FAKULTÄT BAUINGENIEURWESEN Institut für Massivbau www.dbbs.tu-dresden.de

13 Herzlich willkommen zum 26. Dresdner Brückenbausymposium

15 Außer Konkurrenz

23 Realisierungswettbewerb zum Ersatzneubau der Eisenbahn überführungen über die Oder und die Odervorflut bei Küstrin-Kietz

37 Zur Gestaltung von Brücken der Bundesfernstraßen – Die Suche nach der besten Lösung

47 Search for the true structural solution

67 Der Ersatzneubau der Lahntalbrücke Limburg

85 Wirtschaftliche Selbstkletterschalung für Europas aktuell größtes Brückenbauprojekt „Hochmoselbrücke

103 Verstärkung von Brücken mit externer Vorspannung – Einsatzbereiche und Randbedingungen

119 Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus

153 Gestaltungskonzept für die Brückenbauwerke im Zuge der BAB A 3 zwischen AK Biebelried und AK Fürth/Erlangen

165 Reparatur der Autobahnbrücke über die Süderelbbrücke nach schwerem Schiffsanprall – Nachrechnung, Planung, Ausführung, Analyse

177 Langzeitverhalten von geokunststoffbewehrten Stützkonstruktionen – zukünftig eine Standardbauweise auch für Brückenwiderlager?

193 Die Herausforderungen und Möglichkeiten einer umfassenden Grundlagenanalyse am Beispiel des Hovenringes in Eindhoven (NL)

211 Die Butterfly-Bridge in Kopenhagen

221 Militärischer Einfluss auf Konstruktion und Architektur von Eisenbahnbrücken im Deutschen Reich

235 Verstärken mit Carbonbeton im Brückenbau 249 Zur Anwendung von Szenario-Spektren 26. DRESDNER beim seismischen Nachweis von Brücken

263 Brücken bauen mit Eisenbeton – Gedanken zum denkmalgerechten Umgang BRÜCKENBAUSYMPOSIUM

273 Brückenbauexkursion 2015 – Infrastrukturprojekte in Tschechien, Österreich und Deutschland

283 Chronik des Brückenbaus PLANUNG, BAUAUSFÜHRUNG, INSTANDSETZUNG

311 Inserentenverzeichnis UND ERTÜCHTIGUNG VON BRÜCKEN

ISSN 1613-1169

26. DRESDNER BRÜCKENBAUSYMPOSIUM 14./15. MÄRZ 2016 ISBN 978-3-86780-467-7 Institut für Massivbau http://massivbau.tu-dresden.de

Tagungsband 26. Dresdner Brückenbausymposium Institut für Massivbau Freunde des Bauingenieurwesens e.V. 14. und 15. März 2016 26. Dresdner Brückenbausymposium

© 2016 Technische Universität Dresden Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichnungen in die- sem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie als solche nicht eigens markiert sind.

Herausgeber: Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach Technische Universität Dresden Institut für Massivbau 01062 Dresden Redaktion: Silke Scheerer, Angela Heller Layout: Ulrich van Stipriaan Anzeigen: Harald Michler

Titelbild: Fußgängerbrücke Schierstein. Foto: Cengiz Dicleli

Druck: addprint AG, Am Spitzberg 8a, 01728 Bannewitz / Possendorf

ISSN 1613-1169 ISBN 978-3-86780-467-7

4 26. Dresdner Brückenbausymposium

Inhalt

Herzlich willkommen zum 26. Dresdner Brückenbausymposium…………………………………… 13 Prof. Dr.-Ing. habil. DEng/Auckland Hans Müller-Steinhagen

Außer Konkurrenz……………………………………………………………………………………………… 15 Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach

Realisierungswettbewerb zum Ersatzneubau der Eisenbahn­überführungen über die Oder und die Odervorflut bei Küstrin-Kietz…………………………………………………… 23 Auszug aus der Broschüre der DB Netz AG 2016, Redaktion: Dipl.-Ing. Hartmut Schreiter

Zur Gestaltung von Brücken der Bundesfernstraßen – Die Suche nach der besten Lösung… 37 Dr.-Ing. Gero Marzahn, Dr.-Ing. Heinz-Hubert Benning

Search for the true structural solution…………………………………………………………………… 47 Prof. Jiri Strasky, DSc.

Der Ersatzneubau der Lahntalbrücke Limburg………………………………………………………… 67 Dipl.-Ing. Annett Nusch, Dr.-Ing. Stefan Franz

Wirtschaftliche Selbstkletterschalung für Europas aktuell größtes Brückenbauprojekt „Hochmoselbrücke……………………………………………… 85 Dipl.-Ing. Sebastian Riegel

Verstärkung von Brücken mit externer Vorspannung – Einsatzbereiche und Randbedingungen ……………………………………………………………… 103 Dipl.-Ing. Michael Buschlinger, Dipl.-Ing., MBA Annette Jarosch

Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus ……………………………………… 119 Prof. Cengiz Dicleli

Gestaltungskonzept für die Brückenbauwerke im Zuge der BAB A 3 zwischen AK Biebelried und AK Fürth/Erlangen……………………………………………………… 153 LBD Dipl.-Ing. Bernd Endres, Dipl.-Ing. Rolf Jung

Reparatur der Autobahnbrücke über die Süderelbbrücke nach schwerem Schiffsanprall – Nachrechnung, Planung, ­Ausführung, Analyse……………… 165 Dipl.-Ing. Dirk Seipelt, Dipl.-Ing. Stefan Eschweiler, Dipl.-Ing. Thomas Neysters, Brinja Coors M.Sc., Dipl.-Ing. Martin Grassl

Langzeitverhalten von geokunststoffbewehrten Stützkonstruktionen – zukünftig eine Standardbauweise auch für Brückenwiderlager?…………………………………… 177 Dipl.-Ing. Hartmut Hangen, M.Sc. July Ellen Jaramillo Castro

Die Herausforderungen und Möglichkeiten einer umfassenden Grundlagenanalyse am Beispiel des Hovenringes in Eindhoven (NL)……………………………………………………… 193 Dipl.-Ing. Adriaan Kok, Dipl.-Des. Marion Kresken

Die Butterfly-Bridge in Kopenhagen…………………………………………………………………… 211 Dr.-Ing. Karl Morgen, Dipl.-Ing. Jan Lüdders

Militärischer Einfluss auf Konstruktion und Architektur von Eisenbahnbrücken im Deutschen Reich…………………………………………………………… 221 Volker Mende M.A.

5 26. Dresdner Brückenbausymposium

Verstärken mit Carbonbeton im Brückenbau………………………………………………………… 235 Dr.-Ing. Harald Michler

Zur Anwendung von Szenario-Spektren beim seismischen Nachweis von Brücken…………………………………………………………… 249 Dr.-Ing. habil. Dirk Proske

Brücken bauen mit Eisenbeton – Gedanken zum denkmalgerechten Umgang………………………………………………………… 263 Dipl.-Ing. Oliver Steinbock

Brückenbauexkursion 2015 – Infrastrukturprojekte in Tschechien, Österreich und Deutschland……………………………… 273 Dipl.-Ing. Sebastian Wilhelm, Dipl.-Ing. Robert Zobel

Chronik des Brückenbaus………………………………………………………………………………… 283 Zusammenstellung: Dipl.-Ing. (FH) Sabine Wellner

Inserentenverzeichnis……………………………………………………………………………………… 311

Im gedruckten Tagungsband stand hier eine Anzeige. Sie wurde für die Online-Fassung entfernt.

6 26. Dresdner Brückenbausymposium

Herzlich willkommen zum 26. Dresdner Brückenbausymposium

Brücken sind das Sinnbild für etwas Verbindendes sitäten in Deutschland absolviert zu haben. Auch schlechthin. Sie werden allerorten abgebildet, im die in Dresden weiterhin bevorzugte und ermög- Munde geführt und beschrieben, um als Symbol lichte Ausbildung zum Diplomingenieur stärkt den für etwas anderes zu stehen. Menschen sind von Standort. Der Abschluss ist nach wie vor beliebt Brücken fasziniert, weil sie Wege bereiten, Täler bei den Studienanfängern und begehrt bei den Ar- überspannen und scheinbar Unüberbrückbares beitgebern. eben doch zusammenrücken lassen. Die TU Dresden ist eine Volluniversität mit einem Bei aller Metaphorik und Symbolhaftigkeit dürfen starken ingenieur- und naturwissenschaftlichen wir nicht vergessen, dass keine Brücke der anderen Schwerpunkt. Wir nehmen die Herausforderun- gleicht und dass es in der Welt der Brückenbauer gen an die Entwicklung des Standortes Dresden im wörtlichen Sinne nicht die eine perfekte Brücke an, die sich in der Verknappung der staatlichen gibt. Jede Situation braucht ihre eigene Brücke, Zuweisungen, der demographischen und kultu- jede konkrete Lösung benötigt den aufs Neue her- rellen Veränderung unserer Gesellschaft und dem angehenden Sachverstand und den Enthu­siasmus Wandel in der Bedeutung eines Studiums für den eines echten Lösungswillens. Erfolg im Berufsleben nur besonders deutlich zei- gen, und bauen dabei auch auf die Leistungsfähig- Seit nunmehr 26 Jahren widmen sich die D­ resdner keit der Dresdner Bauingenieure. Bauingenieure genau diesem Enthusiasmus und laden ein, immer wieder die richtigen Lösungen zu finden – für echte Brücken, Brücken zum An- fassen, zum Befahren, Begehen und Bestaunen. Ich wünsche Ihnen ein erfolgreiches Symposium.

Das Veranstaltungsteam um Prof. Curbach hat auch in diesem Jahr wieder keine Mühe gescheut, dieses Symposium zu einer wahren internationa- Ihr Prof. Dr.-Ing. habil. DEng/Auckland len Leistungsschau in seinem Fach werden zu Hans Müller-Steinhagen lassen. Auf diesem Wege möchte ich meinen herzlichen Dank für die Organisation dieses Ereig- Rektor der TU Dresden nisses ausdrücken, das seinen festen Platz in den Kalendern unserer Universität hat.

Das Symposium eignet sich auch als Referenz- punkt für die außerordentlich hohe Qualität von Forschung und Lehre. Es zeigt in seiner breiten Fächerung, wie vielgestaltig Bauingenieure einge- setzt werden können, wenn sie durch forschungs- nahe Lehre das richtige Rüstzeug für ihr weiteres Leben in Praxis und Theorie an die Hand bekom- men.

An der TU Dresden sind in diesem Jahr insgesamt rund 1700 Studierende im Fach Bauingenieurwe- sen eingeschrieben. Nicht alle spezialisieren sich auf den Brückenbau; aber die Erfahrungen, die wir auch von den Absolventen generell zurückgemel- det bekommen, sind die, dass es sich lohnt, ein universitäres Studium an einer der großen Univer-

13 Manfred Curbach: Außer Konkurrenz

Außer Konkurrenz

Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach Institut für Massivbau, TU Dresden

Ein Wettbewerb ist ein Wettbewerb ist ein Wett…, Länder basiert auf der Idee, dass nicht alle Uni­ aber das wissen Sie ja schon. Viel ist schon über versitäten und Wissenschaftler gleich (gut) sind, Wettbewerb und Wettbewerbe geschrieben wor­ sondern dass die Besten nur dann eine Chance den. Namhafte Autoren haben dazu bereits tief­ haben, im internationalen Wettbewerb erfolgreich gehende philosophische und ethische Gedanken zu sein, wenn man das Paradigma der Gleichheit geäußert. Die nun folgenden Bemerkungen sollen der Universitäten aufgibt und den Wettbewerb dazu nicht im Wettbewerb stehen, bewegen sich auch innerhalb Deutschlands fördert. Letztlich sozusagen außer Konkurrenz. geht es darum, das Renommee einer Forschungs­ einrichtung so zu steigern, dass auswärtige Wis­ Mit Wettbewerb wird auch der Vorgang der Ent­ senschaftler das Ziel haben, ebenfalls an einer wicklung des Lebens auf unserer Erde beschrie­ entsprechend renommierten Einrichtung zu arbei­ ben. Wir sind Ergebnis und Teil eines Wettbe­ ten, so dass an einem Ort schließlich Forschung werbs, der auf unserer Erde stattgefunden hat auf höchstem Niveau betrieben wird. Bemerkens­ und stattfindet und wahrscheinlich niemals ein wert scheint mir zu sein, dass die drei Feststel­ Ende finden wird. Es gibt einige bemerkenswerte lungen des natürlichen Wettbewerbs auch hier Aspekte dieses Wettbewerbs: gelten: q Die Kriterien ändern sich! Der Erfolg im Wett­ q Die Kriterien ändern sich! bewerb hängt auch von den Randbedingungen ab, was in der Natur wunderbar zu sehen ist: q Es gibt eine erstaunliche Vielfalt im Wettbe­ Die bisher auf der Erde stattgefundenen Klima­ werb! wandel – wie auch der aktuelle, nicht zuletzt anthropogen verursachte Klimawandel – hat­ q Nichts ist von Dauer! Flexibilität hilft beim ten und haben einen Einfluss auf den Wett­ Überleben. bewerb der Lebensformen. Noch näher ist uns allen der Brückenbau. Und q Trotz zum Teil extremer Randbedingungen auch hier begegnet uns der Wettbewerb an vie­ gibt es eine erstaunliche Vielfalt der Natur im len Stellen: Wettbewerb um geeignete Lebensformen! Es gibt Flora und Fauna vom Einzeller bis zum Am dominantesten dürfte der Wettbewerb um Menschen. Und alle Formen sind Ergebnisse den niedrigsten Preis bei der Submission sein. eines Wettbewerbs, in dem nur die Geeignets­ Letztlich spielt er bei jeder Maßnahme im Brü­ ten eine Chance hatten und haben. ckenbau – sei es Neubau oder Instandsetzung – eine große Rolle. Da ist es zwar nicht egal, jedoch q Nichts ist von Dauer! Man denke nur an die leider von untergeordneter Bedeutung, ob es sich Dinos­ aurier, die über einen aus heutiger Sicht um das billigste oder das günstigste Angebot han­ unermesslich langen Zeitraum von ca. 170 Mil­ delt. Obwohl wir alle wissen, dass dem günstigs­ lionen Jahren eine, vielleicht die beherrschen­ ten Bieter unbedingt der Vorzug zu geben ist, so de Lebensform darstellten, aber schließlich ist es leider juristisch leichter erklärbar, wenn der keine ausreichende Flexibilität aufwiesen. billigste Anbieter genommen wird.

Etwas näher an unserem Geschehen ist der im­ Von annähernd ähnlicher Bedeutung ist der mer stärker werdende Wettbewerb zwischen den ­Ideenwettbewerb. Keine Brücke ähnelt einer an­ Universitäten und den Wissenschaftlern, wie man deren und immer wieder sind neue Ideen bei der sowohl an den verschiedenen Rankings der Deut­ Umsetzung einer Überbrückungsaufgabe gefragt. schen Forschungsgemeinschaft DFG als auch an Durch das Instrument des Nebenangebots – ger­ denen von Times Higher Education THE erkennen ne als Sondervorschlag bezeichnet – können ur­ kann. Die Exzellenzinitiative des Bundes und der sprünglich nicht geplante/bekannte Bauverfahren,

15 26. Dresdner Brückenbausymposium

Herstellmethoden oder auch Materialien mit in die Deutsche Bahn AG sowie weitere Sponsoren. den Wettbewerb eintreten und auch – sofern ein Ein besonderes Anliegen der Auslober ist es da­ langfristiger Preisvorteil mit dem Nebenangebot bei, die jeweiligen Entwerfer der ausgezeichneten verbunden ist – beauftragt werden. Wenig förder­ Brücken bekannt zu machen, da diese leider allzu lich für diese Form des Ideenwettbewerbs sind häufig in der Öffentlichkeit wenig wahrgenom­ die aktuellen Vergabevorschriften, die die Wahl men werden. Zwölf Brücken (sechs Straßen- und eines Nebenangebots gegenüber früher deutlich Eisenbahnbrücken und sechs Fuß- und Radweg­ erschwert haben. brücken) haben bis einschließlich 2016 diesen hoch renommierten Preis bekommen. In wenigen Fällen gibt es im Brückenbau auch Entwurfswettbewerbe. In speziellen Situati­ Unter diesen zwölf Brücken befinden sich so onen (landschaftlich, städtebaulich oder auch herausragende Bauwerke wie zum Beispiel die politisch) wird auf das Instrument des Entwurfs­ 2006 ausgezeichnete Bogenbrücke Wilde Gera, wettbewerbs zurückgegriffen, wobei das gestal­ entworfen von Roland von Wölfel. Mit dieser Tal­ terische Element gleichberechtigt neben den brücke nördlich des Rennsteigtunnels im Zuge der Fragen der Wirtschaftlichkeit steht. Ein ausge­ A 71 hat er die damals weitest gespannte Bogen­ sprochen gelungener Entwurfswettbewerb der brücke Deutschlands entworfen. Deutschen Bahn mit seinen Ergebnissen wird im nächsten Aufsatz von Hartmut Schreiter detailliert Ein weiteres Beispiel herausragender Brücken­ beschrieben. baukunst stellt die 2014 ausgezeichnete Gänse­ bachtalbrücke von Jörg Schlaich dar. Es ist ihm Sind Bauwerke dann schließlich realisiert, gibt es auf beeindruckende Weise gelungen zu zeigen, noch das wunderbare Instrument des Wettbe­ dass auch Eisenbahnbrücken außerordentlich werbs um Auszeichnungen. In Deutschland gibt schlank sein können und damit das Tal, die Ebene es seit 2006 den Deutschen Brückenbaupreis, und die Landschaft nördlich von Buttstädt in Thü­ mit dem alle zwei Jahre jeweils eine Brücke aus ringen bereichern können. dem Bereich „Straßen- und Eisenbahnbrücken“ und eine aus dem Bereich „Fuß- und Radwegbrü­ Alle bisherigen Preisträger, die es ohne Zweifel cken“ ausgezeichnet wird. Auslober dieses Prei­ verdient hätten, an dieser Stelle ebenfalls genannt ses sind die Bundesingenieurkammer BIngK und und gezeigt zu werden, können auf der Internet- der Verein Beratender Ingenieure VBI. Unterstüt­ Seite des Deutschen Brückenbaupreises betrach­ zung bekommt der Preis durch das Bundesminis­ tet werden: http://www.brueckenbaupreis.de/ terium für Verkehr und digitale Infrastruktur und archiv/.

Bild 1: Talbrücke Wilde Gera, entworfen von Roland von Wölfel

16 Manfred Curbach: Außer Konkurrenz

Bild 2: Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsbrücke Gänsebachtal, entworfen von Jörg Schlaich

In erster Linie durch die Qualität der ausgezeich­ gebrücke im Ostteil der Großen-Belt-Querung in neten Brücken hat sich der Deutsche Brücken­ Dänemark die Auszeichnung des FIP. Mit einer baupreis zu einem der renommiertesten Preise Spannweite von 1.624 m gehört sie zu den längs­ Deutschlands entwickelt, wobei die außerordent­ ten Hängebrücken der Welt. lich würdevolle Preisverleihung sicher auch ihren Anteil daran hat. Im Jahre 2010 wurde von der Fédération Internati­ onale du Béton fib die Fußgängerbrücke über den Aber es gibt starke Konkurrenz im internationalen Fluss Svratka in Brno in Tschechien ausgezeich­ Maßstab. Hier seien vor allem die Wettbewerbe net, die von Jirí Strasky entworfen wurde, s. a. zweier Organisationen erwähnt, die international Beitrag von Jirí Strasky in diesem Tagungsband. großes Renommee besitzen. Dabei handelt es sich um ein extrem schlankes Bauwerk, das die Kunst des Machbaren hervorra­ Die Internationale Vereinigung für Brücken- und gend widerspiegelt. Hochbau IVBH, vielen sicher auch unter der englischsprachigen Be­ zeichnung International Association for Bridge and Structural Enginee­ ring IABSE bekannt, vergibt seit 2000 in unregelmäßigen Abständen die Auszeichnung IABSE Outstan- ding Structure Award für besonders bemerkenswerte, innovative Bau­ werke, darunter natürlich je und je auch Brücken. Im Jahr 2001 wur­ de vom IVBH unter anderem die Sunnibergbrücke, entworfen von Christian Menn, für ihre Filigranität und Eleganz mit diesem Preis aus­ gezeichnet.

Zu den vom IVBH 2006 ausgezeich­ neten Brücken gehört auch das höchste Brückenbauwerk Europas, der Viadukt von Millau, entworfen von Michael Virlogeux. Es handelt sich zudem mit einer Länge von 2.460 m um die längste Schrägka­ belbrücke der Welt.

Nur alle vier Jahre, allerdings bereits seit 1990 durch die Vorgängeror­ ganisation FIP, vergibt die interna­ tionale Betonvereinigung Fédérati­ on Internationale du Béton fib ihre Awards for Outstanding Concrete Structures, darunter auch für Brü­ Bild 3: Sunnibergbrücke bei Klosters in Graubünden, entworfen von cken. Im Jahre 1998 erhielt die Hän­ Christian Menn

17 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 4: Viadukt von Millau, entworfen von Michael Virlogeux

Die vier letztgenannten, von IVBH, FIP und fib Dänemark und aus Tschechien. ausgezeichneten Brücken mögen hier nur als Beispiele dienen, welche Brücken international Und es fällt wieder auf, dass Aufmerksamkeit verdienen. Sie stammen von In­ genieuren aus der Schweiz, aus Frankreich, aus • die Randbedingungen jedes Mal vollkom­ men andere sind,

• es eine große Vielfalt gibt und

• es beim Schöpfer einer Brücke eine derartige Flexibilität im Den­ ken und damit eine Kreativität gibt, die dafür sorgt, dass die jeweilige Brücke sowohl eine Antwort auf die sie umgebende Landschaft darstellt als auch durch Ästhetik besticht.

Wenn man bedenkt, welches Aus­ maß an Eleganz und Schönheit die Natur innerhalb des evolutionären Wettbewerbs hervorbringt, kann man auf den Gedanken kommen, dass der Brückenbauer zu den Lieb­ lingskindern der Evolution zählen dürfte.

Auch die mit dem Deutschen Brü­ ckenbaupreis ausgezeichneten Brü­ cken und Personen würden in diese Bild 5: Hängebrücke über den Ostteil des Großen Belts, entworfen gezeigte internationale Riege pas­ von COWIconsult sen, so dass der Wunsch des Au­

18 Manfred Curbach: Außer Konkurrenz

Bild 6: Fußgängerbrücke über den Fluss Svratka in Brno, Tschechien, entworfen von Jirí Strasky tors gleichzeitig ein Aufruf an die Preisträger ist: Viadukt von Millau: Foto: Mike Lehmann, Mike mögen sich die Preisträger des Deutschen Brü­ Switzerland – Own work, CC BY-SA 2.5, https:// ckenbaupreises auch dem internationalen Wett­ de.wikipedia.org/w/index.php?curid=3891352 bewerb stellen … und – diesmal in internationaler Konkurrenz – gewinnen. Hängebrücke über den Großen Belt: Foto: DrKjaergaard (assumed), gemeinfrei, modifi­ ziert, https://commons.wikimedia.org/w/index. Bildnachweise php?curid=628168

Talbrücke Wilde Gera: Foto: TOMMES-WIKI – Ei­ Fußgängerbrücke Brno: Foto: Jirí Dvorak, © SHP, genes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wi­ abgedruckt mit freundlicher Genehmigung von SHP kimedia.org/w/index.php?curid=18912405

Gänsebachtalbrücke: Foto: Manfred Curbach Alle im Beitrag angegebenen Internetquellen Sunnibergbrücke: Foto: Ikiwaner – Eigenes Werk, ­wurden am 7.2.2016 geprüft. CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=987721

19 Eisenbahn­überführungen über die Oder und die Odervorflut bei Küstrin-Kietz

Realisierungswettbewerb zum Ersatzneubau der Eisenbahn­ überführungen über die Oder und die Odervorflut bei Küstrin-Kietz

Auszug aus der Broschüre der DB Netz AG 2016 1, Redaktion: Dipl.-Ing. Hartmut Schreiter

Die Wiedergeburt ge Ausnahmen ab einer­ Eisenbahnstrecke Strausberg, die An- zahl der zwischen Strausberg und Dr. Joachim Trettin Küstrin-Kietz ver- DB AG, ­Konzernbevollmächtigter der Region Ost kehrenden Züge war mit vier bis sechs Wer kennt sie nicht, die Ostbahn mit ihrem Herz- Zugpaaren täglich stück der Strecke Berlin–Königsberg–Eydtkuh- gering. Im Som- nen, die einst zu den Wichtigsten im Netz der merfahrplan 1965 KPEV und später dann der DR gehörte. Verband betrug die Reisezeit sie doch Ost- und Westpreußen mit Berlin. Auf zwischen Küstrin- dieser Strecke verkehrten der D1 Berlin–Riga, der Kietz (im Kursbuch D3 Berlin–Tilsit oder der FD5 Berlin–Königsberg, Dr. Joachim Trettin nur noch als Kietz um nur die ungeraden Zugnummern zu nennen. benannt) und Straus- berg ca. 1,5 h, zuzüg- In den 1930er Jahren benötigte man für die knapp lich 44 min bzw. 47 min Reisezeit für die Fahrt 600 km lange Strecke vom heutigen Berliner Ost- zwischen Strausberg und Berlin Ostbahnhof, bahnhof bis nach Königsberg trotz längerer Auf- wenn man gleiche Bezugspunkte wählt, und die enthaltszeiten in den Grenzbahnhöfen am polni- Umsteigezeit in Strausberg. Für die an der Strecke schen Korridor ca. 6,5 bis 7,5 h. Regional sah die wohnenden Reisenden ein kaum attraktives An- Welt etwas anders aus. Von Küstrin bis zum heu- gebot. Hinzu kamen administrative Hürden. tigen Berliner Ostbahnhof benötigten die überall haltenden Personenzüge ca. 1,5 h bis 2,15 h. Das Wer denkt noch daran, wenn man heute zwischen Angebot hielt sich mit sechs bis neun Zugpaaren Deutschland und Polen frei und ohne Einschrän- in Grenzen, trotz einiger zusätzlich in Strausberg kungen reist, dass bis 1972 eine Visumspflicht beginnender bzw. endender Züge. bestand. Auf dem Fahrplan der Ostbahn hatte der Wegfall der Visumspflicht keine Auswirkungen, in- Nach dem Krieg waren die Brücken über die War- ternationale Reisezüge gab es weiterhin nicht und the und Oder zerstört, Reparationsleistungen das Angebot im Sommerfahrplan 1974 war auf bedingten den Abbau des zweiten Gleises auf fünf bis sieben durchgehende Zugpaare zwischen deutscher Seite und durch die Vertreibung der Küstrin-Kietz und Strausberg begrenzt. Erfreuli- deutschen Bevölkerung änderten sich die Ver- cherweise verkürzte sich die Reisezeit zwischen kehrsströme komplett bzw. erloschen. Im Fahrplan Strausberg und Küstrin-Kietz auf etwa 1,10 h bis 1949/50 verkehrten nur noch zwei Zugpaare zwi- 1,15 h. Allerdings reichte der Personalausweis als schen dem heutigen Ostbahnhof bis Küstrin-Kietz, alleiniges Reisedokument nur kurze Zeit, mit dem hinzu kamen noch einzelne Züge zwischen Dahms- Erstarken der Solidarnošč wurde Ende 1980 die dorf-Müncheberg und Strausberg. Die Reisezeit Regelung wieder aufgehoben. betrug zwischen 2,18 h bis 2,37 h. Durchgehende, grenzüberschreitende Reisezüge gab es nicht. Eine richtige Zukunft hatte die Strecke erst wie- der mit der Durchbindung der Züge von Berlin- Selbst nach Überwindung der schlimmsten Lichtenberg bis nach Kostrzyn (Küstrin), wodurch Kriegsfolgen führte die Strecke ein stiefmütterli- ein neues Hinterland entstand und sich neue ches Dasein. Die Züge verkehrten bis auf weni- Reiseströme entwickeln konnten. Grundlage war 1 Realisierungswettbewerb zum Ersatzneubau der hierfür das Mitte der 1990er Jahre vom Land Eisenbahn­überführungen über die Oder und die Brandenburg und der Deutschen Bahn entwickel- Odervorflut bei Küstrin-Kietz Herausgeber: DB Netz AG | Granitzstraße 55 – 56 | te Zielnetz 2000. Mit der Umsetzung dieses Ziel­ 13189 Berlin | Redaktion: Hartmut Schreiter | 2016 netzes wurde auch ein 1-h-Takt eingeführt.

23 26. Dresdner Brückenbausymposium

Einen weiteren Schub gab es mit dem Beitritt Polens Züge von Berlin-Lichtenberg nach Berlin Ostkreuz zur EU und der damit verbundenen Reisefreizügig- wird es für viele Reisende noch einmal spürbare keit ab 1. Mai 2004 sowie dem Wegfall der Grenz- Verbesserungen und Reisezeitverkürzungen ge- kontrollen Ende 2007 mit dem Beitritt Polens zum ben. Gleichzeitig wird daran gearbeitet, Züge über Schengener Abkommen. Parallel zum EU-Beitritt Kostrzyn (Küstrin) hinaus bis nach Gorzow (Lands- Polens hatte DB Regio mit der damaligen PKP PR berg a. d. Warthe) und weiter zu führen. Mit all (heute PR) viele Tarifvereinbarungen abgestimmt, diesen Maßnahmen wird die Anzahl der Reisen- die das Reisen vereinfachten. So gelten z. B. das den noch erheblich steigen. Brandenburg-Ticket oder das SWT bis nach Küstrin, für VBB-Fahrkarten oder polnische Fahrscheine gibt In diesen erfreulichen Ausblick reiht sich der Brü- es ebenfalls Regelungen. Das neue Hinterland, der ckenneubau über die Oder ein. Das vorhandene, attraktive 1-h-Takt, die Endpunkte Berlin-Lichten- nach dem Krieg mit Brückenteilen der in den letz- berg und Kostrzyn (Küstrin), Reisezeitverkürzungen, ten Kriegstagen gesprengten Karniner Brücke neue Triebwagen im Zusammenhang mit einer Aus- über den Peenestrom reparierte Bauwerk, ist in schreibung des SPNV durch das Land Brandenburg die Jahre gekommen. Nur noch mit reduzierter und die Tarifvereinfachungen führten zu einer star- Geschwindigkeit befahrbar, steht es der weiteren ken Nachfragesteigerung. Entwicklung der ehemaligen Ostbahn im Wege. Dass mit einem Neubau zugleich wasserwirt- Heute benötigt man vom Berliner Ostbahnhof schaftliche Probleme gelöst werden, versteht bis nach Kostrzyn (Küstrin) nur noch ca. 1,5 h. sich von selbst. Für Pendler aus Polen oder entlang der Strecke ist damit die Eisenbahn wieder attraktiv gewor- Die DB Netz AG, Regionalnetze Ost, ist mit dem den. Reisezeitverkürzungen wurden bereits in Wettbewerbs- und Auswahlverfahren für die künf- der Vergangenheit durch Infrastrukturverbesse- tige Brücke einen neuen Weg gegangen, der viel- rungen und die abschnittsweise Erhöhung der leicht auch beispielgebend für andere Brückenvor- Streckengeschwindigkeit auf 120 km/h möglich. haben ist – auf jeden Fall die Wiedergeburt einer Mit der künftigen Verlegung des Endpunktes der für lange Zeit totgeglaubten Strecke. $

»Wettbewerbe mit guten Ergebnis­ sbp gmbh erreichte sen wie in diesem Fall, erhöhen die mit einer Bogenbrü- ­Akzeptanz von Planungsmaßnahmen cke über den Strom in der Öffentlichkeit.« und wellenförmigen Vorlandbrücken den 3. Preis. Ein weiterer Prof. Dr.-Ing. Hans Georg Reinke Entwurf von ­Pöyry Vorsitzender des Preisgerichtes, Deutschland, der Vorsitzender des Wettbewerbsausschusses einen Vierendeel­ der Bundesingenieurkammer rahmen vorsah, be- kam eine Anerken- Ingenieurwettbewerbe sind in verschiedenen Fäl- nung zugesprochen. len ein sehr gutes Auswahlverfahren zur Findung des geeignetsten Brückenplaners. Zu diesem Prof. Hans Georg Reinke Der Wettbewerb Zweck führte die DB Netz AG für die Ersatzneu- wurde im Auftrag der bauten der Oderbrücken in Küstrin einen zweistu- DB Netz AG durch figen Wettbewerb durch. den Einkauf der DB AG unter Mitwirkung der ICL Rail GmbH durchgeführt. Der Wettbewerbsaus- Siegreich war schließlich nach einstimmiger Wer- schuss der Bundesingenieurkammer registrierte tung eine Lösung, die für die Oderbrücke den Ent- den Wettbewerb und beriet die Ausloberin hin- wurf eines repräsentativen Netzwerkbogens mit sichtlich einer nach den Wettbewerbsrichtlinien einer Spannweite von 130 m vorsieht. Vorgelegt RPW 2013 konformen Auslobung. Die gemäß wurde dieser von Schüßler-Plan Berlin in Zusam- Richtlinie ausgelobten Preisgelder sind hervor- menarbeit mit Knight Architects London. Der 2. zuheben. Der Zeitrahmen für die Auslobung und Preis wurde der Pöyry Deutschland für den Ent- die Durchführung des zweistufigen Wettbewerbs wurf einer asymmetrisch geschwungenen Fach- ist mit rund sechs Monaten im Rahmen des ge- werkbogenbrücke zuerkannt. samten Planungszeitraums als überschaubar ein-

24 Eisenbahn­überführungen über die Oder und die Odervorflut bei Küstrin-Kietz zuschätzen. Neben der dauerhaften Tragwerks­ Unmittelbar nach der Juryentscheidung wurden effizienz, der Gestaltung im Gebiet der Oder bei Medienvertreter und die Wettbewerbsteilneh- Küstrin und der bautechnischen Realisierbarkeit mer im Rahmen einer Pressekonferenz über das war die Wirtschaftlichkeit ein wesentliches wett- Wettbewerbsergebnis informiert. Dadurch wur- bewerbsrelevantes Kriterium. Alle Kriterien und de eine breite Information über den siegreichen deren Wichtung wurden den Wettbewerbsteil- Entwurf und die gesamte Baumaßnahme der nehmern in der Auslobung vorgegeben. Die Ein- DB Netz AG in der Öffentlichkeit erzeugt. Wett- haltung des Budgets wurde für alle Entwürfe der bewerbe mit guten Ergebnissen wie in diesem 2. Wettbewerbsphase nachgeprüft und erreicht. Fall erhöhen die Akzeptanz von Planungsmaß- Es ist klar festzuhalten: Budgetobergrenzen und nahmen in der Öffentlichkeit. In einer gegenüber Baukostenrelevanz sind keine Hinderungsgründe Großprojekten kritischen Bevölkerung ist dies für gute Entwürfe. von großem Wert. $

»Es liegt ein Siegerentwurf vor, der tungen des Preisge- sowohl unsere gestalterischen Erwar­ richts unterworfen – tungen erfüllt als auch wirtschaftlich ganz bewusst, denn und nachhaltig ist.« Transparenz und ein klareres Prozedere zur Aufnahme der Andreas Gollek, DB Netz AG Entwurfs- und Ge- Leiter Anlagenplanung Regionalnetze Ost nehmigungsplanung waren uns wichtig. Der Begriff Brücke hat seinen Ursprung in dem Insgesamt wurden germanischen Wort „brugjo“. So bezeichnet wur- zwölf interessante, den vor rund 1000 Jahren Baumstämme und ein- wie auch hochwer- fache Holzgerüste zum Überwinden natürlicher tige Konzepte von Hindernisse. Heute sind die Bauarten komplex Andreas Gollek deutschen Ingeni- und vielfältig, die Stadtteile, Regionen und sogar eurgesellschaften Länder miteinander verbinden. Sie demonstrie- eingereicht, die en- ren Völkerverständigung und mahnen an Krieg gagiert das große Spektrum der technischen und wie im vorliegenden Fall. Als Bauherr war es uns gestalterischen Möglichkeiten im Eisenbahnbrü- wichtig, an dem geschichtsträchtigen Ort, der ckenbau repräsentieren. Das Interesse und die heute Deutschland und Polen verbindet, ein äs- Mitwirkung von Architekten aus dem In- und Aus- thetisches Bauwerk zu errichten, das bestmöglich land freuten uns besonders. ­Augenhöhe demonstriert. Es liegt ein Siegerentwurf vor, der sowohl unse- Wir haben uns daher als DB Netz AG erstmals re gestalterischen Erwartungen erfüllt als auch dazu entschieden, einen Realisierungswettbe- wirtschaftlich und nachhaltig ist. Gleiches gilt mit werb gemäß Richtlinie für Planungswettbewerbe geringen Abstufungen auch für die Platzierten. (RPW 2013) des Bundesministeriums für Umwelt, In der Anonymität des Verfahrens mussten allein Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit durchzu- Konzepte und Ausarbeitungen überzeugen. Wir führen und der Vergabe der Planungsleistungen wussten, was wir planen und mit welchen Kos- zugrunde zu legen. Gleichzeitig waren die Ver- ten, bevor wir den Planer kannten. gaberichtlinien der DB AG einzuhalten. Hierin lag kein Widerspruch. In Abstimmung mit unserem Von der Formulierung der Aufgabenstellung bis Einkauf und der Bundesingenieurkammer konnten zum Beginn der Entwurfsarbeiten haben wir wir Wettbewerbskriterien formulieren, die gleich- lediglich sieben Monate benötigt. Damit waren berechtigt Wirtschaftlichkeit und Gestaltung be- wir in der Projektvorbereitung effektiver als in rücksichtigen. vielen vergleichbaren Projekten. Die Kosten des Wettbewerbes beliefen sich auf weniger als ein Die anschließende Vergabeentscheidung basiert Prozent der Gesamtprojektkosten – eine gute zu 90 Prozent auf dem Wettbewerbsergebnis. Investition, gemessen an der gewonnenen ge- Mit dieser Herangehensweise haben wir uns stalterischen Qualität und den wirtschaftlichen weitestgehend und von vornherein den Bewer- Sicherheiten.

25 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bestandsbauwerk

Gegenstand, Anlass und Ziel ßen die Gleisanlagen der polnischen Staatsbahn PKP PLK mit der Streckennummer 203 an. Ein Brückenersatzneubau, der sowohl gestalte- risch als auch wirtschaftlich überzeugen soll! Die heutigen Brückenbauwerke wurden 1867 (EÜ Odervorflut) bzw. 1920 (EÜ Oder) errichtet. Die DB Netz AG verfolgte mit der Auslobung des In den letzten Kriegsmonaten, Anfang des Jahres Realisierungswettbewerbs für Ingenieure archi- 1945, erlitten sie schwere Schäden, die in den tektonisch überzeugende, qualitativ hochwertige 1950er Jahren umfangreiche Instandsetzungen und gleichzeitig wirtschaftliche Lösungen für die erforderten. Aufgrund der aktuellen Zustandsein- Bauwerkserneuerungen der EÜ Oder und der EÜ schätzung mit Einordnung in die Zustandsklassen Odervorflut der Ostbahn – DB-Strecke 6078 –, 3 und 4, der weiteren Zustandsverschlechterung die den baulichen und landschaftlichen Rahmen- und der perspektivischen Verkehrsentwicklung bedingungen gerecht werden und eine breite Ak- wird eine erneute Instandsetzung als unwirt- zeptanz in der Öffentlichkeit finden. schaftlich ausgeschlossen. Es werden Neubauten gemäß aktuellen Regelwerksanforderungen ge- Die Bauwerke überführen die zweigleisigen plant. Die Ersatzneubauten, die im Wesentlichen Bahnanlagen bei km 82,100 über die Odervorflut unter Beibehaltung der Gleis- und Bauwerkslage und bei km 82,850 über die Oder, die als Bun- erfolgen sollen, unterliegen auch veränderten An- deswasserstraße der Klasse IV eingestuft ist. Die forderungen hinsichtlich dem Hochwasserschutz Odervorflut gehört dem Flusssystem der Oder an und der Oderschifffahrt. und dient der Hochwasserentlastung. Die Wett- bewerbsaufgabe umfasste daneben alle weiteren Die Eisenbahnüberführungen über die Oder und Objekte, die in technischem und gestalterischem über die Odervorflut prägen als Brückenserie das Zusammenhang stehen oder deren Kosten we- Landschaftsbild des Küstriner Vorlandes und der sentlichen Einfluss auf das Projekt haben. unter Naturschutz stehenden Oderinsel. Sie bil- den zudem ein Ensemble mit dem kreuzenden Die Landesgrenze zwischen der Bundesrepublik und anschließend parallelläufigen Brückenzug Deutschland und der Republik Polen liegt in der der Ortsumgehung der Bundesstraße B 1n sowie Fahrrinnenmitte der Oder. Damit befindet sich die der Straßenbrücke über die Oder. Nicht zuletzt Eisenbahnüberführung über die Oder überwie- aufgrund ihrer großen Öffentlichkeitswirkung im gend auf polnischem Staatsgebiet. Unabhängig parallelläufigen, grenzüberschreitenden Straßen- davon liegt das Bauwerk gemäß Brückenvertrag verkehr sind die Neubauten nach zeitgemäßen mit der Republik Polen in deutscher Verantwor- technischen und betrieblichen Anforderungen tung. Die Grenze der Bahnanlagen der DB Netz auch Ausdruck eines zusammenwachsenden Eu- AG befindet sich am Bauwerksende. Hier schlie- ropas.

26 Eisenbahn­überführungen über die Oder und die Odervorflut bei Küstrin-Kietz

Aufgrund ihrer Symbolkraft und des landschafts- Dem Wettbewerb lagen die Richtlinien für Pla- prägenden Charakters der Bauwerke unter den nungswettbewerbe (RPW 2013) sowie die Ver- anspruchsvollen Randbedingungen der kreuzen- gaberegelungen für Sektorenauftraggeber – ins- den und parallelläufigen Straßenbrücken sollten besondere GWB und SektVO – zugrunde. Die gestalterische Kriterien bei der Vergabe der Pla- Bundesingenieurkammer wirkte vor und während nungsleistungen berücksichtigt werden. Dement- des Wettbewerbs beratend mit. Sie bestätig- sprechend wollte die DB Netz AG mit dem aus- te mit der Erteilung der Registrierungsnummer gelobten Realisierungswettbewerb für Ingenieure ­01-08/15, dass die Auslobungsbedingungen den unter der Beteiligung von Architekten und Land- RPW 2013 entsprachen. Zuständige Stelle für schaftsarchitekten optisch überzeugende, quali- Rechtsbehelfs-/Nachprüfungsverfahren war die tativ hochwertige und gleichzeitig wirtschaftliche Vergabekammer des Bundes. Vorschläge für die Bauwerkserneuerungen fin- den, die den baulichen und landschaftlichen Rah- Wertungskriterien menbedingungen gerecht werden und eine breite Akzeptanz in der Öffentlichkeit finden. 1. Phase

q 40 % Architektonische Gestaltung Wettbewerb – Planung und Durchführung q 30 % Integration in das bauliche und land- schaftliche Umfeld

Planungsgebiet und Planungsgrenzen q 30 % Statisch-konstruktive Gestaltung

Das Planungsgebiet umfasste die Bahnanlagen 2. Phase der DB-Strecke 6078 von km 81,5 bis Strecken­ ende und der PKP-Strecke 203 von Streckenen- q 20 % Architektonische Gestaltung de bis km 342,0 sowie die in diesem Abschnitt liegenden bahneigenen Grundstücke der DB AG q 15 % Integration in das bauliche und land- bzw. der PKP PLK. Die genauen Streckenstatio- schaftliche Umfeld nierungen der Planungsgrenzen, an denen die An- schlüsse an die Bestandsgleisanlagen hergestellt q 15 % Statisch-konstruktive Gestaltung werden, waren letztendlich in der Wettbewerbs- arbeit zu bestimmen. q 40 % Baukosten

Weiterhin zählten die in öffentlichem Eigentum be- q 10 % Dauerhaftigkeit/Instandhaltungsauf- findlichen Grundstücksflächen der Oder und der wand, Zugänglichkeit/Inspektionsaufwand Odervorflut auf deutschem und pol- nischem Staatsgebiet, die durch die wettbewerbsgegenständlichen Bau- werke (Rückbau/Neubau) überquert werden, einschließlich der technolo- gisch erforderlichen Nebenflächen zum Planungsgebiet. Auf dem Fest- land sollten alle neuen Bahnanlagen im Wesentlichen innerhalb der deut- schen und polnischen Bahngrenzen errichtet werden.

Auslobung

Die Auslobung erfolgte als nicht of- fener zweiphasiger Realisierungs- wettbewerb für Ingenieure. Die Beteiligung von Architekten und/ oder Landschaftsarchitekten in Ge- meinschaft mit Ingenieuren war erwünscht. Das Wettbewerbsver- fahren war anonym, die Wettbe- Planungsgebiet werbssprache Deutsch. Kartendaten © 2016 GeoBasis-DE/BKG (©2009), Google

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Teilnehmer SSF Ingenieure AG Domagkstraße 1a | 80807 München Leonhardt, Andrä und Partner unter Beteiligung des Architekturbüros Quist Beratende Ingenieure VBI AG Wintermans Architekten BV, Rotterdam Rosenthaler Straße 40/41 | 10178 Berlin unter Beteiligung des Büros für Landschafts- GMG Ingenieurgesellschaft mbH architektur Plan T, Radebeul unter Beteiligung des Architekturbüros 1ZT GmbH, Linz sbp gmbh George-Bähr-Straße 10 | 01069 Dresden schlaich bergermann und partner Beratende Ingenieure im Bauwesen Gutachter und Vorprüfer Schwabstraße 43 | 70197 Stuttgart Prof. Thomas Bösche | Curbach Bösche Ingeni- Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH eurpartner | Dresden Greifswalder Straße 80 A | 10405 Berlin unter Beteiligung des Architekturbüros Knight Prof. Holger Flederer | Hochschule für Technik und Architects, High Wycombe, Bucks Wirtschaft | Dresden

Pöyry Deutschland GmbH Jörg Herrmann | Spitzke SE | Großbeeren Marburger Straße 10 | 10789 Berlin Dirk Wadewitz | ICL Rail GmbH | Leipzig Planungsgemeinschaft Oderbrücke Vössing & Grassl Kerstin Ulok | Wasser- und Schifffahrtsverwaltung c/o: Ingenieur-Büro Dipl.-Ing. H. Vössing des Bundes | Eberswalde GmbH Storkower Straße 132 | 10407 Berlin Hazem El-Nahry TEI-O | Deutsche Bahn AG | Berlin unter Beteiligung des Architekturbüros Jan Lewerenz Architekt GmbH, Berlin René Kollasser I.NVR-O-A | DB Netz AG | Berlin

Hartmut Schreiter | ICL Rail GmbH | Leipzig $

Durchführung tung der vorgelegten Konzepte, die in den we- sentlichen Elementen der Tiefe einer Vorplanung Nach Durchführung eines Teilnehmerwettbewer- entsprechen mussten. Sie umfassten neben den bes wurden sieben Bewerber für die erste Phase Eisenbahnüberführungen selbst nun auch die im ausgewählt. Die Aufgabe beschränkte sich zu- Zusammenhang stehenden Verkehrsanlagen und nächst auf baulich-typologische Ideenskizzen für die Stützbauwerke. Die bahntechnische Ausrüstung beiden Brückenbauwerke unter Zugrundelegung war ebenfalls zu berücksichtigen. Die zweite der programmatischen Vorgaben der Auslobung. und abschließende Preisgerichtssitzung fand am Jedem Teilnehmer war es freigestellt, ein oder zwei 10. Dezember 2015 statt. Die sechs zugelasse- Wettbewerbsarbeiten einzureichen. Zur 1. Preisge- nen Beiträge wurden vorgelegt. Sie entsprachen richtssitzung am 22. September 2015 lagen zwölf der vergebenen Form und erfüllten die Wettbe- Beiträge vor. Alle eingereichten Arbeiten waren werbsaufgabe jeweils vollumfänglich. formell einwandfrei. Aufgrund eines groben Versto- ßes gegenüber den definierten Rahmenbedingun- Die Bewertung erfolgte anhand der erweiterten gen musste eine Arbeit ausgeschlossen werden. Kriterien für die 2. Wettbewerbsphase. Insbeson- Die übrigen wurden der Bewertung gemäß Auslo- dere wurden gegenüber der 1. Phase zusätzlich bungskriterien für die 1. Phase unterzogen. Für die die geprüften Baukostenberechnungen einbezo- 2. Wettbewerbsphase wurden die sechs Arbeiten gen. Die Vergabe der ersten drei Preise erfolgte an mit den höchsten Punktzahlen zugelassen. die Verfasser der Beiträge mit den höchsten Be- wertungen. Dem Viertplatzierten wurde aufgrund Gegenstand der Wettbewerbsarbeiten in Phase 2 seiner gestalterischen Lösung auf einstimmigen war die ingenieurtechnisch vertiefte Ausarbei- Beschluss des Preisgerichtes eine Anerkennung

28 Eisenbahn­überführungen über die Oder und die Odervorflut bei Küstrin-Kietz

Begutachtung der eingereichten Beiträge zugesprochen. Den beiden weiteren Arbeiten Ralf Schubart | Meyer + Schubart, Wunstorf, Part- wurden Aufwandsentschädigungen zuerkannt. nerschaft Beratender Ingenieure VBI, EBA-Sach- Die Bekanntgabe der Preisträger erfolgte unmit- verständiger Stahlbau telbar im Anschluss an die Preisgerichtssitzung im Rahmen einer Pressekonferenz. Prof. Michael Schanné | FH Münster, Fachbereich Architektur Preisgericht Fachpreisrichter Sachpreisrichter

Prof. Anett-Maud Joppien | Technische Universi- Andreas Gollek | DB Netz AG, Leiter Anlagenpla- tät Darmstadt, Fachbereich Architektur nung Regionalnetze Ost

André Neuber | DB Netz AG, Regionalbereich Ost, Arvid Kämmerer | DB Netz AG, Leiter Vertrieb und Fachbeauftragter Konstruktiver Ingenieurbau Fahrbahn Regionalbereich Ost, Beauftragter für die Zusammenarbeit DB Netz AG/PKP PLK Prof. Hans Georg Reinke | Frankfurt University of Applied Sciences, EBA-Sachverständiger Massiv- Gernot Schmidt | Landkreis Märkisch-Oderland, bau Landrat

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Ansicht des Siegerentwurfs (Visualisierung)

Rainer Schinkel | Landkreis Märkisch-Oderland, 1. Preis Beigeordneter, Fachbereichsleiter, Kämmerer, Amtsleiter Wirtschaftsamt Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH | Greifswalder Straße 80A | 10405 Berlin Wettbewerbssumme »Die neue Oderquerung – ein Bauwerk mit Land- Die Wettbewerbssumme gemäß §§ 7 und 9 RPW markencharakter« 2013 wurde auf der Basis der §§ 43, 47 und 51 der HOAI 2013 ermittelt. Für Preise, Anerkennun- Auszug aus dem Erläuterungsbericht gen und Aufwandsentschädigungen für die Teil- nehmer der 2. Phase standen insgesamt bis zu Unter allen bekannten Ingenieurbauwerken haben 468.000 Euro netto zur Verfügung. Brücken schon immer einen besonderen Stellen- wert genossen. Durch ihre exponierte Lage, ihre Die Wettbewerbssumme wurde wie folgt in An- Dimensionen, vor allem aber durch ihre Funkti- spruch genommen: on – Orte, Kulturen und Länder miteinander zu 1. Preis 166.000 € verbinden – ging ihre Bedeutung stets weit über 2. Preis 100.000 € ihre technische Aufgabe hinaus. Im Falle der neu- 3. Preis 66.000 € en Küstriner Oderquerung kann schon allein auf- Anerkennung 49.000 € grund deren Lage in der Tat von einem Objekt mit Landmarkencharakter gesprochen werden. Es ist Die weiteren Teilnehmer der 2. Wettbewerbs- offensichtlich, dass nur ein Bauwerk von höchs- phase erhielten Aufwandsentschädigungen von tem technischem und gestalterischem Anspruch jeweils 29.000 €. dieser Aufgabe auch gerecht werden kann.

Auszug aus dem Bauwerksplan des Siegerentwurfs

30 Eisenbahn­überführungen über die Oder und die Odervorflut bei Küstrin-Kietz

Siegerentwurf, Visualisierung Querung Odervorflut

Die neue Küstriner Oderquerung ist ein schlankes wodurch er leichter und damit optisch schlanker und filigranes Bauwerk. Ein auf wenigen taillierten wird. Die Anordnung der Zugstäbe unterstützt da- Betonpfeilern gebetteter Stahltrog zieht sich als bei die Dynamik des Bogens, ist aber auch eine durchgehendes Band vom östlichen Widerlager in Reminiszenz an die klassischen Fachwerkbrücken. niedriger Höhe über die Wiesengründe hindurch. Die blanken Metallflächen der Stäbe reflektieren Der papyrusweiße Anstrich hebt das Bauwerk op- die Umgebung und lassen diese vor der dramati- tisch von der Umgebung ab, eine Schattenkante schen Kulisse verschwinden. auf halber Trägerhöhe lässt diesen noch leichter erscheinen, als er ohnehin schon ist. Die neue Oderquerung ist sowohl technisch als auch gestalterisch ein Bauwerk mit Landmarken- Der Bahnreisende genießt die Aussicht über die charakter. Sie ist elegant und reduziert, aber den- Küstriner Festung, ohne dass störende Aufbauten noch unverwechselbar. Sie grüßt einen mit einer den Blick nach außen versperren. Kurz vor dem schwungvollen Geste, ist aber dennoch transpa- Oderufer schwingen sich die zwei außen liegen- rent und unaufdringlich. Sie erfüllt in bester Weise den Trogträger zu einem Paar paralleler, leicht ihre Aufgabe als Tor zwischen zwei Ländern. zueinander geneigter Bögen auf, die in einem einzelnen Satz den Fluss überqueren. Nicht zufäl- Der Überbau der neuen Eisenbahnüberführung lig markiert der Bogenscheitel auch die Lage der wird als vierfeldriger, zweigleisiger Durchlaufträ- Grenzlinie, während der westliche Bogenkämpfer ger errichtet. Mit der Stützweitenteilung von 130 bereits auf deutscher Seite steht. Die Nutzung m – 56 m – 50 m – 30 m wird die derzeitige Bau- des Bogenpaares als Solitär hebt die Besonder- werkslänge weitgehend beibehalten. Das große heit des Ortes unmissverständlich hervor. Brückenfeld für die Strombrücke wird als Netz- werkbogen ausgeführt und überspannt neben der Ein Netzwerk aus sich kreuzenden Zugstäben aus Oder auch den vor dem westlichen Ufer gelege- Edelstahl verhilft dem Bogen zu mehr Steifigkeit, nen Weg.

Auszug aus dem Bauwerksplan des Siegerentwurfs

31 26. Dresdner Brückenbausymposium

Ansicht Entwurf 2. Preis (Visualisierung)

2. Preis sich das Flussprofil der Oder über den schiffbaren Hauptstrom hinüber zu der gegenüber liegenden Pöyry Deutschland GmbH | Marburger Straße 10 | polnischen Seite, wo der Uferbereich verflacht 10789 Berlin und in einen Schilfgürtelbereich übergeht.

»Regelmäßig angeordnete Fachwerkstreben fü- Kaum bemerkbar sind noch Mauerreste der ehe- gen sich in den wellenförmigen Verlauf des Ober- maligen städtischen Knabenmittelschule erhalten, gurts ein und erzeugen eine filigrane Verbindung die mit der Natur verwachsen sind und ineinander mit der Brückenfahrbahn.« überfließen. Die Gestaltung des neuen Bauwerks folgt dieser landschaftlichen Prägung und spannt Auszug aus dem Erläuterungsbericht sich vom deutschen Ufer über die schiffbare Oder mit einem hohen und weit gespannten Bogen, Die Auenlandschaft bei Küstrin und die benach- um im darauffolgenden Verlauf durch eine Anzahl barte ehemalige Festungsanlage Küstrin haben ständig kleiner werdender Bögen wellenförmig sowohl für Erholungssuchende als auch für Rei- auszuschwingen und letztendlich in die verwach- sende einen hohen Erlebniswert, der durch den sene Uferlandschaft auf polnischer Seite einzu- vorliegenden Entwurf der „Oderwelle“ maßgeb- tauchen. lich mitbestimmt wird. Vom deutschen Ufer, be- ginnend mit einer kräftigen Stützwand entlang ei- Dieser Eindruck des Abtauchens verstärkt sich ner ehemaligen Schiffsverladestation, entwickelt zusätzlich dadurch, dass sich die neue Brücke mit einer Längsneigung von ca. 2,5 ‰ Richtung Polen absenkt. Regelmä- ßig angeordnete Fach- werkstreben fügen sich in den wellenförmigen Verlauf des Obergurts ein und erzeugen eine filig- rane Verbindung mit der Brückenfahrbahn. Auf die- se Weise bleibt sowohl für den Reisenden vom Zug aus wie für den außen- stehenden Betrachter ein Querschnittdetails (2. Preis) ungestörter Blick auf die

32 Eisenbahn­überführungen über die Oder und die Odervorflut bei Küstrin-Kietz

2. Preis, Visualisierung Vorflutwelle reizvolle Oderlandschaft erhalten. Die erforder- 3. Preis liche Öffnung für das Schifffahrtsprofil, für den Hochwasserabfluss und die gewünschten lich- sbp gmbh | Brunnenstraße 110c | 13355 Berlin ten Maße der Wegunterführung auf deutscher Seite sind durch den weit gespannten ersten Bo- »Durch die Reihung der Wellen mit dem Bogen gen sichergestellt. entsteht ein sympathisches Gesamtbild und eine organische Einbindung des Bauwerks in die um- Die klare Geometrie, ihre Abwandlung im Brü- gebende Landschaft.« ckenverlauf und ihr durchgängig sehr helles Er- scheinungsbild vermitteln das Bauwerk über alle Auszug aus dem Erläuterungsbericht Jahreszeiten in seinem Umfeld als besonderen Brückenschlag über die deutsch-polnische Gren- Das Entwurfskonzept für den Ersatzneubau der ze. Eine dezente, für den Eisenbahnverkehr blend- Oderquerung sieht einen zweigleisigen Überbau freie und wartungsarme, Beleuchtung könnte eine als durchlaufende Stahlkonstruktion über vier Fernwirkung des Bauwerks auch in den Nacht- Brückenfelder vor. In den östlichen drei Vorland- stunden ermöglichen. Hierzu wären in Nähe des feldern ist eine trogförmige Überbaukonstruktion Rettungs- und des Dienstweges LED-Strahler für mit wellenförmig variierender Bauhöhe vorgese- Streiflicht in den variierenden Fachwerkstreben- hen. achsen denkbar. In der Hauptspannweite über dem Fahrwasser Aus bautechnologischen Gründen werden die der Oder wird der Überbau durch eine Stab­ neuen Widerlager hinter den vorhandenen ange- bogenkonstruktion mit zwei Bogenebenen gebil- ordnet. Aus dieser Vorgabe ergibt sich ein 270 m det, welche durchlaufend mit dem Trogüberbau langes Bauwerk. Die Bauart des Tragwerks kann der anschließenden Felder verbunden ist. als eine durchlaufende Bogen-Fachwerkbrücke in Stahlbauweise bezeichnet werden. Der zwei- Durch den harmonischen Verlauf der Wellenstege gleisige Überbau besteht aus vier hintereinander in den Vorlandfeldern und die anschließende große folgenden, unterschiedlich langen und hohen Bogenform wird der Brückenschlag über die Oder Bögen mit Stützweiten von 110 m, 70 m, 50 m gestalterisch inszeniert und für den Betrachter und 40 m und lagert auf zwei Widerlagern und sowie den Bahnreisenden erlebbar gemacht. Die drei Pfeilern. Die jeweiligen Bogenstiche werden Höhe der Wellenberge und des Bogens stehen im in den Feldbereichen mit ca. 1/8 der Stützweite direkten Bezug zu den Spannweitenverhältnissen, ausgelegt. Im Stützenbereich reduziert sich die welche sich konsequent aus den Erfordernissen Tragwerkshöhe des Bogenfachwerks aufgrund der Oderschifffahrt sowie aus statischen Überle- der Formgebung. gungen entwickeln.

