<<

Nobelpreis

Text Mathias Plüss Bilder Anoush Abrar

JACQUES DUBOCHET (75) Es ist derzeit nicht leicht, an Jacques Dubochet heranzukom- men. Ist man aber einmal bei ihm, so hat man ihn ganz für aus dem Waadtland ist ein Mensch wie du sich. Nicht nur lässt er sich keine Sekunde ablenken – er inte- und ich. Und gerade darum vielleicht ressiert sich auch für sein Gegenüber. Er pflegt Kolleginnen der ungewöhnlichste Nobelpreisträger, und Kollegen aus allen möglichen Disziplinen zu sich zum Essen einzuladen und mit Fragen zu löchern. Zu mir sagt er, den man sich vorstellen kann. als wir auf dem Weg zur Metro in Lausanne sind: «Und was Mit unserem Autor hat er eine kleine sind Sie für ein Mensch?» Zugfahrt gemacht. Dubochet ist 1942 in Aigle VD geboren. Er wuchs im Wal- lis und im Waadtland auf. In der Schule hatte er Mühe, konn- te aber dank verständnisvoller Lehrer die Matura machen. Er studierte Physik und wechselte dann zur Biologie. Die Statio- nen seiner Karriere waren Lausanne, Genf, Basel, Heidel- berg. Von 1987 bis 2007 war er Professor für Biophysik an der Universität Lausanne. Er ist mit einer Basler Künstlerin ver- heiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Auch nach seiner Emeritierung engagiert er sich weiterhin: zum Beispiel im von ihm entwickelten Studienprogramm «Biologie und Ge- sellschaft», aber auch als Lokalpolitiker der SP an seinem Wohnort Morges VD. 4747 — — 20172017 DASDAS MAGAZIN MAGAZIN N° N°

20 DAS MAGAZIN N° 47 — 2017 «ICH «ICH In der Schule Probleme, heute Nobelpreisträger: Jacques Dubochet ausMorges VD. CHEMIE» VON NICHTS VERSTEHE

