ihre Lebensgrundla- Kasachstan und war mit 12 500 Tonnen Uran im Jahr 2017 der gen werden zerstört. Die genauen Wege des Urans sind dabei weltweit größte Uranproduzent. Das Unternehmen hat keine kaum nachzuvollziehen: Weder geben die Abbaufirmen an, Beteiligungen im Ausland, ermöglicht aber anderen Gesell- wohin sie das geförderte Uran liefern, noch die AKW-Betrei- schaften den Zugang zu Kasachstans Uranlagern. ber, woher das Uran für ihre Anlagen stammt. Das gilt auch Bergbaukonzerne wie die australisch-britische Rio für Deutschland: Auf die Frage, woher die Brennelemente- Tinto – die Nummer sieben im weltweiten Urangeschäft – fabrik Gronau Uran erhält, lautete die Anwort: »Unterliegt der machen mit allem Geld, was sich aus der Erde holen lässt: Geheimhaltung!«. ● Eisen, Kupfer, Gold, Aluminium, Diamanten, Kohle oder Bau- xit, um nur einige Rohstoffe zu nennen. Uran fördern sie nicht Weiterführende Informationen nur in Australien, sondern auch in Namibia, Südafrika, Kanada Aktuelle Firmennews: wise-uranium.org, Rubrik Uranium Mining Companies und den USA. Cindy Vestergaard: Governing Uranium Globally, 2015, PDF auf researchgate.net

25 IAEA UND EURATOM EINE FRAGE DER MACHT Nukleare Kontrolle: Die WHO soll eine unabhängige Gesundheitspolitik betreiben, wird aber in Atomfragen von der IAEA bestimmt. Und durch den EURATOM-Vertrag verfolgt die Europäische Union nach wie vor das Ziel, die Kernkraft zu fördern

ls am 29. Juli 1957 in Wien die IAEA (International EURATOM: Alle müssen zahlen Atomic Energy Agency) unter dem Dach der Verein- A ten Nationen gegründet wurde, lag es nahe, mit der Atomenergie in den EU-Staaten und der Schweiz neun Jahre zuvor ins Leben gerufenen UN-Organisation WHO hält an Atomkraft fest (World Health Organization) ein Bündnis zu schließen. Die will Atomkraft einführen Expert*innen wollten sich die Erfahrung der jeweils ande- Atomausstieg beschlossen ren Seite sichern. Die Industrienationen hatten sich für die Atomausstieg vollzogen Atomspaltung für zivile Zwecke entschieden, von der man sich nie Atomkraft genutzt wahre Wunder versprach; die neue Organisation sollte für die 2019 / PLAGE URANATLAS (CC) *Die Schweiz als Nicht-EU- FIN weltweite Verbreitung sorgen. Und Erkenntnisse über Auswir- Mitglied ist an EURATOM und S kungen radioaktiver Strahlung auf den menschlichen Organis- ITER teilassoziiert mus konnten im Gefolge der Bombentests in der Südsee schon damals gewonnen werden. Am 28. Mai 1959 schlossen beide EST

Organisationen einen Kooperationsvertrag, der das Aktenzei- DK LV chen WHA12-40 trug. IRL LT »Die Internationale Atomenergieagentur und die Welt- GB gesundheitsorganisation«, so der Wortlaut, »stimmen darin NL PL überein, dass sie innerhalb des allgemeinen Rahmens der B D Charta der Vereinten Nationen in enger Zusammenarbeit L CZ miteinander handeln und sich regelmäßig in Angelegenheiten F SK A von gemeinsamem Interesse konsultieren werden, um die Ver- CH* H wirklichung der in ihren jeweiligen Verfassungen festgelegten SLO RO HR Ziele zu erreichen.« Weiter heißt es: »Wenn eine der Parteien vorschlägt, ein Programm in einem Bereich durchzuführen, P E I BG der für die andere Partei von großem Interesse ist oder sein könnte, konsultiert die erste Partei die zweite, um die Angele- genheit im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln.« GR Bis zur Katastrophe von Tschernobyl 1986 war von die- CY sem Abkommen nie die Rede. Doch als die WHO die offizi- M elle Zahl der Toten bekannt gab, holten Kritiker*innen den Vertrag ans Licht. Die WHO sprach lediglich von 30 toten Arbeiter*innen und Feuerwehrleuten, die in direkter Folge des Unglücks ums Leben kamen. Heute, angesichts der vie- zeichnung trägt und sich nie eindeutig auf eine einzelne Ursa- len Krebstoten, beziffert sie die Zahl der Toten mit 6000. Die che zurückführen lässt, wird genutzt, um jegliche Kausalität Ärzt*innenorganisation IPPNW – 1985 erhielt sie den Friedens- abzustreiten. Diese Taktik kennen wir bereits von der Tabak- nobelpreis – spricht dagegen von bis zu 1,4 Millionen. industrie oder der Asbest-Wirtschaft.« Dann, im März 2011: Fukushima. Im April 2014, drei Jahre Rosen erhielt Unterstützung von Richard Horton, dem nach dem Super-GAU, veröffentlichte UNSCEAR, der wis- Chefredakteur der medizinischen Zeitschrift »The Lancet«; senschaftliche Ausschuss der Vereinten Nationen zur Unter- in Band 383 vom 21. Juni 2014 schrieb dieser: »Wenn es um suchung der Auswirkungen atomarer Strahlung unter dem Tschernobyl oder Fukushima und die Gefahr einer radioak- Dach der IAEA, seinen ersten Bericht zur Atomkatastrophe in tiven Kontamination geht, wurde vielleicht nicht die ganze Japan. Die Autor*innen behaupten darin, dass »keine signifi- Wahrheit gesagt. Und die WHO hat die Verantwortung, diese kanten Veränderungen künftiger Krebsraten zu erwarten sind, Wahrheit herauszufinden, wie unangenehm sie für die Mit- die mit der Strahlenexposition durch den Unfall in Verbindung gliedstaaten oder die mit ihr verbundenen Behörden auch sein gebracht werden können.« mag.« Der Kinderarzt Alex Rosen, Vorsitzender von IPPNW Inzwischen hat die IAEA mit dem japanischen Außenmi- Deutschland, kritisiert diesen Versuch der Verharmlosung: nisterium, der Präfektur Fukushima und der Medizinischen »Die Tatsache, dass eine Krebserkrankung keine Herkunftsbe- Universität Fukushima Kooperationsverträge geschlossen, in

26 URANAtlas denen unter Punkt 8 sichergestellt wird, dass keine Seite ohne Manchmal ist die Weltgesundheits- Zustimmung der anderen vertrauliche Informationen oder organisation verdächtig still: Zum klassifiziertes Material veröffentlicht. Einsatz von Uranmunition gab sie zu Die WHO leugnet, einer Zensur zu unterliegen. Seit keiner Zeit Warnungen Februar 2001 hat sie auf ihrer Website bezüglich ihrer Bin- dung an die IAEA folgende Stellungnahme platziert: »Diese Selbstverpflichtung bedeutet keineswegs die Unterwerfung gien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den einer Organisation unter die Autorität der anderen, was ja die Niederlanden gegründet wurde. Mit ihm soll die Kernenergie jeweilige Unabhängigkeit und Verantwortung im Rahmen der verbreitet und weiter entwickelt werden. Als die Europäische entsprechenden verfassungsmäßigen Aufgaben in Frage stel- Union mit dem Vertrag von Lissabon 2007 reformiert wurde, len würde.« Eine Kooperation auf Augenhöhe zwischen WHO blieb der 50 Jahre alte EURATOM-Vertrag unveränderter und IAEA besteht jedoch nicht. Denn das Abkommen WHA12- Bestandteil der neuen Bündnisvereinbarung. Noch heute ist 40 von 1959 fixiert eine Schieflage, die aus den Interessen der EURATOM die Grundlage für die Finanzierung von Atomfor- beiden Organisationen herrührt: Die WHO vertritt als UN- schung. Alle EU-Mitgliedstaaten zahlen in einen gemeinsamen Organisation die Gesundheitsinteressen der Allgemeinheit und Fonds, unabhängig davon ob sie Atomkraftwerke betreiben nicht die einer Industrie. Hinter der IAEA hingegen stand und oder nicht. steht die weltweite Atomindustrie, mehr noch: der gesamte »Der Euratom-Vertrag hebelt das Wettbewerbsrecht Atomrüstungskomplex. Sie ist de facto nichts weiter als eine aus«, kritisiert Heinz Stockinger, Gründer der Salzburger Anti- Lobbyorganisation, die mit den Vereinten Nationen durch ein Atom-Initiative PLAGE. »Ohne exzessive Förderung wäre Abkommen verbunden ist. die Atomindustrie nicht in der Lage, wirtschaftlich auf dem Wenn es kompliziert wird, scheint es die WHO deshalb Markt zu bestehen.« Aktuell zeige das die mit diesem Vertrag vorzuziehen zu schweigen. So gab sie zu keiner Zeit War- begründete Genehmigung der Europäischen Kommission für nungen zum Einsatz von Uranmunition (s. S. 40) aus, bei dem die exorbitante Subventionierung des AKW-Projekts Hinkley toxischer und radioaktiver Nano-Staub Soldat*innen beider Point C in Großbritannien. »Der Vertrag ist undemokratisch Fronten und die Zivilbevölkerung bedroht. Als der Radiologe und veraltet. Das Europäische Parlament hat in EURATOM- Keith Baverstock, von 1991 bis 2003 Mitarbeiter der WHO, 2001 Angelegenheiten keinerlei Entscheidungsgewalt.« neue Erkenntnisse des Armed Forces Radiobiology Research Österreich, Ungarn, Schweden, Deutschland und Irland Institute – eine Abteilung des US-Verteidigungsministeriums haben vor anderthalb Jahrzehnten eine Erklärung zur EU- – veröffentlichen wollte, wurde er zensiert und verunglimpft. Verfassung abgegeben, in der sie betonen, dass die zentra- Baverstock verließ daraufhin die WHO. 2007 gründete sich in len Bestimmungen des EURATOM-Vertrages seit seinem Genf die Initiative »Independent WHO«, die eine unabhängige Inkrafttreten in ihrer Substanz nie reformiert worden seien Gesundheitspolitik fordert, vor allem auf dem Gebiet radioakti- und aktualisiert werden müssten; daher würden sie die Pläne ver Bedrohung. einer Revisionskonferenz unterstützen. Bislang ist es zu einer Ein weiteres »Steinzeit-Dokument« sichert die Interes- solchen Konferenz noch nicht gekommen: Die Atombetreiber- sen der Atomindustrie: der EURATOM-Vertrag, mit dem die staaten wollen unbedingt an den EURATOM-Privilegien für Europäische Atomgemeinschaft am 25. März 1957 von Bel- die Atomwirtschaft festhalten.

ITER – KERNFORSCHUNGSPROJEKT VON 35 NATIONEN

er ITER ist ein Forschungsprojekt mit dem Ziel, durch Milliardeninvestition in atomare Blütenträume D Kernfusion unendlich viel Energie zu erzeugen. Betei- ligt sind über EURATOM alle EU-Staaten und die Schweiz, Beiträge der 35 Nationen für ITER in Euro darüber hinaus aber auch die USA, China, Südkorea, Japan, Russland und Indien. Der Fusionsreaktor ist seit 2007 beim südfranzösischen Kernforschungszentrum Cadarache im Bau. 2028–2035: 3,1 Mrd. 18,1 Mrd. Klaus Traube, der inzwischen verstorbene Chefkon- 2026–2027: 1,8 Mrd. Beitragssumme strukteur des Schnellen Brüters in Kalkar, kritisierte: 1960 für ITER habe die Atomindustrie gesagt, 1970 sei der Fusionsreaktor 2021–2025: 5,5 Mrd. Wirklichkeit, 1970 habe sie von 1990 gesprochen, im Jahr 1990 Insgesamt 18,1 Mrd.

(CC) URANATLAS 2019 / Europäische Kommission 2019 / Europäische URANATLAS (CC) Euro werden im schließlich von 2020. Seit der Jahrtausendwende gebe sie 2014–2020: 4,2 Mrd. Zeitraum 2007–2035 keine Prognose zur Fertigstellung mehr an. »Der Fusionsre- von den Mitglieds- aktor ist ein Projekt unrealistischer atomarer Blütenträume«, ländern gemeinsam ergänzte der ebenfalls verstorbene Solarpionier Hermann 2007–2013: 3,5 Mrd. ausgegeben Scheer im Jahr 2008, »wir müssen den Fusionsreaktor Sonne nutzen.« Er liefert unendlich viel Energie. ●

Weiterführende Informationen ITER Alternative Daten zu radiologischen Gefahren: independentwho.org EURATOM Watch: unter plage.at unter Kernpunkte, Stichwort EURATOM

27 SANIERUNG OFFENE WUNDEN, SICH SELBST ÜBERLASSEN

Die Gewinnung von Uran ist nie schonend. Zurück bleiben radioaktive und toxische Halden. In ihnen finden sich die Zerfallsprodukte, die gefährlicher sind als das Uran, das entnommen wurde. Doch um verlassene Minen kümmert sich bis heute kaum jemand

ergbau ist des Menschen ältester Eingriff in die Erde, sind einfach verschwunden und haben alles stehen und liegen um sich ihre Schätze anzueignen. Sind die sogenannten gelassen. Offene Schächte und Gruben sowie einsturzgefähr- B Bodenschätze erschöpft, bleibt ein Loch zurück, was dete, rostende Konstruktionen kennzeichnen noch heute ihre gerade beim Abbau von Uran gravierende Folgen hat. Hinterlassenschaft. Diese »abandoned mines«, wie diese sich Uran wird unter Tage und im Tagebau gefördert. In selbst überlassenen Minen heißen, werden zumeist nicht ein- beiden Fällen werden Uranminen von monströsen Rückstän- mal gekennzeichnet, selbst wenn sie in den Unterlagen der US- den eingerahmt. In ihnen finden sich die Zerfallsprodukte der Umweltbehörde EPA verzeichnet sind. Urankette, deren Halbwertszeiten nach menschlichem Maß- Vorgaben und Vorschläge zur Sanierung geschädigter stab unendliche Dimensionen erreichen. Bereits die Explora- Landschaften gelten für den Bergbau generell, Uran nimmt tion bedeutet ein Problem: Probebohrungen, wie sie dort, wo hier keine Sonderstellung ein. Dabei gilt allerdings ein Satz nach Uran gesucht wird, tausendfach zu finden sind, verbinden grundsätzlich, mit dem Paul Robinson, Bergbauexperte des unterirdisch uranhaltige Flöze mit dem Grundwasser und kön- Southwest Research and Information Center (SRIC) in Albu- nen, ohne dass je Uran abgebaut wird, das Trinkwasser einer querque/New Mexico die Situation beschreibt: »The company gets the gold, the community gets the shaft – die Firma erhält Gesetzliche Vorschriften, die Berg- das Gold, die Allgemeinheit die Grube«. Einen Erlass wie den baufirmen wenigstens ein Mindestmaß an »Surface Mining Control and Reclamation Act« von 1977, der Sanierung abverlangen, gibt es weder in den Unternehmen in den USA wenigstens ein Mindestmaß an Australien noch in Afrika Sanierung abverlangt, gibt es nicht in afrikanischen Staaten und nur in begrenzter Weise in Australien. Hier zählen allein freiwillige Verpflichtungen. Geht ein Unternehmen pleite, Region kontaminieren. Ob Bohrlöcher und Bohrkerne, Halden haben die Anwohner*innen das Nachsehen. Deshalb wehren und Tailings oder offen gelassene Minen – Wind und Regen sich aber auch immer mehr Gesellschaften. tragen radioaktive Partikel ins Land und verseuchen den Boden von Menschen, die vom Ackerbau leben. Den Abraum mit Lehm abzudecken könnte die Misere eingrenzen. Das wird Lauge für den Untergrund aber selten gemacht. Es kostet Geld. Flüsse wiederum tragen die Radioaktivität aus dem In-situ Leaching (ISL), auch In-situ Recovery (ISR) genannt Uranabbau weiter, selbst wenn die Förderung längst beendet Über Injektionsbohrungen wird wird zumeist verdünnte Schwefelsäure, ist. Radioaktive Strahlung kennt keine von Menschen geschaf- Wasserstoffperoxid oder Ammoniumcarbonat in uranhaltige Schichten fenen Grenzen. Radioaktiver Staub aus Australien wurde, so gepresst und über eine zweite Bohrung die gewonnene, uranhaltige Lösung nach oben gepumpt. berichtet der in Südafrika arbeitende Geologe Stefan Cramer, inzwischen sogar in der Antarktis gefunden. Leaching-Säure wird in uranhaltige Uranlösung: Seit den 1990er Jahren wird Tage- und Untertagebergbau Grundwasser wird Schichten gepumpt Radioaktiver Schlamm über Jahrtausende durch die In-situ-Leaching-Methode ergänzt, mit der heute und Radon im verseucht Verdunstungsbecken

rund die Hälfte des Urans gewonnen wird. Hierbei werden 2019 / WISE Uranium Project URANATLAS (CC) über Bohrungen Säuren oder Laugen in unterirdischen Lager- stätten injiziert, um das Erz vom Restgestein zu trennen. Das herausgelöste Uran wird mit Wasser vermischt nach oben Das Problem: gepumpt. Wenn die eingesetzten Mittel unterirdische Was- Wie lässt sich die seradern verletzen, bleibt nur die langfristige Überwachung. radioaktive Lösung kontrollieren? GRUNDWASSER Eine Behebung des Problems ist praktisch nicht mehr möglich. Während bei »stillgelegten« Minen zumeist noch irgendeine Art geordneter Schließung erfolgt ist, fehlt diese bei »verlasse- nen« Minen vollständig. Die Betreiber von tausenden ehema- ligen Minen aus der Zeit des Uran-Rushs in den 1950er und 1960er Jahren, verteilt über den Mittleren Westen der USA,

