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John Culshaw (3) Der Herr der Klänge: – Pionier der Stereo - Aufnahmetechnik.

Die gestrige Musikstunde ging mit dem Don Juan von Richard Strauss zu Ende, in der 1956 von John Culshaw produzierten und von Fritz Reiner dirigierten Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern … heute Morgen möchte ich gleich an einen weiteren in Wien entstandenen Schallplatten-Klassiker aus dem Jahre 1960 anknüpfen. Auch hier hatte Culshaw die Fäden in der Hand, und noch einmal stand Fritz Reiner am Pult. Bei einem Dirigenten, der 1888 in Budapest geboren und 1963 gestorben ist, der zudem die letzten vier Jahrzehnte seines Lebens überwiegend in den Vereinigten Staaten gearbeitet hat, mag bei einem jüngerem Publikum die Frage aufkommen: Wer bitteschön war Fritz Reiner ???

Der amerikanische Kritikerpapst Harold Schonberg hat einmal folgende Kurzcharakteristik gewagt: „Ein kleinwüchsiger Mann - mit großem Taktstock ...und einem klitzekleinen Schlag. Aufgrund seines musikalischen Intellekts, seiner überragenden musikalischen Fähigkeiten und seines beispiellosen Gehörs nahm er im Musikleben und - denken des 2o. Jahrhunderts eine einzigartige Rolle ein.“ Soweit Harold Schonberg. Reiner genoss zu Lebzeiten (und genießt in Kennerkreisen noch heute) größte Wertschätzung, er war ein Orchestererzieher par excellence...so verdankt ihm das Chicago Symphony Orchestra den Aufstieg zur Weltklasse, bevor es übernahm. Präzision und Detailgenauigkeit galten ihm als oberstes Gesetz.

Gefürchtet war er bei den Musikern aber nicht nur wegen seines Perfektionismus und seines unfehlbaren Gehörs, sondern vor allem wegen seiner angsteinflößenden und für die Orchestermusiker oft erniedrigenden Ausbrüche. Wie eines seiner Chicagoer Opfer lakonisch anmerkte: Jeden Tag, an dem er nicht ausrastete, war er zu krank, um dirigieren zu können. Er forderte von seinen Musikern alles, führte sie an ihre Grenzen (und darüber hinaus), erzielte aber unter drakonischen Bedingungen künstlerische Ergebnisse, die bis heute nur selten erreicht oder gar überboten wurden.

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------CD Decca 467 119 2 Disc 1, track 6 4’14 ------

Rex tremendae majestatis aus Giuseppe Verdis Messa da Requiem mit Leontyne Price, Rosalind Elias, Jussi Björling und Giorgio Tozzi, dem Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde Wien und den Wiener Philharmonikern. Der Tyrann am Pult: Fritz Reiner.

Im Solistenquartett dieser Aufnahme befinden sich zwei überragende Künstler: Leontyne Price als Anfangsdreißigerin, nur wenige Monate trennten sie vom MET – Debut als Leonore in Verdis Troubadour, eine Rolle, mit der sie ihren Ruf als führende Verdi – Interpretin für die nächsten eineinhalb Jahrzehnte begründete. Und Jussi Björling, den man gerne den Caruso des Nordens genannt hat, mit einer der schönsten Tenorstimmen des 20. Jahrhunderts in einer Aufnahme, die nur wenige Monate vor seinem Tod entstanden ist. Wie wir inzwischen aus den ungeschönten Berichten in seiner Biographie wissen,( seine Witwe hat sie gemeinsam mit Andrew Farkas verfasst), litt Björling schon seit langem unter massiven, chronischen Alkoholproblemen, die auch das nächste mit Decca und der Culshaw – Mannschaft vereinbarte Projekt zu Fall bringen sollten: eine Studioproduktion von Verdis Maskenball in Rom.

