Hellmold Rembrandt Für Internet 5.5.03.Rtf
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Rembrandts Einsamkeit. Diskursanalytische Studien zur Konzeption des Künstlersubjekts in der Moderne. Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie in der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Martin Hellmold Referentin: Prof. Dr. Sykora Korreferentin: Prof. Dr. Steinhauser Tag der mündlichen Prüfung: 27. Juni 2001 Veröffentlicht mit Genehmigung der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum Inhaltsverzeichnis Einleitung 1 „Rembrandt ist interessanter...“ 3 2 Erkenntnisinteresse und Forschungsstand 6 2.1 Zum Problem der Rezeptionsgeschichte 6 2.2 Zur Figur des ‘modernen Künstlers‘ 10 2.3 Subjektivitätskonzepte als Problem moderner Kunstgeschichtsschreibung 14 2.4 Michel Foucaults Beschreibung der „Funktion Autor“ 16 3 Die drei Teile und ihre methodischen Unterschiede 22 Erster Teil Rembrandts Anwälte. Die Verteidigungsrede als Modus der Neubewertung um 1850 25 1 Paul Scheltema und der bürgerliche Nationalstolz (1852) 28 1.1 Rembrandts privates Umfeld 32 1.2 Heureux voyage de Rembrandt 35 2 Gustave Planche und die Auseinandersetzung mit der Akademie (1853) 39 2.1 Das Naturstudium und die klassizistischen Kunstregeln 40 2.2 Rembrandts Erhebung unter die größten Meister der Malerei 45 3 Eduard Kolloff und der ‘moralische Prozeß‘ gegen Rembrandt (1854) 48 3.1 Kolloffs Umwertung der ‘Sammlung Rembrandts‘ 51 3.2 Kolloffs Abwehr der anekdotischen Biographik 55 3.3 Autor und Werk bei Kolloff 57 3.4 Ein Beispiel der Verkennungstopik nach Kolloffs Vorbild: Anton Springer 59 4 Im Zeichen des ‘homme libre‘: Rembrandt und die Holländer bei Théophile Thoré (1858) 63 Zweiter Teil Der autonomisierte Künstler. Rembrandtrezeption um 1900 73 1 Einführung: Rembrandtrezeption als ‘diskursives Feld‘ 75 1.1 Zur raum-zeitlichen Eingrenzung der Untersuchung 75 1.2 Zur typologischen Differenzierung des Untersuchungsmaterials 78 1.3 Chronologische Skizze der Rembrandtrezeption in Deutschland, 1880 - 1950 82 1.4 Passage: Vom integrierten zum marginalisierten Individuum 89 2 Analyse 2.1 Kunstschaffen 2.1.1 Die Unterscheidung des Werks nach dem Code ‘Auftrag vs. Autonomie‘ 103 2.1.2 Rembrandts Verhältnis zur Auftragsarbeit 109 2.1.3 Die Privatisierung der Kunstproduktion: Zur Einheit von Leben und Werk 116 2.1.3.1 Biographische Bildtitel 117 2.1.3.2 Werk und Leben 124 2.1.3.3 Werk und Charakter 131 2.1.4 Exkurs: Hermeneutik als geisteswissenschaftliches Paradigma 133 2.1.4.1 Zur historischen Stellung hermeneutischer Theoriebildung 133 2.1.4.2 Beispiele hermeneutischer Programmatik in der Rembrandtliteratur 136 2.1.4.3 Zur hermeneutischen Tendenz anti-wissenschaftlicher Einfühlungsmethoden 140 2.1.5 Beispiele zur Topik hermeneutischer Kunstgeschichtsschreibung 147 2.1.5.1 Die metaphorische Paraphrasierung der Dichotomie ‘Oberfläche/Tiefe‘ 148 2.1.5.2 Psychologistisches Vokabular 153 2.1.5.3 Die Folgerichtigkeit des Gesamtwerks 162 2.2 Künstlerleben 2.2.1 Autonomisierung als Läuterungsprozeß 167 2.2.2 Zur Verkennungstopik 172 2.2.2.1 Das Leiden als körperliches Zeichen der Verkennung 173 2.2.2.2 Die Armut als Veranschaulichung der gesellschaftlichen