28 URANAtlas

Was am Ende übrig bleibt Tailings je Land 1940 bis 2017 in Millionen Tonnen Die Karte zeigt, welche Tailingmengen der Uran- bergbau in den verschiedenen Abbauländern zurückgelassen hat. Abhängig von der Uran- konzentration im Erz und der Art des Abbaus variiert die 2,5 strahlende Hinterlassenschaft BRASILIEN enorm. In den seltensten Fällen 235 wurde sie ordnungsgemäß USA saniert. Von manchen Förderländern gibt es nicht einmal Angaben über die Rückstände. 212,5

(CC) URANATLAS 2019 / WISE Uranium Project, WNA, eigene Berechnungen 2019 / WISE Uranium Project, URANATLAS (CC) KANADA 438 NAMIBIA 300 718 FRANKREICH SÜDAFRIKA 174,5 4 DEUTSCHLAND PORTUGAL 32,5 1,4 89 6,5 NIGER SPANIEN TSCHECHIEN GABUN 20,4 89,5 UNGARN 6,8 UKRAINE 1,5 SCHWEDEN RUMÄNIEN 4 9 16 ESTLAND MALAWI BULGARIEN 165 72 60 KASACHSTAN RUSSLAND USBEKISTAN

77 14 KIRGISIEN INDIEN

In Australien beispielsweise gibt es neben vier aktiven Uranminen 30 Eisen-, 40 Kupfer- und 40 Goldminen, sieben Nickel-, fünf Bauxit- sowie zehn Blei- und Zinkminen und rund hundert Kohleabbaugebiete. Der Widerstand der indigenen Gesellschaften richtet sich nicht nur gegen Uranabbau und hochgiftige Schlammreste, seine Hinterlassenschaft, er gilt auch Kohle- und Bauxitgruben. sogenannte Tailings und Abraumhalden Südafrika hat wie Australien eine Wirtschaft, die sich 94,4 auf Bergbau stützt. Dabei spielt Uran auch dort eine Rolle, AUSTRALIEN Uranabbauländer wo es nicht abgebaut wird. Dazu Anthony Turton, Professor Uranabbauländer unter 0,7 Mio. Tonnen: für Umwelt-Management an der University of the Free State: ARGENTINIEN, SLOWENIEN, »Johannesburg ist die radioaktivste Stadt der Welt, der inten- POLEN, JAPAN, FINNLAND sive Goldabbau hat mit jeder Tonne Gold zwischen zehn und Uranabbauländer ohne 100 Tonnen Uranerz mitgefördert.« Nach seiner Einschätzung Angabe von Tailingmengen: verteilen sich 600000 Tonnen uranhaltiges Gestein auf die BOTSWANA, TSCHAD, CHINA, DR KONGO, Stadt und ihr Umfeld. Turton: »Ehrlich gesagt, wir wissen bis ÄGYPTEN, ISRAEL, KOREA, heute nicht, wie wir mit diesem Problem umgehen sollen.« MALI, MAURETANIEN, Die Sanierung von Uranminen scheitert meist an der feh- MEXIKO, PAKISTAN, TANSANIA, SAMBIA lenden Bereitschaft der Atomnutzer*innen, Geld für das Pro- blem auszugeben. Als internationales Vorzeigeprojekt für die Zeit nach der Urangewinnung gilt die Sanierung der Wismut- Hinterlassenschaft in Sachsen und Thüringen – aber auch hier gibt es Mängel (s. S. 30-31). Denn einen angemessenen Umgang Weiterführende Informationen mit radioaktiven Substanzen gibt es bis heute nicht. »Uran Tailings: wise-uranium.org, Stichwort: Uranium Mill Tailings Inventory sollte in der Erde bleiben«, fordern die Betroffenen. ● Film: J. Tschirner, Yellow Cake. Die Lüge von der sauberen Energie, 2010, 108 min

29 DEUTSCHLAND I DIE ALTLAST DER WISMUT Uranbergbau in Sachsen und Thüringen: Fast vergessen, mit Milliardenaufwand saniert, aber immer noch ein Problem

bwohl Uranbergbau nach der Wende eingestellt wurde, Die »Wismut« wurde formell nicht der Aufsicht des Staatli- ist Deutschland historisch betrachtet noch immer der chen Amtes für Atomsicherheit und Strahlenschutz (SAAS) O fünftgrößte Uranproduzent der Welt. Das ist kaum unterworfen, sondern zur Eigenüberwachung berechtigt und bekannt. Bereits im Ditten Reich betrieb die Sachsenerz GmbH verpflichtet. Dabei waren in den Jahren nach dem Krieg vor mehrere Uranbergwerke im Erzgebirge, um Nazi-Deutschland allem die Radonbelastung in den Stollen enorm hoch und an den Bau der Atombombe zu ermöglichen. Nach dem Zweiten Lungenkrebs erkrankte Bergleute längst als Problem erkannt Weltkrieg übernahm die sowjetische Wismut SAG die För- (s.S. 10-11). Um die Brisanz des Uranbergbaus und die mögli- derung, ab 1954 die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft che Vergiftung zu verschleiern, fand er von vornherein unter Wismut (SDAG Wismut), an der die DDR zu 50 Prozent betei- dem Tarnnamen »Wismut« statt, benannt also nach einem ligt war. Der Rohstoff ging fast 20 Jahre ausschließlich in das Metall, das schon früher im Erzgebirge abgebaut und zu Legie- Atombombenprogramm der Sowjetunion. rungszwecken verwendet wurde. Erst 1985 vereinbarte das 1962 wurde die SDAG Wismut zur Einhaltung der gesetz- SAAS mit der SDAG Wismut, dass es radioaktive Ableitungen lichen Bestimmungen der DDR verpflichtet. Es gab allerdings an die Umgebung überwachen und die Übergabe stillgeleg- erst 1964 eine Strahlenschutzverordnung, von der wiede- ter Betriebe und Einrichtungen an andere Rechtsträger*innen rum der Uranbergbau ausdrücklich ausgenommen wurde: oder Nutzer*innen regeln darf.

DDR und BRD: Die Hinterlassenschaften des deutschen Uranbergbaus Abraum, Tailings und Schlammreste in Tonnen

Auch im Westen wurde seit den 1950er Jahren versucht, Uran aus der Erde zu holen, es gab aber keine ergiebigen Lagerstätten. Im Osten sorgte dagegen eine riesige Industrie bis zur Wende für THÜRINGEN immense Abraumhalden und Absetzbecken voll von radioaktiven Stoffen. 5 120 000

Flensburg

112 000 2019 / Atommüllreport URANATLAS (CC)

Kiel Lubmin Rostock Brunsbüttel Brokdorf Hamburg Ronneburg Stade Schwerin Emden Krümmel Geesthacht 134 400 000 Rheinsberg SACHSEN Bremen Gorleben

Munster

Lingen (Ems) Berlin Leese Hannover 8 000 000 Morsleben Osnabrück Braunschweig Magdeburg 1 475 200 Seelingstädt Gronau Cottbus Bielefeld Grohnde Göttingen 300 800 000 Halle Dortmund Würgassen Dresden- Schlema Essen Leipzig Krefeld Duisburg Kassel Gittersee 72 000 000 Düsseldorf Crossen2/1 Bad Erfurt Siegen Hersfeld Ronneburg Königstein Jülich Köln Jena Ebsdorfergrund Seelingstädt Aachen Bonn Schlema Mülheim-Kärlich Hof Großschoppen Koblenz Frankfurt/ Hanau Grafenrheinfeld Wiesbaden Main Büchel Weißenstadt Mainz Karlstein Würzburg Mähring Biblis Schirm-Berg Ellweiler Heidelberg Nürnberg BAYERN RHEINLAND-PFALZ Mannheim Obrigheim Saarbrücken Philippsburg Regensburg Heilbronn 400 170 000 Neckarwestheim Karlsruhe Niederaichbach Passau 15 000 Stuttgart Ohu 13 000 BADEN-WÜRTTEMBERG Ulm Gundremmingen Neuherberg Garching 750 k.A. Müllenbach München Freiburg 100 000 Menzenschwand

30 URANAtlas

Am 16. Mai 1991 ging der sowjetische Anteil der SDAG sickert deshalb nach wie vor durch die feinkörnigen Bergbau- Wismut offiziell auf die Bundesrepublik über. Damals arbeite- rückstände hindurch, so dass giftige Stoffe ins Grundwasser ten rund 45 000 Menschen in dem Unternehmen. Zwar wurde gelangen. Unabhängig davon gibt es eine dauerhaft erhöhte 1990 das bundesdeutsche Strahlenschutzrecht auf das Gebiet radioaktive »Grundstrahlung« in den betroffenen Gebieten der ehemaligen DDR ausgeweitet, doch es gab eine wesentli- Thüringens und Sachsens – in der Zwickauer Mulde, der Elbe, che Ausnahme: Für bergbauliche und andere Tätigkeiten gilt der Weißen Elster, der Pleiße sowie in diversen Bächen, in die bis heute ausdrücklich die »Verordnung über die Gewährleis- die behandelten Gruben- und Flutungswässer abgeleitet wer- tung von Atomsicherheit und Strahlenschutz« der DDR weiter. den, oder in den Gebieten, in denen kontaminiertes Grundwas- Die Hinterlassenschaft der Wismut wurde nach der ser an die Oberfläche steigt. Dadurch wird bereits die offizielle deutsch-deutschen Vereinigung damit nicht dem Atomrecht Sanierung zum Problem. der Bundesrepublik unterstellt, sondern dem Strahlenschutz- recht der DDR aus dem Jahr 1984. Ein einfacher gesetzgeberi- Die Sanierung der Wismut findet unter scher Trick reichte damit aus, um unzählige Milliarden bei der den schwächeren Regeln des DDR- Sanierung einzusparen. Eine Verfassungsbeschwerde wegen Strahlenschutzrechts statt – mit dem der schwächeren Schutzregelungen hat das Bundesverfas- Segen des Bundesverfassungsgerichts sungsgericht 1999 nicht zur Entscheidung zugelassen, weil es in der Sache um eine Altlastensanierung singulären Ausmaßes gehe. An die Sanierung von Altlasten dürften nicht die Zielvor- Etliche Minen in Thüringen und Sachsen waren jedoch stellungen des Vorsorgeprinzips angelegt werden, wie es in der bereits wenige Jahre nach Beginn des Uranabbaus ausgebeu- Begründung heißt. Die Wiederherstellung des ursprünglichen tet, so dass die Förderung schon in den 1950er oder 1960er Zustandes stoße aus naturwissenschaftlichen und technischen Jahren endete. Sie hinterlassen Altlasten, an die niemand Gründen an Grenzen. Wegen dieser Nichtzulassung gibt es gedacht hat, als 1990 der Einheitsvertrag geschrieben wurde. bis heute keine bundeseinheitliche rechtliche Regelung zum Die Wismut GmbH ist deshalb aufgrund des Wismut-Gesetzes Umgang mit radioaktiven Altlasten und damit auch keinen ausschließlich zur Sanierung der Anlagen verpflichtet, die sich gesetzlich vorgeschriebenen Maßstab für die radiologische am 30. Mai 1990 im Besitz der SDAG Wismut befanden, und für Bewertung der Wismut-Reste. alle anderen Altlasten überhaupt nicht zuständig. Verantwort- Worum es geht, offenbart der Blick auf diese Hinterlas- lich ist die jeweilige Kommune. senschaft: Bis 1990 hatten die Kumpel in Sachsen und Thürin- Während in Sachsen mit Unterstützung der Landesre- gen 231 000 Tonnen Uran aus der Erde geholt. Doch das war gierung bis Ende 2016 18 Sanierungsprojekte in 46 Städten nicht alles. Auf einer Fläche von rund 3 700 Hektar blieben und Gemeinden durchgeführt wurden, stellte die thüringi- 48 radioaktiv kontaminierte Halden mit über 300 Millionen sche Landesregierung dafür bisher keine Mittel zur Verfügung. Kubikmetern Gesteinsresten zurück. Die Aufbereitung des Das Land Thüringen und die Bundesregierung schlossen 1990 Urans zu Yellowcake wiederum hinterließ weitere 160 Millio- zwar einen Generalvertrag über die Sanierung von Bergbau- nen Kubikmeter Schlämme mit der ganzen Palette radioakti- resten, und das Bundesland erhielt dafür auch einen dreistel- ver Zerfallsprodukte und etlicher anderer Schadstoffe. All das ligen Millionenbetrag. Dieses Geld floss aber ausschließlich in musste saniert werden. die Sanierung des Kalibergbaus. Kommunen, die eine Halde Während Politik, Wissenschaft und Industrie bis heute »geerbt« haben, sind zwar zuständig, für sie sind aber keine offiziell erklären, dass Atommüll in der Bundesrepublik Gelder mehr übrig geblieben. Deutschland langfristig in tiefen geologischen Formationen Die Wismut GmbH hat für ihren Teil der Sanierung gelagert werden soll, gilt dies für die Hinterlassenschaft der bisher über 6,4 Milliarden Euro an Steuergeldern ausgegeben. SDAG Wismut auf dem Gebiet der ehemaligen DDR nicht. Die Kosten werden in Thüringen und Sachsen bis 2045 auf Nicht nur, dass die strahlenden Halden und Tailings vor Ort rund acht Milliarden Euro steigen, fast zwei Milliarden mehr verbleiben, auch der radioaktiv kontaminierte Schrott und als ursprünglich veranschlagt. Denn vor allem die Umwelt- Bauschutt aus dem Abriss der übertägigen Betriebsanlagen zur überwachung und Wasserreinigung werden auf lange Zeit Förderung und Aufbereitung des Urans wurden und werden ein Thema bleiben. Hinzu kommen Kosten für die Altstand- nicht »endlagergerecht« konditioniert, zwischengelagert und orte, deren Sanierung im Einheitsvertrag nicht geregelt wurde. später in ein dafür geeignetes Lager gebracht. Schätzungen gehen von weiteren 900 Millionen Euro aus. All das wurde einfach vor Ort in die Halden und Tai- Im reichen Deutschland ist damit bereits viel getan wor- lings mit eingebaut. Ohne Planfeststellungsverfahren, ohne den, um die Altlasten des Uranbergbaus zu sanieren und die Öffentlichkeitsbeteiligung und ohne Langzeitsicherheitsnach- Strahlenbelastung zu verringern. Und es werden weitere Mil- weis wurden sie zu »Bundesendlagern« umfunktioniert. Dabei liarden folgen. Trotz dieses immensen Aufwands lässt sich die kamen einfach die früher geltenden und schwächeren Schutz- Belastung nicht vollständig beseitigen. normen des Strahlenschutzrechts der DDR zur Anwendung. In nahezu allen anderen Regionen der Welt, in denen Im Landschaftsbild ist vom Uranbergbau und seinen Uran abgebaut wurde und wird, geht man dieses Problem aber Folgen nicht mehr viel zu sehen. Abraumhalden wurden kom- nicht einmal an. Es mangelt an Interesse und vor allem an den plett umgelagert und offene Tagebaugruben damit zugeschüt- erforderlichen Milliardenbeträgen (s.S. 28-29). ● tet. Bereits zur Bundesgartenschau 2007 präsentierten die Sanierer*innen der Wismut die Region als »Neue Landschaft Ronneburg« einer staunenden Öffentlichkeit. Weiterführende Informationen Rainer Karlsch: Uran für Moskau, Ch. Links Verlag 2007 Ehemalige Absetzbecken wurden allerdings nur abge- Michael Beleites: Pechblende, als PDF auf wise-uranium.org deckt und nicht abgedichtet. Ein Teil der Niederschläge Frank Lange: Das Erbe der Wismut, als PDF auf ippnw.de; wismut.de

