Pommersche Geschichte Im Spiegel Gewirkter Wandbehänge
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178 Walter Borchers eine Anerkennung von polnischer Seite erreicht. Das polnisch denkende Polen hat diese Lösung nicht erstrebt. Die Sowjetunion konnte einen doppelten Erfolg buchen. Neben dem be- trächtlichen Vorrücken seiner eignen Grenze nach Westen hat es im Be- sitz von Königsberg und mit der Kontrolle der pommerschen Häfen eine Stellung erreicht, die mit Leichtigkeit weiter ausgebaut werden kann. Pommern aber ist auf diese Weise wieder in das Spiel der Kräfte ein- geschaltet worden, die sein Schicksal von je bestimmten, den Kampf um den Ostseeraum. Auf diesen Platz hat es die Geschichte gestellt, hier spielte es eine Rolle, die ihm keine epochalen Entscheidungen zugestand, ihm aber das Gewicht gab, die Entscheidungen mit zu bewirken. Nicht als den bahnbrechenden Strom, aber auch nicht als den abseits liegenden stillen Seitenarm, sondern mitten im Flusse des Geschehens, so müssen wir Pommern sehen, wollen wir sein wahres Gesicht erkennen. Walter Borchers: Pommersche Geschichte im Spiegel gewirkter Wandbehänge In mehreren Jahrhunderten, in verschiedenen Ländern und aus verschie- denen Anlässen sind Teppiche gewirkt worden, die Persönlichkeiten und Begebenheiten der pommerschen Geschichte zum Vorwurf haben. In der herzoglichen Residenzstadt Stettin des Landes Pommern, in dem dänischen Helsinger und im kurfürstlich-brandenburgischen Berlin entstanden im 16. und 17. Jahrhundert Teppiche, ja Tcppichfolgen, die aus dynastischen Erwägungen heraus, aus Gründen der fürstlichen Repräsentation, zur Ver^ herrlichung der pommerschen Herzogsfamilie der Greifen, des dänischen Königshauses und eines Vertreters des Hohenzollerngeschlechtes, nämlich des Großen Kurfürsten, dienten und zum Schmuck fürstlicher Innenräume bestimmt waren.1 Merkwürdigerweise waren es keine deutschen Künstler, schon gar nicht Pommern, welche die Entwürfe oder die fertigen Teppiche lieferten, vielmehr die Niederläuder Peter Heymans und Hans Knieper und ein emigrierter Franzose Pierre Mercier d. J. aus Aubusson. 1) H. G ö b e 1, Wandteppiche. Die germanischen und slawischen Länder. Berlin 1934. Teil III, Bd III. S. 137 f.; J. Lessing, Der Croyteppich. Jb. d. preuß. Kunstsammlungen. Berlin 1902. S. 227 f. Pommersche Geschichte im Spiegel gewirkter Wandbehänge 179 Am 20. Mai 1551 stellte Herzog Barnim XI. von Stettin Peter Heymans als Tapetmacher an. Aus Rechnungsbelegen können wir ungefähr seine Tätigkeit rekonstruieren. Er war einer der vielen umherreisenden nieder- ländischen Künstler der damaligen Zeit, die in den Niederlanden gelernt hatten, für fürstliche Herren arbeiteten, in Deutschland neue Anregungen empfingen und auf deutsche Wünsche eingingen. In den Nachlaßinventaren des Herzogs Philipp von Pommern-Wolgast vom 26. 2. 