Anfang Oktober gab das Stockholmer Nobelpreiskomitee be- … auch Luc Montagnier, der Entdecker des Aids-Vi- kannt, dass Jacques Dubochet den Chemie-Nobelpreis 2017 rus, entwickelte sehr bizarre Ideen. Er glaubt jetzt, bekommt – zusammen mit dem Schotten Richard Henderson dass die DNA sprechen kann. und dem Deutsch-Amerikaner . Die drei wa- Er will beobachtet haben, dass Lebewesen mittels ren entscheidend beteiligt an der Entwicklung der sogenann- Strahlen der DNA insgeheim kommunizieren. ten Kryo-Elektronenmikroskopie. Das griechische «kryos» Ich habe schon öfter objektive Experimente zur Klä- bedeutet «kalt». Das Elektronenmikroskop funktioniert ähn- rung vorgeschlagen, wenn ich auf Leute gestossen lich wie gewöhnliche Mikroskope, nur kann es noch viel klei- bin, die sehr aussergewöhnliche Dinge beobachtet nere Dinge sichtbar machen. Es wurde schon 1931 erfunden, haben wollten. Das ist ein kleines Privatvergnügen hat aber beim Einsatz in der Biologie seine Tücken: Damit von mir. In zwei Fällen ist es dazu gekommen, dass Biomoleküle ihre Form behalten, müssen sie in Wasser gelöst das Experiment tatsächlich durchgeführt wurde, na- sein – dieses verdampft aber im Vakuum des Elektronenmik- türlich mit negativem Resultat. Aber das Perfide ist, roskops. Darum verfiel man auf die Idee, die Proben zu gefrie- dass Sie damit niemanden überzeugen. Die Leute sa- ren. Doch Eiskristalle stören die Elektronen, das Mikroskop gen dann Dinge wie: «Es hat nicht funktioniert, weil liefert unpräzise Bilder. Dubochet und sein Team fanden die der Mond ungünstig stand.» Wenn man etwas unbe- Lösung: Sie entwickelten eine Technik, Wasser stark abzu- dingt glauben will, findet man immer eine Ausrede. kühlen, ohne dass sich Kristalle bilden. Dank diesem Trick Aber Forscher müssen doch offen sein für Neues. Wo funktioniert die Elektronenmikroskopie auch mit biologi- hört denn die Wissenschaft auf, wo fängt die schem Material einwandfrei. 1984 gelang es Dubochet erst- Pseudowissenschaft an? mals, Viren abzubilden. Die Technologie hat in den letzten Es ist klar, dass nicht immer alles richtig ist, was man Jahren gewaltige Fortschritte gemacht. So haben Forscher sich ausdenkt. Ideen müssen mutig sein, sonst tau- jüngst die Struktur des Zika-Virus detailliert sichtbar ge- gen sie nicht viel. Wer eine neue Theorie vorschlägt, macht, sodass man jetzt nach Medikamenten suchen kann. geht also ein Risiko ein, und es ist nichts Ehrenrühri- ges falschzuliegen. Das Problem beginnt, wenn man Herr Dubochet, wird man ein anderer Mensch, wenn es zu weit treibt und die Kritikfähigkeit verliert. Der man den Nobelpreis bekommt? Grat zwischen konstruktiver und überbordender Jacques Dubochet: Genau das hat meine Frau heute Fantasie ist schmal. Morgen gesagt. Sie findet, ich hätte mich verändert. Wie findet man den richtigen Weg? Ich habe geantwortet: Hoffentlich nicht. Ich glaube, Das ist das Handwerk des Wissenschaftlers. Wissen ich bin immer noch derselbe. Sie, ich habe in meinem Leben Riesendummheiten Aber das Leben ist ein anderes? gemacht. Fantastische Dummheiten! Nicht lange vor Das schon. Ich werde überflutet. In den ersten drei der Nobelpreis-Arbeit habe ich mit einem Kollegen Tagen nach dem Preis wurde mein Lebenslauf hun- eine Idee entwickelt, die sich zwei Jahre später als derttausendmal angeschaut. Bis vor einem Monat falsch herausstellte. Wir waren zu enthusiastisch, zu war ich ein hundsgewöhnlicher Wissenschaftler. erfolgshungrig. Es ist aber auch nicht einfach. Dann kommt dieses Ding, und plötzlich bin ich eine Was ist nicht einfach? Stimme. Egal, was ich sage, man hört mir zu. Wenn ein Wissenschaftler eine schöne Idee hat, Ist doch schön. muss er alles unternehmen, um sie zu widerlegen. Ja, aber es ist auch ein Problem. Meine Glaubwürdig- Erst wenn er seine Idee von allen Seiten abgeklopft keit basiert nicht mehr auf meinem Fachwissen, son- hat, darf er zum Schluss kommen, dass sie womöglich dern auf der Macht, die mir der Nobelpreis verleiht. stimmt. Das ist die wissenschaftliche Methode – aber Ich möchte aber kein Machtmensch sein. Ich will sie ist komplett unmenschlich. Wer eine Idee hat, will schon, dass man mir zuhört. Aber man soll meine doch, dass sie richtig ist! Da besteht ein Konflikt. Aussagen als Diskussionsbeiträge verstehen und Kann man nicht auch zu skeptisch, zu kritisch sein? nicht als die reine Wahrheit eines Weisen. Natürlich. Ich persönlich war aber immer ein wenig Im Französischen gibt es den Ausdruck «La Maladie zu optimistisch. du Nobel», die Nobelpreis-Krankheit. Damit In der Wissenschaft oder ganz generell? ist die Tendenz gewisser Preisträger gemeint, Beides. Das Leben hat es aber auch sehr gut mit mir sich zu Dingen zu äussern, die ausserhalb gemeint. Mein erster Lohn betrug weniger als tau- ihrer Kompetenz liegen, oder gar pseudo­ send Franken, aber für mich war das damals viel. wissenschaftliche Theorien zu entwickeln. Während meines ganzen Berufslebens ist der Lohn Eben davon spreche ich. Ich hoffe, dieses Virus er- gestiegen, und meine Forschung wurde stets gross­

wischt mich nicht. zügig unterstützt. Ist das nicht wunderbar? 4747 — — 20172017 4747 — — 20172017 Es ist erstaunlich, auf welche Abwege manche Nobel- Gewiss. preisträger geraten sind. Philipp Lenard er- Und woher kommt dieses Geld? Von Ihnen! fand die haarsträubende «Deutsche Physik» Von mir? der Nazis, propagierte den Von Ihren Steuern, Monsieur! Mich hat immer die öf-