31 DEUTSCHLAND II ATOMAUSSTIEG MIT LÜCKEN Deutschland hat zwar das Ende der Atomkraft beschlossen. Die Urananreicherungsanlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen sollen aber ausdrücklich weiterlaufen

ie Nutzung der Atomenergie soll in Deutschland spä- von Uran für zivile Zwecke ist von der militärischen Nutzung testens Ende 2022 enden. Allerdings ist in den sieben nicht zu trennen. So ermöglichte es erst der Diebstahl von D in Deutschland noch laufenden AKWs jederzeit ein Blaupausen bei Urenco am Standort Almelo vor 40 Jahren Super-Gau möglich. Das zeigt die Studie »Atomkraft 2018 – durch den pakistanischen Wissenschaftler Abdul Kadir Khan sicher, sauber, alles im Griff?« des BUND, die die Risiken der Pakistan und in der Folge dem Iran und Nordkorea, selbst deutschen Atommeiler aufzeigt. Uran anzureichern – eine Grundlage für ihre jeweiligen Atom- Die Bundesregierung hat sich geweigert, im Jahr 2018 waffenprogramme. Urenco ist damit durch laxe Sicherheits- die Novellierung des Atomgesetzes für eine Beschleunigung vorkehrungen mitverantwortlich für einen der international des Ausstiegs zu nutzen. Einen Skandal des Atomausstiegs größten Verstöße gegen das Nichtverbreitungsgebot von hat sie erst gar nicht angepackt: Die Urananreicherungsan- Atomwaffentechnologie. lage der Urenco Ltd in Gronau und die Brennelementefabrik In Deutschland werden spätestens 2022 weder ange- in Lingen bleiben unbefristet in Betrieb. Das Aktionsbündnis reichertes Uran noch Brennelemente für Atomkraftwerke Münsterland gegen Atomanlagen hat zusammen mit mehreren benötigt. Deutschland ist auch nicht verpflichtet, ausländische NGOs im Oktober 2018 in einer Stellungnahme zur Änderung AKWs mit Kernbrennstoff zu versorgen. Rechtlich wäre es des Atomgesetzes die Kritik an deren Weiterbetrieb zusam- möglich, Ende 2022 die Atomanlagen in Gronau und Lingen mengetragen, die im Folgenden mehr oder minder unverän- zeitgleich mit den letzten deutschen AKWs stillzulegen. Das dert wieder gegeben wird: 1970 gründeten Großbritannien, belegt ein Gutachten des Bundesumweltministeriums aus dem Deutschland und die Niederlande mit dem Vertrag von Almelo Jahr 2017. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD heißt die heutige Urenco Ltd und vereinbarten, das in Gronau ange- es dazu lediglich: »Wir wollen verhindern, dass Kernbrenn- reicherte Uran ausschließlich zu zivilen Zwecken zu nutzen. stoffe aus deutscher Produktion in Anlagen im Ausland, deren Eigentümer sind zu jeweils einem Drittel der britische und der Sicherheit aus deutscher Sicht zweifelhaft ist, zum Einsatz niederländische Staat. Das restliche Drittel teilen sich E.ON kommen. Wir werden deshalb prüfen, auf welchem Wege wir Kernkraft und RWE Power. Bleibt die Anlage in Betrieb, wäre dieses Ziel rechtssicher erreichen.« die Bundesrepublik weiterhin in der Lage, Uran für Atomwaf- Wie wenig Deutschland diesem Anspruch gerecht wird, fen anzureichern und eigene Atombomben zu bauen. Niemand zeigt die Geschäftspolitik der Atomanlagen: Der Anreiche- kann garantieren, dass dies unter veränderten politischen Rah- rungskonzern Urenco belieferte bis 2011 den Fukushima- menbedingungen nicht auch gemacht wird. Betreiber Tepco mit angereichertem Uran. Seit 2017 gibt es Derzeit werden rund 50 Prozent des angereicherten wieder Transporte nach Japan. Sowohl Urenco als auch der Urans aus Gronau in die USA exportiert, da die USA über Lingener Brennelementehersteller Framatome beliefern die wegen zahlloser Sicherheitsmängel und Pannen umstrittenen belgischen Meiler in Tihange und Doel mit Kernbrennstoff. Mit der Urananreicherungsanlage in Framatome versorgt auch störanfällige Reaktoren wie Gronau wäre die Bundesrepublik Fessenheim und Cattenom mit Brennelementen aus Lingen. weiterhin in der Lage, Atombomben Die Lieferungen aus Gronau und Lingen ermöglichen damit zu bauen den Betrieb dieser Reaktoren. Nicht zuletzt Urenco verkauft 33 Jahre nach dem Super-GAU in Tschernobyl angereichertes keine landeseigene Urananreicherung mehr verfügen. Dort Uran in die Ukraine und ermöglicht damit, dass sicherheits- wird in AKWs anfallendes Tritium teilweise für das US-Atom- technisch umstrittene Reaktoren in unmittelbarer Nachbar- waffenprogramm verwendet. Dadurch kann die Anlage in schaft einer seit Jahren militärisch umkämpften Region weiter- Gronau indirekt an der Herstellung von neuen Atomwaffen betrieben werden können. beteiligt sein. Wie bei allen Arten von Atommüll ist die Endlagerung Darüber hinaus hat Urenco ein ernsthaftes Sicherheits- von abgereichertem Uran ungelöst. Bis 2009 exportierte problem: 2018 wurde bekannt, dass ein Mitarbeiter über Jahre Urenco rund 27 300 Tonnen abgereichertes Uranhexafluorid Waffenteile unbemerkt in die Urananreicherungsanlage (UF6) aus Gronau nach Russland zur »Langzeitlagerung«. Nach schleusen konnte. Polizei und Staatsanwaltschaft bezeichne- öffentlicher Kritik beendete Urenco diese Praxis und lieferte ten den Mann als »Waffennarr« und ermitteln. Dieser Vorgang zunächst UF6 nach Frankreich, wo es z. T. in stabileres Uran- erschüttert das Vertrauen in die Fähigkeit von Urenco, ihre oxid umgewandelt wurde. Rücktransporte nach Gronau sind Urananreicherungsanlage und die militärisch höchst brisante für das Uranoxid jedoch bis 2024 nicht geplant. Stattdessen Zentrifugentechnologie sicher zu schützen. Die Anreicherung nahm Urenco im Mai 2019 insgeheim die Exporte nach Russ-

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Atomstaat Deutschland Die heimischen Atomanlagen im Überblick Die Karte zeigt die Atomanlagen, die in Deutschland betrieben werden oder wurden. Außerdem Flensburg sind alle Standorte verzeichnet, an denen Atommüll lagert oder gela- Kiel gert werden soll. Nicht verzeichnet Lubmin sind 1900 Altstandorte aus der Rostock (CC) URANATLAS 2019 / Atommüllreport URANATLAS (CC) Urangewinnung durch die SAG/ Brunsbüttel Brokdorf SDAG Wismut.

Hamburg Schwerin Atomkraftwerk in Betrieb Stade F F Krümmel Geesthacht Atomkraftwerk außer Bremen Rheinsberg Esenshamm Betrieb Gorleben Munster Atomkraftwerk abgerissen F F Berlin Lingen (Ems) Leese Braunschweig Urananreicherungsanlage Hannover Osnabrück Morsleben Atomfabrik in Betrieb Gronau Bielefeld Magdeburg Cottbus (Brennelementefertigung, Salzgitter Abfallbehandlung) Ahaus Münster Grohnde Asse Göttingen Atomfabrik abgerissen Halle F Hamm-UentropDortmund Leipzig Rossendorf Essen Würgassen Görlitz F Forschungsreaktor in Kassel Betrieb Duisburg Crossen Forschungsreaktor außer Krefeld Bad Eisenach Dresden Düsseldorf Chemnitz F Betrieb Siegen Hersfeld Ronneburg Königstein Köln Gera Forschungsreaktor F F Zwickau F Aue abgerissen Jülich Aachen Ebsdorfergrund Seelingstädt Hanau Zwischenlager für schwach- Weißenstadt Pöhla F Hof und mittelstarkradioaktive Mülheim- Koblenz Abfälle Kärlich Frankfurt/ Main Karlstein Grafenrheinfeld Mitterteich Zwischenlager für Büchel F hochradioaktive Abfälle Würzburg Mainz Verworfenes Endlager für Nürnberg hochradioaktive Abfälle Ellweiler Biblis Schirm-Berg/ Guteneck F Geplantes Endlager für Heidelberg Obrigheim Regensburg radioaktive Abfälle Elm-Derlen SaarbrückenPhilippsburg Heilbronn Passau Endlager für radioaktive Abfälle F Stuttgart Neckarwestheim Ohu Niederaichbach Karlsruhe F Halden der Größe 1 Million F F Neuherberg Tonnen und mehr Halden der Größe bis 170000 Gundremmingen Garching München Mühlenbach Tonnen Freiburg Garmisch- Stationierte US- Patenkrichen amerikanische Atomwaffen Menzenschwand

0 50 100 km

land wieder auf. Seit dies im Herbst 2019 bekannt wurde, pro- Ein tragfähiges und langfristiges Konzept zur sicheren testieren Aktivist*innen in Deutschland und Russland. Außer- Endlagerung des abgereicherten Urans aus Gronau gibt es bis- dem lagern derzeit rund 20000 Tonnen UF6 unter offenem her nicht. Und die ständigen Transporte von Uran von und zur Himmel in Stahlbehältern auf dem Gelände. Urananreicherungsanlage Gronau sowie von und zur Brenn- UF6 ist radioaktiv und hochgiftig. In Verbindung mit elementefabrik Lingen sind eine andauernde Gefahr. Es reicht Wasser reagiert es zu extrem aggressiver Flusssäure. Für eine ein Transportunfall für eine Katastrophe. ● solche Reaktion reicht bereits Luftfeuchtigkeit aus. Kommt ein Mensch damit in Kontakt, sind schwere Hautverbrennungen Weiterführende Informationen sowie radioaktive Kontamination die Folge. Eingeatmet zer- BUND: Atomkraft 2018 – sicher, sauber, alles im Griff? Download unter: bund.net frisst Flusssäure die Lunge und kann zum Tod führen. Sofortiger Atomausstieg Münster: sofa-ms.de

33 ATOMKATASTROPHEN VON MAJAK ÜBER CHURCH ROCK BIS FUKUSHIMA Super-GAU und Dammbruch, Reaktorfeuer und Explosionen: Was nicht passieren darf, geschieht doch immer wieder

ie Geschichte der Atomenergie ist auch eine Ge- Atomkomplex heißt jetzt Sellafield. Im selben Jahr, am 29. schichte ihrer Katastrophen. Majak, Windscale, Har- September 1957, explodiert im russischen Majak ein Tank mit D risburg, Church Rock, Tschernobyl und Fukushima hochradioaktiven Abfällen. Gleich zehn Reaktoren gehören heißen die Chiffren des Schreckens. Sechs Standorte, an dort zur Atombombenschmiede der Sowjetunion. Sie liefern denen die Atomkraft außer Kontrolle geriet. Sechs Stationen, den Militärs Plutonium für das sowjetische Kernwaffenpro- die den Niedergang einer euphorisch gestarteten Technologie gramm. Schon im Normalbetrieb gelangen ungeheure Mengen beschleunigt haben. Nach 70 Jahren »friedlicher Nutzung der Radioaktivität in die Umwelt. Nukleare Partikel und Abfälle Kernenergie« gehören geschmolzene Reaktorkerne, unbe- werden über die Luft und direkt in den Fluss Tetscha entsorgt. wohnbare Gebiete, radioaktive Wolken und eine unbekannte Weil die Anwohner*innen Strahlenschäden aufwiesen, wurde Zahl von Toten zur Bilanz. bereits 1953 das erste Dorf im Umfeld evakuiert; bis 1956 folg- Zu den Katastrophen gehört aber auch der Versuch, sie ten weitere 18. zu verheimlichen oder zu bagatellisieren. Vertuschung ist Als es ein Jahr später zur vulkanartigen Explosion fester Bestandteil dieser Technologie. Die große Ausnahme kommt, ist sie Hunderte Kilometer weit zu sehen und wird offi- war zunächst die dreifache Kernschmelze in Fukushima im ziell zur Polarlicht-Erscheinung erklärt. Die radioaktive Wolke März 2011. Der neue Nachrichtenkosmos des Internets sandte zieht in 1000 Metern Höhe nach Nordosten: eine 40 Kilometer die Bilder der kollabierenden Atommeiler als schemenhaftes breite, 300 Kilometer lange Spur. Eine Fläche von 20000 Qua- Live-Event rund um die Welt. Doch die Folgen werden auch dratkilometern mit etwa 270000 Einwohner*innen ist radioak- in Japan bis heute verharmlost: Gesundheitsschäden, das tiv verseucht. Immer neue Gebiete müssen evakuiert werden. Ausmaß der Verseuchung, die Hilflosigkeit der Helfer*innen Die Explosion bleibt geheim, bis sie Moskau 1989 bestä- und die gewaltigen Kosten. Gleich im ersten Jahrzehnt verlor tigt. Nach der Bewertung der Internationalen Atomenergie- die Atomkraft ihre Unschuld. Dabei war die Begeisterung für Agentur gilt sie nach Tschernobyl und Fukushima als dritt- Flugzeuge und Autos mit Atomantrieb oder für Kleinreaktoren schwerster Atomunfall der Geschichte. Expert*innen des in jedem Haushalt gerade erst entfacht worden. Doch der Geist Helmholtz-Zentrums München stellen ihn auf dieselbe Gefah- aus der Uranmaschine, der die Welt verändern sollte, zeigte in renstufe wie Tschernobyl. Die freigesetzte Radioaktivität Majak und Windscale seine dunkle Seite. könnte in Majak sogar größer gewesen sein. 10. Oktober 1957. Im Nordwesten Englands, an der Küste Die Atommacht USA erlebte ihre Katastrophe 1979 gleich zur Irischen See, bricht im Atomreaktor Windscale I ein Feuer zweifach. Im März kämpft eine kontinuierlich wachsende aus. Durch fehlerhafte Temperaturanzeigen und anschlie- Expert*innenschar gegen den außer Kontrolle geratenen ßende Bedienfehler bei Wartungsarbeiten haben sich die Reaktor Three Mile Island bei Harrisburg. Als tonnenschwe- Brennelementkanäle überhitzt. Kanal 20/53 glüht rot wie rer Sturzbach ergießt sich der glühende Reaktorkern auf den eine Kirsche. Alle Versuche, den Reaktor herunterzukühlen, Grund des Reaktordruckbehälters, der wie durch ein Wun- schlagen fehl: Die Temperatur im Kern steigt auf 1300 Grad: der standhält. Drei Viertel des Kerns aus 36816 Brennstäben Windscale brennt. Während im Herzen des 2000 Tonnen sind bei Temperaturen nahe 2800 Grad geschmolzen. Ausge- schweren Grafitblocks ein Feuer lodert, entweicht aus dem fallene Kühlwasserpumpen, zwei falsch gestellte Ventile bei Schornstein ständig radioaktiver Rauch. Die Menschen in der den Reservepumpen, ein Zettel auf dem Steuerpult, der die Umgebung liegen ahnungslos in ihren Betten. Alle Löschversu- Ventilanzeige verdeckt, und mehrere Bedienfehler haben das che mit Kohlendioxid und Wasser scheitern. Im dritten Anlauf Unglück ausgelöst. gelingt es schließlich, die Flammen zu ersticken. Die Bevöl- kerung wird erst nach dem Löschen des Brands gewarnt. Die Tschernobyl und Fukushima lieferten Milch umliegender Farmen wird eingesammelt und ins Meer spektakuläre Bilder und ließen sich nicht geschüttet; rund um den Reaktor versickern Millionen Liter geheim halten – andere Katastrophen radioaktives Löschwasser. dagegen schon Bis 1990 werden 70 Untersuchungsberichte zum Wind- scale-Brand geschrieben. Die Forscher*innen versuchen, die freigesetzte Strahlung in Krebstote umzurechnen. Man Kinder und Schwangere im Acht-Kilometer-Umkreis einigt sich auf 100 Opfer. Eine Leukämiewelle sorgt in den werden evakuiert. 70000 Menschen fliehen aus eigener Initi- 1980er Jahren für Aufregung, bis die Erinnerung allmählich ative. Niemand weiß, wieviel Radioaktivität tatsächlich in die verblasst. Heute ist Windscale auch sprachlich entsorgt, der Umwelt gelangt ist. Unvergessen ist das Statement des Vize-

