OBERSALZBERG Gegen Ende Des 19. Jahrhunderts War Das Dorf Obersalzberg Ein Beliebter Heilklimatischer Erholungsort
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PastFinder Ob4 12.05.2005 17:08 Uhr Seite 3 2 Obersalzberg Obersalzberg 3 OBERSALZBERG Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war das Dorf Obersalzberg ein beliebter heilklimatischer Erholungsort. Nachdem Hitler als Reichskanzler 1933 hier das Haus „Wachenfeld“ erworben hatte, wurden die alteingesessenen Bewohner von Martin Bormann brutal vertrieben. Hitler ließ sein Ferienhaus zum pompösen „Berghof“ erwei- tern, andere NS-Größen folgten seinem Beispiel. Systematisch bauten die Nazis das Gelände zum streng abgeschirmten, zweiten Regierungssitz aus. Es enstanden eine SS-Kaserne, das spektakuläre „Kehlsteinhaus“ und ein weitläufiges Bunkersystem. Das Kriegsende fand hier jedoch ohne Hitler statt, er sollte im Berliner „Führerbunker“ Selbstmord begehen. 1 Im Laufe des Krieges mussten Arbeiter Gutshof Martin Bormann / die so genannten Gutshofstollen von Golfclub Berchtesgaden e.V. insgesamt 1,1 Kilometern Länge in den q 1940 p Salzbergstr. 33, Karte B2 angrenzenden Antenberg treiben. Nach Der ehemalige Gutshof des Parteikanzlei- 50 Metern öffnet sich einer der Gänge Chefs und Sekretärs des „Führers“ in eine riesige sieben Meter hohe Halle. Martin Bormann ist heute eines der letz- Dort diente eine ausgebaute Kaverne ten sichtbaren Großbauprojekte der Nazis Bormanns Angestellten und der benach- auf dem Obersalzberg. barten Familie Speer als Luftschutzraum. Gänzlich ausradiert wurden hingegen die In der Nachkriegszeit nutzte die US- Spuren der seit Mitte des 19. Jahrhun- Armee den Gutshof als „Skytop Lodge“, derts gewachsenen Gemeinde Obersalz- ein Sport-Hotel mit Golfplatz und Skilift. berg. Das Dorf stand Hitlers Bauplänen Heute beherbergt das Gebäudeensemble im Weg. Bormann sorgte dafür, dass die mit seinem weitläufigen Grundstück den alteingesessenen Bewohner vertrieben „Golfclub Berchtesgaden e.V.“. und ihre Anwesen zerstört oder niederge- brannt wurden. 2 Die letzten landwirtschaftlichen Betriebe Teehaus mussten Anfang 1937 den Obersalzberg q Roderich Fick, 1937 p Mooslahner- verlassen, wenig später notierte Bormann kopf, Karte B1 Das Teehaus, ein kleiner in seinem Kalender: „Der Führer geneh- Pavillon auf dem Mooslahnerkopf unweit migt die Baupläne des neuen Gutshofes.“ des 3Gutshofes, wurde 1937 errichtet. Die weitläufige Anlage wurde nach Den Mittelpunkt bildete ein fußbodenbe- modernsten Gesichtspunkten geplant und heizter Rundbau, in dem ein großer run- unter großem technischen Aufwand der Tisch für acht Personen stand. Von erbaut. Der Hof umfasste Stallungen für hier bot sich ein Panoramablick über das Kühe und Pferde, eine Schweinemästerei, Berchtesgadener Tal. Während seiner Kühlhäuser für Milch, ein Bienenhaus ausgedehnten Nachmittagsspaziergänge sowie ein dreistöckiges Verwaltungs- kam Hitler oft hierher. gebäude. Ein ausgebildeter Landwirt war Im Gegensatz zum 3Kehlsteinhaus war für die Leitung des Gutes (ein zweites dieses Teehaus ausschließlich für private befand sich in Mecklenburg) verantwort- Zwecke gedacht. Zum Mooslahnerkopf lich, angesichts der immensen Baukosten durften den „Führer“ unter anderem und der kargen