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Einzelheft 20. Jahrgang 3,– Euro Heft 3/2013

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Anz_Brecht_SPD_A5.indd 1 12.03.2009 9:34:14 Uhr Inhalt

Editorial . 2 Kosmos Keuner in der Suhrkamp BasisBibliothek . 42 Impressum. 2 Von Christian Weiblen

Brecht international Das schönste Brechtbuch der aktuellen Flashmob Antigone. 3 Kollektion. 43 Von Werner Wüthrich Einwurf zu Eisler . 43 Internationales Brecht-Symposium in Von Ulrich Fischer Okinawa. 14 Literatur und der Krieg. Blick aus Deutschland, Theater Japan und Okinawa „Es wird schlechter“: Die Méthode Coué in Von Akira Ichikawa Brechts „Im Dickicht der Städte“ . 28 Dreiundfünfzig Von Klaus Müller

Einmal so und einmal so. 6 Ganz und gar heutig...... 32 Zu zwei von zahlreichen Interventionen Brechts Der Jasager und Der Neinsager an der Staatsoper zum 17. Juni 1953 in der DDR Berlin Von Dieter Henning Von Jürgen Schebera Der Kapitalismus wankt, aber er fällt nicht. 34 Kunst Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny am Ausstellung Cornelia Groß im Hessischen Staatstheater Wiesbaden Brechthaus Berlin. 17 Von Andreas Hauff

Frans Haacken: ein vernachlässigter Ein Hoch auf den Übersetzer! . 37 Ikonograph Brechts. 18 Begegnungen und Wiederbegegnungen beim Von Till Schröder 21. Kurt-Weill-Fest in Dessau Das Fotoarchiv von Hainer Hill im Bertolt- Von Andreas Hauff Brecht-Archiv. 26 Von Anett Schubotz Kleinigkeit

Leben mit Brecht (Karikatur) . 48 Eine Bemerkung zu Brechts „Turmwacht“- Von Klaus Müller Artikel vom 8. August 1914 . 41 Von Michael Friedrichs Neuerscheinungen Bertolt-Brecht-Archiv Dreigroschenoper: Eine neue Film-Doku bei ARTE. 5 Neu in der Bibliothek des Bertolt-Brecht- Von Günther Klein Archivs. 44 Zwei Neuerscheinungen, noch druckwarm 25 Zusammenstellung: Helgrid Streidt

Dreigroschenheft 3/2013  Editorial Impressum

Der 17. Juni 1953 ist sechzig Jahre her – Dreigroschenheft Brechts Verhalten in dieser Situation wird Informationen zu Bertolt Brecht seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Die- Gegründet 1994 Herausgeber 1994-2009: Kurt Idrizovic ter Henning, Spezialist für Brechts späte Lyrik, hat zwei Interventionen Brechts in Erscheint vierteljährlich zu Quartalsbeginn diesem Kontext ausführlich analysiert. Einzelpreis: 3,- € Jahresabonnement: Inland: 15,- €, Ausland: 20,- €

Die Gleichzeitigkeit von einem Brecht- Anschrift: Symposium und von entschiedenen Pro- Wißner-Verlag GmbH & Co. KG testen gegen die immer noch gewaltige Im Tal 12, 86179 Augsburg Militärpräsenz auf Okinawa hat die unver- Telefon: 0821-25989-0 minderte Aktualität Brechts in Erinnerung www.wissner.com [email protected] gerufen, wie der japanische Brechtspezialist [email protected] Akira Ichikawa zeigt. www.dreigroschenheft.de Bankverbindung: Wißner-Verlag GmbH & Co. KG Dass zeitgenössische Bezüge in Brecht-Tex- Stadtsparkasse Augsburg Kto.-Nr. 28 24 1 BLZ 720 500 00 Swift-Code: AUGSDE77 ten noch lange nicht alle erkannt sind, zeigt IBAN: DE15 7205 0000 0000 0282 41 ain einer verblüffenden Verbindung zweier Theaterstücke der Augsburger Schauspieler Redaktionsleitung: Klaus Müller. Und er hat – erstmals in der Michael Friedrichs (mf) Geschichte des Dreigroschenhefts? – uns Wissenschaftlicher Beirat: eine Karikatur zur Verfügung gestellt, die Dirk Heißerer, Joachim Lucchesi, Mathias Mayer, diese Publikation selbst betrifft. Werner Wüthrich

Es ist auch Zeit, von der Zukunft dieser Pu- Autoren in dieser Ausgabe: Ulrich Fischer, Michael Friedrichs, Cornelia Groß, blikation zu sprechen: die Preiserhöhung Andreas Hauff, Dieter Henning, Akira Ichikawa, der Post zu Jahresbeginn für Büchersen- Günther Klein, Klaus Müller, Jürgen Schebera, Till Schröder, dungen hat eine prekäre Situation noch Anett Schubotz, Helgrid Streidt, Christian Weiblen, schwieriger gemacht. Ohnehin ist der Ver- Werner Wüthrich triebsaufwand beträchtlich. Gleichzeitig Titelbild: breitet sich im Wissenschaftsbereich die Pulverdampf vor dem Brecht-Symposium in Okinawa kostenlose Verfügbarkeit von Literatur über (Foto: Akira Ichikawa) „open access“ weiter aus, und so denken wir darüber nach, im nächsten Jahr auch Druck: Druckerei Joh. Walch, Augsburg das Dreigroschenheft kostenlos als E-Paper ISSN: 0949-8028 verfügbar zu machen und nur noch eine kleine Auflage zu drucken, die in Augsburg vertrieben wird. An Lesermeinungen dazu sind wir sehr interessiert. Gefördert durch die Stadt Augsburg Lesen Sie wohl! Ihr Michael Friedrichs¶ Gefördert durch den Bert Brecht Kreis Augsburg e.V.

 Dreigroschenheft 3/2013 Chur 1948 – 2013: Theater am Tatort Flashmob Antigone Eine Intervention zum 65. Jahrestag der Uraufführung der Antigone des Sophokles von Bertolt Brecht Brecht I nternational am Originalschauplatz von 1948; ehemals Stadttheater Chur > heute Cinema Super- store AG im Churer „Rätushof“

Von Werner Wüthrich

Nach einer Idee der bekannten Opern- Regisseurin Johanna Dombois fand am Mittag den 23. Februar 2013, mitten zur sams- täglichen Hauptge- schäftszeit, im Mode- und Kleidergeschäft Superstore AG an der Gründung und Entstehung des „Berliner Churer Bahnhofstrasse 14 ein so genannter Ensembles“ gelten darf. Der Theatermann „Flashmob“ statt, zur Erinnerung an Bertolt Hans Curjel, wie Bertolt Brecht seit 1935 Brechts experimentelle Theaterarbeit in der aus Deutschland ausgebürgert und damals Schweiz und die Uraufführung derAntigone ebenfalls in seinem Zürcher Exil noch im- des Sophokles am 15. Februar 1948. Die viel mer ohne Pass („Wer keinen Pass hat, ist ein beachtete Intervention zum 65. Jahrestag Hund …“), leitete nach erfolgreichen Jah- der Brecht-Uraufführung war in Zusam- ren der Experimente am „Neuen Zürcher menarbeit mit dem Theater Chur (Inten- Corso-Theater“ seit 1942 das heute verges- dantin Ute Haferburg) ermöglicht worden. sene Unternehmen „Theater- und Tournée- Genossenschaft Zürich“. Als international Der freie Theaterproduzent Hans Curjel tätiger Theaterproduzent, der nebenbei von ermöglichte im Winter 1947/48 in Zü- 1946 bis 1948 auch noch jeweils vier Mo- rich und Chur ein Theaterlabor auf Zeit, nate im Jahr die Leitung des kleinen Churer das heute als Vorstufe oder Vorlage zur Stadttheaters inne hatte, erteilt Hans Curjel den Auftrag zu einer Antikenbearbeitung,  Die Regisseurin Johanna Dombois hat sich auch als für „Die Antigone des Sophokles. Nach der Publizistin und Wissenschaftlerin einen Namen ge- macht; ihre Arbeit über Richard Wagner und seine Hölderlinschen Übertragung für die Bühne Medien ist soeben im Verlag Klett-Cotta Stuttgart bearbeitet von Bertolt Brecht“, wie der voll- erschienen: Johanna Dombois und Richard Klein, ständige Titel heisst. Richard Wagner und seine Medien. Für eine kritische Praxis des Musiktheaters, 536 Seiten, 50 Abb., Verlag  Bertolt Brecht: Werke. Grosse kommentierte Ber- Klett-Cotta, Stuttgart 2012; ISBN 978-3-608-94740- liner und Frankfurter Ausgabe, hg. von Werner 3; € 78 / SFR 105 Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzwei, Klaus-Det-

Dreigroschenheft 3/2013  sammengearbeitet. Das heisst, alte Theater- stoffe auf ihre Aussagen für die Gegenwart, also für „ein Theater des wissenschaftlichen Zeitalters“, überprüft, umgearbeitet und in Richtung kritisches Volkstheater für neue Zu- schauer- und Publikumsschichten inszeniert. Brecht I nternational Der Kontrast vor Ort, zwischen dem ehe- mals Stadttheater Chur im „Rätushof“ und der heutigen Raumnutzung, könnte grös- ser kaum sein. Vergleicht man die beiden Bilder der Theaterbühne einst und heute, ist ihnen im Umgang mit der eigenen Ge- schichte eine Symbolik nicht abzusprechen. Entsprechend schämte sich die Stadt Chur jahrzehntelang und schwieg sich über die Direktionszeit von Hans Curjel aus, als er – noch vor dem Auftrag an Bertolt Brecht – aus Chur ein national und international beachtetes Zentrum für ein modernes und zeitgemässes Theater machte, das schon damals in der Presse als „Theaterwunder von Chur“ bezeichnet wurde. Die Aktion Als exemplarische Aufführung des epi- „Flashmob Antigone“ zwischen bunten An- schen Theaters war diese erste Theaterarbeit zügen, Modepuppen und der Kundschaft Brechts nach 1933 in Europa, auf seiner er- im Mode- und Kleidergeschäft Superstore sten Station nach dem amerikanischen Exil, AG ist nicht bloss Erinnerung, sondern eigentlich als „Gastspiel Helene Weigel“ von stellt – im besten Sinne des Theatererneu- Zürich aus für eine Tournee nach Deutsch- ers Brecht – eine zeitgemässe, aktuelle „Ver- land, Berlin und München, wie auch in wei- fremdung“ dar. Entsprechend heftig und tere europäische Länder konzipiert und ge- ausführlich waren die Reaktionen auf diese plant. Der Start der Antigone-Produktion, – in Abänderung des Begriffs des „unsicht- erarbeitet von Brecht, Caspar Neher und baren Theaters“ des Brasilianers Augusto Helene Weigel mit einer jungen „wilden Boal („Theater der Unterdrückten“) – sicht- Truppe“, fand eher zufällig im Graubün- bare, spontane Theateraktion, die allenthal- dischen, und später auch am Schauspiel- ben in der Verbindung des oppositionellen haus Zürich, statt. Verhaltens der Titelfigur „Antigone“ mit der Konsumwelt heute verstanden wurde. Brecht, der Bühnenbauer Neher und Hans Zum Beispiel schrieb die Churer Tageszei- Curjel, der ehemalige Chefdramaturg und tung „Südostschweiz am Sonntag“ über die Regisseur an der Berliner Kroll-Oper, kann- „Kulturgeschichte zwischen Schaufenster- ten sich bereits aus der Weimarer Republik puppen“ von einem „Stück zivilen Unge- und hatten in ähnlicher Weise in Berlin zu- horsams im Churer Modegeschäft“.

lef Müller, Berlin und Weimar, Frankfurt am Main  Übrigens konnte für den Flashmob die damalige 1988-1997. Der Text Die Antigone des Sophokles ist Kreon-Krone von Gaugler verwendet werden. in Band 8 erschienen (GBA 8, 193–242); das erste  Anja Conzett, Stück zivilen Ungehorsams im Churer Modellbuch Antigonemodell 1948 in Band 25 (GBA Modegeschäft, in: „Die Südostschweiz am Sonntag“, 25, 90–159). Chur, vom 24. Februar 2013.

 Dreigroschenheft 3/2013 Chur 1948 – 2013: Theater am Tatort Dreigroschenoper: Eine neue Film- Doku bei ARTE Aus der Einladung zur Aktion T heater „Flashmob Antigone“ in Chur: Von Günther Klein

Mitte Februar 1948 findet die Uraufführung der Antigone des Sophokles statt. In den Hauptrollen Hans Sanden (Tiresias), Helene Weigel (Anti- gone), Hans Gaugler (Kreon). Sprung, Chur 2013. An Stelle des einstigen Stadttheaters heute: Shopping-Mall, Cinema Su- perstore AG, Winterschlussverkauf-Aktionen, »Alles %, %, %«, »!!! Radikal reduziert !!!« Von Bertolt Brecht, Modellarbeit, Antigone, dem »Theaterwunder von Chur« weiss hier niemand etwas. Doch im Ladeninnern ist, so erweist Man weiß eigentlich nie genug über die sich, auch wenn selbst dafür keine offiziellen Entstehungsgeschichte der Dreigroschen­ Markierungen existieren, die nahezu komplette oper. Und so ist ein Film willkommen, der Struktur des alten Bühnenraums noch erhalten. einführt in den Zeithintergrund und zu- gleich eine heutige Sicht auf das große Er- Mit der Aktion Flashmob Antigone – einer ein- folgsstück bietet. Claus Peymann nennt es malig stattfindenden Aufführung des 2. Prologs hier das „einzig nennenswerte Stück über der Antigone des Sophokles – wollen wir uns den Kapitalismus“. Ben Becker rezitiert und aus Anlass des 65. Jahrestages der Brechtschen unternimmt einen Streifzug durch Berlin. Uraufführung das Theater für 15 Minuten Und er entdeckt auf seiner Brecht-Reise blitzartig zurückholen: »Freunde, ungewohnt / durch den Dschungel der Großstadt ein Mag euch die hohe Sprache sein … Unbekannt / ganzes Lager voller Puppen, die genauso Ist euch der Stoff des Gedichts, der den einstigen aussehen wie Mackie Messer oder Polly Hörern / Innig vertraut war …«! – Es spielen: oder Peachum oder Seeräuber-Jenny. Peter Jecklin (Tiresias), Judith Koch (Antigone), Richard Schmutz (Kreon), Banner- und Alarm- Der Brecht-Weill-Spezialist und Musik- plattenträger des Jungen Theaters Chur in der wissenschaftler Joachim Lucchesi liefert Regie/Ausstattung von Johanna Dombois. den wissenschaftlichen Hintergrund. An- Der Chor wird in dieser Vorstellung durch einen gesichts des Vorwurfs, Brecht habe große Flashmob aus Reihen der Zuschauer gestellt, die Teile seines Stücks aus anderen Dichtungen das Geschehen am »Schauplatz … barbarischen zusammengeklaut, kommt er zu dem Opferkults« per Handy mitverfolgen und -filmen. Schluss: „Gewiss, Brecht ist ein Plünderer. Im Anschluss werden die Aufzeichnungen ge- Aber das Entscheidende ist, dass er in einer schnitten und als Korrelat der Aufführung bei Genialität plündert, die ganz große Kunst der Internetplattform YouTube hochgeladen. Der ist!“ – Ein ebenso amüsanter wie informa- Kommentar des Brechtschen »Volks« kehrt als tiver Film.¶ Upload der Net-Community und das Theater des »wissenschaftlichen« als Theater des »medi- Ausgestrahlt von ARTE am 7.4.2013 al-technischen Zeitalters« wieder.¶ (53 min.). Regie: Günther Klein. Mit: Ben Becker, Claus Peymann, Joachim Lucchesi.  Einladung zur Aktion „Flashmob Antigone“, Idee, Produktion: IFAGE Wiesbaden. Bestellbar Regie und Ausstattung Johanna Dombois, Chur 2013. Bisher scheiterte die Veröffentlichung im Netz als DVD für 7,00 € + Versand über Melanie an Copyrightproblemen. Weiß: [email protected]

Dreigroschenheft 3/2013  Einmal so und einmal so Zu zwei von zahlreichen Interventionen Brechts zum 17. Juni 1953 in der DDR

Dreiun d fünfzig Von Dieter Henning

I „AUCH DIE TROER ALSO …“ schrift Neue „ deutsche Literatur“ in der 1 Beschwerde gegen die Kunstkommission Nummer 8 vom August 1953. Beide sind also die ersten bekannten Gedichte Brechts Geht das? Einen Untergang abzusehen und nach dem 17. Juni, die einen Bezug zu den ihm entgegenzuwirken. Und ob. Was denn Ereignissen haben. Die beiden anderen im sonst? Brechts Position im Sommer 1953 Weiteren angeführten Gedichte haben eine ist im Groben damit einigermaßen be- eigene Veröffentlichungsgeschichte. Sie zäh- schrieben. Im Vergleich der beiden heraus- len (wie das Gedicht „Bei der Lektüre eines gegriffenen lyrischen Äußerungsformen griechischen Dichters“) zu den „Buckower (es sind fünf Gedichte, auf die ein kurzer Elegien“. Das Gedicht „Bei der Lektüre eines Blick geworfen wird – und ein wenig auf sowjetischen Buches“ veröffentlicht Brecht zwei Briefe) wirkt Brecht tätig wie die Tro- noch ohne den Zyklusnamen 1953 in Heft er aus dem Gedicht „Bei der Lektüre eines 6 der Zeitschrift „Sinn und Form“, das Ge- griechischen Dichters“ (12/312), die, „als ihr dicht „Die Wahrheit einigt“ erscheint zu Fall gewiß war“ und schon „die Totenklage“ Lebzeiten nicht. Brecht fügt den beiden zu- begann, sich bemühen, „Stückchen“ in den erst genannten in der „Berliner Zeitung“ ab- Holztoren gerade zu richten. Sie schöpfen gedruckten Gedichten in den Tagen danach sogar „gute Hoffnung“. Brechts Gedicht hat das Gedicht „Nicht so gemeint“ hinzu, das es in sich, nicht allein, weil es ein Text zu die Reaktion auf eine Reaktion gegenüber einem Text zu einem Text ist und er sich auf den beiden Gedichten ist, und das Brecht den griechischen Dichter Kavafis bezieht, nicht veröffentlicht. Er wendet sich gegen der seinerseits den Bezug zu Homer pflegt, „Beifallsgeklatsche/ Von jenseits der Sekto­ vielmehr, weil es der lyrische Versuch ist, rengrenze.“ Interessant, dass Brecht diesen theoretische wie im praktischen Handeln Begriff verwendet. Das Gedicht belegt, was deutliche Positionen zum Verlauf von Ge- Brecht zusätzlich im Bewusstsein hatte: schichte in Frage zu stellen. Er sei nicht als Hellhörigkeit gegenüber Instrumentalisie- verfügtes Verhängnis hinzunehmen, könne rungen seiner Texte. Im Gedicht „Nicht so wohl aber auch nicht in den Rahmen von gemeint“ beschreibt er am Anfang, was die voraussagenden Gesetzen gepresst werden. beiden anderen Gedichte ausmacht: „Als die Akademie der Künste von engstirnigen Brechts Reaktionsweise auf den 17. Juni Behörden/ Die Freiheit des künstlerischen 1953 ist nicht undiffizil. Schon allein im Ausdrucks forderte“. Die Reaktion im We- Betrachten dessen, was er veröffentlicht hat sten war, die Gedichte als allgemeinen und was er unter dem Geschriebenen nicht Freiheitsaufruf anzusehen; Brecht reagiert, herausgibt. Und was hier wie dort in den indem im Gedicht geklärt wird, dass „Frei­ Texten steht. Die Gedichte „Nicht feststell­ heit den Ausbeutern! Freiheit den Kriegstrei­ bare Fehler der Kunstkommission“ (15/268) bern!“ nicht gemeint ist. Brechts Konter ist und „Das Amt für Literatur“ (15/267) gibt insofern gekonnt, weil er die Relativierung Brecht jeweils zweimal für den Abdruck von Freiheit in der kapitalistischen Gesell- frei, sowohl für die „Berliner Zeitung“ am schaft aufgreift, sie ist dort eine Genehmi- 11. und am 15.7.1953, als auch für die Zeit- gung, ein zugelassenes Recht, über das die

 Dreigroschenheft 3/2013 Die Bestrebungen zur Dreiun d fünfzig Vergesellschaftung aller Produktionsmittel in der DDR machten offen­ bar nur ungern vor der Schreibmaschine halt: Befristetes ministerielles Genehmigungsschreiben für Brecht, eine Schreib­ maschine zwischen Berlin und Buckow mitzuführen. (Foto aus der Ausstellung im Brecht-Weigel-Haus Buckow: mf)

Staatsgewalt wacht. Gesagt wird „jenseits kussionen um Kultur- und Kunstpolitik auf, der Sektorengrenze“, die Staatsgewalt der wie sie im Juni und Juli 1953 in der DDR ge- DDR soll es doch genauso handhaben und führt werden, sie sind durchaus als Beitrag z.B. Freiheit für Privateigentum einräumen zu verstehen, dergleichen Diskussionen auf (Brecht nennt im Gedicht die „Ruhrkar­ allen Ebenen zu etablieren. Brecht hat mehr- telle“ und besitzt ein Bewusstsein davon, fach (z.B. im Beitrag für die Zeitung „Neues wie die Verfügungsgewalt über Dinge, Deutschland“ vom 21. Juni) eine „große die andere brauchen, eine größtmögliche Aussprache“ über gemachte Fehler gefor- Macht einzurichten hilft, weil andere darauf dert. Das Gedicht zur Kunstkommission ist angewiesen sind; die sollen sich zuordnen diesbezüglich ein ironisches wie kritisches und zustimmen). Selbst das kleine Gedicht Dokument. Aufgeführt wird, wie diese Aus- führt schnell zum Problem, wie wichtig die sprache gerade nicht vonstattengehen kann. konkrete Regierungspolitik des Übergangs- An den Beamten der Kunstkommission staats der DDR gewesen ist, darum war am wird im Gedicht gezeigt, wie ritualisiert 17. Juni gerade der Streit ausgebrochen. sie Selbstkritik einräumen und sich sehr Brecht sieht das so, wie sich noch genauer offen geben, aber keinerlei Bewusstsein be- ergeben wird. gangener Fehler besitzen. Eigentlich seien sie richtig gut. Zunächst heißt es bei Brecht: Die beiden anderen Gedichte greifen Dis- „Zollten die höchsten Beamten der Kunst­  Manchmal macht er kleine konkrete Vorschläge, kommission/ Dem schönen Brauch, sich ei­ die schöne Richtungen anzeigen, ein Klempner be- gener Fehler zu zeihen/ Ihren Tribut“ und kommt keinen Zink, wird moniert, Leute dürfen gegen Ende des Gedichts: „Trotz eifrigsten ohne Begründung des Verbots nicht zur Gartenbau- Nachdenkens/ Konnten sie sich nicht be­ ausstellung nach Hamburg, Arbeiter kriegen gestoh- stimmter Fehler erinnern, jedoch/ Bestanden lene Fahrräder nicht zurück, aber alten Rentnerin- nen werden von der Polizei die Bettelpakete weg- sie heftig darauf/ Fehler gemacht zu haben“. genommen. Hoch aufregend, was Brecht empfiehlt; Brechts Gedicht macht die Bürokraten lä- die Partei möge ein paar Mann schicken, „die den cherlich (und selbstverständlich gibt es an- Staat vertreten im Gegensatz zu der Beamtenschaft.“ dernorts vergleichbare Bürokratie, die man (23/262) Allein das Wort „Gegensatz“ drückt aus, wie einsehbar widersprüchlich Übergangsstaat hätte ähnlich kritisieren kann; darin liegt Kaba- angelegt werden können. rettistisches, falls man heute darüber noch