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Die »friedliche Nutzung« der Kernenergie – eine Bilanz Standorte aller aktiven Atomkraftwerke und die großen Katastrophen des Atomzeitalters

Sellafield (Windscale) 1957, GROSSBRITANNIEN Majak 1957, RUSSLAND (CC) URANATLAS 2019 / WNISR URANATLAS (CC)

Harrisburg 1979, USA Tschernobyl Fukushima 1986, UKRAINE 2011, JAPAN

Church Rock 1979, USA

Anzahl der aktiven, im Bau befindlichen und vorübergehend stillgelegten Atomreaktoren je Nation, Stand Januar 2019 USA 98 2 - TAIWAN 5 - - FRANKREICH 58 1 - FINNLAND 4 1 - UNGARN 4 - - Anzahl der aktiven und im Bau befindlichen Atomreaktoren CHINA125 45 12 1 auf den verschiedenen Kontinenten, Stand 2019 RUSSLAND 35 5 - SLOWAKEI 4 2 - SÜDKOREA 23 5 - ARGENTINIEN 2 1 1 INDIEN 20 7 1 BRASILIEN 2 - - KANADA 19 - - BULGARIEN 2 - - GROSSBRITANNIEN 15 1 - MEXIKO 2 - - RUMÄNIEN 2 - - 181 UKRAINE 15 - - 119 111 JAPAN 9 1 25 SÜDAFRIKA 2 - - SCHWEDEN 8 - - ARMENIEN 1 - - BELGIEN 7 - - IRAN 1 - - DEUTSCHLAND 7 - - NIEDERLANDE 1 - - SLOWENIEN 1 - - 12 2 27 1 SPANIEN 7 - - 4 TSCHECHIEN 6 - - BANGLADESCH - 2 - PAKISTAN 5 - - BELARUS - 2 - EUROPA NORDAMERIKA ASIEN ANDERE SCHWEIZ 5 - - (inkl. Russland) WELT 415 42 28

Gouverneurs von Pennsylvania, Bill Scranton: »Wir haben alles und erst recht 2011 sensibilisiert für das Katastrophenpotenzial unter Kontrolle. Es gibt keine Gefahr für die Gesundheit und der Atomkraft. Sicherheit der Bevölkerung.« Millionen konnten mitverfolgen, welchen Weg die radio- Im Juli desselben Jahres schockiert der Dammbruch von aktiven Wolken nahmen. In Japan wurde nach der Fukushima- Church Rock die US-Atomindustrie. Church Rock ist ein Dorf Havarie sogar die Evakuierung des Großraums Tokio mit im Land der Diné im Bundesstaat New Mexico. 20 Uranminen 30 Millionen Einwohner*innen erwogen. Nach Tschernobyl sind dort in Betrieb. Allein in der größten von ihnen werden versuchten Armeeflugzeuge die Regenwolken chemisch zu in den 1970er Jahren jährlich mehr als 1000 Tonnen Uranoxid entladen, bevor sie nach Moskau ziehen konnten. Viele Details produziert. Hunderttausende Tonnen radioaktiver Abraum sind bekannt geworden, doch das Leid und die gesundheit- werden in großen Absetzbecken entsorgt. Am 16. Juli 1979 lichen Folgen für Millionen sind im statistischen Rauschen bersten die Mauern eines der Staubecken. Über 1000 Ton- verschwunden. Von Windscale bis Fukushima: Die sechs nen strahlende Abfälle und geschätzte 360 Millionen Liter Namen stehen für Unfälle, die nach einschlägigen Risikostu- radioaktive Abwässer landen im Puerco River – bis heute der dien gar nicht oder nur einmal in hunderttausend Jahren hät- schwerste Atomunfall in der Geschichte der USA. Drei Jahre ten geschehen dürfen. Sie sind mehrfach passiert, ihre Spuren später gibt die Uranindustrie den Standort auf. noch lange nicht beseitigt. ● Vor allem Church Rock und Majak sind weitgehend unbe- kannt geblieben. Dagegen kennt jedes Kind die Namen der beiden »klassischen« Super-GAU-Standorte Tschernobyl und Weiterführende Informationen Fukushima. Sie lieferten spektakuläre Bilder und ließen sich Bernward Janzing: Vision für die Tonne, Picea 2016 nicht geheim halten. Zudem war die Weltöffentlichkeit 1986 Stephanie Cooke: Atom. Die Geschichte des nuklearen Irrtums, K&W 2010

35 ATOMWAFFEN DAS NEUE WETTRÜSTEN Ein Atomkrieg kennt keinen Sieger. Dennoch erneuern Atommächte ihre Arsenale und setzen auf »kleine Nuklearwaffen«

nfang Februar 2019 kündigte Donald Trump den soge- nicht nur den INF-Vertrag aufgekündigt, sondern auch damit nannten INF-Vertrag. Die 1987 zwischen der Sowjet- begonnen, ihre Arsenale zu modernisieren. Sie brauchen dafür A union und den USA geschlossene Vereinbarung verbot weder einen Nachschub von Plutonium noch von hoch ange- es, zwischen Atlantik und Ural nuklear bestückbare Mittelstre- reichertem Uran. Denn Mitte der 1980er Jahre verfügten die ckenraketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilome- Atommächte noch über 70000 Atomsprengköpfe. Mehr als tern zu stationieren. Der US-Präsident begründete seine Ent- drei Viertel haben sie abgerüstet, einen Großteil des Bomben- scheidung damit, dass Russland ohnehin vertragsbrüchig sei: sprengstoffs jedoch nicht vernichtet. Marschflugkörper mit einer Reichweite von 2600 Kilometern In der im Februar 2018 veröffentlichten Nuclear Posture würden den Vertrag verletzen. Russland wiederum wirft den Review (NPR) betonen die USA ihre Absicht, sowohl auf nukle- USA und der NATO vor, durch einen Raketenabwehrschirm are als auch »nicht-nukleare strategische Angriffe« mit Atom- und Kampfdrohnen gegen den Vertrag zu verstoßen. Präsident bomben reagieren zu können. Die US-Regierung will dazu Wladimir Putin setzte den Vertrag deshalb einen Monat später kleine taktische Atomwaffen entwickeln, die sie zielgenauer per Dekret außer Kraft. einsetzen könnte. Die Folge: Die Hemmschwelle für einen Erstschlag mit Atombomben sinkt. Die USA sprechen verharmlosend von »kleinen« Atom- Die USA und Russland erneuern ihre bomben. Diese haben jedoch immer noch die Zerstörungskraft Atombombenarsenale. Gleichzeitig wollen die Vereinten Nationen diese Waffen einer Hiroshima-Bombe, also der Bombe, die am 6. August grundsätzlich verbieten 1945 schätzungsweise 70000 bis 80000 Menschen sofort tötete; noch einmal so viele sollen in den Wochen, Monaten und Jahren danach gestorben sein. Was ein Atomkrieg bedeuten Das Ende des INF-Vertrags bedeutet vor allem für würde, zeigt auch eine Studie der Ärzt*innenorganisation Europa eine neue Bedrohung, denn Mittelstreckenraketen IPPNW: Ein Krieg mit 100 Atombomben hätte eine globale können den Atlantik ohnehin nicht überqueren. Doch diese Hungerkatastrophe mit bis zu zwei Milliarden Toten zur Folge. Entwicklung birgt in den Augen von Anti-Atom-Aktivisten Die Alternative ist eine Welt ohne Atomwaffen. Für die auch eine Chance: »Was wäre, wenn Europa die geo- und nuk- engagieren sich immer mehr Menschen. Seit 1982 gibt es learpolitische Abschreckungspolitik der vergangenen Jahr- die in Japan gegründete Organisation »« zehnte gänzlich hinter sich lässt?« fragt Sascha Hach, lange (Bürgermeister*innen für den Frieden), die sich für die Zeit Vorstandsmitglied der mit dem Friedensnobelpreis und Abschaffung aller Atomwaffen einsetzt. 7772 teilnehmende dem Nuclear-Free Future Award ausgezeichneten Internati- Städte aus 163 Ländern haben sich ihr inzwischen angeschlos- onalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). sen (Stand 29. Juli 2019). »Wir Europäer*innen könnten ein neutrales Europa entwerfen, das die nukleare Teilhabe in der Nato beendet. So ist auch ein vollständig nuklearwaffenfreies Europa möglich.« ICAN brachte bereits im Juli 2017 ein Abkommen zum Atombomben in der EU Verbot von Atomwaffen vor die Vereinten Nationen: 122 Staa- Anzahl der Atombomben auf Stützpunkten der US-Streitkräfte ten haben dafür gestimmt, 70 Staaten haben den Vertrag mitt- in Belgien, Deutschland, Italien und den Niederlanden lerweile unterzeichnet, 23 ratifiziert – nicht jedoch Deutsch- land und auch kein anderer NATO-Staat (Stand 11. Juli 2019). Denn auf dem US-Militärstützpunkt Büchel in der Eifel lagern gefechtsbereite Atombomben. Dabei ist die nukleare Bedro- Volkel/NL bis zu 20 hung immer noch präsent, wenn auch oftmals aus Politik, Büchel/DE Medien und Öffentlichkeit verschwunden. Anfang 2018 besa- bis zu 20 Kleine Brogel/BL 2019 / SIPRI URANATLAS (CC) ßen die neun Atommächte insgesamt 14465 Atombomben, wie bis zu 20 das Friedensforschungsinstitut SIPRI feststellt. Das sind 470 Ghedi/IT Sprengköpfe weniger als im Vorjahr – aber noch immer genug, Aviano/IT bis zu 20 bis zu 50 um die Menschheit auszulöschen. Gleichzeitig denken Politiker*innen in diese Richtung: Trumps Vorgänger Barack Obama sprach bereits 2009 von der Vision einer atomwaffenfreien Welt. Aber statt daran anzu- Länder, in denen sich US- knüpfen haben die atomaren Großmächte USA und Russland amerikanische Atombomben befinden

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Permanente Bedrohung für die Welt Anzahl der Atomsprengköpfe je Nation

Wer Atombomben herstellen will, braucht hochange-

(CC) URANATLAS 2019 / SIPRI URANATLAS (CC) reichertes Uran, kurz HEU, oder abgespal- tenes Plutonium. Jeder Staat mit einer zivilen Atomindustrie ist in der Lage, hierzu spaltbares Material herzustellen. Staaten, die technisch in der Lage sind, Uran anzu- reichern, sind: Argentinien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbri- tannien, Indien, Iran, Israel, Japan, Nieder- lande, Nordkorea, Pakistan, Russland und die USA.

7 000 RUSSLAND

10-20 NORDKOREA 80 ISRAEL 120-130 INDIEN 120-140 PAKISTAN 215 GROSSBRITANNIEN 20 Atomsprengköpfe 270 CHINA 300 FRANKREICH 6 800 USA

KEIN GELD FÜR BOMBENBAU

CAN untersucht mit der Kampagne »Don’t Bank on the men. Die KBC, eine Bankengruppe mit elf Millionen Kunden, I Bomb« seit 2012 die Kreditvergabe zum Bau von Atombom- hat alle finanziellen Beziehungen zu Atomwaffenherstellern ben. Allein zwischen Januar 2017 und Januar 2019 investierten beendet. Auch die Deutsche Bank reagiert. Genauso wie Banken dafür 900 Milliarden US-Dollar. Für über die Hälfte Finanzinstitute in den USA, Großbritannien und Frankreich. waren nur zehn Finanzinstitute verantwortlich: Vanguard, Jede*r kann seine Bank fragen, ob sie Kredite an Konzerne BlackRock, Capital Group, State Street, Verisight (inzwischen vergibt, die mit Atombomben Geschäfte machen. ● Newport Group), T. Rowe Price, Bank of America, JP Morgan Chase, Wells Fargo und die Citigroup. Das Geschäftsmodell wird jedoch zunehmend stigmatisiert: ABP, der fünftgrößte Weiterführende Informationen Pensionsfonds der Welt mit Vermögenswerten in Höhe von 500 IPPNW-Studie: Nuclear Famine. Two Billion People at Risk, als PDF auf ippnw.de Links: mayorsforpeace.org; ican.org; dontbankonthebomb.com Milliarden US-Dollar, will sicherstellen, dass Atomwaffenpro- »Nukes Ready To Fly« by Andrew Barr and Richard Johnson, National Post, 2012: duzenten keine Kredite aus dem Geld ihrer Anleger bekom- nationalpostcom.files.wordpress.com/2012/05/fo0505_nuclearweaponsw1.pdf

37 ATOMBOMBENTESTS SEIT 1996 VERBOTEN Die erste Atombombe wurde am 16. Juli 1945 in New Mexico gezündet. Es folgten 2057 weitere Tests, zuletzt 2017 durch Nordkorea. Über ein Viertel aller Bomben wurden oberirdisch gezündet. Strahlenopfer kämpfen bis heute um Entschädigung

e are the most bombed nation in the world«, wie- Strahlenopfer in den USA bekommen derholen die Sprecher*innen der Western Shoshone seit 1990 eine Entschädigung von W Nation immer wieder, wenn sie über Atombomben- 50000 US-Dollar. 2,13 Milliarden sind tests sprechen, »wir sind die am meisten bombardierte Nation bislang ausgezahlt worden der Welt«. Denn in der Wüste von Nevada, die zu ihrem Terri- torium gehört, errichteten die USA rund 100 Kilometer nord- westlich von Las Vegas ihr Testgelände, die »«. werden ohne Knochen und mit durchsichtiger Haut geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg führten US-Militärs Wir können ihre Gehirne betrachten und ihre Herzen schlagen zunächst mehrere Dutzend Atombombentests im Südpazifik sehen. Aber sie haben keine Beine, keine Arme, keinen Kopf, auf den Atollen Enewetok und Bikini aus, die zu den Marshall- nichts. Einige dieser Geschöpfe haben wir acht oder neun inseln gehören, entschieden sich 1950 nach dem Beginn des Monate lang ausgetragen. Sie leben normalerweise einen oder Koreakriegs aber aus »Gründen der nationalen Sicherheit« vor zwei Tage lang.« allem für Atomtests im eigenen Land. Eine Fläche von 3000 Erst 1990 billigte die US-Regierung mit dem »Radiation Quadratkilometern in Nevada erklärten sie zum militärischen Exposure Compensation Act« Strahlenopfern von Atombom- Sperrgebiet. Zwischen 1951 und 1992 ließ die US-Armee dort bentests und aus dem Uranbergbau, die an Krebs erkrankten, 928 Atombomben detonieren, davon bis zum Vertrag über das eine Entschädigung von 50000 US-Dollar zu. Nach Angaben Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre im Jahr des US-Justizministeriums wurden bis März 2017 über 32700 1963 hundert oberirdisch. Fälle anerkannt und über 2,13 Milliarden US-Dollar ausbezahlt. »1863 haben die USA im Vertrag von Ruby Valley fast Dabei sind längst nicht alle Anträge genehmigt worden. Pech zwei Drittel des Halbwüstenstaates Nevada offiziell als Wes- haben all die, deren Krebs nicht eindeutig radioaktiver Ver- tern Shoshone Territorium anerkannt«, stellt die Gesellschaft strahlung zuzuordnen ist oder die beispielsweise »nur« Fehlge- für bedrohte Völker fest. »In den 30er Jahren des 20.Jahr- burten oder psychische Erkrankungen zu beklagen haben. hunderts wurde ihr Territorium rechtswidrig der Verwaltung Die Sowjetunion hatte mit Semipalatinsk im heutigen diverser US-Behörden unterstellt.« Die Western Shoshone akzeptieren diese Enteignung bis heute nicht. Niemand wurde in den 1950er und 1960er Jahren über die Globales Testgelände radioaktiven Wolken und die Folgen des Fallouts informiert – weder die Bewohner*innen von Las Vegas und anderer Orte, Anzahl der Atomtests je Nation von 1945 bis 2016 die »downwind« lebten, noch die Soldat*innen, die zum Teil 221 im Freien und ungeschützt in nur wenigen Kilometern Entfer- oberirdische Tests nung einer Explosion ausgesetzt wurden, und schon gar nicht unterirdische Tests die Western Shoshone. Und das, obwohl den Verantwortlichen 219 die tödliche Gefahr bewusst war, wie inzwischen veröffent- lichte Dokumente belegen. Denn schon Anfang 1953 veren-

dete ein Viertel aller Schafe, die im Testgebiet auf der Weide USA IPPNW 2019 / CTBTO, URANATLAS (CC) standen. Die Menschen dort hielten es für das Normalste der 1030 Welt, Kadaver von missgebildeten Lämmern zu sehen, manche UDSSR/ RU sogar mit zwei Köpfen. 715 Es blieb nicht bei missgebildeten Tieren: »In den frü- hen 60er Jahren fingen all die Krankheiten an, die wir jetzt durchmachen«, berichtet Lijon Eknilang auf der Webseite von 811 IPPNW über den Schauplatz Bikini. Das Mädchen war acht 50 Jahre alt, als am 1. März 1954 die US-amerikanische Wasser- 496 23 stoffbombe »Bravo« auf dem Bikini-Atoll detonierte. »Viele 15 Menschen leiden hier unter Schilddrüsentumoren, Totgebur- FRANKREICH CHINA GB 210 45 45 ten, Augenkrankheiten, Leber- und Magenkrebs und Leu- 6 4 2 22 30 NORDKOREA PAKISTAN kämie. Die am häufigsten vorkommenden Missgeburten auf INDIEN den Marshall-Inseln waren die ›Quallenbabies‹. Diese Kinder 160