1560 und des Herzogs Johann Friedrich um 1600, ebenso in dem Wolgaster Schloßinventar von 1593 wird eine Reihe von Wandbehängen geschildert, die aus der Werk- statt dieses Künstlers stammen. Unter diesen wird in dem Inventar von 1560 ein Behang erwähnt mit der „peregrinatio domini Boguslai zum Heiligen Lande". Dieser Teppich ist mehrere Male verzeichnet, und wir wissen, daß der Karton dazu, „ein groß Gemälde, druf die Historie wie Herzog Bugislaf sich aufm Meer mit den Türken geschlagen", noch 1593 in Stettin „in dem Gewölbe gegen die Wasserkunst aufm alten Hause hing". Herzog Bogislaw X., auch der Große genannt, regierte von 1454—1523; er war wohl der bedeutendste pommersche Herzog, der sich auch gegen die selbstherrlichen Städte Pommerns durchzusetzen wußte und das gesamte Land zum erstenmal geeint verwaltete. Seine zweite Gemahlin, aus könig- lichem Geblüt, war die Tochter des Königs Kasimir von Polen. Bogislaw machte eine Pilgerfahrt zum Heiligen Lande und bestand unterwegs einen siegreichen Kampf gegen türkische Seeräuber. Dieses Ereignis wurde in Europa mit Bewunderung aufgenommen und Bogislaw selbst zu einem großen Helden gestempelt. Als er 1492 nach Europa zurückkehrte, wurde er im Auftrage des Dogen von Venedig gemalt, in St. Marcus mit einem Tedeum laudamus empfangen und vom Papst Alexander VI. aus dem Geschlecht der Borgia in einer Weihnachtsmesse in Rom mit einem geweihten Hut und einem Prunkschwert geehrt; beides vermachte Bogislaw bei seiner Rückkehr der Stettiner Ottokirche. Seine Erlebnisse wurden, wie Thomas' Kantzow, der pommersche Chronist, vermeldet, gemalt, Dieses Gemälde wurde an einem Pfeiler der Stettiner Ottokirche aufgehängt. Leider sind Teppich und Bild nicht mehr vorhanden, so daß wir uns kein Urteil über sie hinsichtlich Form und Inhalt erlauben können. Auf diesem Teppich des niederländischen Tapetmachers Heymans wird im Auftrage eines pommer- schen Herzogs ein Urahn gefeiert, der weit über das pommersche Land hinaus als Held in der europäischen Welt einen Namen hatte. Es war also kein zeitgenössisches, sondern mehr ein historisierendes Thema, bei dem das persönliche Erlebnis eines Herrschers außerhalb seines Landes mit den Heiden wohl als eine denkwürdige Historie Beachtung fand. Neben diesem Teppich werden in den Inventaren von 1560 und 1593 weitere erwähnt, die aus der gleichen Heymansschen Werkstatt herrühren: unter Nr. 14 „ein Stück, druf zwen wilde Männer mit dem pomrischen Wappen in Gold gewirkt". Unter Nr. 15 erscheint ein „klein kurz Rück- 12* 180 Walter Borchers laken, darauf polnisch und pomrisches Wappen", unter Nr. 23 „ein lang Rückenstück in der Mitte m. gn. H. pomrisches Wappen", unter Nr. 25 „ein Rückenstück, darin ein Greif" (das pommersche Wappentier), unter Nr. 27 „ein Stück Rückenlaken mit dem pomrischen Wappentier und Helmzier", unter Nr. 29 „ein Rückenstückle darin ein Greif und pfalzgräflich Wappen". In dem Inventar von 1593 werden folgende Wandbehänge aufgezählt: Nr. 24 „ein lang Rückenstück, in der Mitte das pomrische Wappen mit der Jahreszahl 1541", Nr. 28 „ein Stück mit dem pomrischen Wappen und Helmzier, ao 1542 gemachet", Nr. 37 „ein gewirkt Tepich mit 4 Greifen und dem Rautenkranz und darin Herzog Ernst Ludwig Konterfei u. I. F. G. 16 Ahnen" (wahrscheinlich stammt dieser letzte Teppich von der Hand eines anderen Tapetmachers, vermutlich von Simon von Kalleberge, der seit 1560 im Dienste der pommerschen Herzöge stand). Es sind hier nur einige Wandteppiche angedeutet, die das pommersche Wappen, ferner das Wappentier des Landes, den Greifen, und die Wappen der Fürstenhäuser tragen, die mit dem pommerschen