Titel Die Anschläge von Paris

„Wir werden gewinnen“ Frankreich Die Attentäter von Paris zielten auf ein junges, lässiges Paris und meinten unser aller Alltag in der offenen Gesellschaft.

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Überlebende des Anschlags auf die Konzerthalle E C N I V

DER SPIEGEL FH / ECDG 11 Titel Die Anschläge von Paris

in falscher Frühling beherrscht Paris im November, seit Wochen ist das EWetter mild, die Abende sind lau, die Straßen belebt, die Terrassen voll, als käme nicht bald der Winter. In leichten Ja - cken sitzen 80 000 Menschen unter freiem Himmel im , als sich am vergangenen Freitag die heimische und die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zu den Hymnen am Mittelkreis aufstellen. Die Marseillaise erklingt, das alte Kriegs - lied, Frankreichs Hymne: „… Gegen uns wurde der Tyrannei blutiges Banner erho - ben! Hört ihr im Land das Brüllen der grau - samen Krieger? Sie rücken uns auf den Leib, eure Söhne, eure Frauen zu köpfen!“ Historische Verse, sie werden gleich auf grauenhafte Weise aktuell. Im Stadion hören um 21.20 Uhr alle, auch Präsident François Hollande auf der Ehrentribüne, auch der deutsche Außen - minister Frank-Walter Steinmeier neben ihm, auch die sonstigen VIPs in den von Konzernen gemieteten Logen, auch die Fa - milien mit ihren Söhnen und Töchtern, auch die mit Tickets beschenkten Geburts - tagskinder, die Sicherheitsleute, die Platz - anweiser, die Balljungen einen unerklär- lichen Knall; auch die Spieler auf dem Feld hören ihn, Verteidiger Patrice Evra macht, mitten im laufenden Spiel, eine Geste der Verwirrung: In dieser Schrecksekunde be - ginnt draußen der komplexeste Terror- angriff, den Frankreich und Westeuropa seit Jahrzehnten gesehen haben. In den nächsten zwei, drei Stunden wer - den 129 Menschen ermordet, 352 verwun - det, davon viele schwer, es werden Frauen und Männer niedergemetzelt, erschossen von mindestens sieben Terroristen, die in drei Teams durch die Stadt ziehen, Cafés und Restaurants mit automatischen Waffen unter Beschuss nehmen und im Konzert - saal des Klubs Bataclan ein Massaker an - richten, wie es brutaler kaum denkbar ist: 89 Tote allein dort, umgebracht im Zuge einer zweieinhalbstündigen Geiselnahme. Die meisten Opfer sind jung. Sie sterben, weil ihr Musikgeschmack, ihre Kleidung, ihre Frisuren, ihre Vorstel - lung von Spaß, ihre Freude am Essen und Trinken, ihre Ansichten über die Liebe, ihre Ideen vom Leben – weil all dies nach Meinung ihrer Mörder die Todesstrafe un - bedingt erforderlich macht. Sie werden zu Opfern, weil ihre zufällige Anwesenheit in einer besonders lebendigen Ecke der le - bendigen Weltmetropole Paris den Ange - hörigen einer provinziellen islamistischen Todesschwadron ein Dorn im Auge ist. Dies ist die Geschichte eines Terror - angriffs, dies sind die zu Frankreichs Schwarzem Freitag gehörigen Fakten, In - dizien und Überlegungen, zusammenge - tragen von einem Autorenteam besetzt mit Korrespondenten und Reportern von SPIE - GEL , SPIEGEL TV und SPIEGEL ONLINE . Opfer vor dem Restaurant La Belle Équipe: „Denen Angst machen, die am wenigsten Angst haben“

12 DER SPIEGEL FH / ECDG Sie waren teils schon vor Ort, als die Mör - gen Schönen von Paris. Man findet sie im der im Bataclan noch am Werk waren, sie Chez Prune, im 25 Degrées Est, man findet können bezeugen, wie sich die Straßen sie an jeder Ecke hier. rund um die Tatorte in ambulante Laza - Der kleine Platz vor dem Petit Cam- rette verwandelten und die Stadt in ein bodge, an dem fünf Straßen zusammen - Trauerhaus. Sie haben danach Augenzeu - laufen, war bei gutem Wetter von Don - gen gesprochen, Lebensspuren der Täter nerstag bis Samstag immer voller junger verfolgt, sie haben Frankreich beobachtet Leute. Das Cambodge war über das Viertel in den Tagen danach und daran gearbeitet, hinaus bekannt für seine gute, billige Kü - den Opfern ein Gesicht zu geben. Es geht che, große Schalen Reisnudeln mit Gemü - darum zu begreifen, dass dieser Angriff se, riesige Rindfleischsuppen, alles für 14 nicht einem Pariser Stadtviertel oder vor - Euro. Weil man keinen Tisch reservieren rangig Frankreich als einer im Nahen Os - konnte, musste man beim Kellner seine ten kriegführenden Nation galt. Dieses Handynummer hinterlassen und gegen - Attentat hat sich gegen unser aller Alltags - über im Carillon bei einem Bier auf den leben gerichtet, in Frankreich, in Deutsch - freien Tisch warten. land, in Europa, Amerika, Afrika, Asien, Hier fuhren die Killer um 21.25 Uhr vor, Australien, es richtet sich gegen jeden, der zwei Männer, vielleicht auch drei. Sie ka - sein Leben in Frieden und Freiheit leben men in einem schwarzen Seat mit belgi - will. schem Kennzeichen, sie hielten mitten auf der Straße, stiegen aus und feuerten. In I. Die Tatorte und die Taten Richtung Cambodge, in Richtung Carillon. Nicht der Eiffelturm, nicht der Louvre, Es sterben im Kugelhagel 15 Menschen, 10 nicht der Arc de Triomphe, nicht die werden teils lebensgefährlich verletzt. Champs-Élysées sind in Paris das symboli - Nach solchen Szenen lautet die Frage stets: sche Ziel der Attacken, sondern Restau - Warum? Aber sie stellt sich, in diesem Fall, rants und Kneipen mit Namen wie Le Petit besonders laut. Cambodge, Café Bonne Bière, La Belle Genügt denn irgendwem die Erklärung, Équipe. Das 10. Arrondissement zwischen dass den Extremisten die Buntheit dieses der Gare de l’Est und dem Canal Saint- Stadtteils schon Provokation genug war? Martin, das 11. Arrondissement zwischen Dass sich die selbst so unreinen Fanatiker République und Bastille sind, auf den ers - der Reinheit beleidigt fühlten von der herr - ten Blick, sehr unwahrscheinliche An - schenden Lebensart? Dass sie diese an schlagsziele; kaum ein Fremder kennt diese manchen Tagen so erfolgreich gelebte Uto - Orte, nur fortgeschrittene Touristen verlie - pie einer Welt hassten, in der Menschen ren sich hierher. jeglicher Hautfarbe, Herkunft und Religion Cafés und Bars reihen sich aneinander, friedlich neben- und miteinander leben? kleine Gemüseläden, schräge Boutiquen, Es ist schwieriger. Es ist schlimmer. marokkanische Kebab-Grills, chinesische „Es war die Mitte der Gesellschaft, die Hinterzimmerlokale und Metzger, die hier getroffen wurde“, sagt der Philosoph nach islamischer Vorschrift „halal“ schlach - Patrice Maniglier, der die einst von Jean- ten. Einwanderer aus Algerien, Tunesien, Paul Sartre mitgegründete Zeitschrift „Les aus dem Sudan und Mali leben hier neben Temps modernes“ leitet und regelmäßig Studenten aus aller Welt, Handwerkern, im Petit Cambodge gegessen hat. Die An - Medienleuten und alt gewordenen Anar - schlagsorte, sagt Maniglier, waren genau chisten. Die Religion eines Menschen spielt bedacht. Es waren Orte, an denen sich die hier für das Zusammenleben weiter keine Kreativen, die Gutverdienenden, die Jun - Rolle, Morgen- und Abendland quetschen gen, die Gewinner der Gesellschaft treffen. sich in verwinkelten Straßenzügen zusam - „Die Mörder wollten denen Angst machen, men und machen das Beste daraus, es ist die am wenigsten Angst haben“, sagt Ma - ein Stadtviertel wie ein Kondensat des niglier. „Sie wollten dieses Gefühl der bunten, sympathisch chaotischen Europa. Sorglosigkeit zerstören. Die Folgen werden Überwiegende Teile des 11. und des an - gravierend sein.“ grenzenden 10. Arrondissements sind Klei - Um 21.32 Uhr kommen die Mörder in neleuteviertel bis heute, „quartiers popu - der Rue de la Fontaine-au-Roi an, vor dem laires“, doch das Gesicht der Stadt ändert Café de Bonne Bière, vor der Pizzeria sich auch hier. In die ehemalige Gewerk - Casa Nostra. Dasselbe Muster, derselbe

A schafterzentrale an der Rue Jean-Pierre Ablauf, der schwarze Seat, anhalten, aus - P D

/ Timbaud ist ein Kulturzentrum einge - steigen, schießen, zwei Mann, fünf Tote, P A

/ zogen, aus Autowerkstätten werden acht Schwerverletzte. N I T R

A Schmuckdesigner-Ateliers, Schneidereien Um 21.36 Uhr Rue de Charonne, Res - M E

S zu Architektenbüros. Vor allem die Stra - taurant La Belle Équipe. 19 Tote, 9 Schwer - I A H

C ßen und Gassen auf beiden Seiten des Ca - verletzte.