Konsum von Unmengen von Vitamin C … fentliche Hand ernährt. Vielen Dank! Vielen Dank für DASDAS MAGAZIN MAGAZIN N° N° DASDAS MAGAZIN MAGAZIN N° N° Ihre Steuern! Es sind auch die Steuerzahler, die mit 22 diesem Nobelpreis ausgezeichnet werden. «Es ist klar, dass nicht immer alles richtig ist, was man sich ausdenkt. Ideen müssen mutig sein, sonst taugen sie nicht viel.»

artiges. Ich habe nach meiner Emeritierung begon­ nen, jungen Migranten Mathematikunterricht zu ge­ ben. Da sitze ich also einem fünfzehnjährigen, unbe­ gleiteten Afghanen gegenüber, der hier ganz verloren ist. Viel verschiedener können zwei Personen gar nicht sein – und trotzdem rechnen wir eine Stunde zu­ sammen, und es geht sehr gut. Das ist wunderbar. Wollen Sie das auch als Nobelpreisträger machen? Unbedingt. Es ist das Befriedigendste, was ich seit meinem Weggang von der Universität gemacht habe. Lassen Sie uns von Ihrer Nobelpreis-Arbeit sprechen. An der Pressekonferenz in Lausanne haben Sie scherzhaft gesagt, Sie hätten «das kalte Wasser» entdeckt. Was meinten Sie damit? Wir haben eine Methode entwickelt, Wasser so schnell abzukühlen, dass sich keine Eiskristalle bilden. Übri­ gens haben wir im Nachhinein erfahren, dass wir gar nicht die Ersten waren: Ein Team aus Innsbruck hat­ Sie haben immer wieder intensiven Kontakt gepflegt te das schon vor uns beobachtet. Unser Vorteil war, mit Menschen ausserhalb Ihres Fachgebiets, dass wir ein handliches Verfahren hatten, das wir bald etwa mit dem Anthropologen Jeremy Narby, benutzen konnten, um Viren und Proteine unter dem der teilweise esoterische Positionen vertritt. Elektronenmikroskop zu beobachten. Warum? Das erinnert mich an Edison, der die Glühbirne Ich finde, man muss das Gespräch suchen. Mit allen. ja auch nicht erfunden, aber brauchbar Ich bin zum Beispiel ein strikter Atheist – ich habe kei­ gemacht hat. nen Zweifel, dass Gott nicht existiert. Aber die Reli­ Ja, unsere Methode geht einfach und schnell. Aber die gion interessiert mich sehr. Genauso wie wir eine Mathematik und die Apparatur dahinter, die sind Hand zum Greifen haben, sind wir auch mit einer kompliziert. Neigung zum Übersinnlichen ausgestattet. In der Das gekühlte Wasser gerät in einen seltsamen Zu- Entwicklung des Menschen war das etwas Entschei­ stand: Es wird zu einer Art Glas – man sagt, dendes. Und darum darf man die Religion auch nicht es vitrifiziert. An der Pressekonferenz haben verdammen, wie es der englische Biologe Richard Sie gesagt, man habe die Natur dieses Dawkins tut. Vielmehr soll man sie achten. vitrifizierten Wassers noch nicht verstanden. Es soll ja auch Biologen geben, sogar Evolutionsbio- Die Physik dahinter ist tatsächlich immer noch ein logen, die zugleich tiefgläubig sind. Rätsel. Darum kann ich auch sehr gut verstehen, dass Ja, das ist erstaunlich. Nicht wahr, in der Evolution die Zeitschrift «Nature» unsere Arbeit zunächst ab­ gibt es keine Richtung, kein Ziel. Wenn man das ak­ gelehnt hat – mit dem hübschen Satz «You can’t bend zeptiert und gleichzeitig gläubig ist, dann folgt dar­ nature», man kann die Natur nicht verbiegen. Ich bin