Bei der Aufnahme des Wiener Requiems unter Fritz Reiner gelang es dem jüngeren Produzenten - Kollegen Culshaws im Decca – Team: gelang es Erik Smith, Sohn des deutschen Dirigenten Hans Schmidt – Isserstedt, glücklicherweise den Tenor auf dem Weg zur Aufnahme davon abzuhalten, in ein Wiener Beisl auf ein Bierchen einzukehren, wobei es erfahrungsgemäß nie blieb. Und so erleben wir hier die Tenorarie Ingemisco als einen der strahlenden Höhepunkte dieses Requiems. Mit einem Sänger in Hochform, der hier noch einmal das ganze Spektrum seiner Jahrhundertstimme ausbreitet. Geradezu erschütternd zu hören, wie die Stimme, die vier Monate später für immer verstummen sollte, noch völlig intakt klingt: das jugendlich – silbrige Timbre verströmt sich ungebrochen, er demonstriert exemplarische Atemkontrolle und sensible Phrasierung ebenso wie feinfühligen Gebrauch der Tonfarben, ideale Balance von Innigkeit und Intensität, er

3 4 spannt weite Legatobögen und fasziniert wie immer durch berührende Ehrlichkeit. ------CD Decca 467 119 2 track 1, track 8 (Blende) 4‘10 ------Eine Aufnahme, die die Sammlung jedes Verdi – Liebhabers ziert: Die Tenorarie Ingemisco aus Giuseppe Verdis Requiem mit Jussi Björling und den Wiener Philharmonikern mit Fritz Reiner am Pult, aufgenommen im Juni 1960. Was beim Requiem in Hinblick auf Jussi Björling gerade noch mal gut ging, endete bei dem unmittelbar anschließenden römischen Maskenball unter Solti in der Katastrophe. Obwohl Culshaw auch für Karajans gleichzeitig angesetzte Wiener Luxus – Fledermaus verantwortlich war, entschied er sich, erst einmal in Rom nach dem Rechten zu sehen, sein Instinkt sagte ihm wohl, dass hier die Dinge im Argen liegen könnten. Er vermutete richtig. Denn es hatte sich herumgesprochen, dass Björling bei seinen jüngsten Auftritten im Londoner Covent Garden mehrfach stark alkoholisiert auf der Bühne erschienen war.

Aber abgesehen von den Widrigkeiten, die sich dadurch ergaben, dass die Bediensteten der Accademia di Santa Cecilia angesichts der in Rom um diese Jahreszeit herrschenden bestialischen Hitze für die noch so kleinste Handreichung fast erpresserisch ein exorbitantes Schmiergeld forderten…. abgesehen davon, schien es zunächst keine weiteren Schwierigkeiten zu geben… Bis Culshaws Ko – Produzent Erik Smith eines Abends Björlings Tochter zum Abendessen einlud. Niemand hätte vermutet, dass daraus ein Problem entstehen könnte , Smith war ein Freund der Familie Björling, die Verabredung war kein Geheimnis, aber irgendwann in den frühen Morgenstunden, zwischen drei und vier, tauchte ein sturzbetrunkener Jussi Björling an Culshaws Bettende auf, um lallend zu fragen, wo seine Tochter abgeblieben sei. Culshaw hatte natürlich keine Ahnung, und versuchte Björling mit einem weiteren Drink zu besänftigen. Das misslang, denn in der Minibar des Hotelzimmers war nichts Alkoholisches aufzutreiben. Culshaw schreibt: Björling schien entschlossen, alles kurz und klein zu hauen, aber Gottseidank tauchte in diesem Moment seine Entourage auf und brachte ihn ins Bett. Am nächsten Morgen erinnerte er sich an nichts

4 5 mehr. Nun, wir haben alle mal kleinere oder größere Ausraster, kein Grund zur Panik. Wäre es dabei geblieben, hätte man diesen Abend auch in der Rubrik Blöd gelaufen abheften können. Und Schwamm drüber. Aber als es zu den Proben kam bzw. nicht kam, war schnell Schluss mit lustig. Denn natürlich war Solti klar, dass alle Beteiligten (im Klartext: Birgit Nilsson, Giulietta Simionato, Cornell MacNeill und Jussi Björling) ihre Rollen bestens kannten, aber gerade bei so hochkarätigen Artisten kam es ihm darauf an, dass die Klangbalance der Stimmen ausgeglichen war. Björling verweigerte sich gnadenlos. Zuerst ließ er sich mit Indisposition entschuldigen, dann mit hitzebedingter Atemnot, kein Grund war fadenscheinig genug, um nicht zur Probe zu erscheinen. Dann tauchte er im Studio auf, als alle anderen Solisten, Chor und Orchestermitglieder für die Aufnahmen der großen Ensembleszenen angetreten waren und verlangte, dass ohne Probe und in einem Rutsch alle Partien aufgenommen werden sollten, an denen er beteiligt war. Das konnten und wollten Culshaw und Solti nicht akzeptieren. Sie gaben zu verstehen, man müsse dann wohl nach einem andern Tenor Umschau halten. „Ihr findet keinen, und schon gar nicht so schnell“, konterte Björling. „Und außerdem gibt es keinen andern Tenor, den Ihr so gut vermarkten könnt wie mich.“