Bodenerträge waren dau- Ingenieur Ferdinand Porsche, Mercedes- erhaft Subventionen notwendig. Benz Verkaufsleiter Jakob Werlin, In der Regimepropaganda stellte das Architekt Albert Speer und Staatsbild- Anwesen dennoch einen „Musterhof“ für hauer Josef Thorak begleiten. Im Jahr die beabsichtigte Kolonialisierung der 1952 wurde das Gebäude bis auf einige 12 Hitlers „Berghof“ am Obersalzberg, 1936, im Hintergrund der Hohe Göll (2.523 Meter) besetzten Ostgebiete dar. Überreste abgetragen. PastFinder Ob4 12.05.2005 17:08 Uhr Seite 11 10 Obersalzberg Obersalzberg 11 Die Dokumentation Obersalzberg sturmbannführer Dr. Bernhard Frank. „Institut für Zeitgeschichte“ konzipierte Im Juni 1943 fand auf dem Exerzierplatz Dauerausstellung eröffnet. Während der Kaserne in Anwesenheit von Hitler der Hauptsaison werden durchschnittlich und Flugzeugkonstrukteur Heinrich Focke mehr als 120.000 Besucher gezählt, eine Präsentation der neuesten Waffen Tendenz steigend. Die Ausstellung befasst für die 3Gebirgsjäger statt. Vorgestellt sich mit der Geschichte des Obersalzbergs wurden ein Lastenhubschrauber vom in Verbindung mit einer Darstellung des Typ Focke-Wulf Fa 223, ein Mercedes- gesamten NS-Terrorregimes. Außerdem Benz UNIMOG mit aufmontierter sind Teile des unterirdischen 3Bunker- Gebirgshaubitze und neue Uniformen. systems zugänglich. Ebenfalls anwesend war Generalmajor Helmuth Stieff. Er gehörte wie Claus 11 Schenk Graf von Stauffenberg zu den Hotel „Zum Türken“, Zentrale des 10 Dokumentation Obersalzberg Mitverschwörern des militärischen Wider- Reichssicherheitsdienstes standes, die sich entschlossen hatten, q 1911 p Hintereck, Karte C2 Hitler zu töten, um den Krieg zu beenden. Die Ursprünge der Gastwirtschaft „Zum Stauffenberg hatte gehofft, dass Stieff Türken“ reichen zurück bis in das Jahr an jenem Tag auf dem Obersalzberg oder 1630. Der Name stammt angeblich von am 7. Juli auf 3Schloss Kleßheim vor seinem damaligen Besitzer, der 1683 Hitler eine Bombe zünden würde. Doch vom Krieg gegen die Türken zurückkehrte bei der Sprengstoffübergabe wollte und fortan nur noch „der Türke“ genannt 10 Ausstellungsflügel der Dokumentation 10 Gemälde des „Berghofes“ in der Dokumentation Stieff plötzlich nichts mehr davon wissen. wurde. 1903 kaufte Karl Schuster das Es sollte einer von dutzenden unaus- Anwesen und eröffnete hier das Hotel geführten Attentatsplänen gegen Hitler „Zum Türken“. Nachdem die Familie bleiben. Schuster von Martin Bormann zum Ver- Während des britischen Bombenangriffs kauf gezwungen worden war, waren hier vom 25. April 1945 wurde die Kaserne ab Mitte 1934 zur Sicherheit des Diktators zerstört. 2002 wurden die Kellerräume ein Zug der „Leibstandarte SS Adolf tiefenenttrümmert und verfüllt. Hitler“ und 30 Mann Leibwache des Reichssicherheitsdienstes (RSD) einquar- 10 tiert. Für den persönlichen Schutz Hitlers Parteikanzlei und Parteigästehaus trug SS-General Johann Rattenhuber die „Hoher Göll“ / Dokumentation Verantwortung. 1944 umfasste der RSD Obersalzberg auf dem Obersalzberg 250 Mann. Ihnen q Alois Degano, 1935 p Salzbergstr. 41, oblag die Überprüfung aller Beschäftigten D Karte B2 April–Okt. Mo–So 9–17, sowie die Überwachung von Post- und 10 Ausstellungsraum in der Dokumentation Obersalzberg Nov.