Dreigroschenheft 3/2013  lachen will) und verweist auf allgemeinere reichen nicht nur für Verbesserungen oder Probleme von Umgangsformen im sozia- für Reformen sorgen wollen, er wollte eine listischen Übergangsstaat in der DDR: Wie grundlegende Veränderung von Verfahren wird Kritik eingeschätzt und wie geht man der Regierungspolitik in der DDR, es waren

Dreiun d fünfzig mit ihr um? Inwiefern sind die Leute und Vorschläge für gescheite Übergangsstaat- ihre Kritik denn überhaupt wichtig? In der lichkeit, die er in den beiden Gedichten Selbstgewissheit der politischen Weltan- unterbreitet. In der Akademie der Künste schauung des historischen Materialismus, hat Brecht ganz in dieser Hinsicht gewirkt. wozu die Kritik von Marx umgestaltet wor- Es ist dies nicht als Flickwerk kleinzureden den war, hat man sich leicht bezüglich der (vergleichsweise den „Stückchen“ bei den pragmatischen Lösung praktischer Fragen, Troern, das Diminutiv ist mehrdeutig und wozu die Bevölkerung einzubeziehen gewe- wird dreimal wiederholt), sondern hoch zu sen wäre (was Auseinandersetzungen nicht schätzen. Sogar eine politische Vorbildlich- ausschließt, sondern beinhaltet), erhaben keit kann attestiert werden. In der unmit- gesehen; was anlag, war, die Gültigkeit der telbaren Umgebung auf die Sorge um sich eigenen Auffassung zu beweisen. selbst und andere zu achten, ist z.B. ein Le- ben in Kritikbereitschaft und Vorsicht, das 2 Das Amt für Literatur wird abgewatscht als antirechtsextremes Reagieren für wichtig bewertet werden kann. Beamte in Behörden Auch im Gedicht „Das Amt für Literatur“ der Bundesrepublik wie manche Bürger ha- warnt Brecht, wie es nicht geht. Auch die- ben derlei offensichtlich verabsäumt (oder se Kritik ist pure Satire. Ganz in der Tra- die genannte Sorge ganz anders gesehen, dition einer Zeit, in der man glaubte, dass nämlich im nationalen Zusammenhang). Satire noch geholfen hat. Im Grundgehalt ist das Gedicht gallig und beißend. Ange- II „SIND WIR VERLOREN, WENN NICHT …“ griffen ist das Amt für Literatur und -Ver lagswesen in der DDR, das den Druck von 1 Briefe an Paul Wandel Büchern (im Beispiel die von Ludwig Renn) mit der Begründung ablehnt, Papiermangel Die beiden Gedichte aus den „Buckower Ele­ herrsche. „Willkommen/ sind Werke mit gien“ haben nicht die Kulturpolitik in der Ideen“, schreibt er, allerdings leider nur, so- DDR zum Gegenstand. Das eine Gedicht weit im Amt diese Ideen bekannt sind und „Die Wahrheit einigt“ legt Brecht einem als geläufig gelten. Brecht moniert die Be- Brief an Paul Wandel bei, dem gegenüber schränktheit der Diskursprozesse und die er sich einige Tage zuvor für die Aufhebung Art und Weise, wie sie ablaufen. Es ist ja der Kunstkommission ausspricht. Ziel sei eine offensichtliche Lüge, dass kein Papier „die Hebung der künstlerischen Produkti­ da sei. Wenn man etwas ablehnt, wäre in- on“ (30/188) Wie viel Unmut sich auf der haltlich zu begründen, weshalb man das Grundlage von Fehlerhaftigkeit angesam- tut; was abgelehnt wird, wäre zu kritisieren. melt hat, spricht Brecht aus (und das ist in Es ergäbe sich schon, ob diese Kritik dann allgemeine Bezüge zu setzen, nicht ledig- standhält. Genau diese Art der Auseinan- lich auf staatliches Schurigeln von Künsten dersetzungen klagt Brecht mit den beiden zu reduzieren): „In der Tat, was für einen Gedichten ein, sie wären ihm Bestandteil Sinn könnte es haben, ein schleichendes Un­ der geforderten „großen Aussprache“. In der behagen zu verewigen, ein jedes Schaffen be­ Abteilung Kultur und Kunst hat Brecht er- drückendes Gefühl des Ausgeliefertseins an heblichen Anteil daran genommen, dass di-  Paul Wandel, Minister für Volksbildung, wurde im ese Diskussion zustande kommt, er hat sie Juli 1953 Sekretär für Kultur und Erziehung des ZK dort nämlich geführt. Er hat in diesen Be- der SED

 Dreigroschenheft 3/2013 eine übermächtige Institution, die es nicht wird auch am Inhalt des Gedichts deutlich) versteht, ihre Forderungen verständlich zu wie die Auffassung, vielleicht Einfluss zu machen?“ (ebd.) Wenn Brecht dann die haben oder mit diesem Gedicht und dem „Entfaltung der Produktivität der Kunst“ Brief, nachdem in der direkten Adresse an

in der Konsequenz der Veränderungen für Staat und Partei dem Dienstweg gehuldigt Dreiun d fünfzig möglich hält, lässt sich das wieder vom Be- wurde, weiter und andere Einflussnahmen reich der Kunst auf sämtliche gesellschaft- und Interventionen abzusichern und sie lichen Vorgänge der DDR übertragen. Es unter dem Schirm des inneren Gebrauchs herrschen dort keine anderen Verhältnisse. nach außen in einer weiteren Öffentlichkeit Die Produktivität der Bevölkerung war der zu verbreiten. Dieses Treten nach außen übermächtigen Institution der Staatlichkeit geschieht dann mit sechs Gedichten im ge- ausgesetzt, war dieser sehr direkt konfron- nannten Heft von „Sinn und Form“. Wollte tiert (nicht wie in kapitalistischer Organisa- Brecht sich noch eine weitere Öffentlich- tion, in der man sich als Konkurrenzsubjekt keitschance bahnen, hat er sie nicht mehr mit den ökonomischen Regularien einrich- genutzt. Ob das eine überhaupt so und wes- ten muss und den Staat zwar als Erteiler halb das andere war, kann nur gemutmaßt und Schützer dieser Befugnisse kennt, aber werden. als vermittelnden und zusätzlichen Adres- saten hat) und alles wäre darauf zu setzen Die Aussagen im Brief an Wandel lassen gewesen, das gänzlich anders zu gestalten sich entweder als taktische Anpassung an und nicht das Risiko zu laufen, vielmehr übliche Parteimeinungen, um etwas zu es abzuwehren, das im Zitat Brechts steht, erreichen, lesen – Brecht müsste also eine in weiten Teilen der Bevölkerung „ein jedes Kalkulation unterstellt werden – oder sie Schaffen bedrückendes Gefühl“ auszulösen. sind einfach als falsch zu kritisieren. Brecht Das historische Selbstläufertum eines Ge- formuliert: „Die Wahrheit (das ist der Be- lingens wäre damit allerdings nicht aufge- griff aus dem Gedicht, DH), die wir unserer baut gewesen. Arbeiterschaft sagen sollten, ist meiner Mei­ nung nach: daß sie in tödlicher Gefahr ist, Das Gedicht „Die Wahrheit einigt“ schickt von einem neu erstarkenden Faschismus in Brecht Wandel inklusive eines Briefs. Der einen neuen Krieg geworfen zu werden; daß Brief ist auf Mitte August 1953 datierbar. sie alles tun muß, um die kleinbürgerlichen Ob der Brief bei Wandel angelangt ist, kann Schichten unter ihre Führung zu bringen so ungeklärt bleiben, wie es ist (in der BFA (wir haben unseren eigenen Westen bei uns!). steht, ddas Gedicht sei bei Grotewohl ge- Kurz, wir dürfen nicht wieder den Kopf in den landet, Werner Hecht erinnert sich, Wandel märkischen Sand stecken!“ (30/191) Falsch habe berichtet, Brief und Gedicht bekom- ist, die Arbeiterschaft in Schutz zu nehmen, men zu haben). Im Brief wird erklärt, das als hätte sie nicht positiv und aktiv mit dem Gedicht sei „sozusagen zum inneren Ge­ Faschismus und mit dem Krieg zu tun ge- brauch“ (30/191). Eigentlich ein erstaun- habt, als hätte es in ihren Reihen nicht Mit- licher Vorgang, ein Lyriker adressiert ein glieder bei der NSDAP und beteiligte Täter Gedicht mit Begleitschreiben an die Staats- und Vollstrecker von deren Politik gegeben. macht. Heute bringen Staatsleute anderen Offensichtlich gelten die kleinbürgerlichen solchen Lyrikbücher als Geschenk mit, Schichten als die Übeltäter. Der Fehler war meist als Ausgaben von Klassikern; einmal zudem nicht, nach Art des Vogels Strauß zu schauen, wann es mit Brecht soweit ist, als reagieren, sondern eine Niederlage gegen nationale Größe zur möglichen Auswahl den Faschismus war zu erleiden gewesen, hinzuzuzählen. Brechts Vorgehensweise  Während das Gedicht an „Freunde“ gerichtet ist, belegt eine Dringlichkeit des Anliegens (das wird Wandel mit „Lieber Genosse“ angesprochen.

Dreigroschenheft 3/2013  der Widerstand gewaltsam erstickte (und mit dieser Frage/ Will ich gleich beginnen:/ ihm gelang das auch deshalb, weil große Hier aus unserer schweren Lage/ Gibt es kein Teile des Volks auf seiner Seite standen). Entrinnen.“ Twardowskis Versepos (die Brechts Reaktionsweisen im Sommer 1953 Buchausgabe hat mehr als 200 Seiten) nennt

Dreiun d fünfzig beinhalten den schwierigen Sachverhalt, sich selbst „Buch vom Krieger“ und versteht dass ein „befohlener Sozialismus“ (27/285) sich als frontjournalistische Unterstützung sowohl antifaschistisch als auch antikapi- der Soldaten der Roten Armee im Zweiten talistisch tätig sein sollte. Das sieht Brecht. Weltkrieg. Die Texte sind in Einzelveröffent- Der Nationalsozialismus war nicht vorbei, lichungen 1941 bis 1945 in verschiedenen auch wenn er besiegt war. Insofern stimmt Blättern abgedruckt und erst danach ist eine Brechts im Brief angeführter Argwohn. Buchausgabe erstellt worden (insofern ist Die Vergangenheit steckte auf verschie- Brechts Charakterisierung als „Liedlein“ noch dene Weise in den Köpfen und Seelen der halbwegs zutreffend, sie kann auch darauf Leute. Das Gedicht, das Wandel mit dem verweisen, dass Brecht das ganze Buch nicht Brief erhält, ist ein Dokument akuter Be- gekannt hat, in der Nachlassbibliothek ist es sorgnis, allerdings werden auch, wie Brecht nicht vorhanden). Hauptfigur ist die synthe„ ­ geschrieben hat, die Ereignisse des 17. Juni, tisch-literarische Sammelgestalt des typisier­ die „große Ungelegenheit“, als „die große Ge­ ten Infanteristen Wassili Tjorkin“ (Huppert, legenheit, die Arbeiter zu gewinnen“ angese- S. 237). Das Zitat, das Brecht übernimmt, hen. (27/346) stammt aus dem vorderen Teil des Buchs und steht im Kapitel „Vom Kriege“. Die Rede 2 Twardowski, „Wassili Tjorkin“ und davon, dass es kein Entrinnen gebe, meint Galaktionow/Agranowski, „Ein Strom wird den deutschen Angriff auf die Sowjetunion, zum Meer“ jetzt müsse dagegengehalten werden. Twar- dowskis Texte sind also literarische Unter- Das Gedicht „Die Wahrheit einigt“ kann stützung der gegen den Nationalsozialismus mit dem andern, „Bei der Lektüre eines so­ kämpfenden Soldaten. Es ist deutlich vom wjetischen Buches“, insofern in Verbindung Kämpfen die Rede („doch klafft des Feindes gebracht werden (darauf weisen die He- Aug rechts offen – als gräßlich aufgeprellter rausgeber der BFA hin, 12/450), als in ihm Riß“, S. 84). Brecht zitiert im Gedicht „Die einige Zitatzeilen stehen (wieder aus einem Wahrheit einigt“ wörtlich genau das Zitat, Gedicht, diesmal von Alexander Twardow- das im Buch „Ein Strom wird zum Meer“ von ski), die Brecht wahrscheinlich bei der Lek- Galaktionow/Agranowski steht. Dieses Buch türe jenes sowjetischen Buches zur Kennt- ist Gegenstand des Gedichts „Bei der Lektüre nis kamen, in dem sie aufgeführt sind. Auf- eines sowjetischen Buches“. Das ist unschwer schlussreich und bedeutsam ist, auf welche festzustellen, Brecht macht sich in seinem Weise die beiden Elegien mit dem Twar- Gedicht vieles wörtlich zu eigen (aus der dowski-Text inhaltlich in Beziehung zu set- Übersetzung ins Deutsche, wie er auch die zen sind und was für ein Zusammenhang dortige Twardowski-Übersetzung verwen- zur historischen Situation der DDR im Jahr det), die Nebenflüsse der Wolga werden als 1953 besteht, so wie Brecht diese sieht. „Töchter“ und „Enkelinnen“ bezeichnet wie im Buch, gezählt werden wie dort 7000 Ne- Ich gebe zunächst das Zitat aus Twardowskis benflüsse, wie vom Bezwingen„ “ des Flusses Versepos „Wassili Tjorkin“, wie es in „Die ist vom „Vergüten mit Brot“ geschrieben Wahrheit einigt“ übernommen ist (hier kön- nen nicht ganze Gedichte abgedruckt wer-  Ich habe die Übersetzung und Nachwort von Hugo Huppert, Berlin 1966, vorliegen. In Zitaten und Dar- den, der Leser wird nachschlagen müssen, stellungen beziehe ich mich – bis auf die Zitate bei will er sich genauer erkundigen): „Brüder Brecht – auf diese Ausgabe.

10 Dreigroschenheft 3/2013 (Brecht macht daraus Anfang und Schluss Brecht ins eigene Gedicht auf, gleich wird zu seines Gedichts, das Vergüten der Men- sehen sein, in welcher Weise. Das Twardow- schen mit Brot soll das Ergebnis und auch ski-Zitat ist im Buch an einer Stelle eingebaut, der Grund für den Staudamm sein). Galak- zu der sich Brecht, so könnte man erschlie-

tionow/Agranowski betonen, dass die Wolga ßen, schon im Gedicht „Die Lösung“ einmal Dreiun d fünfzig „studiert“ wurde und sie eine „listige Krie­ geäußert hat. Im sowjetischen Buch tauchen gerin“ sei. All das spricht für eine genauere Hydrogeologinnen auf und wollen zur Ar- Lektüre des Buches durch Brecht (auch die beit, ihnen wird geraten: „erstens arbeiten; „schwarzen Gefilde“ sind ein Zitat Brechts, im zweitens: gut arbeiten, drittens“, ja eben, an Buch werden die Tschornyje Semli genannt, die Zeilen von Twardowski denken, kein schwarzes Land, eine Gegend im Westteil Entrinnen sei (S. 139). Ob das eine „heitere der Kaspischen Niederung, S. 125). Es ist üb- Aufforderung zu entbehrungsreicher Arbeit“ rigens durchaus ein bemerkenswertes Buch, ist? (30/450) Brecht hat in „Die Lösung“ den das den Atem der Begeisterung durch Tech- Vorschlag entbehrungsreicher Arbeit als nik verströmt. Die Lobhudeleien gegenüber Strafe und Erziehungsmittel (eine Traditi- Stalin lesen sich manchmal wie ein Tribut, on, die man auch im Reichsarbeitsdienst der der zu zollen ist, wenn man als Techniker Nazis vermerken kann), verdoppelt sollte sie solche Möglichkeiten eingeräumt bekommt sein und der Zurückeroberung des Vertrau- (selbstverständlich sind sie trotzdem zu ver- ens der Regierung dienen, relativ barsch kri- urteilen), und man kann sich fast vorstellen, tisiert. Dass Arbeit und Arbeitsverhältnisse dass die Autoren über ihre Vergöttlichung in der sozialistischen Produktion für die Stalins am Ende des Buches selbst gelacht ha- Arbeitenden andere geworden wären, ergibt ben, so kitschig kommt sie daher. Stalin läuft sich nicht. zwar nicht wie Jesus über das Wasser, aber er glänzt als „gewaltiges Standbild“ in der Ferne: 3 Brecht „Die Wahrheit einigt“ „Hier scheint der größte aller Menschen un­ mittelbar aus den blauen Fluten emporgestie­ Es soll ein bisschen Sortieren sein. Die jetzt gen zu sein, dessen Genie alles geschaffen hat, weiter zu unterscheidenden Gedichte sind was hier emporwuchs – der Mann, der früher die beiden Elegien, die zum Staudamm- als alle anderen auch diesen Freudentag vo­ bau und diejenige, die dem Brief an Wan- rausgesehen hat.“ Brecht teilt in seinem Ge- dicht diesen Stalin-Kult nicht, kritisiert ihn  Karl Schlögel, Terror und Traum, Moskau 1937, jedoch auch nicht unmittelbar. Schön wäre, München 2008, und Frank Westermann, Ingeni­ eure der Seele: Schriftsteller unter Stalin – Eine ­ Er er hätte sich mit dem satirischen Ehrgeiz kundungsreise, Berlin 2003, haben jeweils unter wie dem Amt für Literatur diesem Stalinbild unterschiedlichen Aspekten auf die terroristische gewidmet, zumindest die Prophetengröße und despotische Durchsetzung der stalinistischen Stalins auseinandergenommen. Ein bisschen Bauten hingewiesen. Das ist hier nicht auszuführen. Dass Gorki und eine ganze Schriftstellerbrigade den hat er das vielleicht sogar. Aber zuerst noch Bau des Belomor-Kanals begleitet und verherrlicht zum sowjetischen Buch. Durch den Stau- haben und 1935 ihre Ergüsse in eine Buchform fas- dammbau wird die Wolga zum „Stalingrader sten, dürfte Brecht gewusst haben und damit sich in Meer“ und „Moskau wird zum Hafen von Differenz gesehen haben. Das Buch „Belomor, die fünf Meeren.“ (S. 287) Kein Zweifel taucht Baugeschichte des nach J. W. Stalin benannten Ka- nals zwischen dem Weißen Meer und der Ostsee“ auf: „Der Sowjetmensch erhebt sich über die (Titel nach Westermann, der eine englischsprachi- Erde und blickt voll Stolz vorwärts“ (S. 287). ge Ausgabe auftreibt und darüber schreibt) kann Die Kennzeichnung „Sowjetmensch“ nimmt durchaus als bei der Lektüre eines sowjetischen Bu- ches mitgemeint aufgefasst werden. Als Brecht sein  Galaktionow/Agranowski, Ein Strom wird zum Staudamm-Gedicht 1953 veröffentlichte, wussten Meer. Ein dokumentarischer Roman, Essen 1953, im Umkreis der Partei die meisten von jenem an- S. 292 deren Buch.

Dreigroschenheft 3/2013 11 del beiliegt. Und daran ist zu denken, wie zweimal vor, danach weitere dreimal. Gegen der veränderungseifrige Brecht in seiner Ende kann man zweimal das Wort „wer­ kulturellen Umgebung heftig zugange war. den“ lesen, es steht auch im letzten Vers. Was Brecht im Sommer 1953 umtreibt, Was Brecht beschreibt, ist Zukunftsmusik.

Dreiun d fünfzig wird klar; es ist die Gefährdung der sozia­ Der Stalingrader Staudamm ist in Planung. listischen Entwicklung. Nicht nur, dass Brecht äußert sich nicht über Gebautes und sie bekämpft wird, sondern dass sie nichts über Bauen (wie es im Buch Gegenstand taugt. Im Gedicht „Die Wahrheit einigt“ ist). Vielleicht will er auch ein Nachdenken ist Matthäi am Letzten. Der erste Vers des darüber, wie es anders ein sollte (hier wäre Gedichts lautet: „Freunde, ich wünschte, ihr das Element antistalinistischer Distanz). wüßtet die Wahrheit und sagtet sie!“ Keine Keine Frage ist, dass es im Gedicht ein Wert- Heuchelei oder Vertröstung soll sein, „wie schätzen sozialistischer Aufbauleistung gibt fliehende müde Cäsaren“ zu sagen: „Morgen (und in diesem Tenor ist das Gedicht 1953 kommt Mehl!“ Da liegen ein Hinweis und veröffentlicht worden), aber das ist es allein eine Empfehlung vor, sich von der traditio­ doch nicht. Worauf es hinausläuft, ist das, nellen Herrschaft, eben den Cäsaren, zu was auch in der Intervention gegen Kom- unterscheiden, sozialistische Regierungs- mission und Amt zu sehen war: So kann politik sollte eine andere sein, der Bevölke- mit Bevölkerung nicht umgegangen wer- rung wird bitteschön die Wahrheit gesagt den, will man den Sozialismus aufbauen. und es wird ihr reiner Wein eingeschenkt, Im Gedicht fällt auf, dass die handelnden selbst wenn man keinen hat. Um das zu Erbauer des Kanals nur einmal im Kol- bekräftigen, zitiert Brecht dann Lenin im lektiv genannt sind: „die Sowjetmenschen“, Gedicht (der Politik so gehandhabt habe) sie „lieben“ die Wolga, haben sie „studiert“ und eben das „Liedlein“ von Twardowski. und werden sie „bezwingen“, ob sie sich lie- Brecht bezieht sich also im Gedicht auf ben und wie es zur Planung des Dammes den Beginn der Revolution 1917 und ihre kam (und zu der anderer Wasserbauten), höchste Gefährdung im Krieg bis 1945, das wird nicht berichtet. Die „Sowjetmenschen“ macht ersichtlich, wie dramatisch er die sind ja nicht nur die Kader in Moskau und Ereignisse 1953 sieht. Er befürchtet, so wie die Ingenieure vor Ort. Es sind auch die er sich entwickelt, wird der Sozialismus ge- sich zu Tode schuftenden Arbeiter und gen die Wand gefahren. Der Gegner habe die Bewohner. Gegen das bloße Benennen leichtes Spiel. Sozialistische Regierungspo- der „Sowjetmenschen“ stehen die Familien­ litik versagt. Wie generell an den Buckower bezeichnungen für das, was ihnen Gegen- Elegien ist zu ermitteln, wie uninspiriert, stand ist, die Gewässer; da gibt es Töchter unkritisch und traditionell staatsräsonhaft und Enkelinnen und deutlich wird, wenn und herrschaftsorientiert sozialistische Re- auch nicht so benannt, dass die Wolga die gierungspolitik Marke DDR war. Es war im Mama ist (wie in vielen Liedern). Egal, wie gesamten Ostblock so. sehr man Familienbeziehungen schätzt, im Gedicht ist familiäre Nähe nicht zwischen 4 Brecht, „Bei der Lektüre eines sowjetischen den „Sowjetmenschen“ angesprochen, son- Buches“ dern sie besteht zwischen den Flüssen. Am Ende des Gedichts steht das Wort „Stief­ Im Staudamm-Gedicht zum Buch von Ga- kinder“. Da hält der Leser dann inne. Sie laktionow/Agranowski sei nur zweierlei he- sind keine Gewässer, aber auch keine Per- rausgegriffen. Erstens die Zukunftsstruktur sonen, nicht etwa die Bewohner der dann im Gedicht, zweitens die Bezeichnung der vermeintlich verbessert versorgten „Kas­ Gewässer in Familienverhältnissen. Allein pischen Niederung“, es sind die „schwarzen in Vers zwei kommt das Verb „wird“ gleich Gefilde“, also die geographische Formation