38 URANAtlas

Proben für den Atomkrieg Wo die Atommächte ihre neuen Bomben testeten

912 24 Nevada USA 224 Nowaja Semlja 2 USBEKISTAN (Nevada Test Site) UDSSR 1 TURKMENISTAN 3 White Sands, Alamogordo, Farmington New Mexico USA 486 Semipalatinsk KASACHSTAN 2 Kharkiv 2 Pazifik 4 Colorado USA UKRAINE 45 Lop Nor CHINA USA 3 Mississippi USA (CC) URANATLAS 2019 / CTBTO, IPPNW 2019 / CTBTO, URANATLAS (CC) 6 Hwaderi (Pengye-ri) 4 NORDKOREA ALASKA

MARSHALL-INSELN 46 Enewetok 13 21 Bikini Johnston Atoll USA

19 6 Kiritimati KIRIBATI

AUSTRALIEN 3 Monte Bello 2 Emu Field 7 Maralinga

3 Malden Insel USA KIRIBATI UDSSR/ RU FRANKREICH 12 Fangataufa FRANZ. POLYN. 3 Atlantik 3 Pokhran INDIEN CHINA 13 Hoggar ALGERIEN 2 Ras Koh PAKISTAN 181 Moruroa FRANZ. POLYN. GROSSBRITANNIEN 4 Reggane ALGERIEN NORDKOREA Die Karte zeigt, an welchen Orten die Atommächte ihre Atombomben getestet haben und gibt jeweils die absolute Zahl der INDIEN Tests an. Die Größe der Kreise korreliert mit der Menge der Tests und damit mittelbar der freigesetzten Strahlung. PAKISTAN

Kasachstan ein vergleichbares Testgelände. Von 1949 bis 1989 Bombe im Februar 1960 im algerischen Teil der Sahara-Wüste führten die Militärs dort 456 Bombentests durch, davon bis hochgehen und verlagerte die Tests wenig Jahre später in die 1963 160 oberirdisch. Die Sprengkraft entsprach insgesamt Südsee auf das unbewohnte Moruroa-Atoll. China, Indien, dem 2500-Fachen der Hiroshima-Bombe. Der radioaktive Pakistan und Nordkorea haben ihre Bomben allesamt im eige- Staub verbreitete sich über ein Gebiet von der Größe Deutsch- nen Land getestet. lands; rund 1,5 Millionen Menschen wurden durch die Explo- Inzwischen hat die Weltgemeinschaft einen vollständigen sionen verstrahlt. Was das bedeutet, zeigt Karipbek Kuyu- Kernwaffenteststoppvertrag ausgehandelt, den »Comprehen- kuv. Der Mann aus dem östlichen Kasachstan ist als Folge der sive Test Ban Treaty (CTBT)«. Die Verhandlungen dazu began- radioaktiven Verseuchung ohne Arme und Hände auf die Welt nen 1994, die USA strebten unter der Clinton-Regierung das gekommen. Er widmet sein Leben und seine Kunst – aufrüt- Verbot sämtlicher Atomwaffentests an und wurden dabei von telnde Mahnbilder, die er mit Mund und Zehen malt – dem Russland unterstützt. 1996 hat die Vollversammlung der Ver- Ziel, »dass niemand mehr unter den schrecklichen Folgen von einten Nationen das Vertragswerk durch die UN-Resolution Atomtests und Atombomben zu leiden« hat, und setzt sich 50/245 angenommen. für die Abschaffung aller Atomwaffen ein, nicht aber gegen Deutschland gehört mit Australien, Finnland, Kanada, Uranbergbau. Vergleichbar gilt das auch für die kasachische den Niederlanden und Japan zur »Gruppe der Freunde des Regierung. CTBT«, die sich besonders für das Inkrafttreten des Vertrags 1991 wurde das Testgelände geschlossen – auch ein Ver- einsetzt. 184 Staaten haben ihn unterschrieben, 167 ratifiziert. dienst des Nevada-Semipalatinsk-Movements, 1989 als eine Damit er in Kraft tritt, müssen ihn der Iran, Israel, Ägypten, der ersten Anti-Atom-Bewegungen in der früheren Sowjet- China, die USA, Indien, Pakistan und Nordkorea ratifizieren. union gegründet. Schon mit seiner Namensgebung solidari- Die drei letztgenannten haben ihn nicht unterzeichnet und sierte sie sich mit den Strahlenopfern in Nevada. noch nach 1996 Atomtests durchgeführt. ● In Australien machte Großbritannien die Maralinga- Wüste, das Emu Field sowie die Monte-Bello-Inseln zum atomaren Testgelände. Zwischen 1952 und 1963 wurden zwölf Weiterführende Informationen Teststoppvertrag: ctbto.org Atombomben in Regionen gezündet, die von Aboriginals als Global Peace Index: visionofhumanity.org ihre Heimat beansprucht werden. Frankreich ließ seine erste Vertrag über das Verbot von Atomwaffen: als PDF auf ippnw.de

39 URANWAFFEN DU: KÜRZEL FÜR DEN KRIEG OHNE ENDE Projektile, die Panzer durchdringen, bestehen aus Uran-238, einem Abfallprodukt aus der Urananreicherung. Depleted Uranium, kurz DU, hat eine extreme Durchschlagskraft – und fatale Folgen

egen seiner hohen Dichte wird Depleted Uranium gesetzt; 1999 in Serbien, Kosovo und Montenegro 9,45 Tonnen, zwar auch als Ausgleichsgewicht für Flugzeugtrag- 2003 im Irak 145 Tonnen. Es folgten zwischen 2001 und 2006 W flächen und Renn-Yachten verwendet, doch die welt- Einsätze in Afghanistan, Syrien und Somalia. weite Diskussion entbrannte an seiner militärischen Nutzung: Woher kommt DU? Das Uranerz in der Erde ist haupt- Mit der dreifachen Wucht einer herkömmlichen Granate dringt sächlich Uran-238 – und damit für die Energiegewinnung unge- ein 30-Millimeter-Urangeschoss in den Panzer ein wie ein hei- eignet. Hierzu wird Uran-235 gebraucht, das zu einer Kern- ßes Messer in ein Stück Butter. spaltungskettenreaktion fähig ist. Es hat aber nur einen Anteil Glühender Uranstaub reagiert explosionsartig mit dem von 0,7 Prozent im abgebauten Uran. Bei der Urananreiche- Sauerstoff im Inneren des Panzers. Eine Flammenwalze mit rung wird der Uran-235-Anteil erhöht, für die Herstellung von einer Temperatur von bis zu 5000 Grad Celsius lässt den AKW-Brennelementen auf drei bis fünf Prozent, für Atombom- Angstschrei der Besatzung im Bruchteil einer Sekunde ver- ben auf bis zu 85 Prozent. Als Abfallstoff bleibt abgereichertes stummen. Zwei Sekunden lang ist es totenstill. Dann erfasst Uran zurück, das fast ausschließlich aus Uran-238 besteht und das Feuer die mitgeführte Munition im Panzer. Eine heftige nur noch zu 0,03 Prozent aus Uran-235 (s. S. 8-9). Ob bei der Explosion trennt den Turm vom Rest des Panzers. Die Feu- Anreicherung für militärische oder zivile Zwecke: nur etwa ersäule, die steil in den Himmel steigt, ist blauschwarz. Sie fünf Prozent des abgereicherten Urans werden genutzt, der verteilt einen radioaktiven und hoch toxischen Nanostaub über große Rest wird irgendwo gelagert und müsste eigentlich als die Schlachtfelder und darüber hinaus – und vergiftet sowohl Atommüll in ein sicheres Endlager. die Soldat*innen auf beiden Seiten, als auch die Zivilbevölke- Als die US-Luftwaffe vor 40 Jahren ihr neues Kampfflug- rung weit über das Kriegsende hinaus. Er dringt in den Boden zeug A-10 Thunderbolt einführte, dessen Bordkanone 4200 ein und kontaminiert das Grundwasser. Schuss pro Minute mit der panzerbrechenden Munition erlaubt, DU besitzt eine radioaktive Halbwertzeit von 4,5 Milliar- geschahen die Tests ohne Sicherheitsvorkehrungen und ohne den Jahren. Das heißt, einmal freigesetzt, strahlen seine radio- Ankündigung; weder das Heer noch die Zivilbevölkerung aktiven Partikel – Alphastrahler – fast auf ewig. Nach Grund- wurden über die gesundheitlichen Gefahren informiert. Die sätzen und Kriterien des humanitären Völkerrechts wie dem Zunahme von Erkrankungen führte zu Protestwellen, so dass Unterscheidungsgebot, Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die die Versuche auf Militärbasen außerhalb des Festlands der Umwelt sowie dem Vorsichts- oder Vorsorgeprinzip ist der Ein- USA ausgelagert wurden: nach Vieques/Puerto Rico; Balboa satz von Uranwaffen verboten. Hinzu kommt – hinsichtlich der West und Pinas in Panama; nach Kumejima Island, Okinawa/ Einsatzfolgen – die Verletzung von Standards des Internationa- Japan, Doha/Saudi-Arabien, Koon Ni/Südkorea und nach len Menschenrechtsschutzes (wie dem Recht auf eine gesunde Deutschland auf den Truppenübungsplatz Grafenwöhr süd- Umwelt) oder des Umweltschutzes (dem Schutz vor toxischen lich von Bayreuth. Nicht ohne Zwischenfälle: Mit DU-Muni- Substanzen). Ramsey Clark, ehemaliger US-Justizminister, tion beladene Panzer brannten in Altenwalde, Gollhofen und bezeichnete Uranmunition in Anlehnung an die »Medal of Oberaltertheim aus; außerdem stürzten mehrere A-10-Kampf- Honor«, die »Ehrenmedaille« als höchste Auszeichnung der flugzeuge ab. In Kuweit explodierte ein US-Munitionsdepot US-Regierung an ein Mitglied der Streitkräfte, als »Metal of mit 3,5 Tonnen DU. Dishonor – Metall der Unehre«. Andere Länder – darunter Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, die UdSSR und die Schweiz – erprobten Urangeschosse innerhalb ihrer eigenen Grenzen. Obwohl die Bundeswehr keine Das britische Militär testete in Eskmeal und im schottischen Uranwaffen hat, unterminiert Dundrennan, Frankreich in Polygone de tir des Bourges, 200 Deutschland die Anstrengungen zur Ächtung von Uranmunition Kilometer südlich von Paris; die Bundeswehr auf dem Gelände von MBB, Rheinmetall und EADS in Unterlüss und im Spargel- gebiet Schrobenhausen, das Schweizer Unternehmen Cont- Ihren ersten Einsatz fanden Urangeschosse im Golfkrieg raves in Ochsenboden. Allen NATO-Ländern zur Verfügung 1991 im Südirak durch die USA und Großbritannien – mit min- stand Salto di Quirra, Europas größter Truppenübungsplatz im destens 320 Tonnen DU. Viele US-Soldat*innen sind inzwi- Osten von Sardinien. Dort ist die Krebsrate hoch, und Green- schen erkrankt und verstorben; daher die Bezeichnung »Golf- peace meldete, dass Schafe mit drei Beinen oder zwei Köpfen kriegssyndrom«; bis heute kämpfen die Überlebenden um eine geboren wurden. Anerkennung ihrer »Berufskrankheit«. Die Chronik geht wei- Mindestens 18 Staaten haben Uranwaffen in ihrem Arse- ter: 1995 wurden in Bosnien-Herzegowina drei Tonnen DU ein- nal: England, USA, Frankreich, Russland, Griechenland, die

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Uranwaffen – das verdrängte Problem Länder, in denen Uranwaffen hergestellt, getestet und eingesetzt wurden und werden

RUSSLAND

USA AFGHANISTAN SÜDKOREA 2019 / eigene Recherche URANATLAS (CC) CHINA PAKISTAN JAPAN KUWEIT SAUDI- BAHRAIN TAIWAN ARABIEN OMAN INDIEN THAILAND Puerto Rico JEMEN SOMALIA PANAMA

Länder, die DU-Waffen besitzen Länder, in denen die DU-Waffen zum Einsatz kamen beziehungsweise kommen Länder, in denen DU-Waffen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Einsatz kamen Die meisten Fabriken, in denen Urangeschosse hergestellt werden, gibt beziehungsweise kommen es in den Vereinigten Staaten. Am meisten eingesetzt wurden diese Waffen in den Kriegsgebieten Jugoslawiens, im Nahen und Mittleren Waffenfabrik Osten sowie möglicherweise in Libyen. DU-Testgebiet

GROSS- BRITANNIEN WA VT DEUTSCHLAND NY MN MI ID MA SERBIEN IA PA IL IN SCHWEIZ BOSNIEN-HERZEGOWINA NV OH FRANKREICH UT MD MONTENEGRO MO DE CA KS KOSOVO TN NORDMAZEDONIEN OK SC ITALIEN NM TÜRKEI GA GRIECHENLAND TX SYRIEN LIBANON IRAK ISRAEL JORDANIEN LIBYEN ÄGYPTEN

Türkei, Israel, Saudi-Arabien, Bahrain, Ägypten, Kuweit, Jor- 2003 gründete sich die »International Coalition to Ban danien, Pakistan, Oman, Thailand, China, Indien und Taiwan. Uranium Weapons« (ICBUW). Sie koordiniert und bündelt Der Honeywell-Tochterkonzern Alliant Tech Systems (ATK) in zivilgesellschaftliche Anstrengungen zur vollständigen Äch- den USA ist weltweit der mit Abstand größte Produzent und tung von Uranwaffen und zur Hilfe für DU-Opfer. In einem Exporteur von Uranwaffen. ATK wurde im September 2017 zweijährigen Rhythmus behandelt die UN-Generalversamm- vom weltweit fünftgrößten Waffenkonzern Northrop Grum- lung das Thema Uranmunition. Die dazu mit großer Stimmen- man übernommen. mehrheit angenommenen Resolutionen betonen entscheidende In der Uranwaffenproduktion ebenfalls beteiligt sind Aspekte: Transparenz, den Vorsorgeansatz und Unterstützung Großbritannien, Frankreich, Russland, Pakistan und Indien. der betroffenen Regionen. Dieser Prozess wird nachhaltig vom In Deutschland wurde die Problematik vor allem durch den Europäischen Parlament mitgetragen, von Seiten der Bundes- Mediziner Sigwart-Horst Günther und den Dokumentarfilmer republik Deutschland allerdings in Gestalt von Stimmenthal- Frieder Wagner an die Öffentlichkeit gebracht. 1995 schmug- tungen unterminiert, obwohl die Bundeswehr keine Uranwaf- gelte Günther Reste von Uranmunition aus dem irakischen fen in ihren Arsenalen hat. ● Kriegsgebiet nach Berlin und ließ sie untersuchen. Wegen der »Verbreitung von radioaktivem Material« wurde er daraufhin Weiterführende Informationen strafrechtlich belangt. Gleichzeitig sprach die NATO aber von Links: www.icbuw.eu; www.uraniumweaponsconference.de der Unbedenklichkeit der Munition. Frieder Wagner: Todesstaub – Made in USA. Uranmunition verseucht die Welt, 2019