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P nal St. Martin sind zur Bühne für die Bo - Um 21.40 Uhr, während das dritte Team O S

E bos geworden, die bohémiens-bourgeois, in die Konzerthalle Bataclan am Boulevard N N

A die Bürger, die wie Künstler leben oder Voltaire eindringt, sprengt sich unweit da - gar wie ewige Kinder, die Hipster, die jun - von, vor dem Café Comptoir Voltaire, ei -

DER SPIEGEL FH / ECDG 13 Titel Die Anschläge von Paris

Spuren des Terrors Ablauf der Pariser Anschlagsserie und die Täter

1. Terrorkommando – Stade de France Zahl der Todesopfer nach den ersten Stunden Drei Täter sprengen sich zwischen 21.20 und 21.53 Uhr während des Länderspiels Frankreich–Deutschland in die Luft. Zwei von ihnen hatten zuvor versucht, in das Stadion zu gelangen. Ein Fußballfan wird mit in den Tod gerissen. P S F S A E (20) R „Ahmad Almohammad“ bisher nicht Bilal Hadfi P

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O Bei einem Attentäter wird ein auf diesen identifizierter Der Franzose mit Wohnsitz I T C

A Namen ausgestellter syrischer Pass ? zweiter Täter in Belgien soll sich gefunden, Echtheit unklar. Der Täter war nach Angaben von EU- damit als Flüchtling über Griechenland Ermittlern als IS-Kämpfer nach Westeuropa eingereist. Die in in Syrien aufgehalten Griechenland genommenen Fingerabdrücke haben. Auf den Namen Ahmad Almohammad stimmen mit denen des Attentäters überein. ausgestellter Ausweis

2. Terrorkommando – Anschläge auf Bars und Restaurants Mindestens zwei Attentäter fahren mit einem schwarzen Seat verschiedene Lokale an, schießen wahllos auf die Anwesenden und töten dabei mindestens 39 Personen. 21.25 Uhr, Le Petit Cambodge und Le Carillon: 15 Tote Stade de France 21.32 Uhr, Café Bonne Bière und Casa Nostra: 5 Tote 21.36 Uhr, La Belle Équipe: 19 Tote 21.40 Uhr, Comptoir Voltaire: Selbstmordattentat ohne weitere Todesopfer

Brahim Abdeslam (31) Molen- Brüssel Franzose mit Wohnsitz in Brüssel und Mieter des Tatfahrzeugs. Calais beek Lille Bruder von Salah Abdeslam. Er sprengt sich vor dem Comptoir BELGIEN Voltaire in die Luft. War möglicherweise zuvor an den anderen Anschlägen in der Umgebung beteiligt. Der Seat wird noch am Wochenende in Montreuil, einem Vorort im Osten von Paris, sicherge- stellt. Die Fahnder finden im Fahrzeug Kalaschnikows und Munition. FRANKREICH

Reims A P D Salah Abdeslam (26) Paris Möglicher Tatbeteiligter. Hatte außerdem den Wagen angemietet, Chartres 100 km der beim Bataclan-Anschlag benutzt wird. Gerät wenige Stunden nach den Anschlägen in einem schwarzen Golf mit zwei weiteren Insassen, Hamza Attou und Mohamed Amri, bei Cambrai Sacré- in eine Kontrolle – die Polizei lässt das Fahrzeug weiterfahren. Cœur Am Samstag stellt die Polizei den Wagen im Brüsseler Stadtteil Molenbeek sicher. Attou und Amri werden festgenommen. Nach Salah Abdeslam wird gefahndet. Gare du Nord Gare 10. Arrondissement de l’Est 3. Terrorkommando – Konzerthalle Bataclan Le Petit Cambodge und Le Carillon Mindestens drei Attentäter fahren in einem schwarzen Polo vor, stürmen um 21.49 Uhr den Saal und eröffnen das Feuer. Gegen 0.20 Uhr dringen Spezialkräfte in das Gebäude ein. Zwei Attentäter sprengen sich in die Luft, ein weiterer wird erschossen. Café Bonne Bière und Casa Nostra 89 Menschen sterben.

Ismaël Omar Mostefaï (29) Louvre Bataclan 11. Arrondissement Der Franzose soll bis mindestens 2012 in Chartres gelebt haben. Seit 2010 von den Behörden unter „Fiche S“ wegen möglicher Radikalisierung registriert. Zwischen Ende 2013 und Anfang 2014 La Belle soll sich der Familienvater in Syrien aufgehalten haben. Place de Équipe Comptoir Voltaire Notre- la Bastille Dame P F

S A ei Samy Amimour (28) ne Gare Der in Paris lebende Franzose war 2012 als radikaler Islamist de Lyon Gegenstand von Ermittlungen und tauchte im Herbst 2013 unter. PARIS Seitdem wird er per Haftbefehl gesucht. 2 km bisher nicht identifizierter ? dritter Täter

14 DER SPIEGEL FH / ECDG ner der Attentäter in die Luft. Er stirbt als Einziger dabei. Die Machart der Anschläge lässt an ei - nen neuartigen, postmodernen Terror den - ken, der einem vorkommen kann wie nach popkulturellen Verfahren gestrickt, eine Art Best-of-Dschihad, das den Überfall ei - ner Stadt nach dem Muster von Mumbai mit dem nihilistischen Gestus schulischer Amokläufer verbindet. Kalaschnikows kommen zum Einsatz, die Waffe der Wahl aller Mörder, die sich für Rebellen halten, aber auch Sprengstoffwesten, so als sollten mitten in Westeuropa Vorbilder in Palästi - na, Israel und Irak zitiert werden. Der Überfall auf das Bataclan erinnert zudem an tschetschenische Aktionen gegen russi - sche Ziele. Alle Aktionen dieser Nacht at - men die selbstverständliche menschenver - achtende Brutalität, mit der der „Islami - sche Staat“ tagtäglich seine islamistische Geisterbahn namens Kalifat aufführt. Im Bataclan spielen an diesem Abend die . Der martiali - S E

sche Name verleitete manchen Berichter - G A M I statter nach den Ereignissen, die Band als P D D satanisch angehauchte Heavy-Metal-Ver - /

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anstaltung zu beschreiben, tatsächlich ma - A B A

/ chen diese Eagles freundlichen Gute-Lau - S S E

ne-Rock, es ist eine Gruppe musizierender R P

S Ironiker und Sarkasten. I K L A

Die Killer kommen um 21.40 Uhr. Im B Bataclan geht es nicht um eine Hit-and- Möglicher Drahtzieher Abaaoud: Eine Art Best-of-Dschihad Run-Aktion, hier haben sie Größeres ge - plant. Sie nehmen die Zuschauer, die es gerieten wieder aus dem Fokus, das gehört Fotos wirken die Schwestern frei und nicht rechtzeitig zu den Not- und Bühnen - mittlerweile zum Muster des international selbstbewusst. Ein Kopftuch tragen sie ausgängen schaffen, als Geiseln, sie brin - operierenden Terrorismus: Künftige An - nicht. Und Samy? Arbeitete als Busfahrer gen wahllos Menschen um, zweieinhalb greifer tauchen unter, andere mimen vo - der Linie 148 bei den Pariser Verkehrsbe - Stunden lang, bis polizeiliche Spezialkräfte rübergehend den unauffälligen Mitbürger, trieben. um 0.20 Uhr zugreifen, einen der Täter er - um den Rechtsstaat zu zwingen, sie wieder Im Jahr 2012 ermittelten die Behörden schießen, während sich zwei andere selbst aus dem Visier zu nehmen, nur um dann gegen ihn, weil er geplant haben soll, in sprengen. Im Saal: 89 Tote und eine un - zu gegebener Zeit und abseits der polizei - ein Terrorcamp in den Jemen zu reisen. übersehbare Zahl von Verletzten. lichen Aufmerksamkeit aus dem terroris - Im Herbst 2013 erschien er nicht zu Kon - tischen Schläfertum zu erwachen und zu - trollen der Justiz, woraufhin Frankreich II. Die Täter zuschlagen. einen internationalen Haftbefehl gegen ihn Fünf der sieben in Paris getöteten Atten - Im aktuellen Fall ist bemerkenswert: ausstellte. In jener Zeit verschwand Samy täter waren Bürger der Europäischen Uni - Diese Terroristen wurden nicht, wie so Amimour nach Syrien, um ein Terrorist on, Franzosen oder Belgier, also hier in viele ihrer Vorgänger, in Gefängnissen ra - zu werden. Westeuropa zu Hause, das ist der Stand dikalisiert. Soweit bekannt, musste keiner Im Dezember 2014 erschien in der fran - von Dienstag. Die Identität von zweien ist von ihnen je eine Haftstrafe absitzen; das zösischen Zeitung „Le Monde“ ein Text, noch ungeklärt. Selbst die mutmaßlichen erschwert die Polizei- und Geheimdienst - den die Redaktion jetzt erneut veröffent - Drahtzieher in Syrien, Abdelhamid Abaa - arbeit obendrein. lichte. Er erzählt von Samys Vater, der oud und , sind belgische und Samy Amimour, 28, gehörte zu den At - nach Syrien reiste, um seinen Sohn nach französische Staatsbürger. Wenn die fran - tentätern vom Bataclan. Er wurde in Hause zu holen. Doch der Versuch schei - zösischen Behörden nun Interesse haben Frankreich geboren und wuchs in Drancy terte, der Sohn hatte in Syrien geheiratet zu betonen, dass der Schwarze Freitag von auf, einer Pariser Vorstadt. Seine Familie und wollte trotz einer Verletzung bleiben, Syrien aus gesteuert worden sei, dient dies lebt im dritten Stock eines Mehrfamilien - beim IS. Irgendwann kam er wieder. Ir - auch der Verschleierung des Umstands, hauses an der Place Marcel Paul, einer Huf- gendwann stand er im Bataclan, in der dass die Angreifer letztlich wieder Einhei - eisensiedlung mit grüner Wiese in der Mit - Hand ein Sturmgewehr, um die Hüften mische waren, die ihre Heimatländer, also te. Man kennt die Geschichten, die Nach - Sprengstoff. Frankreich und Belgien, offenkundig so barn erzählen: Samy habe sie als Kind mit Ismaël Omar Mostefaï, 29, starb eben - hassten, dass sie sich in Syrien zu Mördern Küsschen begrüßt, sagt eine ältere Dame, falls im Bataclan, er soll sich am Ende fortbildeten. die Amimours seien freundliche Leute. selbst in die Luft gesprengt haben. Die Po - Alle namentlich bekannten Attentäter Der Vater des Killers hat als Verkäufer lizei fand zwischen den Trümmern einen vom Freitag waren den Geheimdiensten gearbeitet, die Mutter für einen Kulturver - Finger, der ihm zugeordnet werden konnte. und zuständigen Polizeistellen zu bestimm - ein, die älteste Schwester lebt in Dubai, Mostefaïs Familie hat algerische Wurzeln, ten Zeiten als Gefährder bekannt, und alle die jüngste studiert an der Sorbonne. Auf er wurde in einer Pariser Vorstadt geboren.