Da alle andern an diesem römischen Maskenball beteiligten Sänger in Kürze ihre Engagements an verschiedenen europäischen Bühen antreten mussten, brachen Solti und Culshaw verzweifelt die Produktion ab, um sie vielleicht irgendwann zu Ende zu bringen. Die bisherige wochenlange Arbeit war aber erst einmal umsonst gewesen. Zwei Monate danach starb Björling im Alter von 49 Jahren, und das alte Team traf sich im darauffolgenden Sommer 1961 mit Culshaw in Rom, um die Aufnahme abzuschließen. Diesesmal mit Carlo Bergonzi als Riccardo. ------CD Decca 443 959 2 track 6 7’20 ------

Non sai tu che sei l’anima mia – das große Liebesduett Riccardo - Amelia am Beginn des 2. Aktes von Giuseppe Verdis Maskenball mit Carlo Bergonzi, Birgit Nilsson und dem Orchester der römischen Accademia di Santa Cecilia Rom. Am Pult Georg Solti.

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Auch der amerikanische Pianist Julius Katchen, in unserer schnell- lebigen Zeit heute wahrscheinlich nur noch in Klavier - Fachkreisen ein Begriff …auch Katchen zählte während der 1950er und 1960 er Jahre zu den Starsolisten der Decca. Er spielte 1949 die erste Klaviersolo LP dieses Labels überhaupt ein, mit Klaviermusik von Brahms. In Katchens Pianistenkarriere spielte besonders der Kampf um die Aneignung und Verbreitung des Werkes von eine zentrale Rolle. Für seine Gesamteinspielung des Brahmsschen Klavierwerks erhielt er 1967 einen der wenigen ernstzunehmenden Preise der Schallplattenkritik, den Grand Prix du Disque de l‘Academie Charles Cros.

Und mit dem gleichen Repertoire ging er auch ein Vortragsprojekt von Ausnahmerang ein: alle Werke für Soloklavier an vier Abenden LIVE zu spielen....Julius Katchen trat damit in , New York, Amsterdam, Wien, ... und Berlin auf. Mit beispiellosem Erfolg.

Dieses tollkühne Unternehmen in den großen Musikzentren der Welt - gespielt und ergänzt um häufige Aufführungen der beiden lavierkonzerte und mehrerer Kammermusikwerke – all das spiegelt Katchens ungebrochene Liebe zu einer Musik, die Kühnheit mit Disziplin verbindet, Musik zugleich, die zwischen den Polen des Heroischen und tiefer Innerlichkeit vermittelt.

Katchens Gesamtaufnahme von Brahms Klavierwerk gilt auch mehr als vierzig Jahre nach seinem Tod noch als Maßstab, das gleiche läßt sich für einige Kammermusikeinspielungen dieses Komponisten sagen, so z.B. die Interpretation der Violinsonaten gemeinsam mit . Der amerikanische Pianist und der böhmische Geiger...sie bringen alle notwendige Lyrik und Klangfarbe für diese späten Brahmsschen Werke mit.... hier bereichert und ergänzt jeder das Spiel des Andern. Auf Suks Vielfalt der Klangfarben, sein natürliches Empfinden für die Phrasierung, und seine tiefe Einfühlung in die musikalische Struktur reagiert Katchen auf beispiellos differenzierte Weise. Ihrer beider Interpretation der Brahmsschen Violinsonaten gehört zu den Legenden der Schallplattengeschichte.