12 Dreigroschenheft 3/2013 der „Kaspischen Niederung“ selbst, die so Ansätze einer politischen Veränderung bezeichnet werden. Was haben also die Be- nicht geschehen, verzweifelt Brecht und ist, wohner davon, deren Mitsprache sowieso was seine Hoffnung auf sozialistischen Auf- in Frage steht? Diese Stiefkinder, was wird bau betrifft, skeptisch oder sogar am Ende.

mit ihnen? Es klingt gut und schön, dass sie Anders ist das Nichtveröffentlichen der Dreiun d fünfzig Berücksichtigung finden sollen, aber ob das weiteren „Buckower Elegien“, die noch viel denn wirklich so ist? Sie kommen genau ge- Zündstoff zur politischen Umgestaltung sehen in der Bezeichnung überhaupt nicht enthalten, nicht zu verstehen. Mag sein, vor. Die Bewohner dort sind die bisher von dass er noch auf Chancen gelauert hat, sie Herrschaft nicht Berücksichtigten und nur traten aber nicht auf. als Untertanenmaterial Betrachteten, jetzt werden sie im Gedicht (das diesbezüglich Michel Foucault weist irgendwo darauf hin, die Aufmerksamkeit des Lesers sucht) nicht dass alle größeren Länder Europas ihre Her- einmal als Stiefkinder bedacht, sondern die­ kunft gern irgendwann auf Troja und den se Bezeichnung wird der landschaftlichen Trojanischen Krieg zurückgeführt haben. Gegend vorbehalten. Brecht setzt also Zei- Er schreibt, das liege daran, dass man sich chen. Irgendwann kann der Leser beim in der Nachfolge des Römischen Weltreichs Nachdenken über die Familiengeschichte habe sehen wollen (und als seinerseits groß- überlegen, wer denn der Vater sei. Bleibt artig), das nach der Flucht von Aeneas aus man bei der Wolga als Mama, muss es zwei Troja nach der Gründung durch ihn sich geben, Stiefkinder haben jeweils einen an- entwickelte und unter Augustus, den zu ver- deren. Alte und neue Herrschaft stehen ehren und mit mythischen Grundlagen aus- sich gegenüber, politisch unterschiedliche zustatten, Vergil die „Aeneis“ verfasst, sich Gestaltung von Naturkraft und deren tech- zum entscheidenden Aufschwung und Aus- nischer Nutzung. Und so viel Unterschied bau anschickt. Was, wenn auch die Nieder- ist noch nicht gewährleistet, dass bei der lage eine Rolle spielte? Trojas Untergang als Gestaltung die Bevölkerung ein Ausgangs- Zeichen angesehen wird, aus welch einem punkt ist. Was lange nicht heißt, dass dort tiefen Fall, aus wie viel Kaputtheit etwas richtig ist, was gewünscht, eingewandt wird entstehen und heranwachsen kann. „Auch und als Interesse auftritt (wenn Brecht in die Troer also …“ lautet der letzte Vers von der Elegie „Große Zeit, vertan“ die „Weis­ Brechts schon genanntem Gedicht. Der kann heit des Volkes“ einbezogen wissen will, viel umfassen, was die Wörter „auch“ und wird er nicht davon ausgehen, dass es die- „also“ und schon gleich gar die drei Pünkt- selbe mit Löffeln gefressen hat), aber in chen meinen (die lassen an das im Gedicht entsprechender Auseinandersetzung läge dreimal wiederholte Wort „Stückchen“ den- das Neue sozialistischer Regierungspolitik, ken, die gerichtet werden, als ginge ein biss- Das Beklagen ihres Nichtvorhandenseins chen etwas immer). Ein Großreich oder eine – Marx hat gemeint, jene könne das Ab- starke Nation erscheinen eher, wie heißt der sterben von herkömmlicher Staatlichkeit andere Brecht-Titel, „Nicht so gemeint“.¶ bewirken – ist auch diesem Gedicht Brechts zu entnehmen. Insofern wäre es tatsächlich Von Dieter Henning erscheint in Kürze: eine Elegie. Das Leben in Beschlag. Kapitalismus, Sowjet­ kommunismus und Nationalsozialismus in Spätestens 1954 nach der zweiten Veröffent- Brechts „Buckower Elegien“. Eine Gesamtinter­ lichung der sechs ausgewählten „Buckower pretation. Würzburg: Königshausen & Neu- Elegien“, jetzt unter dem Sammlungsnamen mann, 907 Seiten, 68 €. in „Versuche“ Heft 13 und der mangelhaften [email protected] Reaktion darauf und der Erkenntnis, dass

Dreigroschenheft 3/2013 13 Internationales Brecht-Symposium in Okinawa Literatur und der Krieg. Blick aus Deutschland, Japan und Okinawa Von Akira Ichikawa Brecht I nternational Anschließend an das Forschungsprojekt in Japan. Sie umfasst neben der Hauptinsel „Brecht und Musik“ habe ich das Projekt Okinawa (Okinawa-Honto) weitere kleinere „Brecht/Weigel und das Inselgruppen. Die Schlacht um Okinawa im 1949–1971“ vom April 2010 bis zum März Jahre 1945 war die einzige große Schlacht 2013 geleitet, unterstützt vom japanischen auf japanischem Boden im Zweiten Welt- Kultusministerium; Mitarbeiter waren Jan krieg. Die US-Truppen sind an der Küste Knopf und Joachim Lucchesi (bereits bei der Hauptinsel Okinawa gelandet, und dem vorigen Projekt) und Hirokazu Akiba. nicht nur Soldaten der beiderseitigen Trup- pen, sondern auch viele Bürger fielen dieser Das Berliner Ensemble ist eines der bedeu- Schlacht zum Opfer. Sie kostete schätzungs- tendsten Theaterensembles der Welt. Vor weise 200 000 Menschen das Leben. Nach allem unter der Intendanz von Helene Wei- dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Oki- gel (1949–1971) und mit der Regiearbeit nawa lange von den USA besetzt, und erst Bertolt Brechts (1949–1956) hatte es eine am 15. Mai 1972 ging die Kontrolle über die weltweite Ausstrahlung als Ort modernster Insel an Japan zurück. europäischer Theaterkunst. Für Fachleu- te und Theaterliebhaber aus Ost und West Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gibt wurde das Berliner Ensemble mit seinen es auf Okinawa mehrere US-amerikanische Aufsehen erregenden Inszenierungen zu ei- Stützpunkte. Auf Okinawa, der kleinen nem Pilgerort. Diese für die internationale Hauptinsel, die nur 0,6 % der Fläche von Theatergeschichte bedeutende Phase haben Japan einnimmt, konzentrieren sich drei wir drei Jahre lang in unserem Forschungs- Viertel der militärischen Stützpunkte des projekt untersucht. Zum Ende des Projekts Landes. Man sagt, es gäbe „keine Stütz- habe ich zwei internationale Symposien punkte in Okinawa, sondern Okinawa in organisiert, eines am 13. März 2013 in Oki­ Stützpunkten“. Auf Okinawa und den um- nawa, über das hier berichtet wird, und ein liegenden Inselgruppen konnten sich eige- weiteres am 16. März in Osaka. ne Sprachen und Kulturen entwickeln, da Okinawa zum Königreich Ryukyu gehörte, Die Präfektur Okinawa ist die südlichste das bis 1879 Bestand hatte. Die auf Okina-

Symposium im Natio­ nalmuseum von Naha, der Hauptstadt Okina­ was, am 13. März 2013 (von rechts): Frau Shoko Yonaha, Akira Ichika­ wa, Joachim Lucchesi, Hirokazu Akiba

14 Dreigroschenheft 3/2013 wa gesprochenen Ryukyu- Sprachen, auch bekannt als „Uchinaguchi“, werden heute jedoch nur noch von älteren Einwohnern ver- wendet. Brecht I nternational Wir sind am 11. März im „fremden Land“ Okinawa angelandet (Lucchesi und Akiba zum ersten Mal, ich bereits zum dritten Mal). Gelber Pulverdampf stieg plötzlich über dem Wald auf. (Fotos: Ichikawa) Frau Yonaha, Doktorandin an der Universität Ryukyu, organisierte al- Probleme mit der Osprey gesprochen. Dann les und betreute uns. Zuerst haben wir ge- hat plötzlich mit großem Knall ein Training meinsam mit Frau Yonaha zwei Zeitungsre- der US-Armee im Dschungel angefangen daktionen besucht, nämlich Okinawa Shin- und Wolken von gelbem Pulverdampf sind pou und Ryukyu Times, und wurden zum vom Wald aufgestiegen. Medoruma sagte: Zweck der Werbung für das Symposium Er habe zur Zeit aufgehört, Novellen zu von ihnen interviewt: Warum ein Sympo- schreiben, und halte im Zelt gegen den Bau sium über Brecht in Okinawa? Was haben des Heliports Wache. die Leute von Okinawa und Brecht im Exil gemeinsam? Später besuchten wir den Autor Tatsuhiro Oshiro und den Intendanten und Regisseur Am Tag des Symposiums sind wir früh mit Ryoshu Koki im Nationaltheater Okinawa. dem Auto von Yonaha nach Takae gefahren. Oshiro hat 1967 für seine Novelle „Cock- Im Wald von Takae will die US-Armee einen tailparty“ den Akutagawapreis erhalten. neuen Heliport mit sechs Landebahnen für Das „Ich“, die Hauptperson, ist ein privi- die V-22 Osprey bauen, ein Kampfflugzeug, legierter Japaner in Okinawa, und er wird das beide Funktionen von Bomber und auf eine Cocktailparty in einer US-Militär- Hubschrauber hat und Tiefflüge machen basis eingeladen. Auf der Party hört er, ein kann. Man nennt die Osprey auch eine „ab- US-Soldat habe ein japanisches Mädchen stürzende Flugmaschine“, weil sie ziemlich vergewaltigen wollen und sie habe sich ge- oft abgestürzt ist. Der berühmte Autor und wehrt und ihn schwer verletzt. Das „Ich“ Akutagawa-Preisträger Shun Medoruma sagt sich: Wir haben dasselbe in der Man- organisiert eine Protestbewegung gegen die dschurei getan. Am Schluss der Novelle Osprey und den Bau des Heliports in Form steht die Aussage, dass nicht der US-Soldat von Sitzblockaden. Wir wollten ihn sehen angezeigt, sondern die Cocktailparty kriti- und mit ihm sprechen. Er hat aber abgesagt: siert werden muss. Wir haben mit Oshiro Er habe keine Lust mit uns Professoren zu auch über sein neues Tanzstück „Chifijin sprechen, die immer nur am Tisch sitzen Tanjo“ gesprochen, das bald mit dem be- und nicht mitkämpfen. Trotzdem sind wir rühmten Frauenrollen-Schauspieler vom nach Takae gefahren und Herr Medoruma Kabuki, Tamasaburo Bando, zur Premiere hat doch im Zelt auf uns gewartet. Er hat kommen wird. uns den schönen Wald gezeigt, der eigent- lich ein Naturschutzgebiet ist, und über die Das internationale Symposium hat am  der wichtigste Literaturpreis in Japan, ähnlich dem 13. März im Präfekturmuseum Okinawa Büchnerpreis in Deutschland. stattgefunden. Okinawa hat eine eigene

Dreigroschenheft 3/2013 15 Musik mit eigenen Melodien und Instru- der von Geschwindigkeit, Präzision und menten. Zum Auftakt des ersten Teils hat Durchschlagskraft bestimmt sein sollen. Er Wataru Shinjo Volkslieder von Okinawa auf versucht, der Gewalt der Kriegsrealität eine seinem Drei-Saiten-Instrument vorgespielt. neue Kunstform entgegenzusetzen, welche Anschließend lasen zwei Lyriker ihre Ge- die Katastrophen des 20. Jahrhunderts zu dichte vor: Kaoru Sasaki („Deep Summer“) gestalten vermag.“ Lucchesi schlussfolger-

Brecht I nternational und der junge Dichter Takahiro Miyagi. te: Brechts Versuche gelangen nicht so gut, weil ihm infolge der Machtübergabe an Hit- Der zweite Teil bestand aus vier wissen- ler ein verfügbarer, experimentierbereiter schaftlichen Vorträgen. Zunächst Akira Theaterapparat, Verlage, Presse, Hörfunk, Ichikawa: „Ruf aus den finsteren Zeiten. Schallplatte und Filmindustrie genommen Über Brechts Gedichte im dänischen Exil.“ waren. Ichikawa begann seinen Vortrag mit dem Fotoepigramm von Brecht: „Seht diese Dann sprach Hirokazu Akiba über „Brechts Hüte von Besiegten! Und / Nicht als man sie Strategie. Eingriff in Alltäglichkeit“. Er the- vom Kopf uns schlug zuletzt / War unsrer matisierte zunächst einige Inszenierungen bittern Niederlage Stund. / Sie war, als wir von „Mutter Courage und ihre Kinder“ in sie folgsam aufgesetzt.“ Er hat vier Gedich- Japan und überprüfte daran die Aktualität te von Brecht mit eigener Übersetzung ins von Brecht. Anschließend sprach er über Japanische vorgelesen und interpretiert. Im Brechts Balladen und Epigramme. Gedicht „Über die Bezeichnung Emigran- ten“ schrieb Brecht: „Immer fand ich den Den Abschluss bildete Shoko Yonahas Vor- Namen falsch, den man uns gab: Emigran- trag: „Okinawa-Krieg, Besetzung von den ten. / Das heißt doch Auswanderer. Aber USA, endlose Nachkriegszeit.“ Sie suchte wir / Wanderten doch nicht aus, nach frei- Spuren Okinawas und des Krieges im Stück em Entschluß / …“ Ichikawa verglich das „Jinruikan“ von Shosin Chinen sowie in Gedicht mit der Situation der in China aus- „Cafe RYCOM“ von Kazumi Uesato. gesetzten japanischen Kinder während des Zweiten Weltkriegs. Der japanische Milita- Insgesamt hatten wir auf dem Symposium rismus hatte die Mandschurei erobert und sehr aufschlussreiche Diskussionen und ein dort ein Japanisches Kaiserreich begründet, größeres Publikum als erwartet. aber als eine schwere Niederlage von Japan eindeutig wurde, ist das japanische Militär Am letzten Tag unseres Aufenthalts haben rücksichtslos geflohen. Die verlassenen ja- wir den Peace Memorial Park und das Peace panischen Kinder wurden von Chinesen Memorial Museum Okinawa besucht. Die- adoptiert und sind als Chinesen aufge- ser Park ist der einzige, der den Gefallenen wachsen. Ichikawa resümierte, dass auch im Okinawa-Krieg, Freund und Feind ge- sie gewiss sagen würden: „Wir sind keine meinsam, also Japanern und Amerikanern Emigranten, sondern Ausgesetzte, Verlas- gewidmet ist. Ich erinnere mich an die Sätze sene.“ an der Wand im Museum:

Der folgende Vortrag von Joachim Lucche- „To be sure it is human beings who start wars. si stand unter dem Titel „Die Geschwindig- But more than that. Isn’t it we human beings keit des Epischen. Blitzkrieg und Kriegs- who must also prevent wars?“¶ Kunst bei Brecht“. „Brechts ‚Kriegs-Kunst‘ will der sieghaften Technologie deutscher Waffen ein Theater, eine Poesie, eine Lite- ratur entgegensetzen, welche nicht min- [email protected]

16 Dreigroschenheft 3/2013 Kunst

Ausstellung Cornelia Groß im Brechthaus Berlin

Im Brechthaus Berlin wurden von Anfang Mai bis Ende Juni in einer Ausstellung vier Gemälde (Öl auf Papier) von Cornelia Groß gezeigt: zu Bertolt Brechts Gedicht, „Das Frühjahr kommt“ (geschrieben 1931, GBA 14, 127).

„Das Frühjahr kommt (…) In neuem Lichte erscheint die Landschaft den Liebenden im Frühjahr. In großer Höhe werden die ersten Schwärme der Vögel gesichtet. Die Luft ist schon warm. Die Tage werden lang und die Wiesen bleiben lang hell (...)“

Die Künstlerin schreibt dazu: Viele Gedichte Brechts – so die Literaturwissenschaft – sind als Reaktion auf Ereignisse in der Außenwelt, also im Zusammenhang mit konkreten Gelegenheiten, entstanden und „er­ schließen sich dem Leser oft dann, wenn er sie auch so auffasst, als Gelegenheitsgedichte im Wortsinn“ (Berg/ Jeske, Bertolt Brecht, Stuttgart 1998, S. 141f.). Diese „Gelegenheitsbezogenheit“ ist für mich der Frühling; seit 100 Jahren wurde nicht so viel von ihm gesprochen wie in diesem Jahr. Meine Vögel sollen es besingen …

Cornelia Gro߶

Dreigroschenheft 3/2013 17 Frans Haacken: ein vernachlässigter Ikonograph Brechts Kunst Von Till Schröder

1949 ist ein Jahr der Premieren: Deutsch- oper“ spielte. Oder über die Trickfilmerin land feiert mit großem Brimborium das Lotte Reiniger, gute Freundin Brechts, mit Goethe-Jahr, gebiert zwei deutsche Staaten, der dieser Anfang der 1930er Jahre einen freut sich über das erste Oktoberfest nach Trickfilmteil für das nie realisierte Stück Kriegsende in München und den ersten „Der Kaffeesackschmeißer“ plante. Haa- Rosenmontagsumzug in Köln – und heißt cken kennt sie aus gemeinsamer Arbeit Brecht in Berlin wieder willkommen. Im während des Krieges für die Reichsanstalt Januar feiert das „Berliner Ensemble“ mit für Film und Bild in Wissenschaft und Un- „Mutter Courage“ Premiere am Deutschen terricht und stellte bereits im Frühjahr 1946 Theater. Im gleichen Monat tritt zum ersten gemeinsam mit ihr in seinem Atelier in der Mal ein bis dahin unbekannter Akteur in Joachimsthaler Straße am Kurfürstendamm Brechts Umfeld auf den Plan – Frans Haa- aus. Dieses Dachatelier Haackens im Haus cken (1911–1979). Sein Schutzumschlag der Jüdischen Gemeinde war unmittelbar zu Brechts erster Prosa-Veröffentlichung nach dem Krieg ein kultureller Hotspot. in Deutschland nach der Emigration – die Immer samstags traf sich hier, wer gerade „Kalendergeschichten“ im Gebrüder Weiss in Berlin Halt machte oder den Neuanfang Verlag Berlin – ist der Auftakt einer pro- wagte: Hier tummelten sich Köpfe aus dem duktiven, aber vergessenen Zusammenar- Dunstkreis der Galerie Rosen wie der Maler beit, die bis zu Brechts Tod 1956 reichen Heinz Trökes und der Keramiker Jan Bont- wird. Haacken schuf dabei zwei Ikonen jes van Beek; der ehemalige Reichskunst- der Brecht-Illustration – „Der verwundete wart der Weimarer Republik und „Tages- Sokrates“ und „Mutter Courage“ –, die das spiegel“-Gründer Edwin Redslob; Kritiker visuelle Gedächtnis zu Brechts Werk vor wie Friedrich Luft und Werner Fiedler; der allem in der DDR prägten. In der Brecht- „Golem“-Regisseur Carl Boese. Auch die Forschung, die bisher kaum eine Arbeitsbe- Grande Dame des Theaters, Hilde Körber, ziehung Brechts unbeleuchtet ließ, blieb er die Übersetzerin und Autorin Maria Teichs erstaunlicherweise ein fast unbeschriebenes und Karin Graudenz, Tochter des als Mit- Blatt. glied der Roten Kapelle hingerichteten Pressefotografen John Graudenz, gehören Brecht und Haacken müssen sich irgend- dazu. Marga Rodig-Schoeller, Inhaberin wann bei Brechts erstem Berlin-Besuch der legendären Bücherstube Schoeller am Ende 1948 kennengelernt haben. Die „Ka- Ku‘damm, ebenso wie die britischen Berlin- lendergeschichten“ erscheinen gleich zu Korrespondenten Anthony Mann („Dai- Jahresanfang 1949. Da Brecht üblicherwei- ly Telegraph“) und John Buist („London se viel Einfluss auf die Gestaltung seiner Times“). Bücher nahm, wird es hier bereits einen gewissen Abstimmungsbedarf gegeben ha- Haacken ist, als er Brecht trifft, bereits ben. Möglicherweise kam der Kontakt über ein bekannter Illustrator und Künstler. Er Haackens Freund, den Schauspieler Albert feierte erste Erfolge mit satirischen Holz- Venohr, der 1928 den Ede in der Berliner  Viele dieser Besucher haben sich in einem Gäste- Uraufführung von Brechts „Dreigroschen- buch handschriftlich verewigt, das sich im Besitz  Erwähnt in GBA 18, S. 631 und 660 eines Haacken-Enkels befindet.

18 Dreigroschenheft 3/2013 Kunst

Umschlag „Kalendergeschichten“ (1949) schnitten (einen hängte sich Erich Kästner Nazis sie übernahmen). Als „Graphiker der in die Redaktion der „Neuen Zeitung“ in scharfkantigen Einprägsamkeit“ beschreibt München), schuf unter widrigsten Um- ihn die zeitgenössische Presse, dessen „Ge- ständen während der Berlin-Blockade „Das stalten aussehen, als seien holzgeschnitzte Spatzenfest“, den ersten Langtrickfilm nach Figuren der Gotik aus ihren Schreinen he- dem Krieg, und berührte viele Menschen rausgetreten in unsere realistische Welt“. mit ungewöhnlich gedämpft-kolorierten Beide Techniken setzt er für Brecht ein. Sie Illustrationen für Kinderbücher. Er ist ei- scheinen im Rückblick vielleicht Brechts ner der Stars des progressiven Felguth-Ver- Postulat der Verfremdung in grafischer lages in Berlin. Irgendetwas an Haackens Hinsicht angesprochen zu haben. Stil scheint Brecht geschätzt zu haben. Vielleicht den ironisch-mageren Strich Der Umschlag für die „Kalenderge- seiner Federzeichnungen oder die am Ex- schichten“ zeigt 18 Schabblatt-Vignetten, pressionismus geschulte Steifigkeit seiner Charaktere und Situationen aus den ein- Hochdrucke (Haacken genoss noch die zelnen Geschichten Brechts, die in einem Ausbildung an der Bauhaus-orientierten ähnlich almanachigen Raster wie der Text Kunstgewerbeschule Aachen, bevor die zu jeweils neun Motiven vorn und hinten angeordnet sind: beispielsweise der Dorn  Dankesbrief Kästners an Haacken vom 20.2.1946 in Sokrates‘ Fuss, das Kind im Kreidekreis, (Haacken-Nachlass). der Soldat von La Ciotat. Die Gestaltung  Zu seinen Erfolgstiteln gehören Felguths des Buchs selbst scheint noch eine Synthese „Seidenquast‘s Rosenhochzeit“ (1946), Lomans „O Freude über Freude“ (1947) und Krekis „Husch, das  Ein großes Ja und ein kleines Nein. In: Der Tages- gute Gespenst“ (1948). spiegel, 24. Dezember 1947.