DER SPIEGEL FH / ECDG 15 Titel Die Anschläge von Paris „Am Ende doch noch kalte Füße“ Fußball Mit dem abgesagten Länderspiel kommt die Sorge vor Anschlägen nach Deutschland.

lles war bereitet für einen konnte ihr Mienenspiel kaum beunruhi - eine Gruppe von Nordafrikanern plane Abend von großer Symbolik. gender sein. einen Terroranschlag während des Län - ADie Fußballarena in Hannover Der Fußball mit seinen Arenen ist derspiels. war geschmückt in den Farben der Tri - zum Ziel des Terrors geworden. Die At - Die Hinweise seien außergewöhnlich kolore, der französischen Nationalflag - tentäter in Paris, zumindest einer von konkret, hieß es aus Sicherheitskreisen, ge, und der Deutschlandfahne, dazwi - ihnen, wollten beim Spiel Frankreich und hätten auch Namen von Tatver - schen das neue Zeichen der verwunde - gegen Deutschland im Stade de France dächtigen enthalten. Damit seien sie ten westlichen Welt, das stilisierte ein Blutbad anrichten. Vier Tage später weit über die Qualität jener Erkennt - Peace-Signet mit dem Eiffelturm. war womöglich Hannover, die HDI-Are - nisse hinausgegangen, auf deren Die Fans zogen zum Stadion, stiller na, das Ziel von Terroristen. Grundlage nach dem Anschlag auf als normalerweise, keine Schlachtgesän - Bereits in den Tagen vor der Partie „Charlie Hebdo“ die Pegida-Demons - ge, kein Gegröle, eher andächtig, in sich kursierten Gerüchte. Am vorigen Wo - tration in Dresden und der Braun - gekehrt. Sie kamen mit der Bahn, mit dem Auto, zu Fuß, nachdenklich, aber ohne wirk - liche Sorge. Zwei Stunden vor dem Spiel übte auf dem Rasen die Blaskapelle jenes Musikstück, das den Abend prägen sollte: die Marseillaise. Es sollte ein emotionaler Moment werden, eine große Geste, das Länderspiel zwi - schen der deutschen und der niederländischen National - mannschaft am Dienstag - abend in Hannover sollte ein Zeichen setzen gegen den Ter - ror. Gegen den Hass, gegen den tödlichen Fanatismus isla - mistischer Mörder. Die Kanzlerin war auf dem Weg ins Stadion, die Mann - schaften ebenso, als um 19.14 Uhr der Fußball doch der

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Furcht vor dem Terror wei - R E T U

chen musste. Es habe sich eine E R

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Gefahrenlage ergeben, so hieß R E O M G M I es vonseiten der Behörden zu - A B M

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nächst betont sparsam. A I H B P A F Später am Abend wurden N die Meldungen präziser. Es Polizistin vor, Sicherheitskräfte in der Hannoveraner HDI-Arena: Es sollte ein großer Abend werden habe eine Bombenwarnung gegeben. Und ein polizeibekannter Ge - chenende war das Sicherheitskabinett schweiger Karnevalszug abgesagt wor - fährder sei in der Stadt gewesen. im Kanzleramt zusammengekommen. den waren. Dann erhielten die Behörden eine In - Die Franzosen hätten Erkenntnisse mit - Offenbar versuchte das niedersächsi - formation, die der Auslöser für die Ab - geteilt, nach denen auch in Deutschland sche Landeskriminalamt bereits seit sage gewesen sein soll: Demnach habe Anschläge des IS geplant seien. Montag, die Hinweise in einer Sonder - es den Hinweis auf ein mit Sprengstoff Bestätigt wurden diese Meldungen kommission zu verdichten. Am Abend beladenes Fahrzeug gegeben. Das Auto von offizieller Seite nicht. Dass Bundes - um 17 Uhr löste das Landeskriminalamt habe eine Zugangsberechtigung zum polizisten seitdem aber mit Maschinen - dann ein Alarmprotokoll für solche Stadiongelände gehabt. Die Information pistolen und Schutzwesten verstärkt an Fälle aus – und informierte alle Poli- stamme von einem ausländischen Nach - Bahnhöfen und Flughäfen patrouillie - zeidirektionen: Es gebe Hinweise, richtendienst. ren, darf als Hinweis gewertet werden, dass ein großer terroristischer Anschlag Weder Bundesinnenminister Thomas dass solche Warnungen existierten und geplant sei. Nun hieß es: Ein Syrer de Maizière noch sein niedersächsischer ernst genommen wurden. sei der potenzielle Attentäter, ein Amtskollege Boris Pistorius wollten sich Am Montag dann erhielten die nie - Mann, wohnhaft im Weserbergland, zu Details äußern – „um die Bevölke - dersächsischen Behörden weitere nach - angeblich ein Schläfer, der aktiviert rung nicht zu verunsichern“. Dabei richtendienstliche Hinweise. Es hieß, worden sei.