33 26. Dresdner Brückenbausymposium

Visualisierung des drittplatzierten Entwurfs

Durch die Reihung der Wellen mit dem Bogen über ca. 265 m Gesamtlänge entsteht ein vierfeld­ und die ausgewogenen Proportionen der Hö- riges Durchlaufsystem. Der Bogenquerschnitt henentwicklung entsteht ein sympathisches besteht aus einem rechteckigen Hohlkasten mit Gesamtbild und eine organische Einbindung veränderlichen Querschnittsabmessungen. Höhe des Bauwerks in die umgebende Landschaft. und Breite des Bogenquerschnitts variieren zwi- Gleichzeitig spricht der Entwurf eine dynami- schen ca. 3 × 1 m an den Bogenfußpunkten und sche Sprache, welche die Geschwindigkeit und ca. 1 × 2 m am Bogenscheitel. die Verbindungsfunktion im deutsch-polnischen Bahnverkehr thematisiert. Die Versteifung des in der Ansicht schlanken Bo- gens wird durch die biegesteife Trogkonstruktion Das statische System der neuen Brückenkonst- der Fahrbahn nach dem Prinzip des Langerschen ruktion ist eine Kombination aus einer Bogenbrü- Balkens gewährleistet. Quer zu ihrer Ebene werden cke in der Hauptspannweite mit einem dreifeldri- die Bögen durch Einspannung in den Fahrbahntrog gen Durchlaufbalken als Trogkonstruktion in den und durch ausreichende Biegesteifigkeit in Querrich- Nebenfeldern. Durch die fugenlose Konstruktion tung stabilisiert. Die Trogkonstruktion des Verstei- fungsträgers im Bogenfeld besteht aus einer orthotropen Fahrbahnplatte mit Stahllängsträgern mit Hohlkas- tenquerschnitt und einer konstanten Bauhöhe von 2,20 m. In den Neben- feldern wird die Trogkonstruktion aus einer orthotropen Fahrbahnplatte mit offenen Stahllängsträgern mit C-för- migem Querschnitt gebildet.

Die Steghöhe der Längsträger va- riiert entsprechend des Verlaufs der Stützmomente wellenförmig zwischen 2,20 m und 5,00 m. Die durchlaufende Stahlkonstruktion wird auf Kalottenlager unter den Längsträgern aufgelagert. Der Fix- punkt in Längsrichtung zur Aufnah- me der Bremskräfte wird am Strom- Visualisierung Odervorflut (3. Preis) pfeiler ausgebildet.

34 Eisenbahn­überführungen über die Oder und die Odervorflut bei Küstrin-Kietz

Visualisierung des Rahmenfachwerks (Entwurf mit Anerkennung)

Anerkennung Brückenfelder“, die im darauffolgenden Verlauf auslaufen. Sollten nachträglich Oberleitungen er- Pöyry Deutschland GmbH | Marburger Straße 10 forderlich werden, können diese innerhalb des Bau- | 10789 Berlin werks optisch nahezu „verschwinden“.

»Den weichen, organischen Formen der Land- Das Rahmenbauwerk besticht durch seine kraft- schaft werden durch die Gestaltung des Brücken- volle präzise und konstruktiv selbsterklärende bauwerks kontrastierende, klare Formen entge- Geometrie, welche durch ein Farbkonzept in sei- gengesetzt.« ner Wirkung noch weiter aufgewertet wird. Dem Zugreisenden eröffnen sich durch die variierenden Auszug aus dem Erläuterungsbericht Querschnitte rhythmisierte, stetig wechselnde Perspektiven in die reizvolle Oderlandschaft. In Die noch verbliebenen Reste der ehemaligen der Schrägansicht offenbart sich dem Betrachter Auenlandschaft im Ostteil des Oderbruchs, die aus dem Zug wie auch parallel von der Straßen- noch der Abflussdynamik eines größeren Flusses brücke ein kontinuierlich changierendes Bild von unterliegen, sind nicht nur von hoher naturschutz- vier unterschiedlichen Grüntönen, welches die fachlicher Bedeutung. Ebenso bedeutsam ist die Massivität des Tragwerkes auflöst und das Bau- hier gegebene Möglichkeit des Landschaftserle- werk mit dem Landschaftsraum in Dialog tritt. bens, welches durch den Vorschlag „Rahmen- fachwerk“ in ganz besonderer Weise geprägt Aus bautechnologischen Gründen werden die wird. Vom deutschen Ufer entwickelt sich das neuen Widerlager hinter den vorhandenen Wider- Flussprofil der Oder über den schiffbaren Haupt- lagern angeordnet. Aus dieser Vorgabe ergibt sich strom hinüber zu der gegenüberliegenden polni- ein 270 m langes Bauwerk. schen Seite, wo der Uferbereich verflacht und in einen Schilfgürtel übergeht. Die Bauart des Tragwerks kann als eine durchlau- fende Rahmen-Fachwerkbrücke in Stahlbauweise Den weichen, organischen Formen der Landschaft (Vierendeelsystem) bezeichnet werden. Der zwei- werden durch die Gestaltung des Brückenbau- gleisige Überbau besteht aus drei hintereinander werks kontrastierende, klare Formen entgegen- folgenden Tragwerken mit einer Stützweite von gesetzt. Durch die Farbgebung und die Aufnahme 110 m für das Hauptfeld, weiteren zwei Feldern der landschaftlichen Prägung in die Gestaltung des mit Stützweiten von 80 m und lagert auf zwei neuen Bauwerks wird dieses harmonisch in die Widerlagern und zwei Pfeilern. Die Systemhöhe Umgebung integriert. So spannt sich die Brücke wird mit 1/10 der Stützweite des größten Feldes vom deutschen zum polnischen Ufer, beginnend ausgelegt und beträgt in den beiden folgenden mit großräumigen Aussparungen der „seitlichen Feldern ca. 1/7 der Stützweiten.

35 Gero Marzahn, Heinz-Hubert Benning: Zur Gestaltung von Brücken der Bundesfernstraßen

Zur Gestaltung von Brücken der Bundesfernstraßen – Die Suche nach der besten Lösung

Dr.-Ing. Gero Marzahn Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Referat StB17, Bonn

Dr.-Ing. Heinz-Hubert Benning ehemals Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Referat StB17, Bonn

Gut gestaltete Brücken ziehen die Aufmerksam- q bundesweite Diskussionen zu städtebauli- keit der Betrachter auf sich. Aber nicht nur die chen, planerischen sowie bau- und wohnungs- Ästhetik ist Teil einer guten Gestaltung, sondern wirtschaftlichen Qualitätsmaßstäben anzure- vielfältigste Anforderungen, die heute an ein Bau- gen [1], [2]. werk gestellt werden. Dazu zählen ebenso Dau- erhaftigkeit, Wirtschaftlichkeit oder auch umwelt- Diesen Gedanken sind sowohl Brückenplaner als rechtliche Aspekte etc. Eine optimale Lösung ist auch Bauherren verpflichtet. daher nur erreichbar, wenn interdisziplinär gear- beitet und alle wesentlichen Entscheidungsträger mit einbezogen werden. Verschiedene Instrumen- 2 „Schöne“ Brücken sind kein Zufall te stehen den Planenden zur Verfügung, um alle Aspekte frühzeitig betrachten zu können. Sie rei- Um zu einem gelungenen Brückenbauwerk zu ge- chen von der streckenbezogenen Gestaltung bis langen, sind Ideenreichtum und gutes Gespür des hin zu Variantenuntersuchungen und Planungs- Brückenplaners verlangt, ebenso auch Erfahrun- wettbewerben. Von allen genannten Möglichkei- gen und vertiefte Kenntnisse zu allen möglichen ten bietet der Planungswettbewerb die besten Belangen des Bauwerkentwurfes. Der Entwurf Voraussetzungen, die schöpferischen Kräfte im einer schönen Brücke wird selten im ersten An- wetteifernden Vergleich der Ingenieure herauszu- lauf entstehen, sondern es werden viele Wege im fordern. Entwurfsprozess ausgelotet werden, die immer wieder zu Anpassungen und Optimierungen der Entwurfsidee führen. Das ästhetische Gefühl folgt 1 Einleitung Gestaltungsgrundsätzen, die bewusst bei der Ent- wurfserarbeitung überprüft werden müssen. Brücken von Verkehrswegen prägen meist domi- nant die gebaute Umwelt. Schöne Brücken tra- Vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Auf- gen zum Erscheinungsbild einer Stadt oder einer trags ergibt sich für den öffentlichen Bauherrn Landschaft wohltuend bei. Sie besitzen ästheti- eine besondere Verantwortung. Er muss Vorga- sche Eigenschaften, die Menschen ansprechen ben machen, damit bei der Planung einer Brücke und dabei ihre beeindruckende Wirkung entfalten. die beste Lösung gefunden werden kann. Hierzu Von gut gestalteten Brücken geht von je her eine gehören die technischen Regelwerke, die Festle- große Faszination aus. Dies bedeutet Verantwor- gung von strukturellen und zeitlichen Planungsab- tung und Verpflichtung für das Bauen und den Er- läufen und die Nutzung von angemessenen Pla- halt der Brückenbauwerke. nungsverfahren.

Mit dem Gesetz zur Errichtung einer Bundesstif- Dies bedingt, dass sowohl seitens des Brücken- tung Baukultur [1] werden die gesellschaftlichen planers, der bauenden Straßenbauverwaltung Vorgaben für das Bauen konkretisiert. Zweck und und des Bauherrn zusätzlich zur Fachkompetenz Aufgabe der Bundesstiftung Baukultur ist es: auch die Bereitschaft besteht, sich kreativ mit der Gestaltung von Brücken auseinander zu setzen q die Qualität, Nachhaltigkeit und Leistungs- und dies auch im öffentlichen Dialog zu dokumen- fähigkeit des Planungs- und Bauwesens in tieren. Deutschland national und international bekannt zu machen, 3 Anforderungen an Bauwerke q das Bewusstsein für gutes Planen, Bauen, Baukultur und den Wert der gebauten Umwelt Schon zu Zeiten des römischen Reiches war bei Bauschaffenden und in der Bevölkerung zu man bestrebt, den Grundeigenschaften eines stärken, Bauwerkes: Firmitas, Utilitas und Venustas [3]

37 26. Dresdner Brückenbausymposium ein ausgewogenes Verhältnis zu geben und q Verkehrssicherheit, keines zu bevorzugen. Dies gilt auch heute un- verändert. Ein Brückenbauwerk muss die tech- q Robustheit und Dauerhaftigkeit der Konstruk­ nischen, wirtschaftlichen und gestalterischen tion, Anforderungen nach aktuellen Maßstäben vollumfänglich erfüllen. Es gilt der Grundsatz: q Funktionstüchtigkeit, Eine schöne Brücke ergibt sich aus der Gestalt der Brücke, aus ihrer Formensprache, d. h. der q Wirtschaftlichkeit bei der Herstellung und sichtbaren Tragkonstruktion und ihren Proporti- ­Erhaltung, onen. Damit erfolgt eine klare Abgrenzung zur „Kunst am Bau“. q Möglichst einfache Ausführbarkeit,

Die Planung von Brückenbauwerken ist eine an- q Leichte Prüfbarkeit im Sinne von DIN 1076 [5], spruchsvolle Ingenieuraufgabe. Es ist eine Viel- zahl von Vorgaben und Aspekten zu beachten. q Erhaltungsfreundlichkeit der Konstruktion Zunächst gilt es, für Brücken der Bundesfernstra- sowie ßen den Konsens mit den Trägern öffentlicher Belange zu erreichen. Konkret sind u. a. (bau-) q Behutsamkeit bei der Wahl von Formen und rechtliche, umweltrechtliche, verkehrliche, topo- Materialien. grafische und/oder geologische Randbedingun- gen zu beachten, aber es sind auch Fragen zum Mit den Regelwerken für den Brücken- und In- landschaftstypischen und regionalen Bezug zu genieurbau [6] (Bild 1) steht eine Sammlung berücksichtigen sowie die Akzeptanz der Öffent- technischer Regelungen zur Verfügung, die es lichkeit herbeizuführen. dem Brückenplaner erleichtern soll, die genann- ten Vorgaben zu erfüllen. Die zukünftigen Richt- Bauwerksbezogen sind in die Entwurfsplanung linien für den Entwurf und die Ausstattung von die Fragen der Wahl der geeigneten Gründung, Ingenieurbauten (RE-ING), in der die bisherigen die Wahl der geeigneten Baustoffe und deren Verwaltungsvorschriften und Regelungen der All- Nachhaltigkeit, die Wahl der geeigneten Tragkons- gemeinen Rundschreiben Straßenbau (ARS) für truktion, die Herstellung des Bauwerks mit einem den Entwurf aktualisiert zusammengefasst sind, geeigneten Bauverfahren, die Bauzeit, mögliche sollen sowohl der bauenden Straßenbauverwal- Verkehrsführungen während des Baus zur Minde- tung als auch den Ingenieuren der Praxis bei der rung von Verkehrsbeeinträchtigungen und vieles Planung von Brücken helfen, den anerkannten Re- mehr einzubeziehen. geln der Technik, den Grundsätzen zur Sparsam- keit im Sinne der Bundeshaushaltsordnung sowie Zum Finden der optimalen Lösung einer Ingeni- der Verantwortung für die Gestaltung der gebau- euraufgabe ist eine interdisziplinäre Zusammenar- ten Umwelt gerecht zu werden. beit wichtig, z. B. mit Straßenplanern, Geologen oder bei Fragen der Gestaltung mit Architekten. Zu berücksichtigen sind auch die Belange des 4 Interaktion bei der Planung von Umweltschutzes und beim Bauen im Bestand oft Strecke und Bauwerk auch die Belange des Denkmalschutzes zum Er- halt des historischen Erbes. 4.1 Streckenentwurf

Die Umsetzung innovativer Konzepte und die Ver- Bereits mit der Linienfindung eines neuen Stre- wendung neuer Baustoffe setzen stets die Un- ckenabschnitts einer Straße und danach bei der terstützung durch Wissenschaft und Forschung Erstellung des Streckenentwurfs nach RE 2012 voraus. (RE-Vorentwurf) [7] werden wesentliche Randbe- dingungen für die Konstruktion einer Brücke fest- Das Bundesfernstraßennetz ist für die Bewäl- gelegt. Dies können u. a. die Streckentrassierung tigung des Güter- und Personenverkehrs von mit Festlegung der Gradiente, die topografische wesentlicher Bedeutung. Brücken sind neben Lage, die Berücksichtigung der geologischen Ver- den Tunnelbauwerken die hinsichtlich der Inves- hältnisse im Streckenverlauf, der Kreuzungswinkel titions- und Folgekosten teuersten Anlagenteile mit zu querenden Verkehrswegen und Flussläufen der Straßen. Dementsprechend müssen an Brü- oder das Ausweisen von naturschutzbedingten ckenbauwerke besondere technische Anforderun- Sperrzonen (FFH) im Brückenbereich sein. gen gestellt werden. In [4] werden übergeordnet folgende Grundsätze an Brückenkonstruktionen Die in diesem frühen Stadium der Planung fest- aufgeführt: gelegten Randbedingungen können im Nachhi-

38 Gero Marzahn, Heinz-Hubert Benning: Zur Gestaltung von Brücken der Bundesfernstraßen

Bild 1: Übersicht der Regelwerke für den Brücken- und Ingenieurbau der Bundesfernstraßen, nach [6]

nein kaum noch beeinflusst werden, obwohl sie staltung festgehalten werden. U. a. sind in den oft entscheidend für die Gestaltung einer Brücke Bauwerksskizzen Stützweiten, Tragsystem, Bau- sind. Dem Streckenentwurf (RE-Vorentwurf) sind stoffwahl und Entwässerungsleitungen der Brü- daher Bauwerksskizzen beizufügen, in denen cke darzustellen. Ebenfalls ist eine Kostenschät- bereits wesentliche Elemente der Bauwerksge- zung beizufügen.

39 26. Dresdner Brückenbausymposium

Für das Bauen im Bestand können sich weitere wie Empfehlungen für die Wahl der Materialien, Randbedingungen, z. B. aus dem Gesichtspunkt Farben und Formen der Ingenieurbauwerke, z. B. des Denkmalschutzes oder aus Umweltaspek- Brücken, Lärmschutzanlagen oder auch Tunnel, ten, z. B. Erhalten einer Fledermaus-Population zusammengestellt werden. in einem bestehenden Widerlager einer Brücke, ergeben. Der Gestaltungskatalog sollte einen ausreichend hohen Detaillierungsgrad erreichen und bei Brü- cken auf Pfeiler- und Widerlagerformen, Gesimse, 4.2 Streckenbezogene Geländer und Oberflächengestaltung eingehen. ­Bauwerksgestaltung Er dient im Weiteren als Grundlage und Richt- schnur für die Ausarbeitung der einzelnen Bau- Bei größeren Streckenneubau- bzw. Strecken- werksentwürfe. ausbauabschnitten hat es sich bewährt, ein streckenbezogenes Gestaltungskonzept [4] zu erstellen, um auf diese Weise eine eingehende 5 Wege zur Bauwerksgestaltung Auseinandersetzung mit den Bauwerken und de- ren Gestaltung innerhalb eines größeren zusam- 5.1 Variantenuntersuchungen menhängenden Streckenabschnitts zu erwirken und auch zu dokumentieren. Durch die Schaffung Für den Entwurf einer Brücke werden im Pla- so genannter Brückenfamilien wird der Wieder- nungsverfahren durch eine Variantenuntersuchung erkennungswert und damit der örtliche Bezug für zunächst alle denkbaren Lösungsmöglichkeiten, eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung enorm d. h. die unterschiedlichsten Konstruktionsfor- gesteigert. men, Materialien, Bauweisen und Bauverfahren, in die Überlegungen einbezogen und einander ge- Aufbauend auf einer Bestandsaufnahme der land- genübergestellt. schaftstypischen Situation, der örtlich vorhande- nen Bausubstanz und anderer örtlicher Beson- Aus der Vielzahl der Varianten konkretisieren sich derheiten erarbeiten i. d. R. in interdisziplinären dann im nächsten Schritt Hauptvarianten heraus, Arbeitsgruppen Ingenieure (Brückenplaner) und die die technischen, wirtschaftlichen und gestal- Architekten zusammen einen Katalog, in welchem terischen Vorgaben für das konkrete Bauwerk – abgestimmt auf die umgebende Landschaft, die bereits im Wesentlichen erfüllen. Die Hauptva- Bebauung, die kulturellen Werte einer Region rianten werden in Skizzenform mit Angaben der etc. – die wesentlichen Gestaltungselemente so- wesentlichen Hauptabmessungen der Bauteile

Bild 2: Donaubrücke Günzburg [8], Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2013, Kategorie Brückenbau

40 Gero Marzahn, Heinz-Hubert Benning: Zur Gestaltung von Brücken der Bundesfernstraßen dargestellt. Herstellungs- und ggf. Folgekosten keit einbezogen sind. Die Wettbewerbsarbeiten werden auf der Grundlage einer Kostenschätzung und die Entscheidung des Preisgerichts wer- ausgewiesen. den öffentlich dargestellt. Dazu gehört es auch, dass die einzelnen Wettbewerbsvorschläge in In einem intensiven Abwägungsprozess werden geeigneter Weise, z. B. durch eine Begleitbro- dann im Dialog von Brückenplaner, bauender Ver- schüre, dokumentiert werden (Bild 3). In dieser waltung und Bauherrn die Vor- und Nachteile der Dokumentation ist die Wettbewerbsaufgabe, einzelnen Hauptvarianten diskutiert und dann ge- die namentliche Nennung der Preisrichter, eine meinsam die optimalste Lösung für die weiteren kompakte Darstellung der einzelnen Wettbe- Planungen des Bauwerks gewählt. Der Entwurf werbsbeiträge sowie das Protokoll der Preisge- zur Donaubrücke Günzburg (Bild 2) wurde auf die- richtssitzung zu veröffentlichen. se Weise erarbeitet. Den nachweislichen Vorteilen eines Planungs- wettbewerbs steht gegenüber, dass der Dialog 5.2 Planungswettbewerbe zwischen Brückenplaner und Bauherr erst nach Wettbewerbsergebnis erfolgen kann. Dies birgt Mit dem Verfahren des Planungswettbewerbes die Gefahr, dass bei der weiteren Planung und nach der Richtlinie für Planungswettbewerbe der Erstellung des Bauwerksentwurfs aus tech- [9], [10] werden immer mehrere Wettbewerbs- nischen bzw. wirtschaftlichen Gründen noch we- teilnehmer aufgefordert, im wetteifernden Ver- sentliche Änderungen der Lösungsidee der zum gleich die schöpferischen Kräfte herauszufordern Zuge gekommenen Wettbewerbsarbeit erforder- und innovative sowie nachhaltige Lösungen für lich sein können. ein Bauwerk zu erarbeiten. Wettbewerbe zielen darauf ab, alternative Ideen und optimierte Kon- zepte für die Lösung von Planungsaufgaben und 6 Der Bauwerksentwurf den geeigneten Auftragnehmer für die weitere Planung zu finden. Dies gilt sowohl für den Ide- Auf der Basis der Variantenuntersuchungen bzw. enwettbewerb, der auf die Lösung konzeptionel- dem Ergebnis des Realisierungswettbewerbes ler Aufgaben ausgerichtet ist, als auch für den werden die Entwurfsplanungen für das Brücken- Realisierungswettbewerb, dem eine konkrete bauwerk in einem Bauwerksentwurf nach den Bauaufgabe mit anschließender Umsetzungsab- Richtlinien für das Aufstellen von Bauwerksent- sicht zugrunde liegt. würfen (RAB-ING) [13] erstellt. Darin werden im Erläuterungsbericht der gewählte Entwurf in Es gibt also gute Gründe, auch im Bereich der technischer, wirtschaftlicher und gestalterischer Bundesfernstraßen die Durchführung von Pla- Hinsicht begründet, die Kosten als Grundlage nungswettbewerben zu fordern und zu fördern. für die Haushaltseinstellung angegeben und mit Um dies zu erleichtern, wurde der Leitfaden zur den Bauwerksplänen die wesentlichen Konstruk- Durchführung von Planungswettbewerben im tionsmerkmale dargestellt. Auf dieser Grundla- Straßen- und Ingenieurbau [11] den Auslobern ge können die weiteren Planungsschritte für die zu Verfügung gestellt. Der Leitfaden geht auf die Ausschreibung, die Vergabe und die Ausführung spezifischen Besonderheiten im Ingenieurbau erfolgen. ein und gibt konkrete Hilfestellung für die Durchführung eines Wettbe- werbs.

Bei Planungswettbewerben kommt der sachgerechten Vorprüfung durch den Auslober besondere Bedeutung und Verantwortung zu. Auf der Basis dieser Vorprüfung entscheidet das Preisgericht, bestehend aus Fach- preisrichtern und Sachpreisrichtern, unabhängig über die beste Wettbe- werbsarbeit.

Es ist ein wesentlicher Vorteil des Planungswettbewerbs, dass mit den Sachpreisrichtern bereits Ver- Bild 3: Dokumentation des Realisierungswettbewerbs A 26 Süder­ treter der fachkundigen Öffentlich- elbebrücke Moorburg [12]

41 26. Dresdner Brückenbausymposium

bewerbe zum Entwurf von Brücken ausgelobt werden, um die Qualität des Planens und Bauens in allen As- pekten zu fördern und kulturelle, ver- kehrliche wie auch Umweltaspekte ausreichend zu würdigen.

Vor dem Hintergrund der Herausfor- derungen bei der Ertüchtigung von Straßenbrücken im Bestand können Planungswettbewerbe auch zu ei- nem Wettstreit der besten Ideen bei Innovation, technischer Ausführbar- keit, Bauen unter Verkehr oder auch Rückbau von Bauwerken beitragen. Der Vorteil von Wettbewerben ist, Bild 4: Ausstellung Straßenbrücken, Ingenieur Bau Kunst in die Leistung der Ingenieure, die Deutschland, 2002 [15] hinter herausragenden Bauwerken stehen, herauszuheben und für die Allgemeinheit erlebbar zu machen. 7 Öffentliche Wahrnehmung Dies führt nicht nur zu einer Hebung des gesell- schaftlichen Ansehens der Ingenieure, sondern Das Bewusstsein für das Bauen in der Öffent- hilft auch, nachwachsende Generationen für den lichkeit zu stärken, kann durch Publikationen [14], Beruf des Bauingenieurs zu interessieren und so- Ausstellungen [15] (Bild 4) und insbesondere auch mit aktiv dem Nachwuchsmangel entgegenzutre- durch Preise erfolgen. ten. Deutschland ist durch seine Ingenieure groß geworden. Deutsche Ingenieurleistung ist auch In [2] wird der Erfolg für eine zunehmende öffent- im Bauwesen weltweit bekannt und geachtet. liche Wahrnehmung der Ingenieurleistung durch Dieses Erbe gilt es zu bewahren und fortzusetzen. eine beachtliche Anzahl an Preisen auch für den Ingenieurbereich dokumentiert (Bild 5), (Bild 6). Das für die Bundesfernstraßen zuständige Bun- Literatur desministerium unterstützt als Schirmherr den von der Bundesingenieurkammer (BIngK) und dem [1] Gesetz zur Errichtung einer Bundesstiftung Verband Beratender Ingenieure (VBI) seit 2006 alle Baukultur, 17. Dezember 2006 zwei Jahre ausgelobten Deutschen Brückenbau- [2] Homepage der Bundesstiftung Baukultur: preis. Der Brückenbaupreis wird in den zwei Kate- www.bundesstiftung-baukultur.de (aufgeru- gorien Straßen- und Eisenbahnbrücken sowie Fuß- fen am 21.12.2015) gänger- und Radwegbrücken ausgelobt und wird [3] http://m.schuelerlexikon.de/mobile_kunst/ traditionell am Vorabend des bedeutenden Brü- Marcus_Vitruvius_Pollio.htm (aufgerufen am ckenbausymposiums der Technischen Universität 21.12.2015) Dresden mit zuletzt über 1.400 Fachleuten und [4] Bundesministerium für Verkehr und digitale Interessierten verliehen. Die Ergebnisse des Wett- Infrastruktur (Hrsg.): Richtlinien für den Ent- bewerbs zum Deutschen Brückenbaupreis werden wurf und die Ausbildung von Ingenieurbau- in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. ten RE-ING. Entwurf, Stand 08/2015 So können auch dieses Mal wieder hervorragende [5] DIN 1076: Ingenieurbauwerke im Zuge von Bauwerke aus beiden Kategorien prämiert werden. Straßen und Wegen – Überwachung und Prüfung. Ausgabe 11, 1999 [6] BASt-Homepage / Brücken- und Ingenieur- 8 Fazit bau / Regelwerke zum Download: http:// www.bast.de/DE/Ingenieurbau/Publikati- Der öffentliche Bauherr ist sich seiner Verantwor- onen/Regelwerke/Regelwerke_node.html tung bewusst und hat in seinen Regelwerken die (aufgerufen am 21.12.2015) Voraussetzungen geschaffen, um der anspruchs- [7] Bundesministerium für Verkehr und digita- vollen Ingenieuraufgabe Entwurf einer Brücke in le Infrastruktur (Hrsg.): Richtlinien zum Pla- technischer, wirtschaftlicher und gestalterischer nungsprozess und für die einheitliche Gestal- Hinsicht gerecht zu werden. Im Bundesfernstra- tung von Entwurfsunterlagen im Straßenbau. ßenbau sollten gleichberechtigt zum Verfahren der Ausgabe 2012 (RE 2012) Variantenuntersuchung vermehrt Planungswett- [8] Bundesministerium für Verkehr und digita-

42 Gero Marzahn, Heinz-Hubert Benning: Zur Gestaltung von Brücken der Bundesfernstraßen

Bild 5: BAB A 71, Talbrücke Wilde Gera; Deutscher Brückenbaupreis 2006 in der Kategorie Straßen- und Eisen- bahnbrücken (Foto: Foto Schüler, Zella-Mehlis)

Bild 6: Elbauenbrücke Schönebeck, ausgezeichnet von Institution of Structural Engineers, London, 2014 (Foto: Rene Legrand, Rühn)

43 26. Dresdner Brückenbausymposium

le Infrastruktur (Hrsg.): Brücken und Tunnel burg; Dokumentation des Realisierungs- der Bundesfernstraßen 2012. Broschüre, wettbewerbs. Juni 2013 2012. [13] Bundesministerium für Verkehr und digitale [9] Bundesministerium für Umwelt, Natur- Infrastruktur (Hrsg.): Richtlinien für das Auf- schutz, Bau und Reaktorsicherheit (Hrsg.): stellen von Bauwerksentwürfen (RAB-ING). Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW Entwurf, basierend auf RAB-BRÜ, Ausgabe 2008). Ausgabe 12. September 2008 04/1995 [10] Bundesministerium für Umwelt, Natur- [14] Bundesministerium für Verkehr und digitale schutz, Bau und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Infrastruktur (Hrsg.): Jahreshefte Brücken- Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW und Ingenieurbau 2013). Ausgabe 31. Januar 2013 [15] Bundesministerium für Verkehr, Bau und [11] Bundesministerium für Verkehr und digitale Wohnungswesen und Bundesingenieur- Infrastruktur (Hrsg.): Leitfaden zur Durchfüh- kammer (Hrsg.): Broschüre zur Ausstellung rung von Planungswettbewerben im Stra- Straßenbrücken, Ingenieur Bau Kunst in ßen- und Ingenieurbau. Ausgabe 09/2010 Deutschland. Eigenverlag, Berlin, 2002 [12] DEGES (Hrsg.): A 26 Süderelbebrücke Moor-

Im gedruckten Tagungsband stand hier eine Anzeige. Sie wurde für die Online-Fassung entfernt.

44 Jiri Strasky: Search for the true structural solution

Search for the true structural solution

Prof. Jiri Strasky, DSc. Brno University of Technology & Strasky, Husty and Partners, Brno (Czech Republic)

1 Professional career pended on two towers situated in the bridge axis. The deck is formed by a spine box girder with large I started my professional career in 1969; one year overhangs supported by not mutually connected after Russian troops occupied our country and precast slab struts. The one cell box girder assem- ­ruined our hopes for a free and creative life. Some bled from precast segments was constructed first, of my colleagues have decided to emigrate; many then the struts were erected and the overhangs of the others have resigned and became passive. were cast in a simple formwork that was support- I was lucky to have collaborated with engineers ed by these struts. Similar arrangement was used who have tried to prove, that we were still able in a construction of the 394 m long cable stayed under the given difficult circumstances to develop bridge built in Prague-­Vrsovice. and build progressive bridge structures. We were supported by some professors, who mostly had We have built seven stress ribbon pedestrian to leave the universities for their opinions and who bridges of one, two, or three spans of lengths up created together with us a group of similarly think- to 102 m; their maximum length is 250 m, see ing people. Fig. 2. The deck is an assembly of precast seg- ments suspended on bearing cables. Prestressing In the firmDopravni stavby Olomouc we have introduced after concreting the joints insures the developed our own prestressing system and stiffness of the structures. our own segmental technology for constructing highway overpasses and viaducts, we have built Experiences we have gained in construction of cable-stayed bridges and – most of all – realized stress ribbon bridges were utilized in design of stress ribbon and suspension pedestrian bridg- our first suspension pedestrian bridge across es. the Swiss Bay of the Vranov Lake, see Fig. 3. The deck, which has a span length of 252 m, is Our first cable stayed bridge built across the River suspended on two cables with spans of 30, 252 Elbe near a city of Podebrady built in 1987 has three and 30 m. The deck is assembled of precast seg- spans widths of 61.6, 123.2 and 61.6 m; the width ments of variable widths from 10.0 to 6.5 m and of the bridge is 31.8 m, see Fig. 1. The deck is sus- depth of only 0.42 m.

Fig. 1: River Elbe (Photo: Jiri Dobrovolny)

47 26. Dresdner Brückenbausymposium

We have not only built these struc- tures, but we have also verified their function by detailed static and dy- namic tests. We have also published the structural solutions and results of the tests in outstanding technical magazines and we received first de- sign awards. In 1987 I was invited to participate in the design of the first US Stress Ribbon Bridge that was built across the Sacramento River in Redding, California, see Fig. 4.

Based on Prof. Leonhardt‘s recom- Fig. 2: Prague-Troja Pedestrian Bridge – load test (Photo: Jiri Strasky) mendation I got first international prize – the Fritz Schumacher Award. After the ‚velvet revolution’ in 1989 a lot of things have changed. I have started to work in the USA, togeth- er with my friends we have opened our own design firm and I have been teaching bridges at the Brno Univer- sity of Technology. For eight years I was a member of the presidium of the FIP (Fédération Internationale de la Precontrainte) that has been transformed into the fib (Fédération Internationale du Béton – the Inter- national Federation for Structural Concrete). I also had an opportunity Fig. 3: Vranov Lake Pedestrian Bridge (Photo: Jiri Strasky) to participate on the design of large scale projects that have been built in California and Japan.

My research work at the Universi- ty is connected with further devel- opment of stress ribbon structures suspended on cables or support- ed by arches, curved suspension and arch structures, prestressed membranes and shells. My Ph.D. students not only analysed them, but verified their function on space models, see Figs. 5 and 6. Fig. 4: Sacramento River Pedestrian Bridge (Photo: Charles Redfield)

Fig. 5: Model of the shell bridge (Photo: Jiri Strasky) Fig. 6: Model of the curved bridges (Photo: Jiri Dvorak)

48 Jiri Strasky: Search for the true structural solution

We have built a strong design office which de- the relationship between structural and architec- signs bridges not only in the Czech Republic, but tural bridge design. Architecture is not some kind also in Slovakia and Poland. We also participate of treatment added to, or performed on the struc- in design of bridges built in Spain, United King- tural design of a bridge. Really, the architecture dom, Sweden and Brazil. My office in California of the bridges has to be developed from the true has been involved in design of progressive bridg- structural solution and design has to emphasize es built in the USA and Canada. Our designs got the beauty of effective structures. many international awards. For my work I got Medal of Merit and Freyssinet Medal from the fib, The author is still convinced that the true archi- CTU Award from University of Dundee (UK), Ícaro tectural solution of bridges is given by their true Award from University of Coruna (Spain) and Prix structural solution. The best structural solution Albert Caquot from French Association for Civil should be some particular form inherent in the Engineering. constraints of the site itself which best accom- plish the function of bridging the site. The task I am extremely grateful to the fact that my design of the structural designer is to discover and re- work has helped me to get acquainted with many alize that form in a way that is economical and engineers who are not only outstanding experts, efficient. This structural form is appropriate only but – most of all – extremely good and cultural when the design uses the inherent structural people. Due to my design work I have become a and material characteristics of the form to advan- member of a family of professionals who combine tage. Of course, a bridge structure must be safe, the technical knowledge with aesthetic feeling should invite use, be comfortable for the user, and create bridges whose architecture is devel- and should be designed and constructed to hu- oped from perfect structures. man scale

Criteria of aesthetics are perhaps somewhat more 2 Design philosophy subjective when evaluating structural concepts for bridge designs. However, architects and en- At present time the designing of bridges has be- gineers generally agree that the whole structure come more and more difficult. On the one hand and the structural members the bridge ambitious structures using non-effective structur- should express by their shape the flow of inter- al systems designed by star architects are built; nal forces through the structural system, which is on the other hand common bridge engineers are integrated into the surrounding social, historical/ forced to design so called the most economical time, technological and physical environments. solutions. And, if public ask for a better solution, the designers are required to add some kind of From our point of view as structural designers, architectural treatment that would improve the I believe that each conceptual design should ad- solution. The public funding agencies like to know, vance or enhance our understanding of the arts how much they are paying for so-called beauty. and sciences of engineering. Structural solutions should in some way lead to the development of That policy is ineffective and misguided, because new details, new processes of construction, or it is based on a fundamental misunderstanding of new applications of engineering technology. But we have to be aware that the struc- tures should be always designed and constructed to a human scale.

The above design philosophy is il- lustrated on the following structures for which the author had an oppor- tunity to develop their conceptual design.

3 Viaducts

Viaducts with spans up to 45 m usu- ally have a double tee cross section and are usually progressively cast – span-by-span – in the formwork Fig. 7: Bridge across the Olichovsky Creek Valley (Photo: Jiri Dvorak) supported or suspended on launch-

49 26. Dresdner Brückenbausymposium

Fig. 8: Bridge Kninice (Photo: Jiri Dvorak) ing gantry. When under-slung gantry is used, the curved overhangs. The transverse widening of the tee girders are usually directly supported; when piers and the deck has also a shape of a fourth de- overhead gantry is used, the girders are indirectly gree parabola. The simple and clean shape of the supported by pier’s diaphragms. Whenever it is deck enables span-by-span construction utilizing possible, semi-integral bridges are designed. As under-slung movable scaffolding formed by two an example, a bridge built across the Olichovsky steel girders situated outside of the spine girder. Creek Valley on Expressway R1 in Slovakia can So far viaducts of the total length of 2 × 2.635 km serve. The twin bridge of the total length of 273 m have been built. forms a continuous structure of seven spans with span lengths from 33 to 41 m. With respect of the An excellent example of this type represents limited clearance, the double tee deck has a varia- Bridge Kninice on the motorway D8 near the ble depth: from 1.90 m at mid-spans to 2.60 m at German border, see Fig. 8. The bridge is formed supports, see Fig. 7. The deck was incrementally by two parallel bridges of the deck’s length of cast span-by-span in the formwork suspended on 1,027 m and 1,077 m. The decks of both bridges the overhead movable scaffolding that was sup- are formed by continues structures with a typical ported by pier’s diaphragms. All piers are connect- span of 42 m. ed with the pier’s diaphragms by concrete hinges, the side piers have concrete hinges also above footings. 4 Progressively erected concrete viaducts In several projects another type of bridge struc- ture has been used. For span lengths up to 45 m Progressive erection of the deck used in the con- a solid cross section formed by a spine girder struction of the cable stayed bridge across the Riv- with large overhangs is still economical. To trans- er Elbe (see Fig. 1) has been recently applied in a fer the mass to supports, the girder has a vari- construction of five long viaducts built in Slovakia. able depth from 2.60 to 1.40 m and a haunch’s These bridges have span lengths up to 69 m, their shape is formed by a fourth degree parabola. The widths are up to 28.70 m. Their deck is formed arrangement of the structure in the transverse di- by a spine girder with large overhangs support- rection follows the arrangement in the longitudinal ed by not mutually connected precast slab struts, direction. The deck is supported by narrow piers see Fig. 9. When the spine box girder was cast, that are continuously widened and linked up the the struts were erected, see Fig. 10 and 11, and

50 Jiri Strasky: Search for the true structural solution

Fig. 9: Cross section of bridge across the Hostovsky Creek Valley (Graphic: Jaroslav Baron)

Fig. 10: Suspension of precast struts on the spine girder across the Hostovsky Creek Valley (Graphic: Jaroslav Baron)

Fig. 11: Bridge across the Hostovsky Creek Valley across the Hostovsky Creek Valley (Photo: Jiri Dvorak)

51 26. Dresdner Brückenbausymposium

Fig. 12: Bridge across the Lodina Creek Valley (Photo: Jiri Dvorak) the overhangs were cast in a simple formwork vice of these bridges have to be carefully checked that was supported by these struts. The one cell and monitored. The Viaduct across the Hostovsky box girder was cast span-by-span in a formwork Creek Valley has been monitored during construc- suspended on a special overhead gantry with ‘or- tion, loading tests and during service. For mon- ganic’ prestressing system (OPS) that eliminates itoring of concrete stresses, strain gauges were deflection of the gantry, see Fig. 11. To reduce the placed in four sections. The measurements done self-weight of the spine girder as much as possi- so far have confirmed good bridge function and ble, the girder is very narrow. Therefore the trans- showed agreement between measured and cal- verse projection of the hangs over up to 11.00 m. culated values.

While the first structure of the length of 975 m is frame connected only with three central piers, re- 5 Progressively erected maining shorter bridges of maximum length of composite viaducts 414 m are frame connected with all piers and form semi-integral structural systems, see Fig. 12. The Eight years ago we participated in a design of the decks of all bridges are longitudinally prestressed by bridge across the Lochkov Valley Creek on the internal bonded tendons situated within the basic Prague ring road, which deck is formed by a steel cross section and by external non-bonded tendons trough and a composite cast-in-place deck slab. situated inside the central box. The bonded tendons Recently we have designed two other long com- are coupled in each construction joint. External ca- posite viaducts that were built on the highway I/11 bles are anchored at pier diaphragms and are devi- in the North Moravia (Czech Republic). However, ated at pier and span deviators. In the transverse to simplify their construction, their deck slabs direction the deck slab is prestressed by tendons were cast in a formwork formed by precast mem- formed by four strands, lead at flat ducts situated at bers, see Figures 13 and 14. distance of 1.50 m. During erection, the struts are suspended on two prestressing bars anchored at The first viaduct, the bridge across the Hrabyn- outer cantilevers of the basic cross section. ka Creek Valley of the total length of 330.0 m, is formed a continuous girder of six spans of lengths It is evident that this solution requires not only a from 39.0 to 66.0 m. The second one, the bridge careful analysis and detailing, but also an experi- across the Kremlice Creek Valley with a total ence contractor. Also the construction and ser- length of 528.0 m, is formed by a continuous gird-

52 Jiri Strasky: Search for the true structural solution er of eleven spans of lengths from 33.0 to 57.0 m. of precast slab members and additionally cast While the first bridge has a straight axis, the sec- deck slab. The precast members of thickness of ond is in a plan curvature with radius of 900 m 100 mm are stiffened by steel trusses welded that transfers by a transition curve into the straight from reinforcing bars. Their function both for erec- axis. tion and service load was verified by loading tests done at the Brno University of Technology. Both directions of the highway are carried by bridge decks formed by a steel girder and a Both bridges were incrementally assembled be- 25.5 m wide composite deck slab. The steel gird- yond the abutments and consequently launched ers of the trough cross section assembled of top into a design position. The steel structures are and bottom flanges and inclined webs are supple- assembled of segments of lengths from 13.0 to mented by central stringer and two edge stringers. 29.0 m. The steel structure of the first bridge was While the central stringer has an I-cross section, incrementally launched with precast members; the edge stringers have a V-shape with smooth only a part of the structure of the length of 66 m surface that simplify the bridge maintenance. At beyond the launching nose was formed by the distance of 3.0 m the stringers are supported by steel section. Due to the complex bridge geom- diagonal pipes attached to the girder’s bottom etry of the second bridge, its steel structure was corners. The shape of the structure is secured by assembled from two parts and was launched from top transverse ties. The deck slab is composite both abutments. Due to the variable plan curvature

Fig. 13: Cross section of the bridge across the Lochkov Valley Creek (Graphic: Jaroslav Baron)

Fig. 14: Progressive assembly of the deck of the bridge across the Lochkov Valley Creek (Graphic: Jaroslav Baron)

53 26. Dresdner Brückenbausymposium

Fig. 15: Launching of the Bridge across the Kremlice Fig. 16: Progressive assembly of the deck of the Creek Valley (Photo: Jiri Dvorak) Bridge across the Kremlice Creek Valley ­ (Photo: Jiri Dvorak) the launched structure was temporarily supported are formed by twin walls. During construction the by pier transverse steel girders that allowed a trans- lower piers are braced by temporary steel mem- verse movement of the deck. To reduce the weight bers. The walls of the higher piers are mutually of the launched structure, the steel structure was connected by longitudinal walls at their bottom launched without precast members, see Fig. 15. portion. The height of the connected walls was After the connection of both parts, the precast determined by detailed analyses of concrete vol- members were progressively erected and the deck ume changes and by checking the stability of the slab was casted, see Fig. 16. piers both during construction and service.

Another cantilever bridge of the total length of 6 Cantilever bridges on the 1.50 km is being built across the river Vah‘s Res- motorway D3 (Slovakia) ervoir Hricov on the D3 motorway section Zili- na-Strazov – Zilina-Brodno, see Fig. 18. The twin Two large cantilever bridges of the similar struc- bridge is formed by a continuous structure of span tural and architectural arrangement are being lengths from 30.50 to 110.00 m. The four central built on the D3 motorway’s section Svrcinovec– spans bridging the river Vah are formed by a box Skalite, see Fig. 17. The bridges cross the valleys girder of a variable depth from 3.00 to 6.00 m at height up to 85 m. At present only one half of that are segmentally cast in symmetrical cantile- the motorway is constructed. vers; the remaining spans have a double tee cross section of a constant depth of 3.00 m and are The Bridge Valy of the total length of 591 m forms progressively cast span-by-span on stationary or a continuous structure of nine spans of lengths movable scaffoldings. The prestressing tendons from 30 to 92 m. The Bridge Rieka of the total of the cantilever spans have arrangement similar length of 500 m forms a continuous structure of eight spans of lengths from 25 to 92 m. The decks of both bridges are formed by a box girder of a variable depth from 2.70 to 5.00 m that are segmentally cast in sym- metrical cantilevers starting at piers. During erection cantilever tendons situated at the top slab were pro- gressively installed and tensioned, when central joints were cast, the span tendons situated at the bottom slabs were placed and tensioned. The continuity tendons are formed by external tendons that are deviat- ed at span diaphragms and are an- chored at pier diaphragms.

The piers of the cantilever spans Fig. 17: Bridge Valy (Photo: Jiri Dvorak)

54 Jiri Strasky: Search for the true structural solution to the arrangement of the previous bridges, the approach spans are prestressed by tendons situated in the webs of the bridge decks.

The central piers are formed by twin transversely inclined columns that guarantee the stability of erected structure, resistance of the struc- ture to seismic load and at the same time allow horizontal movement of the deck caused by concrete vol- ume changes. Approach spans are supported by couples of pot bear- ings situated on elliptical piers.

7 Arch bridges

An arch by its own shape naturally expresses an effort to bridge the Fig. 18: Bridge across River Vah Reservoir Hricov (Photo: Jiri Dvorak) obstacle. For dead load a correctly designed arch is stressed by com- pression stresses only. Therefore, it can be light Bridge across the expressway R1 near Nitra and transparent. For overpasses a self-anchored (Slovakia) integral structural system, in which arch footings The composite deck formed by edge plate gird- are connected with deck’s end diaphragms by a ers, floor beams and a deck slab is suspended on compression struts, we designed several times. edges on slender arches of span of 70.57 m, see The arch’s horizontal forces are resisted by a ten- Fig. 20. The arches that are formed by steel boxes sion capacity of the deck, and moments created filled with concrete are not braced; their stability by couples of horizontal forces originating in arch is given by tension stiffness of the suspenders. footings and end diaphragms are balanced by The arch footings are connected with the end di- moments created by vertical forces originating at aphragms by concrete compression struts. The the arch footings and the end diaphragms. This steel structure was erected on temporary tow- approach is illustrated by following two examples. ers. After that the deck slab and end diaphragms were cast. By tensioning the suspenders the de- Bridge across the Motorway D1 signed state of stresses was obtained. near Studenka The deck of the bridge is formed by a slender solid Maple Avenue Bridge, Redmond deck of depth of only 0.50 m that is supported (Oregon, USA) by a flat arch of a span of 53.70 m and a rise of Recently we have also participated in a design of 6.157 m, see Fig. 19. The prestressed concrete two concrete arch bridges built in Oregon, USA. deck is fixed into the end diaphragms that also serve as abutments. The bridge was cast on a sta- The Maple Avenue Bridge provides an east-west tionary falsework. link for the city of Redmond across Dry Canyon, which bisects the city. The canyon is a scenic natural feature, providing open space and recreation to local citizens. It was a desire to design a bridge that blends with its beautiful natural surroundings, see Fig. 21.

The bridge of three equal spans of length of 64 m is formed by two arch ribs supporting a double tee deck. The girders and arch ribs have the same width; the inter- mediate supports of octagonal Fig. 19: Bridge across D1 near Studenka (Photo: Jiri Dvorak) cross section are narrower. The

55 26. Dresdner Brückenbausymposium arch ribs are not stiffened by any transverse ribs. A direct connec- tion of the arches with the girders creates a clear and readable struc- tural system that emphasizes the static function – arch and girder. The omitting of transverse ribs not only optically lightens the structure, but also creates transverse ductile frames that increase the bridge’s seismic resistance.

Willamette River Bridge, Eugene Fig. 20: Bridge across R1 near Nitra (Photo: Jiri Dvorak) (Oregon, USA) A successful realization of the Red- mond Bridge has helped getting a project of another arch bridge that was built in a city of Eugene (Ore- gon, USA). The interstate freeway I-5 crosses the Willamette River, a local highway, a railroad and a junc- tion ramp on north bound and south bound bridges of lengths of 604.9 m and 536.1 m, see Fig. 22. The bridg- es replace original bridges built in the fifties of the last century.

The main bridge is formed by two Fig. 21: Maple Avenue Bridge (Photo: Nadezda Straska) arch spans of length 118.9 and 126.8 m. The deck that is formed by two girders and deck slab is stiffened by pre- The bridge was erected progressively. The arch cast cross beams; the arches are formed by two ribs with the crown precast cross beams were ribs without any bracing. The approach bridges cast first and then the mid-span joints were are formed by multi-cell box girders of a variable jacked and cast. Then the columns were erected depth that has the same perimeter as the arch and longitudinal girders with the transverse cross deck. The substructure has a similar architectural beams were cast. After that the deck slab was and structural arrangement as the arch columns. cast.

Fig. 22: Willamette River Bridge (Photo: Jiri Strasky)

56 Jiri Strasky: Search for the true structural solution

8 Bridge across the Odra River and tem transferring the force from the stays into the Antosovice Lake (Czech Republic) webs. Between the stay’s anchors there are circu- lar openings at the connected slab. All piers have Near a city of Ostrava the freeway D47 crosses an elliptical cross section of the width of 4.10 m the River Odra and Antosovice Lake on a twin and depth of 1.60 m. bridge of the total length of 589 m. Due to a limit- ed clearance, the deck of the structure had to be The bridge deck was cast span-by-span in two form- as slender as possible. Since the bridge is situat- works suspended on two movable scaffoldings. ed in a nice recreation area, it was necessary to With respect to the span length of the movable scaf- design a structure of high aesthetic value that can foldings, temporary piers had to be built in the sus- become a symbol of the new freeway. Therefore pended spans. As soon as the spans adjacent to the a cable stayed structure suspended on one sin- pylon were cast, the pylon’s steel core was erected gle pylon was accepted, see Fig. 23. The bridge and concrete fill and cover was progressively cast. crosses the river in a skew angle of 54 °. The free- Simultaneously, the concrete struts between the way’s axis is in a plan curvature of 1,500 m that girders were erected and top slab between the gird- transits into the straight line and it is in a crest ers was cast and transversally prestressed. After elevation with a radius of 20,000 m. that, the stay cables were erected and tensioned. Then the temporary piers were removed. The span length is from 24.5 to 105.0 m. The main span bridging the Odra River is suspended on a 46.8 m high single pylon. Since the stay cables 9 Bridge across the river Ebro have a symmetrical arrangement, the back stays (Spain) are anchored in two adjacent spans situated on the land between the river and lake. The stay ca- Prestressed concrete technology was also used bles have a semi-radial arrangement; in the deck in construction of the Rio Ebro Bridge. The bridge they are anchored at a distance of 6.07 m, at the replaces a ferry that connected the small cities pylon they are anchored at a distance of 1.20 m. Deltebre and Sant Jaume D’Enveja situated close to the river’s estuary into the Mediterranean Sea. The decks are formed by two cell box girders of The arrangement of the bridge is a result of an a depth of 2.20 m without traditional overhangs. architectural & structural competition. The client The bottom slab of both cells is inclined and it is required a signature structure that, however, cor- curved in the middle of girder. In the suspended responds to a scale of these decent cities. The spans the box girders are mutually connected by bridge crosses the river in a skew angle and it is a top slab cast between the girders and by indi- in a crest elevation. The bridge forms a self-an- vidual struts situated at distance of 6.07 m. The chored suspension structure of three spans of stay cables are anchored at anchor blocks situ- lengths of 69, 112 and 69 m, see Fig. 24. ated at the connected slab. The struts connect the curved bottom of the girders and together The deck with a width of 19.30 m is suspended on with the inclined slabs create a simple truss sys- four suspension cables situated in the bridge axis.

Fig. 23: Odra River Bridge (Photo: Stefan Spic)

59 26. Dresdner Brückenbausymposium

Fig. 24: Ebro River Bridge (Photo: Diego Cobo)

The torsionally stiff deck is formed by a composite and cyclist routes. At a distance of 3.00 m the four cell box. The central web of a variable depth steel structure is stiffened by transverse cross that protrudes above the deck slab and substitute beams that support the composite deck slab. At suspenders of the classical suspension structures the abutments the deck is stiffened by the end naturally divides a local highway from pedestrian cross beams transferring the load from the bear- ings into the central webs.

The main suspension cables are formed by four BBRV cables anchored at the end diaphragms and deviated at the saddles of the low pylons. For the construction of the side spans and piers ar- tificial peninsulas were consecutively created at both banks. They served for drilling of 46 m long piles, casting the footings and construction of the piers. Then the steel structure forming the side spans and cantilevers protruding into the main span were erected. The whole central portion of the main span of length of 61.40 m and weight of 500 tons was assembled at one bank and conse- quently floated and lifted into the design position.

10 Pedestrian bridge across the freeway D1 near Bohumin

The bridge that crosses the freeway D1 near a city of Bohumin is used both by pedestrians and bicycles, see Fig. 25. The bridge deck with two spans of 54.94 and 58.29 m is in a plan curvature with a radius of 220 m. The bridge is suspended on a single mast situated in the area between the freeway and local roads.

The bridge deck is fixed into the end abutments formed by front inclined walls and rear walls Fig. 25: Bohumin Drive Pedestrian Bridge forming the anchor blocks. Due to heavy bicy- (Photo: Jiri Dvorak) cle traffic the city of Bohumin has required to

60 Jiri Strasky: Search for the true structural solution separate the pedestrian and bicycle pathways. viators at the top of the stairs This cable is over- Therefore the deck is formed by a central spine lapped by the internal cables that prestressed girder with unsymmetrical cantilevers carrying the stairs. the pedestrians and bicycles. To balance the load, the shorter cantilever is solid, while the The suspended deck is formed by a non-symmet- longer is formed by a slender slab stiffened by rical box girder with one side overhangs support- transverse ribs. The mast is formed by two in- ed by ribs. The girder is prestressed not only by in- clined columns of two cell box sections that are ternal tendons situated at the top slab, but also by tied by top and bottom steel plates connecting horizontal components of the hangers forces and the boxes’ central webs. by the external cables. Therefore the inner railing, in which the hangers are anchored, is a part of the structural system. The geometry of the deck, po- 11 Harbor Drive Pedestrian Bridge, sition of the anchoring of the hanger, and position San Diego (California, USA) of the external cable and internal tendons were determined in such a way that the horizontal forc- The bridge that crosses Harbor Drive and several es balance the moment created by eccentricity of railroad tracks connects a new downtown ball- the suspension. park with San Diego Convention Center and a parking garage. The City Development Corporation (the San Diego Redevelopment Agency) needed a pedestrian structure that would also serve as a landmark for the New Downtown and was pre- pared to invest in aesthetic consid- erations. Therefore a curved sus- pension was accepted, see Fig. 26.

The bridge that is in a plan curvature with a radius of 176.80 m forms a self-anchored suspension structure suspended by the hangers on the inside of the curve. The suspend- ed span of the length of 107.60 m is monolithically connected to stairs at both ends. The stairs of length of 13.54 and 21.97 m form part of the structural system that transfers the stresses into the abutments sup- ported on piles.

The 39.80 m tall pylon, which sup- ports the main cable, is founded on the convex side of the deck, leans over the deck, and supports the main cable on the inside of the curve. It is stabilized with two back- stays and internal post-tensioning. The main cable stretches from the abutment to a deviator at the top of the stairs to the anchorage at the top of the pylon. It is made of pre- stressing strands encased in stain- less steel pipe. The hangers are attached to the steel pipe of the main cable and to the handrail on the bottom. The top of the handrail also carries a large post tensioning cable which is anchored at the de- Fig. 26: Harbor Drive Pedestrian Bridge (Photo: Nadezda Straska)

61 26. Dresdner Brückenbausymposium

Fig. 27: Olse River Pedestrian Bridge (Photo: Jiri Dvorak)

12 Pedestrian bridge across the 13 The Lake Hodges Bridge, ­border river Olse between San Diego (California, USA) Czech Republic and Poland The world’s longest stress ribbon bridge is locat- ed in the northern part of San Diego County and Prestressing cables situated at bridge edge gird- it is a part of the San Dieguito River Valley Re- ers that balance the dead load torsional moment gional Open Space Park, see Fig. 28. The bridge was used in a design of the composite pedestri- is formed by a continuous stress ribbon of three an bridge built across the border river Olse. The equal spans of length of 108.58 m. The sag at bridge connects two cities of Czech and Polish mid-spans is 1.41 m. The stress ribbon of the to- Tesin, see Fig. 27. The bridge of a total length tal length of 301.75 m is assembled of precast of 95.40 m is in a plan curvature with a radius segments and cast-in-place saddles situated at all of 100 m and in a crest elevation. The bridge supports. The stress ribbon is fixed into the end has four spans of lengths from 13 to 45 m. The abutments and it is frame connected with inter- deck is formed by a slender steel box girder of mediate piers. a non-symmetrical streamline cross section that is in the main span stiffened by one side inclined The precast segments of the depth of 0.407 m are arch. The deck is fixed into the end abutments 3.048 m long and 4.266 m wide. Each segment and is supported by neoprene pads on interme- is formed by two edge girders and a deck slab. diate piers. To balance the torsional moment due At joints the segments are strengthened by dia- to the dead load the deck is prestressed by radi- phragms. During the erection the segments were al cables situated at edge curbs. Both the girder suspended on bearing cables and shifted along and the arch are composite of steel and concrete. them to the design position. After casting of sad- LED lights situated in the handrails and at the arch dles and joints between segments, the stress rib- illuminate the walkway and the structure. bon was post-tensioned by prestressing tendons.

The saddles have a variable depth and width. Above supports a viewing platforms with bench- es were created. The saddles were cast after erection of all segments in the formwork sus- pended on the already erected segments and sup-

62 Jiri Strasky: Search for the true structural solution

Fig. 28: Lake Hodges Pedestrian Bridge (Photo: Jiri Strasky) ported by piers or abutments. During the erection ments and are deviated on saddles formed by the bearing cables were placed on Teflon plates the arch crown and short spandrel walls. The situated on steel saddles. The horizontal force as stress-ribbon and arch are mutually connected large as 53 MN is transformed into the soil at the at the centre of the bridge. The arch footings are left abutment by four drilled shafts of a diameter founded on drilled shafts and the anchor blocks of 2.70 m at the right abutment by rock anchors. on micro-piles.