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------CD Decca 466 393 2 track 4 8‘15 ------Josef Suk und Julius Katchen spielten den ersten Satz: Allegro amabile aus der Violinsonate Nr. 2 in A – Dur op. 100 von Johannes Brahms. Katchen war dem Decca Label und dessen Chefproduzenten John Culshaw nicht nur durch die Fülle der gemeinsam realisierten Aufnahmen verbunden. Zwischen den beiden Gleichaltrigen entwickelte sich bald eine herzliche Freundschaft und ein intensiver Gedankenaustausch zu allen Themen, die Musik und angrenzende Gebiete betrafen. Es war Katchen, der Culshaw anregte und ermunterte, Kirsten Flagstad aus ihrem Ruhestand herauszulocken, was zu ihrer hochgeschätzten späten Wagner – Diskographie führte. Und als 1958 in der Firma ein neuer Produzent gebraucht wurde, empfahl Katchen Eric Smith, den in England aufgewachsenen Sohn des deutschen Dirigenten Hans Schmidt - Isserstedt. Er profilierte sich rasch als Culshaws rechte Hand, später als Nachfolger als Decca – Chefproduzent, und schließlich war er auch der verantwortungsbewusste Herausgeber der Culshaw Memoiren.

Aber zurück zu dem genialen Multitalent Julius Katchen, Jahrgang 1926. Das pianistische Wunderkind aus musikalischer Familie debütierte elfjährig mit einem Mozart- Klavierkonzert in Gesellschaft des unter Eugen Ormandy, unterbrach aber später die pianistische Karriere, um sich drei Jahre philosophischen Studien zu widmen und diese auch abzuschließen.

Als der französische Staat ihm aufgrund seiner weitgestreuten Begabungen ein großzügiges Stipendium anbot, ließ er sich in Paris nieder, gründete eine Familie, um dann auf Welttournee durch 45 Länder in allen Kontinenten zu gehen. Die ungewöhnliche Vielfalt von Katchens Talenten erstaunte nicht nur die zahlreichen Freunde. Katchen verfügte über ein Repertoire von mehr als dreißig Konzerten und fast ebenso vielen Soloprogrammen. Aber damit nicht genug: Er beherrschte darüberhinaus vier Sprachen fließend, konnte, wenn es sein musste, vor einem Konzert auch selbst den Flügel stimmen ... außerdem war er eine Autorität auf dem Gebiet der orientalischen Kunst.

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Hat er eigentlich jemals geschlafen? fragte sich der Komponist Ned Rorem, als er staunend wahrnahm, daß Katchen den ganzen Tag über arbeitete, um anschließend mit Freunden nachts ausgiebig um die Häuser zu ziehen, und am nächsten Morgen trotzdem früh aufstand und topfit war. Schongang war jedenfalls Katchens Sache nicht. Er schreckte ja auch nicht davor zurück, drei Klavierkonzert - Schlachtrösser an einem einzigen Abend zu geben: Beethoven 3, Rachmaninov 2 und Brahms 2. Und als Zugabe noch die Appassionata.

Als der glühend begeisterte Virtuose, der er war, konnte er, während er mit einem Orchester musizierte, die Musiker oft auf seine schwindelnden Höhen mitreißen. So war es auch 1957 bei seinen Aufnahmen der beiden Liszt – Klavierkonzerte mit dem spanischen Dirigenten Ataulfo Argenta, dessen Dirigat weit mehr als nur begleitend war, der dem Orchester vielmehr eine eigene Stimme gab, und der im Verbund mit Katchen dafür sorgte, dass diese selten gespielten Stücke zu mehr wurden als Sägemehl und Pailletten oder ein Konzert für Triangel, wie boshafte Kritiker einmal meinten anmerken zu müssen. ______CD Decca 475 7749 Disc 2, track 4 4’10 ______

Das Finale des 1. Klavierkonzertes in Es – Dur von Franz Liszt mit Julius Katchen und dem London Philharmonic Orchestra unter der Leitung des spanischen Dirigenten Ataúlfo Argenta.

Präzision, Inspiration,Werktreue und künstlerische Verantwortung - unter dieser Flagge segelte Julius Katchen, ohne darüber große Worte zu verlieren. Interessanterweise genoss er im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen die Herausforderungen des Tonstudios. Hier lief er noch leichter zu Höchstform auf als in manchen seiner Konzertsaalauftritte. In seinen Studioproduktionen öffnete er gewissermaßen alle Schleusen, und hat uns Musik geschenkt, die die heute oft schmaler werdenden Parameter erweitert.