16 DER SPIEGEL FH / ECDG Man habe sehr konkrete Informatio - fiehlt, die Terrorabwehr mit den Nach - Später zog seine Familie nach Chartres nen. Vermutlich kamen auch sie von ei - barländern zu koordinieren, auch über südwestlich von Paris. Der Polizei war nem ausländischen Geheimdienst. die Abwehr von Drohnen müsse ge - Mostefaï gut bekannt. Achtmal wurde er Man kann davon ausgehen, dass am sprochen werden. „Da richtet sich der zwischen 2004 und 2010 für kleinere De - Dienstagabend, am Spieltag, alle Ein - Blick auf den Transport von biologi - likte verurteilt, immer kam er mit Bewäh - satzkräfte informiert waren über die schen Waffen.“ rungsstrafen davon. Mostefaï war offen - kritische Lage. Die Polizeikräfte ließen Ein Plot wie aus einem Film, aber kundig ein Voyou, ein Gauner, bevor er sich nichts anmerken, sie blieben gelas - Spahn sieht darin ein mögliches Szena - zum Fanatiker wurde. sen, es sollte keine unnötige Unruhe rio. Für Frankreich erwartet er 2010 soll er Vater einer kleinen Tochter unter den anreisenden Fußballanhän - „schlimm s tenfalls Zustände wie bei den geworden sein, etwa zur selben Zeit geriet gern entstehen – bis man sich zur Absa - Olympischen Spielen in Sotschi“. Es gab er ins Blickfeld des französischen Geheim - ge entschloss und das Stadion evakuiert in Russland strenge Grenzkontrollen, das dienstes. Es heißt, Mostefaï habe in Char - wurde. „Man hat das sehr lange laufen aufwendigste Zugangssystem, das jemals tres Kontakt zu einem radikalen Prediger lassen und am Ende doch noch kalte bei einer Sportveranstaltung angewendet aufgenommen, der heute in Belgien lebt. Füße gekriegt“, sagte ein Ermittler. wurde, Sicherheitschecks an jeder Bahn - In Chartres, wo Mostefaï bis 2012 wohn - Ist Deutschland, dank der Arbeit der station, getarnte Militärposten, versiegel - te, findet sich das ehemalige Haus der Fa - Polizei, wieder einem Anschlag zuvor - te Autos, Überwachungsdrohnen und milie in einer kleinbürgerlichen Siedlung gekommen? Fußballspiele sind Momen - 30 000 Sicherheitskräfte in der Stadt. Das im Stadtteil Madeleine. Der spätere Atten - te der Freude, der Leichtigkeit, auch verdarb die Atmosphäre. Sotschi wirkte täter, sagen Nachbarn, sei ein großer, der Euphorie. Bleibt das so? wie ein Hochsicherheitsgebiet, das sollte schlanker Junge gewesen und habe auf der Im kommenden Jahr wird in Frank - es auch. Straße höflich gegrüßt. Mit seinem Vater reich die Fußballeuropameisterschaft Bestenfalls, sagt Spahn, würden die besuchte er die Anoussra-Moschee im Zen - ausgetragen. Das Turnier wird unter Franzosen „ein wunderbares Fußball - trum von Chartres, dort erinnern sich man - dem Eindruck der Anschläge von Paris fest“ erleben. Das ist für die Uefa nur che noch gut an ihn, er sei nicht aggressiv stehen – und auch unter dem Eindruck noch zweitrangig. „Wir wollen das aufgetreten, erzählen sie, aber es gab doch der Geschehnisse in Hannover. höchste Level an Sicherheit bieten“, das Gerücht, dass Mostefaï nach Syrien ge - Schwer vorstellbar, dass die EM noch teilt der Verband per Mail mit. „Wenn gangen sei. Nach seinem Weggang aus ein Fest der puren Lebensfreude wird. das nur mit weniger angenehmen Me - Chartres verliert sich die Spur von Ismaïl Dass die Franzosen und ihre Gäste auf thoden zu erreichen ist, dann sei es so. Mostefaï. Er soll 2013 über die Türkei nach Fanmeilen, den Boulevards, in Cafés Für uns zählt, dass die Menschen sicher Syrien gelangt sein und dort längere Zeit und Bars sorglos eine Party erleben. nach Hause kommen.“ verbracht haben. Die Nachrichtenseite Wie viel Sicherheit braucht es, um Nach Anschlägen wie jenen in Paris, BuzzFeed berichtete am Montag, die Tür - künftig Sportgroßereignisse abzuhalten, sagt Borwin Bandelow, Experte für kei habe französische Ermittler zweimal wie viel Sicherheit vertragen Events Angststörungen an der Universität Göt - vor Mostefaï gewarnt. Erst nach den An - wie eine WM, eine EM, Olympia? tingen, „gibt es immer eine Schockstar - griffen in Paris hätten sich die Franzosen Der islamistische Terror hat den re – aber die vergeht“. Sogar weitere zurückgemeldet. Sport bereits im April 2013 erreicht. Terrorattacken würden kaum bleiben - Auch Brahim Abdeslam, 31, dessen Damals verübten zwei Männer aus dem den Schrecken verbreiten, weil sich Selbstmordattentat vor dem Comptoir Vol - Kaukasus einen Anschlag auf den Bos - Menschen auch an ständige Bedrohun - taire, bei dem niemand zu Tode kam außer ton-Marathon, zwei Rucksackbomben gen gewöhnten. ihm selbst, rätselhaft blieb, kam aus Mo - detonierten nahe dem Ziel, drei Men - Vielleicht muss man sich tatsächlich lenbeek. Sein Bruder Salah, ebenfalls an schen kamen ums Leben. daran gewöhnen, dass in Zukunft öfter den Attacken beteiligt und flüchtig, ist der - Die EM in Frankreich wird eine riesi - Spiele abgesagt, Stadien evakuiert wer - zeit der vielleicht meistgesuchte Mann ge, nur schwer abzusichernde Sportver - den. Hannovers Polizeipräsident Volker Europas. Ein Papier, das dem SPIEGEL ex - anstaltung werden. Die Uefa hat die Kluwe wollte am Dienstagabend nicht klusiv vorliegt, zeigt, dass Brahim bereits Zahl der Nationalteams von 16 auf 24 abwiegeln: „Wir haben konkrete Hin - früher wegen krimineller Taten angeklagt aufgestockt. In den Stadien werden weise gehabt, dass jemand im Stadion wurde. Es ging um Urkundenfälschung, 2,5 Millionen Zuschauer erwartet, einen Sprengsatz zünden wollte.“ Mit Hehlerei, Einbruch mit Diebstahl. Doch Frankreich rechnet mit sieben Millio - diesem Satz hatte der Horror Deutsch - die Richter in Brüssel blieben milde: Bra - nen Menschen in den Fanzonen. Ge - land erreicht. him musste 35 Stunden Sozialarbeit leisten spielt wird unter anderem in Paris, Tou - Am vorigen Dienstagabend gab es und eine Geldstrafe von 55 Euro – ausge - louse, Nizza und Marseille – Städten, ein großes Fußballfest. Nicht in Hanno - rechnet – an einen Spezialfonds für „Opfer in denen Experten die gefährlichsten ver, nicht in Brüssel, wo die Partie der von mutwilliger Gewalt“ zahlen. Sein An - Terrorzellen Frankreichs vermuten. Belgier gegen Spanien schon frühzeitig walt Olivier Martins erinnert sich an sei - Das Sicherheitskonzept, das es für abgeblasen worden war. nen Mandanten: „Er war ein höflicher die EM längst gibt, wird nach den An - Das Fest fand in London statt, im Mensch, kein streng praktizierender Mus - schlägen von Paris und dem Abend von Wembley-Stadion. England spielte ge - lim. Ich hatte den Eindruck, er sei auf ei - Hannover überdacht werden, noch ist gen Frankreich. Die Arena leuchtete in nem guten Weg.“ Zeit dazu. Helmut Spahn rät den fran - den Farben Blau, Weiß, Rot. 80 000 Zu - Man kann die Namen der Attentäter so zösischen Behörden und Politikern al - schauer. Alle sangen vor dem Anpfiff weiter durchbuchstabieren, es ist immer lerdings, besonnen zu bleiben und die französische Nationalhymne. Die dieselbe, oft unauffällige Biografie, bis zu nicht „reflexartig Gesetze zu verschär - Marseillaise. dem Punkt, an dem die Radikalisierung fen“. Spahn war Sicherheitsbeauftrag - Rafael Buschmann, Jörg Diehl, Lukas Eberle, einsetzt, bis zu dem unbegreiflichen Punkt, ter des DFB, mittlerweile arbeitet er als Maik Großekathöfer, Hubert Gude, an dem alle Menschlichkeit aussetzt, wo Geschäftsführer des International Cen - Detlef Hacke, Jörg Kramer, Udo Ludwig, junge Männer zu blindwütigen Mördern tre for Sport Security in Katar. Er emp - Gerhard Pfeil, Andreas Ulrich werden, von Anfang an offenkundig ent - schlossen, am Ende der Kommandoaktion

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S A M O T Trauernde in Paris: „Ich werde euch meinen Hass nicht geben“ selbst zu sterben und das alles ohne Ge - germuster, darunter ein hellblaues Hemd, Jetzt schaut euch an, was wir heute im An - schrei – kaltblütig und still, als wäre ein auf dem Kopf die Mudschahidin-Mütze. hänger hinter uns herziehen.“ Abaaoud wichtiger Job sauber zu erledigen. Abaaoud spricht über den Kampf gegen strahlt noch immer, zeigt nach hinten – Wer leitet diese Männer an? Wer wäscht die Ungläubigen, gegen die Kuffar. und der Blick fällt auf sechs oder mehr ihnen die Hirne? Es sieht bislang danach Er benutzt das Vokabular klassischer IS- Leichen, die an den Wagen gekettet im aus, dass ein Belgier der entscheidende Propaganda, aber bei ihm wirkt das Ganze Dreck liegen und hinter dem Truck herge - Hintermann der Pariser Attentate sein wie ein sonniges Urlaubsvideo, wie eine schleift werden. könnte, , 28, gebür - Geschichte, die unheimlich Spaß macht. Dieser Abaaoud wird verdächtigt, an tig aus Molenbeek-Saint-Jean, einer der Lebenslustig, fast liebenswert wirkt dieser einer ganzen Reihe von versuchten Atten - bekanntesten belgischen Dschihadisten, IS-Kämpfer mit den strahlenden Augen taten beteiligt gewesen zu sein, die zum der sich gern mit einer weichen, zu groß und dem gewinnenden Lächeln, während Teil auf geradezu spektakulär dilettanti - geratenen Mütze der afghanischen Mud - er seine Grausamkeiten verkündet: „Frü - sche Weise scheiterten. Das bekannteste schahidin zeigt und dadurch wirkt wie ein her haben wir Jetskis, Motorräder und An - Beispiel ist der fehlgeschlagene Angriff Clown. Es gibt viele Fotos von ihm, Videos, hänger voller Urlaubsausrüstung geklaut. auf mindestens eine Kirche am 19. April. Selfies, Interviews, er bedient sich der so - Damals hatte ein 24-jähriger algerischer zialen Netzwerke, zumal seit er sich 2013 Student namens Sid Ahmed Ghlam die dem IS angeschlossen hat. In einem Inter - Bis zu 10 000 Leute Pariser Sanitäter gerufen und behauptet, view mit dem IS-Propagandamagazin „Da - jemand habe ihm in den Fuß geschossen. biq“ brüstete er sich noch im Februar 2015 sind laut Inlands - Als die Polizisten im 13. Pariser Arrondis - damit, mehrfach zwischen Belgien und Sy - sement anrückten, entdeckten sie eine rien hin- und hergereist zu sein, ohne dass geheimdienst Blutspur, die bis zu einem Auto führte. man ihn abgefangen habe. Darin fanden sie eine Kalaschnikow, zwei Seit Monaten wird Abaaoud von der als Sicherheitsrisiko Handfeuerwaffen, eine kugelsichere Wes - belgischen Polizei gesucht, im Sommer die - te und Munition. In seiner Wohnung stie - ses Jahres wurde er in Abwesenheit zu registriert. ßen sie auf Dokumente, die den geplanten 20 Jahren Haft verurteilt. Eines der ver - Anschlag schilderten. Es stellte sich he - störendsten Bilddokumente zeigt ihn im raus, dass Ghlam an diesem Morgen einen Fe bruar 2014 in Syrien, ein Kumpel hat Anschlag auf eine Kirche im südlichen Pa - das Video mit dem Smartphone gedreht. riser Vorort Villejuif begehen wollte, sich Zu sehen ist Abaaoud am Steuer eines aber versehentlich in den Fuß geschossen Pick-ups, in einer Strickjacke mit Norwe - hatte.