14 Bridge across the expressway 15 Bridge across the Svratka River R 3508 near Olomouc in Brno (Czech Republic)

Classical stress-ribbon type structures need to re- Similar structural system was used in the design sist very large horizontal forces at the abutments, of the pedestrian bridge that connects a newly which determine the economy of that solution in developed business area with an old city cen- many cases. For that reason, a new system that tre, see Fig. 30. Close to the bridge an old multi combines an arch with the stress-ribbon has been span arch bridge with piers in the river is situat- developed. The stress-ribbon is supported on an ed. It was evident that a new bridge should also arch. The structures form a self-anchoring system be formed by an arch structure, however, with a where the horizontal force from the stress-ribbon bold span without piers in the river bed. Due to is transferred by inclined concrete struts to the poor geotechnical conditions a traditional arch foundation, where it is balanced against the hori- structure that requires resisting of a large hori- zontal components of the arch. zontal force would be too expensive. Therefore, the self-anchored stress ribbon & arch structure The pedestrian bridge in Olomouc is formed by a has been built. Both, the stress ribbon and the stress-ribbon of two spans that is supported by an arch are assembled of precast segments from arch, see Fig. 29. The stress-ribbon of a length of high strength concrete and were erected with- 76.50 m is assembled of 3.00 m long precast seg- out any temporary towers. Smooth curves that ments supported and prestressed by two external are characteristic for stress ribbon structures al- tendons. The precast deck segments and precast lowed a soft connection of the bridge deck with end struts consist of high-strength concrete of a both banks. characteristic strength of 80 MPa. The cast-in- place arch consists of high-strength concrete of The arch span is L = 42.90 m, its rise f = 2.65 m a characteristic strength of 70 MPa. The exter- and the rise to span ration f/L = 1/16.19. The arch nal cables are formed by two bundles of 31-0.6“ is formed by two branches that have a variable diameter monostrands grouted inside stainless mutual distance and merge at the arch springs. steel pipes. They are anchored at the end abut- The 43.50 m long stress-ribbon is assembled of

63 26. Dresdner Brückenbausymposium

Fig. 29: Willamette River Bridge (Photo: Jiri Dvorak) segments of length of 1.5 m. In the middle portion 16 Conclusions of the bridge the stress ribbon is supported by low spandrel walls of the variable depth. At mid-span The presented structures utilize different archi- the arch and stress ribbon are mutually connected tectural and structural forms that are inherent in by 2 × 3 steel dowels that transfer the shear forc- the constraints of the site and are economical and es from the ribbon into the arch. The stress ribbon structurally efficient. They were well accepted is carried and prestressed by four internal tendons both the public and professional. of 12 0.6” diameter monostrands grouted in PE ducts. The segments have a variable depth with a curved soffit. The stress-ribbon and the arch were made from high-strength concrete with a charac- teristic strength of 80 MPa.

Fig. 30: Svratka River Bridge (Photo: Jiri Dvorak)

64 Annett Nusch, Stefan Franz: Der Ersatzneubau der Lahntalbrücke Limburg

Der Ersatzneubau der Lahntalbrücke Limburg

Dipl.-Ing. Annett Nusch Hessen Mobil Straßen- und Verkehrsmanagement, Marburg

Dr.-Ing. Stefan Franz DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Berlin

1 Einführung konstruktion. Den historischen Aufzeichnungen zufolge konnten die anrückenden amerikanischen Die Lahntalbrücke Limburg liegt im Zuge der BAB 3 Truppen dennoch nur einen Tag aufgehalten wer- Frankfurt/M.–Köln in unmittelbarer Nähe zur west- den. Durch die Sprengung wurden insgesamt sie- hessischen Kreisstadt Limburg. Von der Talbrücke ben der 13 Pfeiler zerstört. Der erforderliche, ca. werden u. a. die Lahn, eine Landesstraße sowie 220 m lange Lückenschluss mit einer Behelfsbrü- eine DB-Strecke überführt. Als überregionale cke konnte ab 1949 in Betrieb genommen werden. Nord-Süd-Verbindung und gleichzeitig zweitlängs- te Autobahn Deutschlands ist die BAB 3 für den 1960–1964 wurde das Provisorium durch einen Straßenverkehr von besonderer Bedeutung. Neubau in Spannbeton ersetzt. Es entstanden nun zwei Teilbauwerke zur Aufnahme von je drei 1939 wurde am Standort der jetzigen Lahntal- Fahrspuren ohne Standspur. brücke erstmals ein Talbauwerk dem Verkehr übergeben, nachdem acht Jahre zuvor mit dem Als Überbau wurde je Teilbauwerk ein längs und Neubau der A 3 begonnen worden war [1]. Durch quer vorgespannter einzelliger Spannbetonhohl- die bewusst gewählte Linienführung der Auto- kasten mit einer Gesamtbreite von 15 m und einer bahn eröffnete sich dem/der Autofahrer/in ein ein- konstanten Bauhöhe von 4 m für Spannweiten drucksvoller Panoramablick auf Limburg und den von bis 68 m ausgeführt. Aufgrund des damals weniger als einen Kilometer entfernten Limburger gewählten Bauverfahrens – Freivorbau mit Hilfs- Domfelsen. Gleichzeitig sollte die Autobahn nahezu 60 m über dem Lahntal geführt werden. Damit wa- ren optimale Voraussetzungen für eine schließlich ausgeführte, über 500 m lange, werksteinverkleidete Gewölbebogenbrücke mit insge- samt 13 Bögen gegeben – errichtet in gut zwei Jahren Bauzeit [2].

Im März 1945 zerstörte die Wehr- macht einen Großteil der Brücken- Bild 1: Lahntalbrücke, Baujahr 1937–1939

Bild 2: Lahntalbrücke mit Behelfsbrücke

67 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 3: Lahntalbrücke, Baujahr 1960−1964 pylon und Abspannung – befinden sich in einem se dieser Untersuchung wiederum bildeten eine Feld bis zu 18 Koppelfugen. Diese Koppelfugen Grundlage der umfangreichen Wirtschaftlichkeits- mussten seit Inbetriebnahme des Bauwerks untersuchung der Hessischen Straßen- und Ver- mehrfach instandgesetzt bzw. verstärkt werden. kehrsverwaltung. Ergebnis dieser Untersuchung Einer Betonlaschen-Verstärkung der gerissenen waren zunächst zwei Varianten: ein sofortiger Er- Fugen (1981) folgte 1986 eine Verstärkung der satzneubau (V1) sowie eine umfassende Instand- restlichen Koppelfugen mit Stahllaschen. 2003 setzung mit Restnutzungsdauer von 32 Jahren erfolgte das Nachverpressen der Längsspannglie- (V2). Als Vorzugslösung stellte sich der sofortige der. 2004–2005 wurde eine im Verbund liegende, Ersatzneubau heraus, der jedoch sowohl bau- zusätzliche externe Vorspannung beider Überbau- rechtlich als auch aufgrund der fehlenden plane- ten umgesetzt [3]. rischen Grundlagen nicht umsetzbar war. Daher wurde letztendlich eine begrenzte Instandsetzung Grundlage der zuletzt umgesetzten Verstärkungs- als Erstmaßnahme in Verbindung mit einem so- arbeiten war eine in 2002 durchgeführte Unter- fortigen Planungsbeginn für den Ersatzneubau als suchung gemäß der „Handlungsanweisung zur Zweitmaßnahme (V3) festgelegt. Der Umfang der Beurteilung der Dauerhaftigkeit vorgespannter 2005 abgeschlossenen Instandsetzung wurde auf Bewehrung von älteren Spannbetonüberbau- eine Restnutzungsdauer des Bauwerks von wei- ten“ [4] für Brückenklasse 60/30. Die Ergebnis- teren zehn Jahren abgestimmt.

2 Aufgabenstellung

Maßgebende Randbedingung für die Planung des Ersatzneubaus war, dass aufgrund der enorm ho- hen Verkehrsbelastung im betrach- teten Autobahnabschnitt der A 3 (2005: durchschnittliches tägliches Verkehrsaufkommen (DTV: 92.000 Kfz/24 h; Prognose für 2020: DTV 132.000 Kfz/24 h zzgl. Schwerlast­ anteil bis zu 18 % [5]) während der Bauzeit alle sechs Fahrspuren auf- recht zu erhalten waren. Hieraus ergab sich, dass das vorhandene Bauwerk nur dann an Ort und Stelle Bild 4: Lageplan der Gesamtmaßnahme ersetzt werden könnte, wenn min-

68 Annett Nusch, Stefan Franz: Der Ersatzneubau der Lahntalbrücke Limburg destens zwei Fahrspuren von einer Behelfsbrücke q Der künftig achtspurige Streckenabschnitt der aufgenommen werden könnten. A 3 befindet sich im Bereich der Lahntalbrü- cke durchgängig in einer Geraden trassiert Neben der beschränkten Restnutzungsdauer der und komplett neben der vorhandenen Trasse, Talbrücke wies auch die vorhandene Autobahn- etwas weiter von der Ortslage Limburg abge- trassierung technische Defizite wie unzureichen- rückt als der Bestand. de Haltesichtweiten sowie Entwässerungsproble- me durch zu geringe Längsneigung auf. Deshalb q Im Lahntal befindliche Trassen, insbesondere wurde bereits im Rahmen der umfassenden Wirt- die Bundeswasserstraße Lahn, die parallel zur schaftlichkeitsuntersuchung die Neutrassierung Lahn verlaufende DB-Strecke Wetzlar–Koblenz der BAB zwischen den Anschlussstellen Limburg- sowie weitere öffentliche Straßen und Wege Süd und Limburg-Nord (ca. 2,3 km) untersucht sind bei der Festlegung künftiger Pfeilerstand- und nach Bestätigung durch das Bundesministeri- orte sowie deren Andienung durch Baustraßen um der weiteren Planung zugrunde gelegt. zu berücksichtigen.

Für die Bauwerksplanung des Ersatzneubaus der q In direkter Sichtlinie, nur etwa 500 m entfernt, Lahntalbrücke Limburg waren damit die ersten verläuft eine etwa parallel zur Autobahn geführ- wesentlichen Randbedingungen ermittelt: te ICE-Trasse mit einer weiteren Lahnbrücke.

Bild 5: Ansichten der drei favorisierten Wettbewerbsbeiträge, von oben nach unten: 3. Preis, 3. Preis, 2. Preis (Wettbewerbssieger)

69 26. Dresdner Brückenbausymposium

Angesichts der exponierten Lage des Bauwerks Aufgabe widerspiegelte. Daher wurde zunächst und des landschaftlich sowie städtebaulich reiz- diskutiert, ob einzelne Entwürfe durch eine Über- vollen Umfeldes wurde der optischen Einpas- arbeitung weiter optimiert werden sollten – dies sung des neuen Bauwerkes in das Lahntal eine wurde jedoch verworfen. Im April 2008 entschied besondere Bedeutung zuerkannt. Hessen Mobil das Preisgericht, diesem Ergebnis Rechnung zu ließ daher im Rahmen eines Gestaltungswettbe- tragen und lediglich einen zweiten und zwei dritte werbs Vorschläge ausarbeiten, um eine möglichst Preise auszusprechen. geeignete optische Umsetzung der Brücke zu er- reichen. Nach Auffassung des Preisgerichtes konnte der Siegerentwurf, ein Vorschlag der Arbeitsgemein- schaft Konstruktionsgruppe Bauen Kempten mit 3 Gestaltungswettbewerb Karl+Probst Architekten München, vor allem in technischer, wirtschaftlicher und gestalterischer 2007–2008 wurde ein Realisierungswettbewerb Hinsicht überzeugen. Die Gesamtlänge der neuen nach den Vorgaben der GRW 1995/2003 [6] Brücke unterteilt sich auf sieben Felder mit unter- durchgeführt. Teilnahmeberechtigt waren Inge­ schiedlichen Stützweiten von bis zu 90 m, welche nieur­büros oder Arbeitsgemeinschaften, in denen zu ausgewogenen Proportionen zwischen Gelän- Architekten unter Federführung von Ingenieuren/ deverlauf, Feldweite und Brückenhöhe führen. innen arbeiteten. Rhythmische Spannweiten und minimierte Brü- ckenpfeiler passen das Bauwerk in die Landschaft Das Auswahlverfahren erzeugte europaweites ein und führen zu einer transparenten Tragstruk- Interesse. Von insgesamt 31 Bewerbungen qua- tur. Auch die Tatsache, dass sich die Gestaltung lifizierten sich acht Bürogemeinschaften über ein klar von der bestehenden Bahnbrücke absetzt und Auswahlverfahren für eine Teilnahme am Wett- dem Stadtbild mit dem Dom eine gestalterische bewerb. Jeder dieser ausgewählten Teilnehmer Priorität überlässt, überzeugte die Preisrichter. hatte eine Lösung für die Vorplanung (Leistungs- phase 2) von Neubau und Rückbau der Brücke Dem Preisgericht unter Vorsitz von Herrn MR einzureichen, wobei die wichtigsten Planungs­ Joachim Naumann gehörten neben Herrn Prof. parameter sowie vorabgestimmte Auflagen der Dr.-Ing. Jörg Schlaich Vertreter der Hessischen Träger öffentlicher Belange verbindlich vorgege- Landesverwaltungen, der Stadt Limburg bzw. des ben waren. Bistums Limburg an.

Die eingereichten Ergebnisse verfolgten – wie von Hessen Mobil gewünscht – stark voneinander 4 Bauwerksentwurf abweichende Umsetzungsansätze, was am Bei- spiel der Anzahl der gewählten Stützen (vier bis Anfang 2010 wurde das Ingenieurbüro Konstruk- 24) bzw. der gewählten maximalen Stützweiten tionsgruppe Bauen, Kempten, gemäß den Vorga- (42 m bis 165 m) deutlich wird. Im Rahmen der ben aus dem Wettbewerb mit der weiteren Ent- Vorprüfung wurden die Wettbewerbsergebnisse wurfsbearbeitung für Brückenneubau und Abriss über vorher bekanntgegebene Kriterien wie Ge- der vorhandenen Brücke beauftragt. Dabei waren staltung und Einbindung in das Landschaftsbild, die Hauptgestaltungsmerkmale der Brücke wie Innovation und Wirtschaftlichkeit mit 34 bis 78 Pfeilerform, Stützweiten, Überbauhöhe, Quer- von 100 möglichen Punkten bewertet. schnittsform und Ausbildung der Querträger – als sichtbares Ergebnis aus dem Wettbewerb – aus- Wider Erwarten konnten die ersten drei in die drücklich beizubehalten. engere Wahl genommenen Vorschläge nicht voll- ständig überzeugen, worin sich nach Überzeugung Die Lahntalbrücke Limburg ist als semiintegrales des Preisgerichts die Schwierigkeit der gestellten Bauwerk mit vier biegesteif mit dem Überbau ver-

Bild 6: Ansicht der neuen Lahntalbrücke Limburg

70 Annett Nusch, Stefan Franz: Der Ersatzneubau der Lahntalbrücke Limburg bundenen Stützenachsen konzipiert. Die Heraus- forderung der Entwurfsplanung bestand unter an- derem darin, ein ausgewogenes System zwischen der Steifigkeit des Überbaus, der Stützen und den Stützweiten zu finden, da sich alle Bauteile infolge Beanspruchung aus äußeren Lasten und Zwangs- schnittgrößen gegenseitig beeinflussen. Daher war es erforderlich, im Rahmen der Entwurfspla- nung das Bauwerk als Gesamtmodell inkl. Stützen, Pfahlkopfplatten und Bohrpfählen dreidimensional zu berechnen und dabei Grenzwertbetrachtungen für die Bettung der Pfähle durchzuführen. Bild 8: Bewehrungsdetail für den monolithischen Anschluss 4.1 Technische Grunddaten System: Gesamtlänge 450 m 4.2 Ausbildung der Vollpfeiler – zwei vollständig getrennte Teilbauwerke Durchlaufträger mit den Spannweiten Anbindung an den Überbau 45, 60, 75, 90, 75, 60, 45 m Überbau: je zwei einzellige Spannbetonhohl­ Für die zwei getrennten Richtungsfahrbahnen wer- kästen in Mischbauweise längs vorgespannt den gemäß Wettbewerbsergebnis je Pfeilerachse gevoutet, Bauhöhen 2,50 m bis 5,50 m zwei Pfeilerpaare vorgesehen. Jedes Pfeilerpaar Betongüte C 40/50 setzt sich wiederum aus zwei kreisrunden Voll- Stahlgüte St 1660/1860 (ext) / St 1470/1670 (int) querschnitten zusammen, mit einem entsprechend Querträger zwischen beiden Kästen in den Pfeilerhöhen und den Erfordernissen der stati- den Stützenachsen schen Berechnung abgestuften Durchmesser. In Fahrbahnplatte in Querrichtung schlaff bewehrt den mittleren vier Achsen sind die Pfeilerpaare mo- Unterbauten: kastenförmige Widerlager nolithisch mit den Überbauten verbunden. pro Achse je vier runde Stahlbeton- Vollpfeiler in C 50/60 Pfeiler mit zu den Widerlagern hin Während im Wettbewerb noch die Ausführung abnehmenden Durchmessern (max. als Stahlverbundstützen favorisiert wurde, ge- 2,80 m – min. 2,00 m) langte der Entwurfsverfasser in der weiteren Be- Gründung: Ortbeton-Bohrpfähle, Durchmesser 1,50 m und Länge bis 20 m arbeitung gemeinsam mit dem Bauherrn zu der zusätzlich Betonstopfsäulen bei Wider- Auffassung, dass es keine zwingende statisch- lager Seite Frankfurt konstruktive Notwendigkeit für die sehr aufwän- Lagerung: mittlere vier Achsen monolithisch mit dem Überbau verbunden digen Stahl-Verbund-Stützen gibt. Daher wurde Kalottenlager in den restlichen Achsen die bereits im Wettbewerb benannte Alternativ- LSW: 5 m hohe, transparent ausgefachte lösung, massive Stahlbeton-Rundstützen mit zu- Lärmschutzwand (stadtzugewandte Seite) sätzlicher Farbbeschichtung, der weiteren Planung zugrunde gelegt. Der monolithische Anschluss an Insbesondere die nachfolgend aufgeführten De- die Stützquerträger bzw. die Hohlkästen wurde, tailpunkte wurden im Rahmen der Entwurfspla- um die konstruktive Machbarkeit des biegestei- nung unter Mitwirkung des Bundesverkehrsminis- fen, monolithischen Anschlusses in Bezug auf die teriums (BMVBS) und dem in der Entwurfsphase statisch erforderliche Bewehrung nachzuweisen, hinzugezogenen Prüfingenieur intensiv diskutiert: detailliert untersucht.

4.3 Besichtigungs­ einrichtung

Wie in jedem Bauwerksentwurf wa- ren die nach den Vorschriften der RBA-BRÜ erforderlichen Vorkehrun- gen wie Zufahrts- und Zugangswe- ge, Einstiege, Besichtigungs- und Wartungseinrichtungen anzugeben. Da die seinerzeit in Deutschland verfügbaren, mobilen Geräte für die Bild 7: Schnitt durch den Überbau mit Ansicht Stützquerträger konkrete Aufgabenstellung (Brei-

71 26. Dresdner Brückenbausymposium te je Teilbauwerk über 22 m, einseitig 5 m hohe gebote ausdrücklich zuzulassen. Lärmschutzwand, Konstruktionshöhe Überbau bis 5,50 m) keine ausreichende Reichweite aus- Die Entwurfsbearbeitung für den Brückenneu- weisen, wurde – als Ergänzung für ein mobiles bau erfolgte 2010–2011. Anfang 2012 folgte die Großgerät – ein stationärer Besichtigungswagen Genehmigung des Bauwerksentwurfes (Neubau) vorgesehen. Dieser fahrbare Besichtigungswagen nach Erteilung des Sichtvermerks des BMVBS. mit Arbeitsbühne und verschiebbarem Hydraulik­ lift dient ausschließlich der Besichtigung der Au- Zeitlich parallel zur Bauwerksplanung für den Neu- ßenflächen der Hohlkästen im Bereich der sonst bau der Lahntalbrücke Limburg wurden weitere nicht erreichbaren Bauwerkslängsfuge zwischen Bauwerksplanungen sowie umfangreiche Unter- den Überbauten. Zum Schutz vor Verschmutzung lagen für die Planfeststellung der Gesamtmaßnah- und mutwilliger Beschädigung wird dieses statio- me „Ersatzneubau der Lahntalbrücke Limburg mit näre Gerät innerhalb einer im Widerlager integrier- Verlegung der BAB 3 und Umbau der Anschluss- ten „Garage“ untergestellt. stelle Limburg-Süd“ erarbeitet. Der Planfeststel- lungsbeschluss erlangte im April 2012 Bestands- kraft. 4.4 Herstellverfahren

In der Entwurfsplanung wurde zunächst, ge- 4.5 An der Entwurfsplanung mäß Angabe im Wettbewerbsentwurf, Freivor­ ­Beteiligte bau als Bauverfahren für die Herstellung der Überbauten durchgearbeitet, auch da dies unter Bauherr: BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Berücksichtigung aller hier vorliegenden Rand- vertreten durch die Hessische Stra- bedingungen das wirtschaftlichste Verfahren ßen- und Verkehrsverwaltung, hier KC darstellte. Über die geführten Nachweise – vor Bauwerksentwurf im ASV Marburg Entwurfsverfasser: Konstruktionsgruppe Bauen Kempten, allem in Bezug auf die bauzeitliche Pfeilernach- Dipl.-Ing. Norbert Nieder, Dipl.-Ing. giebigkeit und den daraus erforderlich werden- Klement Anwander den, zusätzlichen Pfeileraussteifungen in Form Prüfingenieur Lph 3: Dipl.-Ing. Volkhard Angelmaier, Stuttgart­ von Gerüsten und Abspannungen – erfolgte in enger Abstimmung zwischen Bauherrn, Ent- wurfsverfasser und dem Prüfingenieur eine 5 Vergabeverfahren Neubewertung der zeitlichen und monetären Ri- siken, auch im Hinblick auf die zugehörigen Aus- Im April/Mai 2012 wurde der Deutschen Einheit schreibungsdetails. Daher wurde letztlich einer Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) Herstellung mittels Vorschubrüstung mit Hilfs- durch das Land Hessen die Realisierung des Er- stützen der Vorzug gegeben. Dabei werden die satzneubaus der Lahntalbrücke Limburg mit Ver- Randfelder, wie bei der Freivorbauvariante, auf legung der BAB 3 und Umbau der Anschlussstel- bodengestützten Lehrgerüsten erstellt. Dieses le Limburg-Süd übertragen. Ferner übernahm die eher konservative Bauverfahren war aus Bau- DEGES den Neubau eines zweiten Brückenbau- herrensicht besser für einen „Amtsentwurf“ werks über die B 8 im Bereich der Anschlussstelle geeignet. Alternative Lösungen für das Bauver- Limburg-Süd als Folge der Trassenverlegung und fahren und den Bauablauf waren über Nebenan- den Rückbau der Tank- und Rastanlage Limburg-

Bild 9: Besichtigungsbereich des stationären Besichtigungswagens

72 Annett Nusch, Stefan Franz: Der Ersatzneubau der Lahntalbrücke Limburg

Bild 10: Archäologische Grabungen am südlichen Lahnufer

West, deren Fläche für Ausgleichs- und Ersatz- q Erd- und Deckenbau einschließlich bauzeit- maßnahmen vorgesehen ist. Weiterhin wurden licher Verkehrsführung, Errichtung von Ver- der DEGES der Rückbau der alten Lahntalbrücke kehrszeichenbrücken, Rückbau der Tank- und und des Bauwerks über die B 8 im bisherigen Rastanlage Limburg-West, Rückbau der alten Zuge der A 3 sowie diverse kleinere Ergänzungs- A 3, Errichtung von Lärmschutzwällen und maßnahmen (z. B. die Sanierung der Entwässe- Rückbau der Baustraßen am Ende der Bau- rungseinrichtungen im angrenzenden Bestand, maßnahme, Kabel- und Leitungsverlegungen etc.) übertragen. q Rückbau der alten Lahntalbrücke, Die Errichtung des Ersatzneubaus der Lahntalbrü- cke lag bereits mit Projektübergabe auf dem zeit- q diverse kleinere Bauleistungen wie Kampf- lich kritischen Weg der Gesamtmaßnahme, weil mittelsuche, Fällungen, Markierungsarbeiten, das Bestandsbauwerk bereits 2015 dem Verkehr Beschilderung, Schutzeinrichtungen, Pflanzun- entzogen werden sollte. gen etc.

Nach der Sichtung des Bearbeitungsstandes der Bereits seit dem Jahresbeginn 2012 führte das Planungs- und Ausschreibungsunterlagen wurden Landesamt für Denkmalpflege Hessen in den Flä- die erforderlichen Bauleistungen folgendermaßen chen südlich der Lahn auf Veranlassung des Vor- gegliedert: habenträgers Grabungen zur Dokumentation der Bodendenkmale durch. Dabei wurden unter ande- q Neubau der Talbrücke Limburg einschließlich rem Überreste römischer Lagerstrukturen identifi- Herstellung von Baustraßen am Nord- und ziert, die auf einen Zeitraum zwischen 80 und 50 Südufer der Lahn und Verlegung der L 3020 im Jahre v. Chr. datiert werden konnten. Dies gelang Talgrund, über die nur für einen kurzen Zeitraum charakte-

73 26. Dresdner Brückenbausymposium ristischen Nägel aus den Ledersohlen der Sanda- ten und instrumentierten Pfahlprobebelastungen len römischer Legionäre. stellte sich heraus, dass in weiten Bereichen des Baufeldes wesentlich bessere Bodenkennwerte Im Oktober 2012 wurden die Bauleistungen für der Bemessung zugrunde gelegt werden konn- die neue Talbrücke bekannt gemacht. Dabei wur- ten. Insgesamt konnten etwa 50 % der zunächst den abstimmungsgemäß Nebenangebote im vordimensionierten Pfahllängen eingespart wer- Hinblick auf die Herstellungsart zugelassen. Acht den, ohne Einbußen bei der Tragfähigkeit oder der Bieter haben Hauptangebote sowie jeweils meh- Steifigkeit hinnehmen zu müssen. rere Nebenangebote abgegeben, von denen fünf eine geänderte Herstellung mittels Freivorbau Entsprechend dem von der ausführenden Firma vorsahen. Der Zuschlag wurde am 06.04.2013 vorgesehenen Bauablauf wurde am Nordufer mit auf das wirtschaftlichste Angebot der Max Bögl den Gründungsarbeiten begonnen. Zeitgleich wur- Stiftung & Co. KG, ehem. Max Bögl Bauunterneh- de gemäß Bauvertrag im südlichen Baufeld die mung GmbH & Co. KG, erteilt. Die Streckenbau- Vorschüttung für die Widerlagergründung in Achse leistungen einschließlich dem Neu- und Rückbau 80 angelegt. Durch die bereits im Rahmen der Aus- des Bauwerks über die B 8 und der Verkehrszei- schreibung festgelegte, frühzeitige Herstellung der chenbrücken wurden am 12.05.2014 der Firma Vorschüttung, die Konsolidierung der als setzungs- Bickhardt Bau AG übertragen. Der Bauauftrag für empfindlich begutachteten Schichten und der den Rückbau der alten Lahntalbrücke wurde am messtechnischen Überwachung des Setzungspro- 20.10.2015 der Firma Adam Hörnig Baugesell- zesses mit Horizontalinklinometern konnte auf die schaft mbH & Co. KG erteilt. Auch hier kommt ein ursprünglich vorgesehenen Ertüchtigungsmaßnah- Sondervorschlag zur Ausführung. men mittels Rüttelstopfsäulen verzichtet werden.

Um den Einsatz von Geräten, Schalungsmateri- 6 Bauausführung al und Gerüsten zu optimieren, ist im Bauablauf grundsätzlich vorgesehen, auf der Nordseite der Die Bauausführung an der Talbrücke begann Lahn einen baulichen Vorlauf zu realisieren. So offiziell mit einem feierlichen Spatenstich am wurde im Norden bereits mit der Herstellung der 08.06.2013. Zu Beginn wurden ergänzende Bau- Pfeiler begonnen, während auf der Südseite noch grundaufschlüsse in Verbindung mit Pfahlprobe­ die Gründungsarbeiten durchgeführt wurden. Die belastungen durchgeführt. Hiermit sollten die Arbeiten an den Pfeilertischen bzw. am Überbau bisherigen Empfehlungen und Bemessungsvor- des nördlichen Endfeldes fanden zeitgleich mit gaben des Baugrundsachverständigen verifiziert den Pfeilerarbeiten am südlichen Lahnufer statt. oder ggf. optimiert werden. Anhand der Baugrund- Letztlich wurden die Freivorbaugeräte auf der aufschlüsse und der dementsprechend ausgeleg- Nordseite eingesetzt, während die Pfeilertische

Bild 11: Baufeld Talbrücke mit Blick in westlicher Richtung auf Limburg (© Nürnberg Luftbild, Hajo Dietz)

74 Annett Nusch, Stefan Franz: Der Ersatzneubau der Lahntalbrücke Limburg bzw. das Endfeld auf der Südseite hergestellt wurden. Mit dem Um- zug der Freivorbaugerüste auf die Südseite wurden wiederum die Schalungen für die Pfeilertische und das Endfeld frei zum Einsatz beim zweiten Überbau.

Die Pfeiler wurden mit Kletterscha- lung in 5-m-Schüssen hergestellt. Die Hilfspfeiler wurden dagegen ohne Anforderungen an die An- sichtsqualität in Gleitbauweise hergestellt. Mit beiden Verfahren wurde eine sehr gute Baugenauig- keit erreicht: in 55 m Höhe betrug die größte Abweichung aus der Lot- rechten weniger als 2 cm. Bild 12: Pfeilerherstellung mit Kletterschalung und Gleitschalung (links)

Laut Bauvertrag sollte aus Gründen der Verkehrsführung (s. Abschnitt 8) der östlich 7.1 Ausbildung und Anordnung gelegene Überbau der Richtungsfahrbahn Köln der Hilfspfeiler zuerst hergestellt werden. Die Fertigstellung des ersten Teilbauwerks der Richtungsfahrbahn Köln Der Schlüssel zur Realisierbarkeit der Herstel- erfolgte im Herbst 2015, sodass das Bestandsbau- lung der Überbauten im Freivorbau liegt in einer werk planmäßig dem Verkehr entzogen werden ausreichend steifen Stabilisierungskonstruktion. konnte. Lediglich eine Fahrspur der Fahrtrichtung Da die planmäßigen Pfeiler im Hinblick auf den Frankfurt verblieb zur Anbindung der Ausfahrt Endzustand des semiintegralen Bauwerks sehr Limburg-Süd noch für einige Wochen in der alten schlank ausgebildet wurden, um Zwangsschnitt- Trasse und daher auch auf dem Bauwerk. größen zu minimieren, kommt der Steifigkeit der bauzeitlichen Hilfskonstruktionen eine besondere Der Rückbau der alten Lahntalbrücke begann Bedeutung zu. nach vorbereitenden Arbeiten im Talgrund im Ja- nuar 2016 mit der Montage einer Vorschubrüs- Der Bieter hat dies erkannt und quadratische Hilfs- tung, die derzeit noch nicht abgeschlossen ist. pfeiler aus Stahlbeton mit 30 cm Wandstärke und Der Abbruch des Überbaus der alten Richtungs- 2,0 × 2,0 m Außenabmessung vorgesehen. Zur fahrbahn Köln soll im April 2016 beginnen. Die Ausbildung eines Rahmens aus Pfeiler, Pfeiler- Pfeiler sollen teilweise gesprengt werden. Der tisch, Hilfspfeiler und Gründung erfolgte die An- Rückbau der Widerlager erfolgt bis unterhalb der bindung oben monolithisch. Unten wurden beide späteren Gelände- und Böschungsgeometrie. Die Hilfspfeiler eines Teilbauwerkes auf einem quer Abbrucharbeiten werden vorausichtlich im Herbst zur Fahrtrichtung liegenden Spannbetonriegel er- 2017 abgeschlossen sein. Auf allen Rückbauflä- richtet, der seinerseits auf die Pfahlkopfplatten chen werden im Anschluss naturschutzfachliche gespannt wurde, um in alle Richtungen biegesteif Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für die neu in angeschlossen zu sein. Durch eine geringfügige Anspruch genommenen Flächen durchgeführt. Vergrößerung der Pfahlkopfplatten in Bauwerks- längsrichtung konnte allein die endgültige Grün- dung zur Aufnahme der Stabilisierungskräfte her- 7 Technische Besonderheiten angezogen werden. Das vermied Unwägbarkeiten aus einer separaten Hilfsgründung. Exemplarisch werden nachfolgend einige beach- tenswerte technische Aspekte vorgestellt, die bei Aufgrund der sich feldweise ändernden Stützwei- dieser außergewöhnlichen Baumaßnahme von ten waren auch Überlegungen erforderlich, auf Bedeutung waren. welcher Seite des Pfeilers die Hilfspfeiler sinnvoll zu platzieren sind. In dem Flussfeld konnte durch die Anordnung auf Seite der Lahn die freie Krag- länge im Freivorbau minimiert werden. Im Feld zwischen Achse 20 und 30 bzw. 60 und 70 war es sinnvoll, den Hilfspfeiler bei Achse 30 in Richtung Achse 20 zu platzieren (entsprechend bei Ach-

75 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 13: Bauabschnittseinteilung se 60 in Richtung Achse 70). Damit konnte der un- Besonders hervorzuheben ist die Idee, die Hilfs- vermeidliche einhüftige Freivorbau, der nach dem pfeiler beim zweiten Teilbauwerk wiederzuver- Lückenschluss zwischen Achse 30 und 40 (bzw. wenden und damit Herstellungskosten, vor allem 50 und 60) durchgeführt wurde, mit kleineren aber Bauzeit einzusparen. Hierzu wurden nach der Kraglängen erfolgen. Die Lage des Lückenschlus- Entbehrlichkeit der Hilfspfeiler beim ersten Teil- ses zwischen Achse 20 und 30 (bzw. 60 und 70) bauwerk die Verbindung zum Überbau durch Sä- wurde durch die gewählte Kragarmlänge über die geschnitte getrennt, die Verspannung der Spann- Achse 20 hinaus bestimmt. Aus Risikoabwägun- betonriegel mit den Pfahlkopfplatten gelöst, der gen im Hinblick auf die Kriechverformungen bei Riegel mittels Pressen auf Verschublagern ange- längerer Standzeit des auf Lehrgerüst hergestell- hoben und samt Hilfspfeilern auf einer stähler- ten Abschnittes wurde diese so gewählt, dass an nen Verschubbahn in Querrichtung verschoben. der Kragarmspitze keine nennenswerten Verfor- Innerhalb von wenigen Stunden befand sich das mungszuwächse zu erwarten waren. Hilfspfeilerpaar in der planmäßigen Stellung für die Herstellung des zweiten Teilbau- werks. Der Hilfspfeilerkopf wurde jeweils zur monolithischen Anbin- dung an den neuen Pfeilertisch ab- gebrochen und neu aufbetoniert. Alle vier Verschubaktionen wurden von der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt.

7.2 Herstellung der ­Pfeilertische

Eine besondere Herausforderung stellte die Herstellung der Pfeilerti- sche in etwa 60 m Höhe über dem Talgrund dar. Diese Startabschnitte für den anschließenden Freivorbau mussten in Verbindung mit dem je- weiligen Querträger auf den vier zur Verfügung stehenden Pfeilern (je zwei endgültige und zwei Hilfspfeiler) mit einer in alle Richtungen auskra- Bild 14: Querverschub der Hilfspfeiler genden Schalungskonstruktion her-

76 Annett Nusch, Stefan Franz: Der Ersatzneubau der Lahntalbrücke Limburg

Bild 15: Herstellung der Pfeilertische in 60 m Höhe

77 26. Dresdner Brückenbausymposium gestellt werden. Angesichts der vorgesehenen Be- der Bohrpfähle in Bezug auf die Pfeilerachse. ton-Abmessungen von 21,5 m Breite, 12,5 m Länge Schließlich gelang es, durch die ausmittige Anord- und bis zu 6,0 m Höhe, glich dieser Bauzustand nung der Pfeilertische um etwa die Hälfte eines zeitweise Bohrplattformen zur Erdölgewinnung. Im- Freivorbau-Betonierabschnittes und die einseitige merhin 900 m³ Beton waren für einen Pfeilertisch Herstellung eines vorauseilenden Freivorbau-Be- einzubauen. tonierabschnittes (einhüftiger Freivorbau) alle vor- genannten Kriterien bestmöglich zu erfüllen [1]. Die Schalung für die in drei Betonierabschnit- ten hergestellten Pfeilertische wurde auf einer Trägerrostebene aus Stahlträgern aufgelegt, die 7.3 Freivorbau gleichzeitig zur Aussteifung und Fixierung der vier Einzelpfeiler diente. Die Anschlussdetails an den Während der Überbauherstellung sind vier Frei- Pfeilern wurden so ausgelegt, dass ein nachträgli- vorbaugeräte gleichzeitig im Einsatz. Anzumerken ches Verschließen der Pfeileroberfläche ohne op- ist, dass damit die Mobilisierung von acht Geräte- tische Beeinträchtigungen möglich ist. sätzen erforderlich ist, da der Überbau zwei ge- trennte Hohlkastenquerschnitte besitzt und damit Die genaue Anordnung der Pfeilertische in Bau- etwa doppelt so breit ist wie ein üblicher Brücken- werkslängsrichtung wurde im Rahmen eines Ab- querschnitt für zwei Fahrspuren. An jeder Krag- wägungsprozesses festgelegt. In diesem Prozess armspitze sind daher zwei Gerätesätze im Einsatz, konkurrierte die Minimierung der freien Auskra- die miteinander gekoppelt und gegeneinander gung der Schalungsgerüstkonstruktion mit der er- ausgesteift sind. Hieraus resultieren besonders forderlichen Mindestlänge zur Montage der Frei- aufwendige Arbeitsabläufe beim Umsetzen und vorbaugerüste samt Arbeitsraum. Weiterhin galt Einrichten für den nächsten Betonierabschnitt. es zu vermeiden, dass die Hilfspfeiler während des Freivorbaus Zugkräfte erhalten. Die Neigung der Stege ist in Bauwerkslängsrich- tung konstant. In Verbindung mit der veränderli- Die Auswirkungen dieser Betrachtungen reich- chen Konstruktionshöhe infolge Voutung ergibt ten bis hin zur optimierten Wahl der Anordnung sich, dass die Bodenschalung der Hohlkästen zwi-

Bild 16: Freivorbau am nördlichen Lahnufer

78 Annett Nusch, Stefan Franz: Der Ersatzneubau der Lahntalbrücke Limburg

Bild 17: Arbeitsschritte beim Freivorbau in den Achsen 30 und 40 schen den Stegschalungen für jeden nachfolgen- (Druck) abgetragen. Die Schalung wird zuvor den Betonierabschnitt angehoben und in der Nei- am ausgewogenen Waagebalkensystem (Verti- gung angepasst werden muss. Weiterhin muss kallast fast vollständig im Pfeiler, fast kein resul- jeweils am Rand ein Schalungsstreifen ergänzt tierendes Moment) vor dem Betonieren beider werden, da der Kastenboden in Richtung Feldmit- Abschnitte eingerichtet und entsprechend der te kontinuierlich breiter wird. Überhöhungsberechnung eingestellt. Nach dem Betonieren und dem Erreichen der erforderlichen Die Herstellung der ca. 5 m langen Freivorbauab- Betondruckfestigkeiten werden vier zusätzliche schnitte erfolgt jeweils in einem Guss über die Fahrbahnplattenspannglieder eingebaut, vorge- gesamte Querschnittshöhe und -breite. Dabei spannt und baldmöglichst verpresst. Auf diese wird an zwei aufeinanderfolgenden Tagen alter- Weise wächst mit jedem Betonierabschnitt die nierend an der nördlichen bzw. südlichen Krag- im Stützmomentenbereich verfügbare Vorspan- armspitze betoniert. Dabei wird zuerst immer auf nung in etwa affin zum Momentenzuwachs. Kop- der Seite betoniert, auf welcher der Hilfspfeiler pelfugen sind durch diese Vorgehensweise nicht steht. Die zwischenzeitlich wirksame Momen- erforderlich. tenbeanspruchung aus einseitigem Betonmehr- gewicht wird von dem Stabilisierungsrahmen Vor dem Lückenschluss wird ein Freivorbaugerät aus Pfeiler, Riegel (Pfeilertisch) und Hilfspfeiler abgebaut und der Lückenschluss mit dem verblei-

79 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 18: Erschwernis für Vermessungsarbeiten benden Gerät betoniert. Während der Herstellung nung wurde parallel zur Herstellung der Kappen der Lückenschlüsse müssen die gegenseitigen und Abdichtung eingebaut. Bewegungen der gegenüberliegenden Bauteile ausgeschlossen werden, damit die Schalung dicht bleibt und nicht beschädigt wird. Innerhalb des 7.4 Arbeiten in großer Höhe Kastenbodenquerschnitts werden hierzu jeweils zwei Stahlträgerpaare HEM 120 in Verbindung mit Neben den arbeitsschutzrechtlichen Besonder- dem Verlegen der Bewehrung eingebaut. Diese heiten spielen beim Arbeiten in großer Höhe aus steifen die beiden zuletzt hergestellten Kastenbö- technischer Sicht zwei wesentliche Probleme den gegeneinander aus, indem sie in Längsrich- eine Rolle: Zum einen ist während der Herstellung tung durch einen Teil der bereits zu diesem Zeit- der Betonierabschnitte die Versorgung mit Frisch- punkt – also vor dem Betonieren! – eingebauten beton zu gewährleisten. Solange keine niveau- und teilvorgespannten Bodenplattenspannglieder gleiche Andienung mit Transportbetonfahrzeugen überdrückt werden. Anschließend werden die möglich ist, muss der Frischbeton die bis zu 55 m Tröge (Bodenplatten und Stege) in einem ersten hohen Pfeiler über Rohrleitungen hochgepumpt Betonierabschnitt hergestellt. Die Fahrbahnplat- werden. Damit steigen die Risiken für Verstopfun- te wird im Bereich der Lückenschlüsse in einem gen und andere Havarien. Erst mit dem Schließen zweiten Betonierabschnitt ergänzt. der Lücken zwischen den Achsen 20 und 30 bzw. 60 und 70 war eine Andienung über den fertigge- Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, letzte stellten Überbauabschnitt möglich. geringe Höhendifferenzen im Bereich der Lü- ckenschlüsse mit Hilfe der Tragreserven der Die zweite Schwierigkeit besteht in den beson- Freivorbaugerüste auszugleichen und die gegen- deren Einflüssen auf die Vermessungsarbeiten. überliegende Kragarmspitze vor dem Betonieren Zum einen werden diese durch die Behinderung der Tröge etwas anzuheben. Dieser Vorgang wur- der Sichtbeziehungen aufgrund großer Entfer- de selbstverständlich anhand der messtechni- nungen oder Nebel gestört. Zum anderen sind schen Überwachung vorhergesehen, geplant und sie besonderen Schwankungen unterworfen, die gesondert nachgewiesen. unmittelbar mit den schlanken und in den unver- bundenen Teilsystemen recht weichen Strukturen Nach erfolgtem Lückenschluss wurden die für zusammenhängen. Durch die Bauweise Freivor­ den Endzustand erforderlichen Bodenplatten- bau besteht die Möglichkeit, durch die vielen klei- spannglieder in die vorbereiteten Hüllrohre einge- nen Betonierabschnitte erkannte Abweichungen schossen, gespannt und verpresst. Die planmäßig kontinuierlich auszugleichen. Allerdings muss in in den Hohlkästen vorgesehene externe Vorspan- jedem Betonierabschnitt unter Berücksichtigung

80 Annett Nusch, Stefan Franz: Der Ersatzneubau der Lahntalbrücke Limburg

Bild 19: Blick von der Anschlussstelle Limburg-Süd nach Norden (© Nürnberg Luftbild, Hajo Dietz)

81 26. Dresdner Brückenbausymposium aller vorhandenen Einflüsse die Schalung neu musste daher aufgegeben werden. Für die bau- eingemessen werden – Chance und Fehlerquelle zeitliche Verschwenkung der Fahrstreifen muss- zugleich. ten in großem Umfang Mittel-, Rand- und Stand- streifen ausgebaut bzw. ertüchtigt werden. Alle Messkonzepte beinhalten daher neben regel- mäßigen Eichungen und Kontrollen des Festpunkt- Der gewonnene Platz reicht jedoch lediglich da- netzes u. a. Ringmessungen, Fehlerausgleichsbe- für aus, nur eine neue Richtungsfahrbahn an den trachtungen, Wiederholungsmessungen immer Bestand anzubinden. Die zweite kann erst in ei- zu gleichen oder ähnlichen Tageszeiten und Wit- ner späteren Verkehrsführungsphase angeschlos- terungsbedingungen. Mitunter werden auch Re- sen werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die ferenzverformungen gemessen, um anhand exis- neue Trasse etwas höher liegt. Infolgedessen tierender (statischer) Modelle Rückschlüsse auf musste der östliche Überbau der neuen Lahntal- die Summe mehrerer Einflüsse zu erhalten bzw. brücke (Richtungsfahrbahn Köln) zuerst herge- nicht isolierbare Einflüsse auf diese Weise heraus- stellt werden, um in allen Zwischenzuständen die rechnen zu können. Verkehrsführung zu ermöglichen. Der Überbau jedes Teilbauwerks besitzt im Endzustand vier Fahrstreifen plus Standstreifen, sodass er breit 7.5 Beteiligte bei der Bauausführung genug ist, bauzeitlich eine 6+0-Verkehrsführung zu ermöglichen. Bauherr: BMVI – Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, vertreten durch das Land Hessen, endvertreten Sobald das zweite Teilbauwerk im Herbst 2016 durch die DEGES GmbH fertiggestellt sein wird, kann die Richtungsfahr- AN Bau Talbrücke: Max Bögl Stiftung & Co. KG bahn Frankfurt aus der 6+0-Verkehrsführung he- AN Bau Strecke und BW 2: Bickhardt Bau AG rausgelöst und die volle Trassenbreite mit 4+4 Ausführungsplanung Talbrücke: Fahrstreifen zuzüglich Standspuren zur Verfü- Büchting + Streit AG gung gestellt werden. Lediglich auf der Limburg Prüfingenieure: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach, Dr.-Ing. Jens Neuser zugewandten Seite der Trasse werden noch für ca. ein weiteres Jahr Einschränkungen bestehen, da der Rückbau der alten Trasse einschließlich 8 Verkehrsführung alter Lahntalbrücke abzuschließen ist und noch während der Bauzeit Lärmschutzwälle am Fahrbahnrand errichtet werden müssen. Die wesentliche Randbedingung zur Planung des gesamten Bauablaufs besteht in der Notwen- digkeit einer ständigen Verfügbarkeit von sechs 9 Zusammenfassung Fahrstreifen, drei in jeder Fahrtrichtung. Dies ist der aktuellen Verkehrsbelastung von fast 100.000 Bei Limburg wird derzeit ein Ersatzneubau für Kfz pro Tag geschuldet, für die selbst dieser Quer- eine Talbrücke hergestellt, die aufgrund geänder- schnitt in Stoßzeiten an die Belastungsgrenze ter verkehrlicher Anforderungen in Kombination stößt. Gleichzeitig sind alle Verkehrsbeziehungen mit baulichen Defiziten am Ende ihrer wirtschaft- in den benachbarten Anschlussstellen Limburg- lich vertretbaren Nutzungsdauer angekommen ist. Nord und Limburg-Süd ständig offenzuhalten. Die neue Talbrücke muss unter vielen Randbedin- Zusätzlich muss die Anschlussstelle Limburg- gungen errichtet werden, die sich in Zukunft ver- Süd währenddessen umgebaut und an die neue mutlich in gleicher oder in ähnlicher Form immer Trasse angebunden werden. Hinzu kommt die häufiger darstellen werden. Zuvorderst sind hier Forderung, die Tank- und Rastanlage Limburg-Ost die hohe Verkehrsbelastung im Bestand sowie die durchgängig offenzuhalten. Nähe zur Wohnbebauung und die anspruchsvolle Topologie zu nennen. Um die Übergangsbereiche zwischen der alten und der östlich gelegenen neuen Trasse unter Umso bemerkenswerter ist, dass es dennoch Verkehr herstellen zu können, müssen die Fahr- gelingen kann, ein hochwertig gestaltetes Bau- spuren der A 3 nach Westen gedrückt werden. Im werk mit modernen bzw. zukunftsweisenden nördlichen Baufeld steht dafür neben der Parallel- Elementen innerhalb des geplanten Termin- und fahrbahn der Anschlussstelle Limburg-Nord auch Kostenrahmens herzustellen. Die kompetente, die Fläche der ehemaligen Tank- und Rastanlage kooperative und engagierte Zusammenarbeit Limburg-West zur Verfügung. Diese wurde hier- aller Beteiligten war hier der Schlüssel für den für frühzeitig zurückgebaut. Nach Abschluss der Erfolg. Maßnahme wäre eine Anbindung der Anlage an die neue Trasse nicht mehr möglich gewesen. Sie

82 Annett Nusch, Stefan Franz: Der Ersatzneubau der Lahntalbrücke Limburg

Literatur [7] Sonnabend, S.; Franz, S.; Steinbrück, Chr.; Kerschensteiner, M.: Die Verformungsbe- [1] Reichsbahnrat Dr.-Ing. Schmerber und Re- rechnung der Lahntalbrücke Limburg. Beton- gierungsbaumeister Doldt: Die Lahntal- und Stahlbetonbau (2016) (zur Veröffentli- brücke bei Limburg im Zuge der Reichsau- chung angenommen) tobahn Frankfurt(M) – Limburg – Köln. DIE BAUTECHNIK (1939) Bildquellenverzeichnis [2] Roland May: Pontifex Maximus. Der Archi- tekt Paul Bonatz und seine Brücken. Ver- Bilder 1–3: Stadtarchiv Limburg lagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG Münster (2011) Bild 4: Hessen Mobil [3] König, Heunisch und Partner Frankfurt/M.: Lahntalbrücke Limburg im Zuge der A3 – Stel- Bild 5: Hessen Mobil, Autoren: Preisträger des lungnahme zur Beurteilung der Dauerhaftig- Wettbewerbs (3. Preis, 3. Preis, 2. Preis = Wett- keit der vorgespannten Bewehrung (2002) bewerbssieger) [4] Bundesanstalt für Straßenwesen (bast): Handlungsanweisung zur Beurteilung der Bilder 6–9: Hessen Mobil, Autor: Konstruktions- Dauerhaftigkeit vorgespannter Bewehrung gruppe Bauen, Kempten von älteren Spannbetonüberbauten. Ausga- be 1998 Bild 10: hessen ARCHÄOLOGIE [5] Hessische Straßen- und Verkehrsverwal- tung: Erläuterungsbericht zur Planfeststel- Bilder 11, 19: DEGES, © Nürnberg Luftbild, Hajo lung (2010) Dietz [6] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen (BMVBW): Grundsätze Bilder 12, 14–15, 18: DEGES und Richtlinien für Wettbewerbe auf den Gebieten der Raumplanung, des Städtebaus Bilder 13, 16: DEGES, Autor: Büchting + Streit AG und des Bauwesen - GRW 1995 -. Novellier- te Fassung vom 22.12.2003 Bild 17: Max Bögl Stiftung + Co. KG

83 Sebastian Riegel: Selbstkletterschalung für die Hochmoselbrücke

Wirtschaftliche Selbstkletterschalung für Europas aktuell größtes Brückenbauprojekt „Hochmoselbrücke

Dipl.-Ing. Sebastian Riegel Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen

1 Bauwerksgeometrie Construction Metallique (beide Teil der Eiffage- Gruppe) und PORR Deutschland GmbH errichtet. 1.1 Lage und Zweck Innerhalb dieser ARGE sind Eiffel und Eiffage für den gesamten Stahlbauteil verantwortlich und Die 1.702,4 m lange Hochmoselbrücke in Rhein- PORR Deutschland stellt alle Stahlbetonbauteile land-Pfalz ist Deutschlands derzeit größtes und her, das heißt insbesondere die Widerlager und gleichzeitig anspruchsvollstes Brückenbauprojekt Pfeiler. (Bild 1). In bis zu 158 m Höhe quert sie das tief eingeschnittene Moseltal zwischen Ürzig und Zeltingen-Rachtig und verbindet die Eifel mit dem 1.2 Generelle Konstruktion Hunsrück. Das Brückenbauprojekt gehört zur Bun- desstraße 50neu und ist Teil einer internationalen Die Brücke ist als Balkenbrücke mit einem Stahl- Straßenachse zwischen den Beneluxstaaten und hohlkastenüberbau und einer 29 m breiten ortho- dem Rhein-Main-Gebiet. Die insgesamt 25 km tropen Fahrbahnplatte ausgeführt. Der Überbau lange B 50neu hat die Aufgabe, die Fernstraßenlü- ist in Längsrichtung als Durchlaufträger mit elf cke von der A 60 bei Wittlich zur A 61 bei Mainz zu Feldern ausgebildet (Stützweiten von 104,8 m, schließen und damit auch die südliche Eifel bes- 131,0 m, 157,1 m, 209,5 m, 196,4 m, 183,3 m, ser an das Rhein-Main-Gebiet und den Flughafen 170,2 m, 157,1 m, 144,1 m, 131,0 m und 117,9 m). Frankfurt-Hahn anzubinden. Der Überbau hat in Längsrichtung ein Gefälle von ca. 0,5 %, wobei das westliche Widerlager (NN Das Bauwerk wird durch eine ARGE aus Eiffel +258,06 m) um ca. 8,45 m tiefer als das östliche Deutschland Stahltechnologie GmbH, Eiffage Widerlager (NN +266,51 m) liegt [1].

Bild 1: Animation der fertigen Brücke, Blick von Süden (©LBM: Landesbetrieb Mobilität Trier, Rheinland-Pfalz)

85 26. Dresdner Brückenbausymposium

1.2.1 Überbau

Die Bauhöhe des Überbaus variiert zwischen ma- ximal 7,55 m und minimal 4,8 m am östlichen Wi- derlager. Die einzelnen Teile des Überbaus werden in den Werken von Eiffel in Hannover und Eiffage in Lauterbourg (Frankreich) vormontiert und per Schwertransport zur Baustelle transportiert.

Der Einbau des Überbaus erfolgt im Taktschiebe- verfahren unter Einsatz eines Hilfspylons (Bild 2). Bild 4: Blick auf die Baustelle vom linken Moselufer, Beim Einbau des Überbaus gibt es zwei Beson- Stand November 2015 (© Hünnebeck derheiten: Deutschland GmbH, Ratingen) q Im Westen schließt sich im Verlauf der Tras- se ein Tunnel unmittelbar an das Widerlager ordnet (Bild 3), der mit der Hauptverschubein- an, womit hier kein Platz für die Montage des heit am Widerlager Ost synchron arbeitet. Überbaus vorhanden ist. Aus diesem Grund Damit werden während des Verschubs der muss der Überbau hinter dem höheren Wider- Pfeilerkopf an Ort und Stelle gehalten und lager montiert und abfallend verschoben wer- die Biegung im Pfeiler auf Grund der Reibung den. Um ein unbeabsichtigtes Abrutschen des zwischen Pfeilerkopf und Überbau minimiert. Überbaus beim Verschub zu verhindern, wird Durch diese Maßnahme konnte die Beweh- dieser während des Verschiebens zusätzlich rung der Pfeiler deutlich reduziert werden. mit Spannlitzen rückwärtig gesichert. q Um die Biegung in den Pfeilern beim Verschub 1.2.2 Pfeiler des Überbaus zu vermeiden, wird auf jedem Pfeiler ein zusätzlicher Verschubbalken ange- Der Überbau ruht auf insgesamt zehn Pfeilern mit Höhen zwischen 20,8 m und 150,7 m sowie zwei Widerlagern (Bild 4). Von den zehn Pfeilern stehen sieben auf der Seite zum Hunsrück (Ostseite bzw. rechtes Moselufer) und drei auf der Seite zur Eifel (Westseite bzw. links der Mosel). Die Pfeiler wur- den als Hohlpfeiler ausgeführt, die Wandstärken variierten entsprechend der Belastung – auch in- nerhalb eines Pfeilers. Die beiden kleinsten Pfeiler (Achse 1 und 10) wurden mit Zwischenpodesten ausgeführt, alle anderen Pfeiler haben nur ein Po- dest direkt unter dem Kopf. Zur Inspektion sind diese Pfeiler mit einer Hubbühne befahrbar. Bild 2: Überbau mit Hilfspylon, Stand Juni 2015 (© LBM: Landesbetrieb Mobilität Trier, Alle Pfeiler weisen – vom Kopf beginnend – Rheinland-Pfalz) die gleiche Form auf. Um die Pfeiler möglichst schlank erscheinen zu lassen, wurden diese quer zur Brückenachse tailliert ausgeführt (Übersicht s. Bild 5). In der Ansicht parallel zur Brückenachse – im Folgenden ‚Längsseite der Pfeiler‘ genannt – folgen die Kanten der Flächen bzw. die Seitenflä- chen einer hyperbolischen Formel. Die Taille des Pfeilers liegt dabei immer genau 47,5 m unterhalb des Pfeilerkopfes. Die Formel und das Koordina- tensystem, nach der sich der Verlauf der Kante berechnet, sind in Bild 6 dargestellt. Die Kanten der Seitenflächen in der Ansicht quer zur Brücken- achse – im Folgenden ‚Schmalseite der Pfeiler‘ genannt – haben einen linearen Anzug von 80:1. Bild 3: Verschubbalken auf Pfeiler Achse 09 (©LBM: Landesbetrieb Mobilität Trier, Die Wandstärken variieren bei den höchsten Pfei- Rheinland-Pfalz)) lern (Achsen 3–6) zwischen 60 cm am oberen

86 Sebastian Riegel: Selbstkletterschalung für die Hochmoselbrücke und unteren Ende sowie 55 cm in der Mitte. Im Pfeiler Achse 7 variiert die Wandstärke zwischen 60 cm an den Enden und 40 cm in der Mitte. Die Pfeiler in den Achsen 2 und 8 weisen Wandstärken zwischen 50 cm oben bzw. unten sowie 30 cm in der Mitte auf. Der Pfeiler Achse 9 hat eine Wandstärke von konstant 40 cm, die Pfeiler in den Achsen 1 und 10 konstant 30 cm. Die Veränderung der Wandstärken erfolgt dabei mehr oder weniger kontinuierlich – je nach statisch er- forderlichem Betonquerschnitt.

Die Größe des Innenraums variiert dabei entsprechend stark. Parallel zur Brückenachse verjüngt sich der Innenraum von 6,32 m (OK Anfän- ger Achse 04) bis auf nur 2,83 m unter der Zwischendecke (Pfeiler Achsen 3–6) – jedoch nicht linear, da sich die Wandstärke ebenfalls wie oben beschrieben ändert. Quer zur Brückenachse folgt die Größe des Innenraums der Entwicklung der Außenkante – aber auch nur ungefähr, da die Veränderung der Wandstärken hier ebenfalls eine Rolle spielt. In der Achse 4 verän- dert sich die Breite des Innenraums von 14,46 m an der Oberkante des Anfängertakts über 8,40 m in Höhe der Taille bis zu 11,40 m an der Un- terkante der Zwischendecke.