41 ATOMMÜLLENTSORGUNG ENDLAGER MEER Zwischen 1946 und 1993 wurde das Meer als Endlager für Atommüll missbraucht. Bis 1975 wurde sogar hochradioaktiver Atommüll in den Tiefen der Ozeane entsorgt

ie man Atommüll schnell und kostengünstig entsor- Vor allem Protesten von Greenpeace gen kann, hatten die USA schon früh vorgemacht: ist es zu verdanken, dass seit 1994 kein W 1946 füllten sie radioaktive Abfälle in 200-Liter-Fäs- Atommüll mehr in den Weltmeeren ser und versenkten sie im Pazifik – bei den Farallon-Inseln verklappt wird rund 50 Kilometer vor der kalifornischen Küste. So wurde das Meer zur atomaren Müllkippe. Jahrzehnte später hat die US-Regierung gegenüber der Internationalen Atomenergie- ven Müll entsorgt. Deutschland hat daran einen eher kleinen Agentur IAEA eingeräumt, dass das Land bis 1970 rund 90000 Anteil: Im Mai 1967 wurden 480 Fässer mit radioaktiven Abfäl- Fässer an verschiedenen Stellen im Pazifik und Nordatlantik len aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe in Emden ver- entsorgt hat. laden und 450 Kilometer vor der Küste Portugals im Atlantik Wie sich einer Statistik entnehmen lässt, die von der entsorgt. Die Russische Republik wiederum hat nach dem Fall IAEA in den 1990er Jahren zusammengestellt wurde, sind etli- der Mauer gegenüber der IAEA offengelegt, dass zu Sowjetz- che Staaten dem Vorbild der USA gefolgt: Belgien, die Schweiz, eiten rund 190000 Kubikmeter Atommüll im Arktischen Meer Frankreich, Schweden, die Niederlande, Italien, Deutschland und fast 150000 in Pazifik und Ostsee verschwunden sind – und vor allem Großbritannien haben den Atlantik als atoma- darunter auch ausgediente Atom-U-Boote und mindestens 16 res Endlager missbraucht und über 100000 Tonnen radioakti- Atom-Reaktoren aus U-Booten. Darüber hinaus sind sechs atomgetriebene U-Boote mit- samt der an Bord befindlichen Atomraketen gesunken, jeweils drei US-amerikanische und drei sowjetische. Noch heute lie- Aus den Augen, aus dem Sinn gen die Boote in einer Tiefe zwischen 1700 und 5500 Metern. Im Meer versenkter Atommüll nach Nationen Wie viel hochradioaktiver Atommüll im Meer verklappt in Terabecquerel wurde, kann heute aber niemand genau sagen. Die Praxis wurde erst 1975 mit der sogenannten »London Dumping Con- vention« verboten, schwach- und mittelradioaktive Abfälle durften zunächst jedoch weiterhin versenkt werden. Noch 39243 UDSSR 1985 wies die Nuclear Energy Agency, eine Unterorganisation (CC) URANATLAS 2019 / IAEA URANATLAS (CC) der OECD, in einem Bericht darauf hin, dass die radioaktiven Schadstoffe in den Ozeanen verdünnt und weiträumig verteilt würden, sollte das salzige Wasser Löcher in die Fässer fressen. Die Grenzwerte für Strahlenbelastung einzuhalten sei insofern kein Problem. Öffentlichkeitswirksame Proteste von Greenpeace brach- ten schließlich ein Umdenken. 1994 unterzeichneten alle Staa- ten, die bis dahin das Meer als Endlager nutzten, ein Mora- torium, das bis heute Bestand hat. Welche Gefahren der vor 35088 GROSSBRITANNIEN Jahrzehnten im Meer entsorgte Atommüll mit sich bringt, lässt sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen aus dem Jahr 2012 erahnen: »Die Fässer waren nicht konzipiert, um einen dauerhaften Einschluss der Radio- nuklide am Meeresboden zu gewährleisten. Insofern muss davon ausgegangen werden, dass sie zumindest teilweise nicht SCHWEIZ mehr intakt sind und Radionuklide freigesetzt wurden.« 4419 USA Dass dem so ist, haben Aktivist*innen von Greenpeace 3496 BELGIEN 354 FRANKREICH 2120 336 NIEDERLANDE und Journalist*innen längst gefilmt und publik gemacht: 20 ANDERE Fische und andere Meerestiere tummeln sich am Meeresgrund Unter »andere« sind zusammengefasst: um zerborstene Metallfässer mit strahlender Altlast. Die Kom- RUSSLAND, JAPAN, SCHWEDEN, NEUSEE- LAND, DEUTSCHLAND, ITALIEN und mission, die über die Einhaltung des Vertrags zum »Schutz der SÜDKOREA Meeresumwelt des Nordostatlantiks« (OSPAR) wacht und der

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Was den Ozeanen übergeben wurde Im Meer verklappte Atommüllmenge in Terabecquerel K T I S C H E S E A R E (CC) URANATLAS 2019 / IAEA URANATLAS (CC)

I K P A Z I I F F I A Z NORD- K P ATLANTIK

100

550 42 320 38 370 889 1 2940

Staaten, die Atommüll versenkten

Die Verursacher und ihre Verantwortung

Der Anteil der Staaten für die im Meer versenkte Atommüllmenge in der jeweiligen Region in Prozent

UDSSR/RUSSLAND GROSSBRITANNIEN 77,5 100 (davon 99,998 zu Sowjetzeiten)

(CC) URANATLAS 2019 / IAEA URANATLAS (CC) PAZIFIK 9,8 SCHWEIZ 38,9 USA NORD- ARKTISCHE ATLANTIK SEE USA 6,5 1,2 JAPAN 59,5 UDSSR BELGIEN 4,7 0,8 FRANKREICH 0,8 NIEDERLANDE

15 Regierungen – darunter Deutschland und die EU – ange- gibt es bislang keinerlei Initiativen, ihn wieder zu bergen. Der hören, stellte bereits im April 2010 fest: »Die Analyse ergab Aufwand wäre wahrscheinlich unbezahlbar, liegen die meisten erhöhte Konzentrationen von Plutonium-238 in Wasserproben Fässer doch mehrere tausend Meter tief am Meeresgrund. Die aus den Versenkungsgebieten. Das deutet auf das Auslaufen Atomindustrie fühlt sich ohnehin nicht verantwortlich. ● der Fässer hin. An einigen Stellen waren auch die Konzentra- tionen von Plutonium-239, Plutonium-240, Americium-241 und Weiterführende Informationen Kohlenstoff-14 im Wasser erhöht.« Obwohl es offensichtlich ist, Thomas Reutter und Manfred Ladwig: Versenkt und Vergessen. Atommüll vor dass der freiwerdende Atommüll die Meere radioaktiv belastet, Europas Küsten, SWR 2013, 53 Minuten, auf Youtube

43 ENDLAGER DER ORT, DEN ALLE SUCHEN Weltweit ist nur ein Endlager tatsächlich im Bau – im finnischen Onkalo. Doch es gibt inzwischen 350000 Tonnen hochradioaktiven Atommüll, und jedes Jahr kommen rund 10000 Tonnen dazu.

*Es existiert keine einheitliche Defiinition von hochradioaktivem Atommüll. Manche Staaten machen die Wärmeentwicklung zum Indikator, andere das Strahlenpotenzial. Auch die Grenze zwischen mittel- und hochradioaktivem Atommüll ist nicht eindeutig festgelegt. Dann werden Mengen mal in Tonnen, mal in Kubikmetern oder gar Containerzahlen angegeben. Dementsprechend sind die Angaben über hochradioaktiven Atommüll in den verschiedenen Atomstaaten nur bedingt vergleichbar.

Land USA RUSSLAND FRANKREICH DEUTSCHLAND JAPAN Hintergrund 1987 erteilte der Kon- Während Russland Seine hochradioak- Um ein Auswahlver- Japan hat ein grund- gress den Auftrag, über ein Endlager für tiven Abfälle will fahren für ein Endla- sätzliches Problem: sich auf ein Endlager schwach- und mit- Frankreich bei Bure ger für hochradioak- Unter dem Land tref- im Yucca Mountain in telaktive Abfälle ver- in Lothringen in 500 tiven Müll zu finden, fen gleich vier tekto- Nevada zu konzent- fügt, ist es bei hoch- Metern Tiefe in einer hat Deutschland eine nische Platten auf ei- rieren. Im Land der radioaktivem Müll Tongesteinsforma- Endlager-Kommis- nander, so dass keine Western Shoshone noch in der Erkun- tion einlagern. Das sion eingesetzt. Sie Gesteinsschicht eine sollten 70000 Tonnen dungsphase. In Frage 90 Einwohner*innen- hat empfohlen, über- Million Jahre Sicher- hochradioaktive Ab- kommt das Nischne- Dorf ist seit der Be- all in Deutschland heit garantiert. Da (CC) URANATLAS 2019 / Endlagerkommission, Greenpeace 2019 / Endlagerkommission, URANATLAS (CC) fälle untergebracht kansky-Felsmassiv in kanntgabe im Wider- nach dem am besten Atomkraft seit Fuku- werden. Der Staat der Region Krasno- stand: Weil es auch geeigneten Ort zu shima äußerst unpo- Nevada und die Wes- jarsk in Sibirien. Noch grundsätzliche Zwei- suchen. Derzeit wird pulär ist, gibt es keine tern Shoshone lehn- werden die geologi- fel am Standort Bure hochradioaktiver Region, die bereit ten Yucca vehement schen Voraussetzun- gibt, hat die französi- Atommüll in Castor- wäre, die strahlende ab, unterstützt durch gen geklärt. Sollte der sche Regierung noch behältern oberirdisch Altlast aufzunehmen. viele Umwelt- und Standort ungeeignet keine endgültige verwahrt. Es wird Japans Atomindust- Anti-Atom-Gruppen. sein, steht Russland Genehmigung erteilt. noch Jahrzehnte dau- rie hat keine Idee, um Der Standort ist vul- wieder bei null. Alternativen wurden ern, bis ein Endlager das Problem zu lösen. kanisch aktiv. aber verworfen. fertig ist.

Anzahl der aktiven, im Bau befindlichen und endgültig stillgelegten Atomreaktoren 2 31 35 5 (Stand 2019) 98 58 1 12 9 1 21 8 7 - 29

hochradioaktiver 9681 Tonnen abge- 22449 Tonnen 16889 Tonnen Atommüll * 80296 Tonnen abgebrannte Brenn- brannte Brennele- mente, 3200 Kubik- sowie und abgebrannte elemente 18640 meter flüssige Abfälle, 17000 Tonnen (bis Ende 2022) 415 Kubikmeter Brennelemente Kubikmeter flüs- 14555 Container mit flüssige Abfälle (Juni 2017) sige Abfälle verglastem Atommüll (März 2014) (Ende 2016) (Ende 2015)

Momentanes Der hochradioaktive Das Management der nuk- Atommüll soll 100 Jahre Bis ein Endlager fertig ist, Der hochradioaktive Zwischenlager Atommüll befindet sich learen Abfälle liegt in Hän- rückholbar sein. Solange wird der hochradioaktive Atommüll wird in oberir- in Zwischenlagern. Yucca den der Atomindustrie. es kein Endlager gibt, wird Atommüll an den Stand- dischen Zwischenlagern Mountain wurde 2011 Hochradioaktiver Abfall la- die Altlast zwischengela- orten der Atomkraftwerke verwahrt. Nach Fuku- verworfen. gert zum Teil ohne Schutz gert, zum großen Teil in sowie in Gorleben, Ahaus shima wurden alle einem unter freiem Himmel. La Hague. und Lubmin verwahrt. Stresstest unterzogen. Ort und Status Endlager

neuer Anlauf in Erkundung unklar offene Suche keine Idee

Yucca Mountain Krasnojarsk ist der ein- Es gibt grundsätzliche Die Entscheidung kann Ein Endlager in Australien wurde 2011 verworfen zige erforschte Standort Zweifel am Standort Bure Jahrzehnte dauern war die Hoffnung

44 URANAtlas

m 2. Dezember 1942 fand in Chicago als Teil des Daten zu Atommüll sind schwierig zu recherchieren, Manhattan-Projekts die erste nukleare Kettenreaktion IAEA und WNA haben auf Anfragen nicht reagiert. Länder mit A der Welt statt. An diesem Tag wurde der erste hochra- Wiederaufarbeitungsanlagen verringern ihre hochradioaktive dioaktive Abfall produziert – ein Becher voller Atommüll für Atommüllmenge deutlich, erhöhen dafür aber den mittelradio- die Ewigkeit. Einen Plan, diese neue Art von Müll zu entsor- aktiven Abfall um ein Vielfaches. ● gen, gab es nicht. Die Lösung wurde auf »später« verschoben. Inzwischen ist es »später«, aber noch immer ist kein Lager für hochradioaktiven Atommüll in Betrieb. Ein Endlager für strahlenden Abfall Was wir wissen: Ein Endlager für hochradioaktiven muss eine Million Jahre sicher sein. Atommüll muss eine Million Jahre sicher sein. Denn so lange So lange bleibt hochradioaktiver Atommüll bleibt der strahlende Abfall eine tödliche Gefahr. Wir haben eine tödliche Gefahr aber keinerlei Erfahrung über derart große Zeiträume.

SCHWEDEN GB CHINA FINNLAND SCHWEIZ AUSTRALIEN Mit der Standort- Der Lake District Na- China ist das ein- Onkalo bedeutet In der Schweiz soll Unter dem Namen suche wurde 1977 tionalpark in Cumbria zige Land der Welt, »Hohlraum« und ist das letzte AKW 2034 »Pangaea« entstand begonnen. Die damit steht ganz oben auf das noch immer in der Name für Finn- abgeschaltet wer- in Australien in den betraute Swedish der Liste der idealen größerer Zahl neue lands Endlager. Es den. Das Land hat späten 1990er Jahren Nuclear Fuel and Standorte für ein Atomkraftwerke baut befindet sich auf dann wahrschein- die Idee, ein Atom- Waste Management Endlager. Das Land und ans Netz bringt. der Atomhalbinsel lich 4300 Tonnen müllendlager für die Company entschied mit seinen derzeit 15 Dementsprechend Olkiluoto, auf der be- hoch- und weitere Welt zu bauen. Eine sich inzwischen für Atommeilern muss steigt die Menge an reits zwei Atommeiler 92000 Kubikmeter Allianz aus Umwelt- Forsmark, 120 Kilo- über 10000 Tonnen hochradioaktivem in Betrieb sind. 2015 schwach- und mittel- schützer*innen und meter nördlich von hoch- und über eine Atommüll. Bei Xin- erteilte die finnische radioaktive Abfälle. Aboriginals, auf de- Stockholm und eine Million Kubikme- chang in der Wüste Regierung die Lizenz 1995 und 2002 lehnten ren Gebiet das End- kristalline Gesteins- ter schwach- und Gobi im Nordwesten zum Bau eines End- die Schweizer*innen lager gebaut werden schicht in 500 Metern mittelradioaktiven des Landes erforscht lagers in tiefen Ge- zwei Endlager-Stand- sollte, verhinderte Tiefe. Dort gibt es Müll einlagern. Der- die Regierung, ob tief steinsschichten. Dort orte ab. Im Moment damals das Projekt. bereits ein AKW mit zeit geht es darum, unter der Oberfläche soll Platz für 6500 werden im Jura Ost 2015 wurde es wie- drei Meilern. Wider- eine nahegelegene ein Endlager gebaut Tonnen Atommüll und Zürich Nordost derbelebt, aber nach stand von Seiten der Gemeinde mit dem werden kann. Noch geschaffen und in den zwei Standorte für massiven Protesten Bevölkerung gibt es 16-Milliarden-Dollar- gibt es keine Ent- 2020er Jahren end- hochradioaktiven 2017 wahrscheinlich so gut wie keinen. Projekt zu locken. scheidung. gelagert werden. Müll geprüft. endgültig beerdigt.