4747 — — 20172017 4747 — — 20172017 aus, dass der liebe Gott bloss den Startschuss ge­ überzeugt: Für die Lösung dieses Rätsels wird es geben hat und nachher in die Ferien gefahren ist. Ich einen weiteren Nobelpreis geben. weiss nicht, ob das eine befriedigende Vorstellung ist. Wo steht die Kryo-Elektronenmikroskopie heute? Wenn das Religiöse, wie Sie sagen, ein Teil der Es gab wahnsinnige Fortschritte in den letzten dreis­ menschlichen Natur ist, warum gibt es denn sig Jahren. Die Auflösung ist heute zehnmal besser,

DASDAS MAGAZIN MAGAZIN N° N° DASDAS MAGAZIN MAGAZIN N° N° Leute wie Sie, die an nichts glauben? was bedeutet, dass die Informationsdichte tausend­ Das ist das Wunder der Lebewesen: die Vielfalt! Die Verschiedenartigkeit der Menschen ist etwas Gross­ 23 mal grösser ist als damals. Und in den letzten vier Jah- Was schlagen Sie vor? ren gab es nochmals einen Qualitätssprung: Wir kön- Die Weltgesundheitsorganisation WHO sollte das nen jetzt einzelne Atome beobachten, können zu- Steuer übernehmen. Wenn ein neues Medikament schauen, wie Wirkstoffe an Proteine andocken – mit entdeckt wird, wie neulich gegen Hepatitis C, dürfen einem Wort: Wir sehen die Chemie. Es ist übrigens wir das nicht einer Firma überlassen, die daraus nur sehr lustig, wenn Sie mir die Bemerkung erlauben … Profit zieht. Die WHO sollte die Rechte aufkaufen Bitte. oder auch einfach übernehmen und dann die Vertei- Alle drei Chemie-Nobelpreisträger dieses Jahres sind lung steuern. Physiker, die in der Biologie arbeiteten. Und alle drei Ist das realistisch? – nein, hier darf ich nicht für die anderen sprechen, Warum nicht? Es ist vielleicht eine Utopie, aber wir aber zumindest ich für meinen Teil kann sagen: Von brauchen Utopien. In meinem Verständnis ist das Chemie verstehe ich nichts. Wissen der Menschheit ein öffentliches Gut, und da- Der Chemie-Nobelpreisträger versteht nichts von rum sollte es eine weltweite Organisation geben, die Chemie? es verwaltet – gerade auch angesichts der gewaltigen Man könnte sagen, ich habe das Niveau meiner In- Umbrüche unserer Zeit wie etwa des Klimawandels. kompetenz erreicht. Aber diese Geschichte zeigt Weltorganisationen in Ehren, aber müssten wir noch etwas anderes: Sie illustriert auf bemerkens- beim Klimawandel nicht vielmehr endlich zu werte Weise die Einheit der Wissenschaft. handeln beginnen? Sie hatten Wirkstoffe erwähnt. Dürfen wir dank Aber ja! Man müsste sehr rasch und hart handeln. Ihrer Entdeckung auf neue Medikamente Auf einer persönlichen Ebene ist bei vielen Menschen hoffen? aber noch kaum eine Verhaltensänderung zu Es gibt etwa zehn Nervenkrankheiten, an denen so- erkennen. genannte Tangles beteiligt sind – die bekanntesten Meine Frau und ich machen so viel wie möglich mit sind Alzheimer und Parkinson. Tangles sind Protein- dem Velo, und wir teilen uns ein Auto mit den Nach- klümpchen im Gehirn: Man weiss nicht genau, was barn. Aber klar, wir konsumieren auch, ich will mich sie bewirken, aber wir brauchen ihre Struktur, um die nicht als Vorbild hinstellen. Wir alle müssten uns viel, Krankheiten besser zu verstehen. Vor sehr kurzer viel mehr anstrengen. Zeit haben wir nun dank der Kryo-Elektronenmikro- Sind Sie optimistisch? skopie erstmals die Parkinson-Tangles sehen kön- Ich halte es mit Gramsci: Ich habe den Pessimismus nen. Und wenn man die Struktur hat, kann man viel- des Verstandes, aber den Optimismus des Willens. Es leicht ein Molekül entwickeln, das sie angreift. Das braucht sehr viel Willen jetzt, damit die Welt nicht zu- heisst nicht, dass es schon bald ein Medikament ge- grunde geht. ben wird, aber es ist immerhin ein Ansatzpunkt. Sie haben mal gesagt, für einen Menschen gebe es Sie haben sich auch schon skeptisch geäussert, was keine bessere Zeit zu leben als die unsrige. die Biotechnologie betrifft. Das war vor zwanzig oder dreissig Jahren. Jetzt ist es Ich bin nicht skeptisch, ich bin beunruhigt. Wir sind schon schwieriger. Meine Kinder werden vermutlich sehr gut darin, uns Kenntnisse anzueignen, aber viel ein härteres Leben haben als ich. Ihr ganz persönliches weniger gut darin, damit umzugehen. Die Biotech­ Weihnachtsgeschenk: nologie eröffnet ungeahnte Möglichkeiten, doch ich Die Gesprächszeit ist um – Jacques Dubochet hat einen Ter- ein CEWE FOTOBUCH habe kein Vertrauen, dass die Pharmaindustrie etwas min in Bern. Aber er willigt sofort ein, als ich vorschlage, im Verschenken Sie zu Gutes daraus macht. Schauen Sie doch nur, was mit Zug mit ihm mitzufahren und das Interview fortzusetzen. Weihnachten Erinnerungen CRISPR/Cas passiert. Nur meine Frage, ob er erste oder zweite Klasse reist, scheint Eine neue Methode zur gezielten Genveränderung. ihn zu irritieren: Ein Sozialist alter Schule fährt zweite Klas- Ja. Kaum entdeckt, streiten sie sich schon darum, wer se, Nobelpreis hin oder her. Zu Anzug und Krawatte, die er we- damit die Kohle machen darf. Es ist wirklich schlecht gen des Berner Termins trägt, setzt er einen Kontrast, indem angelaufen. er nun ein Wollkäppi und einen Rucksack anzieht. Wir gehen für ein 10C AsNsj Y0MD Qx0TU xtD Qw N AUA MQ3zi g8AAA A=< /w m> CEWE FOTOBUCH

