Hartmut Schick S E
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Thema RichaRd Strauss Richard Strauss mit der ersten Sängerin der „Helena“, Elisabeth Rethberg, nach der Uraufführung seiner Hofmanns- thal-Oper „Die ägyptische Helena“ am 6. Juni 1928 in Dresden. Einführung Von der neuen Aktualität itz itz eines widersprüchlichen Komponisten ES r Kulturb E ch S Weshalb es Zeit wurde für eine „Kritische Ausgabe der Werke i SS u von Richard Strauss“ (1864–1949), wie sie das E neue Projekt der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mmlung pr A an der LMU München erarbeitet. lomon/S A Von hartmut Schick S E. Abb.: 6 Akademie Aktuell 02-2011 RichaRd Strauss Thema längst als den letzten „Klassiker“ der Musikgeschichte betrachtet und die beliebtesten seiner Werke der Kategorie von Beethoven und Brahms, Wagner und Mahler zu- weist, als vielmehr in der Fachwelt. Sie hatte lange ihre Probleme mit diesem Komponisten. Vorkämpfer der Moderne neben Mahler Geboren 1864 in München als Sohn eines phänomenalen Hornisten und einer Tochter aus der Bier- brauerdynastie Pschorr, vermochte Strauss bereits als Mittzwanziger einen großen Teil des Konzertpubli- kums handstreichartig zu erobern: zunächst mit den Tondichtungen „Don Juan“, „Macbeth“, „Tod und Verklärung“ und „Till eulenspiegels lustige Streiche“, denen bis 1915 ähnlich erfolgreiche Werke wie „Also sprach Zarathustra“, „Don Quixote“, „ein Heldenleben“ und „eine Alpensinfonie“ folgten – Wer- ke, die schnell zu Modellen für eine zweite Blütezeit der Gattung Sin- fonische Dichtung in ganz europa wurden. Auf der opernbühne setzte sich Strauss, nach den gescheiter- ten Versuchen mit „Guntram“ und „Feuersnot“, nicht weniger nachhal- tig durch: mit der stofflich skanda- lösen „Salome“, mit dem düster- „Die AnDeRn KomponieRen, ich mach’ expressionistischen Seelendrama „elektra“ und Musikgeschichte!“ in dieser Bemerkung, die der der musikalischen Komödie „Der Rosenkavalier“, über 80-jährige Richard Strauss kurz nach dem deren Uraufführung vor genau hundert Jahren Zweiten Weltkrieg am Luganer See einem Freund in Dresden Strauss vollends zum erfolgreichsten, itz itz gegenüber fallen ließ, manifestiert sich schein- bestbezahlten und meistaufgeführten Kompo- ES bar das ganze Selbstbewusstsein eines Kompo- nisten des 20. Jahrhunderts machte. nisten, der sich nach dem Tod Gustav Mahlers im r Kulturb E ch Jahre 1911 als den letzten in der Reihe der großen Während das Publikum dem Komponisten bis S i SS (deutschen) Komponisten verstand und mit heute unverbrüchlich die Treue hält – wenn auch u E seinem Werk das „ende des Regenbogens“ der mit einer recht schmalen Werkauswahl, die kaum abendländischen Musikgeschichte erreicht sah. die Hälfte der 15 opern umfasst und neben den mmlung pr A Von Anfang an und selbst noch als alter Mann neun Tondichtungen fast nur noch Lieder, die polarisierte er mit seinem Schaffen und seiner lomon/S Ästhetik die Musikwelt. Die Folgen sind noch A heute spürbar, weniger beim internationalen Abb.: E. S E. Abb.: Konzert- und opernpublikum, welches Strauss 02-2011 Akademie Aktuell 7 Thema RichaRd Strauss eindeutig. nach klassizistischen Anfängen als Verehrer von Brahms wurde Strauss mit seinem Übertritt zur Partei der Anhänger von Liszt und Wagner ein entschiedener „musikalischer Fort- schrittler (äußerste Linke)“, der die Verkrustun- gen akademischen Komponierens in der Men- delssohn-Brahms-nachfolge provokant aufbrach. Zeitgleich mit Mahler und dessen 1. Symphonie initiierte er 1889 mit „Don Juan“ jene etwa bis zum ersten Weltkrieg reichende musikalische Moderne, zu der auch Debussy, Reger, Zemlinsky und Schönberg gehörten. Die bis an die Grenzen des dur-moll-tonalen Systems gehende Ton- sprache seiner „elektra“ repräsentierte bei der Uraufführung 1909 den bis dahin avanciertesten „Stand“ der Musik überhaupt. Den Übergang zum atonalen, also ohne Grundton und Kadenz- harmonik arbeitenden Komponieren, den Schön- berg im gleichen Jahr vollzog, lehnte Strauss aber entschieden ab. Zeitlebens blieb seine Kreativität auf die Vorstellung von Tonarten und deren Sym- bolkraft angewiesen; Atonalität und Zwölfton- technik hielt er für Zeichen heilloser Verirrung. Renegat der Moderne? Karikatur „Einzug der Deutschen Dass sich Strauss um 1910 dem Übergang zur in Paris 1907“ im „Kladdera- Hornkonzerte und etwas Kammermusik –, war atonalen neuen Musik verweigerte und nach datsch“ 1907 (H. 21) zu Strauss’ Strauss in der Fachwelt immer umstritten, wurde „elektra“ zu konventionelleren Tonfällen zurück- sensationellem Erfolg mit und wird er von vielen experten als bedenklicher kehrte, um dann zunehmend historistische ele- „Salome“ in Paris. Die neue Fall gesehen. So irritiert bereits die Bruchlosigkeit mente einzubeziehen, wurde ihm vor allem von Werkausgabe ediert auch die von Strauss’ Karriere, in der die