Bis auf die Pfeiler Achse 1 (Bild 7) und Achse 10 werden alle Pfeiler in 5 m hohen Betonierabschnitten her- gestellt. Die Einteilung erfolgt vom Bild 5 (oben): Übersicht Pfeilergeometrie Kopf abwärts, wobei der oberste Bild 6 (unten): Formel zur Ableitung der Pfeilerform Schuss nur 4,9 m hoch war. Diese (beide © Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen) Abweichung von der Regelhöhe er- leichterte den Einbau der Zwischen- decke, da der vorletzte Takt bis zur OK dieser Zwischendecke herge- stellt werden konnte. Die notwen- dige Anpassung an die Pfeilerhöhe erfolgte durch die entsprechende Wahl der Höhe des Anfängertakts. Die Pfeiler Achse 1 und Achse 10 wurden in unregelmäßigen Schuss- höhen hergestellt, die durch die Po- sitionen der Zwischendecken defi- niert wurden.

Die Außenseite der Pfeiler wird als Sichtbeton mit einer Brettstruktur

87 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 7: Pfeiler Achse 1 am linken Moselufer, Stand November 2015, (Foto: © Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen)

ausgeführt (Bild 8), die jedoch nicht saugend sein musste. Für die Innenseiten gab es keine erhöh- ten Anforderungen an die Oberfläche.

2 Selbstkletterbühnen

Im Folgenden wird nur die Herstellung der Pfeiler Achse 2 bis Achse 8 behandelt, die von Hünnebeck Deutschland konzipiert, geplant und geliefert wurde.

Die Pfeiler Achse 1 und Achse 10 wurden auf Grund der geringen Höhe und unregelmäßiger Betonierhöhen mit Krankletterschalung – eben- falls von Hünnebeck – hergestellt, wobei die In- nenschalung auf den Zwischendecken aufgestellt wurde. Weiterhin wurde durch Hünnebeck auch die Schalung für die Widerlager, Anfänger und Fundamente geliefert.

2.1 Anforderungen an Schalung und Bühnen

Aus der Geometrie der Pfeiler ergibt sich für die Schalung eine Reihe von Anforderungen, denen bei der Planung und Ausführung der Schalung Rechnung getragen werden muss:

q Die Schmalseite verjüngt sich in jedem Schritt um 12,5 cm (2 × 5 m / 80 = 12,5 cm), ins­ gesamt um 3,8 m am Pfeiler Achse 4.

q Die Längsseite verjüngt sich am höchsten Pfei- Bild 8: Oberflächenqualität des Betons ler (Achse 4) vom Fuß bis zur Taille um 6,8 m (© Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen) und weitet sich dann wieder um 3,9 m auf.

88 Sebastian Riegel: Selbstkletterschalung für die Hochmoselbrücke q Die Abmessungen der Innenräume verändern notwendige Werkzeuge, Materialien und Bau- sich ähnlich wie die Außenabmessungen, je- stelleneinrichtungen lagern zu können – bis hin doch noch stärker, da auch die Unterschiede zur Baustellentoilette. in den Wanddicken kompensiert werden müs- sen. q Der notwendige Umbau von Schalung und Kletterbühnen zur Anpassung an die verän- q Alle Anpassungen müssen kontinuierlich erfol- derliche Pfeilergeometrie muss in möglichst gen, da Absätze in den Oberflächen nicht zu- einfachen Arbeitsschritten erfolgen und sicher lässig waren. durchzuführen sein. ‚Sicher‘ bezieht sich dabei sowohl auf die Arbeitssicherheit während der q Aus der Forderung nach Sichtbetonqualität auf Umbauten, als auch auf die Prozesssicherheit, der Außenseite ergibt sich die Notwendigkeit d. h. leicht planbare und auszuführende Ar- eines geordneten Fugen- und Ankerrasters. beitsschritte. In Bezug auf die Arbeitssicher- heit gilt es insbesondere zu vermeiden, dass Weiterhin gab es auch Anforderungen durch die Umbauarbeiten ohne Seitenschutz (z. B. am bauausführende Firma, die Hünnebeck natürlich offenen Rand) oder unter enormem Zeitdruck berücksichtigt hat – schon um den Auftrag zu er- (z. B. während des Kletterprozesses) durchge- halten: führt werden müssen. q Die große Höhe der Bauwerke erfordert, dass q Im Zuge des Projekts sollen mit der Selbstklet- besonderes Augenmerk auf die Arbeitssicher- terschalung insgesamt acht Pfeiler mit zwei heit gelegt wird. Auf allen Arbeitsebenen muss Schalsätzen hergestellt werden, beginnend der Seitenschutz daher mindestens 2 m hoch mit dem kleinsten Pfeiler in Achse 9 (50,2 m sein (Bild 9 und Bild 10). Das gilt auch für die Höhe). Um Kosten für zusätzliche Schalungs- Zeiten von Umbauarbeiten und Montagen. sätze zu sparen verlangte PORR, dass die Schalungen auf allen Pfeilern wiederverwend- q Auf den Arbeitsbühnen muss genug Arbeits- bar sind. Das schloss eine Anpassung der und Stauraum zur Verfügung stehen, um dort Schalung durch simples Abschneiden aus.

Bild 9: Pfeiler Achse 6, Stand August 2014 Bild 10: Kletterschalung am Pfeilerkopf (Foto: Sebastian Riegel) (© Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen)

89 26. Dresdner Brückenbausymposium q Die Schalung und die Bühnen müssen von ei- vor dem Klettern nicht vollständig beräumt nem Pfeiler auf den nächsten umgesetzt wer- werden. Es genügt, alle losen Teile von den den. Damit mussten sowohl die Schalung als Kanten wegzuräumen. auch die Bühnen so konstruiert sein, dass sie in möglichst großen Einheiten umgesetzt wer- Die Höhe der Schalung wurde mit 5,20 m festge- den können. Das maximal zulässige Einzelge- legt (5 m Takthöhe + 15 cm Überstand oben und 5 wicht beträgt 6 t, bedingt durch die maximale cm Überlappung zum vorhergehenden Abschnitt). Traglast des Krans. Die Schalung ist außen mit einer gebürsteten 3S- Dreischichtplatte belegt, die auf der Betonseite versiegelt ist. Diese Platte liefert auf der einen Sei- 2.2 Systemauswahl und grundsätzli- te die vom Bauherrn geforderte Brettstruktur und cher Aufbau war gleichzeitig haltbar genug für die geforderte Einsatzdauer. Durch besonderes Augenmerk auf Aus den oben aufgeführten Anforderungen wird eine handwerklich gute Verarbeitung der Platten relativ schnell deutlich, dass die Kletterbühnen, und den Einsatz metallener Bohrlochverstärkun- auf denen die Schalung montiert wird, auf sehr gen konnte die Platte über 60 Einsätze bestehen. hohe Lasten und eine große Flexibilität ausge- Um das zu erreichen, muss bei der Verarbeitung legt sein müssen. Gleichzeitig muss das Konzept besonders auf die Versiegelung der Schnittkanten so gewählt werden, dass die Umbauten einfach und Bohrlöcher geachtet werden, da die Platte durchzuführen sind und nicht auf dem kritischen sonst an diesen Stellen aufreißt bzw. aufquellen Weg im Bauzeitenplan liegen dürfen. kann. Die Schalung der Innenseite ist mit einer filmbeschichteten Sperrholzplatte belegt, die über Grundsätzlich bietet sich bei Bauwerken dieser das gesamte Projekt nicht ausgetauscht werden Höhe die Benutzung von klassischen Selbstklet- soll (ca. 90 Einsätze). tersystemen mit separat arbeitenden Kletter- schienen an, denn: q Diese Systeme haben eine hö- here Tragfähigkeit als normale Krankletterbühnen sowie ge- führte Klettersysteme mit integ- rierter Kletterschiene. q Selbstkletterbühnen sind beim Umsetzten von einem in den nächsten Betoniertakt am Bau- werk geführt und können da- mit auch bei höheren Wind- geschwindigkeiten umgesetzt werden. q Bei Klettersystemen mit sepa- rater Schiene wird die Kletter- schiene im ersten Kletterschritt lastfrei in den nächsten Klet- terschuh geschoben und dort verankert. Im zweiten Schritt klettert die Bühne dann entlang dieser Schiene in den nächsten Verankerungspunkt. Damit eig- net sich das System besonders für hohe Lasten sowie bei Ände- rungen der Kletterrichtung, wie es bei diesen Pfeilern u. a. durch die gekrümmten Seiten notwen- dig ist. q Da Selbstkletterbühnen am Bau- Bild 11: Schnitt durch Kletterschalung parallel zur Brückenachse werk geführt sind, müssen sie (© Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen)

90 Sebastian Riegel: Selbstkletterschalung für die Hochmoselbrücke

Bild 11 zeigt einen Schnitt parallel zur Brückenachse durch Bühnen in Höhe der Pfeilertaille in Achse 4. Insgesamt sind die Bühnen mit fol- genden Arbeitsebenen ausgestat- tet: q 1 Betonierbühne (für Betonierar- beiten, auf der Innenbühne mit einer zusätzlichen Ebene auch für Bewehrungsarbeiten), q 1 Zwischenebene (nur Zugang zur Ankerbedienung), q 1 Hauptarbeitsbühne (Scha- lungsbedienung und Materialla- gerung), q 2 Nachlaufbühnen (Bedienung der Kletterwerke und Nacharbei- ten am Beton).

Ergänzend dazu zeigt Bild 12 drei Schnitte quer zur Brückenachse für den Pfeiler Achse 4, in denen sich die Neigungsänderungen der Schmalseiten sowie die Anpassun- gen der Innenbühnen erkennen las- sen. Die Schnitte zeigen die Bühnen am Pfeilerfuß, an der Taille und am Pfeilerkopf (vorletzter Takt, d. h. di- rekt vor Ausbau der Innenbühnen).

Die Außenbühnen klettern zuerst und in deren Schutz wird anschlie- ßend die Innenbühne geklettert und die Bewehrung eingebaut. Eine Besonderheit stellen der teilweise massive Pfeilerkopf mit dem In- Bild 12: Schnitt B-B quer zur Brückenachse nenraum und die Zwischendecke (© Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen) darunter dar. Dazu wurde zuerst der vorletzte Takt des Pfeilers mit einer Abstufung hergestellt, d. h. außen seiten außen, jeweils vier auf beiden Längsseiten bis Oberkante der Zwischendecke und innen bis außen und jeweils vier auf jeder Längsseite im Unterkante der Decke (s. Bild 13). Danach wurden Innenraum. Die Breite der Außenbühnen ist mit Innenschalung und -bühnen ausgebaut, die De- 3,30 m auf der Hauptarbeitsebene deutlich grö- cke als Halbfertigteil eingelegt und anschließend ßer als bei vergleichbaren Wettbewerbssystemen fertig betoniert. Die Innenwände des Pfeilerkopf- und bietet damit deutlich mehr Platz zum Lagern raums und dessen Decke wurden ebenfalls mit von Ausrüstung und Material. Die Breite der In- Halbfertigteilen hergestellt. Für die Betonnage nenbühne wurde durch die minimale Breite des wurden diese mit Schalungsankern gegen die Au- Innenraums bestimmt, diese beträgt an der Unter- ßenschalung verspannt. Die Herstellung mit Halb- kante der Zwischendecke in den Pfeilern Achse 3 fertigteilen ersparte der Baustelle den Ausbau der bis Achse 6 nur noch 2,83 m. Schalung durch die kleine Luke im Pfeilerkopf. Bei der Konzeption der Bühnen musste darauf Die Kletterbühnen bestehen in der Draufsicht aus geachtet werden, dass sich die Schalung an allen sechs Hauptbühnen mit insgesamt 20 SCF-Kon- entscheidenden Stellen weit genug zurückfahren solen. Davon sind jeweils zwei auf den Schmal- lässt, um einen ausreichenden Zugang zu haben.

91 26. Dresdner Brückenbausymposium

2.3 Anpassung von Schalung und Bühnen an die ­Geometrie der Pfeiler Die Anpassung der Schalung geht meist einher mit der Anpassung der Bühnengeometrie an die Veränderung der Pfeiler (Bild 14). Dabei ist na- türlich zu beachten, dass die Schalungen in der Regel von den Bühnen getragen werden müssen und die Standsicherheit dieses Verbundes und die Arbeitssicherheit zu jeder Zeit gewährleistet sein muss – auch während der Umbauten. Die beson- deren Herausforderungen für die Planung der Um- bauten bei diesem Projekt sind hierbei:

q dass der Pfeiler mit der Höhe nicht nur klei- ner wird (Bild 15), sondern auch wieder breiter. Dadurch müssen Schalungsteile nicht nur ent- fernt, sondern auch ergänzt werden,

q dass sich durch die Taillierung der Pfeiler die Neigung der Bauwerkskanten über die Höhe verändert, was besonders in den Eckberei- Bild 13: Ausbau Innenbühne am Pfeilerkopf chen zu zusätzlichem Anpassungsbedarf führt, (© Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen) q dass die Wandstärken der Pfeiler immer unter- schiedlich sind, womit eine zusätzliche Anpas- Der Zugang ist notwendig für die Reinigung und sung der Innenschalung notwendig wird, Wartung der Schalung, den Einbau der Kletter- schuhe und -schiene sowie – in diesem speziellen q dass PORR die komplette Schalung mehrfach Fall – für den Umbau der Schalung zur Anpassung verwenden wollte, womit die Schalung kom- an Geometrieänderungen. Um den Zugang zur plett modular aufgebaut sein muss. Schalung zu gewährleisten, musste ein Abfahr- weg von 75 cm auf den Außenbühnen sowie Gleichzeitig führt die notwendige Verankerung 50 cm auf den geometrisch beengten Innenbüh- gegenüberliegender Schalelemente dazu, dass nen realisiert werden. Die Schalung in den In- die Außen- und Innenschalungselemente in einer nenecken wurde als wartungsfreie Stahlschalung ähnlichen Weise verändert bzw. verschoben wer- ausgeführt, die nicht abgefahren werden muss. den müssen. Das gilt hier besonders, da Sicht- betonqualität gefordert wurde und damit die Anzahl und Lageverände- rung der Ankerlöcher in der Scha- lung eingeschränkt ist.

Zum Dritten bedingt die Verwen- dung von Kletterschalungen, dass besonderes Augenmerk auf den ex- akten Einbau der Kletterkonen ge- legt werden muss. Das gilt beson- ders dafür, dass Kletterkonen, die zur gleichen Bühne gehören, immer die gleiche Höhenlage und den glei- chen Abstand haben sollten. Wird das nicht berücksichtigt, kann es zu erheblichen Problemen beim Klet- tern oder Umhängen der Bühnen kommen. Da unsaubere Montagen von Schalungselementen eine we- Bild 14: Selbstkletterbühnen im Bereich der Pfeilertaille sentliche Quelle für solche Fehler (© Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen) sind, sollten die Konen für eine Büh-

92 Sebastian Riegel: Selbstkletterschalung für die Hochmoselbrücke ne möglichst immer auf dem glei- chen Schalelement liegen.

Bei der Konzeption der Schalungs- module und auch der Umbauten an den Bühnen stand der Aspekt der Prozesssicherheit im Fokus. Um einen gut planbaren, sicheren und zügigen Arbeitsablauf zu erreichen, müssen die einzelnen durchzufüh- renden Arbeitsschritte möglichst viele der folgenden Kriterien erfül- len: q Möglichst einfache und zeitlich überschaubare Arbeitsschritte, die, wenn möglich, auch repeti- tiv sind, q Alle Arbeitsschritte sollten eine gewisse Fehlertoleranz haben, damit kleine Fehler im System aufgefangen werden können und keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf den gesam- ten Bauablauf haben. q Wichtige und komplizierte Ar- beitsschritte müssen im Vor- feld ausreichend geplant, ab- gestimmt und dokumentiert werden. Dazu gehörte unter anderem die Erstellung detaillier- ter Ablaufpläne für die Durchfüh- rung der einzelnen Änderungs- schritte. q Der Einfluss des Wetters auf alle Arbeitsschritte sollte soweit wie möglich begrenzt werden, damit die Arbeiten auch bei schlechten Bild 15: Draufsicht Selbstkletterbühnen Wetterbedingungen und im Win- (© Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen) ter ausgeführt werden können.

In Bezug auf die Arbeitssicherheit sind die folgen- ten Bühnenteil steckt. Damit entsteht bei An- den beiden Punkte besonders wichtig: passungsarbeiten immer nur ein kleiner Spalt, der mit einer Platte abgedeckt werden kann. q So weit möglich sollten Anpassungsarbeiten Ein zusätzlicher, positiver Effekt dieser Konst- nicht am offenen Rand bzw. ohne Seitenschutz ruktion ist, dass durchlaufende Teleskopträger stattfinden. Ein bewährtes Konzept dafür ist, statisch günstiger sind als viele kurze, mit Stö- Längenanpassungen wenn möglich in der ßen gekoppelte Träger. Mitte von Bühnen anzuordnen. Ist eine Anpas- sung an den Bühnenenden trotzdem notwen- q Im Anpassungsbereich sollte der Seitenschutz dig, so sollte am Bühnenrand ein Seitenschutz immer überlappend ausgeführt werden. Die angeordnet werden, der auf einem Teleskop- Überlappung sollte entweder den gesamten träger montiert ist und mittels dieses Trägers Anpassungsbereich überbrücken können oder verschoben werden kann. Für eine Änderung zumindest so groß sein, dass es möglich ist, der Bühne wird der Bühnenbelag an der Stelle im Schutze dieser Überlappung den nächsten entfernt oder ergänzt, wobei der Träger im fes- Seitenschutz montieren zu können.

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2.3.1 Bühnen Schmalseite außen und der zugehörigen Bühne mittig am Pfeiler nach oben zu klettern (Skizze s. Bild 16). Allerdings wä- Die Bühnen auf der Schmalseite sind ein gutes ren die notwendigen Auskragungen zu den Seiten Beispiel für einen Fall, wo eine Anpassung am hin dann so groß, dass die mittlere der drei Kon- Rand die günstigste Ausführung ist. Die Seiten- solen überhaupt keine Last mehr tragen würde. fläche verjüngt sich linear (Anzug 80:1) um max. Dadurch wären die beiden äußeren Konsolen trotz 1,81 m je Seite (29 Schritte à 6,25 cm ab OK der großen Tragfähigkeit des SCF-Systems über- Anfängertakt Achse 4) auf 3,90 m am Kopf. Auf lastet. Außerdem würde die Auskragung der Büh- einer so kurzen Länge wäre der Einsatz von mehr ne von über 5 m und der Schalung von mehr als als zwei Kletterkonsolen unwirtschaftlich. Daher 3 m bedeuten, dass diese selbst sehr stark aus- fiel die Wahl auf ein Konzept mit einem zentralen gesteift werden müssten, was wiederum zu einer rechteckigen Schalungselement von 3,6 m Brei- deutlichen Erhöhung der Lasten führen würde. te sowie 2 Seitenstücken mit schrägen, der Nei- gung der Pfeilerkanten angepassten Kanten. Die Um die Auskragungen an den Bühnenenden zu re- Anpassung der Gesamtbreite der Schalseite er- duzieren, wäre es am besten, die Konsolen soweit folgt durch Einfügen von Schalungsstreifen von außen wie möglich anzuordnen. Durch die Taillie- jeweils 6,25 cm Breite zwischen Hauptelement rung der Pfeiler bedeutet das aber, dass sich die- und Seitenstück. Um die Stabilität der Schalung ser Verankerungspunkt in der Draufsicht in jedem zu gewährleisten und die Anzahl der zu verwen- Takt an einer anderen Stelle befindet. Gleichzeitig denden Teile zu reduzieren, wurden für größere muss ein gewisser Randabstand für die Veranke- Anpassungen auch Module mit 25 cm, 50 cm rung der Konsolen eingehalten werden. Auf der und 100 cm Breite verwendet. Das Bühnenkon- anderen Seite lassen sich die Gewichte von Scha- zept folgt dabei weitgehend dem Schalungskon- lung und Bühnen durch dieses Konzept deutlich zept. Es gibt eine ca. 3,6 m breite Hauptbühne, verringern. Der statische Nachweis von Konsole die beidseitig durch dreieckige Bühnen auf Tele- und Verankerungspunkt wird dadurch leichter und skopträgern ergänzt wird. Die Konsole klettert die für das Klettern notwendige Betonfestigkeit entlang der Mittellinie der Fläche senkrecht nach sinkt, womit schneller geklettert werden kann. oben. Die Längenanpassung erfolgt zwischen Auch aus Sicht der Arbeitssicherheit lassen sich Hauptbühne und Teleskopteilen. Die Anpassung eine Menge Probleme mit Arbeiten am offenen an die Neigung der Wandfläche erfolgt über Spin- Rand beheben, besonders in den Nachlaufbühnen deln, so dass die Arbeitsebene stets waagerecht und im Bewehrungsgerüst. bleibt. Da die Schalung der Längsseiten über die Schmalseiten übersteht, mussten die einzelnen Aus diesem Grund wurde entschieden, auf jeder Module der Schmalseiten sehr genau gefertigt Seite einen Bühnenteil anzuordnen. Die Länge werden. wurde so gewählt, dass an der Pfeilertaille zwi- schen den beiden Bühnenteilen nur ein Spalt von 35 cm blieb. Dieser Spalt war aus technischen 2.3.2 Längsseite außen Gründen notwendig, denn der Abstand der Büh- nen am Pfeilerfuß Achse 4 war immerhin 7,16 m! Die Entwicklung eines überzeugenden Konzeptes Dadurch sind eine zusätzliche Unterstützung der für die Schalung der Längsseite gestaltete sich Schalung in der Mitte sowie zusätzliche Gelän- auf Grund der Taillierung deutlich schwieriger. derpfosten notwendig, die an der Taille in dem Auch für diese Seite wurde zuerst darüber nach- Spalt geparkt werden konnten. Ein Ausbau der gedacht, mit einem zentralen Schalungselement Geländerpfosten ist nicht möglich, denn dafür müsste der Seitenschutz geöffnet werden – was wiederum Arbeiten am offenen Bühnenrand zur Folge haben würde.

Der Bereich zwischen den Bühnen- teilen wird – auf allen Bühnenebe- nen – mit Teleskopträgern über- brückt, die auf beiden Seiten in den festen Bühnenteilen aufgelagert sind. Die Schalung folgt diesem Konzept und wird durch senkrecht stehende Abfahreinheiten getragen, Bild 16: Konzept für Längsseitenschalung mit konstanter Bühne (nicht auf welchen auch die Betonierbüh- ausgeführt) (© Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen) ne aufgelagert wird.

94 Sebastian Riegel: Selbstkletterschalung für die Hochmoselbrücke

Bild 17: Drehlager unter Innenbühne Bild 18: Rückansicht Drehlager unter Innenbühne (© Hünnebeck Deutschland GmbH, (© Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen) Ratingen)

Durch den konstanten Abstand der Verankerun- q Ein geordnetes und sich wiederholendes An- gen zur hyperbolischen Außenkante hat auch kerschema mit relativ wenigen möglichen An- der Kletterweg der Konsolen eine hyperbolische kerpositionen verringert auch die Gefahr einer Form. Damit die Kletterkonsolen und damit die fehlerhaften Verankerung der Schalung. gesamte Bühne dieser Form folgen können, müs- sen die Konsolen immer parallel zur Pfeilerkante Aus diesen Anforderungen ergibt sich, dass es liegen. Gleichzeitig ist es durch die teleskopische auf der Längsseite – genau wie außen – zwei Ausführung der Hauptbühne zwingend notwen- Grundelemente gibt und dazwischen einen Aus- dig, dass diese Bühnenebene und die Schalung gleichsbereich. Auf der Schmalseite gibt es ein permanent waagerecht gehalten werden, sonst jeweils zentrales Schalelement, das an den äuße- müsste der Teleskopträger ‚knickbar‘ sein. Ein Ab- ren Enden in der Länge angepasst wird. Da innen nehmen der Bühnen zwecks Umbaus erwies sich keine erhöhten Anforderungen an die Betonober- schon aufgrund der Pfeilerhöhe als nur schwer fläche gestellt werden, kann die Längenanpas- durchführbar. Als Lösung dieses Problems wurde sung an den Ecken mittels eines Schleppbleches die Hauptbühne drehbar auf den Konsolen gela- erfolgen. gert. Dadurch können die Konsolen unter der Ar- beitsebene – ohne vorherige Entlastung – in der Aus der Geometrie der Pfeiler ergaben sich aber Neigung verändert werden. In Bild 12 ist der not- noch zwei weitere notwendige Anpassungen, die wendige Verstellwinkel der Konsolen in der Rück- bei der Konzeption der Innenschalung gelöst wer- ansicht dargestellt und Bilder 17 und 18 zeigen die den mussten: Zum ersten verändert sich – wie be- Ausführung eines Drehlagers auf der Innenseite. reits beschrieben – die Wandstärke um teilweise Die Neigung der Konsolen wurde durch die Quer- 20 cm innerhalb eines Pfeilers bzw. 30 cm insge- neigung der Kletterschienen erzwungen, konnte samt. Damit wurde der Innenraum – relativ zum aber zusätzlich auch durch Spindeln zwischen den Umfang – größer bzw. die einzelnen Seiten länger. Konsolen reguliert werden. Um ein einfaches Ankerschema zu gewährleis- ten, müssen die Hauptelemente aber genau ge- genüber den entsprechenden Außenelementen 2.3.3 Längsseite innen liegen. Alle zusätzlichen Anpassungen für diese Teile der Änderungen müssen also direkt an der Wie bereits weiter oben beschrieben, muss das Ecke durchgeführt werden. Konzept der Innenschalung dem der Außenscha- lung folgen, um eine geordnete und sichere Anke- Dazu kommt noch eine weitere Anpassung: Durch rung der Schalung zu ermöglichen. Dabei spielen die Taillierung des Pfeilers veränderte sich die zwei Aspekte eine besondere Rolle: Neigung der Schmalseite um fast 7 °. Der dadurch entstehende dreiecksförmige Anpassungsbereich q Für die Außenseite der Pfeiler ist Sichtbeton- muss ebenfalls durch die Eckschalung abgedeckt qualität gefordert. Dazu gehört ein geordnetes werden (vgl. Bild 12 und Bild 19). Ankerbild, was sich nur erreichen lässt, wenn die Innenschalung der Verschiebung der Au- Diese Eckschalung hätte alle diese Anforderun- ßenschalung folgt. gen theoretisch mit einer großen Schleppblech-

95 26. Dresdner Brückenbausymposium

q Bei einer Abhängung der Schalung überschnei- den sich die Abfahrträger in der Ecke nicht, womit für beide Seiten ein ausreichender Ab- fahrweg der Schalung gewährleistet werden kann. Das war bei diesem Projekt besonders wichtig, da der Umbau der Schalung nur von vorn erfolgen kann.

Die Einteilung und Anpassung der Bühnen an ver- änderte Geometrie folgte im Grunde dem Kon- zept der Längsseite. Es wurden vier Hauptbühnen auf den Längsseiten des Innenraums angeordnet, jeweils zwei auf jeder Seite. Die Bühnen haben Bild 19: Innenschalung und Eckelement eine konstante Tiefe, die durch die minimale (© Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen) Breite des Innenraums am Pfeilerkopf bestimmt wurde. In Zahlen ausgedrückt hieß das folgen- des: der Innenraum ist an der obersten Bühnen- schalung erfüllen können. Durch die erforderliche position (zwei Takte bzw. 9,9 m unter dem Kopf) Größe wäre diese Schalung aber so schwer und 2,95 m breit (parallel zur Brückenachse). Zwi- sperrig geworden, dass sie in dem engen Schacht schen den Bühnen sollte immer ein Restabstand nicht hätte vernünftig bedient werden können. von ca. 5 cm sein, um mögliche Ungenauigkeiten Gleichzeitig wäre es nur schwer möglich gewe- ausgleichen zu können. Daraus ergibt sich, dass sen, die Außenschalung gegen diese Eckschalung jede der Bühnen nur 1,45 m tief sein durfte – bei zu verankern, womit auch diese wieder deutlich einer Takthöhe von 5 m. Für die Bedienung der größer und schwerer geworden wäre. Aus die- Schalung – insbesondere deren Umbau – und das sem Grund wurde die Eckschalung in drei Teile Klettern der Bühnen muss der Abfahrweg der geteilt, die in ihrer Kombination flexibel genug Schalung mindestens 50 cm am oberen Taktende sind, um alle Anpassungen ausführen zu können sein. Von den verbleibenden 95 cm muss noch und gleichzeitig auch noch zu ermöglichen, gewis- die Schalungstiefe (Aufbauhöhe ca. 36 cm) und se Fehler auszugleichen. auch die Rückneigung der Schalung um 6,25 cm

Die gesamte Schalung auf der In- nenseite wird – im Gegensatz zu der auf den Außenbühnen – von einem projektspezifisch geplanten Stahlgerüst abgehängt. Das ist zwar aufwendiger zu planen, bietet aber in statischer und geometrischer Hin- sicht eine Reihe von Vorteilen: q Die Abhängung der Schalung mit Laufkatzen von einem Trägerrost ist deutlich platzsparender als die Aufstellung auf einem Ab- fahrwagen, denn es wird nur die Schalung selbst verfahren und nicht auch noch das Abstützdrei- eck. q Das Verfahren der Schalung mit den Laufkatzen ist einfacher als auf den Abfahrdreiecken, denn auf Grund der beengten Situa- tion ist der innere Hebelarm im Abfahrdreieck relativ klein. Da- durch werden dann die inneren Kräfte höher, womit auch die Reibung steigt, die beim Verfah- Bild 20: Arbeitsraum hinter der Innenschalung ren überwunden werden muss. (© Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen)

96 Sebastian Riegel: Selbstkletterschalung für die Hochmoselbrücke pro Takt abgezogen werden. Die aufgehende Stahlkonstruktion durf- te damit eine maximale Tiefe von 52 cm haben – Außenmaß!

Die Anpassung der Bühnen erfolgt im Wesentlichen wie auch bei den Außenbühnen auf der Längsseite über einen Teleskopbereich in der Mitte. Die Konsolen sind unter den Rahmen drehbar gelagert, um die Richtungsänderung beim Klettern nachvollziehen zu können. Der Klet- terweg folgt auch hier der Außen- kante der Pfeiler. Um Kollisionen mit den Verankerungen der Au- ßenbühnen zu verhindern, sind die Konsolen nicht symmetrisch an- geordnet, womit auch der Anpas- sungsbereich nicht zentrisch sitzt. Eine weitere Besonderheit ist, dass sich durch die Veränderung der Neigung der Schmalseiten und die unterschiedlichen Wandstärken Bild 21: Auszug aus Umbauanweisung für Schalung der Längsseite der horizontale Abstand zwischen (© Hünnebeck Deutschland GmbH, Ratingen) Stahlrahmen und der Oberkante des Betoniertaktes auf der Schmal- seite stetig vergrößert (siehe dazu auch Bild 12). Natürlich beinhaltet die Planung aller Umbauarbei- Im höchsten Pfeiler beträgt die Verschiebung ten auch detaillierte Arbeitsanweisungen für alle zwischen Pfeilerfuß und -kopf fast 1 m. Um den Arbeitsschritte. Bild 21 zeigt einen Ausschnitt aus Aufhängepunkt der Schalung soweit verschieben einem solchen Umbauplan. zu können, ohne mit dem Träger an die Beweh- rung zu stoßen, musste auch an den Außensei- ten ein Teleskopträger angeordnet werden. Der 3 Wirbelerregbarkeit der Pfeiler Teleskopträger trägt dann auch die entsprechen- de Arbeitsbühne, welche auch soweit telesko- Auf Grund ihrer Schlankheit sind die Pfeiler anfäl- pierbar ist. Bild 20 zeigt den Arbeitsraum hinter lig für wirbelerregte Querschwingungen. Dabei ist der Innenschalung. besonders die Erregbarkeit im Bauzustand maß- gebend, das heißt bevor der Überbau der Brücke als horizontale Aussteifung dienen kann. 2.4 Anforderungen an den ­Planungsprozess Bei dem Problem wirbelerregter Querschwingun- gen bei stabförmigen Bauteilen handelt es sich Um die beschriebenen Anpassungen und Um- im Grunde darum, dass sich an einem umström- bauten an den Bühnen einschließlich der De- ten Objekt auf der strömungsabgewandten Sei- und Remontagen sicher und zeitlich gut planbar te wechselseitig und periodisch Wirbel ablösen durchführen zu können, bedarf es einer detail- (Kármánsche Wirbelstraße). Durch die Ablösung lierten Planung jedes einzelnen Arbeitsschritts. kommt es zu Druckunterschieden, die als perio- Diese Planung umfasste nicht nur den Entwurf disch auftretende Kräfte auf das Objekt wirken. der eigentlichen Teile, sondern jeder einzelne Die Ablösefrequenz und damit die Frequenz der Arbeitsschritt musste hinsichtlich Durchführbar- Lastwechsel hängen von der Form des umström- keit, Arbeitssicherheit und möglicherweise not- ten Objekts und der Strömungsgeschwindigkeit wendiger Sicherungsmaßnahmen untersucht ab. Bei stabförmigen Bauteilen findet dabei eine werden. Gleichzeitig galt es auch sicherzustel- Synchronisation der Wirbelablösung über die ge- len, dass die Fehleranfälligkeit der Prozesse samte Bauhöhe statt. Trifft die Ablösefrequenz möglichst gering zu halten ist und dass ähnli- dabei eine Eigenfrequenz des Bauteils, kommt che Prozesse auch wirklich in ähnlicher Weise es zu starken Schwingungen, für die die gesam- durchgeführt werden, damit es dabei nicht zu te Konstruktion ausgelegt werden muss. Diese Verwechslungen kommt. Schwingungen wirken dann natürlich auch auf

97 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 22: Pfeilermodell im Windkanal (© Ingenieurgesellschaft Niemann und Partner GbR, Bochum) alle Anbauten an dem Bauteil – also auch auf die die Gründungssituation derart kritisch, dass es temporären wie Kletterschalungen. Auf Grund der Probleme beim Nachweis der Gründung gegen relativ hohen Schlankheit der Brückenpfeiler an wirbelerregte Querschwingungen des Pfeilers im der Hochmoselbrücke waren die Pfeiler im Bau- Bauzustand gab. zustand bereits bei sehr niedrigen Windgeschwin- digkeiten entsprechend erregbar. Die DIN EN 1991-1-4 [2] gibt für rechteckige Bau- teile mit konstantem Querschnitt Formeln für die Bei den Pfeilern gibt es noch die Besonderheit, Ermittlung der Ablösefrequenzen und die auftre- dass sich durch die Taillierung der umströmte tenden Kräfte vor. Weiterhin ist bekannt, dass es Querschnitt über die Höhe permanent verändert. bei veränderlichen Querschnitten Effekte gibt, die Das bedeutet, dass sich die theoretische Ablö- die Wirbelerregbarkeit des Bauteils behindern bzw. sefrequenz über die Höhe ebenfalls permanent die auftretenden Kräfte reduzieren. Für solche Bau- ändert, womit es – theoretisch – mangels einer teile lassen sich die Frequenzen und auftretenden einheitlichen Frequenz kein Aufschwingen der Kräfte jedoch nur experimentell ermitteln. Pfeiler geben dürfte. In der Praxis findet aber den- noch eine Synchronisation der Wirbelablösung Aus diesem Grund wurde die Wirbelerregbarkeit über die Höhe der Pfeiler statt. Bei rechteckigen die Pfeiler in der ersten Untersuchung an Hand ei- Querschnitten kommt noch hinzu, dass die Ablö- nes konstanten Ersatzquerschnitts ermittelt. Aus sefrequenzen in den beiden Hauptrichtungen auf diesen Berechnungen ergaben sich für die Pfei- Grund der verschiedenen Abmessungen bzw. Sei- lerköpfe zum Teil erhebliche dynamische Belas- tenverhältnisse unterschiedlich sind. Bei den Pfei- tungen von bis zu knapp 4 m/s². Außerdem war lern der Hochmoselbrücke ist dabei besonders die Wirbelerregbarkeit zum Teil bereits bei Wind- die Anströmung quer zur Brückenachse kritisch, geschwindigkeiten von 13 m/s gegeben – das da die Pfeiler in dieser Richtung deutlich schlanker heißt es konnte mehr oder weniger zu jeder Zeit sind als parallel zur Achse. Die Eigenfrequenz der zum Aufschwingen des Pfeilers kommen. Bei fol- Pfeiler wird zudem auch noch durch zum Teil re- genden Untersuchungen im Windkanal (Bild 22) lativ weiche Gründungen herabgesetzt. Bei dem zeigte sich, dass die realen Beschleunigungen am Pfeiler Achse 3 (direkt am linken Moselufer) ist Pfeilerkopf nur bei maximal 2 m/s lagen, was aber

98 Sebastian Riegel: Selbstkletterschalung für die Hochmoselbrücke trotzdem noch erhebliche Belastungen sind. Die Windgeschwindigkeiten über die tatsächlich grundsätzliche Erregbarkeit der Pfeiler auch bei zu erwartenden maximalen Windgeschwin- geringen Windgeschwindigkeiten wurde durch digkeiten angehoben worden wären. Neben die Untersuchungen bestätigt. erheblichen Mengen an Gerüstmaterial und zusätzlichen Fundamenten hätte dieser Ansatz Eine ‚normale‘ und unveränderliche Stahlkonstruk- auch zur Folge gehabt, dass die Windlasten tion lässt sich sicher durch eingehende Untersu- auf die Pfeiler deutlich gestiegen wären. chungen und eventuelle zusätzliche Versteifungs- elemente auf diese Belastungen auslegen. Wie in q Die Pfeiler hätten mit durchlässigen Gerüsten den vorangegangenen Abschnitten beschrieben, eingerüstet werden können, die eine laminare sind die eingesetzten Kletterbühnen aber keine Umströmung der Pfeiler durch Verwirbelung ‚normalen‘ Stahlkonstruktionen. Die Vielzahl der der Luft im Nahbereich unterbunden hätten. notwendigen Funktionalitäten und Umbaumög- Auch mit diesem Ansatz hätte man aber die lichkeiten erfordern eine hohe Zahl an offenen Windlast auf den Pfeiler erhöht. Profilen, gesteckten Verbindungen und bewegli- chen Lagern, deren Lagerungsbedingungen sich In intensiver Diskussion mit dem zuständigen nur sehr schwer definieren lassen. Erschwerend Windgutachter (Büro Niemann und Partner, Bo- kommt noch hinzu, dass die Belastungen nicht chum) wurde eine Reihe von möglichen anderen nur in der Haupttragrichtung der Konsolen auftre- Konstruktionen zur Unterdrückung der Synchroni- ten sondern auch quer dazu. sation entwickelt. Diese Konstruktionen wurden anschließend im Windkanal der Universität Bo- Der Aufwand für die Nachweise für diese dyna- chum auf ihre Wirksamkeit hin untersucht. mischen Lasten wäre also extrem gewesen und der Ausgang der Nachweise sowie die Anzahl Als wirksamste Konstruktion wurden L-förmige der Revisionen der gesamten Konstruktion nicht Anbauten ermittelt (Bild 23), die wechselseitig absehbar. Aus diesem Grund schieden auch ver- auf der Schmalseite der Pfeiler montiert wurden. schiedene zwischenzeitlich diskutierte Maßnah- Durch diese Konstruktionen konnte die Synchro- men zur Schwingungsdämpfung aus, da auch bei nisation der Wirbelablösung in beiden Anström- reduzierten Einwirkungen alle Nachweise geführt richtungen vollständig unterbunden werden. Ein werden müssten. willkommener Nebeneffekt dieser Anbauten war, dass der cp-Wert des gesamten Pfeilers so weit Der einzige realistische Lösungsansatz bestand gesenkt werden konnte, dass sich die Gesamtlast darin, die Synchronisation der Wirbelablösung aus Wind auf die Pfeiler deutlich verringert hat. über die Höhe der Pfeiler komplett zu verhindern. Das Phänomen der wirbelerregten Querschwin- Nachdem die grundsätzliche Wirksamkeit der An- gungen ist besonders bei zylindrischen Bautei- bauten nachgewiesen und die Abmessungen ent- len wie zum Beispiel hohen Schornsteinen weit sprechend optimiert waren, musste noch eine Rei- verbreitet. Hier sind jedoch Gegenmaßnahmen he praktischer Probleme gelöst werden, denn die bekannt. Die sogenannte Scruton-Wendel verhin- Windabweiser mussten in teilweise großer Höhe dert die Synchronisation der Wirbel- ablösung und damit ein Aufschwin- gen der gesamten Konstruktion.

Bei rechteckigen Querschnitten – noch dazu mit unterschiedlicher Sei- tenlänge – war es zu Beginn der Pla- nungen nicht bekannt, ob sich die Synchronisation durch ähnlich einfa- che Mittel verhindern ließe. Grund- sätzlich gab es zu diesem Zeitpunkt die folgenden beiden Ansätze, die aber beide auf Grund des zu erhebli- chen Aufwands verworfen wurden: q Der umströmte Querschnitt hät- te durch temporäre Anbauten (z. B. durch mit Planen bespann- te Gerüste) so verändert wer- Bild 23: Pfeilermodell mit Anbauten im Windkanal den können, dass die kritischen (© Ingenieurgesellschaft Niemann und Partner GbR, Bochum)

99 26. Dresdner Brückenbausymposium

vorhandenen Turmdrehkran erfolgen kann. Hier- bei liegt das Kranseil im Bereich der Eckübergän- ge der Bühnen. Zum Durchlass des Seiles werden die Teleskopbühnen der Bühnen auf Schmalseiten soweit zurückgezogen, dass das Kranseil passie- ren kann. Anschließend werden diese Öffnungen wieder mit Überwurfbühnen verschlossen

Diese Windabweiserkonstruktionen wurden zum Teil aus mietfähigem Gerüstmaterial erstellt, am Boden vormontiert (Bild 24) und dann mit dem Kran in die entsprechende Position gehoben. Die Endmontage der Anbauten wurde durch Indust- Bild 24: Montage der Windabweiser am Boden riekletterer durchgeführt. Für die Verkleidung der (© Hünnebeck Deutschland GmbH, Windabweiser wurden speziell konfektionierte Ratingen) LKW-Planen verwendet, die mit UV-beständigen Kabelbindern an der Gerüstkonstruktion befestigt sind. sowie unterhalb der vorhandenen Kletterbühnen montiert werden. Ebenfalls waren die Konstrukti- Die Bilder 25 und 26 zeigen die Montage der An- onen auf Grund ihrer Größe und der Verkleidung bauten, wobei Bild 25 den Anbau des ersten Kör- sehr anfällig gegen Wind bei der Montage. pers zeigt und Bild 26 die Montage eines späteren Anbaukörpers. Dabei zeigte sich beim Einbau der Zusätzlich kam noch ein erhebliches geometri- ersten Windabweiserkonstruktionen, dass diese sches Problem hinzu: bei einer L-förmigen Struk- deutlich einfacher zu montieren sind, wenn die tur liegt der Schwerpunkt immer zwischen den Gerüstplanen erst nach dem Einhängen am Pfei- beiden Schenkeln. Beim Einbau der Konstrukti- ler montiert werden. Um gleichzeitig zu verhin- on in die vorbereiteten Halteschuhe muss diese dern, dass die Industriekletterer in großer Höhe senkrecht am Kran hängen. Diese lässt sich nur mit diesen schweren Planen hantieren müssen, erreichen, wenn die Konstruktion im Schwer- werden diese aufgerollt am obersten Stab der punkt angehängt ist. Der ‚normale‘ Schwerpunkt Windabweiser montiert und erst nach Einhängen der Konstruktionen aber liegt in diesem Fall in- und Verankern am Pfeiler entrollt, gespannt und nerhalb des Pfeilers und war damit für den Kran befestigt. Die Bilder 27 und 28 zeigen Windabwei- nicht zugänglich. Aus diesem Grund musste eine serkonstruktionen in Achse 6. Verlagerung des Schwerpunktes zu den Kranan- schlagspunkten mit Hilfe von genau zu berech- nenden temporären Kontergewichten erfolgen 4 Zusammenfassung (s. a. Bild 25). Auf Deutschlands zurzeit größter Brückenbaustel- Die Lage dieser Krananschlagspunkte ist durch le müssen zehn Brückenpfeiler mit bis zu 154 m die Kletterbühnen darüber festgelegt, da der Ein- Höhe hergestellt werden. Durch die Taillierung der bau der höherliegenden Segmente nur durch den Pfeiler und die wechselnden Wandstärken ist der

Bild 25: Einheben eines Windabweisers mit Bild 26: Endmontage der Gerüstkuben durch Indus- ­Kontergewicht triekletterer (Gerüstplanen für Einbau noch (Foto: Sebastian Riegel) aufgerollt) (Foto: Sebastian Riegel)

100 Sebastian Riegel: Selbstkletterschalung für die Hochmoselbrücke

Bild 27: Windabweiser am Pfeiler Achse 6 Bild 28: Schmalseite eines Pfeilers mit Wind­ (©LBM: Landesbetrieb Mobilität Trier, abweisern (© Hünnebeck Deutschland Rheinland-Pfalz) GmbH, Ratingen)

Querschnitt der Pfeiler hoch variabel und dement- Literatur sprechend aufwendig herzustellen. [1] Landesbetrieb Mobilität Trier / www. In enger Abstimmung mit der Baustelle wurde hochmoseluebergang.rlp.de (geprüft am durch Hünnebeck Deutschland ein Konzept für 23.11.2015) eine modular aufgebaute Kletterschalung entwi- [2] DIN EN 1991-1-4: Eurocode 1: Einwirkungen ckelt, mit welcher alle notwendigen Anpassungen auf Tragwerke – Teil 1-4: Allgemeine Einwir- schnell, sicher und gut planbar durchgeführt wer- kungen – Windlasten; Deutsche Fassung den konnten. Durch den modularen Aufbau konn- EN 1991-1-4:2005 + A1:2010 + AC:2010. ten alle Anpassungen ohne einen einzigen Säge- 12/2010 schnitt durchgeführt werden und alle Teile der Schalung an den darauf folgenden Pfeilern wieder verwendet werden.

Zusätzlich konnte durch Entwicklung und Einsatz innovativer Windabweiser das Entstehen wir- belerregter Querschwingungen komplett unter- bunden werden, womit auch der Nachweis des Fundaments vom Pfeiler Achse 3 im Bauzustand möglich wurde.

101 Michael Buschlinger, Annette Jarosch: Verstärkung von Brücken mit externer Vorspannung

Verstärkung von Brücken mit externer Vorspannung – Einsatzbereiche und Randbedingungen

Dipl.-Ing. Michael Buschlinger, Dipl.-Ing., MBA Annette Jarosch BBV Systems GmbH, Bobenheim-Roxheim

Zusammenfassung Das Bauwerk setzt sich aus zwei getrennten Über- bauten (Ost und West) zusammen, welche sich Im Zuge der Nachrechnungen von Brücken zeigt jeweils in Längsrichtung in vier Durchlaufträgersys- sich, dass die Anforderungen der DIN-Fach­ teme unterteilen (Teilbauwerke A bis D). berichte viel zu oft nicht eingehalten werden kön- nen. Eine effektive, schnelle und kostengünstige Der Brückenüberbau ist in Längs- und Querrich- Steigerung der Trag- und Gebrauchsfähigkeit von tung vorgespannt und wurde ursprünglich für die Brücken ist durch eine Ertüchtigung mit externer Lasten der Brückenklasse 60/30 nach DIN 1072 Vorspannung möglich. Hierbei kann zusätzlich die [1] nachgewiesen [2]. Das Bauwerk wurde im Nutzungsdauer durch die Verstärkung deutlich er- Zuge einer Nachrechnung überprüft. Die Untersu- höht werden. Die Spannverfahren der BBV Sys- chung hat ergeben, dass die zulässigen Schwing- tems GmbH ermöglichten eine effiziente, flexible breiten der Spanngliedkopplung überschritten und wirtschaftliche Lösung der geplanten Verstär- sind. Es wurde entschieden, eine grundlegende kungsmaßnahmen. Nach Ausführung der Maß- Instandsetzung und Verstärkung mit zusätzlichen, nahme genügt das Bauwerk den Anforderungen externen Spanngliedern zur Erhöhung der Nut- der DIN-Fachberichte. zungsdauer durchzuführen.

1 Talbrücke Pfeddersheim 1.2 Verkehrsbelastung

1.1 Bauwerkskonstruktion Die Verkehrsbelastung liegt bei ca. 52.500 Fahr- zeugen pro Tag (DTV 2000) mit einem außerge- Die Talbrücke Pfeddersheim im Zuge der BAB A 61 wöhnlich hohen Schwerlastanteil von etwa 23 % befindet sich in der Nähe der Ortschaft Pfedders- [3]. Eine Umfahrung der Brücke ist für PKW leicht heim, westlich von Worms (Bild 1). Sie wurde von möglich, die große Anzahl an LKW ist jedoch im Polensky & Zöllner zwischen 1972 und 1975 in vier Falle einer Umfahrung in der ländlichen Region Teilbauwerken und 34 Bauabschnitten mit freitra- kaum vertretbar und mit einem Umweg von mehr gender Vorschubrüstung hergestellt (siehe Bild 2). als 5 km verbunden.

Bild 1: Talbrücke Pfeddersheim, Brückenansicht (Foto: Michael Buschlinger, BBV)

103 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 2: Talbrücke Pfeddersheim, Längsschnitt mit Teilbauwerken A bis D (Zeichnung: Büro KuH, Frankfurt)

Die vier Teilbauwerke besitzen aufsummiert eine q Quervorspannung der Fahrbahnplatte: Spann- Gesamtlänge von ca. 1.470 m, einen minimalen glieder Typ Polensky & Zöllner PZ A40, Sigma Krümmungsradius im Grundriss von R = 4.000 m, Oval 40 (St 145/160) eine Längsneigung von max. 0,9 % und eine Querneigung der Fahrbahnplatte von max. 2,5 %. q Bauart: zweizeiliger Hohlkasten als Spann­ Die beiden voneinander getrennten Überbauten betondurchlaufträger bestehen jeweils aus einem zweizeiligen Hohl- kastenquerschnitt mit einer Querschnittshöhe q Brückenklasse: DIN 1072: 60/30 [1] von 2,70 m und einer Fahrbahnplattenbreite von 15,75 m (siehe Bild 3). Die Außenabmessungen q Breite zw. Geländern: 31,00 m bis 34,00 m im bleiben beim Übergang vom Feld- zum Stützquer- Aufweitungsbereich schnitt konstant, so dass die Veränderungen der Bauteilabmessungen durch Variation der Innenab- q Fahrbahnbreite: 11,75 m bis 13,25 m im Auf- messungen erfolgen. weitungsbereich

q Brückenfläche: ca. 45.700 m2 1.3 Baustoffe q Gründung: Flachgründung auf Betonfunda- q Überbau: Beton B450, Betonstahl III, in Teil- menten bereichen auch Betonstahl I q Unterbauten: begehbare Hohlpfeiler, begeh­ q Längsvorspannung: Spannglieder Typ Po- bare Trennpfeiler, kastenförmige Widerlager lensky & Zöllner PZ A100, Sigma Oval 40 (St 145/160)

Bild 3: Talbrücke Pfeddersheim, Brückenquerschnitt (Zeichnung: Büro KuH, Frankfurt)

104 Michael Buschlinger, Annette Jarosch: Verstärkung von Brücken mit externer Vorspannung

1.4 Bisherige Erhaltungsmaßnahmen Maßnahme den Anforderungen der DIN-Fachbe- und Umbauten richte [4]

1985: Errichtung der Lärmschutzwände auf den Außenkappen 1.6 Verstärkungsmaßnahmen und Ertüchtigung der Pfeddersheimer 1988: Austausch sämtlicher Rollenlager durch Talbrücke Kalottenlager

2005: Instandsetzung der Übergangskonstruk­ Die Planung wurde vom Ing.-Büro König und tionen Heunisch Planungsgesellschaft mbH und Co.KG, Frankfurt/Main, auf Grundlage der Bestandspläne 2005: Erneuerung des Fahrbahnbelags ein- durchgeführt. Die ausführungsreifen Entwurfs- schließlich der Abdichtung, Erneuerung pläne werden dem AN für die Bauausführung zur der Innenkappen, Betoninstandsetzung Verfügung gestellt. der Außenkappen q Die Teilbauwerke A bis D werden jeweils mit 2012: Erneuerung der Schutzplanken auf den drei externen Spanngliedern mit einer Spann-

Außenkappen kraft von Pm,0 = 3.876 kN (BBV L19, Typ E) verstärkt. Die Vorspannung wird stufenweise aufgebracht. 1.5 Zustand des Bauwerks q Die Spannglieder werden so angeordnet, Der Zustand der Teilbauwerke wurde wegen der dass neben jedem Längsträger bzw. Steg ein bei der letzten Bauwerksprüfung festgestellten Spannglied verläuft (in der äußeren Hohlkas- Schäden mit Zustandsnoten zwi- schen 3,0 und 3,3 bewertet. Für das Bauwerk typische Schäden sind u. a.: q Risse an den Koppelfugen, q korrodierte und teilweise freilie- gende Ober­flächenbewehrung, q lokale Betonschäden infolge von Herstellungsfehlern, q Bewehrungskorrosion sowie Durchfeuchtungen mit Aussinte- rungen an den Teilbauwerken.

Die Mehrzahl der festgestellten Schäden hat nur lokalen Einfluss.

Das Bauwerk wurde im Zuge einer Nachrechnung überprüft. Die Unter- suchung der Spanngliedkopplung hat ergeben, dass die zulässigen Schwingbreiten überschritten sind. Vom LBM ABA Montabaur wurde daher entschieden, eine grundle- gende Instandsetzung und Ver- stärkung mit zusätzlichen externen Spanngliedern zur Erhöhung der Nutzungsdauer durchzuführen. Die aktuell geplante Verstärkung des Überbaus mit externen Spannglie- Bild 4: Grundriss Lasteinleitungsblöcke dern genügt nach Ausführung der (Zeichnung: Büro KuH, Frankfurt)

105 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 5: Querschnitt Lasteinleitungsblöcke (Zeichnung: Büro KuH, Frankfurt)

tenzelle zwei Spannglieder, in der inneren 2 Schwelme-Talbrücke Zelle ein Spannglied – siehe Bilder 4 und 5). Bestehende Treppenzugänge (Öffnungen für Die Schwelme-Talbrücke ist Teil der A 1 und be- ausfahrbare Treppen zu den Pfeilerpodesten) findet sich an den Anschlussstellen Wuppertal- können damit weiterhin genutzt werden. Langerfeld und Wuppertal-Ronsdorf. Die Brücke überführt die Bundesstraße B 7, eine Gemein- q In den Teilbauwerken B, C und D werden die destraße (Dieselstraße), fünf elektrifizierte Gleis- Spannglieder aufgrund der Bauwerkslängen in anlagen der Deutschen Bahn und einen Fluss, die den Stützachsen gestoßen. Durch die An- Schwelme. Das Brückenbauwerk wurde in den ordnung dieser Übergreifungsstellen werden Jahren 1959 bis 1960 von der Firma Hochtief er- Spanngliedlängen von ca. 200 m eingehalten. baut und im Jahr 2006 mit zwei außen liegenden Stahlverbundbrücken ergänzt [5]. q In den Achsen der Übergreifungsstellen sind günstige Platzverhältnisse vorhanden, so dass die Spannglieder von diesen Achsen aus 2.1 Bauwerkskonstruktion vorgespannt werden. der Spannbetonbrücke q Im Teilbauwerk A sind keine Übergreifungs- Die Schwelme-Talbrücke besteht aus vier parallel stellen notwendig. Hier wird von Achse 0 aus nebeneinander liegenden getrennten Überbauten. vorgespannt. Die beiden inneren Überbauten – Teilbauwerke 2 und 3 – stellen das ursprüngliche Bauwerk aus dem Jahr 1960 dar. Im Zuge eines sechsstreifigen Aus- baus der A 1 im Jahr 2006 wurde die Brücke durch zwei weitere Hohl- kästen in Stahlverbundbauweise – Teilbauwerke 1 und 4 – verbreitert (siehe Bild 6).

Die ursprüngliche Brücke besteht jeweils aus zwei einzelligen Spann- betonhohlkästen, die in Längs- und Querrichtung vorgespannt sind. Die Hohlkästen haben eine Kons­ truktionshöhe von ca. 3 m und sind begehbar (siehe Bild 7). Jedes Teilbauwerk hat eine Breite von 15,45 m und die Brücke eine Ge- samtlänge von 207,5 m, die sich in Bild 6: Unterseite der Schwelme-Brücke vor den Ertüchtigungsmaß- drei Felder aufteilt. Die Stützweiten nahmen 2015 (Foto: Annette Jarosch, BBV) der Randfelder betragen 60 m und

106 Michael Buschlinger, Annette Jarosch: Verstärkung von Brücken mit externer Vorspannung

Bild 7: Schwelme-Brücke, Querschnitt Teilbauwerk 3, Fahrtrichtung Köln (Zeichnung: Ing.-Gesellschaft Thomas und Bökamp, Münster) die des Mittelfeldes 87 m (siehe Bild 8). An den bahnplatte sind ebenfalls in Querrichtung vorge- Widerlager- und Pfeilerachsen und in den Viertels- spannt. Die Spannglieder verlaufen im Bereich punkten der einzelnen Felder sind die Hohlkästen des Stützmoments in der oberen Fahrbahnplatte eines Teilbauwerks über Querwände miteinander und im Bereich des Feldmomentes in der Bo- verbunden. denplatte. Die Überlappung dieser Spannglieder ist bei der Schwelme-Brücke sehr gering. Zu- Die Hohlkästen sind in Längsrichtung beschränkt sätzlich fehlt eine Rückhängebewehrung bzw. vorgespannt und die Spannglieder sind in der erhöhte Schubbewehrung in den Stegen und Fahrbahnplatte, den Stegen und der Bodenplat- führt somit zu starker lokaler Schubbeanspru- te angeordnet. Die Querträger und die Fahr- chung der Stege.