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Auch an dem gescheiterten Angriff auf sie diesem Kontinent am besten schaden nach Befragung durch die Polizei wieder den Thalys-Zug von Brüssel nach Paris soll und seine Werte zerstören können. auf freien Fuß gesetzt. „Eine völlig unauf - Abaaoud beteiligt gewesen sein, ebenso Molenbeek. Früher war der Stadtteil das fällige Familie“, sagt Khannouss. soll er Mehdi Nemmouche gekannt haben, Ziel von türkischen und marokkanischen Nur auf Molenbeek zu zeigen greift zu den Mann, der am 24. Mai 2014 im Jüdi - Einwanderern auf der Suche nach Arbeit, kurz. Allein der Blick auf den Brüsseler schen Museum von Brüssel vier Menschen in den vergangenen Jahren wurde der Stadtteil, den nun Kamerateams aus aller tötete und den ersten Anschlag auf euro - Stadtteil zum Knotenpunkt für verschie - Welt belagern, erklärt nicht, warum das päischem Boden beging, der dem IS zuge - dene dschihadistische Strömungen. 1080 – kleine Belgien zu Europas Hauptlieferant ordnet wird. die Postleitzahl von Molenbeek steht für Dschihadisten wurde, zum europäi - Wie eng in diesem Milieu alle miteinan - längst für „Dschihad City“. Ein Mann, der schen Zentrum auf der Landkarte des isla - der vernetzt sind, zeigt auch die Verbin - im Zusammenhang mit den Anschlägen mistischen Terrors. Belgien ist auch jenseits dung Abaaouds zu einem der bekanntes - auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ im von Molenbeek ein schwieriges Land. Die ten französischen IS-Terroristen: Fabien Januar gesucht wurde, lebte in Molenbeek. beiden großen Bevölkerungsgruppen, Fla - Clain, 35, alias Omar. Der Dschihadist aus Und auch die beiden jungen Männer, die men und Wallonen, liefern sich ein zähes Toulouse war bereits an dem gescheiterten kurz darauf bei einer Antiterroroperation Ringen um Einfluss im Staat, und das wirkt Attentat in Villejuif beteiligt, nach Ansicht in Verviers an der deutsch-belgischen sich auch auf die gedeihliche Organisation von Sicherheitsbehörden ist er der Spre - Grenze erschossen wurden, stammten von der Sicherheitsbehörden aus. „Brüssel ist cher, der im französischsprachigen IS-Be - hier. eine relativ kleine Stadt, 1,2 Millionen“, kenneraudio zu den Anschlägen in Paris In Molenbeek kommt man zudem leicht sagte Innenminister Jan Jambon. „Trotz - zu hören ist. an Waffen. Der Täter, der im August meh - dem haben wir sechs Polizeibehörden. Und Clain gehört nicht zur neuesten Gene - rere Menschen im Hochgeschwindigkeits - 19 Bezirksverwaltungen. New York ist eine ration der Dschihadisten, die sich durch zug Thalys schwer verletzte, hatte sich hier Stadt mit elf Millionen. Wie viele Polizei - den Krieg in Syrien radikalisiert haben. Er eingedeckt. behörden haben sie dort? Eine.“ zählt laut „Libération“ schon seit 2001 zu Der stellvertretende Bürgermeister Ah - Radikalisierung, Behördenchaos und die den ewigen Terrorismusverdächtigen. Er med El Khannouss, ein Kenner der Szene, zentrale Lage mitten in Europa machen und sein Bruder Jean-Michel, 33, stammen räumt unumwunden ein, die Kontrolle ver - Brüssel zu einem idealen Versteck für Leu - aus La Réunion, konvertierten zum loren zu haben. „Sie funktionieren wie te, die nicht erkannt werden wollen: Isla - und führten in den Toulouser So- eine Sekte“, sagt er über die Islamisten. misten, Waffenhändler und Terroristen, zialwohnungsvierteln eine salafistische Nur die radikaleren der 22 Moscheen in die Anschläge planen. Nach London sind Gruppe an. Sie heirateten beide Frauen, Molenbeek im Blick zu haben reicht längst es mit dem Eurostar knapp zwei Stunden, die ebenfalls zum Islam konvertierten und nicht mehr. Wie um das zu beweisen, auch in Paris ist man mit dem Zug in wenig die Burka trugen, wollten zur terroristi - macht schon bald nach den Pariser An - mehr als einer Stunde. schen Weiterbildung in den Irak und gin - schlägen eine Adresse die Runde, wo zwei Die Folge: Eine Vielzahl der westlichen gen später, im Jahr 2014, nach Syrien. Dass Männer wohnten, die ins große Morden Dschihadisten in Syrien kommt aus Bel - sie von dort aus in den Angriff auf Paris verwickelt waren – Place Communale 30, gien, gemessen an der Einwohnerzahl ex - verwickelt waren, gilt für den Moment als genau gegenüber vom Rathaus. Hier ka - portiert das Land mehr Gotteskrieger als wahrscheinlich – und es wäre eine schlim - men die Brüder Abdeslam her – es gibt jeder andere europäische Staat. Etwa 200 me Niederlage für den französischen Si - drei –, zwei von ihnen hatten die Finger belgischstämmige Dschihadisten sollen cherheitsapparat. im Spiel, der dritte, der älteste, arbeitet sich laut belgischer Polizei derzeit in Sy - Gewiss, die Szene der französischen bei der Gemeindeverwaltung und wurde rien aufhalten, etwa 130 sind bereits nach Dschihadisten ist groß, bis zu 10 000 Leute sind nach Angaben des Inlandsgeheim - dienstes DGSI „fichés S“, also als Sicher - heitsrisiko registriert. Und doch: Eigentlich ist es ein Netzwerk, in dem immer diesel - ben Namen auftauchen, wenn es Ernst wird, und in dem sich Terroristen aus frü - heren Generationen immer wieder Nach - folger heranziehen. Warum sind sie nicht zu stoppen? Ein großer Teil der Antwort ist nicht in Frankreich zu finden, sondern in Belgien. Dorthin führen die Spuren auch dieses Anschlags, und sie führen mitten hinein ins berüchtigte Molenbeek, eine Gemeinde am Rand der Brüsseler Innenstadt, und dort in das vor allem von Muslimen be - wohnte Viertel auf der anderen, der armen Seite des Kanals. Hier, in Sichtweite der schicken Boutiquen und angesagten Res - taurants, leben rund 95 000 Menschen, etwa 40 Prozent davon Muslime, viele ar - beitslos. Im Brüsseler Europaviertel in sechs Kilometer Entfernung entstehen Ge - setze für einen ganzen Kontinent. Hier, in Molenbeek, treffen sich radikale Islamisten in geheimen Zirkeln und überlegen, wie Aufnahmestation im Hospital Saint-Louis: „Es lagen überall Leute herum“

DER SPIEGEL FH / ECDG 19 Titel Die Anschläge von Paris

ls wir in letzter Minute vor dem am Canal Saint-Martin, wurden eben Stade de France ankommen, etliche Menschen in einem Restaurant Aherrscht Chaos. Hunderte Men - „Ihr könnt erschossen, doch das haben wir noch schen drängen kurz vorm Anpfiff noch nicht mitbekommen. Wir suchen ein ins Stadion. Wild, vielleicht ein biss - Taxi. Aber weil die Metro nicht mehr chen zu wild für unsere drei Kinder: nicht mehr fährt, sind alle besetzt. Auch der Drei - neun, fünf und drei Jahre alt. Sie ha - jährige winkt den Taxen zu. ben im Auto auf der Fahrt von Brüssel Nach einigen Minuten kommt eine nach Paris geschlafen, jetzt sind sie auf - ins Hotel“ junge Frau auf uns zugelaufen. „Wollt geregt: Zum ersten Mal beim Spiel der ihr mit den Kindern reinkommen?“, deutschen Nationalmannschaft, und Der Brüsseler Korrespondent fragt sie. „Im Fernsehen heißt es, die Thomas Müller ist in der Startelf. Eine Peter Müller war mit Attentäter seien noch auf der Straße.“ Minute nach dem Anstoß um 21 Uhr Marie, so heißt sie, hatte uns vom Fens - sind wir auf unseren Plätzen. Hinter seinen drei kleinen Kindern ter ihrer Wohnung aus gesehen. uns sitzt eine Einwandererfamilie, im Stade de France, als Wir landen in einer Altbau-WG, im wie wir mit drei kleinen Kindern, alle die Anschläge verübt wurden. Wohnzimmer steht eine leere Flasche wedeln mit französischen Fahnen. Rotwein auf dem Tisch, es hat Pizza Es steht null zu null, als es zum ers - gegeben. Die Bewohner wollten ausge - ten Mal rumst. Ein dumpfer Knall, es hen, als die Meldungen von den An - klingt nicht wie ein Feuerwerkskörper. schlägen kamen. Jetzt verfolgen sie im Ich schaue meinen Nachbarn an, auch Internet die Fernsehnachrichten. Es ist andere halten für einen Moment inne, nach Mitternacht, die WG wird zum aber das Spiel auf dem Rasen geht wei - Anlaufpunkt für Nachtschwärmer. Sie

ter, alles scheint normal. „Allez les L folgen den Warnungen der Polizei, die E G E bleus!“ aus Zehntausenden Kehlen. I Straßen zu verlassen. Krankenwagen P S

Acht Minuten vor Spielende zücke ich R mit Blaulicht rasen vorbei, einmal zäh - E D

/ mein Handy, um noch ein paar Fotos zu len wir acht in schneller Folge. R E L machen. Auf dem Bildschirm blinkt eine L Obwohl sich mehr als zehn Leute im Ü M

