Repositorium für die Medienwissenschaft

Vera Cuntz-Leng Karen Hellekson, Kristina Busse (Hg.): The Fiction Studies Reader 2015 https://doi.org/10.17192/ep2015.4.4088

Veröffentlichungsversion / published version Rezension / review

Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Cuntz-Leng, Vera: Karen Hellekson, Kristina Busse (Hg.): The Studies Reader. In: MEDIENwissenschaft: Rezensionen | Reviews, Jg. 32 (2015), Nr. 4. DOI: https://doi.org/10.17192/ep2015.4.4088.

Nutzungsbedingungen: Terms of use: Dieser Text wird unter einer Creative Commons - This document is made available under a creative commons - Namensnennung 3.0/ Lizenz zur Verfügung gestellt. Nähere Attribution 3.0/ License. For more information see: Auskünfte zu dieser Lizenz finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/ https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/ Mediengeschichten 577

Wiedergelesen

Karen Hellekson, Kristina Busse (Hg.): The Fan Fiction Studies Reader Iowa City: University of Iowa Press 2014, 276 S., ISBN 1609382501, USD 29,95

Das wissenschaftliche Interesse an understand where we are headed. Many Fans und ihrem kreativen Output hat current ideas continue the approaches in den vergangenen zwanzig Jahren that have successfully served the study kontinuierlich zugenommen, so dass of early Internet and pre-Internet fan der Fan Fiction Studies Reader, in dem studies, and it is crucial to see these elf Gründungs- und Schlüsseltexte der connections“ (S.16). Zeitgleich lassen kritischen Auseinandersetzung mit von sich neuere Debatten um Fanfiction Fans verfassten fiktionalen Werken und nicht allein als Reaktion auf den Wan- ihren Schreibpraktiken versammelt del der Technologien ihrer Distribution sind, lange überfällig war. Wie die erklären, sondern umgekehrt wirken Herausgeberinnen Kristina Busse und die Veränderungen in der durch Medi- Karen Hellekson einleitend bemerken, enwissenschaft und Cultural Studies vollzog sich eine massive Veränderung vorgenommenen theoretischen Grun- der Parameter für und der Erschei- dierung dieser Phänomene in ihre Ent- nungsformen von Fanfiction in der wicklung hinein. Ihre Kenntnis hilft sogenannten convergence culture (z.B. nicht nur dabei, diese Prozesse rück- aufgrund wachsender Verfügbarkeit von schauend zu verstehen, sondern zeigt Texten, Veränderungen in den Produ- auch gegenwärtige und zukünftige zenten-Rezipienten-Beziehungen) (vgl. Wege der Fanfictionforschung auf. S.15), nichtsdestotrotz haben viele der Den vier großen Themenschwer- im Fan Fiction Studies Reader zusam- punkten „Fan Fiction as Literature“, mengetragenen Beobachtungen, Ana- „Fan Identity and Feminism“, „Fan lysen und Schlussfolgerungen auch im Communities and Affect“ und „Fan Internetzeitalter ihre Gültigkeit behal- Creativity and Performance“ sind ten. Geleistet wird mit der Anthologie jeweils kurze Einleitungen vorange- daher für die nach wie vor im Werden stellt, die durch knappe Zusammenfas- befindliche Disziplin eine essentielle sungen wertvolle Orientierungshilfen historische Aufarbeitung: Der Sammel- für die Navigation durch den Band band kehrt zu den Wurzeln der Fan- geben und die Texte sinnvoll mitei- fictionforschung zurück, weil „even as nander und mit anderer Forschungsli- is expanding and moving teratur in Beziehung setzen. Es finden in new directions it remains vital to sich unter anderem Auszüge aus Henry know where we came from in order to Jenkins’ Textual Poachers: Television 578 MEDIENwissenschaft 04/2015

Fans and Participatory Culture (New nal for Transformative Works and Cul- York: Routledge, 1992), in denen Jen- tures sowie ihre Herausgeberschrift kins unter Bezugnahme auf Michel Fan Fiction and Fan Communities in the de Certeaus Begriff des poaching die Age of the Internet (Jefferson: McFar- aktiven Textaneignungsstrategien von land, 2006), die jedoch ausschließ- Fans beschreibt sowie ihre ästhetischen lich originäre Forschungsarbeiten der und politischen Implikationen disku- Öffentlichkeit präsentierte, beweisen tiert. Enthalten ist auch Joanna Russ’ die Herausgeberinnen mit dem Fan Fic- engagierte feminis­tische Lobrede auf tion Studies Reader ebenfalls ein gutes die homoerotische Slash-Fanfiction, die Gespür für die Defizite im Feld und sie als „only sexual fantasy by women zementieren ihre zentrale Funktion in for women that’s produced without the der internationalen Forschung zu Fan- control or interposition of censorship fiction – nicht nur als Forscherinnen by commercial booksellers or the inter- selbst, sondern vor allen Dingen als position of political intent by writers Gatekeeper, Multiplikatoren und Wis- or editors“ (S.94) beschreibt. Nicholas sensvermittler. Dass Fan Fiction and ­Abercrombie und Brian Longhurst Fan Communities in the Age of the Inter- entwerfen im gewählten Auszug aus net selbst schon ein Standardwerk des Audiences: A Sociological Theory of Perfor- Forschungsgebiets geworden ist, schlägt mance and Imagination (London: Sage, sich – eben aus programmatischen 1998) ausgehend von ihrem jeweiligen Gründen – in der neuen Publikation Grad der textuellen Produktivität eine kaum nieder: Nur der Text von Coppa, Typologie des Rezipienten – consumers, der Fanfiction unter performance­ fans, cultists, enthusiasts und petty pro- theoretischer Linse als gemeinsames, ducers (vgl. S.171). Weitere Texte in durch die Imagination angetriebenes der Anthologie stammen von Roberta Verhaltenssript der Fans bestimmt, ist Pearson, Cornel Sandvoss, Patricia gedoppelt vertreten. Da aber beispiels- Frazer Lamb und Diana L. Veith, Sara weise Abigail Derechos „Archontic ­Gwenllian Jones, Camille Bacon-Smith, Literature: A Definition, a History, and Constance ­Penley, Kurt ­Lancaster sowie Several Theories of Fan Fiction“ und . Catherine Driscolls „One True Pairing: Die im Fan Fiction Studies Reader The Romance of Pornography and the zusammengestellten Beiträge bilden Pornography of Romance“ einen essen- einen hervorragenden Startpunkt, sich tiellen Beitrag zur Fanfictionforschung mit dem Phänomen und den ihn umge- (auch ganz unabhängig von off- oder benden Anfangsdiskursen vertraut zu online) geleistet haben, erscheint ihr machen, um davon ausgehend neuere Fehlen als deutlicher Makel der vorlie- Arbeiten im Feld zu erschließen und genden Textauswahl. Für Fanfiction- auch perspektivieren zu können. Wie Interessierte macht aber dadurch gerade bereits das von Busse und Hellekson die Anschaffung beider Werke Sinn. ebenfalls gemeinsam initiierte und betriebene Open-Access-Projekt Jour- Vera Cuntz-Leng (Marburg)