Bild 8: Längsschnitt Schwelme-Brücke (Zeichnung: Ing.-Gesellschaft Thomas und Bökamp, Münster)

107 26. Dresdner Brückenbausymposium

2.2 Baustoffe der Spannbetonbrücke spuren der Teilbauwerke 2 und 3 ausschließlich (Teilbauwerke 3 und 4) für PKW zugelassen sind. Fahrzeuge schwerer als 3,5 t müssen über die beiden äußeren Stahlver- q Hohlkasten: Beton B450, schlaffe Bewehrung bundbrücken (Teilbauwerke 1 und 4) geleitet wer- Betonstahl II den. Zusätzlich wurde eine stetige Überwachung angeordnet, die ein Rissmonitoring und eine kon- q Längs- und Quervorspannung: Holzmann KA tinuierliche Messung der Verkehrsbelastung bein- (und Interspann), Sigma-Spannstahl, rund, Ø haltet. 8 mm, 12 Drähte je Spannglied, St 135/150 q Bauart: zwei einzellige Hohlkästen mit Quer- 2.4 Bisherige Erhaltungsmaßnahmen trägern als Spannbetondurchlaufträger und Umbauten q Brückenklasse: nicht nachweisbar 1960: Bau der Spannbeton-Hohlkastenbrücke – Teilbauwerke 2 und 3, q Gesamtlänge: 207 m 2006: Erweiterung der Brückenbreite mit zwei q Gesamtbreite: 2 × 15,45 m außen liegenden Stahlverbundbrücken – Teilbauwerke 1 und 4, q Brückenfläche: 2 × 3.208 m² 2013: Verkehrsbegrenzung: Sperrung der Teil- q Lichte Höhe: mindestens 7,64 m bauwerke 2 und 3 für Fahrzeuge > 3,5 t und Brücken-Monitoring,

2.3 Zustand des Bauwerks 2015: Notinstandsetzung und Ertüchtigung und Verkehrssituation des Teilbauwerks 3,

Die Schwelme-Brücke weist eine ausgeprägte ab 2016: Geplanter Ersatzneubau von Teilbau- Rissbildung in den Stegen und der Bodenplatte werk 4 und anschließend von 3. der Hohlkästen auf: q Schrägrisse in den Stegen im Stütz- und 2.5 Verstärkungsmaßnahmen und ­Widerlagerbereich – Rissbreite bis 0,75 mm, Ertüchtigung der Schwelme-Tal- brücke q halbrunde Risse in der Bodenplatte in den Mittelfeldern – Rissbreite bis 0,9 mm. Die Verstärkungsmaßnahmen der Brücke wur- Die Nachrechnung des Bauwerks wurde von dem den für eine Flächenlast von 2,5 kN/m² über die Ingenieurbüro Thomas & Bökamp durchgeführt gesamte Brückenbreite und ein Tandemsystem und ergab deutliche Defizite der vorhandenen mit zwei Achsen à 240 kN bemessen. Eine Er- Schubbewehrung der Spannbeton-Teilbauwerke tüchtigung der Brücke, die zukünftig auch LKW- 2 und 3. Die Nachweise nach DIN 4227 (1988) [6] Verkehr aufnehmen kann, ist nicht möglich, da die ergaben ebenfalls, dass die Hauptzugspannungen Querschnitte der Brücke zu filigran sind und eine nicht eingehalten werden können: externe Vorspannung durch die hohen Beanspru- chungen durch die konzentrierte Lasteinleitung im q Es sind Defizite der vorhandenen Schubbe- Verankerungsbereich nicht möglich ist. Eine Er- wehrung im Bereich der Zwischenstützen und tüchtigung, die den Anforderungen des Lastmo- der Widerlager festgestellt worden. dells 1 nach DIN-Fachbericht [8] gerecht wird, ist somit nicht möglich. q Der Nachweis der Hauptzugspannungen nach DIN 4227 (1988) im Bruchzustand zeigt, dass Die Verstärkung des Teilbauwerks 3 (Fahrtrich- die vorhandene Bewehrung auf Basis des tung Köln) dient als Vorbereitungsmaßnahme für Normenstandes vor Einführung der DIN-Fach- den anschließenden Ersatzneubau der beiden berichte im Jahr 2003 nicht ausreicht (Stufe 2 Stahlbeton-Teilbauwerke. Ziel ist eine Notinstand- der Nachrechnung entsprechend [7]). setzung des Teilbauwerks 3, um die aktuellen De- fizite aus der unzureichenden Schubbewehrung Aufgrund der Ergebnisse wurde der Verkehr der aufzunehmen, und zusätzlich eine Ertüchtigung, Schwelme-Brücke stark eingeschränkt. Die Kom- um den erhöhten Verkehr aufzunehmen, der durch pensationsmaßnahme beinhaltet, dass die Fahr- die Verkehrsumleitung (4+0-Verkehrsführung)

108 Michael Buschlinger, Annette Jarosch: Verstärkung von Brücken mit externer Vorspannung während des Ersatzneubaus des Teilbauwerks 2 auftreten wird. Das Teilbauwerk 3 wurde für die Ertüch- tigungsmaßnahmen ausgewählt, da hier ein größerer Lichtraum über den Bahngleisen vorhanden ist.

Die geplanten Verstärkungsmaß- nahmen beinhalten:

1. lokale Rissverstärkung: q Rissverpressung in Stegen Bild 9: Grundriss Lastseinleitungsblöcke bei der Ertüchtigung der und Bodenplatte Schwelme-Talbrücke (Zeichnung: Ing.-Gesellschaft Thomas und Bökamp, Münster) q Verpressung mit Epoxidharz

2. externe Vorspannung in Längsrichtung 3. vertikale Stegvorspannung im Bereich der (siehe Bild 9): Widerlager und der Stützen (siehe Bild 10): q zentrische Vorspannkraft q seitlich an den Stegaußenseiten des Hohlkas- tens angeordnete vertikale Spannstäbe q außen an Hohlkastenstegen geführte Spann- q glieder mit einer Spannkraft von je Pm,0 = Überdrückung der Risse, Aufnahme der 3.060 kN (BBV L15, Typ E) Hauptzugspannungen q acht externe Spannglieder mit einer Gesamt- vorspannkraft von 24 MN 3 Verfahren der ­Brückenertüchtigung q Lasteinleitung mit Hilfe von Aussteifungsrah- men und Ankerblöcken Das stetig zunehmende Verkehrsaufkommen und die weiterhin prognostizierte zukünftige Zunahme q Spanngliedverlauf im Grundriss gerade, Um- des Schwerlastverkehrs führen zu einer stärke- lenkungen der externen Vorspannung nur in ren Auslastung des Verkehrsnetzes und somit zur vertikaler Richtung erhöhten Beanspruchung der Brückenbauwerke. Viele bestehende Brücken können diesen Anfor- q Kernbohrungen in den Querwänden für die derungen nicht mehr standhalten und es zeigen Durchführung oder Umlenkung der Spannglie- sich starke Abnutzungserscheinungen und gravie- der rende Schäden. Eine effektive, schnelle und kos- tengünstige Steigerung der Trag- und Gebrauchs- q Überdrückung der Risse, Aufnahme der fähigkeit von Brücken ist durch eine Ertüchtigung Hauptzugspannungen mit Vorspannsystemen möglich. Hierbei kann die

Bild 10: Querschnitt Schubverstärkung, Schwelme-Talbrücke (Zeichnung: Ing.-Gesellschaft Thomas und Bökamp, Münster)

109 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 11: Übersicht der BBV-Typ-E-Spannglieder [9]

Nutzungsdauer durch die Verstärkung deutlich er- Das externe Litzenspannverfahren wurde zur höht werden. Baustellenfertigung entwickelt und ist im Neubau sowie bei Verstärkungsmaßnahmen anwendbar. Der Zusammenbau der Spannglieder erfolgt auf 3.1 Externes Litzenspannverfahren der Baustelle. Bauseitige Leistungen, wie z. B. die Bereitstellung von geeigneten Hebezeugen, Beim externen Litzenspannverfahren BBV Typ Mobilkränen etc., zum Verlegen der Spannglieder E nach Z-13.3-131 [9] oder ETA-11/0123 [10] werden nicht benötigt. Das Einpressen der Kor- werden 7-drähtige Spannstahllitzen mit einem rosionsschutzmasse erfolgt nach Verlegung der Nennquerschnitt von 140 mm² oder 150 mm² Spanngliedstränge auf der Baustelle. Die Spann- verwendet. Als Spannstahlgüten kommen glieder sind durch den Transport (Gewicht und St 1570/1770 oder St 1660/1860 zur Anwen- Trommelkapazität) nicht in ihrer maximalen Län- dung. Das Spannverfahren beinhaltet Spannglie- ge begrenzt. Die exakte Spanngliedlänge wird der von 3 bis 31 Litzen (siehe Bild 11). Die maxi- erst beim Einbau ermittelt. Flexibel können Pla- male Vorspannkraft beträgt Pm0,max = 6.696 kN. nungsänderungen und Baustellenimperfektionen Die schrittweise Abstufung der Vorspannkräfte abgefangen werden. Um einen zügigen Baufort- ermöglicht die effiziente Anpassung an den spe- schritt zu gewährleisten, ermöglicht das externe ziellen Anwendungsfall. Litzenspannverfahren das Aufbringen der vollen Vorspannung bereits ab einer Betonfestigkeit von

fcmj,cube = 28 N/mm².

Durch Verwendung von Mehrflä- chenankern (siehe Bild 12) bei den Spanngliedtypen BBV L12E bis BBV L31E können sehr geringe Achs- und Randabstände realisiert werden. Durch kleine Umlenkradi- en und große Umlenkwinkel ist die Spanngliedführung in Längsrichtung exakt an den gewünschten Kräfte- verlauf anpassbar.

Die Spannglieder sind nachspann- und auswechselbar. Die Korrosions- schutzmasse kann witterungsun- Bild 12: Verankerung Vorspannverfahren BBV Typ E [9] abhängig in einem Arbeitsgang

110 Michael Buschlinger, Annette Jarosch: Verstärkung von Brücken mit externer Vorspannung eingebracht werden. Die Baustellenfertigung der struktiven Ausbildung der Umlenkgeometrien Spannglieder garantiert einen reibungslosen und entwickelt. Bei Neubauten kommen die Typen R zügigen Ablauf der Vorspannarbeiten. Die variable und S (siehe Bilder 15 und 16) zur Anwendung. Ausbildung der Umlenkgeometrien reduziert die Beim Typ S mit Schalkörpern (Diabolos) wird der Materialkosten der Umlenkstellen und den Ar- planmäßige Umlenkwinkel α und der unplanmä- beitsaufwand beim Einbau. ßige Umlenkwinkel Δα ≥ 3 ° nach dem Ausbau/ Ziehen der Diabolos im Beton als trompetenartige Aussparung abgebildet. BBV liefert die Diabolos 3.2 Endverankerungen F und S zum bauseitigen Einbau auf die Baustelle. Durch mehrfache Verwendung stellt BBV Systems da- Die zweiteilige Verankerung mit Ankerplatte/An- mit eine kostengünstige Variante zur Herstellung kerkörper und Lochscheibe wird üblicherweise der Umlenkstellen zur Verfügung. als Spannanker S (siehe Bild 13) oder Festanker F eingesetzt. Bei Bestandsbauwerken wird der Typ F (siehe Bilder 17 und 18) ausgeführt. Hierbei bietet die Umlenkhülse Vorteile gegenüber der Umlenkhalb- schale:

q kleine Kernbohrungsdurchmesser und damit geringere Wahrscheinlichkeit, dass vorhande- ne Spannstahlbewehrung durchtrennt werden muss,

q Baustellenimperfektionen / Bohrungenauigkei- ten können beim Einbau in die Kernbohrung in Bild 13: Detail Spannanker S (Zeichnung: BBV) gewissem Maße ausgeglichen werden,

q keine Nachjustierungen der Formteile wäh- Als Hüllrohre werden PE-Rohre nach DIN EN rend des Spannvorgangs, unplanmäßiges 12201-2 [11] verwendet. Im Bereich des Spann- Anliegen des Spanngliedes am Austritt aus und Festankers geht das Übergangsrohr in das den Umlenkstellen wird verhindert und Anschlusshüllrohr über. Am Spannanker bewegt sich das Hüllrohr während des Spannvorgangs in q keine Knicke in der Spanngliedführung über das größere Anschlusshüllrohr (siehe Bild 14). die Umlenkstelle.

Mit einem Stahlumlenkteil mit innenliegenden 3.3 Umlenkstellen Umlenkhülsen können externe Spannglieder au- ßerhalb des Betonquerschnitts umgelenkt wer- Der Übergang des Umlenkbereichs zur freien den (siehe Bild 18). Spanngliedlänge ist mit einer trompetenartigen Aufweitung so ausgebildet, dass zusätzlich zum planmäßigen Umlenkwinkel α allseitig ein unplan- 3.4 Montage der Spannglieder mäßiger Umlenkwinkel von mindestens Δα ≥ 3 ° knickfrei aufgenommen werden kann. Einbauteile Auf der Baustelle werden die Ankerplatten, An- Um Umlenkstellen wirtschaftlich ausführen zu kerkörper, Übergangsrohre, Anschlusshüllrohre, können, hat BBV Systems drei Varianten zur kon- Schalkörper der Verankerungen, Wendeln und Zusatzbewehrung einbetoniert. An den Umlenkstellen werden, je nach Ausführung, Durchdringungsrohre (gerade oder vorgebogen) und ggf. Schalkörper einbetoniert. Es kön- nen auch Umlenkstellen nur mit Schalkörpern und bei Bedarf Aus- sparungsrohren (je nach Länge der Querträger) hergestellt werden. Bei bestehenden Bauwerken können Bild 14: Endverankerungen im Lasteinleitungsblock die Aussparungen z. B. durch Kern- (Fotos: Michael Buschlinger, BBV) bohrungen hergestellt werden.

111 26. Dresdner Brückenbausymposium

Einbau der Hüllrohre und Litzen Zunächst wird der PE-Hüllrohrstrang im Bauwerk verlegt und temporär unterstützt. Die Anschlüsse des Hüllrohrs an das Anschlusshüllrohr sowie Stöße auf der freien Länge sind kraftschlüssig durch Spiegel- stumpfschweißen, Elektroschweiß- muffen oder gleichwertig herzustel- len. Die Litzen können entweder mit einem Einschubautomat oder Bild 15: Umlenkung Typ R, Durchdringung mit einem (vorgeboge- einem Seilzug in die bereits verleg- nem) Rohr [9] ten Hüllrohre eingezogen werden.

Verfüllen des Hüllrohrstrangs mit Korrosionsschutzmasse Der Hüllrohrstrang wird mit heißer Korrosionsschutzmasse mit maximal 100 °C verfüllt. Der Verfüllvorgang be- ginnt in der Regel vor einem Tiefpunkt in der Nähe des Ankers. Bei Bedarf sind im Abstand von ca. 100 m zuein- ander weitere Einfüllöffnungen vorzu- sehen. Nach dem Abkühlen des ver- füllten Spanngliedstrangs werden alle Hochpunkte mit kalter Korrosions- schutzmasse nachverpresst. Hierzu wird je vor und nach der Umlenkstel- le eine Einfüll- bzw. Austrittsöffnung gebohrt. Die Einfüllöffnung wird mit einem druckfesten Einfüllstutzen ver- sehen, an den der Verpressschlauch angeschlossen wird. Das Nachver- pressen wird beendet, sobald Korro- sionsschutzmasse aus der Austritts- öffnung austritt.

3.5 Anforderungen an ­externe ­Spannverfahren für den Einsatz bei Bau- Bild 16: Umlenkung Typ S, Herstellung der Umlenkkontur mit Schal- körpern (Diabolos) [9] werksverstärkungen

Grundsätzlich besteht die Möglich- keit, die Lastein- und Weiterleitung in den Beton nach den technischen Baubestimmungen zu bemessen. Jedoch ergeben sich daraus meist sehr ungünstige Abmessungen der Verankerung, bzw. bei fehlender Zu- satzbewehrung ist ein rechnerischer Nachweis nicht führbar. BBV hat zu diesem Thema Lastübertragungs- versuche nach ETAG 013 [12] durch- geführt und mit diesen experimen- Bild 17: Umlenkung Typ F, Durchdringung mit eingelegten Umlenk- tellen Nachweisen wirtschaftliche formteilen / Umlenkhülse (i. d. R. Anwendung bei bestehen- Endverankerungen nachgewiesen. den Bauwerken) [9]

112 Michael Buschlinger, Annette Jarosch: Verstärkung von Brücken mit externer Vorspannung

Bild 19: Spanngliedverankerungen im Bestandsbeton wahlweise mit Umlenkhülse am Beton­ austritt (Zeichnung: BBV)

Spanngliedkopplungen mittels Einzellitzenkopplungen Mit den Einzellitzenkopplungen können die Spann- gliedlitzen beliebig, einfach und wirtschaftlich ge- stoßen bzw. gekoppelt werden (siehe Bild 21).

3.6 Stabspannglieder

Zur Verankerung von zusätzlichen Querträgern und Umlenkblöcken der externen Vorspannung in be- stehenden Brückenbauwerken werden - Stabspannsysteme nach ETA-07/0046 [13] oder nach deutscher Anwendungszulassung Z-13.71- 700461 [14] oder Z-13.72-700462 [15] eingesetzt Bild 18: Umlenkung Typ F, Stahlumlenkteil mit innen- (Tabelle 1). Die Stahlspannstäbe St 835/1030 liegenden Hülsen sind warmgewalzt und gereckt. Das Macalloy- (Zeichnung und Foto: Annette Jarosch, BBV) 1030-Post-Tensioning-System entspricht den An- forderungen der ETAG 013 [12] und ist für das Vor- spannen mit Spanngliedern mit oder ohne Verbund Ankerplatten, aufgesetzt ohne für Beton- und Verbundkonstruktionen geeignet. Zusatzbewehrung­ Die Zugfestigkeit der Spannstahlsorte Y1030-H Auf den Bestandsbeton aufgesetzte Ankerplatten, wird gemäß prEN 10138-4 [16] ausgeführt. Die welche die Lastweiterleitung in den Beton ohne Gewindestäbe sind in Durchmessern von 25, 26,5, Zusatz- bzw. Wendelbewehrung gewährleisten 32, 36, 40 und 50 mm erhältlich. Die Enden der (siehe Bilder 19 und 20). Glattstäbe, welche auf Bestelllänge geschnitten

Bild 20: Geometrie der aufgesetzten Ankerplatten (Quelle: BBV)

113 26. Dresdner Brückenbausymposium

Tabelle 1: Vorspannkräfte beim Macalloy-Stabspannverfahren für Glatt- und Gewindestäbe, Stahlgüte St 835/1030 intern mit nachträglichem Verbund / ohne Verbund, Kennwerte aus [13]

Kennwert Nenn-Ø [mm]

25 26,5 32 36 40 50

Nennquerschnitt [mm²] 491 552 804 1018 1256 1964

Nennmasse [kg/m] 3,85 4,33 6,31 7,99 9,86 15,41

Bruchlast [kN] 506 568 828 1048 1294 2022

Max. Vorspannkraft [kN]

Pm0,max = 0,8 × Bruchlast 405 454 662 834 1035 1618

Max. Vorspannkraft [kN]

P0,max = 0,95 × Bruchlast 480 539 786 995 1229 1920

werden, sind mit kaltgerolltem Gewinde versehen. (siehe Bild 23). Der Korrosionsschutz wird durch Es besteht ebenfalls die Möglichkeit, die Stäbe mit Korrosionsschutzmasse oder durch Schrumpf- durchgehendem Gewinde zu bestellen. schläuche gewährleistet. Die Stabspannglieder können jederzeit entspannt, nachgespannt oder Stabspannglieder mit nachträglichem Verbund ausgetauscht werden. sind vollständig im Konstruktionsbeton einbeto- niert. Der Verbund und der Korrosionsschutz wer- den durch den Einpressmörtel nach EN 447 [17] 4 Bauwerksmonitoring gewährleistet (siehe Bild 22). Bauwerksmonitoring umfasst die Überwachung Interne Stabspannglieder Macalloy ohne und Analyse von Bauwerken sowie die Entwick- Verbund und mit freiem Spannkanal lung neuer Systeme und Komponenten der Mess- Stabspannglieder ohne Verbund können inner- technik im Rahmen von nationalen und internati- halb des Bauteilquerschnittes eingebaut werden onalen Forschungsprojekten. Für aussagekräftige

Bild 21: Detailzeichnung der Spanngliedkopplungen (Zeichnung: BBV)

114 Michael Buschlinger, Annette Jarosch: Verstärkung von Brücken mit externer Vorspannung

Bild 22: Stabspannglieder mit nachträglichem Verbund (Spannanker und einbetonierter Festanker (Zeichnung: BBV)

Bild 23: Stabspannglied ohne Verbund mit freiem Spannkanal, aufgesetzter Ankerplatte (mit Schrumpfschlauch oder Korrosionsschutzmasse (Zeichnung: BBV)

Untersuchungen ist ein Ambient-Vibration-Moni- Schrägseilen jederzeit einfach und leicht überprü- toring empfehlenswert. Hier wird das dynamische fen (siehe Bild 24). Grundsätzlich besteht in der Schwingungsverhalten eines Bauwerks analysiert Praxis ein großer Bedarf, die wirksame Spann- und abgebildet. Die BRIMOS®-Technologie ba- kraft bzw. deren zeitliche Entwicklung technisch siert auf dem Prinzip des Ambient-Vibration-Mo- und wirtschaftlich sinnvoll zu überprüfen. Insbe- nitorings und findet seit vielen Jahren Anwendung sondere ist auch die Begleitung des Spannvor- im Bereich der Bauwerksdiagnose (Structural- ganges durch dynamische Messungen während Health-Monitoring). den Bauphasen von Bedeutung, um die aktuelle Kabelkraft mit den geforderten Werten verglei- chen sowie eine Qualitätskontrolle durchführen zu 4.1 Messung von Spannkräften können.

Mit dem BRIMOS® Recorder, unter Verwen- Die Kontrolle der Spannkraft ist durch ein neuerli- dung eines separaten Sensors, lassen sich die ches Ansetzen der Spannpresse möglich, jedoch Vorspannkräfte von externen Spanngliedern und ist mit dieser Prüfung ein großer logistischer, zeit-

Bild 24: Messungen der Seilkräfte an der Strelasundbrücke mit dem BRIMOS® Recorder (Fotos: M. Buschlinger, BBV)

115 26. Dresdner Brückenbausymposium licher und damit finanzieller Aufwand verbunden. Es besteht die Gefahr, dass ungewollt Schäden am Kabel oder der Verankerung verursacht wer- den. Vorteile bietet das BRIMOS®-Verfahren – ein modernes, zerstörungsfreies Verfahren, das auf der Analyse der dynamischen Charakteristik ba- siert.

BBV Systems GmbH war Technologiepartner beim Forschungsvorhaben zum Heft 1025 [18] und hat mit dem BRIMOS®-Verfahren an mehre- ren Brückenbauwerken Referenzmessungen an externen Spanngliedern durchgeführt. Die Beur- Bild 25: Permanentes Brückenmonitoring bei der teilung der Untersuchung war eindeutig: „Das Er- Kocherbrücke Untergröningen gebnis der Schwingungsmessung mit BRIMOS® (Foto: J. Buchmann, BBV) zeigte eine Abweichung von ca. 6 % zur mittels Kraftmessdose gemessenen Spannkraft. Die Vor- bereitungen und die anschließende Auswertung Überwachung des dynamischen und statischen waren nach ca. 30 Minuten abgeschlossen. Das Verhaltens der Kocherbrücke Untergröningen ein- Verfahren kann selbst bei beengten Platzverhält- schließlich einer Verkehrsüberwachung ist somit nissen zügig und mit guter Genauigkeit eingesetzt möglich (siehe Bild 25). werden und erkennt deutliche Spannkraftverluste zuverlässig.“ (Abschn. 8.3.6 in [18]) Literatur

4.2 Prüfung von Brückenbauwerken [1] DIN 1072: Straßen- und Wegbrücken; Last- annahmen. Ein besonderer Vorteil des entwickelten Verfah- [2] Quelle zur Talbrücke Pfeddersheim rens ist auch, dass ganze Brückenfelder schwin- [3] Quelle Verkehrsdaten Pfeddersheim gungsanalytisch gemessen werden können. [4] DIN-Fachberichte Dadurch ist eine globale Beurteilung von Brücken- [5] Daten Schwelmebrücke konstruktionen möglich. Das Verfahren nutzt die [6] DIN 4227: Spannbeton – Teil 1: Bauteile aus Tatsache, dass viele Bauwerke, vornehmlich Brü- Normalbeton mit beschränkter oder voller cken, ein ausgeprägtes Schwingungsverhalten Vorspannung. 1988 aufweisen, das durch Eigenfrequenzen, Eigenfor- [7] Nachrechnungsrichtlinie men, Dämpfungswerte und Schwingungsinten- [8] DIN-Fachbericht sitäten gekennzeichnet ist. Messwertaufnehmer [9] Zulassung Z-13.3-131: Litzenspannverfahren registrieren die Beschleunigung der schwingen- extern, Typ BBV L 3 E – L31E. den Konstruktion oder einzelner Bauteile in dreidi- [10] ETA-11/0123: BBV Externes Spannverfah- mensionaler Richtung. ren Typ E. BBV Spannverfahren mit 3 bis 31 Litzen (140 und 150 mm²) zur externen Vorspannung. 04/2011 4.3 Permanent-Monitoring [11] DIN EN 12201-2: Kunststoff-Rohrleitungs- systeme für die Wasserversorgung und für Für eine geschädigte Brücke, die großen Verkehrs- Entwässerungs- und Abwasserdruckleitun- belastungen ausgesetzt ist, kann eine Alternative gen – Polyethylen (PE) – Teil 2: Rohre. zum Ersatzneubau ein permanentes Brückenmo- [12] ETAG 013: Guideline for European technical nitoring darstellen. Für solche Einsätze ist ein Mo- approval of post-tensioning kits for prestres- nitoringkonzept für eine Zustandsüberwachungen sing of structures. Brussels: EOTA notwendig, das Planung, Installation und Dauerbe- [13] ETA-07/0046: Macalloy 1030 Post Tensio- trieb des permanenten Messsystems beinhaltet. ning System. Wichtig ist hier ein gut funktionierendes Datenma- [14] Z-13.71-700461 nagement, das eine sinnvolle Datenbereitstellung [15] Z-13.72-700462 für eine laufende Messdatenanalyse, Interpretati- [16] prEN 10138-4: Spannstähle – Teil 4: Stäbe. on und Beurteilung der Ergebnisse liefert. [17] EN 447 [18] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Das permanente Monitoring kann eine Zustands- Stadtentwicklung (Hrsg.): Verfahren zur überwachung von Bauwerken über die gesam- Prüfung des Zustands von externen Spann- te Nutzungsdauer bieten. Eine kontinuierliche gliedern und Schrägseilen. Heft 1025, 2009

116 Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus

Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus

Prof. Cengiz Dicleli Hochschule Konstanz HTWG, Institut für Angewandte Forschung

1 Einleitung Beim Dresdner Brückenbausymposium gehört ein historischer Vortrag schon lange zur Tradi- Es ist leider eine Seltenheit, dass bei Vortrags- tion. 2015 wurde über den Spannbetonpionier veranstaltungen von Bauingenieuren auch ein Gustave Magnel berichtet. 2014 ging es um die Beitrag über deren Geschichte vorgesehen wird. Anfänge des ingenieurmäßigen Holzbaus. Ein Die Bautechnikgeschichte gehört noch nicht zum Jahr davor war Franz Dischinger als Visionär des anerkannten Repertoire der Ingenieure. Während Brückenbaus an der Reihe. So ist es folgerichtig, jeder Architekt im Studium Kenntnisse in der dass in diesem Jahr Ulrich Finsterwalder (Bild Baugeschichte erwerben muss, ist dieses Fach 1), ein Altmeister des Brückenbaus, vorgestellt in deutschen Hochschulen für Studierende des wird, der zu den bedeutendsten Ingenieuren des Bauingenieurwesens immer noch ein Fremd- Stahl- und Spannbetonbaus im 20. Jahrhundert wort. Über die Gründe für diesen Missstand gehört. muss an anderer Stelle diskutiert werden. Inzwi- schen hat es sich herumgesprochen, dass Bauin- Auch wenn Finsterwalder hier in erster Linie als genieure nicht nur für Sicherheit und Wirtschaft- Brückenbauer gewürdigt werden soll, ist sein lichkeit ihrer Bauwerke zuständig sind, sondern Name mit unzähligen Meilensteinen des Stahl- und auch für deren gestalterische Qualität, insbeson- Spannbetonbaus verbunden. Von der Entwicklung dere was den Ingenieurbau betrifft. Gestaltung von Tonnenschalen und des freien Vorbaus bis hin und Geschichtsbewusstsein sind Aspekte, die zum Bau von Schiffen und schwimmenden Häfen den Beruf des Bauingenieurs noch attraktiver aus Spannbeton gehen viele Erfindungen des 20. machen können. Sie tragen zum Selbstverständ- Jahrhunderts auf ihn zurück. nis und Selbstbewusstsein der Bauingenieure bei und fördern das gegenseitige Verständnis Ulrich Finsterwalder trat 1923 in die Firma Dy- von Ingenieur und Architekt. ckerhoff & Widmann ein und gestaltete sie rund 50 Jahre lang als Chefingenieur, Mitglied der Ge- schäftsleitung und persönlich haftender Gesell- schafter mit, z. B. [1]. Er gehört zu einem beson- deren Typus von Firmeningenieuren, die auf eine Hochschulkarriere und ein eigenes Ingenieurbüro verzichtet haben, weil sie mit Leib und Seele vor allem bauen wollten. Aus Ulrich Finsterwalders Schule gingen zahlreiche spätere Professoren für Stahlbetonbau und Statik sowie Gründer weltweit bedeutender Ingenieurbüros hervor.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, gibt es kaum einen Bauingenieur, auf den der Ausdruck genial so sehr zutrifft, wie viele Autoren Finster- walder übereinstimmend charakterisiert haben. Was ihn besonders auszeichnet, ist seine Auf- fassung von Theorie und Praxis als konsequente Einheit, wobei er Forschung in erster Linie ziel- gerichtet zur Lösung von Bauaufgaben betrieben hat. Gepaart mit Innovationskraft und Mut zum Wagnis hat ihm diese Haltung ermöglicht, zusam- men mit seiner Firma nicht nur zwei Weltkriege und eine Weltwirtschaftskrise zu überstehen, sondern auch Jahrzehnte lang eine internationale Spitzenposition beim Konstruktiven Ingenieurbau Bild 1: Ulrich Finsterwalder zu behaupten.

119 26. Dresdner Brückenbausymposium

Die Vereinigung von Entwurf, Konstruktion und Bauausführung in einer Person, gepaart mit kauf- männischem und organisatorischem Geschick, sowie Mut zum kalkulierten Wagnis und die Be- reitschaft, Grenzen zu überschreiten, waren die Grundlagen für Finsterwalders jahrzehntelange Erfolge und für seinen großen Einfluss. Finster- walder hatte das Glück, in einer Firma tätig zu sein, bei der Konstruktion und Ausführung als eine Synthese betrachtet wurde und die bereit war, Mittel für Entwicklungen auch dann bereitzu- stellen, wenn zunächst noch kein wirtschaftlicher Erfolg abzusehen war [1]. Er war bereit, fähigen und leistungswilligen Mitarbeitern sein Vertrauen zu schenken und ihnen so viel Freiheit und Selbst- ständigkeit zu gewähren, wie sie sich selbst zu- trauten.

Auf eine wichtige Tatsache soll noch hingewiesen werden. Um die wahre Größe und Bedeutung von Pionierleistungen zu würdigen, muss man sich vergegenwärtigen, dass es sich bei diesen aus der heutigen Sicht möglicherweise einfach er- scheinenden Bauten eben um Pionierleistungen handelte. Finsterwalder hat bei vielen seinen Bau- ten und Projekte bedeutende Grenzen überschrit- Bild 2: Finsterwalder als junger Rekrut ten, auch wenn sie nach dem aktuellen Stand der Technik nicht mehr so spektakulär erscheinen mö- gen. zählt er zu den Mitbegründern des Deutschen Museums München.

2 Vom Werden eines Ulrich Finsterwalders vier Jahre älterer Bruder ­Ausnahmeingenieurs Eberhard war Architekt in München. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Richard Finsterwalder war 2.1 Familie Finsterwalder Professor für Kartografie und Photogrammetrie an der TH München wie auch sein Neffe Rüdiger Ulrich Finsterwalder wurde am 25. Dezember Finsterwalder Ordinarius für Kartografie an der 1897 in München geboren (s. z. B. [1], [2], [3], TU München war. Die Begabung für Mathematik [4]). Er gehörte einer gutbürgerlichen Akademi- und der Hang zum Ingenieurwesen setzten sich kerfamilie an, die väterlicherseits aus Rosenheim bei den drei Söhnen von Ulrich Finsterwalder stammte. Seine mathematische Begabung und fort. Klemens und Thomas Finsterwalder sind sein spielerischer Umgang mit Differentialglei- Bau­ingenieure, Lorenz Finsterwalder ist Physi- chungen waren ihm bereits in die Wiege gelegt: ker. Sein Vater Sebastian Finsterwalder (1862–1951) war ein weitbekannter Mathematiker und Profes- Schon als sechzehnjähriger Schüler soll Ulrich sor an der TH München. Er hatte zunächst mit Finsterwalder zusammen mit einem Freund den dem Architekturstudium begonnen, wechselte Schlosspark Nymphenburg mittels mehrerer Poly- jedoch aufgrund seiner außerordentlichen ma- gonzüge ausgemessen haben, um eine maßstäb- thematischen Begabung zum Studium der Ma- liche Karte als Geburtstagsgeschenk für seinen thematik und Physik. Er war erst 29 Jahre alt, Vater anzufertigen. Diese Karte sollte später von als er den Lehrstuhl für Mathematik in München der TU München als Studienarbeit für Vermes- übernahm. Nach 20 Jahren wechselte er auf den sungskunde anerkannt werden [2]. Lehrstuhl für Geometrie. Sebastian Finsterwalder gilt als einer der Begründer der Photogrammetrie Während des Ersten Weltkriegs machte er 1916 und der Rekonstruktion räumlicher Objekte aus sein Abitur und musste anschließend in den Krieg Fotoaufnahmen. Diese Verfahren setzte er auch ziehen; er diente als Leutnant an der Westfront für die geodätische Vermessung der Alpen und (Bild 2). Die Jahre 1918 bis 1920 in französischer der Gletscher ein, wofür er Luftbildaufnahmen Kriegsgefangenschaft nutzte er zum Teil für seine von einem Ballon aus machte [5]. Nicht zuletzt Weiterbildung in Mathematik.

120 Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus

2.2 Das Studium

Wieder daheim schrieb sich der Dreiundzwanzigjährige nach An- raten seines Vaters zum Winter­ semester 1920/21 an der TH Mün- chen zunächst in der Fachrichtung Maschinenbau ein. Einige Kollegen seines Vaters hatten wohl die Mei- nung vertreten, dass es auf dem Gebiet des Bauwesens nichts Neu- es mehr zu entwickeln gäbe. In guter akademischer Tradition legte sein Vater für die Berufswahl seines Sohnes Wert auf die Möglichkeit, im Berufsleben Neues erfinden und entwickeln zu können. Finsterwal- Bild 3: Zeiss-Planetarium in Jena der wechselte jedoch zum Som- mersemester 1921 glücklicherwei- se zum Bau­ingenieurwesen [6]. Weil die Fächer & Widmann aufzunehmen [7]. Von einem ehema- im ersten Semester praktisch gleich waren, hatte ligen Schulfreund, der im Zeisswerk in Jena tätig er dadurch keinen Zeitverlust zu beklagen. war, hatte er bereits erfahren, dass Dywidag dort dabei war, Planetariumskuppeln unter Verwen- Die Anfänge des Schalenbaus lagen zu Beginn der dung von filigranen Netzwerken zu entwickeln. 1920er Jahre förmlich in der Luft. Walter Bauers- Das Netzwerk wurde nach dem Torkretverfahren feld und der Dywidag-Ingenieur Franz Dischinger einbetoniert, um sowohl einen Projektionsschirm arbeiteten in Jena an der Entwicklung von Planeta- für die Darstellung des Sternenhimmels als auch riumskuppeln. Und Finsterwalders Mechanik-Pro- einen Raum für die Zuschauer zu bieten (Bild 3). fessor an der TH München war Ludwig Föppl, der Mit seiner einschlägigen Diplomarbeit über Netz- sich mit freitragenden Kreiszylindersegmentscha- werkschalen muss der junge Absolvent pass­ len befasste. Das brachte den jungen Studenten genau der richtige Mitarbeiter für Franz Dischin- dazu, seine Diplomarbeit über die Theorie der Netz- ger gewesen sein, der in Jena zusammen mit werkschalen anzufertigen. Gleichzeitig arbeitete er Walter Bauersfeld, dem bekannten Physiker und an der Theorie der querversteiften Zylinderschalen. Forschungsleiter der Firma Zeiss, an der Theorie und Herstellung von dünnwandigen Kugelschalen arbeitete. Anlass war das Planetariums-Projekt 2.3 Anfänge bei der Firma der Zeisswerke, bei dem die halbkugelförmigen Dyckerhoff & Widmann Kuppeln aus entsprechend geformten Netzwerk- schalen durch Torkretieren hergestellt wurden. 1923 beendete Finsterwalder sein Studium in sechs Semestern und beschloss, eine Tätigkeit bei Der junge Absolvent muss den beiden älteren der bereits sehr renommierten Firma Dyckerhoff Kollegen imponiert haben, betrauten sie ihn doch mit der Bearbeitung der 40 m weit gespannten und mit 7,9 m Pfeilhö- he sehr flachen Schalenkuppel der Glaswerke Schott [8], einer Schwes- terfirma der Zeisswerke. Die Scha- le hatte eine Dicke von nur 6 cm. Von ihrer Realisierung rieten etliche Fachleute dringend ab (Bild 4).

1925 kam Finsterwalder in das Konstruktionsbüro der Hauptver- waltung nach Wiesbaden-Bieb- rich, wo auch Dischinger als Ober- ingenieur tätig war [3]. Dyckerhoff & Widmann war eine Firma, bei der eigene Forschung gepflegt Bild 4: Schottkuppel und gefördert wurde. So konnte

121 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 5: Dywidag-Halle auf der GeSoLei in Düsseldorf, Handzeichnung (Signatur nicht eindeutig lesbar) sich Finsterwalder theoretisch und experimen- lindrischen Schalengewölbe zugrunde [4]. 1928 tell mit der Membrantheorie der Zylinderscha- folgten das Elektrizitätswerk und die Groß- len beschäftigen. 1926 baute er zusammen mit markthalle in Frankfurt a.M., ein Jahr später die Dischinger eine Halle mit Tonnenschalen für Markthalle in Basel und weitere. Einen beson- die Ausstellung GeSoLei (Gesundheit, Sozia- deren Platz nimmt dabei die Großmarkthalle in le Fürsorge und Leibesübungen) in Düsseldorf Budapest mit ihren rund 41 m frei spannenden (Bild 5). Allen weiteren zylindrischen Schalen- Tonnenschalen ein, während die Spannweite bauten im System Zeiss-Dywidag lag Ulrich der Tonnen in der Großmarkthalle in Frankfurt Finsterwalders Theorie der querversteiften zy- 36,70 m beträgt (Bild 6).

Bild 6: Großmarkthalle Budapest

122 Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus

Bild 7: Flugzeughalle in Werneuchen

1930 promovierte er mit seiner Biegetheorie hallen im Umland von Berlin, u. a. in ­Werneuchen der freitragenden Kreiszylindersegmentschale (Bild 7) und Döberitz, an vielen Bunkern und bei Ludwig Föppl in München [2]. Im gleichen Schutzbauten, an U-Boot-Bunkern wie in Kiel und Jahr heiratete er Eva Habild, die Tochter eines in Lorient (Bild 8) in der Bretagne, aber auch an Dywidag-Ingenieurs.­ der Festhalle in Weimar. Finsterwalder entwi- ckelte eine besondere stahlsparende, spiralartige Bewehrung für Bunkerbauten und arbeitete an ei- 2.4 Die Berliner Jahre 1933–1945 nem Entwurf für den geplanten, jedoch wie die Kongresshalle von Dischinger nicht ausgeführten 1932 nahm Dischinger den Ruf an die Techni- Münchner Hauptbahnhof, einer Flechtwerkkuppel sche Hochschule Berlin-Charlottenburg an. Somit mit 280 m Durchmesser und 100 m Höhe. Zeiss- konnte Finsterwalder dessen Stelle als Chefkon- Dywidag-Schalen wurden in dieser Zeit vermehrt strukteur übernehmen. Ein Jahr später musste für Kasernen- und Wohnungsdächer eingesetzt. er jedoch als Leiter des Konstruktionsbüros der Auch die Entwicklung von Betonschiffen im Auf- Hauptverwaltung mit seiner Familie ebenfalls trag der Organisation Todt, wofür Finsterwalder nach Berlin ziehen, weil die Firma ihren Sitz dahin eine Auszeichnung bekam, fiel in diese Zeit. Im verlegte bzw. verlegen musste. Juli 1942 wurde im Rahmen des Hauptausschus- ses Schiffsbau ein Sonderausschuss Betonschiff- Wie die meisten deutschen Baufirmen wurde bau eingerichtet, dessen Leitung Finsterwalder auch Dyckerhoff & Widmann für die Bauten der übertragen wurde, z. B. [10]. Ausschlaggebend NS-Herrschaft herangezogen, was wirtschaftlich für die materialsparende wirtschaftliche Herstel- zunächst ein einträgliches Geschäft wurde (s. z. B. lung war die Anwendung der Schalentheorie an [9]). Auch Finsterwalder war sehr erfolgreich und Stelle der tradierten Spantenbauweise. wurde 1941 Mitglied der Geschäftsleitung. In die- ser Zeit wirkte die Firma an vielen renommierten Ein politisches Engagement oder ein über das Bauten mit, wie z. B. am Flughafen Tempelhof, an geschäftlich Notwendige hinausgehende Inter- den Olympischen Bauten, an mehreren Flugzeug- esse am NS-Regime ist von Finsterwalder nicht

123 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 8: U-Boot-Bunker Lorient

überliefert [10]. Allerdings ist, ähnlich wie bei den 2.5 Ein Großmeister des Betonbaus meisten seiner Kollegen, auch keine nachträgliche Distanzierung z. B. im Hinblick auf die Zwangs- Das Ende des Kriegs erreichte Dywidag mit gro- arbeiter, die selbstverständlich auch seine Firma ßen Verlusten an Kapital, Bauten, Maschinenpark beschäftigt hatte, bekannt geworden. Zur Haltung und Personal. 1945 wurde der Firmensitz zuerst und Tätigkeit der Bauingenieure und Baufirmen nach Hamburg, dann nach München verlagert. unter der Nazi-Herrschaft besteht noch viel For- Finsterwalder übernahm die Aufgabe, die Konst- schungsbedarf. ruktionsbüros der Firma wieder aufzubauen, was er mit großem Engagement betrieb. 1948 wurde er persönlich haftender Gesellschafter.

Die Zeit ab den Fünfzigerjahren des 20. Jahr- hunderts ist Finsterwalders meisterliche Schaf- fensperiode, wo er sich insbesondere beim Be- tonbrückenbau zu einem weltweit anerkannten Großmeister profilierte [11]. Bahnbrechendes leistete er jedoch nicht nur beim Brückenbau. Vielmehr gab es kaum einen Bereich des Stahlbe- tonbaus, wo Finsterwalder nicht erfolgreich tätig war: Stahlbetonfachwerkträger mit Vorspannung durch Eigengewicht, Tanker und schwimmen- de Häfen (Bild 9) aus Stahlbeton, Spannbeton- brückenbau, insbesondere die Entwicklung des Dywidag-Spannverfahrens und des Freivorbaus, städtische Hochstraßen wie der Tausendfüßler in Düsseldorf sowie Hängedächer wie bei der Schwarzwaldhalle (Bild 10) in Karlsruhe und der sog. Schwimmoper in Wuppertal, vorgespannte Eisenbahnschwellen und Wasser- und Faulbehäl- ter. Besonders reizvoll ist die Großmarkthalle in Hamburg, die er 1957 mit dem Architekten Bern- hard Hermkes realisierte.

In über 80 Aufsätzen und Vorträgen veröffentlich- Bild 9: Schwimmender LNG-Behälter (LNG = Liquid te Finsterwalder sehr eingehend und verständlich Naturell Gas) aus Stahlbeton (Projekt) seine Erfindungen und Entwürfe, die den Inge-

124 Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus nieurbau nicht nur in Deutschland, sondern weltweit beeinflussten und weiterbrachten.

Für sein Lebenswerk wurde er mehrfach geehrt, z. B. [3]. Unter an- derem erhielt er 1950 die Ehrendok- torwürde der TH Darmstadt, 1968 die der TH München. 1953 wurde ihm die Emil-Mörsch-Denkmünze des Deutschen Beton-Vereins, 1963 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, 1967 die Charles S. Whitney Medal des American Concrete Instituts verliehen. 1968 wurde er außeror- dentliches Mitglied der Akademie der Künste Berlin. 1976 wurde er Bild 10: Schwarzwaldhalle als erster Ausländer Mitglied der National Academy of Engineering der Vereinigten Staaten. Ein Jahr später erhielt er Am 5. Dezember 1988 starb er in München im als erster Brückenbauer den Preis der Internatio- Kreise seiner Familie. nalen Vereinigung für Brückenbau und Hochbau IVBH. 3 Finsterwalders Brücken Finsterwalder bildete mehrere Generationen von hervorragenden Ingenieuren in „seiner“ Firma Der Brückenbau war für Dyckerhoff & Widmann aus. Durch seine Schule gingen zahlreiche spä- immer eine besondere Herausforderung. Fins- tere Professoren für Stahlbetonbau und Statik terwalder konnte gerade auf diesem Gebiet ganz sowie Inhaber und Leiter weltweit bedeutender entscheidend zum Erfolg der Firma beitragen. Ingenieurbüros und Firmen, wie z. B. Leonhardt Insbesondere das Verfahren des freien Vorbaus in Obermeyer, Anton Tedesko, Georg Knittel, Her- Spannbeton wurde von ihm entwickelt. Ab 1950 bert Kupfer (Bild 11), Helmut Bomhard, Herbert bis Ende der 1980er Jahre wurden von Dycker- Schambeck und Dieter Jungwirth. hoff & Widmann allein oder in Arbeitsgemein- schaften ca. 525 Spannbetonbrücken erstellt, Mit 76 Jahren und nach 50-jähriger Berufstätig- davon die meisten im freien Vorbau. Im gleichen keit schied Finsterwalder 1973 aus dem aktiven Zeitraum wurden von Lizenznehmern in aller Firmendienst aus und war noch weitere 15 Jahre Welt, insbesondere in Japan und Skandinavien, als unabhängiger beratender Ingenieur tätig. Sei- aber auch in den USA, ca. 1235 Spannbetonbrü- nen Arbeitsraum bei Dywidag behielt er jedoch cken mit DYWIDAG-Spannverfahren ausgeführt bei. U. a. wurde er bei Großprojekten wie der Brü- ([12], S. 19/20). Die bei vielen Freivorbaubrücken cke über die Meerenge von Messina, dem Ärmel- aus den 1960er und 1970er Jahren entstandenen kanaltunnel und dem Brenner Basistunnel selbst Schäden und deren Ursachen sind inzwischen all- noch mit 90 Jahren als Berater hinzugezogen. gemein bekannt. Viele davon konnten erfolgreich saniert werden.

Fast alle von Dyckerhoff & Widmann gebauten Brücken waren auf Wettbewerbserfolge zurück- zuführen. Finsterwalder begnügte sich meistens nicht mit den vorgegebenen Amtslösungen und entwickelte gerne eigene Sondervorschläge, wo- mit er oft in Stahl ausgeschriebene Brücken als Betonkonstruktionen durchsetzen konnte. Insbe- sondere war die Vorspanntechnik, die von Fins- terwalder maßgeblich mitentwickelt wurde, im Wettbewerb mit Stahlbrücken von entscheiden- der Bedeutung. In diesem Zusammenhang hat Bild 11: Herbert Kupfer und Georg Knittel bei der Fritz Leonhardt auf eine besondere Eigenschaft Ulrich-Finsterwalder-Tagung 2013 von Finsterwalder hingewiesen [13]:

125 26. Dresdner Brückenbausymposium

„Hervorheben möchte ich noch seine eindring- Autobahn in Oelde gebaut. Hier wurden die Vor- liche Überredungskunst, mit der er seine wohl- spannelemente erstmalig innerhalb des Beton- gegründete Überzeugung von seinen Lösungen querschnitts angeordnet. auf andere übertragen kann. So hat er in der An- fangszeit des Spannbetons anlässlich eines Brü- Im gleichen Jahr führte Finsterwalder in der Nähe ckenwettbewerbes einmal einen verdienten alten von Wiedenbrück eine Autobahnüberführung mit Stahlbrückenbauer in einer einzigen Unterredung einer Spannweite von 34,5 m ebenfalls in Spann- davon überzeugt, dass bei dem Wettbewerb nur beton aus (Bild 12). Zeitgleich veröffentlichte er eine Spannbetonbrücke die richtige Lösung sei, seine Konstruktion unter der Bezeichnung „Eisen- so dass dieser Stahlbauer sich zum großen Er- betonträger Bauart Finsterwalder“ in zwei Fach- staunen seiner Kollegen am anderen Tag für den zeitschriften [15], [16] und begründete sie als eine Betonentwurf eingesetzt hat.“ stahlsparende Bauweise, die das „tote Gewicht“ zu vermeiden hilft. Der Grundgedanke bestand, wie auch bei Dischinger, darin, die Haupttrag- 3.1 Eisenbetonträger mit selbsttätiger eisen wie bei einer Unterspannung aus dem ei- Vorspannung durch Wirkung des gentlichen Träger herauszunehmen. Jedoch hatte Eigengewichts er eine andere geniale Idee für die Erzeugung der Vorspannung. In Feldmitte ordnete er eine Fuge mit einem Bleigelenk in der Druckzone an, wo- Die erste Spannbetonbrücke wurde von Franz durch der Träger auch statisch bestimmt und die ­Dischinger mit einer Hauptöffnung von 69 m auftretenden Kräfte von den Formänderungen un- 1936/37 in Aue/Sachsen gebaut. Die St-52-Stäh- abhängig wurden. Die Größe der Vorspannung re- le zur Aufbringung der Vorspannung mit 70 mm gelte sich somit nach der Größe der auftretenden Durchmesser wurden dabei frei im Inneren der Spannung selbsttätig. Die beiden Trägerteile wur- Konstruktion in Form eines unterspannten Trägers den zur Mitte hin mit einer leichten Steigung be- geführt, eine externe Vorspannung ohne Verbund. toniert. Bei der Belastung des Trägers durch sein Die Zugbänder wurden mittels hydraulischer Pres- Eigengewicht beim Absenken des Lehrgerüstes sen gegen den erhärteten Betonträger gespannt. wurde der Spannstahl gespannt, der Beton da- Um die Kriechverluste auszugleichen, mussten durch vorgespannt. Der Eisenbetonträger erhielt die Stäbe jedoch mehrmals nachgespannt wer- eine mittige Vorspannung, wodurch Biegespan- den. Das Bauwerk überstand den Krieg, wurde nungen weitgehend vermieden werden konnten. 1962 generalüberholt, musste aber 1995 doch ab- Die Zugbewehrung wurde erst nach Eintritt der gebrochen werden. Da es unter Denkmalschutz Dehnung einbetoniert, wodurch ein Verbund her- stand, wurde es äußerlich originalgetreu wieder gestellt wurde, was der zweite Unterschied zur aufgebaut [14]. Leonhardt berichtet, dass die Brü- Lösung von Dischinger war. cke schon nach wenigen Jahren starke Schäden zeigte. „Es hat mancher Diskussion bedurft, bis Diese Brücke wurde 1987, d. h. 50 Jahre nach Dischinger den Wert des Verbundes zwischen ihrer Erstellung, von Herbert Schambeck, dem Spannstahl und dem Betontragwerk anerkannt damaligen Direktor von Dyckerhoff & Widmann, hat, und man kann den Zeitpunkt dieser Erkennt- eingehend untersucht. Es hat sich gezeigt, dass nis an seinen darauffolgenden Patentanmeldun- die Konstruktion sich in einem einwandfreien Zu- gen für Spannbeton mit Verbund ablesen“ [13]. stand befand und die neueren Berechnungen und Dank des hochwertigen Korrosionsschutzes ist Messungen hinsichtlich der Formänderung und dieses wichtige Problem heute gelöst. Die gro- des Kriechverhaltens mit den ursprünglichen gut ßen Vorteile dieser Bauweise haben in den ver- übereinstimmten [17]. gangenen Jahrzehnten bekannter Weise zu einer Renaissance der extern vorgespannten Brücken- Finsterwalder wendete dieses Prinzip auch bei konstruktionen geführt. Fachwerkträgern aus Stahlbeton an (Bild 13), [13]. Die Druckstäbe wurden aus normal bewehrtem 1938 wurde von der Firma Wayss & Freytag nach Beton hergestellt, die Zugstäbe aus Stabstahlbün- dem Patent von Freyssinet eine Brücke über die deln, die erst nach Einstellen der Dehnung bei Be-

Bild 13: Fachwerkträger System Finsterwalder

126 Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus

Bild 12: Eisenbetonträger Bauart Finsterwalder lastung durch ständige Lasten einbetoniert wur- cken und Hallenkonstruktionen im Unterschied den. Dadurch blieb der Beton der Zugelemente zum Dywidag-Spannverfahren, das ab den Fünf- rissfrei. Durch Anbringen von Gewichten an den zigerjahren zum Einsatz gekommen ist, als vorge- Knoten ließen sich die Zugelemente sogar weiter spannte Zugglieder dicke Rundeisen aus St 52 mit vorspannen. Diese Konstruktion wurde unter an- einem Durchmesser von 40 bis 80 mm eingesetzt derem als Torträger bei Flugzeughallen und beim [18]. Dach der Festhalle in Weimar angewandt. Auch die Decke der Empfangshalle des Flughafens Ber- lin-Tempelhof wurde mit diesem System erstellt. 3.2 Dywidag-Spannverfahren mit Finsterwalder wies nach, dass sich dabei 40 bis beschränkter Vorspannung 60 % Eisenersparnis im Vergleich zu konventio- nellen Trägerkonstruktionen erzielen lassen. Finsterwalders größter Beitrag war wohl die Ent- wicklung des Dywidag-Spannverfahrens und die Bei all diesen frühen vorgespannten Konstruktio- dadurch möglich gewordene Erfindung des freien nen in den 1930er Jahren wurden bei den Brü- Vorbaus von Spannbetonbrücken [19].

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Bild 14: Freyssinet-Brücke in Changis-sur-Marne, erbaut 1950

Nachdem Dischingers Versuch mit der externen und dadurch bedingte Risse entstehen konnten. Vorspannung bei der Stadtbrücke in Aue kein Die Spannelemente bestanden aus Kabeln, Seilen nachhaltiger Erfolg beschieden war, weil die zu oder Drähten, deren Verankerung mittels Keilen geringe Vorspannung in den Stahlseilen einen vorgenommen wurde. Finsterwalder erläuterte dauernden Unterhalt erforderte [20], wendete scharfsinnig [19]: sich das Interesse der Fachwelt dem Spannbeton mit Verbund zu. Die Entwicklung begann mit den „Es ging ohne Frage zu weit, allgemein eine so Marne-Brücken von Freyssinet. Die wichtigste hohe Druckvorspannung des Betons zu verlan- Neuerung dabei war, dass die Vorspannkabel in gen, dass diese bei der Belastung höchstens bis den Trägern zunächst längsbeweglich frei ange- auf null abgebaut wird. [...] Ein solches Verlangen ordnet waren, um diese gegen den erhärteten Be- würde logisch zu der Konsequenz führen, dass ton vorzuspannen und durch Ausgießen nachträg- der klassische Stahlbeton mit nicht vorgespann- lich mit der Konstruktion zu verbinden. In seinem ter Bewehrung, bei dem die Dehnfähigkeit und Buch „Triumph der Spannweiten“ [21] berichtet die Zugfestigkeit des Betons stets in Anspruch Hans Wittfoht, dass R. Färber aus Breslau bereits genommen werden, […], in Zukunft grundsätzlich 1927 ein ähnliches Patent angemeldet hatte, bei überhaupt nicht mehr zugelassen werden dürfte. dem im Beton liegende Spannglieder durch Isolie- Daran ist natürlich überhaupt nicht zu denken […]. rung mittels Blech- oder Papphülsen am Verbund Aufgrund dieser Überlegungen entspricht die „be- gehindert und nachträglich mit Spannpressen ge- schränkte Vorspannung“, bei welcher die Dehnfä- gen den erhärteten Beton vorgespannt wurden. higkeit des Betons in Anspruch genommen wird, Freyssinet wendete dieses Verfahren nun im Brü- den Eigenschaften des Baustoffs.“ ckenbau an (Bild 14). Ab diesem Zeitpunkt wurde es in Abwandlungen weltweit das beherrschende Die geringere Vorspannung hatte auch den Vorteil, Verfahren im Spannbetonbrückenbau. dass Beton nicht dauernd unter hoher Spannung stand und somit auch die Kriechverluste reduziert Finsterwalder führte im Vergleich zu Freyssinet wurden. Trotz zum Teil heftiger Kritik blieb Fins- gleich mehrere Neuerungen ein und ließ sie als terwalder seiner Lösung treu, die sich mit der Zeit Dywidag-Spannverfahren patentieren. Freyssinet ebenfalls weltweit durchsetzen konnte. und alle, die sein Verfahren angewendet haben, wählten die volle Vorspannung der Spanneinla- Das Dywidag-Spannverfahren (z. B. [19]) ist ge- gen, sodass im Beton gar keine Zugspannungen kennzeichnet durch die Verwendung von Einzel-

128 Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus spanngliedern aus einem robusten, mittelfes- gerippte Gewindestahl in der Stahlgüte St 85/105 ten Spezial-Rundstahl mit Durchmesser 26 bis mit durchgehenden Gewinderippen entwickelt, 36 mm anstelle eher empfindlicher Drähte, Litzen der als DYWIDAG-Spannstahl bekannt wurde. oder Seile (Bild 15). Das durchgehende Gewinde wendete Finster- walder auch beim normalen Baustahl an, um den Der vom Hüttenwerk Krupp Rheinhausen entwi- viel Platz einnehmenden Überdeckungsstoß beim ckelte naturharte Spezialstahl mit der Bezeich- Bewehren durch Muffen-Verbindungen ersetzen nung „Stahl 90“ besaß eine Bruchfestigkeit von zu können. So entstand der bekannte GEWI-Stahl 9.000 kg/cm² und war sehr korrosions- und feuer- in der Stahlgüte BSt 42/50 RU, der große kons- fest. Da er nicht schweißbar war, entwickelte Fins- truktive und wirtschaftliche Vorteile bietet. Der terwalder ein Gewinde, das nicht eingeschnitten, GEWI-Muffenstoß erlaubt zug- und druckfeste sondern durch Aufrollen hergestellt wurde. So wur- Verbindungen und ist auch bei dynamischen Be- de kein Material abgetragen und die Tragfähigkeit lastungen einsetzbar [23]. des Gewindes entsprach der des vollen Stabes. Die geringfügige Einbuße an Querschnitt beim Ein- Schon ab 1950, also bereits fünf Jahre nach pressen der Gewinde wurde dabei durch die Ver- Kriegsende, stieg Dywidag mit seinen Spannver- gütung des Materials als Folge der Kaltverformung fahren und -produkten ins internationale Lizenz- mehr als ausgeglichen. Die Hüttenleute waren da- geschäft ein, woraufhin in den Fünfzigerjahren mals der Meinung, dass Finsterwalder sich dieses eine Reihe von vorgespannten Brücken in Öster- Vorhaben aus dem Kopf schlagen solle. Die Walzen reich und in den skandinavischen Ländern ent- könnten niemals so geführt werden, dass dabei ein standen. Gewinde entstehen kann. Mit einem praktikablen Vorschlag zur Walzenführung konnte Finsterwalder auch dieses Problem lösen [22]. Für die zuverlässi- 3.3 Die gelenklosen Rahmenbrücken ge Verankerung der Spannstäbe an deren Enden wurde die sog. Glockenverankerung entwickelt, Das Dywidag-Spannverfahren nahm im Brücken- die aus einem Gewinde mit Sechskantmutter be- bau ab 1949 eine stürmische Entwicklung und stand. Diese stützte sich auf eine Verankerungs­ wurde zunächst bei frei aufliegenden oder durch- glocke ab. Der äußere Ring dieser Glocke nahm die laufenden Balkenbrücken mit Plattenbalkenquer- von der Mutter abstrahlenden Spaltzugkräfte auf. schnitt eingesetzt. Mit diesem Spannverfahren Das Gewinde bot außerdem den Vorteil, über eine wurde im Jahre 1949 als erstes Bauwerk die 21 m Muffen-Verbindung Spannglieder zu einer beliebi- weit gespannte Würmbrücke in Percha bei Starn- gen Länge zugfest zusammenzuschließen. Nach berg vorgespannt [24]. Weitere Beispiele dafür diesem Verfahren entstanden neben Brücken auch sind die Brücken in Lindau, Berchtesgaden und unzählige Überdachungen, Hallen, Faul- und Was- die Isarbrücke in Landshut. serbehälter, ja sogar Eisenbahnschwellen und vie- les mehr, z. B. [18]. Um die Balkenhöhe zu minimieren, wurden ver- schiedene Rahmensysteme ausprobiert. Freyssi- Zusätzlich zum glatten Stahl mit aufgerolltem Ge- net hatte 1946 bis 1950 mit seiner „Serie Esbly“ winde wurde bei Dywidag auch der doppelseitig mehrere bemerkenswerte vorgespannte Rah-

Bild 15: Dywidag-Einzelspannglied

131 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 16: Gänstorbrücke Ulm, Längsschnitt menbrücken über die Marne nordöstlich von Paris und teilweise sich im Wasser bzw. im Boden befin- errichtet (vgl. Ziff. 3.2). den, sind die Dreiecksböcke nicht sichtbar (Bilder 16, 17). Bei der Gänstorbrücke in Ulm überbrückte Fins- terwalder 1950 die Donau mit einer neuen Art von Dieses System des gelenklosen Rahmens wurde vorgespannter Rahmenbrücke, die bei der Ausbil- von Dywidag auch bei weiteren Brückenbauten dung ihrer Stiele an die Marne-Brücken von Freys- gewählt, wie z. B. bei der II. Lombards-Brücke in sinet erinnert. Der Riegel des Rahmens besteht Hamburg (1952), die 1963 in Kennedy-Brücke um- aus einem Plattenbalken, die Stiele sind als Drei- benannt wurde, sowie bei der Rohrdammbrücke ecksbock mit vertikaler Druckstrebe und schrägem (1953) und der sehr ähnlichen Dischingerbrücke vorgespanntem Zugstab ausgebildet. Der Scheitel (1956) in Berlin. und die Kämpfer des Rahmens sind so elastisch und die Mitte des Rahmenriegels so schlank, dass die Stützlinie durch den Kern des Scheitelquerschnitts 3.4 Der freie Vorbau und die Mitte der Fundamentfuge verläuft. Somit musste dort kein tatsächliches Gelenk ausgebildet An den Kosten einer Stahlbetonbrücke hat das werden ([19], S. 148). D. h. es entstand praktisch Lehrgerüst einen großen Anteil. Das Aufstellen ein Dreigelenkrahmen, ohne dass bauseits tatsäch- eines großen Lehrgerüstes und das Einschalen liche Gelenke ausgebildet werden mussten. Daher der gesamten Brücke wirken sich arbeitstech- rührt auch die heute kaum noch bekannte Bezeich- nisch und finanziell ungünstig aus. Finsterwalder nung „gelenklose Rahmenbrücke“. Da die Stiele erkannte, dass große Spannweiten dem Spann- zum Fluss hin mit Wänden abgeschlossen wurden beton nur dann erschlossen werden können,

Bild 17: Gänstorbrücke Ulm

132 Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus wenn anstelle des Lehrgerüstes eine sicherere und arbeitstechnisch bessere Methode der Rüstung ge- funden wird. Dywidag-Spannbeton erlaubt sowohl die einfache Veran- kerung als auch das Zusammenfü- gen von Spannstählen mit Hilfe von Gewindemuffen zu beliebiger Län- ge. Dies war zusammen mit einem an das jeweilige Kragende montier- ten Arbeitsplattform (Vorbauwagen) die Grundlage für den freien Vorbau ohne feste Gerüste.