Marginalisierung 179 2.2.2.3 Rembrandts Einsamkeit - Endpunkt der Autonomisierung und ‘Ort der Kunst‘ 184 2.3 Grenzziehungen: Die Eigentümlichkeit des Künstlers und der Korpus des Werks 193 2.3.1 Lehrer und Ahnen, Schüler und Erben - Zwischen Individualität und Genealogie 194 2.3.2 Exkurs: Die juristische Konzeption des Eigentums und die künstlerische Eigentümlichkeit 204 2.3.3 Zur Reichweite des Konzeptes der ‘Eigentümlichkeit‘ 208 2.3.4 Metaphoriken der Umwandlung von allgemeinem und fremdem Gut in Eigentum 212 2.3.5 Über den Umgang mit den Vorbildern 214 2.3.6 Die Abgrenzung von Original und Reproduktion: Rembrandt retuschiert Schülerwerke 217 2.3.7 Zuschreibungspraxis: Von der Authentizität der Werke zur Autorität des Künstlers 221 3 Ergebnisse des zweiten Teils 3.1 Zusammenfassung 231 3.2 Hypothesen zur Funktion der diskursiven Künstlerfigur 234 3.3 Autonomes Kunstschaffen und Hermeneutik als Arbeit am Subjekt 245 Dritter Teil Rezeptionsgeschichtliche Fallstudien 249 1 Die Ablehnung der Nachtwache als Ursprungsmythos der künstlerischen Autonomie 252 1.1 Rezeptionsgeschichtlicher Stellenwert der Nachtwache 252 1.2 Exkurs: Die ‘sogenannte Nachtwache‘ 257 1.3 Zur Entstehung der Ablehnungslegende: Vosmaer, Fromentin, Michel 261 1.3.1 Fromentins zwiespältiges Urteil über die Nachtwache 263 1.3.2 Exkurs: Fromentins Kritik an Rembrandt und am Impressionismus 265 1.3.3 Emile Michel baut Fromentins Schilderung zur Ablehnungslegende aus 267 1.4 Die Ablehnungslegende in der deutschsprachigen Literatur 273 1.5 Die Nachtwachenlegende - Beispiele der populäre Rezeption 280 2 Rembrandts Selbstbildnisse 2.1 Zum Stellenwert der Selbstbildnisse in der Geschichte der Rembrandtrezeption 287 2.2 Vom Studienkopf zur Selbsterkenntnis 293 2.3 Exkurs: Rembrandts Eitelkeit, Rembrandts Häßlichkeit 296 2.4 Authentische Quellen: Die Selbstporträts als ‘Selbstbiographie‘ 302 2.5 Die Selbstbildnisse als Dokumente der Persönlichkeitsentwicklung 304 2.6 Metaphorische ‘Zuschreibungen‘ an Rembrandt 312 2.6.1 Das Gesicht als Landschaft 312 2.6.2 Löwe, Sieger, König 318 2.7 Die Selbstbildnisse als Anreiz zur Psychologisierung 322 2.8 Zusammenfassung 326 Abschluß und Ausblick 329 Abkürzungen 331 Filmographische Angabe 331 Literaturverzeichnisse 332 1. Quellen 332 2. Sekundärliteratur 341 Einleitung 1 „Rembrandt ist interessanter...“ Im Wintersemester 1925/1926 hielt Theodor Hetzer in seiner Funktion als Privatdozent für Kunstgeschichte an der Universität Leipzig eine Vorlesung mit dem Titel Rubens und Rem- brandt. Seine Planung sah dabei nicht den Stunde für Stunde erneuerten direkten Vergleich dieser beiden Meister vor, sondern eine gerechte Zweiteilung der zur Verfügung stehenden Termine, wobei zunächst der Flame und dann der eine Generation jüngere Holländer behan- delt werden sollte. Im Verlauf des Semesters sorgten der Umfang des Rubensschen Œuvres und die dadurch beim Vortragenden erweckte Begeisterung für eine ständige Ausdehnung des ersten Teils, und als dieser schließlich, mehr abgebrochen als erschöpft, zu einem Ende ge- bracht war, blieben für die Beschäftigung mit Rembrandt nur noch wenige Termine. Um in den neuen Abschnitt seiner Vorlesung überzuleiten, stellte Hetzer einen Vergleich