Katastrophen der Schönberg-Schule und zumal von Theodor hochinteressante, kaum je des 20. Jahrhunderts kaum Spuren hinterlassen W. Adorno als kommerziell motivierter opportu- gespielte französische Fassung haben. Man stößt sich zumal an der von oppor- nismus, als reaktionäre Wendung und Verrat an der Oper, die auf Wildes Origi- tunismus nicht freien Unbedenklichkeit, mit der der Moderne vorgeworfen. Für die hegelianisch naltext zurückgreift und in der sich der Komponist vom nS-Regime anfangs als denkende Musikästhetik, die den „Fortschritt des Strauss, beraten von Romain Präsident der Reichsmusikkammer einspannen musikalischen Materials“ als Kriterium verabso- Rolland, die Gesangspartien ließ, auch wenn er sich die rassistische ideologie lutierte, war die Musik, die Strauss nach „elektra“ erheblich verändert hat. der nationalsozialisten nie zu eigen machte und schrieb, musikhistorisch mindestens fragwürdig, sich für die Juden in seinem Umfeld einsetzte. wenn nicht irrelevant. Vor allem aber tat und tut man sich schwer, das Phänomen Richard Strauss musikhistorisch in erst seit einigen Jahren zeichnet sich eine Revi- seiner Gänze einzuordnen, zerbricht diese Kom- sion dieses Strauss-Bildes ab. Meinten ältere ponistenbiographie doch nach verbreiteter An- Forschergenerationen noch, sich rechtfertigen sicht in zwei Hälften, die gänzlich inkompatibel zu müssen, wenn sie sich – selten genug – mit scheinen: den jungen, idealistischen Vorkämp- Strauss beschäftigten, so sind diese Vorbehalte fer der Moderne und den älteren, saturierten mittlerweile geringer geworden und oft lebhaf- Komponisten, der ab dem „Rosenkavalier“ und tem interesse zumal bei jüngeren Musikwissen- vollends ab der „Frau ohne Schatten“ die kom- schaftlern und Studierenden gewichen. Wie kam positorische Avantgarde im Stich gelassen habe es zu diesem bemerkenswerten Wandel? und in die Spätromantik zurückgekehrt sei. Zu Grunde liegt fraglos ein neues Verständnis von Wäre Strauss wie Gustav Mahler, den er als einzi- künstlerischer Aktualität. nachdem sich der aus rg E gen gleichrangigen unter den lebenden Kompo- dem 19. ins 20. Jahrhundert übernommene naive lb E nisten anerkannte und bewunderte, bereits 1911 Fortschrittsoptimismus überlebt und die seriell id He gestorben, wäre sein ort in der Musikgeschichte komponierende Avantgarde in einer Sackgasse ität S r verfangen hatte, zeigte seit den 1970er Jahren ve ni eine Gegenbewegung, dass neues auch durch u den zitathaften Rückgriff auf den Fundus der kul- Abb.: 8 Akademie Aktuell 02-2011 RichaRd Strauss Thema turellen Tradition entstehen kann. Das intellektu- Musikdramas, sondern thematisierte mit jedem elle Spiel mit der Historizität von Stilen und idio- Werk neu Gattungsfragen und Stationen des men sowie deren ironischer Brechung generierte Musiktheaters, mit einer stilistischen Vielfalt, die eine „post-moderne“ Musik, in der die Geschichte die Gesamtheit von drei Jahrhunderten Musik- der Kunst zum Steinbruch und Selbstreflexivität geschichte zu fassen versucht. zur ästhetischen Substanz wurde. evident ist diese aus der Zusammenarbeit mit Musik, die Musikgeschichte thematisiert Hugo von Hofmannsthal erwachsene Selbstre- flexivität im experiment „Ariadne auf naxos“, Schaut man auf Strauss’ Schaffen der zweiten der Verbindung von Sprechdrama und oper als Lebenshälfte mit durch die Postmoderne ge- Spiel im Spiel, mit dem hybriden Simultanablauf schulten Augen, dann erweist sich vieles, das von musikalischer Komödie und Tragödie, und traditionell als spätromantisch abqualifiziert genauso noch im letzten Bühnenwerk, dem Kon- wird, als in Wahrheit durchaus neu. So vertraut versationsstück „Capriccio“, in dem Strauss – von das eigentliche Material – Tonalität, Harmonik, zweieinhalb Jahrhunderten operngeschichte mit Erstausgabe des Klavierauszugs Rhythmik, musikalischer Satz und Klangfarben- vielen Zitaten Abschied nehmend – das Verhält- der „Elektra“; Umschlagbild spektrum – auch sein mag: Die Art und Weise, nis zwischen Wort und Musik und die Prinzipien nach einem Entwurf von Lovis wie Strauss mit diesem Material arbeitet, um musikalischer Konversation zum Hauptthema Corinth, 1908 (links). Musikgeschichte zu reflektieren, Gattungsnor- macht. im „Rosenkavalier“ blickt er zurück auf Probenfoto von der Münchner men zu kommentieren oder ad absurdum zu die Spieloper des 18. Jahrhunderts, namentlich Uraufführung des selbstreflexiv führen, weist bereits erstaunliche Parallelen zu Mozarts „Figaro“ kommentierend, mit der „Frau Opernästhetiken diskutierenden postmodernen Ansätzen auf. Zwar verstand sich ohne Schatten“ resümiert und reflektiert er die Konversationsstücks „Capriccio“ Strauss zeitlebens als nachfolger Richard Wag- Gattung Romantische oper, mit der „Ägyptischen (1942): Richard Strauss, Horst ners. in seinen opern nach der „elektra“ perpe- Helena“ die