Finsterwalder war bekannt, dass Bild 18: Vorbauwagen eine 60 m weit gespannte, schlaff bewehrte Stahlbetonbrücke im Jahre 1930 in Südbrasilien schon einmal frei vorgebaut wurde ([24], S. 152). Not macht eben erfinde- risch! Es war die unberechenbare Strömung des Rio do Peixe bei Her- val, die den deutschstämmigen In- genieur Baumgarten dazu gezwun- gen hatte, den ersten Freivorbau bei einem Dreifeldbalken mit schlaffer Bild 19: Wettbewerbsentwurf Dreirosenbrücke Basel 1930 Bewehrung zu wagen. Er betonierte die beiden 23,0 m langen Seiten- felder und je ein 9,10 m langes Stück der Haupt- Selbstbewusst deutete Finsterwalder diese Ab- öffnung konventionell, verankerte die beiden lehnung dahingehend, dass er seiner Zeit wohl äußeren Auflager mit Gewichten und baute den voraus war. 1965 schrieb er: „Der Entwurf wurde Rest der 68,0 m langen Mittelöffnung im freien damals vom Preisgericht abgelehnt, da die Zeit Vorbau in Betonierabschnitten von 1,5 m, wobei für eine derartige Lösung noch nicht reif war“ die einzelnen Schalbretter 4,5 m lang waren und ([24], S. 85). Dass er nach 35 Jahren immer noch versetzt gestoßen wurden. Interessant ist, dass davon erzählte, zeigt allerdings, wie sehr ihn die- die jeweils auch 1,5 m lange Bewehrung mit dem se Ablehnung doch getroffen haben muss. Ein Durchmesser 45 mm ebenfalls durch Muffen ver- ähnliches Erlebnis hatte er auch 1960 mit seinem bunden wurde [25]. Wittfoht schreibt dazu, dass Vorschlag einer Spannbandbrücke über den Bos- diese Bauweise im Jahre 1937 in England wieder- porus, der aus diversen Gründen nicht zur Aus- holt wurde, gibt dazu jedoch weder weitere Ein- führung kam (vgl. Ziff. 3.15). Übrigens beteiligte zelheiten noch Quellen an ([22], S. 208). Bei der sich auch Dischinger an dem Wettbewerb für Montage von Stahlbrücken war der freie Vorbau die Dreirosenbrücke mit einem eigenen Entwurf ohnehin längst üblich. So entstand der Gedanke, einer dreifeldrigen Bogenbrücke, womit auch er Brücken nicht auf einem aufwendigen Gerüst in kein Glück hatte [26]. einem Zuge zu betonieren, sondern sie mit soge- nannten Vorbauwagen in Abschnitten von 3,0 bis 4,0 m Länge herzustellen (Bild 18). 3.5 Die ersten Brücken im freien ­Vorbau Finsterwalders Wettbewerbsentwurf von 1930 für die Dreirosenbrücke in Basel hatte bereits Die Einführung seines neuen, bisher unerprob- eine der wesentlichen Ideen für das neue Ver- ten Verfahrens des freien Vorbaus mit Spann- fahren des freien Vorbaus enthalten (Bild 19). beton plante Finsterwalder sorgfältig und wähl- Er hatte vorgeschlagen, von zwei Pfeilern in te für den Anfang eine Brücke mit einer relativ Flussmitte aus mit 60 mm dicken verschlosse- kleinen Spannweite, um diese bei weiteren Bau- nen Drahtseilen vorgespannte, sich verjüngende ten sukzessive zu steigern [27]. Das entsprach Hohlkästen nach beiden Richtungen auskragen auch dem Wunsch der Verwaltung, die von zu lassen, um die Kragarme in Feldmitte mit ei- ­Dywidag ein Gesellenstück verlangt hatte, um nem Gelenk zusammenzuschließen. Das Preis- die Brauchbarkeit des Freivorbau-Verfahrens gericht hatte seinen Entwurf damals abgelehnt. nachzuweisen.

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Bild 20: Modell Lahnbrücke Balduinstein

Die erste frei vorgebaute Brücke ist die idyllische ten Mal konnte von einem Mittelpfeiler aus nach Lahnbrücke bei Balduinstein mit einer Spann- beiden Richtungen gleichzeitig frei vorgespannt weite von 62 m, die 1950 in Absprache mit dem werden, sodass die Bauweise ihre Vorzüge voll Bauherrn auf eigene Verantwortung der Firma fer- entfalten konnte. tiggestellt wurde. Das System der Brücke ist im Endzustand ein frei aufliegender Träger auf zwei Für die Stadt Worms war der Neubau absolut Stützen mit überkragenden Enden, die durch Be- lebenswichtig, weil er die einzige Straßenverbin- tongewichte belastet sind. Im Bauzustand wäh- dung über den Rhein wieder ermöglichen sollte. rend des freien Vorbaus handelte es sich um zwei Die an dieser Stelle im Jahre 1900 fertiggestellte Kragarme, die durch die Betongewichte stabilisiert stählerne Fachwerkbogenbrücke war von der Be- wurden. Die Bewehrung des Trägers wurde eben- völkerung wegen „fehlender Monumentalität“ nie falls nach diesen beiden Systemen des Einfeldbal- richtig angenommen worden, obwohl sie mit ge- kens und des Kragarms ausgebildet ([19], S. 23). waltigen Tortürmen, mittelalterlichen Bastionen Ein Modell dieser Brücke mit den Vorbauwagen und Erkern geschmückt worden war. Sie wurde im Bauzustand befindet sich im Deutschen Muse- im März 1945 von der Wehrmacht zerstört und um München (Bild 20). die Verbindung nach Bensheim konnte seitdem mit einer Fähre nur unzureichend aufrechterhalten Ihr folgte bereits ein Jahr später die Brücke in werden [28]. Neckarrems mit 71 m Spannweite, die im Ver- gleich zu Balduinstein viel schlanker und eleganter Beim Wettbewerb für den Neubau standen Stahl- ausfiel. Weil sie auf den noch vorhandenen Fun- bau und Stahlbetonbau im schärfsten Wettbe- damenten der früheren Dreigelenkrahmenbrücke werb, da es als eine Prestigefrage galt, ob dies- aufgebaut werden musste, musste auch die neue mal die erste weitgespannte Stahlbetonbrücke Brücke geneigte Auflagerkräfte besitzen. Finster- den Rhein überqueren wird [29]. Alle Firmen hat- walder wählte, ähnlich wie bei der Gänstorbrücke, ten sich viel Mühe gegeben und in beiden Ma- einen gelenklosen Rahmen, der in den Auflager- terialien preislich und konstruktiv hervorragende bereichen in eine lotrechte Druck- und eine schrä- Entwürfe eingereicht. Die Straßenbauverwaltung ge, vorgespannte Zugstütze aufgeteilt wurde [19]. des Landes Hessen hatte eine Stahlbogenbrü- cke von MAN favorisiert, während die Kollegen Wie die meisten seiner Erfindungen ließ Finster- von Rheinland-Pfalz dem Stahlbeton-Entwurf walder die Methode des freien Vorbaus paten- von „Dywidag-Finsterwalder“ den Vorzug gaben. tieren. Das Patent wurde am 23. August 1951 Dass in den entsprechenden Veröffentlichungen eingereicht und 1960 endgültig erteilt und veröf- der Name Finsterwalders neben dem Firmenna- fentlicht. men mitgenannt wurde, ist bemerkenswert und unterstreicht das große Ansehen, das der Dywi- dag-Ingenieur bereits in den Fünfzigerjahren in 3.6 Die Nibelungenbrücke in Worms der Öffentlichkeit genoss. (1951–1953) Da der Bund 50 % der Baukosten trug, während Die Nibelungenbrücke hatte für Finsterwalder und die beiden Bundesländer jeweils für 25 % auf- für Dywidag eine ganz besondere Bedeutung in kommen mussten, wurde die Entscheidung von Bezug auf die Entwicklung der neuen Bauweise, Christoph Seebohm, Bundesverkehrsminister von die hier erstmals für eine Brücke mit drei Öff- 1949 bis 1966, getroffen, der sich zugunsten des nungen mit jeweils mehr als 100 m angewendet freien Vorbaus entschied. Ausschlaggebend wa- wurde. Die Spannweite der Mittelöffnung betrug ren die immer noch herrschende Stahlknappheit 114,20 m, die Gesamtlänge 351,80 m. Zum ers- und „die Förderung des bautechnischen Fort-

134 Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus schritts durch die Errichtung der ers- ten und größten Stahlbetonbrücke in Stahlbeton mit Freivorbau über den Rhein in Deutschland“ [28]. Somit erlitten die traditionsreichen deut- schen Stahlbaufirmen bei einem so wichtigen Brückenwettbewerb ihre erste Niederlage.

Die Bauausführung verlief ohne je- den Zwischenfall und erregte in der gesamten Fachwelt des In- und Aus- landes großes Aufsehen. Die Firma Dyckerhoff & Widmann, die die Bau- ausführung alleine übernommen hat- te, war überaus zufrieden und stolz auf ihren Chefingenieur:„Tausende von Besuchern kamen nach Worms; Bild 21: Nibelungenbrücke, der Zusammenschluss die Baustelle war das „Mekka“ der Bauingenieure wie ein Altmeister des Brückenbaus sich ausdrückte“ [30]. Es muss eindrucksvoll gewesen sein, eine Beton- brücke von den Pfeilern ausgehend in zwei Rich- Die untere Leibung der kastenförmigen Stege in tungen stetig wachsen zu sehen, bis beide Vor- Brückenlängsrichtung wurde nach einer ganz be- bauwagen sich in der Mitte trafen (Bild 21). Diese stimmten Kurve geformt. Sie verlief so, dass die waren aus kräftigen Stahlprofilen hergestellt und Biegemomente des Kragarms bzw. die Zug- und besaßen je 16 Räder aus Stahlguss ([28], S. 8). Druckkräfte in Ober- und Untergurt von der Krag- Sie trugen die Arbeitsbühnen, Rohrgerüste für armspitze zum Pfeiler hin nahezu linear zunehmen. die Schalung und die Schalung selbst sowie den Dies bewirkt, dass die Schubkräfte in den Stegen Frischbeton für den jeweiligen Abschnitt, insge- auf der ganzen Kragarmlänge nahezu konstant samt 204 t vom Pfeiler zur Mitte abnehmend. Die sind. Somit konnten auch die Stegstärke und die Vorbauwagen konnten bei der neuen Moselbrü- Schubbewehrung in den Stegen konstant bleiben. cke in Koblenz wieder verwendet werden. Die Auch bei späteren Brückenentwürfen wurden die Oberflächen konnten so glatt hergestellt werden, Kragarme nach diesen Prinzipien ausgeformt. dass nach der Entscheidung des Bauherrn auf die steinmetzmäßige Bearbeitung der Ansichtsflä- chen verzichtet werden konnte (Bild 22).

Der Bedeutung der Brücke entsprechend wurde auf deren Gestaltung großer Wert gelegt. Die Straßenbauverwaltung Rheinland-Pfalz beauf- tragte den bereits als Brückenarchitekt bekann- ten Gerd Lohmer, „um eine harmonische Ein- passung der neuen Bauteile in die verbliebenen Reste der alten Brücke“ zu gewährleisten. Und „das Wesentliche der Konstruktion im Spiel von Licht und Schatten“ sollte „frei von modischem Beiwerk klar zum Ausdruck kommen“ [28]. Die hier begonnene Zusammenarbeit zwischen Fins­ ter­walder und Lohmer wurde zur Grundlage für eine lange Freundschaft und trug in vielen Wett- bewerben ihre Früchte.

Der wichtigste Mitarbeiter von Finsterwalder bei dieser Brücke war Georg Knittel, der spätere Pro- fessor für Baustatik an der Technischen Universi- tät München, der seit 1949 bei Dywidag an der Seite Finsterwalders maßgeblich bei der Entwick- lung des Dywidag-Spannverfahrens und des Frei- Bild 22: Nibelungenbrücke Worms vorbaus mitgewirkt hatte.

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Franz Dischinger, der seit seinem Ausscheiden seitige Ausleger als Gegengewicht erhalten ha- von Dywidag 1932 mehrfach als Gutachter und ben. Diese stellen gleichzeitig den Anschluss an Prüfer bei Bauten der Firma tätig war, und Alfred die bestehenden Rampenbauwerke dar. In den Mehmel aus Darmstadt hatten die Prüfung der Mitten der drei Öffnungen sind je zwei gegen- statischen Berechnungen und der Konstruktion überliegende Träger durch Pendelgelenke mit- übernommen. einander verbunden. Sie ermöglichen die Über- tragung von Querkräften von einem Träger zum anderen, gestatten aber gleichzeitig gegenseitige 3.7 Die neue Moselbrücke (Europa­ Längsverschiebungen der beider Träger, z. B. bei brücke) in Koblenz (1952–1954) Temperaturänderungen“ [32].

Nach dem großen Erfolg Finsterwalders mit der Ein Wermutstropfen bei diesen Brücken aus Rheinbrücke Worms war der Weg für größere heutiger Sicht sind eben diese Gelenke in Feld- Spannweiten im freien Vorbau im In- und Ausland mitte. Eine eingehende Bestandsaufnahme etwa geebnet. Noch vor Fertigstellung der Nibelungen- 30 Jahre nach Inbetriebnahme der Moselbrücke Brücke konnte das bewehrte Dywidag-Gespann bei Koblenz ergab: Die Gradiente hat, wie bei fast Finsterwalder und Knittel am 1. August 1952 mit allen Kragträgerbrücken, so steif die Kragbalken dem Bau der neuen Moselbrücke in Koblenz be- durch die Vorspannung auch waren, in Feldmitte ginnen. Sie musste in Flussmitte auf den beiden einen Knick, da damals die Größe des Kriechens Senkkasten der im Krieg zerstörten dreifeldrigen unterschätzt wurde. Fahrkomfort und Tragvermö- Bogenbrücke (Adolf-Hitler-Brücke) errichtet wer- gen der Brücken werden allerdings dadurch nicht den, die 1932 bis 1934 unter der Leitung von Di- beeinträchtigt. Seitdem werden Gelenke im Feld schinger gebaut worden war [31], und sollte auf jedoch nicht mehr gebaut. Auf Querträger, die vier Spuren erweitert werden. Ihre größte Spann- normalerweise zur Lastverteilung zwischen den weite beträgt 122,85 m (Bild 23). beiden Stegen angeordnet werden, wurde mit Ausnahme der Gelenkstellen verzichtet, weil sie Gewählt wurde praktisch das gleiche Freivorbau- das Verfahren der Vorschubgerüste verhinderten. System wie bei der Wormser Rheinbrücke. Es Die ungünstigen Auswirkungen dieser Entschei- gab auch Vorschläge von anderen Firmen, die dung auf die Fahrbahnplatte und geeignete Maß- alte Bogenbrücke wieder aufzubauen. Es stellte nahmen waren Gegenstand zusätzlicher Untersu- sich jedoch eindeutig heraus, dass diese Lösun- chungen ([32], S. 284). Es wurden Beton in den gen verglichen mit dem neuen Freivorbausys- Güten B 80 bis B 450, 644 t Spannstahl St 60/90 tem wirtschaftlich nicht konkurrenzfähig sind. und Betonstahl I bis IV verwendet. Finsterwalder beschrieb das System wie folgt: „Die in den beiden Mittelfeldern eingespannten Auch bei der Koblenzer Brücke wurde vom Bau- Träger sind in bezug auf diese symmetrisch aus- herrn der Architekt Gerd Lohmer als gestalteri- gebildet, während die beiden Seitenträger land- scher Berater verpflichtet. Zusammen mit Fins-

Bild 23: Neue Moselbrücke (Europabrücke) in Koblenz

136 Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus terwalder und Knittel veröffentlichte er in der sentlich. Finsterwalder und Herbert Schambeck, Zeitschrift Bauingenieur einen Artikel über die lange Zeit zuständig für alle Brückenbauten der Gestaltung der Brücke [33]. Er verglich sie mit der Dywidag in der Hauptverwaltung, erläutern diese Bogenbrücke von Dischinger, die bis vor sieben Besonderheiten sehr kompakt und übersichtlich Jahren an der gleichen Stelle stand, und erklär- ([24], S. 88): te, welche Konsequenzen die neuen Bauweisen bezüglich der Gestaltung einer solchen Brücke „Unter den bisher im freien Vorbau hergestellten hatten. Finsterwalder kam Lohmers Wunsch Brücken befinden sich sehr verschiedenartige Trä- entgegen und nahm gewisse Erschwernisse im gersysteme: Gevoutete Durchlaufträger, die von Freivorbau in Kauf, um als „Verschneidungslinie Pfeilern mit provisorischer Einspannung nach bei- zwischen unterer Leibung und Pfeilerwand eine den Seiten als Kragarme frei vorgebaut und nach- waagerechte Gerade zu erhalten“. Er vermerkte träglich in Feldmitte zusammenbetoniert wurden; dazu: „Dies war bei der alten Bogenbrücke, ..., Rahmenbrücken, wie die Rohrdammbrücke und nicht der Fall und, wie man aus den Abbildungen die Dischingerbrücke in Berlin bei denen Hilfsjo- sehen kann, ästhetisch nicht befriedigend“ ([32], che zur vorübergehenden Unterstützung dienten; S. 279). Dass ein Architekt in einer Zeitschrift für Durchlaufträger, wie die 1952 von der Dyckerhoff Bauingenieure einen Artikel über die Gestaltung & Widmann KG erbaute Mainbrücke bei Karlstadt einer Brücke veröffentlicht, ist auch für heutige und der jetzt von der Wayss & Freytag KG errich- Verhältnisse recht ungewöhnlich und dürfte als tete östliche Teil der Bendorfer Rheinbrücke, bei ein gutes Beispiel für eine Zusammenarbeit zwi- denen der Überbau während des Bauzustandes schen Ingenieur und Architekt gelten. wie eine Zügelgurt Brücke durch schräge Abspan- nungen an einem Hilfspylon aus Stahl oder Beton 1972 konnte die Brücke das hohe Verkehrsauf- aufgehängt wurde. Auch ein Fachwerk-Parallelträ- kommen nicht mehr bewältigen, und bekam eine ger mit 108 m Spannweite – die Autobahnbrücke Verbreiterung um vier zusätzlichen Fahrbahnen in über die Mangfall zwischen München und Salz- Form einer angebauten, fast baugleichen Brücke, burg – wurde in dieser Bauweise hergestellt. Der jedoch ohne Mittelgelenke [34]. 1990, nach der Prototyp des frei vorgebauten Brückensystems, Fertigstellung der dritten Moselbrücke, der Kurt- der bei der Rheinbrücke bei Bendorf mit seiner Schuhmacher-Brücke, wurde der Name „Neue Spannweite von 208 m den „Weltrekord“ unter Moselbrücke“ irreführend. Daher wurde sie 1991 den Balkenbrücken hält, ist jedoch der Kragarm, nach Vorschlag des Koblenzer Stadtrates und mit der vom Pfeiler aus ohne zusätzliche Hilfsmaßnah- Zustimmung des Bundesverkehrsministeriums in men abschnittsweise vorgebaut wird. Bei diesem „Europabrücke“ umbenannt [35]. System wird es durch die Anordnung der Bewe- gungsfuge am Kragarmende am Pfeiler möglich, den Überbau mit dem Pfeiler zusammenzubeto- 3.8 Weitere Balkenbrücken nieren und auf teure und unterhaltungsbedürfti- ge Lager zu verzichten. Über die wirtschaftlichen Auf die Moselbrücke in Koblenz folgten rasch wei- Vorteile hinaus hat dieser Wegfall der Lager in tere vorgespannte Balkenbrücken im Freivorbau architektonischer Hinsicht große Bedeutung: Der im In- und Ausland. Die wichtigsten bis 1964 im Überbau und die Pfeiler bilden ein einheitliches freien Vorbau hergestellten Spannbetonbrücken in Ganzes (integrierte Bauweise! Anm. d. Verf.), das Deutschland mit Angabe des Baubeginns und der nach Ansicht der Verfasser besser befriedigt als maximalen Spannweite [25] sind: ein gevouteter Träger früherer Bauart, der aus drei 1950 Lahnbrücke Balduinstein 62,1 m verschiedenen Einzelelementen, nämlich dem in 1951 Neckarbrücke Neckarrems 71,0 m Beton oder Stahl errichteten Überbau, den Lagern 1952 Nibelungenbrücke Worms 114,2 m und den meist mit Naturstein verblendeten Pfei- 1952 Mainbrücke Karlstadt 39,7 m lern besteht.“ 1952 Moselbrücke Koblenz 122,9 m 1953 Rohrdammbrücke Berlin 72,0 m „Die architektonische Gültigkeit dieser neu- 1954 Ringbrücke Ulm 78,0 m en Form dürfte bei Brücken, deren Pfeilerhöhe 1956 Dischingerbrücke Berlin 94,0 m klein ist im Verhältnis zu Spannweite, heute un- 1957 Weserbrücke Bremen 86,0 m bestritten sein. Die Brücken in Worms, Koblenz, 1958 Mangfallbrücke Weyarn 108,0 m Hoechst und Bendorf sind Beispiele dafür. Bei ho- 1959 Mainbrücke Hoechst 130,0 m hen Talbrücken dagegen werden bei dem Gedan- 1960 Lahnbrücke Limburg 68,0 m ken an einen gevouteten Träger auf hohen Pfeilern 1962 Rheinbrücke Bendorf 208,0 m verschiedentlich Bedenken laut. Diese Bedenken sind verständlich bei dem erwähnten alten Typ Auch wenn alle diese Brücken im freien Vorbau des Durchlaufträgers, der dem Augenschein nach hergestellt wurden, unterscheiden sie sich oft we- mit seinen Lagern zu wenig stabil auf den Pfei-

137 26. Dresdner Brückenbausymposium lern sitzt. Dagegen zeigt der aus dem Pfeiler herauswachsende, rich- tig geformte Spannbetonkragträger das Kräftespiel und das Wesen des Baustoffes Spannbeton so überzeu- gend, wie es nur eine aus einer rich- tigen Idee entwickelte ausgereifte Bild 24: Mangfallbrücke Form vermag.“

Unter den oben aufgelisteten Brücken sind zwei Beim Entwurf wirkte auch hier der Architekt Gerd besonders interessant, die nun noch näher vorge- Lohmer, mit dem Finsterwalder schon vor sieben stellt werden sollen. Jahren bei der Nibelungenbrücke und bei der Mo- selbrücke in Koblenz beste Erfahrungen gemacht hatte und mit dem er mittlerweile auch befreun- 3.9 Die Mangfallbrücke (1958–1959) det war. Eine untenliegende Fahrbahn für Fahrrä- der und Fußgänger wurde bei der Ausschreibung Die 1959 im freien Vorbau in Spannbeton fertigge- bereits vorgeschrieben (Bild 25). Der Fachwerk- stellte Mangfallbrücke ist ein doppelstöckiger pa- Entwurf bot nicht nur die Möglichkeit einer guten rallelgurtiger Fachwerk-Durchlaufträger (Bild 24). Belichtung. Die Verfasser wählten ein Fachwerk Auch dieser Wettbewerb wurde von der Bauver- mit sich kreuzenden Diagonalen, was Finsterwal- waltung ursprünglich als Stahlfachwerkbrücke der als „perforierte Wand“ bezeichnete [36]. Da- ausgeschrieben, um die alte, im Krieg beschädig- mit nahmen sie ein schwierigeres System als mit te Stahl-Fachwerkbrücke zu ersetzen. Finsterwal- fallenden und steigenden Diagonalen bewusst in der gelang es hier, den Stahlbau, der mit sieben Kauf, um ein technisches Bauwerk zu schaffen, Vorschlägen vertreten war, in seiner typischsten „bei dem auch für die Schönheit etwas getan ist“ Disziplin, dem Fachwerkbrückenbau, zu über- [37]. Finsterwalder meinte, dass „dieses System trumpfen, auch wenn er in Kauf nehmen muss- dem Bauwerk eine im Massivbau bisher unbe- te, dass Dywidag bei diesem komplexen Projekt kannte Leichtigkeit und eine ornamentale Wirkung nicht nur nichts verdiente, sondern sogar drauf verleiht“. zahlen musste [22].

Bild 25: Mangfallbrücke, Innenansicht

138 Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus

Bild 26: Rheinbrücke Bendorf

3.10 Die Rheinbrücke Bendorf Spannstahl im Zuggurt eingespart werden (1962–1965) konnte.

Den Höhepunkt seines Bauverfahrens des freien q Die Stegdicke konnte durch konsequenten Vorbaus im Inland markierte Finsterwalder 1964 Einsatz von schräger Spannbewehrung, sog. mit der Fertigstellung der Rheinbrücke Bendorf „Schubnadeln“, als Schubbewehrung redu- mit einer maximalen Öffnung von 208 m (Bilder ziert werden. 26, 27). Zwölf Jahre nach dem Bau der ersten Freivorbaubrücke erreichte er mit der Rheinbrü- q Der gestalterisch augenscheinlichste Unter- cke in Bendorf den technisch und gestalterisch schied ist die Reduzierung der Pfeilerdicke der sinnvollen Grenzbereich dieser Bauweise. Mit im Hauptöffnung auf 2,80 m im Vergleich zu der Team waren der Projektleiter Herbert Schambeck Wormser Brücke mit ihren 6,0 m dicken Pfeilern, und selbstverständlich wieder der Architekt Gerd obwohl die Kragarmlängen sich nahezu verdop- Lohmer. Auch dieser Entwurf setzte sich als Son- pelt hatten. Dies konnte erreicht werden, indem dervorschlag gegenüber dem Verwaltungsent- die Kragarme der Mittelöffnung in die deutlich wurf einer Stahlbrücke durch. kürzeren Nachbarfelder relativ starr eingespannt werden konnten, was zur Verminderung der Bie- In Bendorf ist es nicht nur gelungen, „in einem öf- gemomente der Hauptpfeiler führte. fentlichen Wettbewerb wieder erfolgreich gegen den Stahlbau zu konkurrieren“ ([24], S. 89) und eine q Aufgrund von Laborversuchen konnte festge- Rekordspannweite von mehr als 200 m zu errei- stellt werden, dass die Temperaturunterschie- chen, sondern es konnten auch eine Reihe von tech- de in dicken Bauteilen hauptsächlich von der nischen Fortschritten erzielt werden ([24], S. 90 ff.): Anfangstemperatur des Frischbetons abhän- gig sind. Durch eine Vorkühlung des Misch- q Anstatt der bisher üblichen Praxis, Dywidag- gutes konnte eine Frischbetontemperatur von Spannstäbe mit dem Durchmesser 26 mm zu 15 °C erreicht werden. verwenden, wurden zum ersten Mal Stäbe mit einem Durchmesser von 32 mm in St 80/105 eingeführt, wodurch die Konstruktion und das Bewehren auf der Baustelle wesentlich verein- facht wurden. q Ferner wurde die Bodenplatte zur Aufnah- me von Druckkräften mit einer schlaffen Bewehrung verstärkt. Dadurch konnte das Betongewicht vermindert werden, wodurch Bild 27: Freivorbau der Brücke Bendorf

139 26. Dresdner Brückenbausymposium

3.11 Pilzbrücken Finsterwalder entwickelte diese Konstruktion wei- ter, indem er auf die Lager verzichtete und Stütze, In Zusammenarbeit mit Gerd Lohmer versuchte Pilzkopf und Überbau miteinander monolithisch Finsterwalder für sehr unterschiedliche Aufgaben- verband. Auch die Vorbauwagen der Fünfziger- stellungen ansprechende und effektive Lösungen jahre wurden für bestimmte Brückentypen wei- zu finden. So schlug er 1956 für die 358 m lange terentwickelt. Insbesondere für lange Talbrücken Hochstraße Unkelstein im Zuge der B 9 parallel entstand die Baumethode des feldweisen Beto- zum Rheinufer eine pilzkopfartige Auflagerung nierens mit freitragenden stählernen Vorschubge- vor, die es erlaubt, nur mit einer Stützenreihe aus- rüsten [38] (Bild 29). „Das Vorschubgerüst ist eine zukommen ([21], S. 181). Die runden Stützen mit auf die Baustelle gerückte Fabrikationshalle, die einem Durchmesser von 2,5 m tragen die doppelt den Vorteil einer serienmäßigen Herstellung, der so großen Pilzköpfe, auf denen der Hohlkasten- sonst nur im Fertigteilbau gegeben ist, mit den träger auf vier im Quadrat angeordneten Rollen- größeren Formgebungsmöglichkeiten der Ortbe- lagern ruht. Diese neuartige Lösung wurde auch tonbauweise verbindet“ [39]. Finsterwalder und beim Viadukt von Namedy in der Nähe von Ander- Schambeck gelang wieder einmal, mit Hilfe von nach im Zuge der B 9 mit achteckigen Stützen und Vorschubgerüst und durch Einsatz der neuartigen bei vielen städtischen Hochstraßen eingesetzt Pilzkopfausbildung eine spektakuläre Konstruktion (Bild 28). entstehen zu lassen, die in der Fachwelt Furore machte; eine Pilzbrücke. Die 338 m lange Elztalbrücke entstand 1964 bis 1967 auf der A 48 in der Nähe der heutigen Raststätte Elztal-Nord auf bis zu 100 m hohen achteckigen Stützen. Sie war quasi der Versuch, wie bei alten gemauerten Bogen- brücken eine Brücke ohne Lager und Fugen als monolithische Einheit von Überbau, Pfeilern und Funda- menten zu erstellen. Durch die Bie- geweichheit der langen achteckigen Stützen mit Hohlquerschnitt (4,80 × 5,80 m) im Abstand von 37,5 m konnte sie mit nur einer einzigen Be- wegungsfuge in Talmitte verwirk- licht werden. Die 30,0 m breite Plat- te ist vorgespannt und ist im Feld 60 an der Stütze 2,45 m dick. Bild 28: Hochstraße Ludwigshafen

Bild 29: Vorschubgerüst bei der Elztalbrücke

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3.12 Städtische Hochstraßen

In den Fünfzigerjahren zwang die Zunahme des Verkehrs viele Städte dazu, eine zweite Ver- kehrsebene in Form von Hochstraßen anzulegen. Diese sind Brückenstraßen, die im Allgemeinen unmittelbar über dem Verkehrsraum der norma- len Straßenebene liegen und beliebig lang sein können. Der Raum unter der Hochstraße kann Bild 30: Stadtautobahn Schmargendorf, Berlin als Fahrbahn, als Parkplatz und generell als über- deckter Raum verwendet werden. Um diese Bedingungen optimal erfüllen zu können, schlug transparent wirken. Dafür nahm er sogar die Brü- Finsterwalder Pilzkonstruktionen mit mittig ange- ckenklasse 30 in Kauf mit der Vorgabe, dass die ordneten Pfeilern vor, die es erlauben, den Raum Bauhöhe bei einem Stützenabstand von 25,0 m unter der Brücke bestmöglich zu nutzen [37]. noch unter 1,0 m liegen sollte. Weil für die entspre- chenden Betonstützen ein Durchmesser von 1,2 m Für Dyckerhoff & Widmann, wie auch für andere ermittelt wurde, entschied man sich für kompakte, Baufirmen, entstand dadurch ein neues Betäti- sich nach oben konisch verjüngende Stahlstützen. gungsfeld. Bundesweit entstanden zahlreiche Bei- spiele. 1958 baute Dywidag eine Hochstraße in Es war sicher kein Zufall, dass Dyckerhoff & Wid- Ludwigshafen, wofür Finsterwalder die in Ziff. 3.11 mann bei diesem Ausnahmebauwerk mit der erläuterte Pilzkonstruktion einsetzte. 1963 konnte sie statischen Berechnung, Konstruktion und der in verbesserter Form auch in Hannover beim Bau der technischen Bearbeitung, sowie der Führung der Hochstraße Stadtfelddamm ausgeführt werden. Arbeitsgemeinschaft der beteiligten Baufirmen be- auftragt wurde [30]. Das Bauwerk, dessen Baube- 1958 bis 1960 realisierte Dywidag in Berlin eine ginn im Januar 1961 ebenfalls mit heftigen Protes- ganz besondere Hochstraße, das Kreuzungs- ten begleitet wurde, konnte am 5. Mai 1962 dem bauwerk Schmargendorf als Teil des Stadt- Verkehr übergeben werden. Somit ist es nicht zu- autobahnrings (Bild 30). Es setzte sich aus zwei treffend, wenn Wittfoht schreibt: „Die Doppelwel- je dreispurigen, insgesamt 709 m langen Zwil- le der Hochstraße Jan-Wellem-Platz (Düsseldorf) lingsbrücken mit gemeinsamen Mittelpfeilern wurde wiederholt bei einer Hochstraße in Berlin zusammen. Das Neuartige an der vorgespannten Schmargendorf“ [21]. Das Schmargendorfer Kreu- Konstruktion war ihr Querschnitt aus dreizelligen zungsbauwerk war 1959 bereits fertig, als man Hohlkästen mit halbkreisförmiger Untersicht [25]. in Düsseldorf noch an der Linienführung des Tau- Die Spannweiten von 28 bis 62 m wurden von sendfüßlers arbeitete ([40], S. 171). einer sog. Zugschale mit Längszugkräften über- brückt. Offensichtlich wurden hier die Finster- walderschen Tonnenschalen einfach umgedreht und an den Stützen in Querscheiben aufgelagert.

Dieser neuartige und gestalterisch interessan- te zweiwellige Querschnitt muss auch Friedrich Tamms, den Baudezernenten der Stadt Düssel- dorf, inspiriert haben, der als Mitarbeiter von Albert Speer und Architekt der Düsseldorfer Brücken- familie bekannt wurde. Um 1960 waren Tamms und eine Beratergruppe bestehend u. a. aus Fritz Leonhardt und Hans Graßl damit beschäftigt, eine Lösung für die Y-förmig anzulegende Hochstraße Jan-Wellem-Platz in Düsseldorf zu finden. Das Ergebnis war die elegante, seit 1993 denkmalge- schützte Konstruktion mit einem ein- bzw. „dop- pelbusigen“ Querschnitt, die unter dem Namen „Tausendfüßler“ auch dadurch bekannt wurde, weil sie 2013 trotz heftigstem Widerstand der Düs- seldorfer Bevölkerung abgerissen wurde [40] (Bild 31). Tamms hatte für dieses städtebaulich extrem dominante Projekt klare Gestaltungsvorstellungen gehabt. Die Brücke sollte möglichst leicht und Bild 31: Hochstraße Jan-Wellem-Platz, Düsseldorf

141 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 32: Wettbewerb Großer Belt, Entwurf Dywidag

3.13 Spannbetonschrägseilbrücken ger Kabel segelartige massive Wände über den Mittelstützen vorsah (Bild 33). Beide wurden von Die Schrägseilbrücke ist ein altes Konstruktions- der Jury jeweils mit 100.000 Kronen Preisgeld be- system, das nicht zuletzt durch Dischingers Arbei- dacht, wobei insgesamt vier gleiche Preise von je ten, wenn auch nach seinem Tode, wiederbelebt 200.000 Kronen und sechs Preise von je 100.000 wurde [13]. In seinem Bemühen, dem Stahlbau Kronen vergeben wurden [42]. Beide Ideen wur- auf allen Bauweisen die Stirn zu bieten, scheute den 1970 beim Bau der zweiten Mainbrücke der sich Finsterwalder nicht, auch bei Schrägseilbrü- Farbwerke Hoechst „zu einer gestalterischen cken mit Hilfe von Dywidag-Spannbeton neue Einheit verbunden“ ([41], S. 190). Der südliche Brückentypen zu erproben. Die einleuchtende Strompfeiler wurde mit einem doppelten Betonpy- Idee bestand darin, bei allen druckbeanspruchten lon und entsprechenden Schrägseilen, der nördli- Teilen einer Schrägseilbrücke anstelle von Stahl che mit zwei Betonsegeln versehen (Bild 34). Das den Baustoff Beton zu verwenden und die Seile System der Schrägseilbrücke wurde hier weltweit und ihre Verankerungen nach den Prinzipien des zum ersten Mal für Eisenbahnverkehr angewen- Spannbetonbaues, d. h. betonummantelt, durch- det. zubilden. Selbstverständlich war die Methode des freien Vorbaus auch hier Mittel der Wahl.

Schambeck beschrieb den sehr geschickt ausge- dachten Bauvorgang folgendermaßen [41]: „Ein Kragarmpaar wird von einem massiven Pfeiler aus mit zwei Vorbauwagen symmetrisch betoniert, dazu wird gleichzeitig mit einer Kletterschalung der Pylon abschnittsweise nach oben gebaut und in jedem Vorbauabschnitt ein neues Schrägseil eingezogen, das die Lasten dieses Abschnittes zum Pylon trägt.“ 1966 beteiligte sich Dywidag an einem internationalen Ideenwettbewerb für die Brücke über den großen Belt in Dänemark, bei der eine 42 m breite Fahrbahn für kombinierten Straßen- und Bahnverkehr und mehrere 350 m breite Schifffahrtsöffnungen vorgesehen werden Bild 33: Großer Belt, Entwurf Schambeck mussten. Finsterwalder entwarf zusammen mit Herbert Kupfer ei- nen Schrägseildurchlaufträger mit einem auffallend ähnlichen System wie beim Viadukt Millau in Frank- reich, das erst 2004 fertiggestellt wurde (Bild 32). Herbert Scham- beck bewarb sich mit einem eige- nen Entwurf, bei dem er statt schrä- Bild 34: Zweite Mainbrücke Hoechst

142 Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus

Bild 35: Dyckerhoff-Brücke Schierstein

3.14 Eine Bogenbrücke: Die Normalbetons. 100 m Stützweite mit einer 64 m ­Dyckerhoff-Brücke Schierstein langen Teilstrecke aus Leichtbeton machten den Steg 1967 vermutlich zur am weitesten gespann- Die 1967 erstellte Fußgängerbrücke über die ten Leichtbetonbrücke der Welt. 1972 wurde die- Einfahrt des Schiersteiner Rheinhafens ist eine ser Rekord durch die Fußgängerbrücke über den Leichtbetonkonstruktion und war ein Geschenk, Fühlinger See in Köln gebrochen [44]. das die Dyckerhoff-Zementwerke sich und der Stadt Wiesbaden zum 100jährigen Firmen­ jubiläum (1964) machten [43]. Der Schiersteiner 3.15 Spannbandbrücken Fußgängersteg der Konstrukteure Ulrich Finster- walder und Gerd Lohmer gilt als bautechnische Großes Aufsehen erweckte Finsterwalder mit Pionierleistung (Bild 35). einem Entwurf einer nur 30 cm dicken Spann- bandbrücke über den Bosporus (Bild 36) [45]. Drei Jahre dauerten die Planung, Konstruktion und Vermutlich aufgrund seiner guten Erfahrungen Errichtung des ehrgeizigen Bauvorhabens, das mit Hängedächern, wie z. B. der Schwarzwald- endlich die Lücke im Rheinuferweg schließen soll- halle in Karlsruhe, schlug er erstmalig 1958 beim te. Erstmalig fand in Deutschland weißer hochfes- Projekt Bosporusbrücke vor, ein extrem flach ge- ter Leichtbeton als Spannbeton für ein derartiges spanntes Band mit Straßenfahrzeugen direkt zu Bauwerk Verwendung. Der elegante Steg entstand befahren und taufte diese Konstruktion „Spann- im Freivorbau, um den Schiffsverkehr während der band-Brücke“. Der Grundgedanke war, ein sehr Bauphase nicht zu behindern. Insbesondere die stark armiertes Band aus Spannbeton zwischen auskragenden Rampen machten die Verwendung zwei Widerlagern so straff zu spannen, dass es von Spannbeton notwendig. Das Gewicht des unter Einhaltung der im Straßenbau üblichen Aus- Leichtbetons beträgt nur etwa zwei Drittel des rundungsradien unmittelbar als Fahrbahn dienen

Bild 36: Spannbandbrücke über den Bosporus

143 26. Dresdner Brückenbausymposium kann. Die beiden im Wasser stehenden mächtigen Pfeiler haben einen Achsabstand von 408 m. Tragseil, Hänge- stangen, Versteifungsträger und Fahrbahn einer konven- tionellen Hängebrücke sind in einem einzigen Bauteil, dem Spannband, vereint. Mit diesem spektakulären Ent- wurf schlug Finsterwalder quasi den Bogen zurück zu Bild 37: Bosporusbrücke, Zeichnung Lohmer den archaischen hängenden Holzstegen, die seit Jahrhun- derten aus dem innerasiatischen Raum bekannt Der Entwurf wurde von Dywidag in wesentlichen waren (Bild 37). Teilen ausführungsreif durchgeplant und von dem bekannten Brückenbauer Prof. Stüssi von der Die jeweils 100 m langen Spannbetonausleger ETH Zürich auch überprüft. Finsterwalder fuhr sollten im freien Vorbau hergestellt werden. Das mit Gerd Lohmer und Herbert Kupfer an den Bos- 1.200 m lange Spannband war nur 30 cm dick und porus, um das Projekt dem damaligen Premier sollte mit 2.600 Stangen mit dem Durchmesser Menderes persönlich vorzustellen. Der Entwurf 26 mm aus St 80/105 bewehrt werden, die zu- wurde einige Male konstruktiv und gestalterisch sammen mit 80.000 t vorgespannt werden soll- überarbeitet, schließlich aber abgelehnt, obwohl ten. Die Kuppenradien von 3.000 m an den Aus- er als kostengünstiger eingeschätzt wurde als die legerpylonen und die Wannenradien von 3.300 m Hängebrücke von Steinmann. in den frei hängenden Teilen des Spannbandes sollten ein Befahren der Brücke mit einer Ausbau- Über die Gründe der Ablehnung existieren unter- geschwindigkeit von 90 km/h ermöglichen. Da- schiedliche Berichte und Gerüchte. Herzog [47] bei würde die 409 m breite Mittelöffnung einen behauptet, dass eine Architektenkommission Durchhang von 2,80 m und eine maximale Nei- den Spannbandentwurf wegen Verunstaltung gung von nur 3 % aufweisen [45]. der Bosporuslandschaft verworfen hat. Die tür- kischen Zeitungen berichteten, dass die Bospo- In Istanbul wurde bereits seit Jahrzehnten kontro- rus-Lotsen, die die Aufgabe hatten, die großen vers über eine Brücke über den Bosporus disku- Schiffe durch die Meeresenge zu begleiten, we- tiert. Immer wieder hatten verschiedene Fachleu- gen den mächtigen Pfeilern im Wasser ihr Veto te und Firmen Entwürfe, auch für unterschiedliche eingelegt hätten. Andere wollten von Intrigen der Standorte, eingereicht; oft aus eigenem Antrieb, Stahllobby gehört haben. Auch die angeblichen aber auch auf Betreiben von Behörden oder ein- Bedenken der Verkehrsplaner gegenüber der flussreichen Persönlichkeiten. So existierte bereits welligen Trasse wurden als Ablehnungsgrund auch ein Entwurf einer 1.000 m weit gespannten genannt. Tatsache ist jedenfalls, dass 1960 die Hängebrücke, den die Firma Krupp zusammen Menderes-Regierung durch die Militärs gestürzt mit dem Architekten Paul Bonatz kurz nach Ende und jegliche Großprojekte bis auf weiteres ge- des Zweiten Weltkriegs eingereicht hatte. Er war stoppt wurden. 1943–1954 als Berater der türkischen Regierung und Hochschullehrer in der Türkei tätig. [46]. Dem Erst zehn Jahre später wurde die Bosporus-Brücke Projekt von Finsterwalder vorausgegangen war wieder aktuell. Die Englische Firma Freeman, Fox ein erster Hängebrückenentwurf des renommier- and Partners beteiligte sich an der Ausschreibung ten New Yorker Ingenieurbüros Steinmann mit mit einer Hängebrücke. Dyckerhoff & Widmanns einer Mittelöffnung von 675 m. Weil inzwischen Entwurf einer Monokabelbrücke als Alternative festgestellt worden war, dass die Gründung der zum Spannband wurde erst gar nicht zugelas- Pylone im Wasser wegen unerwartet tief liegen- sen, weil bei der Submission angeblich die von dem Fels sich nicht empfiehl, wollte Steinmann der türkischen Seite verlangte Bankbürgschaft eine zweite, weiter gespannte Variante ausarbei- nicht erbracht werden konnte. Der Vorschlag von ten. Noch bevor diese fertiggestellt werden konn- Freeman, Fox and Partners wurde durch eine Ar- te, reichte Dyckerhoff & Widmann das Spann- beitsgemeinschaft unter der Federführung von bandprojekt ein [47]. Die Firma hatte 1953 das Hochtief mit der britischen Cleveland Bridge & En- Hilton Hotel in Is­ tanbul fertiggestellt. Es ist gut gineering Co. und der türkischen Baufirma Enka möglich, dass gute Beziehungen aus dieser Zeit realisiert und konnte am 29. Oktober 1973 eröff- bei diesem Vorstoß eine Rolle gespielt haben. net werden (Bild 38) [48].

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Bild 38: Bosporusbrücke, Vergleich der Entwürfe

Für Finsterwalder muss es eine seiner größten Spannbandbrücken für Fußgänger sind in den fol- beruflichen Enttäuschungen gewesen sein, dass genden Jahren von Jörg Schlaich und Jürg Con- er seine große Erfindung der Spannbandbrücke zett bekannt geworden. Auch gibt es mehrere an einem so geschichtsträchtigen Ort mit einer interessante Bauwerke jüngeren Datums in der großen Spannweite über tausend Meter nicht rea- Tschechischen Republik [50]. lisieren konnte. Immer wieder versuchte er, seine Idee durchzusetzen, so z. B. beim Wettbewerb Zoo-Brücke in Köln (Bild 39), wo sein Entwurf im- 3.16 Brücken im Ausland merhin mit dem 3. Preis bedacht wurde, oder am Genfer See und bei der Naruto-Brücke in Japan Das Dywidag-Spannverfahren und die Möglich- [49]. Spannbandbrücken für Fußgänger mit kleine- keit des freien Vorbaus weckten auch im Ausland ren Spannweiten wurden später in der Schweiz sehr früh Aufmerksamkeit, und es hat nicht lan- über die N 3 in Bircherweid bei Pfäffikon und über ge auf sich warten lassen, bis die ersten Brücken die Rhone bei Genf gebaut, s. z. B. [50]. Die ers- entweder durch Dywidag selbst oder durch ein- te deutsche Spannbandbrücke baute Dyckerhoff heimische Firmen in Lizenz in Schweden, Öster- & Widmann 1970 in Freiburg (Bild 40). Mehrere reich, Japan und England in Angriff genommen

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Bild 39: Zoo-Brücke Köln (Projekt)

wurden [24]. Die Bendorfer Rheinbrücke diente für hunderte von Freivorbaubrücken im Ausland als Vorbild (besonders in Japan (s. u.), mit Spann- weiten bis zu 250 m. Auch der Kragträger auf ho- hen Stützen, der sich zur Überbrückung von tiefen Tälern besonders gut eignet, setzte sich mittler- weile in Skandinavien, Italien und Japan durch, wie z. B. die Brücke San Leonardo, Sizilien oder Brücke Nervi, Italien.

Die wichtigsten im freien Vorbau hergestellten Spannbetonbrücken im Ausland mit Angabe des Baubeginns und der maximalen Spannweite sind unten angegeben. Entwurf und Ausführung er- folgte teilweise durch Dywidag oder Arbeitsge- meinschaften, teilweise auch durch andere Fir- men als Lizenzbauten [24]:

Bild 40: Fußgängerbrücke Freiburg

Bild 41: Dames Point Bridge Florida

146 Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus

1954 Oesterdalälvenbrücke Über die Zuständigkeit und Mitverantwortung der (Schweden) 106,0 m Bauingenieure an der gebauten Umwelt gab es 1956 Kalixälvenbrücke (Schweden) 94,0 m für ihn keinen Zweifel. In seinen „Zehn Thesen zur 1957 Hafenbrücke (Wien-Freudenau) 90,5 m Ästhetik“ definierte er das Entwerfen und Konst- 1957 Källösundbrücke (Schweden) 107,0 m ruieren gewissermaßen als Kampf gegen die Erd- 1958 Tromsöbrücke (Norwegen) 80,0 m anziehung [51]. 1960 Medway-Brücke (England) 152,5 m 1961 Sörsund-Brücke (Norwegen) 100,0 m Aus These I: „Das ästhetische Erleben, die reine 1961 Koshino-Brücke (Japan) 100,0 m Freude am Kunstwerk, oft gemischt mit Bewun- 1962 Alnö-Brücke (Schweden) 134,0 m derung und oft auch mit Verehrung, wird umso 1964 Nervi-Brücke (Italien) 100,0 m größer sein, je mehr sich der Beschauer bis zum 1964 Bisagno-Brücke (Italien) 116,0 m Vergessen seines Selbst in das Kunstwerk vertie- 1970 Urado-Brücke (Japan) 240,0 m fen kann.“ 1973 Pine-Valley-Brücke (USA) 130,0 m 1974 Frey-Bentos-Brücke Aus These II: „Es ist die große Aufgabe des Bau- (Uruguay/Argentinien) 240,0 m meisters, auch die nützlichen Bauwerke möglichst schön zu bauen, also so zu bauen, dass das Bau- Weitere Brücken folgten weltweit. 1976 wurde werk seinen Kampf mit der Erdenschwere und Finsterwalder beim Entwurf der Dames Point seinen Sieg über die Erdenschwere möglichst rein Bridge über den St.-Johns-Strom bei Jacksonville und erkennbar für den Beschauer verkörpert.“ (Florida), einer Schrägseilbrücke mit einer Mittel- öffnung von 396,0 m, vom Büro Howard Needles Aus These III: „Jedes von dem Beschauer als Tammen & Bergendorf als Berater hinzugezogen schön oder erhaben bezeichnetes Bauwerk ist (Bild 38). Mit seinen 79 Jahren war er weiterhin ihm also das Denkmal eines Sieges über die Er- ein international geschätzter Fachmann für Brü- denschwere.“ ckenbau. Aus These VI: „Bauteile, die für die Überwindung der Erdenschwere überflüssig sind, überhaupt al- 4 Übergeordnetes, Menschliches les, was als Bauelement erscheinen soll, ohne es in Wirklichkeit zu sein, verdunkeln dem Beschauer 4.1 Ästhetik und Gestaltung das Verständnis des Bauwerkes als eines Sieges über die Schwere und wirken darum unschön.“ Finsterwalder hatte im Unterschied zu manch anderen vergleichbaren Ingenieuren keine Berüh- rungsängste oder wesentliche Probleme mit Ar- 4.2 Seine Kollegen über chitekten. Er konnte sie bei Ingenieurbauten nach ­Finsterwalder eigenem Ermessen zur Beratung hinzuziehen. Auch bei Hochbauten arbeitete er mit zahlreichen Über Ulrich Finsterwalder haben sehr viele Auto- bedeutenden Architekten seiner Zeit zusammen. ren geschrieben (vgl. [52]); darunter Kollegen und In seinen Vorträgen und Veröffentlichungen äu- Freunde aus allen seinen Lebensabschnitten. Es ßerte sich Finsterwalder oft zu Fragen der Äs- dürfte äußerst selten der Fall sein, dass fachli- thetik und Gestaltung. Über seinen Spannband­ che wie menschliche Qualitäten eines Ingenieurs brückenentwurf für den Bosporus schrieb er: übereinstimmend so ausführlich und enthusias- tisch gewürdigt werden. Einige Beispiele: „Aus den neu geschaffenen konstruktiven Mög- lichkeiten entstehen neue Formen, die den unver- Herbert Kupfer [53] änderlichen Gesetzen der Schönheit unterworfen sind, sich aber an die früheren Formen von Brü- „Schon von jeher hatte er es vermocht, auf jun- cken aus Stein oder Beton nicht anlehnen können. ge Ingenieure einzuwirken. CHARISMA! Während Architekt und Ingenieur arbeiten gemeinsam un- seiner fünfzigjährigen Zugehörigkeit zu seiner ter Wahrung der konstruktiven Grundgedanken Firma haben viele Mitarbeiter, aber auch hervor- und zu deren Ausformung. Beide müssen von ragende Architekten, mit denen er aufgeschlos- dem Bestreben durchdrungen sein, ein Kunstwerk sen zusammenarbeitete, und Ingenieure, die auf zu schaffen. Jeder von beiden muss von seinem der Bauherrenseite standen, diese persönliche Standpunkt aus die Arbeit des Partners nach bes- Ausstrahlung erfahren. Nie hatte man bei ihm als tem Vermögen zu fördern suchen. So werden bei- Mitarbeiter das Gefühl, Anweisungen erteilt zu de zusammen Besseres schaffen, als es der ein- bekommen, sondern er versuchte zu überzeugen, zelne allein vermag.“ [45] wenn es sein musste, auch in langen Diskussi- onen. Seine unerhörte geistige und körperliche

147 26. Dresdner Brückenbausymposium

Konstitution und ein Mittagsschlaf ermöglichten Persönlichkeit und durch die Qualität seines Den- es ihm, bis spät abends hellwach zu bleiben. Er- kens hat er einem Kreis junger Mitarbeiter hohe staunlich, dass weder Ehrungen noch Misserfolge Maßstäbe gesetzt und hat damit eine Vorausset- sein Verhalten im Geringsten beeinflussen konn- zung für deren eigene Entwicklung gegeben. ten. Ich bin sicher, dass eine der Quellen dieser unerschöpflichen Energie sein überaus glückliches Familienleben mit einer großen Kinder- und Enkel- 4.3 Ulrich Finsterwalder schar waren. Seine Frau Eva stand ihm immer mit ­Ingenieurbaupreis sehr viel Verständnis zur Seite, sorgte aber auch dafür, dass er sich gelegentlich Erholung gönnte.“ Ab der Auslobung 2015 wurde der Ingenieurbau- preis des Verlags Ernst & Sohn, welcher seit 1988 Hubert Rüsch [54] alle zwei Jahre für herausragende Leistungen im Konstruktiven Ingenieurbau an ein Projektteam „Wenn er sich einmal für ein Arbeitsgebiet inte- für sein ausgezeichnetes Bauwerk vergeben ressiert hatte, kam er davon nicht los, ehe nicht wird, dem großen Bauingenieur gewidmet und in seine Ideen in allen Details ausgearbeitet waren „Ulrich Finsterwalder Ingenieurbaupreis“ umbe- und sich auch in der Praxis durchgesetzt hatten. nannt. Der Verlag Ernst & Sohn und die Familie So wird verständlich, dass Finsterwalder immer Finsterwalder wollen auf diese Weise die Grün- noch voll und ganz mit der Weiterentwicklung der dungsidee des Ingenieurbaupreises fortführen – zylindrischen Tonnengewölbe beschäftigt war, als mit dem Ziel, den Berufsstand der Bauingenieure Dischinger sich schon längst anderen Schalen- in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu stär- formen zugewandt hatte […] sowohl Dischinger ken. Der Name Finsterwalders steht bei diesem als auch Finsterwalder zeichneten sich nicht nur Preis somit nicht nur für den Betonbau, sondern durch ihre schöpferische Begabung aus, sondern für den gesamten Ingenieurbau. auch durch eine wahre Besessenheit, die sie oft ihre Umwelt fast völlig vergessen ließ. Selbst auf Paddeltouren […] konnte den jungen Finsterwal- 4.4 Eine Würdigung: der die Gesellschaft der hübschesten Mädchen Nachruf von Peter v. Seidlein nicht davon abhalten, Probleme der Schalenthe- orie zu erörtern.“ Ulrich Finsterwalder war Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Die Akademie hatte 1968 Heinz Rausch ihre Aufnahmeregeln ändern müssen, um den Sprecher des Vorstandes der Dyckerhoff & Wid- Bauingenieur Finsterwalder als Mitglied aufneh- mann AG, München [12] men zu können [55]. Er war 1968 bis 1979 außer- ordentliches Mitglied der Akademie der Künste, „Begegnet man dem fast 90jährigen, so wird Berlin (West), Sektion Baukunst. Durch eine er- man sofort zugedeckt mit einem Feuerwerk neute Änderung der Statuten wurde er ab 1979 von Gedanken und Ideen, die ihn beschäftigen. ordentliches Mitglied. Schließlich ist er noch keinen Tag in den Ruhe- stand getreten. […] Seine eher leise Stimme in Nach seinem Tode 1988 gab es weltweit sehr vie- leicht bayerisch gefärbtem Klang ist auch nach ei- le Nachrufe. Einer der eindrucksvollsten stammt nem Stundengespräch nicht müde oder gar alters- vom Münchner Architekt Peter v. Seidlein. Er ist brüchig. Noch immer verfolgt er mit hellwachem wahrscheinlich einer der schönsten Würdigun- Geist ein ideenreiches Konzept mit Konsequenz gen, die ein Architekt jemals für einen Bauingeni- und außerordentlicher Beharrlichkeit. Und wenn eur verfasst hat [55]: einer meint, das sei wohl eine Portion Altersstarr- sinn, dann stimmt das nicht: Er war schon immer „Ich weiß nicht, wer Ulrich Finsterwalder für eine Be- so! Schließlich steuert er noch immer selbst sei- rufung in die Akademie vorgeschlagen hat. Sein Tod nen Wagen. Er fährt damit zum Bergwandern und am 5. Dezember 88, kurz vor seinem 91. Geburtstag, im Winter zum Skilauf.“ ruft nochmals ins Gedächtnis, wie ungewöhnlich und wie glücklich dieser Vorschlag gewesen ist. Für seine Mitarbeiter und für seine Firma war seine fachliche Autorität und Präsenz von großer Dass Bauen in seiner ausgeprägtesten, vor- Wichtigkeit. Auch von Kollegen anderer Firmen nehmsten Form, dem Erzeugen von Architektur, wurden ihm großer Respekt und Anerkennung eine Kunst ist, mag niemand bestreiten. Dass entgegengebracht. Finsterwalder war derjenige, diese aber auch aus der reinen Form der Logik, der sich bei kniffligen Problemen, bei denen die der Mathematik, entstehen kann, war denen klar Mitarbeiter unsicher wurden, hinstellen und sagen gewesen, die in Ulrich Finsterwalder einen Bau- konnte, dass es geht und wie es geht. Durch seine künstler gesehen hatten. [...]