Dreigroschenheft 3/2013 19 Kunst

Cover + Innen-Illustration „Der verwundete Sokrates“ (1949)

aus verschiedenen ästhetischen Einflüssen te im Schwitzbad“, einem Auszug aus dem auf Brecht zu sein. Von der Erstauflage exi- „Dreigroschenroman“ (13/1950). Und zum stieren zwei Varianten. Der Umschlag ist zweiten werden Brecht und Haacken Ge- immer von Haacken. Die Einbände dage- burtshelfer des Kinderbuchverlags: Das gen, beide von Walter Bergmann gestaltet, erste Buch des frisch gegründeten Verlags verwenden eines Mal eine Zeichnung von ist „Der verwundete Sokrates“. Es geht im Caspar Neher und setzen das andere Mal Dezember 1949 mit 100.000 Stück an den auf eine rein typografische Lösung (siehe Start. Die aus den „Kalendergeschichten“ anhängende Bibliografie). herausgelöste Geschichte um den unfrei- willigen Kriegshelden Sokrates illustriert Diesem ersten Versuch, Brechts Worte in Haacken mit augenzwinkernd sparsam- Bilder zu bringen, folgen im selben Jahr realistischen Federzeichnungen, die es bis noch weitere. Zum einen beknieten Her- in die 1. Deutsche Karikaturenausstellung bert Sandberg und Günter Weisenborn, 1954 schaffen und später immer mal wieder Herausgeber der Kunst- und Satirezeit- in Sammelbänden aufgenommen werden. schrift „Ulenspiegel“, Brecht schon länger, Jetzt hat praktisch jedes Schulkind in der auch etwas von ihm publizieren zu dürfen. neu gegründeten DDR einen Brecht und Als er zustimmt, wird seinem Text wieder einen Haacken auf dem Pult. Denn dieses ein Bild von Haacken beigestellt. Neben broschierte Heftchen aus der Serie „Unse- dem „Soldat von La Ciotat“ in der Ausga- re Welt“ wird in großen Mengen von den be 22/1949 prangt ein Holzschnitt Haa- Schulen abgenommen. ckens zur „Mutter Courage“, ein Bild der  Die Prominenz dieser Ausgabe spiegelt sich in zwei stummen Kattrin mit der Trommel. Später weiteren Aspekten: Zum einen wurde im Zuge der folgt ein Schabblatt Haackens zur „Debat- Recherchen zu Haacken eine Vorzugsausgabe des

20 Dreigroschenheft 3/2013 Brecht zieht Haacken noch 1949 zum Pla- (auch noch „Wassa Schelesnowa“, 1949, und

katdesign seines frisch gegründeten Thea- „Der zerbrochne Krug“, 1952). Kunst ter-Ensembles heran. Zusammen mit Peter Palitzsch entwirft Haacken für die erste Als Brecht beginnt beim Aufbau-Verlag Gastspielreise nach Westdeutschland eine zu publizieren, ist Haacken auch wieder Plakatzeichnung zu „Herr Puntila und sein an seiner Seite. Sowohl der Schutzum- Knecht Matti“ (1949), die mit „humori- schlag zum „Dreigroschenroman“ (1950) stischer Verve über den ihr zugewiesenen als auch die Text-Illustrationen der Neu- Rahmen hinausgreift“, so das Urteil des ausgabe der „Kalendergeschichten“ (1954) langjährigen Chefgraphikers des Berliner liegen in Haackens Hand. Während noch Ensembles, Karl-Heinz Drescher im Rück- beim „Dreigroschenroman“ der Verlag mit blick. Vor allem die Motive zu „Der Hofmei- Übergabe eines Belegexemplars an Brecht ster“ (1950) und „Mutter Courage“ (1951) diesen lapidar per Brief in Kenntnis setzt, setzen durch Haackens kantigen Ausdruck „das Buch erhält einen Schutzumschlag neue kraftvolle Akzente. Letzteres ist si- von Haacken“, wahrscheinlich in der cherlich zu einer Ikone der Plakatkunst der selbstverständlichen Annahme, eine an- 1950er erwachsen. Neben dem berühmten dere Option wäre für Brecht gar nicht in Szenenfoto Helene Weigels von Hainer Hill Betracht gekommen, scheint es ihm bei der bestimmte dieser Holzschnitt von Haacken Neuauflage der „Kalendergeschichten“ eine in den Augen vieler Betrachter den Look eigene Herzensangelegenheit, Haacken be- des Ensembles. Der Grafiker Wolfgang reits im Vorfeld der Publikation mit im Würfel erinnert sich: „Zu der Zeit waren Boot zu haben. Der Vertragstext zwischen wir ja alle Brecht-Fans. Die Sachen für ihn Aufbau und Brecht benennt ihn explizit: haben sehr viele beeindruckt. Haacken war „Das Werk wird mit Illustrationen von ein Bühnenmensch, das hat ihn geprägt. Frans Haacken versehen“.10 Angesichts der Er war uns ein Vorbild in dem Sinne, dass Tatsache, dass Brecht in der Vereinbarung er die Fähigkeit besass, sich immer auf die auch zusichert, seinen ursprünglichen Ver- Dinge einzustellen. Trotz der großen Band- trag mit dem Westberliner Verlag Gebrü- breite von Techniken besass er diesen un- der Weiss gelöst zu haben, damit das Buch verwechselbaren Stil.“ Für insgesamt fünf in der DDR erscheinen kann, zeugt es Plakate des Berliner Ensembles zeichnet schon von bemerkenswerter Chuzpe, dem das Duo Palitzsch/Haacken verantwortlich Ex-Verlag, mit dem es noch einiges an ju- ristischer Spiegelfechterei geben wird, auch den Illustrator abspenstig zu machen. Eine Titels entdeckt. Ein Leineneinband mit goldgepräg- folgerichtige Wahl. Gerade diese Illustrati- ten Deckeln und gedruckt auf unbeschnittenem Ja- onen prägen – neben den späteren Kinder- panpapier. Bisher waren vom Kinderbuchverlag kei- büchern „Peter und der Wolf “11 und „Alice ne solch bibliophilen Ausgaben bekannt. Zum ande- ren hat das Thema Haacken nachhaltig beschäftigt. im Wunderland“ – die Rezeption Haackens Er fertigte weitere Zeichnungen in diesem Stil der besonders im Ostblock. Die Haacken-Aus- griechischen Feldherren mit Eisernem Kreuz an gabe erscheint in Lizenz in der ČSSR, der der Brust unter anderem für den „Berliner Kurier“ (1950) und das Programmheft „Die schöne Helena“  Brief des Verlagsleiters Erich Wendt an Brecht vom des Berliner Metropoltheaters (1960). 16. Mai 1950. Das Archiv des Aufbau-Verlags lagert  Dieckmann, Friedrich; Karl-Heinz Drescher (Hrsg): als Depo- situm 38 in der Staatsbibliothek zu Berlin. Die Plakate des Berliner Ensembles 1949–1989. Brieftext einsehbar unter sbb iiia dep38 0757 0004_r. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 1992. S. 38. 10 Vertrag vom 20. November 1953. ebenda: sbb iiia Das Buch enthält auch eine Übersicht aller Plakatva- dep38 0565 0009_r. rianten, an denen Haacken beteiligt war. 11 Es ist DER Klassiker unter den Haacken-Büchern,  Interview des Autors mit Wolfgang Würfel (8. Mai übersetzt in über 20 Sprachen und als einziges seiner 2012). Werke noch heute im Druck.

Dreigroschenheft 3/2013 21 Sowjetunion (auf Estnisch) und Ungarn nen Wagen, auszufertigen.“12 Brecht resi-

Kunst (siehe anhängende Bibliographie). Interes- diert in seinem Sommerhaus, um sich von santerweise vermischen sich in Gesprächen den Folgen einer stationär behandelten mit Zeitzeugen die Buch-Motive mit denen Grippe zu erholen. Im Haacken-Nachlass von angeblich erinnerten Plakaten für das befinden sich zwei Schabblatt-Varianten ein Berliner Ensemble. Neben Karl von Appen und desselben Motivs zu Peachums Instru- und Caspar Neher ist es eben Haacken, mentenladen. Die Zuordnung der Entwür- der anfänglich das Brechtsche Werk ins fe ist nicht endgültig geklärt. Ein Blatt trägt bildliche Bewusstsein der Öffentlichkeit den Vermerk „S. 12“. Das Motiv korrespon- transplantiert. Die neuerliche Variation diert mit der Aufbau-Ausgabe des „Drei- des Sokrates als Schabblatt findet später groschenroman“ von 1950. In der Erstaufla- auch Verwendung als Titelillustration für ge verzeichnet das Impressum Haacken mit die viel verbreitete Taschenbuchauflage der „Zeichnungen“, obwohl keine Illustrationen „Kalendergeschichten“ in der Reihe Billige abgebildet sind, bei den Nachauflagen steht Bücher (bb) des Aufbau-Verlags. So sind „Schutzumschlag“. Möglicherweise war allein in der DDR bis Ende der 1960er Jah- ursprünglich eine illustrierte Ausgabe ge­ re drei Brechtsche Sokrates-Varianten von plant, zu der Haacken die Bilder schuf, oder Haacken im Umlauf. Eine ganze Generati- er nutzte das Buch als Inspiration für das on wächst mit seiner Interpretation auf. Treffen mit Brecht 1956. Ob diese es aber je auf Brechts Schreibtisch schafften, ist unge- Ein letztes gemeinsames Projekt bleibt lei- wiss. Brecht stirbt am 14. August aufgrund der unvollendet. Es platzt in eine äußerst seines zeitlebens angegriffenen Herzens. produktive Phase Haackens. Er hat gerade Mit Brechts Tod endet auch dieses Projekt. das Erscheinungsbild des Metropoltheaters Haacken gestaltet nur noch den Schutzum- neu entworfen, dessen Chefgrafiker er wur- schlag zur Ausgabe der „Mutter Courage de. An der Volksbühne arbeitet er parallel und andere Stücke“ (1957) in Aufbaus Rei- mit Roman Weyl zusammen und entwarf he „Deutsche Volksbibliothek“, eine Neuin- Plakate und Programmhefte für Deutsches terpretation des BE-Plakates, nur diesmal Theater und Deutsche Staatsoper. Außer- als Schabblatt. Es wird die letzte Berührung dem ist er weiterhin als Buchgestalter für seinerseits mit Brechts Werk sein. Verlage wie S. Fischer, Aufbau-Verlag, Kin- derbuchverlag und Gebrüder Weiss sowie Dass nun die Zusammenarbeit der beiden als Werbetrickfilmer für Hello Weber tä- später in der Forschung so wenig Beachtung tig. Noch 1956 tritt Brecht an ihn heran. fand, könnte auf zwei Tatsachen beruhen: Er wünscht sich Illustrationen zu „Die Zum einen liegen bedauerlicherweise we- Dreigroschenoper“ für den Aufbau-Ver- der über die Arbeits- noch die persönliche lag. Lektor Günter Caspar schickt Haacken Beziehung der beiden irgendwelche schrift- am 9. Juni mit der Bitte um Erteilung eines lichen Zeugnisse vor. Im Brecht-Archiv Passierscheines zur sowjetischen Militärre- findet sich zwar eine Spur: ein Geschenk gierung: „Herr Frans Haacken, Berlin W15, Haackens für Brecht. Es ist ein Exemplar Joachimsthaler Str. 13, als Illustrator u.a. der August-Scholtis-Novelle „Die Fahnen- von Büchern Brechts, langjähriger Mitar- flucht“ (1948, Chronos-Verlag) zu der Haa- beiter unseres Verlages, hat die Absicht, zu cken die Holzschnitte schuf. Die Widmung einer Rücksprache über Fragen der Illus- ist knapp: „für B. B. / mit besten Grüßen / trationen mit Nationalpreisträger Bertolt haacken / 9. 1. 1950“.13 Ein einziger Kom- Brecht nach Buckow (Märkische Schweiz) 12 ebenda: sbb iiia dep38 0136 0003_r. zu fahren. Wir bitten, Herrn Haacken die 13 Bertolt-Brecht-Archiv, Nachlassbibliothek, nb bb notwendigen Passierscheine, auch für sei- h 06/003; vgl. Bertolt-Brecht-Archiv (Hrsg.), Die

22 Dreigroschenheft 3/2013 mentar Haackens ist mündlich in seiner Fa-

milie überliefert: „Brecht sagt auch genauso Kunst grinsend, das Köpfchen muss ab. Der ist un- durchschaubar.“14 Das Verhältnis zwischen Haacken und Brecht, so scheint es, war eine reine Arbeitsbeziehung, fruchtbar aber nicht herzlich. Angesichts der notorischen Begabung Brechts, Arbeit und Privates zu vermischen, ist es erstaunlich, dass sich beide über sieben Jahre lang künstlerisch schätzten, aber nie menschlich zueinander fanden. Dennoch setzt Haacken Brecht noch später ein zeichnerisches Denkmal in Form einer Porträtzeichnung des jungen Brecht als Teil der Illustrationen zu Alfred Kantorowicz‘ Anekdotensammlung „Mei- ne Kleider“ (1957). Kantorowicz bekam die Bilder nie zu Gesicht, floh er doch noch vor Erscheinen des Buchs im Aufbau-Verlag nach Westdeutschland. Das Buch wurde später aus den DDR-Bibliotheken entfernt.

Zum anderen liegt es am immensen Akti- onsradius Haackens: Er arbeitete als Thea- Unveröffentlichter Entwurf für „Dreigroschenroman/ tergrafiker, Buchillustrator, Autor, Werbe- -oper“ (1950/56) grafiker, Trickfilmer, Kirchenglasgestalter, Übersetzer, Karikaturist. Und das für Ost nur die Fingerkuppen wahrnahmen, nie wie West. Er illustrierte die Jahresberichte den ganzen Menschen. Haacken rutschte des Westberliner Senats sowie Keller- und durch die Maschen des kunstgeschicht- Feuchtwanger-Ausgaben für den Aufbau- lichen Netzes. Und damit auch sein Anteil Verlag. Er zeichnete für den „Tagesspiegel“ an Brechts Werk. und die Zeitschrift „Horizont“ im Westen und für den „Aufbau“ im Osten. Er publi- Till Schröder ist Journalist und Autor. Von ihm zierte beim Kinderbuchverlag wie bei Otto erschien kürzlich die erste Monographie zu Maier Ravensburg. Und er machte immer Frans Haackens weit- wieder Trickfilme, sei es für Werbung, verzweigtem Schaffen. Schule oder später „Die Sendung mit der „Frans Haacken. Zeich- Maus“. So entschwand er dem Blick der ner zwischen 3 Welten. Theaterleute und Buchgestalter – und mit Eine bibliographische seinem Umzug nach Holland in den 1970er Expedition in Buch, Jahren, wo er 1979 starb, fast gänzlich aus Film und Grafik des dem Gedächtnis. Mit den Fingern in so Künstlers Frans Haa- vielen Töpfen beiderseits des Eisernen Vor- cken“. Berlin: Gretanton hangs ist es nicht verwunderlich, dass viele Verlag 2012. 232 Seiten, knapp 400 farbige Ab- Bibliothek Bertolt Brechts, Frankfurt: Suhrkamp bildungen. 2007, S. 124. 14 Interviews des Autors mit Haackens Stieftochter, www.gretanton.de Rosemarie Wagenfeld (25. April 2012).

Dreigroschenheft 3/2013 23 Bibliographie der Werke (1989). 28 Seiten. Broschur, Klammerhef-

Kunst Brecht und Haacken tung. Illustrationen: Frans Haacken. (Reihe: Unsere Welt, Gruppe 1: Märchen und Ge- 1949 schichten). Varianten Brecht, Bertolt: Kalendergeschichten. Berlin: 1949 Gebrüder Weiss Verlag 1949 (1960, 1966). a › Holziges Papier Schutzumschlag: Frans Haacken b › Vorzugsausgabe (Stückzahl unbekannt): in Dieses Buch ist die deutsche Erstausgabe, Gold geprägtes Leinen unter Verwendung des erschienen im Januar 1949. Im selben Jahr Titelmotivs als Vignette, gedruckt auf unbe­ lizensierten noch zwei Verlage den Band: der schnittenem Japanpapier Verlag Neues Leben in Berlin als jeweils Halb­ 1989 leinen und Pappband mit Einbandzeichnung c › Reprint, gestrichenes Papier von Gerhard Kreische und der Mitteldeutsche 2001 Verlag in Halle, ebenfalls Halbleinen mit d › aus der Original-Vorzugsausgabe gefertigtes einem Einband von Walter Bergmann mit der Unikat als roter Ziegennarbenspaltlederband Zeichnung von Caspar Neher. Die hallenser mit Intarsien nach Holzschnitten von Hans Variante gibt im Impressum 1948 an, was sie Schmitz (Kölner Progressive), Vorsätze und fälschlicherweise in einigen Bibliographien zur Spiegel mit Zerkall-Büttenpapier erneuert, Erstauflage erhob. Sie erschien aber auch erst hergestellt von Robert Klein. später im Jahr 1949. Varianten Haacken, Frans: Mutter Courage. S. 6. In: Ulen- 1949: 183 (5) Seiten, 8°. spiegel. Jahrgang 4, Nummer 22 / 1949. a › Halbleinen nach Entwurf von Walter Berg­ 1950 mann unter Verwendung einer Zeichnung von Caspar Neher. Brecht, Bertolt: Debatte im Schwitzbad. S. 7. In: b › typografischer Ganzleinen nach Entwurf von Ulenspiegel. Jahrgang 5, Nummer 13 /1950. Walter Bergmann. Brecht, Bertolt: Dreigroschenroman. Berlin: Einem Teil der Auflage beider Varianten lag Aufbau-Verlag 1950 (1951, 1952, 1955, 1957). ein Erratazettel zu Seiten 39 und 115 bei. Brauner Kopfschnitt. Schutzumschlag: Frans c › Umschlagvariante: Zellophanpapier Haacken Varianten 1960: 173 (7) Seiten, gross-8°. a › 498 (6) Seiten. Halbleinen mit Schutzum­ d › Veränderte Seitenzahl, vollkommen neu ge­ schlag: gelbes Papier, rote Typographie, Rü­ setzt und größeres Format als Ausgabe 1949, ckenaufdruck „Halbleinen“ (1950) Ganzleinen mit Deckelvignette von Haacken. b › 498 (6) Seiten. Dünndruck-Ausgabe, flexib­ Ein Teil dieser Auflage existiert mit Produk­ ler Ganzleinen mit Schutzumschlag: weisses tionsfehler: Buchblock verkehrt herum einge­ Papier, grüne Typographie, Rückenaufdruck bunden, so dass Vignette fälschlich kopfüber „Ganzleinen“ (1950, 1951, 1952, 1955) geprägt auf Einbandrück- statt Vorderseite c › 498 (6) Seiten. Halbleinen mit Schutzum­ erscheint. schlag (weisses Papier, grüne Typographie, 1966: 168 (3) Seiten, groß-8°. Rückenaufdruck „Halbleinen“) (1952) e › Nochmals veränderte Seitenzahl, Ganzleinen d › 486 (5) Seiten. Ganzleinen mit Schutzum­ mit einer Deckelvignette von Lothar Heine­ schlag (weisses Papier, grüne Typographie, mann. Rückenaufdruck „Ganzleinen“) (1957)

Brecht, Bertolt: Der verwundete Sokrates. Ber- lin / Dresden: Der Kinderbuchverlag 1949

24 Dreigroschenheft 3/2013 1954 1959 Kunst Brecht, Bertolt: Kalendergeschichten. Gesamt- Brecht, Bertolt: Kalendrijutud. Ins Estnische ausstattung und Illustrationen von Frans übersetzt von Jaan Kross (Lyrik) und Helga Haacken. Berlin: Aufbau-Verlag 1954 (1955). Kross (Prosa). Illustrationen von Frans Haa- 229 (3) Seiten. Leinen mit illustriertem cken. Tallin: Ajalehtede-Ajakirjade Kirjastus Schutzumschlag. 1959. 103 (1) Seiten. Fotografisch gestaltete Varianten Broschur, Klammerheftung. (Reihe: Loomin- 1954 gu Raamatukogu, Band 18). a › roter Kopfschnitt 1965 1955 b › ohne farbigen Kopfschnitt Brecht, Bertolt: Kalendářové historky. Ins c › Dünndruck-Ausgabe ohne Illustrationen. Tschechische übersetzt von Rudolf Vápeník (Prosa) und Ludvík Kundera (Lyrik). Illus- 1957 trationen von Frans Haacken. Prag: Svobod- Brecht, Bertolt: Mutter Courage und andere né Slovo 1965. 175 (1) Seiten. Illustrierter Stücke. Mit einem Vorwort von Benno Slu- Leineneinband mit illustriertem Schutzum- pianek. Berlin: Aufbau-Verlag 1957. 311 (1) schlag. [Umschlag- und Einbandgestaltung: Seiten. Grauer, braungeprägter Ganzleinen Miroslav Vásǎ unter Verwendung von Illus- mit illustriertem Schutzumschlag von Frans trationen von Frans Haacken]. Haacken. (Reihe: Deutsche Volksbibliothek.) 1970 1958 Brecht, Bertolt: Madre Courage e i suoi figli. Brecht, Bertolt: Kalendergeschichten. Berlin: Übersetzt von Ruth Leiser und Franco Fortini. Aufbau-Verlag 1958 (1965). Kl.-8°. 169 (7) Turin: Einaudi 1970 (1972, 1974, 1979, 1981, Seiten. Illustrierte Broschur. (Reihe: Billige 1990, 1997). 110 (2) Seiten. Broschur. (Reihe: Bücher, bb 2). Umschlag: Gossow/Haacken Collezione di teatro. Numero 26) Brecht, Bertolt: Kalendárium: Régi és új Verwendung des deutschen Haacken-Plakats históriák. Ins Ungarische übersetzt von für das Berliner Ensemble als Umschlag-Motiv Fónagy Iván. Nachwort von Walkó György. ab 3. Auflage 1970, vorher Fotomotiv. Nach Illustrationen von Frans Haacken. Buda- 1997 typografische Lösung. pest: Magyar Helikon 1958. 196 (4) Seiten. Varianten Geprägter Leinen mit Deckel-Vignette nach a › Motiv über ganzem Einband (bis 1979) Frans Haacken mit illustriertem Schutzum- b › Motiv verkleinert, nur noch in oberer Hälfte schlag. des Einbands (1981–1997)¶

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Der Mahagonny-Band Der Augsburger Jürgen in der Reihe BasisBiblio- Hillesheim hat bei Kö- thek, herausgegeben und nigshausen & Neumann kommentiert von Joach- die erste Komplettanalyse im Lucchesi, enthält eine von Bertolt Brechts Edition des seit 1929 nie Hauspostille vorgelegt mehr gedruckten Erst- (Bd. 11 der Reihe drucks der Oper „Der neue Brecht“) ISBN 978-3518188637 ISBN 978-3-8260-5132-6 7 € 38 €

Dreigroschenheft 3/2013 25 Das Fotoarchiv von

T heater Hainer Hill im Bertolt-Brecht-Archiv Bühnenbildner und Fotograf, 1913-2001

Von Anett Schubotz

Vor 100 Jahren wurde Hainer Hill geboren. Im September 2008 übergab Antje Hill den fotokünstlerischen Nachlass ihres Mannes an die Akademie der Künste, Berlin. Dieser wird seitdem im Brecht-Archiv als „Hainer- Hill-Archiv“ aufbewahrt. Sein bühnenbild- nerisches Werk befindet sich im Theater- museum in München.

