Paulmccartney
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BACK IN THE USA PAUL MCCARTNEY NEW YORK CITY, OKTOBER 1991 Die Gelegenheit, mit Paul McCartney zu parlieren, ergab sich zur Unzeit. Ich war für ein paar Tage nach New York gereist, um an einem Treffen zum Erfahrungsaustausch zwischen Veranstaltern internationaler Musikkongressen teilzunehmen, ein Arbeitsaufent- halt mithin, aus dem ich das Beste zu machen gedachte: Platten- und Buchläden plündern, Konzerte besuchen, bei Freunden in Brooklyn obskure Rockabilly-Singles hören, Cheesecake futtern. So little time, so much to do. Entsprechend ablehnend reagierte ich auf das Angebot meiner Tischnachbarin, als sie mir ein Interview mit Paul McCartney an- diente. Mark Josephson, Initiator und Organisator des New Music Se- minar, hatte zum Dinner geladen (er nannte es „a little soiree“), wir saßen in überschaubarer Runde in einem Restaurant auf der Upper West Side. Ich sei doch Musikjournalist, flötete Jill, deren Nach- namen – mea culpa – ich vergaß, zu vorgerückter Stunde, da müss- te das doch ein Fressen für mich sein. Schon, konzedierte ich höf- lich, aber die mir verbleibenden paar Tage seien verplant und Paul McCartney gehöre nicht unbedingt zu den von mir meistgeschätz- ten Künstlern, also nun wirklich nicht. Eine Stunde charmanter Überredungskunst später sagte ich zu, am nächsten Vormittag gab sie mir den Termin durch für mein Treffen mit Macca. Paul McCartney war in der Stadt, um eine ganze Reihe von In- terviews zu absolvieren, hauptsächlich fürs Fernsehen. Es wäre für Paul sicher ganz erholsam, nicht fortwährend von Kameras umge- ben zu sein und zwischendurch einen Fragesteller von der schrei- benden Zunft vor sich zu haben, so meine neue Bekannte, die für Pauls Label die Public Relations koordinierte. Eine halbe bis drei- viertel Stunde, sagte sie, könne sie nach dem Interview mit Bob Costas einplanen, zwischen den TV-Dates sei genügend Luft. Und Paul sei ja bekanntlich ein gewiefter Auskunftgeber, da ließe sich 98 PAUL MCCARTNEY doch für einen Musikforscher wie mich einiges in Erfahrung brin- gen. Oh, sie konnte überzeugend sein, die gute Jill. Dessen ungeachtet hatte sie natürlich recht. McCartney müsste etwas zu erzählen haben. Als Person mochte ich ihn ohnehin, schon weil sein Engagement für Tierrechte respekteinflößend kon- sequent war. Und für seinen Anteil an Johnpaulgeorgeandringo würde meine Dankbarkeit nie versiegen, auch wenn mich die Fab Four nur in ihrer Frühzeit gefangennahmen, ich ihnen Ende 1964 entkam und ins gegnerische Lager wechselte. The Beatles waren als musikalisches Phänomen im Übrigen ein offenes Buch, gründlichst dokumentiert, und als Persönlichkeiten bis in die Kapillaren ihres Kreislaufs hinein ausdiagnostiziert. Wings? Nein, danke. Und Pauls aktuelle Musikangebote ließen mich kalt. Seine letzte Solo-LP, „Flowers In The Dirt“, lag schon zwei Jahre zurück, und hatte mich nur insofern tangiert, als sich Elvis Costello darauf als Lennon-Ersatz betätigte, als Yang, so to speak. Pauls „Unplugged“-Sessions gaben nichts her, sein beflis- sener Klassik-Krampf „Liverpool Oratorio“ war unbedingt zu mei- den, guter Rat schien teuer. Doch halt! War nicht eben diese russische Platte doch noch im Westen veröffentlicht worden, dieses etwas biedere Rock’n’Roll- Danke an die Sowjet-Fans? Das war’s! Darüber zu reden brächte uns elegant in die für mich faszinierendste Phase von Pauls Schaf- fen, in die Beatles-Frühzeit, ja in die Vorzeit. Plötzlich war Span- nung da, ich begann mich auf das Interview zu freuen. Als „The Russian Album“ geisterte besagte Platte seit drei Jah- ren durch die Presse, weil der Originaltitel nur in kyrillischer Schrift auf dem Cover stand, ungefähr „Choba B CCCP“ lautete, unaussprechlich war und übersetzt „Back In The USSR“ hieß, nach einem der besseren Tracks auf „The Beatles“, vulgo „The White Album“. Exklusiv für den Sowjet-Markt gefertigt, als kleiner Akt ausgleichender Gerechtigkeit, weil doch den Fans im Sowjetreich von ihrem Regime so viele aufregende, des Aufruhrschürens ver- dächtige Platten vorenthalten worden waren. Eine nette Geste, über die freilich gern gespöttelt wurde, Tenor: die deliziösen Torten wurden ihnen verboten, dafür gibt’s jetzt ein paar fad schmecken- de, harte Krümel, toll! Unfaire Schmähungen, denn zum einen konnte man McCartney wohl kaum die Repression im real existierenden Sozialismus zur Last legen, und zum anderen war die Platte so schlecht nun auch .