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Seine Klangfarbenskala, seine Fähigkeit, Musik plastisch zu deuten, und zwar von den verträumtesten Stücken bis zu den virtuosesten Werken, das lässt sich in so glänzender Manier bei wenigen andern Pianisten seiner Generation finden. Sein Tod im Alter von 42 Jahren entriss der Welt einen Musiker von ungehemmter Lebensfreude und freiester Gesinnung…… einen Künstler, der seinem Publikum auf der ganzen Welt vermitteln konnte, dass Musik zu den reichsten und umfassendsten Spiegelungen menschlichen Empfindens gehört. Für einen seiner Freunde, den amerikanischen Komponisten Ned Rorem bedeutete Katchens alle Fachgrenzen überschreitendes Interesse, seine überbordende Energie, dieses die Nacht zum Tage machen, dass er wie Charles Baudelaire drei Leben in einem führte. Und deshalb war Katchen für Rorem, als er 1969 so jung an Krebs starb, nicht zweiundvierzig, sondern 126 Jahre alt. ------CD Decca 456 856 2 Disc 1, track 8 3’12 ------

Julius Katchen spielte die Nocturne aus der Klaviersonate Nr. 2 von Ned Rorem.

John Culshaw schreibt in seinen so informativen wie unterhaltsamen Lebenserinnerungen mit dem doppelsinnigen Titel Putting the record straight: Während meiner ersten zehn Jahre in der Schallplattenindustrie hatte ich das Glück, Persönlichkeiten wie Furtwängler, Victor de Sabata, Clemens Krauss oder Erich Kleiber ganz aus der Nähe zu erleben – noch beglückender, bei der Arbeit wie privat, waren für mich die Begegnungen mit George Szell, Hans Knappertsbusch, Fritz Reiner oder Georg Solti. Eine ganz neue Dimension, eine bislang mir unbekannte Qualität lernte ich jedoch kennen, als ich den Auftrag erhielt nach Paris zu fahren, um einige Aufnahmen mit Pierre Monteux zu machen. Von ihm als einer Legende zu sprechen, wäre die Untertreibung schlechthin. Dieser Mann hatte vor einem knappen halben Jahrhundert die Uraufführung von Strawinskys Sacre du printemps geleitet, und im Jahr davor Ravels Daphnis und Chloe aus der Taufe gehoben. Lange hatte er in den

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Vereinigten Staaten als Orchesterchef gearbeitet, in New York, Boston und San Francisco, aber noch immer hatte er, wenn er Englisch sprach, diesen unbeschreiblich charmanten Akzent , den man mit Maurice Chevalier assoziiert. Er war weder ein Mann der großen Reden noch der großen Gesten, und trotzdem – oder gerade deswegen ? – bekam er vom Orchester genau das, was er wollte. Je länger ich mit ihm zu tun hatte, desto mehr merkte ich, dass ich es mit einer besonders raren und kostbaren Spezies von Mensch zu tun hatte.

Auch die Orchestermitglieder schätzten und verehrten ihn nicht nur außerordentlich, nein, sie liebten ihn. Zu den Sternstunden meiner Tätigkeit gehörte Anfang der 60er Jahre die Betreuung seiner Aufnahmen mit dem London Symphony Orchestra. Dieser Klangkörper hatte dem Sechsundachtzig- jährigen den Posten des Chefdirigenten angetragen. Mit einem Vertrag über fünfundzwanzig Jahre, inclusive einer Verlängerungsoption für ein weiteres Vierteljahrhundert. Die älteren Mitglieder des London Symphony Orchestra , die noch unter Sir Edward Elgar gespielt hatten, bestätigten ohne Wenn und Aber, dass dessen Enigma – Variationen unter Monteux‘ Leitung so authentisch erklangen, als stünde der Komponist selbst am Pult. ______CD Decca 452 303 2 track 22 ab 1’20 3‘40

Das war die Musikstunde mit Rainer Damm. Sie ging zu Ende mit dem Finale der Enigma – Variationen von Edward Elgar mit dem London Symphony Orchestra unter der Leitung von Pierre Monteux. Mehr über den Schallplatten-produzenten und Pionier der Stereotechnik John Culshaw morgen in der Musikstunde wie immer um 9.05 – auf SWR 2.

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