Hainer Hill, geboren am 28. Juli 1913 in Eberstadt bei Darmstadt, war Bühnenbild­ assistent bei Caspar Neher, Fotograf und ar- beitete später als Bühnenbildner und Aus- Hainer Hill und John Heartfield, Berlin, 1950 stattungsleiter. Nach der Volksschule und einer Malerlehre besuchte er die Städtischen erhielt er neben der Tätigkeit am BE einen Gewerbeschulen Darmstadt, Fachklasse für Gastvertrag an der Deutschen Staatsoper Dekorative Malerei, sowie die Staatsschule Berlin und 1953 bis 1954 einen Gastvertrag für Kunst und Handwerk in Mainz, Fach- wiederum am BE. Bis 1961 arbeitete Hill als klasse für freie und angewandte Malerei, Ausstattungsleiter und 1. Bühnenbildner an welche er mit einem Diplom abschloss. der Deutschen Staatsoper weiter, danach 1935 war Hainer Hill Bühnenbildassistent siedelte er nach Westberlin über, zeitweise bei Ludwig Sievert. Im gleichen Jahr begann als freischaffender Bühnenbildner arbei- die Zusammenarbeit mit Caspar Neher. tend und mit Engagements in Karlsruhe und Dortmund. Am 20. August 2001 starb Seine Arbeits- und Wirkungsorte lagen zu- Hainer Hill in Karlsruhe. nächst in Frankfurt am Main, Darmstadt, Hamburg, Glyndebourne, Berlin und Wien Wie kam der Bühnenbildner zum sowie in Posen und in Gera. Zum Ende des zweiten Weltkriegs wurde er als Soldat Fotografieren? eingesetzt (September 1944 bis Mai 1945). In der Spielzeit 1949/50 erreicht Hainer Die Jahre 1945 bis 1948 verbrachte er in Hill, den 1. Bühnenbildner und Ausstat- russischer Kriegsgefangenschaft, dort ent- tungsleiter des Schauspielhauses Leipzig, standen Aquarelle und Zeichnungen. Wie- der in Deutschland arbeitete Hill erneut  Die biografischen Daten sind folgender Publikation in Gera und in Leipzig. Von 1950 bis 1953 entnommen: Lothar Schirmer/Dirk Praller: Büh- nen-Bilder. Hainer Hill und die Kunst der Projek- war er Bühnenbildner und Regieassistent tion. Hrsg. v. Thomas Lindemann, Karlsruhe, Info am Berliner Ensemble, von 1952 bis 1953 Verlag. 2005

26 Dreigroschenheft 3/2013 ein Anruf von Bertolt Brecht. Dieser bittet ◆ 559 Szenenfotos zu Mutter Courage und ihre ihn um Bühnenbildprojektionen für Ruth Kinder

Berlaus Inszenierung von Brechts Gorki- ◆ 102 Szenenfotos, 3 Negative und 34 Farbne- T heater Bearbeitung Die Mutter in den Leipziger gative zu Der Prozeß der Jeanne d‘Arc zu Rou­ Kammerspielen. „Brecht und Berlau sind en so zufrieden mit Hills Arbeit, dass Brecht ◆ 123 Szenenfotos, 10 Einzelfotos (Kostüme (‚Sie haben hier doch nichts verloren.‘) ihn und Bühnenbild) und 17 Negative zu Don auffordert, an das Berliner Ensemble nach Juan, Berlin zu kommen.“ ◆ 9 Fotos zu Der zerbrochene Krug ◆ 28 Szenenfotos und 1 Foto (Bühne) zu Herr Im BE angekommen, bemerkt Hill, dass die Puntila und sein Knecht Matti, Arbeitsprozesse hier im Kollektiv ohne eine ◆ 2 Szenenfotos, 10 Einzelfotos (Bühne und eindeutige Trennung der einzelnen Arbeits- Dekoration), 13 Negative und 20 Farbnega- bereiche erfolgen. Er ergreift „die Initiative, tive zu Urfaust und wird so unversehens zum Fotografen. ◆ 6 Szenenfotos und 1 Foto (Bühne) zu Die Ge­ Bei den Carl-Zeiss-Werken in Jena erwirbt wehre der Frau Carrar er zu seiner Kamera, einer Exacta Varex, ◆ 4 Szenenfotos, 8 Farbfotos der (Bühnen) Pro- zwei Sonare mit 18 und 30 cm Brennweite, jektionen, 3 Kontaktabzüge von Platten und für die damalige Zeit eine Besonderheit.“ 14 Negative zu Die Mutter ◆ 4 Szenenfotos zur Probe Katzgraben Hill hat in der Regel aus der siebten Reihe ◆ 9 Szenenfotos zu Die Verurteilung des Lukul­ des Zuschauerraumes fotografiert. Seine lus Fotos geben nicht die Totale, die Brecht Zudem liegen 17 Kästen mit über 250 Ne- meist abgebildet haben wollte, sondern gativfilmrollen 11 verschiedener Inszenie- Details wieder. Er fotografierte Bewegungs- rungen vor. Die Materialien befinden sich abläufe und Einzelheiten der Probenarbeit. derzeit in Bearbeitung, können aber gern So entstanden viele hundert aussagekräftige schon genutzt werden. Inszenierungsfotos von Hainer Hill. Hainer Hill hat einmal selbst formuliert: Über Kontakte und Freundschaften sowie „Es kommt nicht darauf an, ein gutes Bild die Zusammenarbeit mit anderen Künst- zu machen, sondern das Bild muss gut sein. lern liegen im Hill-Archiv weitere Aufnah- Ein Bühnenbild hat nur Sinn und Wert, men und Portraits von u.a. Caspar Neher, wenn es ein Stück erfasst und auch um- und Hans Hartleb, Elisabeth fasst.“ Dies zu bewerten, sind alle Interes- Hauptmann, John Heartfield, Otto Klem- sierten eingeladen.¶ perer, Rudolf Wagner-Regeny, Wolf Völker und Alfred Woppmann. Fotonachweis: Hainer-Hill-Archiv; Quelle, die auch nach bemühten Recherchen nicht zu Der umfangreiche Fotobestand ist eine auf- ermitteln war schlussreiche Ergänzung zu den bereits vor- handenen Beständen des Bertolt-Brecht- Anett Schubotz ist Mitarbeiterin am Bertolt- Archivs (Fotoarchiv, Fotoarchiv des Ber- Brecht-Archiv Berlin. [email protected] liner Ensembles, Theaterdokumentation, Fotobestand Ruth Berlau, Vera-Tenschert- Archiv). Überliefert sind u.a.:

 Ebd., S. 29  Ebd., S. 33  Ebd., S. 62, 63

Dreigroschenheft 3/2013 27 „Es wird schlechter“: Die Méthode Coué in Brechts

T heater „Im Dickicht der Städte“

Von Klaus Müller

Von Brecht über Horváth zu Coué Der Pavian (Ulrich Rechenbach) prüft die Kenntnis von Jane (Sarah Bonitz) im „kleinen Katechismus“: „Es Während einer Probe zu Bertolt Brechts  wird schlechter, es wird schlechter, es wird schlechter.“ „Im Dickicht der Städte“ erinnerte mich Rechts Skinny (Sebastian Baumgart). Foto Nik Schölzel, eine Passage, die ich gerade hörte, an einen Theater Augsburg. Dialog in Ödon von Horváths „Kasimir und Karoline“. Zwischen beiden Texten glaubte schluss ebenfalls eine Litanei an, nur unter ich eine Art Familienverhältnis zu erken- umgekehrten Vorzeichen. Ich blätterte im nen. Der „Dickicht“-Dialogfetzen meiner Textbuch unserer Horváth-Produktion der Mitspieler aus Szene 4, „Chinesisches Ho- Spielzeit 2007/08. Am Ende des „Volks- tel“ lautet: stücks“ gibt es ein Gespräch zwischen Karoline und ihrer Oktoberfest-Bekannt­ Der Pavian: Kannst du noch den kleinen schaft. Katechismus, Jane? Jane plärrend: Es wird schlechter, es wird schlechter, es wird schlechter.  Die Premiere von Horváths „Kasimir und Karoline“ unter der Regie von Adriana Altaras fand am 22.9. 2007 im Großen Haus des Theaters Augsburg statt. Bei Horváth stimmt Karoline gegen Stück-  Ödön von Horváth, „Kasimir und Karoline“, Ge- sammelte Werke 5, Kommentierte Werkausgabe in  Die Premiere unter der Regie der israelischen Regis- Einzelbänden, hrsg. von Traugott Krischke unter seurin Ofira Henig war am 7. Februar 2013 auf der Mitarbeit von Susanna Foral-Krischke. Zitiert nach Brechtbühne des Theaters Augsburg. der Fassung von 1932, eingeteilt in 117 Szenen, er-  Bertolt Brecht, „Im Dickicht der Städte“ (1927), schienen im Arcadia-Verlag; hier: Szene 115 (S. 137); GBA 1, S. 463. Coué-Kommentar: S. 156.

28 Dreigroschenheft 3/2013 Schürzinger: Du brauchst einen Menschen, Karoline – –

Karoline: Es ist immer der gleiche Dreck. T heater Schürzinger: Pst! Es geht immer besser und besser. Karoline: Wer sagt das? Schürzinger: Coué. Stille Schürzinger: Also los. Es geht besser – – Karoline sagt es ihm tonlos nach: Es geht besser – – Schürzinger: Es geht immer besser, immer besser – – Karoline: Es geht immer besser, besser – – immer besser – – Der Apotheker Emile Coué (1857– Schürzinger umarmt sie und gibt ihr einen 1926) entwickelte Methoden der langen Kuss bewussten Autosuggestion (Bild: National Library of Medicine) Karoline wehrt sich nicht Schürzinger: Du brauchst wirklich einen Menschen. GBA 10.383: Brecht [Revue] 6. Coué auf Karoline lächelt: Es geht immer besser – – Sumatra. Es geht mir mit jedem Tag immer Schürzinger: Komm – – Ab mit ihr. besser und besser. Anm. der Redaktion, GBA 10.1112: [Notiz- „Coué“. Er also schien die Verbindung zu buch und Typoskript 1926.] Coué: Der fran- der Pavian-Jane-Sequenz zu sein. War er zösische Apotheker Emile Coué entwickelt das? Und wer war er? und praktiziert seit 1910 eine psychothera- peutische Heilmethode, die in erster Linie auf Der Kommentar meiner Horváth-Taschen- Autosuggestion beruht. Spektakuläre Erfolge buchausgabe informiert mich knapp über verhelfen ihr in Europa zu einer weiten Ver- Emile Coué (1857–1926): „… ursprünglich breitung und führen dazu, daß sie auch von Apotheker, Begründer eines, der Autosug- Scharlatanen und Geschäftemachern ausge- gestion verwandten, Heilverfahrens.“ nutzt und dadurch diskreditiert wird.

Konnte es sein, dass bereits der junge Brecht 1925 und/oder 1926 war ein schmaler mit dessen Mantra der Selbstoptimierung Sammelband von Schriften und Vorträgen („es geht immer besser“) gespielt hatte, nur Coués und seiner Anhänger im Carl Reis- eben in ironischer Umkehrung? War Coué ser Verlag Dresden erschienen, erstmals auf tatsächlich der Stichwortgeber? Deutsch, unter dem Titel: „Selbstheilung und Seelenerziehung durch Autosugge- Michael Friedrichs, der „Im Dickicht der stion. Auszug aus den Veröffentlichungen Städte“ als Dramaturg betreute, stellte fest, der Lothringenschen Gesellschaft für an- dass in den ihm vorliegenden Kommen- gewandte Psychologie unter dem Vor- taren zu diesem Stück ein Coué-Bezug sitz von Emil Coué“. Darin beschreibt der unerwähnt geblieben war, dass aber eine französische Heiler die Anwendung seiner Brecht-Coué-Verknüpfung für die Schaf- Methode, die er so erfolgreich vermittelte, fenszeit 1926/1927 dokumentiert ist. Es  Die mir vorliegende Ausgabe (UB Augsburg) hat als gibt einzelne Fundstellen in der GBA, unter Erscheinungsjahr 1926, das Todesjahr Coués; GBA anderem: 19.640 zitiert eine Ausgabe von 1925.

Dreigroschenheft 3/2013 29 dass Pilgerscharen von Hilfesuchenden zu sich zwischen 1925 und 1927 mit dem po- seiner Praxis in Nancy kamen: pulären Zeitgenossen beschäftigt hat. Und T heater Es genügt dies: wiederhole gewissenhaft schließlich findet sich im „Dickicht“ eine fünfzehn- oder zwanzigmal, morgens und weitere Stelle, die sich eindeutig auf Coué abends, wobei man die Lippen bewegen muß bezieht: Szene 7, „Wohnraum der Fami- und an den Fingern abzählen oder besser lie Garga“, wird durch eine Hochzeitsrede an einem Rosenkranz mit zwanzig Kugeln, Johns, des Vaters des Protagonisten George folgenden kleinen Satz: „Tous les jours, à tous Garga, eröffnet.  points de vue, je vais de mieux en mieux.“ John: Seit der Mann … mit der anderen Haut im Kohlendistrikt seine Hand über uns hält, Dieser einfache Satz ist der Kern der Me- geht es hier mit jedem Tag in jeder Hinsicht thode. Variationen oder weitere Affirma- besser.10 tionen, wie man sie heutzutage zuhauf in Ratgebern und Selbsthilfebüchern findet, Dieser Satz folgt exakt dem Originalwort- hält Coué nicht für nötig, allenfalls noch laut des Coué-Spruchs. Das dürfte jeden eine kleine „Es-geht-vorbei“-Litanei bei Zweifel ausschließen, dass Coué auch für körperlichen oder psychischen Schmerzen. Janes kleine Litanei Pate gestanden hat.11 Im Grunde aber reiche dieser eine Satz: „Mit jedem Tag geht es mir in jeder Hin- Kleine Litanei des sozialen Abstiegs sicht besser und besser.“ Wir können unterstellen, dass der zeitge- Ob Brecht die oben genannte Veröffentli- nössische „Dickicht“-Zuschauer die ein- chung bekannt war, ist nicht nachweisbar; gängige Coué-Formel im Ohr hatte, ihren die erste deutschsprachige Veröffentlichung pointierten Einsatz also verstand – was von Coué selbst ist 1924 erschienen. Fest im Effekt einen, wie Schauspieler zu sagen steht, dass Coués (invertierter) Glaubens- pflegen, „sicheren Lacher“ erzielen durf- satz in der ersten Stückfassung von 1923 te. Was bedeutet es aber, wenn Brecht die noch nicht erscheint. Die oben zitierte Coué-Formel als „kleinen Katechismus“ Arbeitsnotiz zu einer geplanten, aber nicht bezeichnet und seine Abfrage einem Zu- ausgeführten Revue mit „Coué auf Sumatra“ hälter in den Mund legt? Steht das „Bes- und eine weitere Stelle belegen, dass Brecht ser-und-besser“ hier für ein komprimiertes Credo des modernen Fortschrittsglaubens?  Zitiert nach dem genannten Coué-Sammelband, Und wenn es von Jane negiert wird, soll hei- Seite 29 (aus: „Geist und Körper in ihrer Wechsel- wirkung. Vortrag von Emil Coué“). ßen: von einer Trinkerin in einem Bordell  Im deutschsprachigen Journalismus der Zeit dürfte als böse Litanei (gut Augsburgerisch von Coué umfangreich dargestellt worden sein. Die New Brecht ausgedrückt) „geplärrt“ wird, kom- York Times weist bereits für die Jahre 1922/23 zahl- mentiert Brecht in seinem Chicago der Ein- reiche Fundstellen auf (vgl. www.nytimes.com).  In der von Gisela E. Bahr 1968 in der Edition Suhr- zelkämpfer damit nicht auch den American kamp herausgegebenen Ausgabe (dort als Fassung darunter und brachte es, ganz ohne Coué, zuwege, von 1922 bezeichnet) ist im Anhang eine später ge- daß er Arras und Ypern innerhalb dreier Wochen schriebene Szene „Chinesisches Hotel“ abgedruckt vergaß, wie seine Geburt vor 29 Jahren.“ Die Lehre (S. 107–109), die eine nahezu wortgleiche Passage Coués ist offenbar so populär, dass die bloße Nen- enthält; das Typoskript stamme aus dem Nachlass nung seines Namens hier genügt, um die gewünsch- von Erich Engel (S. 114, 131). Das Entstehungsda- ten Assoziationen beim Leser hervorzurufen. tum dieser Szene ist unklar, jedoch nach der Erstfas- 10 GBA 1, 474. sung, die die GBA auf 1923 datiert; sie ist dort nicht 11 Eine weitere Anspielung gibt es in Szene 9, Jane sagt enthalten (GBA 1, S. 343–435). zu George: „Man sagt: es wird besser, aber es wird  GBA 19.268, in: „Nordseekrabben oder Die moder- immer noch schlimmer, denn das kann es.“ Brecht ne Bauhaus-Wohnung“ (1926): „Aber dann war der behandelt ironisch das „Es“ als handelndes Subjekt Krieg zu Ende, und Kampert machte einen Strich und bricht so die Phrase von innen auf.

30 Dreigroschenheft 3/2013 Dream und sein calvinistisches Prosperi- Brechts Spott entlarvt den Missbrauch der tätsversprechen? In Brechts „Riesenstadt“ Selbstheilungsmethode als (Selbst-)Täu­ benebeln sich Menschen, die vom sozialen schungsmanöver. Selbstgefällig blendet der T heater Abstieg bedroht sind, nicht nur mit Zigar- Vater John Garga, der sich ähnlich wie ein ren, Whisky, Gier und Liebessehnsucht, Zuhälter durch die Arbeit anderer aushal- sondern auch mit pervertierter Autosug- ten lässt, alles aus, was ihm die Suggestion gestion. Wenn die Hoffnung auf ein bes- rauben könnte, er sei nicht der rechtmä- seres Morgen allein von der Einbildungs- ßige Genießer fremder Früchte. Und wie kraft (und nicht etwa von kapitalistischen der Vater, so der Sohn: Optimierungen, Marktgesetzen) abhängt, welche Aussicht Aufbrüche, Reisepläne zu einer schönen auf Verbesserung der Verhältnisse hat ein neuen Welt, sie alle laufen ins Leere. Was derart unkritisches Bewusstsein? George Garga am Ende bleiben wird, ist ein abgebrannter Holzhandel. Sein Utopia hat Damit komme ich zurück auf die eingangs er schon früher aufgegeben. Die Traumin- zitierten Brecht- und Horváth-Szenen. Sie sel, die ihm aus der Ferne zuruft, es werde zeigen junge Frauen, denen es im Grunde immer besser, heißt Tahiti.15 Ein paradie- immer schlechter geht und die von Män- sisches Leben à la Gauguin, nichts weiter nern verführt werden, indem ihnen eine als eine Aussteiger-Phantasie. Von einer Verbesserung ihrer Verhältnisse suggeriert anderen exotischen Insel grüßt eine Revue- wird. Der Zuschneider Schürzinger fischt nummer: „Coué auf Sumatra.“16 die Ex-Braut Karoline aus ihrer Katerstim- mung mit ihrem Rückblick auf eine rosigere P. S.: Ich möchte darauf hinweisen, dass die Zukunft.12 Der Zuhälter Collie Couch, ge- Coué-Methode der Autosuggestion nicht nannt Pavian, macht Jane, George Gargas zur Manipulation anderer (siehe Karoline Verlobte, mit Drinks und Sex gefügig („Es und Schürzinger), sondern zur Selbsthilfe handelt sich um Liebe und es handelt sich gedacht ist. Hierin sieht sie ihren Nutzen um Cocktails“13). Die gesellschaftlichen Mi- und ihre seriöse Verantwortung. Sie wird lieus, in denen Brecht und Horváth sich be- bis heute praktiziert und vermittelt.17 Auf vorzugt als Sprengmeister von Verlobungen youtube finden sich zum Stichwort Coué betätigen, sind sozialdarwinistisches Di- u.a. ein Anwendungsbeispiel (der Coué- ckicht, in denen ein „survival of the fittest“ Satz in vorschriftsmäßig monotoner Litanei vor allem die Anpassung der Frauen an die zu einem Bindfaden-Rosenkranz), ein Ton- Ansprüche der Männer bedeutet. Immer dokument mit Coués Stimme (von 1923), sind es die männlichen Primaten, Paviane ebenso Schriften von Coué in französischen und andere Affen, die Coués Credo miss- und englischen Hörbuchversionen.¶ brauchen und mit Frauen ihren kleinen Ka- techismus der Abhängigkeit einstudieren.14 Klaus Müller ist Schauspieler und studierter Theologe. Seit 1996 ist er festes Ensemblemit- 12 Horváth, Kasimir und Karoline, Seite 135, Szene glied am Theater Augsburg. Im „Dickicht der 113: „Ich hab es mir halt eingebildet, dass ich mir Städte“ spielte er Pat Manky. einen rosigeren Blick in die Zukunft erringen könn- [email protected] te“; auch hier: enttäuschte Autosuggestion wie bei Brechts Jane. 13 GBA 1, 444. 15 Szene 2, GBA 1, S. 453. 14 vgl. Shlink in Szene 10, S. 491: „Der Wald! Von hier 16 Wie sich in einer Revue ein satirischer Song auf Le kommt die Menschheit. Haarig, mit Affengebissen, Docteur Coué anhören könnte, lässt sich ebenfalls gute Tiere, die zu leben wußten. Alles war so leicht. auf youtube abrufen: „La Méthode Coué – La Chan- Sie zerfleischten sich einfach.“ Die Affenmetaphorik son par Les Pieds Nikoué“. zieht sich durchs Stück, dazu auch die Rolle „Man- 17 www.coue.org ist die Homepage von: „Deutsches ky“ (= monkey) als „sprechender Name“. Coué-Institut für Problemlösung“.