Eilmeldung von SPIEGEL ONLINE : R Raum drängen, ist es sehr ruhig. Einige E T E

„Französische Medien berichten über Ex - P starren fassungslos auf den Bildschirm, plosionen und Schüsse in Paris – offen - Journalist Müller mit Sohn im Stadion andere haben ihre Smartphones ge - bar mehrere Tote“. Ich zeige den Text „Papa, wie im Krimi“ zückt und versuchen, Freunde zu errei - meiner Frau hinter dem Rücken der Kin - chen. Das Fernsehen zeigt Bilder vom der. Wir beschließen aufzubrechen. Der Sturm der Polizei auf die Konzerthalle Knall aus der ersten Halbzeit wirkt nun band stehen Polizisten mit Maschinenge - Bataclan. nicht mehr wie ein lauter Spaß, aber wehren. Für unsere Kinder ist es ein Als Journalist habe ich vor Jahren noch sind wir nicht wirklich beunruhigt. Schock. Schwerbewaffnete kennen sie, einmal Bombenanschläge in Afgha - Das ändert sich, als wir durch den wenn überhaupt, nur aus den Nachrich - nistan erlebt, Terror war, wenn über - äußeren Metallzaun das Stadion verlas - ten. Freundlich, aber bestimmt sagen haupt, etwas, das mit dem Beruf zu sen wollen. Menschen rennen uns ent - die Polizisten: „Heute Nacht könnt ihr tun hatte. In Paris ist er in das Fami - gegen, erst wenige, dann Hunderte. nicht mehr ins Hotel.“ Warum, erfahren lienleben eingedrungen. Wird dieser „Mit den Kindern würde ich hier ver - wir nicht. Wir beschließen, mit der Terror für unsere Kinder später zum schwinden“, ruft eine Frau. Wir eilen Bahn in die Stadt zu fahren, um dort Alltag gehören? zurück unter die Betonpfeiler der Tri - ein anderes Hotel zu nehmen. Wir wis - Wir werden eingeladen, in der WG bünen, befürchten, von der Masse sen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, zu übernachten. Unsere Kinder spüren, überrannt zu werden. Das Spiel ist in - dass die Terroristen in Bars und Restau - dass die Gefahr vorüber ist, und ma - zwischen zu Ende. Wie wir später er - rants wahllos Menschen erschießen. chen es sich im Bett einer Bewohnerin fahren, hat die Polizei das Stadion ver - Mein Handy hat keinen Strom mehr, gemütlich. Vor ihnen steht ein Laptop, schlossen gehalten. „Was ist los?“, wol - das Smart phone meiner Frau schafft es darauf ein Film: „Minions“, Teil zwei. len die Kinder wissen. Was sollen wir nicht ins Internet, die Leute um uns he - Sie vergessen die Welt um sich herum. sagen? Wir wissen auch nicht viel. rum sind genauso planlos. Mein Sohn, Als ich am Morgen danach Auto und Über Lautsprecher werden die Fans der seine belgische Vorschule jeden Mor - Gepäck hole, erzählt mir der Manager, aufgerufen, das Stadion ruhig zu ver - gen nur unter heftigem Protest besucht, dass unser Hotel über Nacht zur Not - lassen. Wir wollen zu unserem Hotel sagt: „Papa, Vorschule ist besser.“ aufnahme für Verletzte geworden ist. gleich in der Nähe, das Gepäck holen Der Zug hält am Gare du Nord, dem Wenige Meter entfernt hatte sich einer und ab zum Auto. Eigentlich hatten Nordbahnhof, plötzlich knallt es an der Attentäter in die Luft gesprengt, wir vor, am nächsten Tag Paris zu be - den Fenstern. Unsere Tochter denkt, es etwa eine Stunde nachdem wir auf sichtigen, jetzt wollen wir nur noch wird geschossen, aber es sind Polizis - dem Weg ins Stadion mit unseren Kin - weg. Der Eiffelturm ist gestrichen. ten, die an die Scheiben hämmern. „Al - dern dort vorbeigekommen waren. Meine Frau trägt den Kleinen, ich den lez vite!“, rufen sie, der Bahnhof wird Erst jetzt wird uns klar, wie gefähr - Fünfjährigen, unsere Tochter läuft zwi - evakuiert. Schwer bewaffnete Männer lich der Abend wirklich war. Dass ein schen uns, es ist kurz nach elf. Die Stra - in Schwarz drängen zur Eile, Menschen anderer Attentäter mit dem Spreng - ßen sind voller Menschen, jeder spürt, hasten die Treppen hoch. „Papa, wie stoffgürtel etwa zur gleichen Zeit wie dass etwas Schlimmes passiert ist, aber im Krimi“, sagt der Fünfjährige. wir am selben Stadioneingang ange - alle sind ruhig. Der Weg zum Hotel ist Die Gegend um den Gare du Nord standen haben muss, ist ein Gedanke, abgesperrt. Vor dem rot-weißen Plastik - ist hip, ein Ausgehviertel. In der Nähe, der uns erst viel später kommt.

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N A M R E H

S E V Y Einsatz von Spezialkräften im belgischen Molenbeek: Gar kein so schlechter Ort

Belgien zurückgekehrt, eine gewaltige He - Kilometer von Bontes Rathaus entfernt, Verdächtigen auf, auf die Straße zu treten. rausforderung für den zersplitterten Sicher - gibt es von alledem – nichts. „In Brüssel Niemand kommt. Vom Balkon einer Nach - heitsapparat. herrschen bei der Polizei chaotische Zu - barin kann man in eine abgesperrte Straße Einer, der dagegen ankämpft, ist Hans stände, es fehlt an Kontrolle über radikale schauen. Acht Polizisten stehen vor einer Bonte, ein hemdsärmeliger Typ mit Glatze. Islamisten“, warnt Bonte schon länger. Eingangstür, vermummt, schwer bewaff - Früher war er Sozialarbeiter in Molenbeek, Anfang der Woche, nach den Pariser At - net. Sie brechen die Tür auf, gehen in die jetzt sitzt er im schmucken Rathaus von tentaten, fällt die Polizei in Molenbeek ein, Wohnung, kommen lange Zeit nicht he - Vilvoorde am nördlichen Rand der Haupt - Dutzende Polizisten in voller Montur, mit raus. Mehr als eine halbe Stunde vergeht, stadt. 28 junge Menschen sind aus der Sturmhauben, Schutzwesten und Maschi - bis sie mit zwei Personen heraustreten. Die wohlhabenden Gemeinde im Brüsseler nenpistolen laufen durch die Gassen, eini - beiden Verdächtigen tragen Handschellen, Speckgürtel nach Syrien in den Krieg ge - ge klettern auch auf den Dächern der grau - ihre Oberkörper sind nach vorn gebückt, zogen, der letzte im Mai vergangenen Jah - en, kargen Mietshäuser herum. Es ist Mon - sie werden in einen Minivan gebracht. res. Das sind mehr als aus jeder anderen tagmorgen, der dritte Morgen nach den Die Razzia dauert mehr als sechs Stun - belgischen Stadt. Acht sind bislang zurück - Anschlägen von Paris, und die Polizei hat den, die Anwohner schimpfen, weil sie gekehrt. Einige desillusioniert, andere je - nun endgültig auch Molenbeek ins Visier ihre Wohnungen nicht betreten dürfen. Sie doch mit Sprengstoff im Kopf. Bonte sagt: genommen. Zahlreiche Wohnungen wer - stehen vor Gemüse- und Textilläden, trin - „Ich kenne sie alle genau.“ den durchsucht, Verdächtige verhört. ken Mocca, reden darüber, dass Molen - Wer aus Syrien nach Vilvoorde zurück - So groß wie die Razzia, die gerade we - beek gar kein so schlechter Ort sei. kommt, bekommt erst mal einen Termin nige Meter von Molenbeeks Stadtzentrum Am Ende der Operation wird die Polizei beim Bürgermeister. Und das ist erst der entfernt durchgeführt wird, war keiner der Salah Abdeslam nicht gefunden haben. Auftakt. Für die Rückkehrer und etwa 45 vorausgegangenen polizeilichen Zugriffe. Nicht an diesem Morgen, nicht in Molen - weitere Männer, die sich in der Vergangen - Die Sondereinheit hat das Viertel weiträu - beek. Der Staatsanwalt wird später ver - heit anfällig für das Werben von Islamisten mig gesperrt, überall hängt Flat terband, melden, dass keine der Verhaftungen dazu gezeigt haben, hat Bonte ein besonderes Polizisten bewachen einzelne Straßen - geführt hat, dass die Tatverdächtigen ge - Programm entwickelt – um jeden von ih - mündungen. Die Beamten fahnden nach richtlich in Gewahrsam genommen werden nen kümmert sich ein speziell zusammen - Salah Abdeslam, der wohl beteiligt war dürfen. gestelltes Team: Polizist, Lehrer, Imam, in Paris, aber entkommen konnte, obwohl manchmal sogar die Exfreundin. All das er im nordfranzösischen Cambrai in eine III. Die Toten und die Überlebenden kostet Kraft, Zeit und Geld, aber es lohnt Polizeikontrolle geriet und kontrolliert Djamila Houd, 41, Verkäuferin, stirbt. sich. wurde. Valentin Ribet, 26, Anwalt, stirbt. Inzwischen macht das Modell überall in Man hört, wie die Polizisten über einen Guillaume Decherf, 43, Musikjournalist, Belgien Schule, nur in Brüssel, ein paar Autolautsprecher rufen. Sie fordern die stirbt.