15 1 30 45 - 1 - 1 8 - 5 12 4 5 - - - -

1377 Tonnen, zur 6758 Tonnen 10500 Tonnen 3973 Tonnen 6000 Tonnen 1139 Tonnen (insgesamt erwartete Wiederaufbereitung kein Atommüll (Ende 2016) (April 2016) (Ende 2013) Menge) verschifft (Ende 2016)

Vorerst lagert der Atom- Hoch und niedrig strah- In China werden abge- Bis zur Inbetriebnahme Frühestens 2050 kann Australien betreibt kein müll in der Nähe des lender Atommüll wird an brannte Brennelemente des Endlagers wird der die Endlagerung starten. Atomkraftwerk und hat Kernkraftwerks Oskar- mehreren Orten derzeit bislang in regionalen Zwi- gesamte Atommüll am Bis dahin wird der Müll deshalb keinen hochra- shamn. oberirdisch gelagert, das schenlagern aufbewahrt. Standort Olkiluoto in Würenlingen und an dioaktiven Atommüll. meiste in der Wiederaufbe- Den Betrieb gewährleistet zwischengelagert. den AKW-Standorten reitungsanlage Sellafield. die staatliche CNNC. zwischengelagert.

fast geklärt noch unsicher in Vorbereitung entschieden drei Orte zur Wahl verworfen

Forsmark als Standort ist Es gibt keinen politischen Die Wüste Gobi als Stand- In wenigen Jahren soll Jura Ost, Nördlich Lä- Das Projekt scheiterte am festgelegt Konsens über Cumbria ort wird favorisiert Olkiluoto fertig sein gern, Zürich Nordost massiven Widerstand

45 ENERGIEWIRTSCHAFT PROGNOSE: AUSGESTRAHLT Seit Jahrzehnten propagieren interessierte Kreise die Renaissance der Atomenergie. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Milliardenverluste, Zeitverzögerungen und erneuerbare Energien, die zunehmend kostengünstiger werden

n den 1950er Jahren wurde Atomstrom angepriesen als Jahren 1984 und 1985 gingen 33 Meiler erstmals ans Netz, 2018 »too cheap to meter«, zu billig, um den Verbrauch zu mes- waren es neun. 1979 waren 234 Meiler im Bau – ein absoluter I sen, heute erweist er sich als »too expensive to matter«, zu Höhepunkt, Anfang 2019 waren es 49; 1976 wurde mit dem Bau teuer, um relevant zu sein. Im Jahr 2017 gingen so wenig neue von 44 Reaktoren begonnen: ein historisches Maximum; 2018 Kernkraftwerke ans Netz, dass die installierte Nuklearkapa- waren es noch fünf. zität, also die theoretische Maximalleistung, weltweit gerade Zwischen 2008 und Mitte 2018 wurden 55 Atommeiler mit mal um ein Gigawatt netto stieg. Dies entspricht einem Anteil einer Leistung von 49 Gigawatt erstmals ans Netz angeschlos- von 0,4 Prozent an der gesamten neuen Kraftwerkskapazität sen. Ihre Bauzeit betrug durchschnittlich zehn Jahre. Gleich- von 257 Gigawatt. Die erneuerbaren Energien kamen dagegen zeitig wurden jedoch 52 Reaktoren mit einer installierten Leis- auf 157 Gigawatt und damit einen Anteil von 61 Prozent. Der tung von 38 Gigawatt stillgelegt, was einen vernachlässigbaren Neubau von Atomkraftwerken ist für moderne Strommärkte Nettozuwachs von drei Meilern in einem Jahrzehnt oder einem praktisch irrelevant geworden. Gigawatt pro Jahr bedeutet. Während die jährliche Strompro- Atomkraftwerke erzeugen heute in 31 Ländern Strom duktion aus erneuerbaren Energien im vergangenen Jahrzehnt und haben weltweit einen Anteil von rund zehn Prozent an enorm zugenommen hat und von 2007 bis 2017 um rund 4000 der kommerziellen Stromproduktion. Damit sinkt der Bei- Terawattstunden (TWh) gestiegen ist, nahm die Atomstrom- trag der Atomwirtschaft seit 1996 kontinuierlich, als ihr Anteil produktion um 110 TWh ab (s. Abb. rechts). am Strommix den historischen Höchststand von 17,5 Prozent Kernenergie ist mit Kohle und Gas nicht mehr konkur- erreichte. Berücksichtigt man Mobilität und Wärmebedarf, tra- renzfähig, und zunehmend auch nicht mit Wind und Solar. gen Atomkraftwerke heute weltweit 4,4 Prozent zur Deckung Investitionen in den Neubau von Atommeilern sind immer des kommerziellen Primärenergiebedarfs und weniger als zwei teurer und riskanter geworden. Jeder achte Neubau der Nuk- Prozent der tatsächlich genutzten Endenergie bei. leargeschichte wurde vor seiner Inbetriebnahme aufgegeben. Nahezu alle Indikatoren, die im World Nuclear Industry Jüngst hat es nach dem Bankrott des Herstellers Toshiba- Status Report erfasst werden, zeigen, dass die Atomindustrie Westinghouse im Jahr 2017 zwei Meiler am Standort Virgil C. vor vielen Jahren ihren Höhepunkt erklommen hat: Im Jahr Summer im US-Bundesstaat South Carolina getroffen, obwohl 2002 erreichte die Zahl der im Betrieb befindlichen Reakto- die Projektträger bereits fünf Milliarden US-Dollar in das Pro- ren mit 438 einen Höchststand, Anfang 2019 waren es noch jekt investiert hatten. Hitachi wird voraussichtlich 2,7 Milliar- 415; die Atomstromproduktion war 2006 am höchsten. In den den US-Dollar für das AKW-Projekt Wylfa an der walisischen

Atomkonzerne auf Talfahrt Atomkraft: Bedeutung überschätzt Aktienkurse der vier größten Atomkonzerne in Deutschland und Weltweite Marktanteile der Primärenergieträger Frankreich zwischen 2009 und 2019 in Euro Stand 2017 in Prozent

Wasserkraft RWE 70 Gas EdF Atomkraft 60 Engie

Eon 2019 / WNISR URANATLAS (CC) 50 6,8

(CC) URANATLAS 2019 / onvista.de URANATLAS (CC) Solar, Wind, 4,4 23,3 40 Biomasse, 3,6 Geothermie 30

20 Öl 34,2 27,6 Kohle 10

0 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

46 URANAtlas

Atomstrom nicht mehr konkurrenzfähig Erneuerbare hängen Atomkraft ab Stromgestehungskosten neuer Kraftwerke Jährlicher Zubau der globalen Stromproduktion US-Dollar je Megawatt-Stunde, Veränderung in Prozent in Terawatt-Stunden Solar, Wind, Biomasse, Geothermie Kernkraft

350 Gas Kohle 3500 Kohle

(CC) URANATLAS 2019 / WNISR URANATLAS (CC) > 3000 300 2019 / WNISR URANATLAS (CC) 3000 Gas Wasserkraft 2500 250 Wind Solar 2000 Kernkraft Öl 200 < 1500 1500 1470 150 20 1000 980 100 - 8 500 - 27 50 - 86 0 - 110 - 67 - 200 0 -500 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

Küste abschreiben müssen. Kosten, die bereits vor Baubeginn britische Pfund veranschlagt – viereinhalbmal so viel, wie entstanden sind und mehr als das Dreifache dessen, was Hita- ursprünglich für den ersten EPR in Finnland kalkuliert war. chi den beiden deutschen Stromkonzernen E.ON und RWE Der weltweit einzige EPR, der bislang Strom erzeugt, ist Tais- fünf Jahre zuvor für die Übernahme von Horizon Nuclear han-1, gebaut in China zwischen Oktober 2009 und Juni 2018 Power Ltd., der Eigentümerin von Wylfa, gezahlt hatte. Die – ebenfalls deutlich hinter dem Zeitplan und mit erheblichen Betriebskosten aus diesen fünf Jahren sind dabei noch nicht Kostensteigerungen, allerdings nicht ganz so dramatisch wie enthalten. Ein anderes japanisches Unternehmen, Toshiba, das bei seinen europäischen »Vorgängern«. bei der Insolvenz seiner ehemaligen Tochtergesellschaft Wes- Aber auch bestehende Atomkraftwerke geraten unter tinghouse rund sechs Milliarden US-Dollar verloren hatte, zog wirtschaftlichen Druck, und viele von ihnen können auf libera- bei allen Atomprojekten in Übersee, einschließlich Moorside in lisierten Energiemärkten nicht mehr bestehen. Sechs US-Reak- Großbritannien, den Stecker. toren sind bereits vorzeitig stillgelegt worden, mindestens ein Vor allem aus wirtschaftlichen Gründen wurden kom- weiteres Dutzend soll bis 2025 folgen. Andere Meiler wurden plette nationale AKW-Neubauprogramme abgebrochen oder durch direkte Subventionen von einzelnen Bundesstaaten für »ausgesetzt« – zum Beispiel in Chile, Indonesien, Jordanien, ein paar Jahre gerettet. Der wirtschaftliche Niedergang wirft Litauen, Südafrika, Thailand und Vietnam. Das Ausbleiben auch Fragen nach Auswirkungen auf die Sicherheit auf. der »Renaissance der Atomkraft« hatte dramatische finanzi- elle Auswirkungen auf die Atomkonzerne. Sowohl der histo- In etlichen Ländern wurden risch wichtigste AKW-Bauer Westinghouse musste Insolvenz AKW-Neubauprojekte aus anmelden, als auch die französische Areva, die sich selbst zum wirtschaftlichen Gründen »Weltmarktführer in der Atomenergie« ernannt hatte. Areva abgebrochen hatte über einen Zeitraum von sechs Jahren einen Verlust von 10,5 Milliarden Euro angehäuft. Verursacht haben die finanziellen Schwierigkeiten zum Hinzu kommt: Wer in Strom sparende Techniken und großen Teil Neubauprojekte, deren Fertigstellung sich immer sparsame Geräte investiert, erzielt damit oftmals größere weiter hinauszieht und deren Kosten dramatisch wachsen. Im Gewinne als mit neuen Kraftwerken zur Erzeugung von Strom. finnischen Olkiluoto wird der erste europäische Druckwas- Kernkraft verbucht dabei im letzten Jahrzehnt deutlich stei- serreaktor (EPR) gebaut. Baubeginn: 2005, geplante Fertig- gende Kosten; Wind- und Solaranlagen sind dagegen immer stellung: 2009. Frühestens im August 2019, zehn Jahre später, kostengünstiger geworden und können inzwischen mit beste- sollte der Meiler mit Brennstoff bestückt werden, im Oktober henden Kernkraftwerken und fossilen Brennstoffen konkurrie- 2019 ans Netz gehen (Stand: Juli 2019). Vergleichbar der Bau ren (s. Abb. oben und S. 48/49). eines Meilers in Flamanville/Frankreich. Baubeginn: 2007, Wirtschaftlich hat Atomkraft keine Zukunft. Die Betrei- geplante Fertigstellung: 2012. Der Reaktor soll im letzten Jah- ber versuchen mit Laufzeitverlängerungen für bestehende resviertel 2019 mit Brennstoff bestückt werden und Anfang Anlagen zu überleben, was das Katastrophenrisiko deutlich 2020 ans Netz gehen. Der finnische EPR sollte etwa drei Milli- erhöht. Und oft werden neue AKWs nur aus militärischen und arden Euro kosten, der französische vier. Bis Ende 2018 waren strategischen Gründen gebaut. ● die Kosten auf jeweils knapp elf Milliarden Euro gestiegen. Im Dezember 2018 begann der französische Staatskonzern EDF Weiterführende Informationen mit dem Bau des ersten Meilers von Hinkley Point C in Groß- Mycle Schneider, Antony Froggatt et al.: World Nuclear Industry Status Report 2019, britannien. Bereits 2017 wurden die Kosten auf 9,8 Milliarden als PDF auf worldnuclearreport.org

47 KLIMAWANDEL DIE LEGENDE VON DER KLIMAFREUNDLICHEN ENERGIE

Die Atomindustrie arbeitet an der vierten AKW-Generation und argumentiert mit dem drohenden Klimawandel. Es gibt jedoch weitaus bessere, wesentlich billigere und vor allem vollkommen ungefährliche Möglichkeiten

in Kilo Uran-235 enthält die Energie, um 24 Millionen Auch die vierte Generation von Kilowattstunden Wärme zu erzeugen, ein Kilo Kohle Atomreaktoren ist nicht gegen E kommt nur auf acht. Kein Wunder, dass die Atomin- Naturkatastrophen, Flugzeugabstürze dustrie ihre Kraftwerke seit Jahrzehnten als Heilsbringer oder Terroranschläge gesichert beschwört – neuerdings zum Schutz des Klimas. »Sämtliche Technologien, die einen niedrigen CO2-Ausstoß haben, werden gebraucht, um die Ziele des Pariser Klimavertrags zu erreichen höher ist der Energieaufwand – und damit der CO2-Ausstoß – auch Kernkraft«, kann man in der Schrift » pro Kilogramm. Warum immer größere Investitionen tätigen, and the Paris Agreement« der IAEA lesen. Klimaschutz ist wenn gleichzeitig Wind- und Sonnenstrom immer kostengüns- heute das zentrale Argument, um Atomkraft wieder salonfähig tiger zu haben sind? zu machen. Die gesundheitlichen Gefahren des Uranabbaus, Die Atomindustrie war bereits in den vergangenen Jahr- die Möglichkeit eines Super-Gaus und die immer noch unge- zehnten hochsubventioniert und ist rein ökonomisch betrach- löste Endlagerfrage werden nicht erwähnt. tet nicht überlebensfähig. Von der Beseitigung der Schäden des Um das Klima zu retten, müssten laut IAEA bis 2050 Uranbergbaus über den Normalbetrieb bis hin zu den schwer 900 Gigawatt Kernkraft neu installiert werden – selbstver- bezifferbaren Kosten für Rückbau und Endlagerung hat diese ständlich mit massiver staatlicher Unterstützung. Das wären Industrie weder den wahren Preis ihres Wirtschaftens ermit- 600 bis 700 neue Atommeiler, weit mehr als heute in Betrieb telt, noch ihre wirtschaftliche Situation angemessen beleuch- sind (s.S. 34-35). Ein solch massiver AKW-Ausbau würde das tet. Durch ihre Verflechtung mit dem Bau von Atombomben bereits bestehende Sicherheitsrisiko dramatisch vergrößern und dem Unterhalt atomar betriebener U-Boot-Flotten und und wäre für die jeweiligen Staaten ein wirtschaftliches Desa- anderer Kriegsschiffe wurden immer wieder staatliche Subven- ster (s.S. 46-47). Hinzu kommt, dass sich mit dem Ausbau der tionen bereitgestellt. Atomkraft ihre CO2-Bilanz immer weiter verschlechtern wird: Deutschland hat den Atomausstieg beschlossen und Genau wie Kohle oder Erdöl muss Uran aus der Erde heraus- begonnen, Atomreaktoren der zweiten Generation stillzulegen. geholt werden. Die ergiebigen Uranlagerstätten sind jedoch Reaktoren der dritten Generation werden nur unter wachsen- weitgehend abgebaut, so dass die Erschließung neuer Minen den Schwierigkeiten in Frankreich und Finnland gebaut, seit immer energieintensiver wird. Denn je minderwertiger das kurzem auch in Großbritannien (s.S. 46-47). Von der Atom- Uranerz ist, aus dem das Natururan gewonnen wird, desto Lobby wird gerne behauptet, dass die im Entwicklungsstadium

Die Klimalast des Stroms CO2-Emissionen verschiedener Energieträger in Gramm pro Kilowattstunde

Das Öko-Institut hat für den URANATLAS (nach ecoinvent 3.5) ermittelt, wie hoch die Klima-Emissionen unseres Strom sind

1 214 1 004 703 (CC) URANATLAS 2019 / Öko-Institut URANATLAS (CC) 141 104 98 93 15 64 30 4

Braunkohle Steinkohle Erdgas Biogas + Kraft- AKW Photovoltaik Photovoltaik Photovoltaik Wind Wind Wasser Wärme- (Druckwasser- Freifläche Dachanlage Freifläche onshore offshore (Laufwasser- Kopplung reaktor) Südeuropa kraftwerk)