Dreigroschenheft 3/2013 31 Ganz und gar heutig wortet.“ Nachdem der Knabe in den Tod gestürzt ist, erklingt noch einmal der das T heater Der Jasager und Der Neinsager an der Stück einleitende Chor: „Wichtig zu lernen Staatsoper Berlin vor allem ist Einverständnis.“ Von Jürgen Schebera Kurt Weill komponierte den Jasager als reichlich halbstündige Schuloper. Nach der Während der mehrjährigen Rekonstruktion Uraufführung am 23. Juni 1930 entbrann- des Stammhauses Unter den Linden ist die ten heftige Debatten zu Brechts Text, der Berliner Staatsoper ins Schillertheater um- sich, auch nach Diskussionen mit Berliner gezogen und fand dort mit der „Werkstatt“ Schülern, danach entschloss, eine Variante zugleich eine zweite kleinere Spielstätte vor, Der Neinsager zu verfassen, in der der Kna- ideal geeignet für die Aufführung von Wer- be am Ende dem alten Brauch widerspricht. ken jenseits des Repertoires im großen Saal. (Es folgte wenig später, nun gemeinsam Hier läuft seit zwei Jahren die Reihe „Junge mit Hanns Eisler, eine zweite, diesmal po- Staatsoper“, in der, wie der Name bereits litische Säkularisierung des Stoffes in dem ankündigt, junge Kräfte mit viel Elan selten Lehrstück Die Maßnahme). Kurt Weill hat zu hörende Werke des Musiktheaters auf aus nicht eindeutig zu klärenden Gründen die Bühne bringen. In letzter Zeit wurden den Neinsager nicht mehr komponiert. u. a. die Schostakowitsch-Operette Mos­ kau Tscherjomuschki, Friedrich Goldmanns Dies erfolgte erst 60 Jahre später durch den Kammeroper R. Hot bzw. die Hitze und Komponisten Reiner Bredemeyer (1929– Viktor Ullmanns Der Kaiser von Atlantis 1995). Auf Einladung Paul Dessaus 1954 produziert. von München nach Ost-Berlin gewechselt, gehörten Arbeiten für das Theater zum Und nun also ein Abend mit zwei Schul- wichtigen Bestandteil seines umfangrei- opern von Kurt Weill und Reiner Bredemey- chen Œuvres. Ab 1961 wurde er für mehr er, nach Brechts 1930 entstandenen Texten. als 30 Jahre Leiter der Bühnenmusik am Damals hatte Elisabeth Hauptmann gerade Deutschen Theater. Als man dort 1978 Die das altjapanische Nô-Stück Zenchiku (Der Dreigroschenoper inszenieren wollte und Talwurf) übersetzt: Ein Knabe schließt sich die Brecht-Erben dies untersagten, schrieb einer rituellen Wallfahrt in die Berge an, Bredemeyer kurzentschlossen (nach einem er macht schlapp und gefährdet damit das Libretto von Heinz Kahlau) mit der Galo­ Unternehmen. Ein alter religiöser Ritus legt schenoper ein Stück gleichen Geistes, das für solchen Fall fest, dass der Betreffende zum großen Publikumserfolg geriet. ins Tal hinab geworfen wird. So geschieht es am Ende. Brecht war von der Rigoro- Zur Entstehung seiner Neinsager-Komposi- sität der Fabel beeindruckt und beschloss tion hielt der Komponist fest: „Im Herbst den Stoff zu säkularisieren. Nun begleitet 1990 habe ich in der Schweiz Brecht/Weills der Knabe, um für die kranke Mutter in der Schuloper Der Jasager erlebt und mich sehr Stadt Medizin zu besorgen, seinen Lehrer schnell entschlossen, das ja auch schon bei einer Klassenwanderung über die Berge. 1930 geschriebene Pendant zu liefern. […] Vorher hat man ihn von dem alten Brauch Die letzten 40 Jahre haben mich von der des Talwurfs unterrichtet. Als die kritische leider Nichtüberflüssigkeit dieser Arbeit Situation dann eintritt, fragt ihn der Lehrer, überzeugt. ‚Viele werden nicht gefragt, und ob er einverstanden sei. Der Knabe antwor- viele sind einverstanden mit Falschem‘ steht tet mit Ja, der Chor kommentiert: „Er hat da im Text. Und etwas von einem ‚neuen ja gesagt, er hat dem Brauch gemäß geant- Brauch‘, den man sofort einführen müsse: ,in

32 Dreigroschenheft 3/2013 jeder Lage neu nachzudenken’. Die glühen- de Brisanz der ja ursprünglich japanischen

Story ist meiner Meinung nach überhaupt T heater nicht erkaltet. Vielleicht ist es mir gelungen, mit kompositorischen Mitteln die so wun- derbar einfach formulierten Gedanken neu und frisch anzuschieben.“

Die Aufführung der Jungen Staatsoper bestätigt eindrucksvoll das „Nichterkaltet­ sein“ beider Brechtscher Texte sowie der Musiken von Weill und Bredemeyer. Das Publikum, auf die Spielfläche flankierenden Bänken platziert, während das Orchester auf der Empore musiziert, folgte über weite Strecken dem Geschehen mit fast atemloser Der Jugendchor Spannung. Regisseurin und zugleich Aus- statterin Aniara Amos verzichtet auf jegli- rhythmischem Aufstampfen die Wirkung ches szenische Beiwerk, konzentriert sich der Musik verstärken. Am Pult des kleinen voll auf die Führung ihrer ganz ausgezeich- Orchesters bringt Max Renne die beiden neten – und bis zur letzten Silbe verständli- unterschiedlichen Partituren voll zur Wir- chen – Sängerdarsteller: Timothy Sharp als kung: Weills eindringliche Musik von 1930 Lehrer, Maria Elisabeth Weiler als Mutter, ebenso wie Bredemeyers „moderne“, zu- Tim Fluch vom Kinderchor der Staatsoper weilen an Dessausche Tonsprache anknüp- als Knabe sowie der Jugendchor der Staats- fende Komposition. oper. Der Chor agiert mit Masken und lan- gen schwarzen Stöcken, die das Geschehen Starker, lang anhaltender Beifall am quasi vor sich hertreiben und öfters mit Schluss.¶

Im Haus des Knaben: Timothy Sharp (der Lehrer), Tim Fluch (der Knabe), Maria-Elisabeth Weiler (die Mutter)

Dreigroschenheft 3/2013 33 Der Kapitalismus wankt, aber er fällt nicht

T heater Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny am Hessischen Staatstheater Wiesbaden Von Andreas Hauff

Kann Brechts und Weills Oper „Aufstieg den eröffnet Manfred Beilharz die 117. In- und Fall der Stadt Mahagonny“ heute noch ternationalen Maifestspiele mit einer eige- jemanden provozieren? Wenn ja, dann in nen Inszenierung von Aufstieg und Fall der Wiesbaden zur Eröffnung der Maifestspie- Stadt Mahagonny. Würde da die Empörung le – könnte eine spontane Antwort lauten. zum Skandal hochkochen – so wie Anfang Genau wie das renommierte Theaterfesti- der 1930er Jahre in Leipzig und andernorts? val geht der (im Stil des Späthistorismus Oder würde der Regisseur das Stück zur gestaltete) repräsentative Theaterbau der Harmlosigkeit eindampfen? Während der alten Kurstadt nicht nur zurück auf die festlichen Eröffnung am 27. April in den Wilhelminische Epoche, sondern auf den Theaterkolonnaden bei bitter kalten Tem- ausdrücklichen Wunsch Seiner Majestät peraturen blieb die Frage noch unentschie- Wilhelms II. Insbesondere das prachtvolle den. Die Redner gaben sich zuversichtlich Foyer im Neu-Rokoko hatte es dem Kaiser und fassten sich kurz, und eine Besetzung angetan. „Das ist prächtig! So was hat man von vier Trompeten und vier Posaunen der in Berlin nicht!“, äußerte er bei der Erst- Wiesbadener Musikakademie unter Lei- besichtigung. Mehr als andernorts ist bis tung von Joachim Tobschall spielte in dop- heute das Wiesbadener Opernpublikum pelchöriger Aufstellung Denn wie man sich auf das 19. Jahrhundert fixiert. Ich erin- bettet – eine Komposition von Ernst August nere mich gut, wie wir vor etwa 20 Jahren Klötzke, dem Leiter der (allem Neuen ge- zu dritt in einer Vorstellung von Stephen genüber aufgeschlossenen) musik-theater- Sondheims anspruchsvollem Musical A werkstatt des Hessischen Staatstheaters. Sunday in the Park with George saßen und Klötzkes Titel Denn wie man sich bettet allem Anschein nach die einzigen im über zitiert natürlich einen der berühmtesten 1000 Plätze fassenden Zuschauerraum wa- Brecht-Weill-Songs. Und seine Musik ent- ren, die überhaupt etwas mit dem Stück puppt sich als geschickte Mischung von anfangen konnten. Und wie vor etwa zehn festlicher Fanfarenmusik und Opernpot- Jahren etliche Personen türenknallend eine pourri. In der Blechbläser-Besetzung wir- Aufführung von Alban Bergs Wozzeck ver- ken die „Schlagernummern“ der Oper al- ließen, obwohl Intendant Manfred Beilharz lerdings durchaus „verfremdet“. Man denkt eine denkbar zuschauerfreundliche Insze- an die Posaunen des Jüngsten Gerichts oder nierung auf die Bühne gebracht hatte. diejenigen, die die Mauern von Jericho zum Einsturz brachten. Falsch ist das nicht. Ma­ Brecht hat die Atmosphäre dieses alten hagonny ist ja auch ein Stück über die von Hoftheaters im Herbst 1921 geschnuppert, Menschen gemachte Apokalypse. als Marianne Zoff dort engagiert war – er sah sie dort in Wagners Rheingold. Das war Als sich dann im Innern der Vorhang öff- die Welt, zu der Mahagonny den Gegenent- net, ist ziemlich schnell klar: Beilharz hat wurf bilden sollte. auch diese Inszenierung zuschauerfreund- lich konzipiert. Aber das tut er so gut und Tatsächlich: Im vorletzten Jahr seiner Inten- so unterhaltsam, dass manch ein Möchte- danz am Hessischen Staatstheater Wiesba- gern-Provokateur unter den Mahagonny-

34 Dreigroschenheft 3/2013 Regisseuren sich mehr als eine Scheibe da- von abschneiden könnte. Der alte Routinier sorgt erst einmal dafür, dass die Pointen des T heater Textes und des Szenarios beim Publikum ankommen, und die Zuschauer – von denen vermutlich viele das Stück wirklich zum er- sten Mal erleben – reagieren. Es ist ja auch wirklich komisch, wie das Gangstertrio mit seinem LKW in der Wüste liegen bleibt und dann als Zeichen der Inbesitznahme des trostlosen Fleckens Erde den Unterrock von Leokadja Begbick hisst. Die Dame (Andrea Baker) und ihre beiden Adlaten Dreieinig- keitsmoses (Kiril Manolov) und Fatty der Prokurist (Erik Biegel) geben ein schönes Komikertrio ab und nehmen das Publikum schon einmal für sich ein – bevor sie dann im Laufe der Handlung „andere Saiten auf- ziehen“. Erst einmal verteilen sie im Parkett Werbezettel für die neugegründete Stadt.

Erst recht werden die vier Holzfäller aus Eröffnung mit Posaunen; das Interieur des Hessischen Alaska zu Sympathieträgern. Sie kommen Staatstheaters (Fotos: Martin Kaufhold) aus dem Parkett – Leute wie Du und ich, nur eben nicht für die Premiere angezogen, sondern fürs Amüsement, und sie vollfüh- ren zu „Auf nach Mahagonny“ gleich ein- mal eine kleine übermütige Choreographie. Einer von ihnen – ich habe vergessen, wer – kann sogar steppen. Iris Limbarth, die Choreographin, hat ein Gespür dafür, wie viel vom Revue-Theater der Zwanziger Jahre in dieser Oper steckt. Bernd Holzapfel, der Bühnenbildner, lässt im Hintergrund tat- sächlich einen grünen Mond aufscheinen. Und Manfred Beilharz hört genau auf den Text: Als Jimmy vor Langeweile ausrastet und „seinen Hut aufessen“ will, hat er das gute Stück tatsächlich in der Hand. Wie sei- ne Freunde und die Mädels ihn beruhigen wollen, er sich aber nicht beruhigen lassen will – das ist wirklich gute Personenführung. Dass Beilharz statt „Konstabler“ „Polizisten“ einsetzt, ist konsequent. Nur: Gesungen ist es eine Silbe zuviel. Dass er die unbezahlte Dreieinigkeitsmoses (Kiril Manolov), Fatty (Erik Biegel) „Storestange“ durch den tatsächlich ver- und der grüne Mond. Unten: Die vier Holzfäller aus wendeten Besenstiel ersetzt, zeugt ebenfalls Alaska; Jimmy (Daniel Brenna) rastet aus. für aufmerksame Textlektüre. (Fotos: Lena Obst)

Dreigroschenheft 3/2013 35 es in der Regieanweisung – zumeist souve- rän ignoriert –, und so steht es als Pointe

T heater auch in der Partitur: Eine leise aufsteigende Melodielinie deutet den Sonnenaufgang an. Generalmusikdirektor Zsolt Hamar führt Orchester, Ensemble und Chor des Staats- theaters sorgfältig durch den Abend. Er lässt die Musik aussingen, ganz seriös und sinfonisch auf der einen Seite, schmissig und unterhaltsam auf der anderen, ohne dabei den Gesang zuzudecken. Wo es am Platz ist, darf die Violine schluchzen und Am Schiffsanleger von Mahagonny: Jenny (Emma die Hawaii-Gitarre jaulen. Aber man spürt Pearson) und die Holzfäller. (Foto: Lena Obst) auch Weills Nähe zu Gustav Mahler. Von düsterer Würde ist der große Trauermarsch Daniel Brenna als Jimmy ist kein großer des Finales. Hier ist sogar die Musik stärker Held, ein Frauenschwarm schon gar nicht, als die Inszenierung. in seiner von Kostümbildnerin Renate Schmitzer entworfenen Holzfällerkluft. Beilharz lässt zwar auch hier keine Lange- Die ganze Zeit über hängt ihm sein riesiges weile aufkommen. Von allen Seiten kom- Schnupftuch aus der Hosentasche. Jim ist men die Demonstranten. Sie tragen auf ein bisschen naiver als seine Kumpels, ein ihren Schildern neben den altbekannten bisschen ehrlicher, ein bisschen verletzli- Sätzen neue, aktuellere Parolen: „Für den cher. Vielleicht empfindet Jenny deswegen Kampfeinsatz in Syrien!“, „Gegen die Ret­ Sympathie für ihn. In der Hurrikan-Szene tung des Euro!“, „Gegen Ausländer!“, „Für wird er wider Willen zum Helden, nimmt die freiheitlich-demokratische Grundord­ aber auch diese Rolle naiv an. Jennys Ab- nung“, „Occupy“ oder „Für die Freiheit der kehr von ihm beginnt schon bald. In der Banken“. Aber der Tempel des Kapitalismus Bordellszene fängt sie das Kraniche-Duett mit den drei Geldmünzen-Säulen aus Yen, zu singen an. Sie sieht ihn nicht an dabei, Euro und Dollar, der nach der Pause den aber er stimmt mit ein. Und so will sie spä- Bühnenhintergrund bildet – er wankt bloß ter für ihn auch nicht zahlen, und als sie und fällt nicht. Die Apokalypse findet nicht dann singt „und wird einer getreten, dann statt, angesagt ist Weiterwursteln. Das mag bist‘s du“, tritt sie ihn, der schon am Bo- derzeit als Kommentar zur politischen Lage den kauert, wirklich. Um so anrührender taugen. Doch die Bedrohlichkeit, die die- ist, wie sie ihn – nach langem Zögern und sem Schluss innewohnt, ist gekappt. mit schlechtem Gewissen – zum Abschied wirklich küsst. Endlich einmal zeigt ein Das Premierenpublikum jedenfalls reagiert Regisseur die Zwiespältigkeit gerade die- mit großem Applaus und viel Jubel für ser Figur. Emma Pearson ist darstellerisch Darsteller und Orchester. Brecht und Weill ausgezeichnet, im Gesang des öfteren eine dürften in Wiesbaden einige neue Freunde Spur zu opernhaft, zu wenig direkt. Daniel gewonnen haben. Aber ein bisschen mehr Brenna schafft es dagegen bruchlos vom Provokation am Ende hätte schon sein dür- Alltagsburschen zum Operntenor. fen – nachdem Jim, Jenny und die Stadt Mahagonny uns so nahe gekommen sind.¶ Als er in seiner eindrucksvollen nächtlichen Verzweiflungsarie singt „Es darf nicht hell Andreas Hauff ist Musikjournalist in Mainz. werden“, wird es auf der Bühne hell. So steht

36 Dreigroschenheft 3/2013 Ein Hoch auf den Übersetzer! Begegnungen und

Wiederbegegnungen beim 21. Kurt-Weill-Fest in Dessau T heater

Von Andreas Hauff

55 Veranstaltungen in 17 Tagen – bei dieser getroffen habe, sagte Landgren und erwies Dauer und Frequenz ist es schwer, als Aus- sich als Meister darin, sein Publikum mit- wärtiger (bei schlechten Zugverbindungen zunehmen: „War das erkennbar? Was war zumal) noch den Überblick zu behalten. das?“ – „Der Bilbao-Song!“ – „Ja!“, freute Die gewählten Schwerpunkte verdanken er sich über Reaktionen. Und war sichtlich sich einer Mischung aus Terminzwängen, gerührt, als Thomas Markworth, Präsident persönlichen Neigungen und vermuteter der Kurt-Weill-Gesellschaft, und Micha- Wichtigkeit. Unübersehbar und unüber- el Kaufmann, Intendant des Weill-Festes, hörbar ist: Das Kurt-Weill-Fest hat nicht ihm, dem „alten Schweden“, auf offener nur sein Stamm-Publikum gefunden, son- Bühne die Ehrenmitgliedschaft der Weill- dern auch seine Stamm-Künstler. Gesellschaft verlieh. In das Arrangement der sanften Händel-Arie „Lascia ch’io pian­ Nils Landgren, der schwedische Jazzposau- ga“ (aus der Oper Rinaldo) baute er zwi- nist, Artist-in-Residence 2009, war wieder schendrin „Speak Low“ (aus Weills Musical da – zum wiederholten Mal, aber erstmals One Touch of Venus) ein und in die vorletz- mit der von ihm geleiten Bohuslän Big Band te Zugabe („This time next year“ aus Weills aus Göteborg. Vom Publikum herzlich be- unvollendetem Projekt Huckleberry Finn) grüßt, spielten die schwedischen Musiker schmuggelte er dann tatsächlich Purcells im Anhaltischen Theater ein Programm „Music for a While“. Die allerletzte Zugabe, unter dem Motto Music for a While. Der das schlichte schwedische Lied Ack Värme­ Titel, der mit der Ähnlichkeit zu „Weill“ land du sköna, gipfelte in einer virtuosen spielt, zitiert eines der schönsten barocken Showeinlage, bei der Landgren die Poasune Lieder überhaupt; es stammt aus der Schau- auseinander nahm und hintereinander auf spielmusik zu Oedipus des von Landgren Zug und Mundstück blies. Der „alte Schwe- sehr geschätzten englischen Barockkom- de“ weiß: Das Publikum unterhalten, heißt ponisten Henry Purcell. „Mal sehen, ob die auch immer wieder, es zu überraschen. beiden sich begegnen“, sagte er. So gab es denn viel Weill-Arrangements: „My Ship“, Diesjähriger Artist-in-Residence war der „September Song“, „Surabaya Johnny“, britische Dirigent und Weill-Experte James „Mackie Messer“, „Lost in the Stars“ – aber Holmes. Auch er zeigte starke Präsenz: Am durchmischt mit Bearbeitungen barocker Dirigentenpult, als Klavierbegleiter, als Ar- Kompositionen von Bach, Händel, Vivaldi rangeur und im Gespräch. Dass er beim und vor allem Purcell. Landgren führte die Eröffnungskonzert die Staatsphilharmonie Band, blies seine rotschimmernde Posaune Rheinland-Pfalz aus Ludwigshafen dirigier- mit und ohne Dämpfer, virtuos und besinn- te, verdankt sich der Konstellation, dass In- lich, solistisch und alternierend mit Mit- tendant Michael Kaufmann im Dezember gliedern der Band, und dazwischen sang er 2011 zusätzlich die Intendanz dieses Or- noch mit zart-rauer Stimme. chesters übernommen hat. Ludwigshafen ist schon seit 1988 Partnerstadt von Dessau, Er kehre sehr gerne nach Dessau zurück, und Kaufmann ist bestrebt, seinen Spagat wo er so viel Spaß gehabt und tolle Leute zwischen Sachsen-Anhalt und Rheinland-

Dreigroschenheft 3/2013 37 Pfalz personell und inhaltlich fruchtbar zu schen ‚ernster‘ und ‚leichter‘ Musik bedeu­ machen. Und so holte er auch ein Gastspiel tungslos ist und dass nur ‚gut‘ und ‚schlecht‘

T heater des Ludwigshafener Theaters im Pfalzbau zählen. Sie zeigen, dass die Formen populärer vom Rhein an die Mulde: In der Marienkir- Songs (und Tänze) mit Imagination und Kre­ che gastierte die eigenwillige Dreigroscheno­ ativität verwendet werden können, um Ge­ per-Version des dortigen Kinder-Spiel-The- schichten mit Substanz und Ernsthaftigkeit aters mit Jugendlichen – auch vor Dessauer zu erzählen. Und sie machen klar, dass das Schülern. Publikum richtig unterhalten werden kann, ohne sein Gehirn an der Garderobe abzuge­ Wichtiger im Sinne des Festivalmottos „New ben. Dies war auch Weill immer sehr wichtig. York, New York“ war allerdings die Verbin- So ist er ein wesentliches Bindeglied in die­ dung zur Kurt-Weill-Foundation. Ihr ver- ser Reihe von Talenten, gleichzeitig zeigte er dankte das diesjährige Fest die Beteiligung immer eine unverwechselbare Stimme und von sechs US-amerikanischen Nachwuchs- einen eigenen Charakter.“ Künstlern, allesamt Gewinner beim Lotte- Lenya-Wettbewerb, die mehrere Programme Ausgerechnet in diesem Jahr konnte oder bestritten und durch ihre Präsenz über zwei- mochte das Anhaltische Theater keine Insze- einhalb Wochen dem Festival in der Stadt nierung eines Weill-Musicals auf die Bühne ein persönliches und internationales Ge- stellen, sondern beließ es bei der Erstauf- sicht gaben. Letzteres fällt auch deswegen führung der konzerttauglichen Kurzversion ins Gewicht, weil Neonazis den Jahrestag des szenischen Monumental-Oratoriums der Bombardierung Dessau 1945 wieder zu Der Weg der Verheißung, das Weill 1935 einer Demonstration nutzten. Die Dessauer in die USA geführt hatte. Doch gab es als Zivilgesellschaft setzte dem mit einer Men- Festival-Produktion in der Marienkirche schenkette durch die Innenstadt ein ein- immerhin eine halbszenische Version von drucksvolles Symbol entgegen. So wahrten Weills amerikanischer Schuloper Down in die Stadt und das Festival auch diesmal ihr the Valley, die dieser 1945 zusammen mit Gesicht – vor sich selbst, aber auch nach au- seinem Librettisten Arnold Sundgaard ßen hin. Kurt Weills Biographie als solche ohne Erfolg als Radio-Stück konzipierte mit den Stationen Berlin – Paris – New York und zwei Jahre später mit Erfolg auf den bedeutet hier schon Verpflichtung. neuen Adressatenkreis zuschnitt. Das Stück basiert zum großen Teil auf amerikanischen James Holmes, der durch seinen dirigen- Folksongs, aber Weill zeigt geradezu exem- tischen Einsatz in den 1990er Jahren stark plarisch, was man mit einem Orchester tun dazu beigetragen hat, Weills Broadway- kann, um Abwechslung, Atmosphäre und Oper Street Scene repertoirefähig auch an Charakterisierung zu schaffen. Vor allem deutschen Bühnen zu machen, sieht „den das titelgebende Lied „Down in the Valley“ amerikanischen Weill“ als wichtigen Be- erscheint in immer neuen Varianten. standteil in der Entwicklungslinie des ame- rikanischen Musicals. Hier einige Sätze aus Das Stück handelt vom Schicksal eines jun- dem Dessauer Programmbuch: „Es beginnt gen Mannes, der vor seiner Hinrichtung ein in den 1920ern, als Kern und Hammersteins letztes Mal seine Freundin sieht, nachdem ‚Show Boat‘ zu beweisen begann, dass popu­ er in Notwehr seinen rücksichtlosen, aber läres Theater mehr ist als seichte Unterhal­ einflussreichen Rivalen getötet hat und we- tung. Von hier geht es weiter mit Gershwin, gen Mordes zum Tode verurteilt wurde. In Porter, Berlin, Arlen, Rodgers, Bernstein, der Rückblende erlebt das Publikum die Ge- Sondheim, Kander und Ebb. Sie alle zeigen schichte der beiden Liebenden bis zu ihrer auf ihre Weise, dass die Unterscheidung zwi­ tragischen Zuspitzung. Die juristische und