über die Terrasse der Lausanner Uni, die Sicht auf Berge und 10C FXLr Q7C QB BF4Se azb 3T-WU lqWsQ pH5 Ng- b9FQ GHO O 47xzF94Nd 9f5z7cxI 0E2O DP r19 aHr G3JqD hdJJohXMG 9qAyN C_R8 xKHVh fI 6SgV8 lW4r kYqFD N8b5e H- 12NG l6AA AA< /w m> See ist herrlich. Der Mont Blanc, den er auch aus dem Büro- Gutscheincode fenster sehe, habe eine beruhigende Wirkung auf ihn, weil er 4698 ihn einst bestiegen habe, sagt Dubochet. Das Meistern sei «Ich habe sechs oder seine Methode, die Furcht zu verlieren. Die Angst vor der Fr. 10.– sieben Jahre lang eine Psycho- Nacht überwand er als Kind, indem er sich vorstellte, wie sich Gutschein* analyse gemacht, sein Aufenthaltsort auf der Erde in den Schatten bewegt und 4747 — — 20172017 am nächsten Morgen wieder daraus auftaucht. Mit der Emp- da wälzt man solche Fragen fehlung des Priesters, Heiligenbilder unters Bett zu legen, natürlich hin und her.» konnte der kleine Jacques hingegen nichts anfangen.

Sie machen Politik für die SP. DASDAS MAGAZIN MAGAZIN N° N° Ich sitze im Gemeindeparlament von Morges. Als