DER SPIEGEL FH / ECDG 21 Titel Die Anschläge von Paris

Ariane Theiller, 24, stirbt. Raphael Hilz, 28, geboren in München, en alle. Menschen fallen hin, fallen um, Kheireddine Sahbi stirbt. sein Leben endet im Petit Cambodge, er fallen übereinander. Cécile Misse, 32, stirbt. war ein großer, trainierter Sportler, Sohn Besnard liegt da, stellt sich tot, hofft, Alberto Gonzalez Garrido, 29, stirbt. eines Kinderarztes in Oberammergau, in dass er verschont bleibt. Er kann sich nicht Thomas Duperron, 30, stirbt. der Stunde seines Todes sitzt er beim Essen bewegen, zwei Verletzte liegen quer über Manuel Dias, 63, ein portugiesischer mit Kollegen, einem Mexikaner und einem seinen Beinen. Überall Blut. Viermal laden Busfahrer, der seit Jahrzehnten in Frank - Iren, auch sie werden von den Kugeln der die Täter nach. Schießen, bis die Magazine reich lebt, ist das erste Opfer der Nacht, Kalaschnikows getroffen und verletzt, aber leer sind. Als die beiden Attentäter zum der einzige Mensch, der durch die Selbst - überleben. Hilz war Architekt, angestellt dritten Mann, den Besnard nicht sehen mordattentäter am Stade de France stirbt. im Pariser Büro des Stararchitekten Renzo kann, auf die Empore steigen, robbt er Thomas Otvas, 28, hat überlebt. Er ist Piano. Kollegen von ihm sagen, er habe Pa - zum Notausgang, neben der Bühne. Er Schaufensterdekorateur, ein großer, schlan - ris und das freie Leben in der Stadt geliebt. folgt den Blutspuren und flüchtet sich in ker Mann, er sagt: „Es war ein Angriff auf Hélène Muyal, 35, stirbt im Bataclan, ein Studentenheim gleich hinter dem Ba - uns.“ Drei Freunde hat er im Petit Cam - sie hinterlässt einen 17 Monate alten Sohn taclan. Dort sitzt er zusammen mit ande - bodge verloren, sie saßen draußen an den und ihren Mann Antoine Leiris, der sich ren fast drei Stunden lang in einem dunk - Tischen, als die Schüsse durch die Luft in einem Facebook-Eintrag an die Islamis - len Zimmer. zischten, ein vierter landete schwer ver - ten wendet und schreibt: „Am Freitag habt Er erzählt von der Nacht in einem Café letzt im Krankenhaus, „wir hoffen, dass er ihr das Leben eines wunderbaren Wesens vor dem Rathaus des 11. Arrondissement; durchkommt“, sagt Thomas. Seine Hände gestohlen, die Liebe meines Lebens, Mut - seine Hände zittern so stark, dass er kaum spielen mit dem Cocktailglas, fahren durch ter meines Sohnes, aber ich werde euch den Strohhalm in seinem Orangensaft zu Gesicht und Haare, den Alkohol kippt er meinen Hass nicht geben. Ich kenne euch fassen kriegt. Gerade kommt er von einer in langen Zügen hinunter. nicht und will euch nicht kennen, euch, Psychologin; die Stadt hat im Rathaus ein Ludovic Boumbas, 40, den seine Freun - die ihr tote Seelen seid. Wenn der Gott, Versorgungszentrum eingerichtet. Vor der de „Ludo“ nannten, er feierte im Restau - für den ihr blindwütig tötet, uns nach sei - Mairie steht ein Tischchen mit Blumen und rant La Belle Équipe den Geburtstag einer nem Ebenbild erschaffen hat, dann hat einem Kondolenzbuch, das Bataclan liegt Freundin, als die Mörder kamen. Boum - jede Kugel im Körper meiner Frau auch keinen Kilometer entfernt. bas, erzählen Zeugen, versteckte sich sein Herz zerrissen. Das Geschenk, euch Nohemi González, 23, Studentin aus Ka - nicht, als die Schüsse fielen, er versuchte zu hassen, werde ich euch dennoch nicht lifornien, stirbt. andere zu retten. Er warf sich vor zwei machen. Ihr wollt, dass ich Angst habe, Maud Serrault, 37, seit Kurzem verhei - Tunesierinnen, aber die Kugeln der Atten - dass ich meine Mitbürger skeptisch be - ratet mit einem Deutschen, der die Schüsse täter waren schneller. Dann stellte er sich trachte. Vergesst es. Auch im Tod wird im Bataclan überlebt hat, stirbt. schützend vor ein fremdes Mädchen, das mich meine Frau begleiten in diesem Pa - François-Xavier Prévost, 29, Werber, be - den Angriff schwer verletzt überlebte, radies der freien Seelen, zu dem ihr nie - geisterter Tennisspieler, stirbt. Boumbas starb, ein Mann aus dem Kongo, mals Zugang finden werdet.“ Asta Diakité, gläubige Muslimin, gerade der sein Geld als Paketzusteller verdiente Max Besnard, 35, ein schmaler Mann beim Einkaufen, wird erschossen. und der, sagen alle seine Freunde, das Le - mit Vollbart und Ring im Nasenflügel, er 129 Leute sterben in dieser Nacht, alte, ben liebte. überlebt das Bataclan, er kennt den Saal junge, Franzosen, Touristen, Christen, Nicolette, 23 Jahre alt, Pariserin und gut, seit Langem besucht er hier Konzerte, Muslime, Atheisten. Männer und Frauen. stolz darauf, Erzieherin. Zwei ihrer Freun - im schönen Halbrund mit der roten Em - Menschen. de sind tot, gestorben im Bataclan. Sie pore, getragen von Art-déco-Säulen, ein standen links von der Bühne, ganz vorn, guter Ort, um Musik zu feiern. Georges IV. Die Folgen als das Schießen begann, ihr Freund riss Brassens ist hier schon aufgetreten, und In Frankreich fühlt sich vieles, in den Ta - sie zu Boden. Sie fand einen Spalt unter viel später Lou Reeds Velvet Underground. gen danach, wie eine Zeitenwende an. Prä - der Bühne und krabbelte hinein, in einen Im hinteren Teil, zwischen den beiden sident und Premierminister schalten das kleinen Verschlag, verdeckt von einem Eingängen, befindet sich die Bar; dort ho - Land in den Modus des Krieges. „Wir wer - Tuch. Ihr Freund wurde in den Rücken len sich Besnard und sein Freund Thomas den diesen Feind schlagen, um ihn zu zer - getroffen und lag da. „Ich hörte Schüsse, Plastikbecher mit Bier und arbeiten sich stören“, sagt Regierungschef Manuel Valls viele hintereinander. Ich wusste nicht, vor bis zur Bühne. Als Besnards Hemd am Tag nach den Attacken als Inter - wo die Schützen waren. Ich schaute durch nach einer Stunde schweißnass ist vom viewgast in einer Hauptnachrichtensen - das Tuch, es lagen überall Leute he- Tanzen, beginnt die Knallerei. Bald schrei - dung, „in Frankreich, in Europa und in Sy - rum, ich sah aber keine Waffen“, sagt Ni - rien und im Irak, und wir werden diesen colette. Krieg gewinnen.“ Sie erinnert sich nur noch, dass die „Wir werden diesen Das sind große, hilflose Worte, abge - Schüsse irgendwann aufhörten. Die schrieben aus den Reden des mit seinen Schreie wurden umso lauter. Sie saß im Feind schlagen, um Kriegen gescheiterten US-Präsidenten Dunkeln, kämpfte mit ihrer Panik. Dann George W. Bush. Es wird bis auf Weiteres wieder Schüsse, ruhiger, gezielter. Einzel - ihn zu zerstören“, keine Allianz für einen Bodenkrieg auf sy - ne Menschen fielen vor ihr zu Boden, blu - rischem Gelände geben, und Frankreich teten stark. Wieder Pause. Nicolette sagt, sagt Regierungschef allein kann ihn nicht führen. Beginnen sie sah einen Mann mit dunklen Klamot - wird, im Inneren, ein noch schärferer ten, ohne Maske, mit einem Sturmgewehr, Manuel Valls. Kampf gegen die Feinde der offenen Ge - er spazierte zwischen den Menschen um - sellschaft, geführt von Geheimdiensten, her, schoss nach links, schoss nach rechts, Spezialpolizei, unter Einsatz von Grenz - einfach so. Pause. Dann neue Schüsse, ins - kontrollen, Lausch- und Spähangriffen, gesamt viermal. „Ich hatte die Augen die und es wird darauf ankommen, beim Stre - ganze Zeit auf“, sagt Nicolette. „Ich konn - ben nach Sicherheit die gesellschaftliche te aber nicht weinen.“ Freiheit nicht unterzupflügen, nicht im Ge -

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I P U Französische Polizisten vor dem Eiffelturm: „Aux armes, citoyens!“

burtsland der Menschenrechte und nicht Vor seinen versammelten Ministern, den Regionalwahlen in gut zwei Wochen ein im Rest Europas. Abgeordneten und Senatoren, spricht auch Wahlsieg prophezeit. Es ist alles anders jetzt, da Frankreich er vor allem von „Krieg“. Von der „kalten Es wird interessant zu sehen sein, ob zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres Entschlossenheit“, die ihn treibe, diesen der nun eher größer oder eher kleiner aus - „ins Herz getroffen“ wurde. Zehn Monate Krieg gegen den Terrorismus, gegen den fällt. Denn einer der wenigen Momente, liegen zwischen dem Attentat im Januar Dschihadismus zu führen. Den IS, „diese in denen die Franzosen ihren Präsidenten auf die Redaktion der Satirezeitung „Char - Organisation zu zerstören“. schätzten und sie mehrheitlich der Mei - lie Hebdo“ und dem Angriff auf Paris. Der Den Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ nung waren, er mache seinen Job gut, war Schock gleicht sich, aber die Reaktion in schickt Hollande vor die syrische Küste, unmittelbar nach den Attentaten auf Politik und Gesellschaft ist nicht dieselbe. er verstärkt die Luftschläge auf syrischem „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Su - Zwar wird die nationale Einheit nach wie Gebiet, auf die Kommandozentren des IS. permarkt. Ihnen gefiel die Ruhe, die Hol - vor beschworen, aber die Dringlichkeit Er will den Uno-Sicherheitsrat anrufen lande trotz allem ausstrahlte. Er fand die scheint sich verlagert zu haben. Diesmal und erinnert an die Beistandsklausel im richtigen Worte, trotz des Schocks. Das stehen die Zeichen weniger auf „Keep calm EU-Vertrag. Die internationale Gemein - mag nun anders sein; jetzt ist er nicht mehr and carry on“, sondern eher auf Vergeltung. schaft reagiert zurückhaltend, ein Staats - nur Präsident, sondern vor allem „Chef Premierminister Manuel Valls beschwor präsident in Trauer, auch das ein Ausnah - de guerre“, oberster Kriegsherr. Wollte er die „Union sacrée“, den heiligen Bund der mezustand. im Januar einen und versöhnen, will er Franzosen. „Wir sind im Krieg“, erklärte Drei Monate lang will er jetzt per Not - jetzt kämpfen. Aber auch dafür gibt es Valls in einer Sendung am Samstag und standsgesetzgebung regieren, dazu gehö - Mehrheiten in Frankreich. Die mit franzö - wiederholte das Wort „Krieg“ in den fol - ren auch Grenzkontrollen. Er will das sischer Beteiligung geführten Konflikte in genden knapp zehn Minuten neunmal. Strafrecht verschärfen und neue Stellen in Afrika und Nahost wurden von der Bevöl - Während François Hollande im Januar, der Justizverwaltung schaffen. 5000 Poli - kerung bislang mitgetragen, obwohl sie flankiert von mehr als 40 Staats- und Re - zisten sollen eingestellt werden. Das Ver - den Islamisten immer schon Futter für ihre gierungschefs aus der ganzen Welt, auf der teidigungsbudget wird in den nächsten Jah - antifranzösische Propaganda gaben. Place de la République aufmarschierte und ren nicht, wie eigentlich geplant, weiter Frankreichs Armee operiert nun nicht immer wieder zu „Ruhe und Geschlossen - gekürzt. mehr nur in Mali, Niger oder im Tschad, heit“ aufforderte, marschiert er am Mon - Hollandes Ankündigungen decken sich sie patrouilliert jetzt auch auf den Straßen tag durch einen steinernen Korridor im in etwa mit den Forderungen von Marine und Plätzen von Paris. Bereits seit Januar Schloss von Versailles, flankiert von seiner Le Pen, der Vorsitzenden des rechtspopu - war der Antiterrorplan Vigipirate für den säbelstreckenden Nationalgarde. listischen Front National. Ihr wird bei den Großraum Paris auf höchster Alarmstufe,