38 Dreigroschenheft 3/2013 gesellschaftspolitische Fragwürdigkeit des witzigen deutschen Operetten- und Kaba- offensichtlichen Fehlurteils werden nicht retttexte der 20er Jahre schwer verständlich thematisiert, aber durch die Lebendigkeit sind). Das Kurt-Weill-Fest sparte hier ent- T heater der Erzählung wird auch die Problematik schieden an der falschen Stelle: Weder gab dieses Abschieds deutlich, und so kann man es deutsche Übersetzungen noch waren die Down in the Valley als hintergründiges Plä- Originaltexte abgedruckt. doyer gegen die Todesstrafe sehen. In ihrer filmischen Dramaturgie ist die Oper durch- Und so konnte man mit dem Berliner Ro- aus modern, und mit dem teils kommen- bert Gilbert und dem Wiener Hermann tierenden, teils mitspielenden Chor knüpft Leopoldi ausrufen und sogar (auf die Me- Weill an seine deutschen Werke um 1930 an. lodie des Radetzky-Marsches) singen: „Da Die Konstellation ist ähnlich wie im Jasager, wär’s halt gut, wenn man Englisch könnt.“ nur dass dort rituelle Strenge herrscht, hier Das gleichnamige Chanson besingt die aber eher Empathie und Natürlichkeit ge- Erfahrungen der deutschsprachigen Exi- fragt sind. In der Marienkirche gelang das lanten in Amerika, die sich – zum Teil in mit den beiden Lenya-Preisträgern Analisa vorgerücktem Alter – gezwungen sahen, die Leaming und James Benjamin Rodgers in Fremdsprache Englisch neu zu lernen, und den Hauptrollen ganz ausgezeichnet. Danny auch künstlerisch nicht Fuß fassen konn- Costellos sparsame szenische Einrichtung ten. Die Chanson-Sängerin Anne Haent­ war ebenso anrührend wie effektiv. Souverän jens und ihr Klavierbegleiter Sven Selle, und feinsinnig führte James Holmes den von beide bereits Stammgäste beim Weill-Fest, Dorothea Köhler einstudierten Kammerchor nahmen sich dieser Problematik in ihrem „cantamus Halel“ und das aus jungen Stipen- Programm „Grenzenlos begrenzt sind diaten des Ensemble Modern bestehenden wir“ an. Im intimen Rahmen des Feinin- IEMA-Ensembles. (Das Ensemble modern, ger-Hauses präsentierten sie „Lieder über Artist-in-Residence des Jahres 2011, war Fremde und Heimat“ und entfalteten mit nicht nur mit seinem Nachwuchsprojekt vor Liedern, Gedichten und Kommentaren in Ort, sondern auch selbst wieder an mehre- gewohnt gründlicher Weise, was es heißt, ren Abenden aktiv.) in der Fremde heimisch zu werden, oder in der Heimat fremd. Und wenn es unter Sowohl das Eröffnungskonzert mit den Le- den vielen Namen von Weills Zeitgenossen, nya-Stipendiaten als auch das Programm die einem auf diesem Festival begegneten, „A Little Night Music“ mit der Sopranistin einen heimlichen Helden gibt, dann ist es Ute Gfrerer, der letztjährigen Artist-in- Robert Gilbert, der Texte für Hanns Eisler Residence, hatte Holmes darauf angelegt, und für die Comedian Harmonists schrieb, Weill im von ihm beschriebenen Kontext aus Deutschland fliehen musste, aus dem des amerikanischen Musicals zu zeigen, US-Exil wieder zurückkehrte – und dann das heißt: Ausgewählte Nummern aus den amerikanische Musicals übersetzte, so dass Werken seiner Vorgänger, Vorbilder, Riva- sie in Deutschland verstanden wurden. len und Nachfolger zu präsentieren. Beide Ein Hoch dem Übersetzer an dieser Stelle! Abende waren gut konzipiert und musi- Denn mit dem Gehirn an der Garderobe ziert, schön anzusehen und zu anzuhören, bleibt Broadway auf der Bühne bloß fal­ litten aber unter dem Manko mangelnder scher Glanz, der diejenigen bestätigt, die Verständlichkeit. Denn nur wenige deut- alles, was sich in irgendeiner Weise „Musi- sche Zuhörer verstehen auf Anhieb die cal“ nennt, sowieso gleich schlecht – oder Texte, vor allem die witzigen, schnellen, gut – finden. gereimten und von Wortspielen geprägten (wie auch umgekehrt für Ausländer die Von Leonard Bernsteins Westside Story

Dreigroschenheft 3/2013 39 T heater

Analisa Leaming beim Eröffnungskonzert mit der Nils Landgren in Aktion (Foto: Sebastian Gündel) Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz (Foto: Andreas Burckhardt)

wird keiner so recht behaupten wollen, sie schwunden sind, wie viel Arbeit die noch sei oberflächlich. Das Anhaltische Theater bestehenden Institutionen inzwischen in brachte – immerhin – seine Vorjahres-In- die Kinder- und Jugendarbeit investieren, szenierung dieses Musicals zum Weill-Fest dass aber die Hochschulen im Bundesland noch einmal auf die Bühne. Es war ein sehr „sich zu ausgesprochenen Magneten für den eindrucksvoller Abend durch die zupa- Zuzug junger Menschen entwickelt haben.“ ckende Intensität, mit der Daniel Carlberg Da scheint es also doch noch einen Gegen- die Anhaltische Philharmonie und das trend zu geben zu Bevölkerungsschwund Ensemble durch die Partitur führte, durch und Abwanderung, Rückbau von Städten die Authenzität, mit der ein Riesenensem- und Überalterung. Auf die stereotype Poli- ble aus Sängern, Tänzern, Schauspielern tiker-Frage „Können wir uns Kultur noch und Statisten wirbelte, durch Christian leisten?“ kann man also nur mit der Gegen- von Götz‘ Inszenierung und Raumkonzept, frage antworten: „Können wir uns leisten, Britta Bremers Bühne und Katja Schröpfers keine Kultur zu haben?“ Kostüme, die das Stück glaubwürdig in die Gegenwart holten. Man braucht, um seine Für das kommende 22. Weill-Fest 2014 gibt Aktualität zu spüren, nur an die inzwischen es bereits einen Arbeitstitel: Kurt Weill und periodisch auftretenden Jugendunruhen in die Medien. Im Vordergrund stehen sollen verschiedenen europäischen Ländern zu dabei Weills Arbeiten für das Radio. Ein denken. Eine besondere Erwähnung ver- Gastspiel der Staatsoperette Dresden mit dienen die drei Choreographen Carlos Ma- der deutschen Erstinszenierung von Weills tos, Klaus Figge und Matthew Bindley, die The Firebrand of Florence (vor Jahren schon quicklebendige Tanz- und atemberaubende einmal konzertant zu erleben) wird neues Kampfszenen auf die Bühne brachten. Licht auf den „amerikanischen Weill“ wer- fen. Gespannt sein darf man auch sein auf Einmal mehr zeigte das Anhaltische Theater, die Spielplanpolitik des Anhaltischen The- was es mit vereinten Kräften leisten kann. aters, das 2013 Richard Wagners Walküre Und so sieht man denn mit Schrecken, wie herausbringt und 2014 mit Rheingold den eine neue Welle von Sparmaßnahmen über Dessauer Ring des Nibelungen abrundet. Sachsen-Anhalt zu rollen droht – erst recht, Immerhin hat sich Weills Generation an nachdem der vom Land eingesetzte Kul- keinem Komponisten so gerieben wie an turkonvent in seinem Bericht gerade do- Wagner, und es wäre fast fahrlässig, diese kumentiert hat, wie viele Theater und Or- ambivalente Beziehungen nicht auch beim chester in den letzten 20 Jahren schon ver- Weill-Fest zu reflektieren. ¶

40 Dreigroschenheft 3/2013 Jedenfalls aber hätten Flugzeuge nicht die erforderliche Reichweite gehabt. Jan Knopf kommt in seiner aktuellen Biografie zu dem Ergebnis, dass die geschilderte Turmwacht Kleinig k eit zwar „ein authentisches Ereignis“ (S. 27) darstelle, aber auch französische Flieger hätten Augsburg damals noch nicht errei- chen können. Der nebenstehend abgedruckte Zeitungs- ausschnitt aus der in Augsburg erschie- nenen linkssozialdemokratischen Tages- zeitung Volkswille vom 18. Oktober 1919 zeigt, dass die Frage, ob und wie weit Flug- zeuge fliegen konnten, in der Tat ein heißes Thema war. Und wenn man den Angaben glauben darf, hat es bereits Ende Juli 1914, also unmittelbar vor der Kriegserklärung, den Versuch zu einem Flug Paris-Konstan- tinopel gegeben, der in Bayern wegen einer Panne abgebrochen werden musste. Eine Bemerkung zu Brechts „Turmwacht“-Artikel Derzeit ist in Wikipedia unter „Flugzeug von Nürnberg“ ein Artikel zu finden, der vom 8. August 1914 folgende Zeitungsnotiz aus dem „Welt- Blatt“ vom 4. August 1914 enthält: Von Michael Friedrichs

Brechts Talent zur Selbststilisierung ist früh entwickelt, als kritischer Leser will man ihm nicht auf den Leim gehen. So wird bezweifelt, ob die „Turmwacht“, über die Brecht in seinem frühesten Zeitungsarti- kel am 8. August 1914 in den Augsburger Neuesten Nachrichten zu berichten scheint, überhaupt stattgefunden habe. Jürgen Hil- lesheim: „Und es scheint zweifelhaft, ob Brecht selbst jemals nächtens auf dem Per- lachturm war oder der Werbetext nicht eher seiner literarischen Phantasie entsprang.“

 Nachwort, in: Jürgen Hillesheim, Bertolt Brecht, „Wie Demnach musste 1914 tatsächlich eine ich mir aus einem Roman gemerkt habe …“: Früheste Falschmeldung als Argument für die Dichtungen, Suhrkamp 2006, S. 224. – Es gibt aller- dings eine Zeitzeugenaussage, die Brechts Teilnah- Kriegserklärung gegen Frankreich herhal- me an der Turmwacht – 50 Jahre danach – bekundet: ten. Das Ereignis in Nürnberg könnte ein Mitschüler Johann Grandinger am 12.6.1967: „In Auslöser für die umgehende Bestellung von den ersten Kriegstagen mußte Brecht mit meinem Turmwächtern in Augsburg gewesen sein.¶ Vater zusammen auf dem Perlachturm nächtliche Fliegerwache halten.“ (Frisch/Obermeier, Brecht in Augsburg, Berlin: Aufbau, 1997, S. 85.)

Dreigroschenheft 3/2013 41 Kosmos Keuner erscheint sinnvoll, will man die Wirkungsweise des Herrn Keu- in der Suhrkamp ner besser nachvollziehen kön- R ezension BasisBibliothek nen. Der ausführliche Kommen- tarteil der Berliner Literaturwis- Von Christian Weiblen senschaftlerin Gesine Bey, der u. a. mit weiteren Hintergründen Suhrkamp BasisBibliothek 46, 217 Sei- zu den einzelnen Geschichten, ten, ISBN 978-3-518-18846-0, 6 € einer Zeittafel sowie einer Entste- hungs- und Rezeptionsgeschich- Nach der Dreigroschenoper gehören Die te aufwartet, ermöglicht es der Leserin/dem Geschichten vom Herrn Keuner zu dem am Leser, sich einen Überblick über die Keu- weitesten verbreiteten Werk Bertolt Brechts. ner-Forschung zu machen. So erfährt man Das „Oh!“, das Herr Keuner aufgrund der beispielsweise, dass Brecht für seine Kalen­ Feststellung eines Mannes, der ihm sagt, er dergeschichten (1949) 15 bereits veröffentli- habe sich gar nicht verändert, ausspricht, ist chte Keuner-Texte um 24 neue erweiterte, wohl einer der bekanntesten Ausrufe in der die er während des Exils in Skandinavien Literatur. Dabei ist das Erbleichen Keuners und in Amerika geschrieben hatte, womög- nur allzu verständlich, möchte er doch eines lich sogar noch in der Schweiz, kurz bevor gewiss nicht: sich festlegen (lassen). er wieder nach Deutschland zurückkehrte. Alle 39 nach und nach zu Lebzeiten Brechts Die zentrale Frage des Kommentars sowie veröffentlichten Keuner-Geschichten wur- der Forschung selbst ist jedoch diese: Wer den in seinen Versuchen (1930, 1932 und ist Herr Keuner und woher kommt er? Der 1953) sowie in den Kalendergeschichten Kommentar, der sich auf Brecht-Forsche- (1949) gedruckt. Mit 77 Geschichten stammt rinnen und Forscher bezieht, schlägt einige der Großteil in dieser 2012 im Suhrkamp Deutungsansätze vor. Schon in Fatzer (1929) Verlag erschienenen Ausgabe jedoch aus benennt Brecht die Figur ‚Koch‘ in ‚Keuner‘ dem Nachlass Brechts. Diese erst nach sei- um; bereits im Baal spricht ein ‚Keiner‘. Ne- nem Tod veröffentlichten Texte enthalten ben der Nähe zum griechischen Wort für ebenfalls überarbeitete frühere Geschichten, ‚Keiner‘ werden ebenfalls Anhaltspunkte an denen Brecht mit viel Bedacht Sätze um- dafür gegeben, dass ‚Keiner‘ in Verbindung gestellt oder auch nur einzelne Worte aus- zu der Ich-Ferne asiatischer Tradition ste- getauscht hat – oftmals mit weitreichenden hen könnte. Auch der Weg über Platon bis inhaltlichen Folgen. So gesehen versam- hin zur Solidarität ist denkbar. Brecht, der meln sich hier 117 verschiedene kleine Ge- Medienexperte, verwies selbst auf einen in schichten, Anekdoten, Denkbildern, Para- Augsburg lebenden Mann, einen gewissen beln, Aphorismen rund um Herrn Keuner ‚Josef K.‘. Ein Schelm, wer dabei an Kafka – mal erhellender als aufrüttelnd und mal denkt … Außerdem fällt die Nähe des Na- umgekehrt, mitunter gar komisch. mens Keuner zur augsburgischen Ausspra- Die Ausgabe, eine der heute eher seltenen che des Wortes ‚Keiner‘ auf. Es könnte sich Brecht-Publikationen des Suhrkamp-Ver- jedoch auch um den französischen Dichter lages, hat jedoch auch einen literaturwis- François Villon handeln, dessen Lebensge- senschaftlichen Gehalt. So helfen Anmer- schichte im Baal beschrieben wird. Oder ist kungen am Rand der Geschichten dabei, Herr Keuner am Ende, wie ebenfalls von ei- Namen, Daten und/oder veraltete Begriffe nigen Forschern angenommen, gar Brecht besser zu verstehen bzw. einordnen zu kön- höchstpersönlich? nen. Auch die dem Buch angefügte kleine Abgesehen von einigen Äußerlichkeiten ist Abhandlung über Brecht und den Gestus über Herrn Keuner wenig bis nichts mit

42 Dreigroschenheft 3/2013 letzter Bestimmtheit zu sagen. Sicher ist Einwurf zu Eisler nur, dass Brecht mit ihm eine Figur geschaf- fen hat, die irritiert – eine Spielwiese der Von Ulrich Fischer Perspektiven und Meinungen des Autoren. R ezension Für Brecht war Keuner eine „Gestalt des Dass sich eine Biografie über Hanns Eisler der Denkenden“, sein Gesicht bleibt abstrakt, herausragenden Bedeutung stellt, die dessen eine Maske. Und genau dadurch ist diese Freundschaft zu Bertolt Brecht hatte, ist auch für einen Rechtsanwalt, der normalerweise alles Figur zu einem distanzierten Denken fähig, besser weiß, eine selbstverständliche Grund- zu einem Denken, das das Potenzial besitzt, konstante jeder Auseinandersetzung mit Eisler. sich selbst und damit die Welt zu (ver-)än- So hält es auch das 2012 in der Edition Elke dern. Insgesamt eignet sich diese Ausga- Heidenreich bei C. Bertelsmann erschienene be somit gut für eine erste grundlegende Werk von Friederike Wißmann, Hanns Eisler, Beschäftigung mit dem Kosmos ‚Keuner‘, Komponist. Weltbürger. Revolutionär (Mün- sei es aus wissenschaftlichem Anreiz oder chen, ISBN 978-3-570-58029-5). Wenn dann reinem Lesevergnügen.¶ allerdings daraus eine Brille wird, die Wahrneh- mungen für Anderes und Andere nicht zulässt Christian Weiblen studiert „Ethik der Text- oder verzerrt, wird es ärgerlich. Und das ist es, kulturen“ in Augsburg und ist Mitglied beim wenn auf Seite 91 die frühe Zusammenarbeit Theaterensemble Bluespots Productions. Brechts mit Weill in einem Halbsatz dahinge- [email protected] hend zusammengefasst wird, dass Brecht „in der Regel Kurt Weill mit der Komposition seiner Bühnenmusiken betraut“ habe. Man reibt sich die Augen: Bühnenmusiken? Seiner Bühnenmu- Das schönste siken? Ja, Bühnenmusiken hat Kurt Weill auch geschrieben, aber nicht für Bertolt Brecht. Doch: Brechtbuch Wie man es dreht und wendet, die „Dreigro- der aktuellen schenoper“ ist nun einmal ebenso wie „Happy End“ ein Schauspiel mit Bühnenmusik, von dem Kollektion „Lindberghflug“, dem „Mahagonny Songspiel“, dem „Jasager“ und dem „Aufstieg und Fall der Auf Anregung von Stadt Mahagonny“ ganz zu schweigen. Ärgerlich Kurt Idrizovic, Brecht- ist auch, wenn im gleichen Zusammenhang shop in Augsburg, behauptet wird, „Zwistigkeiten“, was immer das setzte Prof. Mike Loos Designstudierende sein mag, hätten die Produktion des Songspiels auf Keuner-Geschichten an: 16 Künstler, je Mahagonny von Brecht und Weill begleitet und 1 Grafik und 1 Geschichte, ergibt 48 Seiten. deshalb habe sich Brecht mit der „Mutter“ ab- gelenkt. War es doch in Wirklichkeit so, dass es In exzellentem Buchdesign. Dirk Heißerer erst im Zusammenhang mit der „großen Oper“ jubelte spontan: „Das schönste Buch von „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ zu allen!“ Und in der Tat: Es erhielt Mitte Mai den „Zwistigkeiten“ kam, also 5 Jahre später. eine Auszeichnung des hochkarätigen Art Während dies alles unverzeihlich ärgerlich ist, Directors Club in der Kategorie „Illustra- kann man vielleicht noch hinnehmen, dass tion“, Juryvorsitz Jean-Remy von Matt. Die es Frau Wißmann nicht für nötig hält, auf die Illustrationen beeindrucken ebenso in ihrer Gewerke Brecht hinzuweisen, die sowohl von grafischen Qualität wie in der Selbststän- Eisler, als auch von Weill vertont worden sind. digkeit und Kühnheit ihres Denkansatzes. Schade ist es und auch nicht ganz redlich, müs- Eine Augenweide und Lesefreude. (mf)¶ sen sich doch beide Komponisten nicht vorei- nander verstecken.¶ Zu bestellen bei: Brechtshop Augsburg, Ulrich Fischer ist Fachanwalt für Arbeitsrecht [email protected], Preis 8 € in Frankfurt/Main

Dreigroschenheft 3/2013 43 Neu in der Bibliothek des Bertolt-Brecht-Archivs Zeitraum: 29. November 2012 bis 30. Mai 2013 (Auswahl) Zusammenstellung: Helgrid Streidt

Kontaktadresse: Dr. Erdmut Wizisla – Archivleiter ([email protected]) A rchiv Bertolt-Brecht- Akademie der Künste Iliane Thiemann – Handschriftenbereich, Helene- Bertolt-Brecht-Archiv Weigel-Archiv, Theaterdokumentation Chausseestraße 125 ([email protected]) 10115 Berlin Anett Schubotz – Sekretariat, audiovisuelle Telefon . (030) 200 57 18 00 Medien, Fotoarchiv ([email protected]) Fax . (030) 200 57 18 33 Helgrid Streidt – Bibliothek ([email protected]) E-Mail . [email protected] Elke Pfeil – Brecht-Weigel-Gedenkstätte, Anna- Seghers-Gedenkstätte, Benutzerservice Akademie der Künste Archiv ([email protected])

BBA A 4567 Enthält Faksimiledruck „An die Tänzerin BBA A 4538 Antoni, Carmen-Maja: Leistikow!“ Dieckmann, Friedrich: Saint-Just oder Im Leben gibt es keine Proben / Carmen- l’esprit de la révolution : Beim Wiederfin- Maja Antoni ; Brigitte Biermann. – 1., BBA A 4568 den alter Papiere / Friedrich Dieckmann neue Ausg. – Berlin : Das Neue Berlin, Brecht, Bertolt: In: Der Einzelne und das Ganze / Adolf 2013. – 255 S. : mit Bildteil, 210 mm × 125 Det gode mennesket fra Sezuan / Bertolt Dresen. Hrsg. von Friedrich Dieckmann. mm Brecht. Omsetjing til norsk: Øyvind Berg. – Berlin, 2012. – Theater der Zeit : Re- ISBN 978-3-360-02155-7 – ISBN 3-360- – Oslo : Gyldendal, 2012. – 235 S. cherchen ; 93. – S. 117–127 02155-X ISBN 82-05-32729-7 – ISBN 978-82-05- 32729-0 BBA B 30 (2012/9) BBA A 821 (37) Elkin, Susan: Übungen in epischem Thea­ The B-Effect : influences of, on Brecht = BBA A 4569 ter / Early exercises in epic theatre : Von Der B-Effekt : Einflüsse von, auf Brecht / Brecht, Bertolt: Brecht über Shakespeare bis Nick Cave: ed.: Friedemann J. Weidauer. – Madison, La Judith de Shimoda : según una obra de das National Youth Theatre / From Brecht Wis. : Univ. of Wisconsin Press, 2012. – X, Yamamoto Yuzo / Bertolt Brecht. En co- via Shakespeare to Nick Cave: The Na- 283 S. : Ill. – (The Brecht yearbook ; 37) lab. con Hella Wuolijoki. Reconstrucción tional Youth Theatre / Susan Elkin ISBN 978-0-9851956-0-1 – ISBN 0- de una puesta en escena de Hans Peter In: Theater der Zeit. – 67(2012)9, Spezial 9851956-0-6 Neureuter. Trad. del alemán por Carlos London, S. 46–47 : Ill. Fortea. – Madrid : Alianza Ed., 2010. – BBA A 821 (37) 198 S. : 24 cm. – (Alianza literaria) BBA A 4547 Baker, K. Scott: Brecht’s courtrooms and ISBN 978-84-206-6878-9 Emslie, Barry: the epic theater / K. Scott Baker Narrative and truth : an ethical and dy- In: The B-Effect. – Madison, Wis., 2012. BBA A 4576 namic paradigm for the humanities / st – S. 5–22 Brecht, Bertolt: Barry Emslie. – 1 publ. – New York : Pal- The resistible rise of Arturo Ui / Bertolt grave Macmillan, 2012. – 247 S. : 23 cm BBA A 821 (37) Brecht ; English transl. by Jennifer Wise. ISBN 978-1-137-27544-8 – ISBN 1-137- Bettray, Ute: Bertolt Brecht as the ideal – London : Methuen Drama, cop. 2013. – 27544-8 reader of Ingeborg Bachmanns „Die ge- xii, 88 p. : 20 cm Darin: stundete Zeit“ (1953) / Ute Bettray ISBN 978-1-4081-7993-2 Chapter 6 : realism : Brecht, sport, the bi- In: The B-Effect. – Madison, Wis., 2012. ble, Lenin, conspiracy theories, S. 151– – S. 229–250 BBA A 4561 183 Enth. Faksimiledruck „Ginge da ein Dessau, Maxim: In den Lesebüchern / Wind“ (BBA 153/1) Maxim Dessau BBA A 4561 In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- Faßhauer, Tobias: Die Kunst der falschen BBA A 821 (37) gau, 2013. – S. 373–392 Noten : zur Technik der tonalen Schich- Boer, Jacobien de: To the dancer Leis- tung bei Darius Milhaud und Kurt Weill / tikow! : a lost poem of Bert Brecht / Jaco- BBA B 30 (2012/9) Tobias Fasshauer bien de Boer with a transl. by Taylor Dieckmann, Friedrich: „Anmut sparet In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- Stoehr nicht noch Mühe“ : Hanns Eislers geden- gau, 2013. – S. 335–371 : Notenbeisp. In: The B-Effect. – Madison, Wis., 2012. kend / von Friedrich Dieckmann – S. 85–94 In: Theater der Zeit. – 67(2012)9, S. 56– 57 : Ill.