24 einer von hundert. *Gültig bis 4.12.2017 für alle CEWE FOTOBUCH Varianten ab einem Mindestwarenwert von Fr. 40.–. Nur einmal pro E-Mail-Adresse einlösbar. Nicht kumulierbar. Nun sind doch die Probleme der Wissenschaft die Ganz genau. Die besondere Note lag darin, dass mein einfacheren, denn sie sind lösbar. Papa zu jener Zeit Chef des Büros für Autobahnen des Normalerweise macht man Fortschritte, ja. Kantons Waadt war. Die politischen Probleme hingegen, beispielsweise Eine Form des Protests gegen die Eltern? der Verkehr in Morges, mit dem Sie sich Ich habe sechs oder sieben Jahre lang eine Psycho- befassen, sind die wahren Probleme, denn es analyse gemacht, da wälzt man solche Fragen natür- gibt keine Lösung. lich hin und her. Aber ich glaube nicht. Meine Eltern Das ist nicht wahr. Natürlich gibt es Lösungen! waren gute Leute, nicht links, aber liberal im histori- Freut mich, das zu hören. schen Wortsinn. Sozial sehr engagiert, das ist in der Wir haben viel zu viele Autos in Morges. Jetzt will der Familie geblieben. Wir haben zu Hause oft Personen Bund eine Umfahrungsautobahn bauen, die natür- aufgenommen, die in Schwierigkeiten steckten. lich noch mehr Verkehr anziehen wird. Wir müssen Sie sind Legastheniker, hatten schlechte Noten. aufhören damit. Ich habe mich einmal an die Auto- Kann das Überwinden solcher Hindernisse bahn gestellt und gezählt: In jedem Auto sassen im dabei helfen, am Ende einen Nobelpreis zu Schnitt 1,2 Personen. Was für eine Verschwendung! gewinnen? Setzen wir drei Personen in jede Kiste, und das Prob- Ich glaube nicht, dass es besonders viele Hindernisse lem ist gelöst. Das wäre auch sozial sinnvoll, denn gab in meinem Leben. Stimmt, ich hatte Mühe mit vielleicht würden die Leute endlich beginnen, mitei- der Rechtschreibung und mit den Vokabeln, das hät- nander zu reden. te schiefgehen können. Aber ich hatte Glück, weil der Wie wollen Sie die Autofahrer dazu bringen mitzu- Direktor mir trotzdem erlaubte, an der Schule zu blei- machen? ben. Und ich hatte verständnisvolle, liebende Eltern. Man müsste sie schon ein wenig schubsen. Meine Schauen Sie, meine Frau und ich haben eine junge So- grosse Hoffnung sind die selbstfahrenden Fahrzeuge. malierin aufgenommen, die nun seit zwei Jahren bei Künftig werden wir kein eigenes Auto mehr haben, uns zu Hause wohnt. Stellen Sie sich mal vor, was für sondern per iPhone eines bestellen, wenn wir es brau- Hindernisse sie zu überwinden hatte in ihrem Leben! chen. Es gäbe weniger Autos, der Stau wäre weg, und Das ist überhaupt nicht vergleichbar. aus den Parkplätzen könnten wir Gärten machen. Stimmt es, dass Sie 1968 Totenkopf-Plakate gegen Der Kondukteur tritt auf. Jacques Dubochet beginnt in seinem den Genfer Autosalon aufhängten? Portemonnaie hektisch nach dem Billett zu suchen.

Ihr ganz persönliches Weihnachtsgeschenk: ein CEWE FOTOBUCH Verschenken Sie zu Weihnachten Erinnerungen

für ein

10C AsNsj Y0MD Qx0TU xtD Qw N AUA MQ3zi g8AAA A=< /w m> CEWE FOTOBUCH 10C FXLr Q7C QB BF4Se azb 3T-WU lqWsQ pH5 Ng- b9FQ GHO O 47xzF94Nd 9f5z7cxI 0E2O DP r19 aHr G3JqD hdJJohXMG 9qAyN C_R8 xKHVh fI 6SgV8 lW4r kYqFD N8b5e H- 12NG l6AA AA< /w m> Gutscheincode Fr. 10.– 4698 Gutschein* 4747 — — 20172017 DASDAS MAGAZIN MAGAZIN N° N°

*Gültig bis 4.12.2017 für alle CEWE FOTOBUCH Varianten ab einem Mindestwarenwert von Fr. 40.–. Nur einmal pro E-Mail-Adresse einlösbar. Nicht kumulierbar. Wo ist es denn? Das hier ist es nicht. Was habe ich bloss damit gemacht? Oh, là, là, ich habe tatsächlich vergessen, ein Billett zu lösen!

Der Kondukteur stellt Dubochet ein Billett aus. Ohne den «Mich dünkt, Sie sind ein eher vorschriftsgemässen Zuschlag von neunzig Franken. atypischer Wissenschaftler.» – «Das sagen jetzt alle. Mein Sie verrechnen mir keinen Zuschlag, das ist sehr nett. Vielen Dank! Und Entschuldigung! Sie haben heute Spezialgebiet ist: Ich versuche Gutes getan. zu verstehen.»