–März Di–So 10–15 Uhr Das Partei- Telefonverkehr. Im Keller, über den Stollen gästehaus „Hoher Göll“ war ursprünglich des 3Bunkersystems gelegen, verfügte Teil der Pension „Moritz“. Zusammen mit der RSD über einige Arrestzellen. dem benachbarten 3Hotel „Platterhof“ Während des britischen Bombenangriffs wurde es 1935 aufwendig renoviert und vom 25. April 1945 wurde das Gebäude vergrößert. Es sollte hochrangigen Staats- stark beschädigt und anschließend gästen als Unterkunft dienen. Hauptsäch- geplündert. 1949 klagte Karl Schusters lich nutzte es jedoch Parteikanzlei-Chef Tochter Therese auf Rückerstattung Martin Bormann als Bürogebäude. ihres Eigentums und konnte als einzige Nach dem Krieg stand das wenig beschä- ehemalige Obersalzberg-Bewohnerin ihr digte Haus leer und verfiel. Unmittelbar früheres Eigentum, den Gasthof, vom nach dem Abzug der US-Truppen be- Freistaat Bayern zurückerwerben. Heute schloss die Bayerische Staatsregierung ist das Hotel „Zum Türken“ wieder ein 1995, ein Dokumentationszentrum auf beliebtes Quartier auf dem Obersalzberg, dem Obersalzberg einzurichten. Am 20. nicht zuletzt aufgrund der Nähe zu den Oktober 1999 wurde die vom Münchner Resten von Hitlers 3„Berghof“. 10 Eingang zum Bunkersystem 11 Hotel „Zum Türken“ mit ehem. SS-Wachpostenhaus PastFinder Ob4 12.05.2005 17:09 Uhr Seite 19 18 Obersalzberg Obersalzberg 19 20 Querschnitt des Obersalzbergs Siedlung „Klaushöhe“ 1.837 Meter: q Roderich Fick, 1941 p Klaushöhe „Kehlsteinhaus“ 1–19, Karte E2 Die Siedlung „Klaushöhe“ diente den Verwaltungsangestellten des Hoher Göll 2.522 m 24 Obersalzbergs sowie den Angehörigen „Kehlsteinhaus“ der SS-Wachen als Unterkunft. Für den Bau der großzügigen Häuser wurden von Bormann trotz der kriegsbedingten 23 Kehlsteinstraße Mangelwirtschaft nur wertvollste Busparkplatz 21 Plan des Bunkersystems 21 Besuchergang durch die Bunkerkavernen Materialien wie Marmor, Stahl, Kupfer, edelste Hölzer und hochwertige 19 Die Kosten des Projekts beliefen sich auf Armaturen geordert. Wie sämtliche Roßfeld-Höhenringstraße 14 Millionen Reichsmark. Bis Kriegsende Projekte auf dem Obersalzberg, q Fritz Todt, Oberste Bauleitung Mün- waren die Arbeiten so weit vorange- erhielten die Gebäude, an denen bis chen 1938 p Roßfeldstraße, Karte E3 schritten, dass nur noch ein unvollendetes zu 4.000 Arbeiter tätig waren, den Im Jahr 1927 wurde mit dem Bau der Teilstück von etwa 800 Metern fehlte, Titel „Führerbauten“. Somit genos- „Deutschen Alpenstraße“ als Verbindung das 1953 fertiggestellt wurde. sen sie höchste Priorität und zwischen Bodensee und Königssee Zur Verteidigung des Berchtesgadener wurden ohne Rücksicht auf die begonnen. Nach Bormanns Planungen Luftraums stellte die SS hier ab 1943 Kosten vorangetrieben. Teile sollte sie rund um den Berchtesgadener zahlreiche Flakstellungen auf. der Siedlung und die dazu- des 3Barackenlagers Antenberg standen Talkessel herumgeführt werden. Heute ist die Roßfeldstraße eine maut- gehörigen unterirdischen bei Luftangriffen nur roh in den Fels Als „Demonstration deutscher Straßen- pflichtige „Bundes-Privatstraße“. Bei Luftschutzstollen sind geschlagene Stollen und Kavernen zur und Ingenieurbaukunst“ wurde die Alpen- gutem Wetter bieten sich sehenswerte bis heute erhalten. Verfügung. traverse,