44 Dreigroschenheft 3/2013 BBA B 30 (2012/11) ISBN 978-3-901770-32-6 – ISBN 978-3- BBA A 4525 Feller, Elisabeth: Zürich : und der Hai- 89472-816-8 Heyer, Andreas: Der erste Streit um fisch, der hat Tränen / Elisabeth Feller Darin: Brecht in der SBZ/DDR : Fritz Erpenbeck In: Theater der Zeit. – 67(2012)11, S. 56 : Eisenschitz, Bernard: Briefe von Bertolt gegen Wolfgang Harich / Andreas Heyer Ill. Brecht an Fritz Lang. – S. 58–61 In: Wolfgang Harichs politische Philoso- Schauspielhaus: „Die heilige Johanna der Hangmen Also Die! [Auszug aus einem phie / Andreas Heyer (Hrsg.). – Ham- Schlachthöfe“ von Bertolt Brecht; Regie Gespräch mit Lang aus: Peter Bogdano­ burg, 2012. – Utopie und Alternative ; 5. Sebastian Baumgarten vich, Fritz Lang in America, London 1967 – S. 55–69 und Kritik aus: New York Post, 16. April

BBA A 4561 1943.] S. 149–151 : Ill. BBA A 4542 (2011/2) A rchiv Bertolt-Brecht- Feuchtner, Bernd: Not, List und Lust : Hillesheim, Jürgen: „Ja, die Liebe hat Strawinsky und Schostakowitsch – Paral- BBA A 4560 bunte Flügel ...“ : der „Liebestod“ der Car- lelen in der Verfremdung / Bernd Feucht- Gebert, Konstanty: men in einer Ballade Bertolt Brechts / von ner Un secolo in dieci giorni : dieci eventi me- Jürgen Hillesheim In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- morabili del Novecento Europeo / Kon- In: Wirkendes Wort. – Trier. 6 (2011),2, S. gau, 2013. – S. 187–196 stanty Gebert. – Milano : Feltrinelli, 2011. 247–257 – 300 S. : Ill., 22 cm. – (Storie Feltrinelli) BBA A 821 (37) ISBN 978-88-07-11113-6 BBA A 4561 Fischer, Gerhard: Verfremdung als litera- Darin: Hillesheim, Jürgen: Von „ewiger Wieder- risch-ästhetische Kategorie in der erzäh- Berlino, 31 agosto 1928 : un mondo da tre kehr“ und Fortschrittsillusionen : Orche- lenden Prosa Brechts / Gerhard Fischer soldi S. 69–97 : Ill. strion und Trommel im Werk Bertolt In: The B-Effect. – Madison, Wis., 2012. Brechts / Jürgen Hillesheim – S. 179–187 BBA A 4482 In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- Gewalt und Gerechtigkeit : auf den gau, 2013. – S. 223–243 BBA A 4561 Schlachthöfen der Geschichte: Jeanne Fischer, Jens Malte: „Bedürfnis nach Ver- d’Arc und ihre modernen Gefährtinnen BBA A 4482 fremdung“ : Anmerkungen zu Gustav bei Bertolt Brecht, Anna Seghers, Sarah Hilzinger, Sonja: Gegen die Besatzer im Mahler / Jens Malte Fischer Kane und Stieg Larsson / hrsg. von Sonja eigenen Land: Ein Beispiel für antifaschi- In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- Hilzinger. – 1. Aufl. – Berlin : Matthes & stischen Patriotismus : Anna Seghers’ gau, 2013. – S. 179–186 Seitz, 2012. – 180 S. – (Blaue Reihe Wis- Hörspiel „Der Prozeß der Jeanne d’Arc zu senschaft ; 16) Rouen 1431“ / Sonja Hilzinger BBA A 4573 ISBN 978-3-88221-991-3 In: Gewalt und Gerechtigkeit. – Berlin, Franzen-Remmert, Margrit: 2012. – S. 53–64 Märchen von Bertolt Brecht / Linol- BBA A 821 (37) schnitte: Margrit Franzen-Remmert. – Geyer, Stefan: „Brecht‘s Deputy on earth“ : BBA B 30 (2012/10) Aachen : Shaker Media, 2013. – [20] S. : Wolfgang Jeske in memoriam / Stefan Hladek, Marcus: Marburg : Die Frau un- überw. Ill., 205 mm × 205 mm Geyer. Transl. by Marc Silberman term Galgen. „Die Dreigroschenoper“ ISBN 978-3-86858-971-9 In: The B-Effect. – Madison, Wis., 2012. von Bertolt Brecht; Regie Matthias Faltz / – S. 1–3 Marcus Hladek BBA A 821 (37) In: Theater der Zeit. – 67(2012)10, S. 41 : Freeman Loftis, Sonya: Restructuring BBA A 4561 Ill. Marlowe : images of the body in Brecht‘s Görner, Rüdiger: „Fremdklänge oder: “Edward II” / Sonya Freeman Loftis Neues vom verlorenen Subjekt“ : Kurso- BBA A 4574 In: The B-Effect. – Madison, Wis., 2012. rische Annäherungen an die Verfrem- Hoff, Dagmar von: – S. 25–41 dung als musik-ästhetische Kategorie / Poetiken des Auf- und Umbruchs / Dag- Rüdiger Görner mar von Hoff . .. (Hg.). – Frankfurt, M. : BBA B 30 (2012/9) In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- Lang-Ed., 2013. – 137 S. – (LiteraturFilm ; Friedrich, Detlef: Brechts Landsmann : gau, 2013. – S. 273–283 6) zum Tod des Theaterwissenschaftlers ISBN 978-3-631-63827-9 – ISBN 3-631- und Kritikers Ernst Schumacher / Detlef BBA A 4561 63827-2 Friedrich Grosch, Nils: “That‘s the alienation ef- In: Theater der Zeit. – 67(2012)9, S. 97 : fect” : Verfremdung und Song im “Con- BBA A 4561 Ill. cept Musical” / Nils Grosch Ichikawa, Akira: Brecht und Japan : der In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- Weg zum epischen Theater / Akira Ichi- BBA B 1105 gau, 2013. – S. 317–333 kawa Fritz Lang : eine Retrospektive der Vien- In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- nale und des Österreichischen Filmmuse- BBA A 4482 gau, 2013. – S. 243–262 : Ill. ums 18. Oktober bis 29. November 2012 / Heeg, Günther: Sarah Kane: Zerbombt : eine Publikation der Viennale unser Krieg / Günther Heeg BBA A 289 (2013/2) hrsg. von Astrid Johanna Ofner ; [Text- In: Gewalt und Gerechtigkeit. – Berlin, Jansen, Elmar: „Seelenverwandtschaft, auswahl Astrid Johanna Ofner, Stefan 2012. – S. 93–98 eine bleibende“ : ein etwas anderer Blick Flach. Red., Layout Claudia Siefen]. – auf das Barlach-Theater und die Suhr- Wien : Viennale, 2012. – 206 S. kamp-Kultur / Elmar Jansen : Ill., 27 cm

Dreigroschenheft 3/2013 45 In: Sinn und Form / hrsg. von der Akade- In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- Arbeit am Theater : eine Diskursgeschich- mie der Künste zu Berlin. – Berlin. – gau, 2013. – S. 13–32 te der Probe / Annemarie Matzke. – Biele- 65(2013)2, S. [267]–271 feld : Transcript, 2012. – 309 S. : Ill., 225 BBA A 4482 mm × 148 mm, 513 g. – (Theater ; 48) BBA A 821 (37) Kratzmeier, Denise: Auf dem Schlacht- Zugl.: Berlin, Freie Univ., Habil.-Schr. Jovanovic, Nenad: Estranging the post- feld der Historiographie : „Die Judith von ISBN 978-3-8376-2045-0 modern : the Brechtian resonances in Shimoda“ als Entwurf einer japanischen Darin: Lars von Trier / Nenad Jovanovic Johanna / Denise Kratzmeier Proben/Modelle : Bertolt Brechts Katz- In: The B-Effect. – Madison, Wis., 2012. In: Gewalt und Gerechtigkeit. – Berlin, graben-Notate. – S. 175–184

A rchiv Bertolt-Brecht- – S. 65–82 2012. – S. 127–136 BBA A 4482 BBA A 4571 BBA B 30 (2013/1) Meyer-Gosau, Frauke: Die unheilige Lis- Keßler, Mario: Krüger, Peter: Und dann kamen die beth des virtuellen Zeitalters oder: die Ruth Fischer : ein Leben mit und gegen Kriege : über ein Brecht-Projekt in In- heilige Johanna hat dazugelernt / Frauke Kommunisten ; (1895–1961) / Mario guschetien. Ein Tagebuch / Peter Krüger Meyer-Gosau Keßler. – Köln [u.a.] : Böhlau, 2013. – 759 In: Theater der Zeit. – 68(2013)1, S. 32– In: Gewalt und Gerechtigkeit. – Berlin, S. – (Zeithistorische Studien ; 51) 34 : Ill. 2012. – S. 114–123 ISBN 978-3-412-21014-4 BBA A 4550 BBA B 1094 (2011,4) BBA A 4559 Leigh-Ann Pahapill – likewise, as techni- Müller, Gerhard: Intellekt- und Intelli- Kittstein, Ulrich: cal experts, but not (at all) by way of cul- genzbestien : Bertolt Brecht und andere Das lyrische Werk Bertolt Brechts / Ul- ture : Cornell Fine Arts Museum, January Exilschriftsteller gegen Goebbels’ rich Kittstein. – Stuttgart [u.a.] : Metzler, 28 – April 8, 2012 / essays by David Court Schmähwort / von Gerhard Müller 2012. – V, 378 S. & Lisa Zaher. – Winter Park, Fla., 2012. In: Sprachreport. – Mannheim. – 27. ISBN 978-3-476-02451-0 – ISBN 3-476- – [12] Bl. : Ill. 2011, 4, S. 25–31 02451-2 BBA A 4575.4 BBA B 441 (2012/8-9) BBA A 4561 Leo, Annette: Müller-Schöll, Nikolaus: Die Gesetze des Knopf, Jan: Berlin ist ‘ne ziemliche Stadt : Erwin Strittmatter : die Biographie / gemeinsamen Erscheinens : Ist das heu- Essay über einen Beitrag Bertolt Brechts Annette Leo. – 4. Aufl. – Berlin : Aufbau- tige Theater unpolitisch? Ein Sammel- zur technifizierten Musik in den Golden Verl., 2012. – 447 S. : Ill. band legt nahe, das Verhältnis von Thea- Twenties / Jan Knopf ISBN 3-351-03395-8 – ISBN 978-3-351- ter und Politik neu zu denken und greift In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- 03395-8 dabei das politische Denken aus Frank- gau, 2013. – S. 211–222 reich auf / von Nikolaus Müller-Schöll BBA B 30 (2012/12) In: Theater heute. – 53(2012)8-9, S. 38– BBA B 278 (62) Linzer, Martin: Die Kämpferin : zum Tod 41 : Ill. Koch, Gerd: [Zu] : Werner Hecht (2012): von Käthe Reichel / von Martin Linzer [Zu] Jan Deck, Angelika Sieburg (Hg.): Kleine Brecht-Chronik. Basiswissen über In: Theater der Zeit. – 67(2012)12, S. 44– Politisch Theater machen. Neue Artikula- sein Leben und Werk. Hamburg. 288 S. / 45 : Ill. tionsformen des Politischen in den dar- Gerd Koch stellenden Künsten. Bielefeld 2011 In: Zeitschrift für Theaterpädagogik. – BBA A 4561 Uckerland, 2013. – 29(2013)62, S. 69–70 Lucchesi, Joachim: „Verachtet mir die BBA A 4553 Meister nicht“ : Brechts Wagner / Joachim Negri, Antonio: BBA A 4561 Lucchesi Trilogy of resistance / Antonio Negri. Koch, Gerhard R.: Nur der Bruch recht- In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- Transl. by Timothy S. Murphy. Afterword fertigt das Ganze : Anmerkungen zum gau, 2013. – S. 169–178 by Barbara Nicolier. – Minneapolis : Univ. Denkmal Brecht / Gerhard R. Koch y of Minnesota Press, c 2011. – XXVIII, In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- BBA A 4561 126 S. : 22 cm gau, 2013. – S. 263–272 Mančal, Josef: Der Fall Mozart : Verfrem- ISBN 978-0-8166-7293-6 – ISBN 0-8166- dung eines historischen Entfremdungs- 7293-8 – ISBN BBA A 821 (37) vorgangs zur Rekonstruktion historischer 978-0-8166-7294-3 – ISBN 0-8166-7294- Koutsourakis, Angelos: Specters of Brecht Verfremdungsformen / Josef Mančal 6 in “Dogme 95” : are Brecht and realism In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- Darin: necessarily antithetical? / Angelos Kout- gau, 2013. – S. 61–149 [Murphy, Timothy S.]: Translator‘s intro- sourakis duction : pedagogy of the multitude. In: The B-Effect. – Madison, Wis., 2012. BBA A 4561 In: Trilogy of resistance. – S. IX–XXVII – S. 43–62 Mančal, Josef: Verfremdung : Hinweise zu einer Kategorie / Josef Mančal BBA A 4561 BBA A 4561 In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- Nieder, Christoph: „Eine Oper kann man Krabiel, Klaus-Dieter: Verfremdungen in gau, 2013. – S. 33–60 nur für die Oper machen.“ : Verfremdung der Musik? : Mutmaßungen über den Ur- und Tradition im Musiktheater / Chri- sprung eines Begriffs / Klaus-Dieter Kra- BBA A 4544 stoph Nieder biel Matzke, Annemarie M.: In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- gau, 2013. – S. 151–168

46 Dreigroschenheft 3/2013 BBA A 4482 BBA A 4562 BBA B 1106 Nitschmann, Till: Das Theater der Ver- Rokem, Freddie: Schröder, Till: sehrten bei Bertolt Brecht : „Die heilige Philosophers and thespians : thinking Frans Haacken : Zeichner zwischen 3 Johanna der Schlachthöfe“ und weitere performance / Freddie Rokem. – Stan- Welten ; eine bibliographische Expedition Stücke als Experimentierfelder ästhe- ford, CA : Stanford Univ. Press, 2010. – in Buch, Film, und Graphik des Künstlers tischer Körperversehrung / Till Nitsch- XII, 227 S. : Ill. – (Cultural memory in the Frans Haacken / Till Schröder. – Berlin : mann present) Gretanton, 2012. – 233 S. : zahlr. Ill., 30 In: Gewalt und Gerechtigkeit. – Berlin, ISBN 978-0-8047-6349-3 – ISBN 978-0- cm + 1 Beil. – (Berliner Bibliophilen- 2012. – S. 137–149 8047-6350-9 Abend: Jahresgabe ; 2012)

Darin: ISBN 978-3-00-040470-2 A rchiv Bertolt-Brecht- BBA B 441 (2013/5) Rokem, Freddie: Walter Benjamin and Exemplar-Nr. 135/300 Rakow, Christian: Lasset uns beten : Bertolt Brecht discuss Franz Kafka : exilic Darin: Brecht „Leben des Galilei“, Dresden journeys / Freddie Rokem. – S. [118]– Brecht und Bilderbuch S. 25, 28–35, 38– Schauspielhaus / Christian Rakow 137 43, 46–49 : Ill. In: Theater heute. – 54(2013)5, S. 59 : Ill. An instructive automobile accident : re- BBA A 4482 BBA B 30 (2012/12) construction of an automobile accident Schumacher, Julia: Kleines Organon für Raddatz, Frank: Weiß im Gesicht / Frank involving the writer Brecht / with photos das Fernsehen : Egon Monk als Erbe Raddatz In: Theater der Zeit. – 67(2012)12, by A. Stöcker – S. [162–163] Brechts / Julia Schumacher / Andreas S. 75 Stuhlmann [Zu] Jan Knopf: Bertolt Brecht. Lebens- An instructive automobile accident / In: Gewalt und Gerechtigkeit. – Berlin, kunst in finsteren Zeiten. Hanser Verlag, Translated by Russell Bucher – S. 164– 2012. – S. 162–176 München 2012 165 BBA A 821 (37) BBA A 4482 BBA A 4543 Setje-Eilers, Margaret: Performance and Rector, Martin: Die Gewaltfrage als Intel- Rümmler, Artur: Der anachronistische photography : conversations with Vera lektuellenproblem : Anmerkungen zu Zug oder Freiheit und Security : (Bertolt Tenschert and Margarita Broich / Marga- Brechts „Heiliger Johanna der Schlacht- Brecht in memoriam) / Artur Rümmler ret Setje-Eilers. höfe“ / Martin Rector In: Herzfaust / Rümmler, Artur. – Mün- In: The B-Effect. – Madison, Wis., 2012. In: Gewalt und Gerechtigkeit. – Berlin, ster, 2011. – S. 28–34 – S. 133–160 : Ill. 2012. – S. 37–52 BBA A 4561 BBA A 4566 BBA A 4570 Scheinhammer-Schmid, Ulrich: „Der Shakespeare, William: Reichel, Käthe: Kino rückt vor, er ist stärker als alle Iso- Coriolanus / [William Shakespeare]. Ed. Dämmerstunde : Erzähltes aus der Kind- lierbaracken !“ : die Geburt von Brechts by Peter Holland. – 1. publ. – London : heit / Käthe Reichel. – Berlin : Neues Le- Musikbegriff aus den Klängen der Arden Shakespeare, 2013. – XXVIII, 503 ben, 2011. – 191 S. : 19 cm Stummfilmzeit / Ulrich Scheinhammer- S. : Ill. – (Shakespeare, William: [The Ar- ISBN 978-3-355-01791-6 Schmid den Shakespeare / 3] ; [46]) In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- ISBN 978-1-904271-27-7 – ISBN 978-1- BBA A 4572 gau, 2013. – S. 197–210 904271-28-4 - Riethmüller, Carina: ISBN 978-1-408-13913-4 Der Pädagoge als Künstler : John Deweys BBA A 4482 Darin: pragmatistische Ästhetik und ihre päda- Schnabel, Stefan: Hölle – Fegefeuer – Pa- Coriolanus rethought: Brecht, Osborne, gogischen Potenziale / Carina Riethmül- radies : Notizen zu Sarah Kanes „Zer- Grass S. 120–141 ler. – Hamburg : Diplomica-Verl., 2012. – bombt“ in der Regie von Volker Lösch / 107 S. Stefan Schnabel BBA A 821 (37) Zugl.: Köln, Univ., Diplomarbeit, 2010 In: Gewalt und Gerechtigkeit. – Berlin, Slevogt, Esther: Ritterschlag mit dem Da- ISBN 978-3-8428-8647-6 – ISBN 3-8428- 2012. – S. 85–92 moklesschwert : Egon Monk und Bertolt 8647-0 Brecht, 1949-1953 / Esther Slevogt Darin: BBA A 4561 In: The B-Effect. – Madison, Wis., 2012. 3. Die praktische Anwendung: Brechts Schnitzler, Günter: Brecht und Weill / – S. 163–177 „Dreigroschenoper“ im Spiegel der Günter Schnitzler Dewey’schen Ästhetikkonzeption S. 58– In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- BBA A 4561 91 gau, 2013. – S. 285–316 Stegmann, Vera: Musikalische Verfrem- dungen bei Thomas Bernhard und Ber- BBA A 4561 BBA A 4482 tolt Brecht / Vera Stegmann Ritter, Hans Martin: Schwesterliche Zu- Schott, Hans-Joachim: Die Lust am Tra- In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- neigung – schwesterliches Fremdeln : gischen : Brechts Rezeption der Philoso- gau, 2013. – S. 435–454 Theater und Musik und das Moment der phie Nietzsches am Beispiel von „Trom- Verfremdung: Eine Spurensuche mit meln in der Nacht“ / Hans-Joachim BBA A 4574 Blick auf aktuelle Aufführungen / Hans Schott Stephan, Inge: Spuren-Suche : Medea als Martin Ritter In: Gewalt und Gerechtigkeit. – Berlin, deutsch-jüdische Erinnerungsfigur vor In: Verfremdungen – Freiburg im Breis- 2012. – S. 150–161 und nach 1945 / Inge Stephan gau, 2013. – S. 393–433

Dreigroschenheft 3/2013 47 In: Poetiken des Auf- und Umbruchs. – BBA B 278 (62) BBA A 4561 Frankfurt, M., 2013. – S. 35–51 Vaßen, Florian: Brecht – der „Probenlei- Verfremdungen : ein Phänomen Bertolt ter“ : Überlegungen zu “Probe” und Brechts in der Musik / Jürgen Hillesheim BBA A 821 (37) “Schauspielkunst” / Florian Vaßen (Hg.). – 1. Aufl. – Freiburg im Breisgau : Streisand, Marianne: „Sei stille, mein In: Zeitschrift für Theaterpädagogik. – Rombach, 2013. – 426 S. : 228 mm × 154 Herz, dieses Asien hat ein Loch, durch Uckerland, 2013. – 29(2013)62, S. 7–9 : mm. – (Rombach Wissenschaft ; 101) das man hindurchkriechen kann“ : die Ill. ISBN 978-3-7930-9718-1 Entdeckung der Massen in Brechts „Mann ist Mann“ / Marianne Streisand BBA A 4482 BBA A 4482

A rchiv Bertolt-Brecht- In: The B-Effect. – Madison, Wis., 2012. Vaßen, Florian: „Einverstanden sein heißt Vogt, Jochen: Der Millenium Coup : drei – S. 215–227 auch: nicht einverstanden sein“ : Gewalt- Spekulationen über Lisbeth Salander und strukturen in Brechts Lehrstück-Texten den Welterfolg von Stieg Larssons Krimi- BBA A 4482 und in Lehrstück-Spielprozessen / Flori- Trilogie / Jochen Vogt Tabert, Nils: „Lebende Tote, tote Leben- an Vaßen In: Gewalt und Gerechtigkeit. – Berlin, de“ : zur Entstehungsgeschichte und Ent- In: Gewalt und Gerechtigkeit. – Berlin, 2012. – S. 99–113 wicklung der Stücke von Sarah Kane / 2012. – S. 19–36 Nils Tabert BBA A 4577 In: Gewalt und Gerechtigkeit. – Berlin, BBA A 821 (37) Wekwerth, Manfred: 2012. – S. 77–84 Vaßen, Florian: „Jeder sollte sich von sich Daring to play : a Brecht companion / by selbst entfernen“ : Fremdheit und Ver- Manfred Wekwerth. Ed. with an intro- BBA B 30 (2013/2) fremdung bei Bertolt Brecht / Florian duction by Anthony Hozier. Transl. by Teschke, Holger: Lieber Brecht, bitte um Vaßen Rebecca Braun. – London [u.a.] Antwort! : [Zu] Bertolt Brecht und Hele- In: The B-Effect. – Madison, Wis., 2012. : Routledge, 2011. – XIX, 240 S. : Ill. ne Weigel: Briefe 1923-1956. „ich lerne: – S. 189–213 ISBN 978-0-415-56968-2 – ISBN 978-0- gläser + tassen spülen“, hg. von Erdmut 415-56969-9 – ISBN 978-0-203-81471-0 Wizisla. Suhrkamp, Berlin 2012 /Holger Teschke In: Theater der Zeit. – 68(2013)2, S. 68 : Ill.

Der vielseitige Augsburger Schauspieler Klaus Müller (siehe seinen Beitrag in diesem Heft zu Coué) hat einige Zeichnungen auf Facebook zugänglich gemacht, darunter diese. Viel Ehre für das Dreigroschenheft! (Für Nichtaugsburgkenner: Der Hauseingang mit Kanalbrücke ähnelt verblüffend dem Eingang ins Brechthaus.)

48 Dreigroschenheft 3/2013 Brechtshop_Anzeige-3GH 12.01.2010 11:48 Uhr Seite 1 Brecht Shop FÓR3IEIM3TADTRAT

„Das Denken gehört zu den größten Vergnügungen der menschlichen Rasse.“ _NDERE Bertolt Brecht DIE7ELT SIE Hier erhalten Sie alle lieferbaren Bücher, CDs, DVDs, Hörbücher und die berühmte BRAUCHTES"ERTOLT"RECHT Spieluhr zur Dreigroschenoper. 30$ 3TADTRATSFRAKTION!UGSBURG 2ATHAUS!UGSBURG4EL  &AX  Brecht Shop · Obstmarkt 11 · 86152 Augsburg · Telefon (0821) 518804 www.brechtshop.de · E-Mail: [email protected] INFO SPD FRAKTION AUGSBURGDEWWWSPD FRAKTION AUGSBURGDE

Anz_Brecht_SPD_A5.indd 1 12.03.2009 9:34:14 Uhr www.sska.de Dreigroschenheft Informationen zu Bertolt Brecht

Einzelheft 20. Jahrgang 3,– Euro Heft 3/2013

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