148 Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus

Viel wichtiger aber war die Phantasie, deren es Sebastian Finsterwalder. 1942, Privatarchiv bedarf, Neues zu erfinden. [...] Erfinden bedarf der Finsterwalder (PAF) Phantasie und von ihr beflügelt, hat Finsterwalder [6] Finsterwalder, U.: Unveröffentlichtes Vor- das Bauen mit Stahlbeton in wahren Mutations- tragsmanuskript. München, 3.12.1981, PAF sprüngen über das hinaus entwickelt, was man [7] Kubisch, A.; Feuereisen, H.: Über die Technik noch zu Beginn des Jahrhunderts für möglich ge- der Betonschalen. In: [11], S. 76–84 halten hatte. [...] [8] Schambeck, H.: Ulrich Finsterwalder. In: Sti- glat, K. (Hrsg.): Bauingenieure und ihr Werk, Dabei schien er ein seltsam zurückhaltender, ja Berlin, 2004, S. 145–146 beinahe scheuer Mensch zu sein. Er sprach leise, [9] Gentz, M.: Die Verstrickung von Unterneh- weil die Sicherheit, die er hatte, keiner lauten Wor- men in Unrechtsstaaten. In: Lillteicher, J. te bedurfte - mit einem unverkennbar bayerischen (Hrsg): Profiteure des NS-Systems? – Deut- Tonfall – nicht das moderne Münchnerisch der sche Unternehmen und das „Dritte Reich“, Schickeria, sondern das einer älteren Generation Berlin: Nicolaische Verlagsbuchhandlung, – eher so, wie Heisenberg oder Orff. Und er rede- 2006, S. 200–215 te zielsicher und unaufhaltsam von den Dingen, [10] Kriewitz, J.: Ulrich Finsterwalder – sein Le- die er verstand, von seinen Ideen, von dem, was benswerk im gesellschaftspolitischen Kon- er vorhatte. Mit dem Konjunktiv, mit dem Wort text. In: Homepage der Gesellschaft für Inge- ,,vielleicht“, mit ,,wenn und aber“ konnte er wenig nieurbaukunst: http://www.ingbaukunst.ch/ anfangen. file/440/UlrichFinsterwalder-Gesellschafts- politischerKontext-April2014.pdf (geprüft am Was ihn, wenn man ihn länger kannte, charakteri- 10.11.2015) sierte, war die Besessenheit, zu bauen. Dass er zu [11] Dyckerhoff & Widmann (Hrsg.): Festschrift viel zu tun hatte, hat man nie von ihm gehört; aber Ulrich Finsterwalder – 50 Jahre für Dywidag, auch nicht, dass er je zu wenig zu tun gehabt hät- Karlsruhe: G. Braun, 1973 te. Er suchte sich seine Aufgaben und er fand sie. [12] Rausch, H.: Ulrich Finsterwalder 90 Jahre. In: VDI-Gesellschaft Bautechnik (Hrsg.): He- Die Akademie hat sich, als sie l968 über die Hürde rausragende Ingenieurleistungen in der Bau- einer selbstauferlegten, eingrenzenden Definition technik, Schriftenreihe der VDI-Gesellschaft dessen, was Kunst sei, sprang und den Ingenieur Bautechnik, Düsseldorf 1987 Ulrich Finsterwalder berief, selbstgeehrt. Einen [13] Leonhardt, F.: Vorwort. In: [4], S. 7–14 der großen Baumeister zu den ihren zu zählen, [14] Zilch, K.; Weiher, H.: 120 Jahre Spannbeton- müsste auch nach seinem Tod Wirkung auf uns bau. Beton und Stahlbetonbau 103 (2008) 6, haben, die Wirkung, die ungewöhnliche Men- S. 422–430 schen und ihr Werk als Beispiel, als Vorbild und [15] Finsterwalder, U.: Eisenbetonträger durch manchmal – aber das ist nun eine persönliche Wirkung des Eigengewichtes. Zeitschrift des Überzeugung – als Trost ausüben – Trost der darin Vereins Deutscher Ingenieure Bd. 82 (1938) liegt, dass heute, wie zu allen Zeiten, Menschen 45, S. 1301–1304 Dinge schaffen, die dem unerfüllbaren Anspruch, [16] Finsterwalder, U.: Eisenbetonträger mit vollkommen zu sein, näher kommen, als wir dies selbsttätiger Vorspannung. Der Bauingenieur für möglich halten.“ XIX (1938) 35/36, S. 495–499 [17] Schambeck, H.: Über das Langzeitverhalten einer 50 Jahre alten Spannbetonbrücke. Der Literaturverzeichnis Bauingenieur 62 (1987), S. 557–559 [18] Finsterwalder, U.: Die Anwendung von hoch- [1] Thon, R.: Ulrich Finsterwalder – Seine Be- wertigem Stahl im Eisenbeton. IVBH-Ab- deutung für die Dyckerhoff & Widmann AG. handlungen Bd. 5 (1937–1938), S. 123–132 In: [11], S. 19–22 [19] Finsterwalder, U.: Dywidag-Spannbeton. [2] Kupfer, H.: Erinnerung an Ulrich Finsterwal- Der Bauingenieur 27 (1952) 5, S. 141–158 der (1897–1988). Bautechnik 74 (1997) 12, [20] Menn, Chr.: Stahlbeton-Brückenbau der S. 857–864 letzten 50 Jahre. In: Symposiumsbericht [3] Rüsch, H.: Ulrich Finsterwalder zu seinem zum IABSE-Symposium | IABSE bulletin, fünfzigsten Dienstjubiläum. In: [11], S. 9–18 20–22.9.1979 in Zürich (Schweiz), 1979, [4] Günschel, G.: Große Konstrukteure 1 – Freys- S. 38 (29–40) – auch einsehbar unter http:// sinet, Maillart, Dischinger, Finsterwalder. dx.doi.org/10.5169/seals-25601 (geprüft am Berlin: Ullstein Bauwelt Fundamente, 1966, 19.12.2015) S. 145 [21] Wittfoht, H.: Triumph der Spannweiten. Düs- [5] Baltus, R.: Jubiläumsvortrag an der TH Mün- seldorf: Bau + Technik, 1972, S. 147 chen anlässlich des 80. Geburtstags von [22] Finsterwalder, K.: Gesprächsnotiz des Ver-

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fassers beim Gespräch am 26.7.2008 in Hit- [38] Finsterwalder, U.: Konstruktionsformen neu- tenkirchen zeitlicher Hochstraßen. In: Vorträge auf dem [23] Jungwirth, D.: GEWI-Stahl St III U, GEWI- Deutschen Betontag 1957, 24.–25.9.1957 in Muffenstoß. In: [11] S. 65–73 Berlin,1957, S. 244–256 [24] Finsterwalder, U., Schambeck, H.: Von der [39] Schambeck, H., Foerst, H.: Brückenbau mit Lahnbrücke Balduinstein bis zur Rheinbrü- freitragenden Vorschubgerüsten. In: [11], cke Bendorf. Der Bauingenieur 40 (1965) 3, S. 156–171 S. 85–91 [40] Droste, M.; Fischer, H. (Hrsg.): Der Düssel- [25] Deinhard, J.-M.: Massiv-Brücken gestern dorfer Tausendfüßler – Die Auseinander- und heute. In: Vom Caementum zum Spann- setzungen um den Erhalt der Hochstraße beton, Bd. II, Wiesbaden – Berlin: Bauverlag, und um die Kö-Bogen-Planung. Düsseldorf: 1964, S. 96 Droste Verlag, 2015 [26] Lorenz, W.; May, R.: Franz Dischinger. In: [41] Schambeck, H.; Finsterwalder, K.: Spannbe- Curbach, M. (Hrsg.): Tagungsband zum tonschrägseilbrücken. In: [11], S. 184–192 23. Dresdner Brückenbausymposium, [42] Kühne, G.: Eine Brücke über den Großen 11./12.3.2013 in Dresden, Dresden: Insti- Belt. Bauwelt 58 (1967) H. 20, S. 494–497 tut für Massivbau der TU Dresden, 2013, [43] Standfuß, F.; Naumann, J.: Brücken in S. 101–128 Deutschland II. Köln: Deutscher Bundes-Ver- [27] Bomhard, H.: Aufgezeichnetes Interview, lag, 2007, S. 86–87 Starnberg, 21.3.2013 [44] Baus, U; Schlaich, M.: Fußgängerbrücken. [28] Wahl, E.: Die Nibelungenbrücke bei Worms. Basel: Birkhäuser, 2007, S. 64–65 Die Bauverwaltung – Zeitschrift für behördli- [45] Finsterwalder, U.: Über das Entwerfen von ches Bauwesen 2 (1953), S. 1–12 Spannbetonbrücken. Baumeister (1960) 6, [29] Klöppel, K.; Lossenheimer, H.: Die Vorschläge S. 369–371 des Stahlbaues beim Wettbewerb 1951 für [46] Dogramaci, B.: Paul Bonatz in der Türkei. In: die neue Straßenbrücke über den Rhein bei Voigt, W.; May, R. (Hrsg.): Paul Bonatz, Tü- Worms. Der Stahlbau 21 (1952) 5, S. 69–77 bingen: Wasmuth, 2010, S. 170-182 [30] Klass, G.: Weit spannt sich der Bogen 1865– [47] Herzog, M.: Projekt einer Hängebrücke über 1965 – Die Geschichte der Bauunterneh- den Bosporus. Schweizerische Bauzeitung mung Dyckerhoff & Widmann. Wiesbaden: Bd. 84 (1966) 7, S. 141–142 Verlag für Wirtschaftspublizistik, 1965 [48] Pohl, M.; Siekmann, B.: Hochtief und sei- [31] Dischinger, F.: Die zweite feste Straßenbrü- ne Geschichte. München: Pieper, 2000, cke über die Mosel bei Koblenz. Bautechnik S. 292 f. 12 (1934) 12, S. 130–134, 15, S. 199–204, [49] Schambeck, H.: Über das Entwerfen einer 19, S. 246–248, 23, S. 286–291, 36, S. 460– Spannbetonbrücke. In: [11], S. 117–133 463, 41, S. 554–556, 45, S. 593–595 [50] Stritzke, J.: Spannbandbrücken. In Mehlhorn, [32] Finsterwalder, U.; Knittel, G.: Die neue Mo- G.; Curbach, M. (Hrsg.): Handbuch Brücken, selbrücke in Koblenz. Der Bauingenieur 29 3. Aufl., Wiesbaden: Springer Vieweg, 2014, (1954) 8, S. 278–295 S. 611–617 [33] Lohmer, G.: Die architektonische Gestaltung [51] Finsterwalder, U.: Zehn Thesen zur Ästhetik. der neuen Moselbrücke Koblenz. Der Bauin- PAF, ohne Datum genieur 29 (1954) 8, S. 305–307 [52] Dicleli, C.: Ulrich Finsterwalder – Ein Leben [34] https://de.wikipedia.org/wiki/Europabrücke_ für den Betonbau. Beton- und Stahlbetonbau (Koblenz) (geprüft am 4.1.2016) 108 (2013) 9, S. 662–673 [35] http://structurae.de/produkte-services/ [53] Kupfer, H.: Die Betonschalen von Franz Di- fahrbahnsanierung-europabruecke-koblenz- schinger und Ulrich Finsterwalder. In: Vorträ- dem-optimalen-verkehrsfluss-auf-der-spur ge auf dem Deutschen Betontag 1997, 9.– (geprüft am 4.1.2016) 11.4.1997 in Berlin, Wiesbaden: Deutscher [36] Finsterwalder, U.: Über das Entwerfen von Beton-Verein e.V., 1997, S. 454–475 Spannbetonbrücken. Baumeister (1960) 6, [54] Rüsch, H.: Ulrich Finsterwalder zu seinem S. 369–371 fünfzigsten Dienstjubiläum. In: [11], S. 9–15 [37] Finsterwalder, U.: Entwicklungen im Massiv- [55] Seidlein, P. v.: Vortragsmanuskript. Vortrag brückenbau. In: Generalsekretariat der IVBH in der Akademie der Künste Berlin, 28.10.89, in Zürich (Hrsg.): IABSE congress report | PAF IVBH-Kongressbericht, Bd. 6, 27.6.–1.7.1960 in Stockholm, IVBH-ETH Zürich, 1960, S. 345–354 – auch einsehbar unter http:// dx.doi.org/10.5169/seals-7058 (geprüft am 19.12.2015)

150 Cengiz Dicleli: Ulrich Finsterwalder (1897–1988) – Doyen des Brückenbaus

Bildquellenverzeichnis 16: Lit. [19] 19: Lit. [18] Anmerkung: Bei Bildern ohne Angabe des Foto- 20: Deutsches Museum München (DMM), Abtei- grafen handelt es sich um Werkfotos der Firma lung Brückenbau (Reinhard Krause) Dywidag ohne weitere Angaben. 21: Lit. [28] 23: (H. Schmölz) 02, 05, 09, 15, 29, 32, 37–39, 41: Privatarchiv 24: Firmenprospekt Dywidagbauten 60/61 Finsterwalder (PAF) 27, 30: Lit. [21] 01, 18, 34: Lit. [1] 28: Firmen Broschüre: Dywidag Bauten 1957/1958 03, 04, 06, 13: Technische Universität Berlin, 31: Lit. [30] Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren – Mas- 33: Bauwelt 58 (1967) 20 sivbau, Dischinger-Nachlass 35: Privatarchiv Oliver Fritz (Oliver Fritz) 07, 08, 10, 11, 14, 17, 22, 25, 26: Privatarchiv 36: Baumeister (1960) Juni ­Dicleli (Fotos: Cengiz Dicleli) 40: Lit. [11], S. 175, Abb. 6 12: Der Bauingenieur 45/46 (1938) 11

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151 Bernd Endres, Rolf Jung: Gestaltungskonzept für Brückenbauwerke im Zuge der BAB A 3

Gestaltungskonzept für die Brückenbauwerke im Zuge der BAB A 3 zwischen AK Biebelried und AK Fürth/Erlangen

LBD Dipl.-Ing. Bernd Endres ABD Nordbayern, Nürnberg

Dipl.-Ing. Rolf Jung Leonhardt, Andrä und Partner, Dresden

1 Allgemeines gen ist zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und der Verkehrssicherheit ein Ausbau auf sechs Die Bundesautobahn BAB A 3 ist eine der wich- Fahrstreifen unerlässlich. Durch die Reduzierung tigsten und am stärksten belasteten internatio- von Staus und Verkehrsstörungen und die damit nalen Fernstraßenverbindungen in Europa und einhergehende Verstetigung des Verkehrsflusses nach der BAB A 7 die zweitlängste Autobahn können die verkehrssicherheitsgefährdenden Si- Deutschlands. Sie verbindet die Niederlande mit tuationen auf der Autobahn erheblich verringert dem Ruhrgebiet, Köln, dem Rhein-Main-Gebiet, und die Verkehrssicherheit deutlich verbessert Franken mit dem Ballungsraum Nürnberg, Ost- werden. Daher wird seit 2002 der sogenannte bayern, Österreich und Ungarn. Entsprechend Hauptabschnitt 1 zwischen der Landesgrenze zu ihrer Verkehrsbedeutung ist sie Bestandteil des Hessen und dem AK Biebelried 6-streifig ausge- Europastraßennetzes. In Nordbayern verläuft die baut. Dieser Abschnitt ist über weite Strecken be- BAB A 3 von der Landesgrenze Hessen/Bayern reits unter Verkehr. Die noch fehlenden Teilstücke bei Aschaffenburg über Würzburg, Nürnberg und bei Würzburg und in Baden-Württemberg werden Regensburg nach Passau an der Grenze zu Öster- bis 2019 fertiggestellt. reich (Bild 1). Im 2. Hauptabschnitt zwischen dem AK Biebel- Trotz der enormen Verkehrsbelastung war der ried und dem AK Fürth/Erlangen wurde bisher die bayerische Abschnitt der BAB A 3 mit Ausnah- Fahrtrichtung Frankfurt westlich der Mainbrücke me der kurzen Teilstrecke zwischen den Auto- Dettelbach bis zum AK Biebelried um einen drit- bahnkreuzen Fürth/Erlangen und Nürnberg bis ten Fahrstreifen verbreitert. Die Mainbrücke Det- vor wenigen Jahren nur mit zwei Fahrstreifen je telbach hat bereits 2004 im Zuge eines Ersatzneu- Richtungsfahrbahn ausgebaut. Im Hinblick auf die baus einen 6-streifigen Überbau erhalten. Darüber derzeitigen und die künftigen Verkehrsbelastun- hinaus wird ab 2016 ein ca. 5 km langer Abschnitt

Bild 1: Übersichtskarte BAB A 3 (Grafik: LAP)

153 26. Dresdner Brückenbausymposium bei Geiselwind als Vorwegmaßnahme 6-streifig Östlich der Mainbrücke Dettelbach ist die Aus- ausgebaut und bis 2017 fertiggestellt. Ebenfalls baustrecke in neun Projektabschnitte mit Ab- als Vorabmaßnahme wird von 2017 bis Ende 2020 schnittslängen von knapp fünf bis zu maximal das Autobahnkreuz Fürth/Erlangen einschließlich 14 Kilometer eingeteilt. eines ca. 3,5 km langen Autobahnabschnitts aus- und umgebaut. Der Ausbau der durch die Naturräume des Mittle- ren Maintales, des Steigerwaldes und des Aisch- Die Gesamtlänge der verbleibenden, zum 6-strei- grundes verlaufenden Gesamtstrecke orientiert figen Ausbau vorgesehenen Strecke der BAB A 3 sich weitgehend am Bestand, wobei sowohl sym- zwischen dem AK Biebelried und dem AK Fürth/ metrische als auch einseitige Verbreiterungen Erlangen beträgt ca. 76 km und entspricht einem vorgesehen sind. Neben der reinen Fahrbahnver- Bauvolumen von rund 1,0 Milliarde Euro. breiterung umfasst der Ausbau zudem auch den Umbau von neun Anschlussstellen, einer beidsei- Weil auch zukünftig die Straße der Hauptver- tigen Tank- und Rastanlage sowie von drei unbe- kehrsträger sein wird, ist die Bundesrepublik als wirtschafteten Rastanlagen. Transitland ganz besonders auf ein leistungsfähi- ges Fernstraßennetz angewiesen, weshalb der Zusätzlich zu den Bereichen Streckenbau und Streckenabschnitt zeitnah und in einer möglichst Landschaftsbau liegt der Schwerpunkt der Aus- kurzen Bauzeit ausgebaut werden soll. Allerdings bautätigkeiten im Bereich des Ingenieurbaus. Es sind die finanziellen Ressourcen begrenzt und fehlen zwar große und herausragende Einzelbau- der Netzausbau sowie dessen Erhaltung stellen werke, jedoch stellt die Anzahl der Bauwerke und eine große Herausforderung dar. Das Bundesmi- die Notwendigkeit des Bauens unter weitgehen- nisterium für Verkehr und digitale Infrastruktur der Aufrechterhaltung der Verkehrsverbindungen (BMVI) setzt daher bei diesem Ausbauprojekt auf eine große Herausforderung für Planer und bau- die Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und ausführende Firmen dar. Im Rahmen des Projekts Privatwirtschaft und plant dessen Realisierung sind insgesamt 109 Brückenbauwerke neu zu im Rahmen eines sogenannten ÖPP-Projekts. erstellen, davon liegen allein im Bereich des als Die Abkürzung ÖPP steht für öffentlich-private ÖPP-Projekt vorgesehenen Abschnitts 93 Brü- Partnerschaft (englisch: public-private partner- cken: ship). Darunter wird eine langfristige, vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen dem öffent- q 65 Unterführungen von Straßen, Wegen und lichem Auftraggeber und dem privaten Auftrag- Gewässern einschließlich Gewässerdurchläs- nehmer verstanden. Wie bei der konventionellen se größer 2 m, Realisierung einer Baumaßnahme ist auch für die ÖPP-Zusammenarbeit von öffentlichem Auf- q 26 Überführungen, traggeber (Ö) und privatem Auftragnehmer (P) ein Vertrag Grundlage der Zusammenarbeit. Das q 2 Grünbrücken, zweite „P“ in ÖPP steht für einen kooperativen, kommunikativen Stil der Vertragsparteien. q 2 Großbrücken mit Gesamtstützweiten von mehr als 100 m und Durch die langfristige partnerschaftliche Zusam- menarbeit sollen Synergien entstehen, die zu ei- q 2 Bahnunterführungen. ner deutlich schnelleren Projektabwicklung füh- ren. Gleichzeitig ist eine überdurchschnittliche Zusätzlich sind zahlreiche weitere Bauwerke wie Ausführungsqualität zu erwarten, weil die neu er- Durchlässe mit Gesamtstützweiten von weniger bauten Strecken über einen Zeitraum von 30 Jah- als zwei Metern, Abwasserbehandlungsanlagen ren in der Verantwortung der privaten Partner ver- und Stützwandkonstruktionen neu zu errichten. bleiben. Nicht zuletzt wird erwartet, dass durch Auch die Lärmschutzanlagen dürfen in diesem Zu- optimierte Finanzierungsstrukturen bei ÖPP-Pro- sammenhang natürlich nicht vernachlässigt wer- jekten die Realisierung wirtschaftlicher ist als im den. Im Rahmen des ÖPP-Projekts werden auf Falle einer herkömmlichen, haushaltsfinanzierten einer Gesamtlänge von knapp 29 km insgesamt Umsetzung. ca. 120.000 m² Lärmschutzwände hergestellt.

Der Ausbau beginnt mit der Verbreiterung der Mit dem anstehenden Großprojekt Ausbau der Richtungsfahrbahn Nürnberg östlich des AK Bie- BAB A 3 zwischen AK Biebelried und AK Fürth/ belried bis zur Mainbrücke Dettelbach auf drei Erlangen bietet sich die einmalige Gelegenheit, Fahrstreifen. In diesem Abschnitt müssen nach- nicht nur einzelne gestalterische Akzente zu set- träglich auch auf der Richtungsfahrbahn Frankfurt zen. Um im Zuge der A 3 zwischen Erlangen und zwei Unterführungsbauwerke erneuert werden. Würzburg eine ganzheitliche Gestaltung der Be-

154 Bernd Endres, Rolf Jung: Gestaltungskonzept für Brückenbauwerke im Zuge der BAB A 3 gleitbauwerke zu erzielen, die sich harmonisch q keine sichtbaren Entwässerungsleitungen, in den Naturraum integrieren und zu einer dau- erhaften, gestalterisch hochwertigen Ästhetik q werkstoffgerechter Einsatz der Materialien, führen, wurde daher bereits zu Beginn des Pla- nungsprozesses in enger Zusammenarbeit von q geringer Herstellungsaufwand, Ingenieuren, Architekten und Landschaftsplanern ein umfassendes Gestaltungshandbuch für Brü- q schnelle, einfache Herstellung unter laufen- cken und Lärmschutzanlagen erarbeitet. Auf die dem Verkehr, Lärmschutzanlagen wird hier jedoch nicht näher eingegangen. q hohe Dauerhaftigkeit,

q geringer Unterhaltungsaufwand, 2 Gestaltungs- und Konstruktionsprinzipien q Verzicht auf Lager und Übergangskonstruktio- nen, Brückenbauwerke im Zuge von Bundesautobah- nen müssen zuerst den funktionalen und techni- q monotaktische Stabgeländer, schen Anforderungen gerecht werden, die sich in einer Vielzahl von Vorschriften und Regelwerken q einheitliches Materialkonzept, wiederfinden. Um auch der Vielzahl der Nutzer und Anlieger eine ansprechende Gestaltung zu q einheitliches Farbkonzept. vermitteln und dem gestalterischen Anspruch an Baukultur bei solch bedeutenden Verkehrsprojek- Um eine größtmögliche Einbindung in die o. g. ten gerecht zu werden, ist es genauso wichtig, Naturräume zu ermöglichen, ist die Natürlichkeit sich mit den Fragen und Anforderungen einer an- in der Materialwahl und in der Farbgebung als gemessenen Gestaltung intensiv auseinanderzu- ein wesentliches Gestaltungskriterium gewählt setzen. Der Umgang mit der Örtlichkeit und die worden. Die Überführungsbauwerke sind in Stahl- Einbindung in die Landschaftsräume Maintal, verbundbauweise ausgeführt. Die Farbwahl der Steigerwald und Aischgrund ist dabei eine spe- Stahlkonstruktion erfolgt zurückhaltend in abge- zielle Herausforderung. Wenn gute Gestaltung stuften Grautönen, dem jeweiligen Naturraum und funktionale sowie technische Anforderungen angepasst. Die Widerlager der Überführungsbau- sinnvoll verbunden werden, mündet dies dann werke und die Unterführungsbauwerke werden in idealerweise in eleganten und gut proportionier- Sichtbeton hergestellt. Auf Verkleidungen wurde ten Bauwerken. somit bewusst verzichtet.

Um den Bezug zur Örtlichkeit herzustellen und ei- nen gewissen Wiedererkennungseffekt zu schaf- 3 Überführungsbauwerke fen, wurden spezielle Gestaltungsprinzipien für diesen Autobahnabschnitt zwischen Würzburg 3.1 Allgemeines und Nürnberg entwickelt, die einen hohen Grad an Einfachheit und Sinnhaftigkeit darstellen sol- Für die Überführungsbauwerke wurden vier un- len. Auf Ornamente, Dekorationen und auffällige terschiedliche Typenbauwerke entwickelt, die Farbgestaltungen wurde bewusst verzichtet, um sich durch ihre Querschnittsbreiten und ihre Funk- somit eine dauerhafte zeitlose Qualität der Gestal- tion unterscheiden. Der erste Typ ist durch einen tung zu gewährleisten. Querschnitt von ca. 10 m Breite gekennzeichnet und überführt die Staats-, Kreis- und Gemeinde- Für alle Elemente der Bauwerke wurden die nach- verbindungsstraßen. Der Typ 2 ist durch einen folgenden Prinzipien zu Beginn der Bearbeitung geringeren Querschnitt von nur ca. 5 m Breite definiert und festgelegt: gekennzeichnet und überführt die Feld- und Wald- wege. Als dritter Typ wurden die Grünbrücken q stützenfreie Überbauten, mit einer Längenausdehnung von ca. 50 m fest- gelegt. Weiterhin wurden zwei Sonderbauwerke q kleine, in die Böschung zurückgesetzte Wider- als Typ 4 mit oben liegendem Seiltragwerk defi- lager, niert. Besondere Herausforderungen waren eine starke Gradientenneigung der Überführungsstra- q maximale Durchsicht und Transparenz, ßen sowie eine schiefwinklige Kreuzung mit der Autobahn. q hohe Kappengesimse,

155 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 2: Ansicht Überführungsbauwerk Typ 1 (Grafik: LAP)

3.2 Typ 1 – Staats-, Kreis- und chen. Die inneren Stege sind vertikal angeordnet. ­Gemeindeverbindungsstraßen Der Untergurt ist wie auch der Obergurt parallel zur Fahrbahnplatte, also mit Querneigung des Das Überführungsbauwerk Typ 1 wird als einfel- überführten Verkehrsweges, ausgebildet (Bild 3). driger Stahlverbundrahmen errichtet. Der Riegel des Rahmens wird durch einen gevouteten, zwei- Die Fahrbahnplatte besteht aus im Bereich der stegigen Stahlverbundträger mit parabelförmiger Kragarme und zwischen den Hohlkästen aufge- Unterkante gebildet. Der Stahlverbundträger wird legten Halbfertigteilen mit Ortbetonergänzung. in die Rahmenstiele aus Stahlbeton eingespannt. Die Höhe der Kappengesimse von 1,0 m lässt den Die veränderliche Konstruktionshöhe des Über- Überbau im Feld optisch schlank erscheinen und baues beträgt je nach Spannweite ca. 1,40 bis trägt zu den ausgewogenen Proportionen von 1,60 m im Feld und 3,0 bis 3,30 m an den Widerla- Kappen zu Überbau und Widerlager bei (Bild 4). gern, was einem Verhältnis der Bauhöhen im Feld Wie die Außenstege des Überbaues sind auch und an den Widerlagern von ca. 1 : 2 entspricht die Kappengesimse nach innen geneigt ausge- (Bild 2). bildet. Dies vermindert die Anfälligkeit für Ver- schmutzung und erhöht die Oberflächenqualität Die zwei luftdicht verschweißten Stahlhohlkästen bei der Herstellung. werden für die Auflage der Halbfertigteile mit klei- neren Querträgern verbunden, welche im Krag- Die Stahlbetonwiderlager sind weit in die Bö- armbereich als Kragarmkonsolen weitergeführt schung zurückversetzt, woraus sich eine mini- werden. mierte, dreiecksförmige Ansichtsfläche ergibt. Die um 30 ° nach hinten geneigten Widerlager- Die außenliegenden Stege der Hohlkästen sind vorderseiten wirken als optische Vermittler zwi- um ca. 12 ° nach innen geneigt. Dadurch verjün- schen dem bogenförmig ausgebildeten Riegel gen sich die Untergurte der Hohlkästen zu den und der 1 : 1,5 geneigten Böschung. Ein Absatz Widerlagern hin und bieten schmale Ansichtsflä- von 60 cm über dem Böschungspflaster führt zu ausgewogenen Proportionen zwi- schen Widerlager und Überbau und verhindert schleifende Schnitte zwi- schen Widerlager und Böschung.

Die Rahmenstiele treten nur im Bereich der einbindenden Stahl- verbundträger sichtbar aus der Bö- schung hervor. Die seitlichen Berei- che des Widerlagers werden nach hinten versetzt und verschwinden somit hinter der gepflasterten Bö- schungsfläche. Die sichtbaren Wi- derlagerseiten erhalten die Neigung der Überbaustege. Zur Verminde- rung von Setzungen im angrenzen- den Streckenbereich sind hinter den Bild 3: Querschnitt Überführungsbauwerk Typ 1 (Grafik: LAP) Widerlagern tiefliegende Schlepp-

156 Bernd Endres, Rolf Jung: Gestaltungskonzept für Brückenbauwerke im Zuge der BAB A 3

Bild 4: Visualisierung Überführungsbauwerk Typ 1 (Grafik: gmp) platten unter der Fahrbahn vorgese- hen.

Die Böschungsbereiche zwischen den beidseitig der Widerlager an- geordneten Treppen werden mit unregelmäßigem Natursteinpflaster und Trittsteinen versehen. Die Trep- pen werden entsprechend der Nei- gung der Widerlagerseiten schräg angeordnet, um die gepflasterte Böschungsfläche zu minimieren (Bild 5).

Alle sichtbaren Betonflächen wer- den in Sichtbetonqualität (Sicht- betonklasse SB3) ausgeführt. Die Sichtflächen der Rahmenstiele und Bild 5: Querschnitt Widerlager Typ 1 (Grafik: LAP) Flügel sowie der Halbfertigteile und Kappengesimse sind mit glatter Schalung herzustellen.

Durch die gewählten Konstruktionen ist es ge- lungen, ein in der Ansicht schlankes Bauwerk mit maximaler Durchsicht und mit in Querrichtung schmalen Ansichtsflächen zu erhalten.

3.3 Typ 2 – Feld- und Waldwege

Für die Überführungsbauwerke der Feld- und Waldwege wurden die Gestaltungs- und Konst- ruktionsprinzipien wie bei den Typ-1-Bauwerken beibehalten. Da die Querschnittsbreite nur ca. 5 m beträgt, konnte der Stahlverbundriegel als einstegiger Plattenbalkenquerschnitt ausgebildet werden (Bild 6).

Um die Leichtigkeit und die Transparenz der Kon- Bild 6: Querschnitt Überführungsbauwerk Typ 2 struktion zu unterstreichen, wurden die Stege in (Grafik: LAP)

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Bild 7: Visualisierung Überführungsbauwerk Typ 2 (Grafik: gmp) der Ansicht zu den Auflagern an den Widerlagern fahrtsbereich der Tunnelportale sind die Träger hin aufgelöst (Bild 7). Die dadurch entstehenden nur noch teilweise mit einer Platte versehen und Untergurtstiele wurden zur Erhöhung der Stabili- werden als freie Balken in der Adaptionsstrecke tät als Verbundkonstruktion mit ausbetoniertem wahrgenommen (Bild 8). Stahlkastenquerschnitt entworfen. Im Unter- schied zu den Typ-1-Bauwerken wurde die Ge- Die Grünbrücken als erdüberschüttete Bauwerke simshöhe mit 80 cm etwas geringer gewählt, um werden somit möglichst unauffällig in den Land- auch hier die Leichtigkeit des Überbaus zu doku- schaftraum eingebunden. Dies wird auch dadurch mentieren. Dies war auch dadurch möglich, da auf gelöst, dass seitliche Gabionen als Sicht- und eine Längsentwässerung bei diesen Bauwerken Blendschutz für die Wildtiere auf dem Bauwerk verzichtet werden konnte. aufgestellt wurden, die zur Autobahn hin zusätz- lich eingeschüttet werden (Bild 9).

3.4 Typ 3 – Grünbrücken 3.5 Typ 4 – Sonderbauwerke Die Grünbrücken unterscheiden sich grundsätz- lich durch ihre funktionalen Anforderungen und Bei den beiden Sonderbauwerken ergeben sich auch durch ihre Längenausdehnung. Aber auch aufgrund der schiefwinkligen Kreuzung mit der Au- hier wurden die Gestaltungsprinzipien konse- tobahn Stützweiten von ca. 65 m bei gleichzeitig quent umgesetzt. Die rahmenartigen Bauwerke vermindertem Lichtraumprofil infolge der starken werden mit bogenförmigen Stahlverbundriegeln Längsneigung der überführten Straßen. Um auch entworfen, die sich gegen die kleinen Widerlager hier die Gestaltungs- und Konstruktionsprinzipien abstützen. Durch die räumliche Öffnung im Ein- beizubehalten, wurde auf die asymmetrische Aus- gangssituation mit einer asymmetri- schen, über der Fahrbahn liegenden Konstruktion reagiert. Der schlanke, einseitig gevoutete Stahlverbund- riegel des Überbaus wird jeweils mit einem einhüftigen, nach außen geneigten Pylon über drei parallele Schrägseile gehalten. Der Pylon ist zudem nach hinten geneigt und der Beanspruchung folgend mit einem sich nach unten breiter werdenden Querschnitt versehen (Bild 10).

Um die Tragwirkung für den Nutzer verständlich zu machen und auf- grund der geringen Kräfte, wurde auf eine Rückverankerung bewusst Bild 8: Visualisierung Portal Grünbrücke Typ 3 (Grafik: gmp) verzichtet. Die Sonderbauwerke

160 Bernd Endres, Rolf Jung: Gestaltungskonzept für Brückenbauwerke im Zuge der BAB A 3

Bild 9: Visualisierung Ansicht Grünbrücke Typ 3 (Grafik: gmp) stellen so Landmarken und Orientierungspunkte ge Rahmenbauwerke mit einer Stahlbeton- oder auf dem ca. 80 km langen Autobahnabschnitt dar. – je nach Spannweite und Erfordernis – mit einer Spannbetonplatte geplant, die sich in die Wider- lager monolithisch einspannt. Die Massivplatte 4 Autobahnbauwerke erhält jeweils eine konstante Dicke. Die seitlichen Kragarme am Fahrbahnrand sind durch einen Die in Summe meisten Bauwerke in diesem Stre- senkrechten Versprung bewusst von der Platte ckenabschnitt stellen die Autobahnbauwerke dar. abgesetzt (Bild 11). Für sämtliche Bauwerke mit Ausnahme der bei- den Großbrücken wurde ein einheitlicher Brücken- Die Ansichtsflächen der 80 cm hohen Kappen- typ als sogenanntes A-Bauwerk entworfen. gesimse sind nach innen geneigt ausgebildet. Es wird ein deutlicher Kappensporn ausgebildet, Aufgrund der meist geringen Stützweiten und dessen Neigung mit der der Widerlagerwand kor- einer Autobahnbreite von ca. 40 m ergeben sich respondiert. tunnelartige Brücken, die für den Benutzer bei der Unterquerung Unbehagen auslösen. Aus diesem Die Brückenlänge und auch die Länge der Mas- Grund wurden unter Beibehaltung der Mindest- sivplatte erhöhen sich durch den Ansatz mit ge- stützweiten die Widerlagerwände um 45 ° nach neigten Widerlagerwänden nicht gegenüber einer außen bis zum Erreichen der Böschung geneigt. konventionellen Rahmenbrücke mit senkrechten Die Bauwerke werden dabei jeweils als einfeldri- Wänden. Die resultierende Spannweite ist durch

Bild 10: Ansicht Überführungsbauwerk Typ 4 (Grafik: gmp)

161 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 11: Ansicht A-Bauwerk (Grafik: LAP) das Auseinanderrücken der Gründungen etwas gleich gewählt, wodurch ein durchgängiges Mate- größer. Die Größe der bei einfachen Unterführun- rialkonzept beibehalten wird. gen dominierenden Widerlager ist erheblich klei- ner, was zu einer Materialersparnis führt. Die Böschungsfläche unter dem Bauwerk ist mit örtlichem Muschelkalk gepflastert ausgeführt. Der Entwurfsansatz für die A-Bauwerke folgt Trittsteine aus dem gleichen Material werden zur dem der Überführungsbauwerke, wonach eine Bauwerksinspektion in der Böschung angeordnet. möglichst große Durchsicht zur Verminderung Die seitlichen Böschungstreppen sind mit Beton- der Barrierewirkung und zur Einpassung in die stufen vorgesehen. Die Anordnung der Treppen Umgebung angestrebt wird (Bild 12). Die dreieck- ist parallel zur überführten Fahrbahn. Bei schiefen förmigen Ansichtsflächen der seitlichen Widerla- Kreuzungswinkeln werden die Widerlager parallel gerwände deuten auf eine Verwandtschaft zu den zu dem unterführten Verkehrsweg schiefwinkelig Ü-Bauwerken hin. ausgebildet.

Mit der Massivplatte wird auf die konkrete Ent- Die Entwässerungslängsleitung wird für den Ver- wurfsbedingung reagiert. Die sonstigen Materi- kehr nicht sichtbar in einer Nische in der Massiv- alien sind zu denen der Überführungsbauwerke platte geführt. Die Nische wird durch eine Alu-

Bild 12: Visualisierung A-Bauwerk (Grafik: gmp)

162 Bernd Endres, Rolf Jung: Gestaltungskonzept für Brückenbauwerke im Zuge der BAB A 3 miniumplatte abgedeckt. Durch die Anordnung Anforderungen an nachhaltiges Bauen gerecht unter dem Gefälleknick der Fahrbahn kann auf wird. Querleitungen verzichtet werden. Möglich war dies nur durch eine intensive und je- Durch die gewählten Konstruktionen ist es ge- derzeit konstruktive Zusammenarbeit zwischen lungen, ein in der Ansicht schlankes Bauwerk mit Bauherrn, Architekten, Landschaftsplaner und In- gegenüber konventionellen A-Bauwerken hoher genieur, für die sich die Autoren hiermit bei allen Durchsicht und mit klar erkennbaren Entwurfs­ Beteiligten bedanken möchten: prinzipien zu erhalten. Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das 5 Zusammenfassung Bundesministerium für Verkehr und digitale Infra- struktur Für einen so bedeutenden und hoch frequen- tierten Autobahnabschnitt im Zuge der Bundes- Auftragsverwaltung: autobahn A 3 zwischen Nürnberg und Würzburg Freistaat Bayern, vertreten durch die Autobahndi- wurde versucht, anhand von einheitlichen Ge- rektion Nordbayern staltungs- und Konstruktionsprinzipien ganz- heitlich gestaltete Bauwerke zu entwerfen, die Architekt: alleine durch ihre Konstruktion und Gestaltung gmp Architekten, Berlin überzeugen und einen dauerhaft hohen Wieder- erkennungswert besitzen, ohne dabei jedoch Landschaftsplaner: aufdringlich zu erscheinen. Großen Wert wur- WGF Nürnberg Landschaftsarchitekten de dabei von Anfang an auf einen hohen Grad an Einfachheit, funktionaler und konstruktiver Ingenieur: Sinnhaftigkeit und damit auf eine hochwertige, Leonhardt, Andrä und Partner, Nürnberg, Dres- dauerhafte Gestaltung gelegt, die durch den den, Stuttgart sparsamen Einsatz von Ressourcen auch allen

Im gedruckten Tagungsband stand hier eine Anzeige. Sie wurde für die Online-Fassung entfernt.

163 Martin Grassl et al.: Reparatur der Autobahnbrücke über die Süderelbbrücke

Reparatur der Autobahnbrücke über die Süderelbbrücke nach schwerem Schiffsanprall – Nachrechnung, Planung, Ausführung,­ Analyse

Dipl.-Ing. Dirk Seipelt 1), Dipl.-Ing. Stefan Eschweiler 2), Dipl.-Ing. Thomas Neysters 1), Brinja Coors M.Sc. 1), Dipl.-Ing. Martin Grassl 1) 1) Ingenieurbüro Grassl GmbH, Hamburg 2) Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG), Hamburg

1 Veranlassung tragte das Ingenieurbüro Grassl daher, unverzüg- lich eine objektbezogene Schadensanalyse (OSA) Der Wasserstand der Elbe kann im Bereich des durchzuführen, die Tragfähigkeit unter Berücksich- Hamburger Hafens durch Tiede und Windrich- tigung des Schadensausmaßes zu bewerten so- tung und -stärke um mehrere Meter schwanken. wie ein Instandsetzungsprogramm für eine kurz- Schiffsunfälle mit Brücken sind aufgrund der fristige Reparatur zu entwickeln. großen Erfahrung der Schiffsführer zwar relativ selten, das Schadensausmaß kann aber erheb- Den Zustand des Schubverbandes nach der Kol- lich sein. Es liegt im Ermessen der Schiffsführer lision verdeutlicht Bild 1. Dabei ist zu erkennen, einzuschätzen, ob Brücken noch passiert werden dass infolge des Anpralls der Kranausleger aus können oder nicht. seiner Verankerung gerissen sowie einige Beda- chungselemente beschädigt wurden. Am 11.12.2014 um ca. 6 Uhr wollte ein Schub­ verband die Süderelbbrücke der Autobahn A 1 Bei der Süderelbbrücke handelt es sich um eine von Westen nach Osten elbaufwärts passieren. 4-feldrige, 325,50 m lange (58,75 m – 104 m – Auf Deck befand sich ein Ladungskran, der fest 104 m – 58,75 m) Stahlbrücke aus dem Jahr 1965. mit dem Bootsdeck verbunden war. Der Ausleger Bild 2 zeigt eine Übersicht. Die Brücke ist Bestand- des Krans kollidierte mit dem Untergurt des west- teil der Autobahn A 1 und stellt neben der A 7 den lichen der beiden Hauptträger der 50 Jahre alten Stahlbrücke. Infolge des Anpralls wurde der Kranausle- ger aus seiner Verankerung geris- sen und nach hinten umgeworfen. Durch die immensen Kräfte wurde der außen liegende Hauptträger stark in horizontaler und vertikaler Richtung deformiert. Die ausstei- fenden Elemente des Querschnitts (Aussteifungsrahmen und eine Querscheibe) wurden so schwer beschädigt, dass diese über weite Bereiche der Brücke wirkungslos waren.

Das vorgefundene Schadensbild stellte im Sinne des ARS 14/2004 ein unklares bzw. standsicherheits- relevantes Schadensbild dar. Der Verkehr wurde als Sofortmaßnah- me nur noch 1-spurig anstatt vorher 3-spurig mit einem Fahrstreifen di- rekt am östlichen Fahrbahnrand zu- gelassen. Für Schwerverkehr wurde die Brücke komplett gesperrt.

Der Verkehrslastträger der Brücke, der Landesbetrieb für Straßen, Brü- Bild 1: Filmausschnitte des havarierten Schiffes cken und Gewässer (LSBG), beauf- (Quelle: Hellwig, TV Elbnews)

165 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 2: Ansicht und Draufsicht Süderelbbrücke (Zeichnung: LSBG) wichtigsten Verkehrsweg für den Großraum Ham- Hauptträgers. Der Hauptträgerflansch (drei Lamel- burg in Richtung Süden sowie der Nord-Süd-Ver- len à 24 mm) weist im Bereich des Anpralls große bindung zwischen Dänemark und Südeuropa dar. Kerben im Stahlprofil auf und die verbindenden Die Brücke hat eine tägliche Verkehrsbelastung Schweißnähte zwischen den Lamellen sind geris- von ca. 51.000 KFZ sowie 7.200 Schwerverkehre sen (Bild 4). Die Lager sowie die Tragstruktur der (Stand 2014, Quelle: www.bast.de). angrenzenden Brückenfelder weisen keine sicht- baren Schädigungen auf. Die Bilder 4 und 5 zeigen Bild 3 zeigt das horizontale Aussteifungssystem den Anprallort und die aus dem Anprall entstande- der Brücke. Für die Gesamtquersteifigkeit der Brü- nen plastischen Verformungen. cke sind alle 26 m Querscheiben zwischen den Hauptträgern vorhanden (rechts im Querschnitt Weiterhin wurde festgestellt, dass im Vergleich dargestellt). Zusätzlich sind in regelmäßigen Ab- zum benachbarten und baugleichen dritten Brü- ständen Quersteifen angeordnet, die zusammen ckenfeld die horizontale Schwingungsamplitude mit den Querträgern einen Rahmen bilden (links des geschädigten Hauptträgers durch die beschä- im Querschnitt dargestellt). digten Queraussteifungen wesentlich größer war. Bei der Vermessung des Bauwerks wurde infolge Die Stelle des Schiffsanpralls befindet sich im PKW-Verkehrs eine horizontale Bewegung des zweiten Brückenfeld mit 104 m Spannweite am Hauptträgers von bis zu 5 cm festgestellt. unteren Flansch des westlichen Hauptträgers in Feldmitte direkt neben einer aussteifenden Querscheibe. Der Hauptträgersteg einschließlich 2 Nachrechnung der inneren Quersteifen sowie der untere Haupt- trägerflansch wurden auf einer Länge von 50 m Die reduzierte Anzahl an Fahrstreifen stellte eine um bis zu 40 cm nach innen verbogen. Die vor- erhebliche Beeinträchtigung des über die Brücke handene Querscheibe verhinderte durch ihre aus- laufenden Verkehrs der A 1 dar. So bildeten sich steifende Wirkung eine größere Verformung des insbesondere im Berufsverkehr kilometerlange

Bild 3: Brückenquerschnitt (Zeichnung: LSBG)

166 Martin Grassl et al.: Reparatur der Autobahnbrücke über die Süderelbbrücke

Bild 4: Schäden an Flansch und Aussteifungselementen (Fotos: Ingenieurbüro Grassl GmbH)

Bild 5: Anfahrschaden, Ansicht aus Süden (Foto: Ingenieurbüro Grassl GmbH)

167 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 6: Kombiniertes Stabwerk-FEM-Modell (Grafik: Ingenieurbüro Grassl GmbH)

Staus. Zudem musste der gesamte Schwerver- lenkende Maßnahmen auf Grundlage der StVO kehr über Umleitungsstrecken geführt werden. durchgeführt (Bild 8):

Um die vorhandene Verkehrssituation zu entspan- q tatsächliches Fahrzeuggewicht: nen, wurde zuerst statisch untersucht, ob eine ≤ 44 t (Z 262) 2-spurige Verkehrsführung eingerichtet werden konnte. Für die Nachweise des geschädigten q minimaler lichter Abstand der Fahrzeuge: Hauptträgers wurde im Bereich des Anpralls eine 50 m Schwächung des Querschnittes des Untergurtes von 50 % angenommen. Die zwei Fahrstreifen q zulässige Höchstgeschwindigkeit: wurden mittig über dem intakten Längsträger an- 60 km/h (Z 274) geordnet. Es wurde die Verkehrsbeanspruchung nach Brückenklasse 60 nach DIN 1072 (1967) an- Das Befahren des Bauwerks durch Fahrzeuge mit gesetzt. Da dieser Verkehrsansatz nach DIN 1072 einem Gewicht > 44 t (genehmigungspflichtiger nicht mehr heutigen Normen sowie dem tatsächli- Schwerverkehr), auch in Alleinfahrt, wurde nicht chen sehr hohen Verkehrsaufkommen entspricht, zugelassen. wurde ein Mindestabstand der LKW rechnerisch berücksichtigt. Für die Nachrechnung des ge- schädigten Bauwerks unter eingeschränkter Ver- 3 Instandsetzung / Ausführung kehrslast wurde ein 4-feldriger Durchlaufträger mit einem kombinierten Stabwerk- und FE-Modell Durch die Nachrechnung konnte die Verkehrssitu- aufbereitet. Der durch den Schiffsanprall beschä- ation zwar entspannt werden, aber der fehlende digte Bereich wurde mit Flächenelementen nach dritte Fahrstreifen und die Einschränkung für den den Ergebnissen der Schadensvermessung mo- Schwerlastverkehr waren so schwerwiegend, delliert, sodass der verformte Zustand des Bau- dass unverzüglich eine Instandsetzung notwen- werks korrekt abgebildet werden konnte (siehe dig wurde. Um nicht durch zeitaufwändige Ver- Bild 6 und Bild 7). gabeverfahren zusätzlichen volkswirtschaftlichen Schaden zu verursachen, wurde mit dem Ham- Um die Belastungsannahmen auch am Bauwerk burger Bauunternehmen August Prien, dem Lan- zu gewährleisten, wurden nachfolgende verkehrs- desbetrieb Straßen Brücken und Gewässer und dem Ingenieurbüro Grassl direkt ein Planungsteam gebildet, welches gemeinsam und zielorientiert eine schnelle und unter den schwierigen Randbedingungen sicher ausführba- re Lösung entwickeln konnte.

Zur vollständigen Behebung des deformierten Hauptträgers inkl. der Kerbe im Untergurt wurde eine umfangreiche Instandsetzungsmaß- nahme erforderlich. Hauptziel der Instandsetzung musste es sein, die Tragfähigkeit des Hauptträgers inkl. der Kerbe im Untergurt wieder her- zustellen. Grundsätzlich wurden im ersten Schritt mögliche Instandset- Bild 7: FE-Modell im verformten Zustand zungen in einer Variantenuntersu- (Grafik: Ingenieurbüro Grassl GmbH) chung betrachtet:

168 Martin Grassl et al.: Reparatur der Autobahnbrücke über die Süderelbbrücke q Variante 1: Neubau des beschä- digten Überbaus, q Variante 2: Verstärkungsmaß- nahmen im Bereich des Anpralls (Lasche und/oder Zugstäbe), aber die Schadensstelle belas- sen, q Variante 3: Austausch der geschädigten bzw. verformten Bauteile (Flansch, Steg), q Variante 4: Herstellung daneben- liegender zusätzlicher Zuggurte (Träger oder Gurte).

Unter der Prämisse einer schnellen Bild 8: Empfohlene 2-spurige Verkehrsführung auf dem Bauwerk Instandsetzung sowie einer mög- (Foto: Ingenieurbüro Grassl GmbH; Zeichnung: LSBG) lichst geringen Beeinträchtigung des Verkehrs und daraus ableitend mög- lichst wenigen und kurzen Sperrzeiten stellte sich fläche auf der Hubinsel wurde der oben liegende die Variante 2, eine reine Verstärkungsmaßnahme, Verkehr während der Bauzeit so gering wie mög- als geeignetste Lösung heraus. Alle anderen Vari- lich beeinträchtigt. anten hätten doch sehr umfangreiche Sperrungen des Verkehrs zur Folge gehabt. Zur weiteren Re- Neben dem Einbau einer Verstärkungslamelle, die duktion der Sperrzeiten entschloss man sich, die den lokal im Bereich der Beschädigung als teilwei- beschädigten Bauteile im Bauwerk zu belassen, se nicht mehr wirksamen Flansch des Längsträ- diese jedoch so zu bearbeiten, dass ein Fortschrei- gers ersetzen musste, wurden folgende weitere ten des Schadensbildes nicht möglich ist oder Arbeiten durchgeführt: ohne Folgen für angrenzende Bauteile bleibt. q Einbau neuer (zusätzlicher) Quersteifen, Für die Instandsetzungsmaßnahme wurde eine Hubinsel im Fahrwasser der Elbe positioniert q Herstellung eines neuen (zusätzlichen) (Bild 9). Durch das Absetzen der Hubinsel auf Stel- Querverbandes (Minimierung horizontaler zen war ein tideunabhängiges Arbeiten zu jeder Schwingungen) als Ersatz der beschädigten Zeit gewährleistet. Mit der vorhandenen Arbeits- Querscheibe (Bild 10).

Bild 9: Arbeitsplattform / Hubinsel (Quelle: Prien)

169 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 10: Neuer Querverband (Foto: Ingenieurbüro Grassl GmbH)

Grundsätzlich wurde entschieden, das Bauwerk in mit neuem Korrosionsschutz versehen. Die Quer- seiner deformierten Form zu belassen. Ein Rich- rahmen mussten entsprechend der vorhandenen ten des Längsträgers mittels Pressen hätte zum Verformungsfigur geplant und individuell für jede einen bedeutet, dass der Verkehr auf der Brücke Querträgerachse gefertigt werden. In der Achse gesperrt werden muss, zum anderen wurde das des Anpralls musste der Rahmenstiel um rund Risiko einer weiteren Beschädigung als sehr er- 9 ° geneigt hergestellt werden, um einen zwän- heblich eingestuft. gungsfreien Einbau zu ermöglichen. Dieser ist aus einer Werkstattzeichnung in Bild 11 dargestellt. Da über einen weiten Bereich nahezu alle Quer- Hierfür wurde ein genaues Aufmaß mittels eines rahmen stark beschädigt und teilweise kom- 3D-Laserscans durchgeführt, das auch als Grund- plett unwirksam waren, musste die Funktion lage zur Modellierung des statischen Rechenmo- der Queraussteifung für horizontale Lasten des dells diente. Querschnitts wiederhergestellt werden. Zudem traten durch die fehlende Aussteifung unter Ver- Nach dem Ersatz der Aussteifungselemente er- kehrsbeanspruchung horizontale Verformungen folgte der Einbau einer zusätzlichen Lasche un- des Längsträgeruntergurtes von bis zu 5 cm auf. terhalb des Anprallschadens (Bild 12). Ziel war Auch hier wurde sich dagegen entschieden, die es hier, einen möglichst großen Anteil der Span- beschädigten Querrahmen instand zu setzen oder nungen aus Eigengewicht aus dem beschädigten vollständig auszutauschen. Da in diesem Bereich Untergurt des Längsträgers in den neuen Quer- planmäßig nur jede zweite Querträgerachse mit schnittsteil der Zuglasche umzulagern. einem aussteifenden Rahmen versehen war, wurden in den danebenliegenden „freien“ Quer- Damit die neue Untergurtlamelle neben den Ver- trägerachsen neue Querrahmen angeordnet. Die kehrseinwirkungen auch ständige Einwirkungen beschädigten Bereiche wurden nach Einbau der aus Eigengewicht und Ausbaulasten aufnehmen neuen Quersteifen entschichtet, Schadbereiche konnte, wurde der vorhandene Untergurt während großzügig entfernt, Risse abgebohrt und ausge- der Montage der Lamelle vorgespannt, d. h., die schliffen, damit sich der Schadensbereich (Riss- Spannungen aus Eigengewicht wurden teilweise fortschritt) nicht weiter ausbreiten kann, sowie von dem geschädigten Querschnittsbereich auf

170 Martin Grassl et al.: Reparatur der Autobahnbrücke über die Süderelbbrücke

Spannglieder um­­ dieser Maßnahme konnten die Eigengewichts- gelagert. Somit spannungen im geschädigten Querschnittsbe- herrschte beim reich um weitere 10 % reduziert werden. Einbau der neu- en Verbindungs- Der Vorspannprozess des beschädigten Hauptträ- mittel zwischen gers stellte einen komplexen Arbeitsvorgang dar. vorhandenem Aus diesem Grund wurde für den Spannvorgang und neuem Stahl- eine Spannanweisung erstellt. Im Nachfolgenden querschnitt ein ist ein Auszug der Arbeitsanweisung dargestellt: ähnlicher Span- nungszustand q Anordnung der LKW in den Nachbarfeldern, im Material. Auf- grund der gro- q Spannvorgang mittels zweier gekoppelter ßen Kerbe wurde Pressen, der vorhandene Untergurtquer- q Permanentes Messen mittels Dehnmess- schnitt bei der streifen. Dimensionierung der neuen La- q Es ist auf eine gleiche Länge der Spannstan- sche nicht be- gen bei Beginn des Spannvorgangs zu achten. rücksichtigt. Für die Bemessung q Es ist auf eine gleichmäßige Krafteinleitung in der neuen Lasche alle Spannstangen zu achten. Bild 11: sowie deren Ver- Werkstattzeichnung neue Quer- bindungsmittel q 1. Spannschritt (30 % Vorspannung): steife Achse 59 (Zeichnung: wurde die gesam- Ingenieurbüro Grassl GmbH) te Einwirkung in erforderliche Spannkraft je Presse = 2 × GZT angesetzt. 290 kN = 580 kN,

Die Vorspannkonstruktion (Bild 13) bestand aus Spannweg: 23,5 mm, insgesamt vier Vorspannböcken. Diese wurden auf beiden Seiten ca. 6 m neben der Anprallstelle Öldruck je Presse: 153 bar, an den Hauptträgersteg montiert. Mittels vier An- kerstangen Ø 36 wurde eine Vorspannkraft von q 2. Spannschritt (100 % Vorspannung): 3,8 MN auf den Stahlquerschnitt erzeugt. Somit konnten rechnerisch ca. 60 % der Eigengewichts- erforderliche Spannkraft je Presse = 2 × spannungen aus dem Hauptträgeruntergurt auf 967 kN = 1.934 kN, die Vorspannkonstruktion umgelagert werden. Spannweg: 23,5 mm + 41,4 mm = 65 mm, Zur weiteren Entlastung des Querschnitts wäh- rend des Vorspannvorganges erfolgte die Anord- Öldruck je Presse: 153 bar + 356 bar = nung von insgesamt vier Kieslastern mit je 40 t 509 bar, Gewicht in den angrenzenden Brückenfeldern. Mit

Bild 12: Einbau neuer Untergurtlamelle (Quelle: Prien)

171 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 13: Vorspannkonstruktion mit Spann- und Festanker (Fotos: Ingenieurbüro Grassl GmbH) q max. Vorspannkraft / max. Spannweg / max. Die Bemessung der Verstärkungsmaßnahmen Öldruck: für den Überbau wurde ebenfalls an dem bereits in Bild 6 dargestellten, verformten statischen max. Vorspannkraft: 2 × 1.934 kN = 3.868 kN, FE-Modell durchgeführt. Dabei wurde der zuvor beschriebene Instandsetzungsablauf vollständig max. Spannweg: 65 mm, simuliert (Bild 14).

max. Öldruck je Presse: 509 bar. Mit den Berechnungen konnte die durch die Vorspannung vorgesehene Kraftumlagerung q Nach Einbau der neuen Untergurtlamelle nachvollzogen und eine Aussage über die dabei erfolgt die langsame Entlastung der Pressen. auftretenden Spannungen am Bauwerk unter Be- rücksichtigung der durch den Anprall verursach- q Probebelastungen über der Schadensstelle. ten Verformungen gemacht werden. Wie sich baubegleitend beim Monitoring zeigte, stimmten die Ergebnisse der statischen Be- rechnung sehr gut mit den Mess- werten überein.