Der Kondukteur tritt ab.

Wissen Sie, meine Frau und ich hatten zehn Jahre lang ein Generalabonnement. Aber es hat nicht mehr Wirklichkeit sehr nahe. Ich persönlich habe meine rentiert. Schade – wenn ich gewusst hätte, dass der besten Ideen unter der Dusche. Nobelpreis kommt, hätte ich es behalten. Aber ma- Oh. Und wie halten Sie sie fest? chen wir doch weiter. Gleich nach der Dusche. Ich habe ein kleines Heft, Sie haben in Ihrem Blog geschrieben, dass Sie einen um meine genialen Ideen aufzuschreiben. Die meis- «Discours privé» pflegen, also eine Art tens, wenn man sie notiert, nicht mehr so genial sind. Selbstgespräch. Und zwar am liebsten im Sie sollen einmal einem Ihrer Studenten empfohlen Halbschlaf und beim Wandern. haben, in seinem Austauschjahr lieber wan­ Entwickeln Sie dabei Ihre Ideen? dern zu gehen statt Vorlesungen zu besuchen. Durchaus. Die Leute glauben, man könne Erkennt- Das stimmt. Ich habe auch von den Leuten in meiner nisse direkt aus den Gleichungen ableiten, aber das Forschungsgruppe verlangt, dass sie Ferien nehmen, ist lächerlich. Nietzsche hat dazu sehr schöne Dinge dass sie spazieren gehen oder joggen. gesagt – er gehe spazieren, um Ideen zu haben, und Aus Nächstenliebe oder um ihre Fantasie versuche sie dann festzuhalten, damit sie nicht entwi- anzuregen? schen, bevor er ins Büro zurückkehre. Das kommt der Beides. Es wird allgemein zu wenig getan, um die Kreativität zu fördern. Mich dünkt, Sie sind ein eher atypischer Wissen­ schaftler. Das sagen jetzt alle. Ich habe den Eindruck, ich sei ganz normal. Mein Spezialgebiet ist: Ich versuche zu verstehen. Aber da bin ich doch nicht der Einzige. Sie sind extrem interdisziplinär. Sie arbeiten betont langsam. Und Sie hassen das Konkurrenz­ denken. Das läuft doch der Ideologie zu­

V wider, wie sie an den Universitäten seit zehn om oder zwanzig Jahren vorherrscht. Ja, das ist keine gute Entwicklung. In der Kryo-Elekt- En Swiss 10x ign ronenmikroskopie hat sich zum Glück bis heute eine t ic Des wur Graph Forschergemeinschaft erhalten, die bemerkenswert offen ist und wo man sich gegenseitig hilft. Hoffent- f lich bleibt das so. In anderen Gebieten, etwa in der z um Röntgenkristallographie, sieht es ganz anders aus, da sind die Interessen der Pharma zu stark. Druck Wären Sie heute jung, hätten Sie vielleicht Mühe, sich an einer Universität durchzusetzen. Sehr wahrscheinlich schon. Die Leute, die heute Er- folg haben, sind zäher und konkurrenzfähiger, als ich es war. Ich diskutiere viel mit meinem Sohn darüber,

der ein Doktorat in Informatik hat. Ich habe ihm davon 4747 — — 20172017 4747 — — 20172017 abgeraten, in die Grundlagenforschung zu gehen. Waren die Universitäten denn früher anders? Am Europäischen Laboratorium für Molekularbiolo- 17 27.10.20 gie in , wo ich den grössten Teil der Nobel- 018

