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Kultur

Auch ohne die gängigen Rockerunifor- , der wie seine drei Partner POP men haben sie zusammen mit ihren beiden 23 ist, aber auch problemlos als 16-Jähriger Kollegen und Chris durchginge, setzt sich sehr aufrecht hin, Verirrte Stutzer Baio ein unlängst veröffentlichtes Debüt- wenn er nach Simon gefragt wird, und sagt album eingespielt, das als eines der aufre- verdächtig behutsam und etwas zu freund- Die Jungs von der New gendsten Ereignisse dieser Saison gilt. lich, dass alle in der Band dieses „sehr, sehr Im Internet versetzen sie seit Monaten respektieren“ würden, dass es aber ein Yorker Band die Welt der Musikblogs in Aufruhr, und in nervtötender Reflex sei, wenn alle Welt an widersprechen allen den einschlägigen Feuilletons amerikani- denke, sobald Nichtafrikaner gängigen Rock’n’Roll-Klischees. scher und englischer Zeitungen zeigen sich sich an afrikanischer Musik versuchten. die Experten angetan. Bereits im vergange- „Wir haben einfach den Zauber der afri- zra Koenig und Christopher Tomson, nen Sommer feierte ein Autor der „New kanischen Musik entdeckt und beschlos- die in einer fensterlosen Rumpelkam- York Times“ die erste Single des Quartetts sen, das mit unseren eigenen Ideen zu Emer ihrer Plattenfirma sitzen, trinken als „eines der beeindruckendsten Debüts kreuzen“, entgegnet er leicht entnervt. Ab- Mineralwasser ohne Kohlensäure und Cola des Jahres“. gesehen davon scheinen sich dieser Tage ohne Zucker und sehen eher nicht so aus, „Wir staunen nur, dass die Hallen, in de- immer mehr nachgewachsene Rockabenteu- wie man sich junge, gefeierte Rockmusiker nen wir spielen, immer größer und voller rer von sogenannter Weltmusik inspirie- aus vorstellt. Mit schniekem, or- werden“, sagt der hochgewachsene Tom- ren zu lassen: dentlichem Designerpullover (Koenig) und son, der wie sein Partner Koenig für einen Bands wie Yeasayer, , der Strickjacke eines französischen Tennis- Anfänger auffallend selbstbewusst, höflich The Ruby Suns oder Foals werfen Stile aus ausstatters (Tomson), Anzughosen und Seg- und wohlartikuliert, ja geradezu bildungs- unterschiedlichen Ländern und Kontinen- lerschuhen erwecken die beiden vielmehr bürgerlich spricht. ten beschwingt und fröhlich mit klassi- schem Rock’n’Roll zusammen. Sogar die Stadion-Helden von Coldplay sollen zurzeit mit sehr afrikanisch klingenden Liedern experimentieren. Einzigartig und überdreht sind dagegen die Themen, die Koe- nig mit Vampire Weekend in sei- nen Texten aufgreift: Hymnen an die Schönheit der Architektur („Mansard Roof“) oder Ausfüh- rungen zu den Tücken der engli- schen Grammatik („Oxford Com- ma“): Belange, die für die Rock- musik bislang so wichtig waren wie Mathematik und epische Literatur, aber herrlich zur Gar- derobe und Biografie der verant- wortlichen Künstler passen. Immerhin fanden Vampire Weekend vor zwei Jahren auf dem Campus der New Yorker zueinan- der, einer der altehrwürdigen „Ivy League“-Lehranstalten. Dort studierten die vier, spiel-

TIM SOTER ten auf Uni-Festen und Zimmer- Rockgruppe Vampire Weekend*: Zauber afrikanischer Musik partys, bis sie in New York ein größeres Publikum fanden. den Eindruck, als hätten sie sich auf dem Raffiniert sind vor allem die Songs ihres Ihr erstes Album entstand überwiegend Weg zu einer Jura-Vorlesung in diesen fabelhaften Albums: elf ansteckend eingän- nachts in Studentenbuden, „und in der Raum voll mit CD-Kartons verirrt. gige Gitarren-Pop-Melodien, die Vampire Scheune auf dem Landsitz von Christophers Kaum zu glauben, dass diese vermeintli- Weekend – und das ist ihr Coup – partiell Eltern“, wie Koenig erzählt. Die schwer- chen Stutzer mit ihrer coolen Rockband na- mit den Klängen afrikanischer Popmusik wiegende Frage, ob eine elitäre Herkunft mens Vampire Weekend in der Popwelt der- veredeln, also dem flirrenden Gitarrenspiel dem Rock’n’Roll schadet, haben ihre New zeit für Furore sorgen. Während Tomson, und den quirligen Rhythmen, die einst Mu- Yorker Kollegen The Strokes vor Jahren ja der Schlagzeuger, geistesabwesend auf sei- siker wie Fela Kuti, King Sunny Ade oder schon eindrucksvoll für sich entschieden. nen Blackberry starrt, drückt Koenig, Sänger die Bhundu Boys in der Welt bekannt Das Problem waren eher die Eltern von und Texter, seinen karierten Wollschal zu ei- machten. Koenig und Tomson, die ihre Kinder lieber ner Kugel zusammen und sagt: „Wäre es au- Weil schon der New Yorker Songwriter in einer Bank oder Anwaltskanzlei gesehen thentischer, wenn wir uns zerschlissene Jeans Paul Simon in den achtziger Jahren mit hätten als auf einer Bühne. „Wir haben und alte Lederjacken anziehen würden? Wir viel Aufwand und einem Ensemble süd- beide einen Abschluss in Englisch. Aber verkleiden uns auch nicht für unsere Kon- afrikanischer Musiker seinen Bestseller Lehrer können wir auch später noch wer- zerte, nur der Schal ist mir da zu warm.“ „Graceland“ aufnahm, fällt der Name die- den“, sagt Christopher Tomson etwas alt- ses alten Meisters recht zuverlässig in fast klug und streckt zum Abschied höflich * Mit Rostam Batmanglij, Ezra Koenig, und jedem Interview, das die Jungs von Vam- die Hand aus. Ein guterzogener Junge aus Christopher Tomson (u.). pire Weekend nun bestreiten müssen. bestem Haus eben. Christoph Dallach

162 der spiegel 12/2008