DER SPIEGEL FH / ECDG 23 Titel Die Anschläge von Paris

mehrere Attentate sollen dadurch bisher Die Politiker mögen jetzt viel von Krieg verhindert worden sein. Eine Million Euro reden, die Pariser kommen einem eher wollte die Regierung für die Bekämpfung nicht wie in Kampfesstimmung vor, sie wir - des Dschihadismus bereitstellen, das In - ken verletzt, verunsichert, traurig auch. nenministerium heuerte Berater an, aber Vor den Schauplätzen des Schreckens, im Wesentlichen beschränkte sich die groß dem Bataclan, dem Petit Cambodge, wach - angekündigte Initiative auf eine Reihe von sen die modernen Schreine aus Blumen Internetseiten, die nicht nur bei der Op - und Kerzen, an der République stehen position für Spott sorgten. Menschen zusammen und gedenken der Um zu zeigen, dass die Politik nicht nur Toten, trotz Versammlungsverbot. Symptome verarztet, sondern auch Ursa - Am Sonntagabend spielen sich in der chen behandelt, verkündete Premierminis - Stadt Szenen ab, die zeigen, dass durch ter Valls nach den Anschlägen im Januar, diesen Angriff auch Grundvertrauen zer - er werde gegen das System der „territoria - brochen ist, an manchen Ecken bricht kurz len, sozialen und ethnischen Apartheid“ und heftig Panik aus, weil es einen Knall in den Vorstädten kämpfen. Alle drei Täter, gibt, weil eine Glühbirne platzt, weil an A

die beiden Kouachi-Brüder und Amedy P einer Ecke einer etwas Falsches in der fal - D

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Coulibaly, kamen aus ärmlichen Siedlun - P schen Tonlage ruft, weil von Schüssen die A

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gen in Paris und der Banlieue. O Rede ist, wo keine sind, weil sich Freunde L E U

Seit Jahrzehnten wird in diesen Vorstäd - J nervöse Nachrichten schicken, sie sollten A C ten der Beweis geführt, dass die republi - R zu Hause bleiben, draußen werde geschos - O H

kanische Utopie ins Leere läuft, hier noch E sen. Es wird nicht geschossen, nicht am M U A

ein bisschen mehr als anderswo: Chancen - L Samstag, nicht am Sonntag, nicht am Mon - L I U

gleichheit ist nicht mehr als eine Phrase. G tag, nicht am Dienstag, aber die Möglich - Mit der falschen Adresse und dem falschen Präsident Hollande keit von Schüssen ist jetzt in allen Köpfen, Namen gibt es keine Jobs und keine Mög - Ein Land schaltet in den Modus des Krieges und was wäre Terror anderes, als die Angst lichkeit des sozialen Aufstiegs. Und doch in die Köpfe und Herzen der Menschen zu blieb alles, wie es vorher war. Oder eher: den Ländern, die in den Videos benannt pflanzen. Die französische Parallelgesellschaft hat werden, und den Zielen der Anschläge“, „Auf, Kinder des Vaterlands“, so beginnt noch an Kontur gewonnen; und ihre Rand - sagt IS-Experte Javier Lesaca von der die Marseillaise, sie wird am Montag dieser existenzen werden stärker stigmatisiert als George Washington University, der sämt - Woche, drei Tage nach dem Angriff, im zuvor. liche IS-Videos ausgewertet hat. ganzen Land gesungen. Für zwölf Uhr ist Es wird nun, für Frankreich, das seit Jah - Nach Zählung von Lesaca ist etwa jedes zu einer Schweigeminute aufgerufen, vor ren in der Krise steckt, für Paris, wo im siebente Video in französischer Sprache den Rathäusern, in Schulen, Behörden, Mi - weiteren Umfeld ein Fünftel der französi - gehalten, vor einem Jahr, im November nisterien versammelt sich Frankreich in schen Bevölkerung lebt, noch schwerer, zu - 2014, rief der IS erstmals dazu auf, An - Trauer. Im Anschluss an das Totengeden - versichtlich nach vorn zu schauen und Re - schläge gegen Frankreich vorzubereiten, ken wird die Hymne gesungen, und wieder formen anzugehen. Die Tage nach dem der Film trug den Titel „What are you wai - geht es um das blutige Banner der Tyran - Angriff fühlten sich gespannt an, und sie ting for?“ nei, um das Brüllen der Krieger im Land. entzogen der Stadt aufgrund vieler Schlie - Im Mai veröffentlichte der IS ein Video „Sie rücken uns auf den Leib“, so geht die - ßungen das Leben, das sie sonst in solchem mit einer Ansprache von Abu Bakr al- ses Kriegslied, das endlich alle Bürger zu Übermaß besitzt. Die 110 Läden auf den Baghdadi, dem selbst ernannten Kalifen den Waffen ruft: „Aux armes, citoyens! Zu Champs-Élysées blieben am Wochenende des „Islamischen Staates“, anschließend den Waffen! Schließt die Reihen! Vorwärts, geschlossen, und man bekommt eine Idee waren Flugzeuge von Air France und fran - marschieren wir!“ Es wurde jedoch, beim vom wirtschaftlichen Schaden, wenn man zösische Wahrzeichen zu sehen. Und am Singen der Hymne, selten so viel geweint. hört, dass sie allein an guten Samstagen 31. Oktober dieses Jahres, vor knapp drei Eine andere Antwort hat „Charlie Heb - um die zehn Millionen Euro Umsatz ma - Wochen, postete die IS-Medienabteilung do“ gefunden, die Satirezeitschrift, die erst chen. Printemps war zu, Galeries Lafa - einen weiteren Streifen, in dem auf Fran - vor ein paar Monaten zum Ziel eines isla - yette, Carrousel du Louvre, Gucci, Puma, zösisch zu Attentaten aufgerufen wird. mistischen Anschlags geworden war, bei Le Bon Marché und selbst Disneyland. „Der IS ist planungstreu und ein Absender, dem zwölf Menschen umkamen. Die Ti - Die Stadt wird derlei Ausfälle verkraf - der viel auf seine Glaubwürdigkeit gibt“, telseite zeigt einen fröhlichen, durchlöcher - ten. Nur braucht das Land einen Plan, den sagt Lesaca. Er ist überzeugt davon, dass ten Mann, aus dessen Einschusslöchern es nicht hat und den es gegen den heutigen sich jene Länder große Sorgen machen Champagner sprudelt, dazu die Zeilen: Terror nur schlecht geben kann: einen Plan müssen, die in dem jüngsten Video vom „Sie haben die Waffen. Scheiß drauf. Wir dafür, wieder sicherer zu werden. Woge - Anfang dieser Woche benannt werden – haben den Champagner!“ gen im Moment vieles spricht. vor allem Frankreich, die USA und Italien, Markus Becker, Sven Becker, Rafael Buschmann, Man muss nur die Videos verfolgen, die deren Hauptstädte Washington und Rom Georg Diez, Ullrich Fichtner, Peter Hell, die Propagandaabteilung des IS veröffent - explizit als künftige Ziele auftauchen. Björn Hengst, Julia Amalia Heyer, Katrin Kuntz, Walter Mayr, Peter Müller, Conny Neumann, licht, allein 975 sind es seit dem 1. Januar Nun ist Paris eine verwundete Stadt, ein Miriam Olbrisch, Stephan Orth, Mathieu von Rohr, 2014 gewesen, zuletzt zwei bis drei am Tag. Schatten hängt über ihr in den Tagen da - Christoph Scheuermann, Holger Stark, Und die beiden Länder, gegen die in den nach, sie ist tiefer getroffen als nach den Petra Truckendanner, Andreas Ulrich, Videos am häufigsten gehetzt wird, sind Anschlägen auf „Charlie Hebdo“ im Janu - Andreas Wassermann, Antje Windmann Russland – und Frankreich, jene Staaten, ar. Es tut gut, dass das Wochenende vorü - die nun spektakulär angegriffen wurden, bergeht, dass der Montag kommt, die Kin - Video: die Russen am Himmel über dem Sinai, der zur Schule gehen, die Läden aufma - 33 Minuten des Terrors die Franzosen in ihrer Hauptstadt Paris. chen, dass der totenstille Sonntag vorbei spiegel.de/sp482015paris „Es gibt einen Zusammenhang zwischen ist. oder in der App DER SPIEGEL

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