2 DASDAS MAGAZIN MAGAZIN N° N° DASDAS MAGAZIN MAGAZIN N° N° bis 7.1. ch preis-Forschung machte, lautete die Strategie da- desmuseum. www.lan mals: Junge, gute Leute mit ambitionierten Projekten holen. Und sie dann machen lassen. Wir hatten alle Freiheit der Welt. Das hat sehr gut funktioniert – ich glaube, das ist jetzt schon der dritte Nobelpreis, der daraus hervorgeht. Und in Lausanne? Ich hatte wunderbare Bedingungen. Zum Beispiel hat es mir die Universität ermöglicht, während der zwan- zig Jahre, in denen ich dort war, stets zwei Leute an- zustellen, die sich mit eher utopischen Langzeitpro- jekten beschäftigten. Für diesen Teil meiner Arbeit hätte ich niemals Geld vom Nationalfonds bekom- men, von Privaten sowieso nicht. In den letzten Jahren hat man fast nur von der EPFL gesprochen, also von der ETH in Lausanne. Zu Unrecht. Jetzt staunen plötzlich alle Deutschschweizer, dass es in Lausanne auch noch eine Universität gibt. Unser Forschungsminister Johann Schneider-Am- mann hat da kurz nach meinem Nobelpreis eine ver- blüffende Bemerkung gemacht. Er hat gesagt: Lau- sanne hat zwei berühmte Universitäten – die EPFL seit Langem und die Uni spätestens seit dieser Wo- che. Vielleicht ist die Sicht in Bern ein bisschen verne- belt? Die Universität Lausanne muss doch nicht mehr beweisen, dass sie eine Hochschule von Weltniveau ist. Wer besser sieht, hat Auf der Titelseite eines Essays von Ihnen ist eine Zeichnung mit zwei Pferden abgebildet. Das mehr vom Leben. eine Pferd hat Scheuklappen, auf denen «DNA» steht. Es sagt zum anderen: «Weisst

du, ich habe Biologie studiert.» Und das «Wie viel Lebensqualität eine10CAsNsjY0MDQx0TUxNDCyMAUAnC29JQ8AAAA= mperfekter Sehkomfort andere Pferd, ohne Scheuklappen, antwortet: 10CFXLoQ4CUQxE0S_qy0zflHapJOs2Kwj-GYLm_xUBh7ju3OPoGPh128_Hfm-CkonwivaNY7sUqgs5KsWGMB3MKwl4ZNbfYlJ5AOtrDDLMRViUhdYExvv5-gCNsVdbdQAAAA== «Ich auch, aber in Lausanne.» schenkt, merktman erst,wennman dieWeltdurch die Das hat mit dem Programm «Biologie und Gesell- individuellsten Brillengläseraller Zeiten sieht.» Helena schaft» zu tun, das wir an der Universität Lausanne Koenig trägtselbereineBrillemit Gleitsichtgläsern von 1999 eingeführt haben. War das Ihre Idee? Kochoptikund siehtinallen Bereichensoscharfwie Nicht nur, aber ich war der Motor dahinter. Es gab da- nie zuvor. DieseLebensqualität möchte sie auch ihren mals in ganz Europa nichts Vergleichbares. Das Pro- gramm ist für alle obligatorisch, und zwar während Kunden ermöglichen. des ganzen Biologiestudiums. Wir wollen damit gegen den Elfenbeinturm kämpfen – auf dass unsere BeiKochoptikdreht sich allesumIhreSicht derDinge. Studenten nicht nur erfolgreiche Wissenschaftler Aufgrund einersorgfältigenSehanalyse finden wirfür Sie werden, sondern auch gute Bürger. dieBrille, dieperfekt aufIhreSehanforderungen zuge- Aber letztlich bedeutet diese kleine Zeichnung doch, dass alle Biologen, die nicht an der Uni schnittenist.Von den individuellsten Brillengläsern aller Lausanne studieren, Scheuklappen haben. Zeiten biszum grössten Sichtfeld füroptimales Sehen Ach, wissen Sie, welcher Spezialist ist denn nicht eng- stirnig? Es ist vielleicht meine grösste und traurigste in allenBereichen.Gerne beratenwir Sie persönlich. Entdeckung seit der Emeritierung, wie viele Leute VereinbarenSie gleich einenTermin –gerneauchonline. eine ungemein beschränkte Weltsicht haben. Mein Sohn sagt immer: «Wenn du ein Hammer bist, sieht alles aus wie ein Nagel.» 4747 — — 20172017 4747 — — 20172017 DASDAS MAGAZIN MAGAZIN N° N° DASDAS MAGAZIN MAGAZIN N° N° MATHIAS PLÜSS ist Wissenschaftsjournalist www.kochoptik.ch und regelmässiger Mitarbeiter von «Das Magazin»; Gratisnummer0800 33 33 10 [email protected]