Herzogshaus in ver- wandtschaftlichen Beziehungen standen, so die der regierenden Häuser Polens, Sachsens und die der Pfalzgrafen. Aus der Werkstatt des Peter Heymans stammt ferner der wohl beachtlichste und noch erhaltene große Wandbehang in den Maßen 432x680 cm, sign. P. H. und datiert 1554, der in dem Wolgaster Schloßinventar von 1593 als „ein Tepich (druf die Taufe Christi) mit den Sächsischen und Pomrischen Herren auch Lutheri und anderen Gelahrten Conterfei zu Stettin gemalet", angegeben wird2 (Abb. 1). Es ist ein Bildteppich, der unter dem Namen Croy-Teppich allgemein bekannt geworden ist und der nach dem Tode des letzten Pommernfürsten, des ehemaligen Titularbischofs Bogislaw von Croy, 1684 zum Gedenken an seine Mutter Anna von Pommern der Universität Greifswald vermacht wurde. Das Thema dieses Croy-Teppichs ist im Grunde genommen ein Familienereignis: die Verbindung der protestan- tischen Fürstenhäuser Pommerns und Sachsens, der Greifen und der Wettiner, durch die Hochzeit des Herzogs Philipp von Pommern mit Maria von Sach- sen. Wie es zu dieser Ehe kam und wie es bei dieser Hochzeit zuging, das schildert Thomas Kantzow in seiner niederdeutsch geschriebenen Chronik. Als Herzog Philipp sich zu verehelichen gedachte, befragte er seine Räte. Es wurde ihm Maria von Sachsen, die Schwester Johann Friedrichs, vor- geschlagen. Durch Johannes Bugenhagen ließ er schriftlich bei dem Kur- fürsten anfragen, und dieser war nicht abgeneigt. Man kam überein, daß Maria mit 20 000 Joachimsthalern Mitgift ausgestattet werden sollte und 2) H. Bethe, Die Kunst am Hofe der pommerschen Herzöge. Berlin 1937. S. 40ff. Abb. 24/25; Ch. Steinbrucker, Der Croyteppich der Universität Greifswald. In: Unser Pommerland. 1930. H. 1 S. 21 f.; M. Wehrmann, Der Meister des Croyteppichs. In: Monatsblätter. Hrsg. v. d. Ges. f. pommersche Gesch. u. Altertumskunde 1916. S. 45—46; Ch. Steinbrucker, Von deutschen Bild- teppichen. Baden 1937. S. 20; H. Schmitz, Bildteppiche. Berlin 1921. S. 142 ff.: Der Kunstbrief, Der Reformationsteppich der Universität Greifswald. Berlin 1947. Pommersche Geschichte im Spiegel gewirkter Wandbehänge 181 daß Herzog Philipp am Fastnachtsabend nach Torgau reisen und sofort das Beilager halten sollte, sofern ihm Maria gefiele. Anno 1536 wurde die Hochzeit vollzogen und beide, wie es heißt, durch Dr. Martin Luther zu- sammengegeben. Auf der Hochzeit waren neben den Herzögen von Sachsen, Pommern, Mecklenburg und Grubenhagen der Fürst von Anhalt, ferner Luther, Melanchthon, Bugenhagen und viele andere Geistliche und Ge- lehrte der ev. Kirche anwesend, und es heißt weiter: „Es begaben sich auch die beiden Fürsten Herzog Barnim und Herzog Philipp in das evangelische Bündnis, daß sie das Evangelium wollten bekennen und beschirmen." Aus der Kenntnis der Zeilen dieser pommerschen Chronik gewinnt der Bild- teppich für den Beschauer an Klarheit. Dargestellt sind in Lebensgröße 22 Männer, Frauen und Kinder einer Epoche, die wir mit dem Begriff Re- formationszeit kennzeichnen. Die Vertreter der beiden Fürstenhäuser Sachsen und Pommern erscheinen getrennt rechts und links von der Rednerkanzel Luthers in einem imaginären Raum. Es sind dies die Kurfürsten Friedrich III. der Weise von Sachsen (f 1525),