sei- ner beiden Titelfiguren im Hinblick auf deren aktuelle Bedeutung an: „(...) in Rembrandt und Rubens [haben wir] die größten Künstler des 17. Jahrhunderts zu erblicken. Es wird sogar wohl viele geben, die Rembrandt den Vorzug geben und ihn für den größeren der beiden halten. Die Gründe für eine solche Bevorzugung können sehr verschiedener Natur sein. In dem landläufigen Urteil werden wohl die Gefühlsmomente überwiegen, man sieht in Rembrandt den tieferen, frömmeren, wohl auch germanischeren Meister, man rühmt ihn, weil er nicht nach Italien gegangen ist, man ist geneigt, sein schweres Schicksal ihm als ethisches Verdienst anzu- rechnen. Es kommt hinzu, daß Rembrandt zeitloser erscheint, daß er weniger historisch gebunden ist als Rubens, ja daß er modern wirkt. (...) Während Rubens eine ganz unkomplizierte Natur ist, scheint Rembrandt rätselhaft, abgründig, problematisch, zum Grübeln reizend. Die Literatur ist be- trächtlich größer, und es hat sich nicht nur die streng fachliche Literatur mit ihm beschäftigt, wir finden ihn auch als programmatischen Titel, wir finden ihn ferner zum Gegenstand philosophischer Spekulationen gemacht. Mit einem Wort: Rembrandt ist interessanter als Rubens, und wir werden versuchen müssen, uns darüber klar zu werden, warum er interessanter ist.“ (Hetzer 1984 [1926], 249) Theodor Hetzer beschreibt hier ein Phänomen, „Rembrandt ist interessanter als Rubens“, und er stellt sich eine Aufgabe: zu klären, warum dies so ist. Hetzers facettenreiche Phänomenbe- schreibung enthält bereits zahlreiche Hinweise für eine mögliche Lösung. Der zukünftige Or- dinarius des Leipziger Instituts spricht darin wesentliche Aspekte an, die das Rembrandtbild der deutschen Kunstgeschichte und auch der breiteren deutschen Öffentlichkeit in den vor- ausgegangenen 40 Jahre prägten und dies auch - zumindest bis in die 40er Jahre des 20. Jahr- hunderts - weiter tun sollten: Rembrandts antipodische Position zu Rubens, die ‘Tiefe‘ seiner Kunst, das ‘Germanische‘ seines Wesens, das ‘Rätselhafte‘ seiner Natur, sein Schicksal als ‘verkannter Künstler‘. Diese und andere Topoi kommen schließlich zusammen in der Fest- stellung von Rembrandts ‘Modernität‘, die ihn als besonders interessant erscheinen ließe. 3 Die vorliegende Untersuchung zur Rembrandtrezeption in den Jahrzehnten um 1900 versucht in gewissem Sinne, die vor 75 Jahren von Theodor Hetzer gestellte Frage zu beantworten, warum sich das Interesse in jener Zeit in so besonderem Maße auf Rembrandt richtete. Denn dieser grundlegenden Beobachtung ist zunächst einmal zuzustimmen.1 Es sind etwa hundert Jahre, von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, in denen Rembrandt stärker als zu früheren oder späteren Zeiten im Zentrum der Fragen zu Kunst und Künstlertum steht. Dies gilt zunächst in Frankreich und in den Niederlanden, dann - mit leichter Verspätung, dafür aber besonders intensiv - auch in Deutschland. So wie das steigende Interesse an Rem- brandt mitunter keine nationalen Grenzen beachtete, übertrat es auch die Grenzen eines ge- schlossenen Kunstdiskurses. Fragen nach dem Wesen des Künstlertums, nach dem Charakter des künstlerischen Werks oder auch des künstlerischen Schaffensprozesses