48 URANAtlas befindlichen Atomreaktoren der vierten Generation deut- Wie teuer Strom tatsächlich ist lich weniger problematisch seien. Diese Flüssigsalzreaktoren (Molten Salt Reactor und dessen Weiterentwicklung Molten Stromgestehungskosten in Deutschland Salt Fast Reactor) arbeiten mit Thorium als Brennstoff. Die in Euro-Cent pro Kilowattstunde Behauptung, dieser Reaktortyp sei aufgrund seiner Konstruk- Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme hat zuletzt 2018 ermittelt, tion besonders sicher, bezieht sich lediglich auf die technische wie teuer es ist, eine Kilowattstunde Strom mit neuen Kraftwerken zu erzeugen. Die Grafik zeigt die Preisspannen und -mittelwerte der jeweiligen Anlagensicherheit. Die Bedrohung durch Naturkatastrophen, Energiesysteme. Terroranschläge, Flugzeugabstürze, menschliches Versagen und so weiter bleibt bestehen. Hinzu kommt das große Risiko der Weiterverbreitung Biogas von waffenfähigem Uran: Alle bisherigen Atomreaktoren Atom 2019 / Fraunhofer-Institut URANATLAS (CC) Wind offshore Süddtl. machen die Entnahme von waffenfähigem Material nahezu 16 Gas Steinkohle unmöglich. Beim Thorium-Flüssigsalzreaktor ist die Mate- 14 Photovoltaik Dach Norddtl. rialeinspeisung und -entnahme mittels einer eingebauten 12,4 12 12 Braunkohle Photovoltaik Dach Aufarbeitungsanlage fester Bestandteil des Reaktors. Eine 10,7 Wind onshore 10 Photovoltaik überzeugende technische Lösung, die eine Verbreitung von 9,5 9,4 Freifläche 9,2 Norddtl. bombenfähigem Material zuverlässig verhindern könnte, ist 8 bislang nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die vierte Reaktorgene- 7,1 6,7 6 6,1 ration vereinfacht den Bau von Atomwaffen wesentlich, da sie 6 keine aufwendige Anreicherung erfordert. 4 4,3 Ein Thoriumreaktor produziert zwar weniger und kürzer 2 strahlenden Atommüll als ein Uranreaktor, dafür strahlt er 0 Süddtl. stärker, was Transport und Lagerung erschwert. Die Behaup- PhotovoltaikFreifläche tung, dass man dem Brennstoff den bereits vorhandenen lang- lebigen Atommüll (Transurane) aus Atomreaktoren der ersten und zweiten Reaktorgeneration beimischen, den Müll auf diese Weise loswerden und dabei auch noch Energie gewin- Auch in Deutschland wird trotz beschlossenem Atomaus- nen könne, ist äußerst fragwürdig. Dazu sind die vorhandenen stieg an der vierten AKW-Generation geforscht. Das Karls- abgebrannten Brennelemente der ersten und zweiten Reak- ruher Institut für Technologie (KIT) beteiligt sich im Auftrag torgeneration viel zu stark verunreinigt. Bestenfalls können von EURATOM an deren Weiterentwicklung. Derartige For- Radionuklide wie Uran und Plutonium aus Restbeständen vor- schungsbeiträge konterkarieren jedoch den Atomausstieg, da handener Reaktorbrennstoffe oder ausgesonderten Atombom- ein ernstgemeinter Ausstieg auch die Beendigung der Atom- ben mit verbrannt werden. forschung bedeuten müsste.

GLOBALES POTENZIAL DER ERNEUERBAREN

und um den Globus sind Erneuerbare Energien inzwi- Erneuerbar und kostengünstig R schen deutlich kostengünstiger als Atomstrom und selbst gegenüber bestehenden Kraftwerken konkurrenzfähig, die mit Strom aus neuen Wind- oder Photovoltaikanlagen Kohle oder Kernkraft betrieben werden. Je nach Standort und in US-Dollar-Cent pro Kilowattstunde Region sind es mal Windräder, mal Wasserkraftwerke und mal Die Karte zeigt die jeweils günstigste Möglichkeit, 2 Photovoltaikanlagen, die den preiswertesten Strom liefern, wie Strom mit alternativen Kraftwerken zu erzeugen. In 3 den meisten Regionen lässt sich eine Kilowattstunde die International Renewable Energy Agency ermittelt hat. 4 für wenige Dollar-Cent erzeugen. In Nordafrika und auf der Arabischen Halbinsel liefern 5 Photovoltaikanlagen inzwischen Strom für weniger als zwei 6 Dollar-Cent pro Kilowattstunde. Aber auch an windreichen 7 - 9 Standorten im Norden ist die Kilowattstunde inzwischen für drei Dollar-Cent zu haben. Länder wie Norwegen oder Österreich wiederum nutzen ihr enormes Potenzial an Wasserkraft und zeigen damit, dass eigene Recherche 2019 / I RENA, Eurosolar, URANATLAS (CC) es schon heute auch preislich sehr interessante Alternativen zu Kohle und Atom gibt. Atomkraft kann mit dieser Konkurrenz wirtschaftlich nicht mithalten. ●

Weiterführende Informationen IRENA: Renewable Power Generation Costs in 2017, als PDF unter irena.org Links: dont-nuke-the-climate.org; ise.fraunhofer.de

49 GLOSSAR

A G Abraumhalde: Erdreich über uranhaltigem GAU: nach Meinung der Atomindustrie Super-GAU: ein Unfall wie in Tschernobyl Gestein, das im Tagebau abgeräumt und auf der größte anzunehmende Unfall in einem oder Fukushima, der weit über den größten einer Halde aufgehäuft wird Atomkraftwerk anzunehmenden Unfall (GAU) hinausgeht Aghirin’man: Menschenrechtsorganisation und nach Einschätzung der Atomindustrie in Niger I nicht passieren kann IAEA: Internationale Atomenergieagen- ASADHO: African Association for the tur. Hat die Aufgabe, die zivile Nutzung der T Defense of Human Rights. Menschenrechts- Atomenergie zu verbreiten und die Verbrei- Tailings im Uranbergbau: radioaktive und organisation in der DR Kongo tung von Atombomben zu verhindern hochgiftige Schlammreste, die beim Heraus- Atom- oder Kernkraftwerk: Besteht aus ICAN: Internationale Kampagne zur lösen des Urans aus dem Erz entstehen einem oder mehreren Atomreaktoren, mit Abschaffung von Atomwaffen Thorium: Chemisches Element aus der Kühltürmen, Turbinen, Abklingbecken und Zerfallsreihe von Uran. Es wäre ein Grund- Schaltzentrum ICBUW: Internationale Koalition zur Ächtung von Uranwaffen stoff der vierten Generation von AKWs, an Atommüll: Es gibt schwach-, mittel- und der derzeit geforscht wird hochradioaktiven Atommüll. Abgebrannte INF-Treaty: Intermediate Range Nuclear Brennelemente sind hochradioaktiv Forces – Vertrag zwischen der Sowjetunion U und den USA, zwischen dem Atlantik und Atomreaktor oder Atommeiler: Herzstück U-Ban: Kampagne zur weltweiten Ächtung dem Ural keine nuklearen Mittelstrecken- eines AKW. In ihm wird durch Spaltung von von Uranbergbau systeme zu stationieren Uran Hitze und Dampf erzeugt, der wiede- Uran: Enthält mit natürlicher Isotopen- rum eine Turbine antreibt In-situ Leaching: Verfahren, bei dem Säu- Zusammensetzung 0,711 Gewichtsprozent ren in durchlässige uranhaltige Schichten Atomwaffensperrvertrag: »Treaty on the U-235 und 99,284 Gewichtsprozent U-238 gepresst werden, um Uran herauszulösen Non-Proliferation of Nuclear Weapons«. sowie ein bisschen U-234. Kommt in Verbietet die Verbreitung von Atomwaffen IPPNW: Internationale Ärzteorganisation verschiedenen Uranmineralien vor für die Verhütung eines Atomkrieges Atomwaffenteststoppvertrag: »Compre- Uran-235: spaltbarer Anteil im Uran hensive Nuclear-Test-Ban Treaty« (CTBT). ITER: International Thermonuclear Uran-238: nicht spaltbarer Anteil im Uran Experimental Reactor. Das Projekt soll den Verbietet den Test von Nuklearwaffen Urananreicherung Fusionsreaktor Wirklichkeit werden lassen : Erhöht den spaltbaren Atomwaffenverbotsvertrag: Vereinbarung, Urananteil auf 3 bis 5 Prozent die Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, K Uranbergbau: Uran wurde früher nur im Lagerung, Transport, Stationierung und Kernspaltung: Aufspaltung eines Atom- Tagebau oder unter Tage gewonnen, heute Einsatz von Atomwaffen verbietet kerns in mehrere Teile wird der Rohstoff ungefähr zur Hälfte im B Kettenreaktion: Prozess zur Aufspaltung In-situ-Leaching-Verfahren gefördert Uranbrennelemente Becquerel: Einheit für Strahlenintensität. von Atomkernen, der sich, einmal in Gang : Werden in speziellen Gibt die Zahl der Atomkerne an, die pro gesetzt, von alleine wiederholt Fabriken (wie in Lingen) als Brennstoff für Sekunde zerfallen. Ein Becquerel bedeutet Atomkraftwerke hergestellt einen radioaktiven Zerfall pro Sekunde M Uranerz: Mischung verschiedener Uran- Manhattan-Projekt: Militärisches US-For- mineralien mit Begleitgestein. Die Konzen- C schungsprojekt zur Entwicklung der Atom- tration im Erz hat eine große Spannweite. CRIIRAD: Französisches Labor für unab- bombe von 1939 bis 1946 Rössing/Namibia: 0,03, Cigar Lake/Kanada: hängige Forschung und Information über Mayors for Peace: Zusammenschluss von 13 Gewichtsprozent Uran Radioaktivität Kommunen, die sich für die Abschaffung Uranerzaufbereitung: Im konventionellem aller Atomwaffen einsetzen Abbau wird das Erz zunächst gebrochen, D dann gemahlen. Anschließend wird Uran Depleted Uranium (DU): abgereichertes P chemisch abgetrennt Uran, das bei der Urananreicherung anfällt. PLAGE: Plattform gegen Atomgefahren Uran-Exploration: Erkundung von Uran- Enthält 0,2-0,3 Gewichtsprozente spaltbares lagerstätten Uran-235 R Uranoxid U-308: das erste Zwischenpro- Dosimeter: Messgerät, mit dem die Dosis Radioaktivität: Eigenschaft instabiler dukt nach dem Abbau von Uranerz radioaktiver Strahlung ermittelt wird Atomkerne bestimmter chemischer Elemente, zu zerfallen und dabei Energie Druckwasserreaktor (EPR): Dritte Genera- in Form von Strahlung freizusetzen W tion von Atomkraftwerken World Nuclear Association (WNA): Regenbogenschlange: Australisches Sym- Internationale Atomlobbyorganisation mit bol für den Widerstand gegen Uranbergbau E Sitz in Westminster/Großbritannien EURATOM: Europäische Atomgemein- S schaft, bei der jedes EU-Land Mitglied ist Y SDAG Wismut: Sowjetisch-Deutsche Akti- Yellowcake: Enthält circa 70 bis 90 engesellschaft Wismut. Gehörte jeweils zur F Gewichtsprozent U3O8. Der Rest sind Hälfte der UdSSR und der DDR. War für den Fallout: Radioaktiver Niederschlag als Verunreinigungen, die vor der eigentlichen Uranabbau in der DDR zuständig Folge oberirdischer Atombombentests Konversion entfernt werden müssen Fusionsreaktor: Anlage, die durch die Stromgestehungskosten: Kosten zur Fusion von Atomkernen Energie erzeugt Erzeugung von Strom

50 NUCLEAR FREE FUTURE FOUNDATION Ganghoferstr. 52, 80339 München, nuclear-free.com

Die Nuclear Free Future Foundation ehrt seit erörterten. Ihr Ziel: seine Ächtung. In der erstmals in Salzburg, in der Zwischenzeit aber 1998 Menschen und Initiativen, die sich für »Deklaration von Salzburg« forderten die auch in Los Alamos, dem Ort des Manhattan- das Ende des Atomzeitalters engagieren und Teilnehmer*innen: »Uran und alle radioakti- Projekts, in St. Petersburg, Jaipur/Indien, in Wege aufzeigen, die militärische und zivile ven Mineralien müssen in der Erde verblei- Window Rock, der Hauptstadt der Diné- Nutzung der Kernenergie zu beenden. ben!« Zwei Jahre später wurde die Deklarati- Nation, oder in München und Johannesburg. Der von der Stiftung vergebene Preis ent- on von der UN-Menschenrechtskommission Im Wechsel der Preisverleihungen spiegelt stand im Geist des »World Uranium Hearings«, angenommen. Auf dem Großglockner ist sie sich die Größe und Vielfalt der globalen bei dem 1992 Menschen aus fünf Kontinenten bis heute unter einem Felsen verwahrt. Anti-Atom- und Anti-Uran-Bewegung wider. ihre Erfahrungen mit Uranbergbau austausch- Der Nuclear-Free Future Award wird an Die Stiftung braucht allerdings jedes Jahr er- ten und Strategien gegen Uranbergbau jährlich wechselnden Orten vergeben: 1998 neut Unterstützer*innen und Sponsor*innen.

ROSA-LUXEMBURG-STIFTUNG Franz-Mehring- Platz 1, 10243 Berlin, rosalux.de

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung gehört zu den alternativen weltweit zu leisten. In solidari- großen Trägern linker politischer Bildungsar- scher Zusammenarbeit setzt sie sich gemein- beit in der Bundesrepublik Deutschland und sam mit ihren Partnerorganisationen weltweit steht als eine der parteinahen politischen für einen sozial-ökologischen Umbau ein, der Stiftungen der Partei DIE LINKE nahe. auf konkreten Verbesserungen im Hier und Seit 1990 wirkt die Stiftung im Sinne ihrer Heute aufbaut. Namensgeberin Rosa Luxemburg mit dem Ziel, Dabei organisiert die RLS politische emanzipatorische politische Kräfte zu stärken Bildung, gibt Impulse, bietet einen Ort für und so einen Beitrag zur Entwicklung von kritische Analysen und Dialoge oder vergibt demokratisch-sozialistischen Gesellschafts- Stipendien.

BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ DEUTSCHLAND Kaiserin-Augusta-Allee 5, 10553 Berlin, bund.net

Der BUND ist ein unabhängiger und gemein- Der BUND ist mit rund 600 000 Mitgliedern nütziger Verband, der auf regionaler, natio- und Unterstützer*innen einer der größten naler und internationaler Ebene arbeitet und Umweltverbände Deutschlands. Er versteht sich für den Schutz der Natur und Umwelt sich als treibende gesellschaftliche Kraft für einsetzt – damit die Erde für alle bewohnbar ökologische Erneuerung mit sozialer Gerech- bleibt. Er engagiert sich für den Atomausstieg, tigkeit. Mit 16 Landesverbänden und 2 000 den Schutz des Klimas, eine bäuerlich-ökologi- lokalen Gruppen ist der BUND im ganzen Land sche Landwirtschaft und den Erhalt der Arten- aktiv und Mitglied des Netzwerks Friends of vielfalt. Der Verband fordert ein konsequentes the Earth International (FoEI) und hat Part- Umdenken hin zu nachhaltigeren Lebensstilen. nerorganisationen in rund 70 Ländern.

LE MONDE DIPLOMATIQUE Friedrichstraße 21, 10969 Berlin, monde-diplomatique.de

In einer Zeit, in der die Nachrichtenvermitt- zerstörerische Fracking oder die fatale lung immer oberflächlicher wird, ist eine Biospritlüge berichtet. Zeitung wie Le Monde diplomatique (LMd) Le Monde diplomatique ist eine inter- unverzichtbar. Sie erklärt die Ursachen aktuel- nationale Monatszeitung, deren deutsche ler Konflikte und erkennt entscheidende Ausgabe unter dem Dach der taz produziert künftige Entwicklungen. wird. LMd veröffentlicht außer der Monats- So hat LMd früher als andere die neo- zeitung seit 2003 auch den Atlas der Globali- koloniale Ausbeutung des globalen Südens sierung und die thematische Heftreihe Edition beschrieben, vor der Kettenreaktion LMd. der Finanzkrise gewarnt und über das KOLONIALES ERBE, Seite 12 Bis in die 1980er Jahre kam das meiste Uran für US-amerikanische, britische, und französische Bomben und Reaktoren aus dem Land indigener Völker

WARNUNGEN AUS DER FRÜHZEIT, Seite 16 Die Geschichte der Urangewinnung in Australien ist auch die Geschichte des Widerstand der Aboriginals. Sie sehen die Entweihung ihrer heiligen Stätten als Bedrohung für die ganze Welt

DU: KÜRZEL FÜR DEN KRIEG OHNE ENDE, Seite 40 Obwohl die Bundeswehr keine Uranwaffen hat, unterminiert Deutschland die Anstrengungen zur Ächtung von Uranmunition

DIE LEGENDE VON DER KLIMAFREUNDLICHEN ENERGIE, Seite 48 Rund um den Globus sind Erneuerbare Energien inzwischen deutlich kostengünstiger als Atomstrom und selbst gegenüber bestehenden Kraftwerken konkurrenzfähig