4 Ergebnis und Erfolg der Maßnahme

Der Spannvorgang und die Kraft- umlagerung wurden mittels Mo- nitoring überwacht. Dazu wurden insgesamt 16 Dehnmessstreifen (DMS) am geschädigten Untergurt, an der Verstärkungslamelle sowie im Stegbereich und an den Spann- Bild 14: FE-Modell, Ansicht mit Spannvorrichtung und zusätzlichem gliedern angeordnet. Bild 15 zeigt Querschott (Grafik: Ingenieurbüro Grassl GmbH) einen DMS auf dem geschädigten

172 Martin Grassl et al.: Reparatur der Autobahnbrücke über die Süderelbbrücke

Bild 15: Dehnmessstreifen und Messwerte (Quelle: LSBG)

Untergurt, die Anordnung der DMS im Hauptträ- wichtsspannungen. Die Berechnung stimmte im ger und die gemessenen Dehnungen während Mittel mit den gemessenen Werten des Monito- des Spannvorganges, der Verschlosserung der rings überein. Verstärkungs­lamelle und der anschließenden Last­umlagerung. Die oberen Linien stellen die Da die DMS nach Beendigung der Instandset- Dehnungen in den Spannstangen, die unteren zungsmaßnahmen am Bauwerk verblieben, konn- Linien die Dehnungen im Bauwerk dar. Die Deh- te die Wirksamkeit der Maßnahme kontrolliert und nungsverläufe der Spannstähle bestätigen, dass auf längere Zeit beobachtet werden. Die Aufzeich- die vorgesehene Dehnung nahezu aufgebracht nungen der DMS bestätigen, dass der geschä- werden konnte. Wie erwartet erfuhren die Bau- digte Untergurt durch die Vorspannmaßnahme teile durch die Vorspannung eine Entlastung der und gleichzeitiger Anbringung der neuen Lasche Zugspannungen von ungefähr 70 % der Eigenge- entlastet wurde. Außerdem ist zu erkennen, dass

Bild 16: Gemessene Spannungen in KW 39, 2015 (Grafik: Ingenieurbüro Grassl GmbH)

173 26. Dresdner Brückenbausymposium die neue Lasche große Anteile der auftretenden unter der Spannung, die sich gemäß statischer Kräfte aufnimmt. Berechnung bei maximaler Verkehrsbelastung ergeben würde. Beispielhaft sind in Bild 16 die auftretenden Span- nungen innerhalb der 39. Kalenderwoche 2015 angegeben. Gut zu erkennen an dem grünen 5 Zusammenfassung (MP10) und braunen Verlauf (MP12) im unteren Bereich ist, dass der geschädigte Untergurt ent- Die Instandsetzungsmaßnahme des Anprallscha- lastet wurde. Der dunkelgrüne (MP16) und der dens an der Süderelbbrücke stellte für alle Betei- hellblaue Verlauf (MP17) stellen die Spannungen ligten aufgrund der komplexen Rahmenbedingun- des neuen Untergurtes dar. Da die DMS an einem gen eine große Herausforderung dar. Durch den spannungslosen Zustand an die neue Lasche an- oben liegenden Autobahnverkehr waren während gebracht wurden, ergeben die Spannungen die der Instandsetzungsmaßnahme nur wenige, zeit- vollständige Spannungsaufnahme. Die Lasche lich sehr begrenzte Vollsperrungen der Brücke trägt demnach im Mittel 30 N/mm². möglich. Dank der guten Zusammenarbeit aller Beteiligten – dem Bauherrn, der ausführenden In Bild 16 ist auffällig, dass das Verkehrsaufkom- Firma und dem Planer – ist es gelungen, ein inno- men zwischen 15:00 Uhr und 19:00 Uhr von vatives, schnelles und sicheres Instandsetzungs- Mittwoch bis Sonntag zu erhöhten Druckspan- programm in kürzester Zeit zu planen und umzu- nungen im Steg führte. Dabei ist zu erkennen, setzen. Deutlich früher als zuerst angenommen dass die auftretende maximale Spannung aus konnte die Instandsetzungsmaßnahme bereits Verkehr bei ca. 45 N/mm² lag und damit deutlich Mitte Juni 2015 abgeschlossen werden.

174 H. Hangen, J. E. Jaramillo Castro: Langzeitverhalten von geokunststoffbewehrten Stützkonstruktionen

Langzeitverhalten von geokunststoffbewehrten Stützkonstruktionen – zukünftig eine Standardbauweise auch für Brückenwiderlager?

Dipl.-Ing. Hartmut Hangen, M.Sc. July Ellen Jaramillo Castro HUESKER Synthetic GmbH, Gescher

1 Einleitung 2. schnelle und daher kostengünstige Herstel- lung oder Entsorgung (bei temporären Konst- Zustandsberichte von Kommunen, Ländern und ruktionen) mit konventionellem Erdbaugerät, Bund zeigen, dass große Anstrengungen erforder- lich sind, um Standsicherheit und Gebrauchstaug- 3. geringes globales Erwärmungspotenzial (GWP), lichkeit von Brückenbauwerken auch zukünftig sicherzustellen. Innovative Baustoffe und Bauwei- 4. vielfältige architektonische Gestaltungsmög- sen werden unverzichtbar sein, um diese Aufgabe lichkeiten. zu bewältigen. Ursprung dieser Bauweise ist die in den 1960er- Die Ausführung geokunststoffbewehrter Stütz- Jahren durch den Franzosen Herni Vidal [1] einge- konstruktionen (KBE) für den Bau von Brücken- führte sogenannte bewehrte Erde. Bereits in den widerlagern stellt in diesem Zusammenhang eine 1980er-Jahren wurden die hierbei eingesetzten vielversprechende Möglichkeit dar. Vorausset- Stahlbänder jedoch zunehmend durch vollflächige zung hierfür ist jedoch, dass das Langzeitverhal- geosynthetische Bewehrungsprodukte ersetzt. ten solcher Konstruktionen den hohen Anforde- Bild 1 zeigt am Beispiel eines Regelquerschnit- rungen im Brückenbau genügt. Der vorliegende tes eines geokunststoffbewehrten Brücken­ Beitrag zeigt auf, welche Faktoren die Dauerhaf- widerlagers das Prinzip einer KBE-Konstruktion tigkeit von KBE-Konstruktionen beeinflussen und mit den Hauptbestandteilen Zugbewehrung, inwieweit diese nach derzeitigem Ermessen eine Facing­element, Erdstoff (bewehrter Erdkörper Anwendung von KBE-Systemen auch für den Bau und Hinter­füllboden) sowie Belastungseinrichtung von Brückenwiderlagern zulassen. (z. B. Wider­lagerbalken).

Neben den aktuellen Regelwerken, nach de- 2 Geokunststoffbewehrte nen KBE-Konstruktionen bemessen werden – in ­Stützkonstruktionen Deutschland sind dies zusätzlich zu den Dach­

Die Verwendung geosynthetischer Bewehrungsprodukte zur Lösung geotechnischer Aufgabenstellun- gen ist aufgrund ökologischer und ökonomischer Vorteile gegenüber klassischen Bauweisen seit langem üblich. Geokunststoffbewehrte Stütz- konstruktionen, im Folgenden auch KBE-Konstruktionen genannt, neh- men hierbei eine besondere Stellung ein und stellen einen der ältesten und häufigsten Anwendungsbereiche dar.

KBE-Konstruktionen zeichnen sich im Vergleich zu konventionellen Bauweisen im Wesentlichen durch folgende Vorteile aus:

1. duktiles Tragverhalten ermöglicht Bild 1: Regelquerschnitt des bewehrten Brückenwiderlagers bei reduzierte Anforderungen an Bau- Ilsenburg [2] mit Kennzeichnung der Hauptelemente einer grund und Hinterfüllmaterialien, KBE-Konstruktion

177 26. Dresdner Brückenbausymposium normen EC 7 [3], DIN 1054 [4] die DIN 4084 [5] und EBGEO 2010 [6] – gibt es weltweit mittlerweile eine überaus große Anzahl an wissen- schaftlichen Arbeiten und Fachauf- sätzen zu nahezu allen relevanten Fragestellungen im Zusammenhang mit KBE-Konstruktionen. So findet man einen Überblick über die ers- ten Anfänge der Verwendung von Geokunststoffen als Bodenbeweh- rung für Stützkonstruktionen z. B. in Allen et al. [7] oder eine systema- tische Erhebung und Auswertung des Bauwerksverhaltens repräsen- tativer KBE-Konstruktionen z. B. bei Crouse und Wu [8]. Bathurst [9] hingegen vermittelt einen Überblick zum derzeitigen Stand der Technik Bild 2: Großversuch zur Untersuchung der Tragfähigkeit einer KBE und aktuellen Entwicklungen von an der LGA Nürnberg ([11], [12]), Abmessungen und Anord- Bemessungskonzepten und Model- nung der Messeinrichtungen lierungen; ein Review ausgewählter Beiträge der jüngsten Internationa- len Geosynthetic-Konferenz (10th ICG) in Berlin zu diesem Thema fin- det sich auch in Hangen [10].

3 Geokunststoffbewehrte ­Brückenwiderlager

Ein Vielzahl von Untersuchungen und Referenzprojekten haben ge- zeigt, dass KBE-Konstruktionen auch extrem hohe Einwirkungen abtragen können, ohne zu versagen oder übermäßig große Verformun- Bild 3: Ergebnisse eines Großversuches an der LGA Nürnberg ([11], gen zu zeigen. Sehr eindrucksvoll [12]), gemittelte Setzung des Auflagerbalkens und horizon- konnte dies z. B. im Rahmen von re- tale Verschiebungen während der ersten Belastungsstufe almaßstäblichen Belastungsversu- 0 < σ < 400 kN/m² chen an der Landesgewerbeanstalt (LGA) Nürnberg [11], [12] oder auch [13] demonstriert werden. Die Bilder 2 und 3 zei- In anderen Quellen wird die maximale Tragfähig- gen die Versuchsanordnung und die horizontalen keit sogar mit bis zu 1.200 kN/m² angegeben [13]. und vertikalen Verformungen des untersuchten 4,5 m hohen KBE-Körpers für vertikale Belastung Auch angesichts des derzeit allerorts diskutierten mit einem 1,0 m breiten und 3,0 m langen Beton- großen Sanierungs- und Neubaubedarfs im Brü- balken. Die horizontale Verformung des in zwei ckenbau liegt es daher nahe, KBE-Konstruktionen Stufen gefahrenen Versuches betrug für realisti- auch für die Errichtung von hoch belasteten Brü- sche Spannungen unter einem Brückenwiderla- ckenwiderlagern vorzusehen. Eine Reihe von Re- gerbalken von 200 bis 250 kN/m² selbst bei Erst- ferenzbauwerken zeigt, dass dies grundsätzlich in belastung an der höchsten Stelle nur etwa 4 mm. der Praxis umsetzbar ist und welche unterschied- Die Gesamtsetzung betrug bei der gleichen Be- lichen Optionen dabei bestehen. In Deutschland lastung ca. 6 mm. Erst ab einer Auflastspannung wurde diese Bauweise aber bisher nur selten ein- von 500 kN/m², welche bei der zweiten Belastung gesetzt. aufgebracht wurde, zeigte die Konstruktion Anzei- chen eines bevorstehenden Versagens. Dieses In Bild 4 sind verschiedene Möglichkeiten für die konnte aber auch unter der maximal aufbringbaren Anwendung von KBE schematisch dargestellt, Belastung von 650 kN/m² nicht erreicht werden. wobei die Umsetzung eines dauerhaften Lastab-

178 H. Hangen, J. E. Jaramillo Castro: Langzeitverhalten von geokunststoffbewehrten Stützkonstruktionen trags, Bild 4 c), die größten ökono- mischen Vorteile gegenüber einer klassischen Bauweise bietet. Einen ausführlichen Überblick zu Einsatz- möglichkeiten der KBE für den Bau von Brückenwiderlagern vermitteln auch [14] und [15].

4 Langzeitverhalten von KBE-Konstruktionen 4.1 Derzeitiger Sachstand

Um die Eignung der KBE-Bauwei- se auch für Brückenbauwerke mit möglichst großen Nutzungsdauern beurteilen zu können, ist das Lang- Bild 4: Möglichkeiten für den Einsatz von KBE beim Bau von Brü- zeitverhalten dieser Konstruktionen ckenwiderlagern; a) KBE für Flügelwände und Front, b) KBE unter realen Beanspruchungsbe- als Erddruckfänger, z. B. für integrale Brücken, c) KBE auch dingungen zu analysieren. Im Sinne für Abtrag der Brückenlasten, d) KBE als Verankerung von einer systematischen Beurteilung Spund- oder Verbauwänden des Langzeitverhaltens, wie sie die (Grafik: Marita Döring, HUESKER) Richtlinie zur einheitlichen Erfas- sung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung 4.2 Kriterien zur Beurteilung von Ergebnissen der Bauwerksprüfungen nach des Langzeitverhaltens und DIN 1076, RI-EBW-PRÜF [16], vorsieht, gibt es Beispiele typischer Mängel für KBE-Konstruktionen im Einsatzbereich von Brückenwiderlagern in Deutschland derzeit nur Neben den in [16] festgeschriebenen Kriterien zur wenige allgemein zugängliche Informationen. Beurteilung der Beeinträchtigungen eines Ingenieur- bauwerks hinsichtlich seiner Standsicherheit (S), der Neben einer Vielzahl von Einzelfallstudien und Verkehrssicherheit (V) und der Dauerhaftigkeit (D) mit Erhebungen zum Verhalten von KBE-Konst- wurden die folgenden Beispiele teilweise auch nach ruktionen generell, insbesondere die GRI-Studie der zuvor genannten GRI-Studie [17] analysiert. Die von Schadensfällen an KBE-Konstruktionen und GRI-Studie umfasste 171 mangelhafte Bauwerke, Vorschlägen für deren Vermeidung, Koerner und welche nach folgenden Merkmalen sortiert wurden: Koerner [17], liegen dennoch umfangreiche und aussagekräftige Daten vor, um typische Män- q Bauherr (privat oder öffentlich), gel auszumachen und zu beschreiben. Weiterhin stellt z. B. Herold [18] speziell für die Anwendung q Art der Frontausbildung (starr oder flexibel), im Brückenbau Ergebnisse von Verformungsmes- sungen vor und zeigt auf, welche Ursachen zu er- q Höhe der Konstruktion, höhten Verformungen führen können. q Art des Geokunststoffes, International gibt es darüber hinaus in den USA bereits seit 2006 eine Richtlinie zur Bemessung q Dauer der Nutzung bis zum Schaden, und Ausführung von geokunststoffbewehrten Stützkonstruktionen für Brückenwiderlager [19] q Qualität des Füllbodens (bindig oder rollig), und seit 2011 die Dokumentation zu geokunst- stoffbewehrten integralen Brückenkonstruktionen q Erzielte Verdichtung, [20] mit einschlägigen Informationen zur Dauer- haftigkeit von Referenzbauwerken. q Qualität der Planung (schadensrelevant oder ordnungsgemäß), In den Abschn. 5–7 werden Erkenntnisse aus die- sen und weiteren ausgewählten Quellen zusam- q Schadensbild (Beeinträchtigung der Ge- mengeführt und dargestellt. brauchstauglichkeit (SLS) oder der Tragfähig- keit (ULS)),

q Entwässerung.

179 26. Dresdner Brückenbausymposium

5. Beeinträchtigung Als Versagensursachen konnten im Wesentlichen der Standsicherheit folgende Gründe ausgemacht werden:

Die RI-EBW-PRÜF [16] definiert mangelnde q Entwässerung: in 60 % der Schadenfälle wur- Standsicherheit als einen Zustand, bei dem Bau- de mangelhafte oder völlig fehlende Entwäs- stoffqualität oder Bauteilabmessungen oder die serung festgestellt. Beanspruchungen aus der planmäßigen Nutzung nicht (mehr) den Annahmen der Bemessung ent- q Qualität der Erdstoffe: bei 61 % der Schaden- sprechen. fälle wurde mit feinkörnigen, bindigen Böden gebaut. Im Falle einer KBE-Konstruktion würde somit ein Mangel bestehen, wenn der verfügbare Bemes- q Qualität der Verdichtung: in 72 % wurde beob­ sungswiderstand einer Geokunststoffbewehrung achtet, dass die Verdichtung des bewehrten den Anforderungen nicht mehr genügt. Getrieben Erdkörpers nicht zufriedenstellend war. von akademischem, aber auch wirtschaftlichem Interesse, die Leistungsfähigkeit der angebotenen Gerade im Hinblick auf den Bau von Brücken- Materialien zu dokumentieren und einem häufig widerlagern erscheinen diese Zahlen zunächst zu beobachtenden Unbehagen gegenüber dem überwältigend, dennoch stehen sie im krassen Einsatz von tragenden Kunststoffbauteilen auf Widerspruch zu den guten Erfahrungen bei sach- Seiten der Anwender zu begegnen, befasste sich gemäßer Planung und Umsetzung, welche man ein Großteil der wissenschaftlichen Arbeiten mit unter regulären Verhältnissen im Erd- und Brü- der Erforschung und Abbildung des Langzeitver- ckenbau in Deutschland immer erwarten darf. haltens von Geokunststoffbewehrungen. Ergeb- Sowohl die Erfahrungsberichte aus den USA, wel- nis dieser Bemühungen ist ein umfangreiches che sich konkret auf Brückenwiderlager konzent- europäisches Normen- und Regelwerk, nach dem rieren, [19] und [20], als auch die Erfahrungen in die Ermittlung des Bemessungswiderstandes ei- Deutschland [2] berichten in keinem Fall von einer ner Bewehrung als Produkt aller individuell ermit- Beeinflussung der Standsicherheit. telten möglichen Abminderungen erfolgt. Der Vollständigkeit halber seien auch die Ergeb- Im Regelfall beträgt der zulässige Bemessungs- nisse der Erhebungen für die restlichen Kriterien widerstand nach Berücksichtigung aller Abmin- genannt: derungsfaktoren und Teilsicherheitsbeiwerte für eine Belastungsdauer von ca. 120 Jahren selten q Frontausbildung: in 71 % der Schadenfälle mehr als 50 % der charakteristischen Kurzzeitfes- wa­ren die Konstruktionen mit einem starren tigkeit. Ergebnisse von Ausgrabungen und Mes- Facing­system ausgeführt (diese haben in den sungen des Auslastungsgrades im Feld zeigen USA den größten Marktanteil). aber deutlich, dass diese differenzierte Betrach- tung einen konservativen Ansatz darstellt, siehe q Höhe der Konstruktion: in 65 % der Schaden- z. B. Alexiew/Risseeuw [21] und Schröer et al. fälle betrug die Höhe der Konstruktionen zwi- [22]. Die Ergebnisse der GRI-Studie [17] belegen schen 4 m und 12 m (was auch für Brücken­ ferner eindrucksvoll, dass der größte Teil der er- widerlager repräsentativ ist). fassten Schadensfälle (ca. 75 %) zwar den Grenz- zustand der Tragfähigkeit betrifft, aber keines der q Dauer der Nutzung bis zum Schaden: im Regel- Bauwerke versagte, weil die Qualität bzw. die fall (86 %) traten Bauwerksschäden innerhalb Zugfestigkeit der verwendeten Bewehrungspro- eines Zeitraumes von weniger als vier Jahren dukte nicht ausreichend gewesen wäre. Vielmehr (also innerhalb der üblichen Gewährleistungs- war das Versagen der Konstruktion in nahezu al- fristen) ein. len Fällen auf mangelnde bzw. unterlassene inge- nieurtechnische Planung und Bauüberwachung Bedauerlicherweise wird in der GSI-Studie kei- (98 %) zurückzuführen. Diese erschreckende Zahl ne Abschätzung vorgenommen, anhand derer lässt sich besser verstehen, wenn man weiß, dass das Verhältnis aus mangelhaften und mangel- diese Schadenfälle fast ausnahmslos Objekte pri- freien Konstruktionen gebildet werden könnte. vater Bauherren waren (96 %), die offensichtlich Nach Zahlen der Federal Highway Administration schmerzhaft lernen mussten, dass der Aufwand (FHWA) [23] der USA von 2001 wurde das ge- für Baugrunderkundung, Fachplanung und Bau- samte Marktvolumen für geokunststoffbewehr- überwachung am Ende einen Bruchteil der Sanie- te Stützkonstruktionen in den USA auf deutlich rungskosten ausgemacht hätte. In Bauprojekten über 1 Mio. m² Ansichtsfläche jährlich geschätzt. der öffentlichen Hand sind derartige Szenarien, Der größte Anteil entfiel dabei auf Konstruktio- zumindest in Deutschland, aber kaum vorstellbar. nen mit Betonfacing (700.000 m² Betonplatten,

180 H. Hangen, J. E. Jaramillo Castro: Langzeitverhalten von geokunststoffbewehrten Stützkonstruktionen

200.000 m² Blockwände), der Anteil übersteiler Zustand von Lagern, Entwässerung und auch die Böschungen (mit begrünter Außenhaut) betrug Verkehrssicherheit maßgeblich beeinträchtigen rund 130.000 m² pro Jahr. Die Anzahl der Projekte können, werden somit vermieden, selbst wenn im Bereich des Verkehrswegebaus betrug somit sich die gesamte Konstruktion unter Umständen jährlich sicher weitaus mehr als 200. stärker verformt, als dies bei einer klassischen Tiefgründung z. B. mit Bohrpfählen zu erwarten Die 117 dokumentierten Schadensfälle betreffen wäre. ausschließlich private Bauherren mit sehr wahr- scheinlich deutlich kleineren Projektgrößen und er- Bild 6 zeigt exemplarisch Ergebnisse von Ver- strecken sich über einen Zeitraum von ca. 25 Jah- formungsmessungen an ausgewählten Punkten ren. Sie stellen insofern einen unerfreulichen und der Widerlagerbalken einer Brücke der K 1355 Anlass zur Handlung gebenden, aber – selbst bei bei Ilsenburg, dem ersten in Deutschland als Annahme einer erheblichen Dunkelziffer unbe- Permanentkonstruktion errichteten geokunst- kannter Projekte – verhältnismäßig kleinen Anteil stoffbewehrten Brückenwiderlager. Deutlich an der Gesamtheit aller KBE-Konstruktionen dar. wird hierbei einerseits, dass die absoluten Ge- samtsetzungen 15 Jahre nach Errichtung einen Wert von ca. 25 mm nicht überschreiten, ande- 6 Gebrauchstauglichkeit rerseits zeigt sich, dass sich beide Widerlager- seiten unterschiedlich setzen. So ergibt sich in In Abhängigkeit von der gewählten Funktion einer der Widerlagerachse 10 eine gemittelte Gesamt- KBE-Konstruktion (siehe auch Bild 4) und unter der setzung von 15 mm, wohingegen die Setzung in Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Planung der gegenüberliegenden Achse 20 nur ca. 8 mm spielt die Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit beträgt. Nicht genauer aufgelöst ist die Verfor- offensichtlich eine größere Rolle als der Bemes- mung, welche in der Bauphase eintrat – in Achse sungswiderstand der Geokunststoffbewehrung 10 beträgt diese im Mittel etwa 5 mm, in Achse im Grenzzustand der Tragfähigkeit. In diesem Ab- 20 etwa 2,5 mm. Ferner zeigt sich, dass sich das schnitt wird daher insbesondere auf das Verfor- Widerlager in Achse 10 bereits in der Baupha- mungsverhalten eingegangen. se verdreht, das gegenüberliegende Lager ver- formt sich hingegen gleichmäßig. In Relation zur Stützweite der Brücke mit einer lichten Weite von 6.1 Vertikale Verformungen etwa 21 m und einer Breite der Widerlagerbalken von 9,5 m ergeben sich somit Verdrehungen, für Bild 5 zeigt, welche Verformungen bei einer KBE- die die Brückenkonstruktion, hier ein Fertigteil- Konstruktion grundsätzlich auftreten können. Die träger aus Spannbeton, und die Lager auszule- Besonderheit des Einsatzes von KBE als Brücken- gen waren. Insgesamt liegen die gemessenen widerlager ist dabei, dass Verformungen der KBE Verformungen unterhalb der Erwartungswerte nicht nur für die Konstruktion selber, sondern und stellen somit keinen Mangel dar. Deutlich ist vielmehr für das gesamte Brückentragwerk von auch zu erkennen, dass die Zeit-Setzungskurve Bedeutung sind. Verformungen der KBE können abflacht und somit auch zukünftig nicht mit Prob- somit indirekt auch eine Beeinträchtigung der lemen zu rechnen ist. Standsicherheit darstellen.

Für Konstruktionen, bei denen die Lasten des Brückendecks unmittel- bar über die KBE eingeleitet werden, liegt der Fokus einer Verformungs- betrachtung daher auf der Summe der vertikalen Verformungen vO, welche die Verformungsanteile aus Eigensetzung und Scherverfor- mung der Stützkonstruktion sowie die Setzungen des Untergrundes umfasst. Einer der wesentlichen Vorteile von KBE-Konstruktionen ist in dieser Hinsicht, dass sich Wi- derlager und Anrampung nahezu gleichmäßig verformen. Höhenver- Bild 5: Verformungsgrößen einer geokunststoffbewehrten Stütz­ sätze zwischen Anrampung und konstruktion in Anlehnung an [6] Brückenkonstruktion, welche den (Grafik: Marita Döring, HUESKER)

183 26. Dresdner Brückenbausymposium

Für Bauwerke, bei denen größe- re Verformungen (sowohl absolut als auch relativ) erwartet werden, kann es sinnvoll sein, Setzungen vor Montage des Brückendecks vorwegzunehmen. Im Dammbau bzw. für die Widerlagerhinterfüllung ist dieses als Konsolidationsschüt- tung bekannte Verfahren längst Standard. Vereinzelt wird als Alter- native zu einer zusätzlichen Auflast auch von einer Vorspannung mit Hilfe von Ankerstäben und Belas- tungsplatten berichtet [24]. Um für Widerlager typische Pressungen – zumindest Anteile davon – auf eine KBE-Konstruktion aufbringen zu können, sind jedoch große Auf- lasten erforderlich. Bild 7 zeigt, wie mit der Aufschichtung von massi- ven Betonblöcken die Vorbelastung eines Widerlagers einer Brücke der Autobahn A 74 in den Niederlanden umgesetzt wurde. Die Vorbelastung betrug 100 kN/m² und entsprach da- mit dem Eigengewicht des später aufgebrachten Brückenbaus.

Die Bilder 8 und 9 zeigen Ergebnisse von Verformungsmessungen des in Bild 7 dargestellten Widerlagers an der A 74 in den Niederlanden. Dar- Bild 6: Setzungsmessungen an den Widerlagerbalken der Brücke gestellt sind die Verformungen für über die Ilse [18]; oben Widerlagerachse 10, unten: Widerla- den Zeitraum der Vorbelastung bis gerachse 20 ca. zwei Monate nach Errichtung des Brückenüberbaus für jeweils zwei Messpunkte zweier nebeneinanderliegen- bezeichnet. Die Messpunkte A8 und B8 liegen der Messquerschnitte A und B. Die Messpunk- am Wandfuß, etwa bei 0,1 × H. Deutlich erkenn- te A1 und B1 liegen nahe der Oberkante, etwa bar ist, dass sich die Messquerschnitte A und bei 0,9 × H, wobei H die sichtbare Wandhöhe B sehr ähnlich verhalten und dass die Setzung am Wandfuß über den gesamten Messzeitraum nur unwesentlich kleiner ist als die Setzung an der Oberkante der KBE. Der geringe Unterschied zwischen der Setzung an der Oberkante und am Wandfuß lässt den Rückschluss zu, dass das Setzungsverhalten der Konstruktion wesentlich durch die Setzungen im

Baugrund hervorgerufen wird (vu in Bild 5). Die Summe der Eigen- und

Schersetzung (vE und vS) ergeben in Folge der Vorbelastung einen Wert von ca. 5 mm, siehe auch Bild 9.

Bemerkenswert ist, dass die Set- Bild 7: Vorbelastung eines KBE-Brückenwiderlagers an der Auto- zungen nach Abbau der Vorbelas- bahn A 74, NL (Foto: Ralf Beuker, tung nahezu konstant bleiben. Im bearbeitet von Julia Klaverkamp, HUESKER) Vergleich zu dem Verlauf der Last-

184 H. Hangen, J. E. Jaramillo Castro: Langzeitverhalten von geokunststoffbewehrten Stützkonstruktionen

Setzungskurve für die Erst- und Wiederbelastung im 1:1-Versuch bei der LGA, siehe Bild 2, hätte man zunächst einen Rückgang der Setzungen und einen geringeren Anstieg der Kurven bei Aufbringen des Überbaus erwartet. Auf die möglichen Ursachen hierfür wird in [25] nicht näher eingegangen. Die Beobachtung, dass sich die Mess- querschnitte A und B nahezu gleich setzen, ist ein Indiz dafür, dass eine Verdrehung der Widerlagerbank wie in Ilsenburg, Bild 6, sich hier nicht vollzogen hat.

In Situationen, in denen ein Vorbe- lastungskonzept dem Vorteil ge- ringer Bauzeit widerspricht oder deutlich schlechtere Baugrundver- hältnisse die Errichtung einer KBE erst gar nicht ohne weiteres zulas- sen, ist es erforderlich, Bodenaus- tausch oder eine Baugrundverbes- serung z. B. mit Rüttelstopfsäulen, geokunststoffummantelten Boden- säulen oder starren Pfahlsystemen auszuführen.

Wichtig ist dabei, das gewählte Gründungsverfahren auf den Be- Bild 8: Ergebnisse der Setzungsmessungen an je zwei Mess- reich der Anrampung auszudehnen punkten der Messquerschnitte A und B, A1 und B1 liegen und somit ein homogenes Set- oben (~0,9 × H), A8 und B8 sind Messpunkte am Wandfuß zungsverhalten von Widerlager und (~0,1 × H), A 74, NL [25] Anrampung zu ermöglichen. An- dernfalls kann es gerade bei starren Facingsystemen z. B. aus Beton zu Mängeln kommen. Bild 10 zeigt den Übergangsbereich eines Brücken- widerlagers, welches konventionell tiefgegründet wurde. Differentielle Setzungen zwischen Rampenbe- reich und Widerlager führten offen- sichtlich zur Rissbildung in einigen Betonblöcken, so dass das Facing der geokunststoffbewehrten Block- wand zumindest teilweise nachträg- lich aufgetrennt werden musste.

In der dargestellten Situation ist eine Gefährdung der Standsicher- Bild 9: Gemittelte Setzung und Horizontalverschiebung an den heit und Verkehrssicherheit derzeit Mess­punkten A1 und B1 (~0,9 × H), A 74, NL [25] nicht zu befürchten, unter betriebli- cher, ästhetischer und fahrdynami- scher Betrachtung ist dies aber ein klarer Mangel. 6.2 Horizontale Verformungen Um eine Beeinträchtigung der Standsicherheit infolge weiterer Setzungen beurteilen zu können, Für Konstruktionen, bei denen KBE als Erddruck- wird die Verformung der Konstruktion messtech- fänger fungiert (Bild 4b), liegt der Schwerpunkt auf nisch erfasst. der Erfassung und Beurteilung des horizontalen

185 26. Dresdner Brückenbausymposium

Verformungsverhaltens. Geschlos- sene analytische Berechnungsmo- delle zur Prognose der horizontalen Verformungen gibt es nach wie vor noch nicht, so dass man sich in der Regel an Erfahrungswerten orien- tiert oder zunehmend häufiger Si- mulationen mit der Methode der fi- niten Elemente durchführt [12], [25]. Einen Überblick zu verschiedenen Vorgehensweisen zur Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit von KBE- Konstruktionen vermittelt unter an- Bild 10: Übergangsbereich zwischen einem konventionell gegründe- derem auch [26]. ten Brückenwiderlager und einer geokunststoffbewehrten Blocksteinwand (Fotos: Hartmut Hangen, HUESKER) Um einen Eindruck für die Größen- ordnungen der horizontalen Verfor- mungen eines geokunststoffbewehrten Brücken- schirmung durch KBE insbesondere für den Bau widerlagers zu bekommen, wurden die maximalen von integralen Brücken bieten kann, wurde z. B. horizontalen Verformungen des in Abschnitt 6.1 von Pötzl/Naumann [27] berichtet. Eines der dargestellten Widerlagers an der A 74 in den größten Referenzbauwerke in dieser Bauweise Niederlanden, Bild 9 und [25], mit einem von der in Deutschland sind die sogenannten Rollbrücken FHWA in den USA veröffentlichten Nomogramm am Frankfurter Flughafen [28]. verglichen, Bild 11 und [23]. Der Vergleich in Ta- belle 1 zeigt, dass eine Prognose der horizontalen Verformungen auf dieser Basis möglich ist und nicht in jedem Fall aufwändigere Berechnungsver- fahren wie z. B. FEM eingesetzt werden müssen. Zumindest für die bei der A 74 verwendeten Geo- gitter aus PVA (Polyvinylalkohol) liegt diese stark vereinfachte Abschätzung für dehnweiche Be- wehrungen jedoch deutlich auf der sicheren Sei- te. Eine bessere Übereinstimmung ergibt sich für die Anwendung der Abschätzung für dehnsteife Bewehrungen, welche gemäß [23] für Bewehrun- gen aus Stahlbändern vorgeschlagen wird. Ferner wäre es ggfs. sinnvoll, eine weitere Differenzie- rung des Nomogramms einzuführen, welche die Berücksichtigung der Außenhautkonstruktion und des Schüttmaterials erlaubt.

Eine Konstruktion, bei der die Prognose der ho- rizontalen Verschiebungen für das Systemverhal- Bild 11: Nomogramm zur Abschätzung der maxima- ten große Bedeutung hat, sind Erddruckfänger. Zu len horizontalen Verschiebungen einer KBE- den Vorteilen, welche der Einsatz von Erddruckab- Konstruktion, nach [23]

Tabelle 1: Vergleich gemessener und abgeschätzter Horizontalverschiebung einer KBE für unterschiedliche Auflasten

Auflast Messwert Verschiebung nach [23] Differenzverschiebung infolge Auflast nach [23] und Messung [25]

δ δ Δ δ Δ δ Δ δ δR max,dehnweich max,dehnsteif max,dehnweich max,dehnweich max,Messung [kN/m²] [-] [-] [mm] [mm] [mm] [mm] 0 0,80 93 28 - - - 100 1,80 210 63 117 35 10 170 2,50 292 88 199 59 20

Sichtbare Wandhöhe H = 8,75 m Mittlere Bewehrungslänge L = 8 m Relative Bewehrungslänge L/H = 0,91

186 H. Hangen, J. E. Jaramillo Castro: Langzeitverhalten von geokunststoffbewehrten Stützkonstruktionen

Bild 13: Schematische Darstellung der Bauweise eines integralen Brückenwider- lagers mit Full-Height-Rigid Facing in Anlehnung an [29] (Grafik: Marita Döring, HUESKER) Bild 12: Schematische Darstellung einer Brücken- widerlagerhinterfüllung im Eine besondere Bau- 14475 [30] unterscheidet man Facingsysteme im Erdbebenfall in Anlehnung weise von geokunst- Wesentlichen in Abhängigkeit von ihrer Verform- an [29] stoffbewehrten integ- barkeit in nicht verformbare, bedingt verformba- (Grafik: Marita Döring, ralen Brücken hat sich re und verformbare (flexible) Konstruktionen. Im HUESKER) in Japan etabliert, um Hinblick auf die Architektur klassischer Brücken- die Integrität der Brü- widerlager bieten sich grundsätzlich Bauelemente ckenwiderlager auch im Erdbebenfall sicher zu aus Beton an, wobei Betonpaneele mit voller oder stellen. Die Bilder 12 und 13 zeigen anschaulich teilweiser Bauhöhe und Blöcke, die kraftschlüssig die Problematik im Erdbebenfall und die japa- miteinander verbunden sind, zu den nicht ver- nische Bauweise mit einem sogenannten Full- formbaren Frontelementen gezählt werden. Bei Height-Ridgid Facing, bei der nach Herstellung Blöcken, die sich gegeneinander verschieben und des bewehrten Erdkörpers eine kraftschlüssige, verdrehen können, handelt es sich nach dieser verhältnismäßig massige Ortbetonschale aufge- Norm hingegen um bedingt verformbare Frontele- baut wird. mente. Ferner gilt der Baustoff Beton gemeinhin als robust und widerstandsfähig. Alternativ wer- den in der Regel verzinkte Stahlgitterelemente 7 Dauerhaftigkeit der Außenhaut eingesetzt, entweder als Korbelement (Gabione) oder als abgewinkelte Matte, welche mit Ab- 7.1 Grundsätzliche Überlegungen spannhaken ausgesteift wird. Abgewinkelte Stahl- gittermatten werden in der Regel nur temporär In den Abschnitten 5 und 6 konnte gezeigt wer- oder bei Steilböschungen eingesetzt, die begrünt den, dass Standsicherheit und Gebrauchstaug- werden sollen. Die Neigung von begrünbaren KBE lichkeit eines geokunststoffbewehrten Erdkörpers ist jedoch bis etwa 60 ° begrenzt und daher für die bei sachgemäßer Planung und Ausführung grund- Herstellung von Flügelwänden geeignet. Unter ei- sätzlich keine wesentlichen Bedenken für den ner Brücke fällt diese Lösung mangels natürlicher langfristigen Einsatz im Brückenbau aufwerfen. Bewässerung gänzlich aus. Bisher noch nicht diskutiert wurde jedoch eine mögliche Beeinträchtigung des Bauwerks infolge Neben der Steifigkeit eines Facingelementes ist von Mängeln, welche im Laufe der Nutzungsdau- es, gerade im Hinblick auf die Frage, ob Mängel er an der Außenhaut (Facing) einer KBE auftreten an Facingelementen eine Beeinträchtigung der können. Standsicherheit und/oder Verkehrssicherheit zur Folge haben, wichtig zu unterscheiden, ob die Die Außenhaut von KBE-Konstruktionen kann sehr Außenhaut Teil des Tragsystems ist oder ob sie unterschiedlich gestaltet werden. Gemäß DIN EN neben der ästhetischen Komponente ausschließ-

Bild 14: Geokunststoffbewehrte Stützkonstruktion mit aktivem und passivem Facing (Grafik: Marita Döring, HUESKER)

187 26. Dresdner Brückenbausymposium lich eine Schutzfunktion erfüllen muss. Die letzt- mental Concrete Blocks) zu betrachten. Diese genannten werden gelegentlich als passive, die Bauteile werden in der Regel aus unbewehrtem erstgenannten als aktive Facingelemente bezeich- haufwerksporigem Beton mit geringerer Druck- net. Bild 14 zeigt den Unterschied beider Systeme festigkeit und höherem Hohlraumgehalt herge- schematisch, das in Abschnitt 6.2 bzw. Bild 13 stellt und sind somit weniger widerstandsfähig dargestellte Full-Height-Rigid Facing stellt diesbe- bei Frost-Tau-Wechselbelastung als Bauteile aus züglich eine Mischform dar. bewehrtem Normalbeton. Die maßgeblichen Einflussfaktoren auf die Beständigkeit von unbe- Hinsichtlich der Dauerhaftigkeit gegenüber Um- wehrten Betonblocksteinen für den Einsatz als Fa- welteinflüssen verhalten sich aktive und passive cingelement von geokunststoffbewehrten Stütz- Facingelemente jedoch gleichartig – sie hängt im konstruktionen wurden daher im Rahmen einer Wesentlichen von der Beständigkeit der verwen- umfangreichen Studie der Federal Highway Ad- deten Baustoffe ab. ministration (FHWA) in den USA [31] untersucht. Ergebnis der Studie war, dass die Anforderungen Im Gegensatz zum bewehrten Erdkörper ist das Fa- an Rezeptur und Qualitätsüberwachung entspre- cing allen äußeren Einflüssen ausgesetzt. Je nach chend hoch sein müssen. Für Standorte, an de- Standort und Exposition wirken Sonneneinstrah- nen besonders kritische klimatische Bedingungen lung, Temperaturschwankungen (Frost-Tau-Wech- herrschen, wird empfohlen, alternative Bauwei- sel), Eis, Wasserströmung (Erosion und Abrasion), sen zu favorisieren. Wind oder Chemikalien wie Tausalze, Herbizide, Pestizide oder aggressive Wässer ein und können erhebliche Schäden bewirken. Ferner können bei 7.3 Facingelemente aus Stahl Fahrzeuganprall auch außergewöhnliche mecha- nische Belastungen auftreten, für die das Facing- Vergleichbar zur Frostbeständigkeit von Beton ist system ausgelegt sein muss oder für die es eine bei Stahlelementen sicherzustellen, dass diese Möglichkeit für Reparaturen geben sollte. gegen Korrosion geschützt sind. Auch hier gibt es die Dauerhaftigkeit betreffend grundsätzlich keine Unterschiede zu anderweitig eingesetzten, frei ex- 7.2 Facingelemente aus Beton ponierten Stahlelementen. Werden die Elemente nicht nur als Begrünungsträger von Steilböschun- Wie oben beschrieben, unterscheiden sich die gen sondern als Steinkorb (Gabione) verwendet, Umwelteinwirkungen aber auch die Widerstän- hängt die Dauerhaftigkeit des Systems nicht nur de von Facingelementen aus Beton grundsätzlich vom Stahl, sondern wesentlich auch von der Füllung nicht von denen konventioneller Brückenwiderla- der Körbe ab. Hierbei ist nicht nur von Bedeutung, ger. Insofern gibt es hier grundsätzlich dieselben dass das verwendete Steinmaterial frostbeständig Fragestellungen und Anforderungen an Betonqua- ist sondern auch, dass Sieblinie und Befüllung (Ver- litäten und Herstellung wie bei konventionellen dichtung) aufeinander abgestimmt werden. An- Widerlagern. Abweichend sind jedoch die Pro- dernfalls kann es zu Verformungen kommen, die duktgruppe der besonders in den USA weit ver- eine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit breiteten unbewehrten Betonblocksteine (Seg- und Standsicherheit bedeuten können. Dies gilt insbesondere für aktive Systeme, bei denen der Steinkorb am Lastab- trag beteiligt ist.

Die Bilder 15 und 16 zeigen typische Schäden von Gabionen oder gabio- nenartigen Facings, unzureichende Frostbeständigkeit des Füllmateri- als (Bild 15) und Verformungen von Stahlgittermatten infolge schlechter Verdichtung der Steinfüllung und Hinterfüllung (Bild 16).

In der Regel lassen sich Schäden, wie sie in den Bildern 15 und 16 dargestellt sind, vermeiden, wenn Planung, Ausführung und Bauüber- Bild 15: Frostschaden an ungeeignetem Füllmaterial eines Stein­ wachung ordnungsgemäß durch- korbes [32] geführt werden. Eine Studie des

188 H. Hangen, J. E. Jaramillo Castro: Langzeitverhalten von geokunststoffbewehrten Stützkonstruktionen

Bild 16: Verformungen an der Front einer KBE mit gabionenartigem Facing (Foto: Matthias Schreck, Freco Geosystem; bearbeitet von Julia Klaverkamp, HUESKER)

California Department of Transportation (Caltrans) 8 Zusammenfassung und Ausblick zum Korrosionsverhalten von Gabionen unter Re- albedingungen [33] zeigt jedoch auch, dass die Geokunststoffbewehrte Stützbauwerke mit direk- unter Laborbedingungen bestimmten Lebensdau- ter Lasteinwirkung stellen unter den Anwendungs- ern von den tatsächlichen Bedingungen im Feld möglichkeiten von KBE im Brückenbau eine tech- abweichen können. Die tatsächliche Lebensdau- nisch, ökonomisch und ökologisch interessante er hängt dabei im Einzelfall von der Art und Aus- Variante dar. Eine Vielzahl von wissenschaftlichen legung eines Steinkorbes ab. Insbesondere bei Untersuchungen und praktischen Erfahrungen – einer Kombination aus hohem chemischem und mittlerweile mehrerer Jahrzehnte – zeigen, dass mechanischem Angriff kann die Lebensdauer von KBE-Konstruktionen durchaus geeignet sind, als Steinkörben u. U. deutlich geringer sein, als die Bauteil permanenter Konstruktionen im Brücken- für den Brückenbau üblicherweise geforderten bau zu dienen. Voraussetzung ist jedoch, dass das 100 Jahre. Für den Einsatz von Gabionen als Fa- Verformungsverhalten des bewehrten Erdkörpers cingelement von Brückenwiderlagern ist es daher und des Brückentragwerks aufeinander abge- empfehlenswert, eine passive Konstruktion zu stimmt sind. Durch Vorbelastung können Verfor- wählen und die Körbe als Vorsatzschale für den mungen vergleichmäßigt und je nach Dauer und bewehrten Erdkörper auszulegen. Im Zweifelsfall Höhe größtenteils vorweggenommen werden. können Mängel im Zuge der Bauwerksprüfung er- fasst und schadhafte Bauteile ausgetauscht wer- Neben dem Verformungsverhalten des bewehrten den, ohne die Standsicherheit der Konstruktion zu Erdkörpers wird das Langzeitverhalten einer KBE beeinträchtigen. Dasselbe gilt auch für Schäden, entscheidend von der Dauerhaftigkeit des Facings die durch Havarien z. B. nach einem Fahrzeug- geprägt. In der Regel kommen hierbei Bauteile aus anprall entstanden sind. Die Durchführung eines Beton oder Stahl zur Anwendung, deren Dauerhaf- Großversuches zum Tragverhalten einer KBE- tigkeit auch im Einsatzbereich einer KBE wesentlich Konstruktion mit Steinfacing nach Fahrzeuganprall von den Beständigkeiten der jeweiligen Baustoffe und Brandbelastung wurde anschaulich z. B. von abhängen. Grundsätzlich sind beide Möglichkeiten Herold vorgestellt [34]. Sowohl beim Referenzpro- für einen dauerhaften Einsatz geeignet. Die Erfas- jekt Ilsenburg, Bild 2, als auch bei der Autobahn sung und Analyse unter realen Bedingungen im A 74 in den Niederlanden (Abschnitt 6.1) wurden Bauwerk zeigt jedoch, dass Lebensdauern von 100 passive Facingvarianten umgesetzt. Jahren nicht für alle Rahmenbedingungen realis-

189 26. Dresdner Brückenbausymposium tisch erscheinen. Durch das Konzept eines soge- pan, wo die Konstruktion integraler Brückenbau- nannten passiven Facings kann dieser Problematik werke mit geokunststoffbewehrter Hinterfüllung jedoch konstruktiv entgegnet werden. Bei dieser in Form eines sogenannten Full-Height-Rigid Fa- Bauweise übernimmt das Facing in erster Linie cings weiterentwickelt wurde, belegen dies sehr eine Schutzfunktion für den statisch wirksamen eindrucksvoll. Insbesondere im Erdbebenfall und bewehrten Erdkörper. Im Schadenfall kann das Fa- unter hoher dynamischer Belastung hat sich diese cing ausgetauscht werden, ohne die Standsicher- Bauweise bestens bewährt. heit der Konstruktion zu gefährden. Fachkundige Planung und Ausführung sind neben Konzepte, bei denen KBE im Hinterfüllbereich von der Verwendung hochwertiger und qualitätsgesi- integralen Brücken vorgesehen wird, erscheinen cherter Baustoffe entscheidende Voraussetzun- darüber hinaus technisch und ökonomisch äußerst gen, um KBE-Systeme generell, aber besonders vielversprechend. Die Frage der Frontgestaltung im Brückenbau, nicht nur für temporäre sondern ist hierbei untergeordnet, da das Brückenbauwerk auch für dauerhafte Anwendungsfälle einsetzen auch als Facing wirkt. Erfahrungsberichte aus Ja- zu können.

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191 A. Kok, M. Kresken: Herausforderungen und Möglichkeiten einer umfassenden Grundlagenanalyse

Die Herausforderungen und Möglichkeiten einer umfassenden Grundlagenanalyse am Beispiel des Hovenringes in Eindhoven (NL)

Dipl-Ing. Adriaan Kok, Dipl.-Des. Marion Kresken ipv Delft creatieve ingenieurs, Delft (NL)

1 Einleitung integriert werden müssen, um zu einem akzep- tablen Plan zu kommen. Um diese Belange bei Die Erdbevölkerung wächst und es zieht immer der Planung einfließen lassen zu können, müssen mehr Menschen in die Städte. Dies hat eine im- Brückenplaner sich mit den Aspekten dieser ver- mer dichtere Besiedlung der Ballungsgebiete zur schiedenen Gruppen auseinandersetzen. Es ist Folge. Früher bauten wir Brücken, um natürliche sehr wünschenswert, diese Interessensgruppen Barrieren zu überbrücken. Heute sind Brücken oft schon im Entwurfsprozess mit einzubeziehen. nötig, um die durch uns selbst gebauten Barrieren Um dies auf eine übersichtliche Weise zu tun, ist überwinden zu können, um z. B. ein neues Wohn- eine systematische und umfassende Grundlagen- gebiet außerhalb der in den sechziger Jahren analyse unentbehrlich. An Hand des Planungs- gebauten Ringstraßen mit dem städtischen Zen- prozesses des Hovenringes in Eindhoven (Bild 1) trum verbinden zu können. Die Komplexität der wird in diesem Artikel erläutert, wie eine solche Planung solcher Brücken umfasst weit mehr als umfassende Grundlagenanalyse erstellt werden nur die konstruktiven Aspekte eines solchen Bau- kann. Diese Methode ist auch die Grundlage für werkes. Bei diesen Projekten gibt es viele direkt die Richtlinien zu Planung von Brücken für Fuß- oder indirekt beteiligte Parteien, deren Belange, gänger- und Radfahrbrücken in den Niederlanden, am besten schon im Vorfeld, so gut wie möglich [1], Bild 2. Es ist möglich, eine englischsprachige

Bild 1: Der Hovenring in Eindhoven/Niederlande (© ipv Delft/Helibeeld.nl)

193 26. Dresdner Brückenbausymposium

Zusammenfassung dieser Richtli- nien über unsere Webseite www. ipvdelft.nl zu bekommen.

Zu Beginn wird die Grundlagenana- lyse erläutert. Die Ausgangspunkte und die Wünsche an das zukünftige Netzwerk, der Kontext der Benut- zer, die möglichen konstruktiven Entwurfsformen und die Einpas- sung in das bestehende Netzwerk bilden den Zusammenhang, um zu einem passenden Entwurf zu gelan- gen. Diese Grundlagen haben Ein- fluss auf die technischen Möglich- keiten sowie auf die gestalterischen Aspekte einer Brücke. Im idealen Bild 2: Schema Grundlagenermittlung (© ipv Delft) Fall sind die Aspekte der Gestaltung und die technischen Aspekte mitei- nander verbunden und führen so auch zu einem onen und Konfliktstellen. Außerdem ist das Netz- gelungenen Entwurf. werk deutlich gestaltet, so dass dessen Verlauf und die Nutzung für alle Verkehrsteilnehmer gut erkennbar sind. 2 Grundlagenanalyse Die Ausgangspunkte eines Netzwerkes sind von 2.1 Netzwerk großer Bedeutung für die Planer, um zusammen mit den Verkehrsplanern und Städtebauern zu Der Bedarf einer neuen Brücke resultiert aus neuen, alternativen Lösungen zu kommen und dem bestehenden Netzwerk (Bild 3). Eine Ana- dabei die verschiedensten Möglichkeiten abzuwä- lyse des heutigen Netzwerkes macht deutlich, gen. wo sich eventuelle Schwachstellen befinden. Für ein gutes Netzwerk sind drei Anforderungen aus- schlaggebend: Zusammenhang, Direktheit und 2.2 Kontext Sicherheit. Zusammenhang entsteht durch die Verbindung dieser verschiedenen Grundlagen. Ein Bei der Netzwerkanalyse wird deutlich, wo gutes Netzwerk ermöglicht seinen Nutzern, eine das Netzwerk verbessert werden kann und in direkte Route zu wählen, und bietet Sicherheit welchem Kontext eine neue Verbindung reali- durch die Reduzierung möglicher Problemsituati- siert werden könnte (Bild 4). Außerdem werden

Bild 3: Schema Verkehrsnetz (© ipv Delft) Bild 4: Schema Kontext (© ipv Delft)

194 A. Kok, M. Kresken: Herausforderungen und Möglichkeiten einer umfassenden Grundlagenanalyse wichtige Grundlagen und Wünsche deutlich, Verbindung eine Zone, welche auch von anderen unter anderem die für Ingenieure wichtigen As- Nutzern beansprucht wird. Sowohl die direkten pekte der Bodenbeschaffenheit, der Position als auch die indirekten Nutzer der Brücke müs- von Leitungen und Kabel, die Eigentumsver- sen das Bauwerk komfortabel und sicher nutzen hältnisse der nötigen Grundflächen. In unserer können. Eine Brücke hat also eine umfassende dicht bebauten Gesellschaft spielen stets öfter Gruppe von Nutzern, welche jeweils ihre eigenen andere Wünsche und Grundlagen eine wichtige Wünsche und Ansprüche haben. Beide Nutzer- Rolle. Hierbei geht es um Aspekte des Städ- gruppen besitzen Hauptnutzer und gelegentliche tebaus, des Erhalts oder des Verstärkens von Nutzer. Auch Betreiber von z. B. Kommunikati- Sichtlinien, soziale Sicherheit und Ökologie. Hin- onsleitungen in und unter einer Brücke können zu kommen die Wünsche der lokal ansässigen als Brückennutzer angesehen werden. Eine gute Unternehmensgruppen und Anwohner. Diese Analyse der beiden Nutzergruppen in der heuti- kontextuellen Aspekte können sowohl Chancen gen und zukünftigen Situation ist wichtig für einen als auch Unsicherheiten für die Realisierbarkeit effektiven, brauchbaren Entwurf über die gesam- einer neuen Verbindung mit sich bringen und te Lebensdauer. sind dabei gleichzeitig die Erwägungsgrundla- gen für die definitive Beschlussfassung für die Realisation der neuen Verkehrsverbindung. Für 3 Der Hovenring die kontextuellen Aspekte ist eine enge Zusam- menarbeit mit allen betroffenen Parteien von 3.1 Einleitung entscheidender Bedeutung. Beim Planungsprozess des Hovenringes in Eindho- ven – eine kreisförmige und schwebende Brücke 2.3 Nutzer für Radfahrer und Fußgänger – ist die beschriebe- ne Grundlagenanalyse angewendet worden. Alle Die neue Verbindung wird entworfen, um ein beteiligten Parteien sind so früh wie möglich in besseres Netzwerk für eine bestimmte Nutzer- den Planungsprozess mit einbezogen worden, um gruppe, in diesem Fall Radfahrer und Fußgänger, so zu einem Entwurf zu kommen, welcher von al- zu erschaffen. Oft jedoch überbrückt die neue len Beteiligten unterstützt wird.

Bild 5: Verkehrssituation vorher und zukünftig (© ipv Delft)

195 26. Dresdner Brückenbausymposium

3.2 Netzwerk

Vor dem Hovenring befand sich an dieser Stelle eine großer Kreisverkehr, der von allen Verkehrs- nutzern auf derselben Ebene genutzt wurde (Bild 5). Dieser Kreisverkehr bildete eine wichti- ge Verbindung zwischen den Städten Eindhoven und Veldhoven und verband die dort ansässigen Hightech-Betriebe mit der Universität und den umliegenden Wohngebieten. Es entstanden dort regelmäßig Staus und der geplante Ausbau der Umgebung sollte diese Entwicklung noch verstär- ken. Die Stadt Eindhoven wollte darum den Ver- kehr der Radfahrer und Fußgänger von dem der Autos trennen und für den motorisierten Verkehr Lichtzeichenanlagen einsetzen – eine Lösung, welche die Verkehrsprobleme aller Beteiligten lö- sen sollte.

3.3 Kontext

Ausschlaggebend im Kontext war der Grundwas- serstand. Tunnel für die Radfahrer und Fußgänger oder den Autoverkehr wären in der Realisation sehr teuer gewesen und darum keine Lösung. Die Lösung musste in einer Brücke für Radfahrer und Fußgänger gesucht werden.

Mit der physischen Anwesenheit einer solchen Brücke entstehen, im Gegensatz zur Realisati- on eines Tunnels, andere städtebauliche und an den Kontext gebundene Wünsche und Ansprü- che. Eindhoven nennt sich selbst „Brainport der Niederlande“. Die Stadt ist Heimat besonderer Hightech-Firmen wie z. B. Philips und ASML. Au- ßerdem werden in der Region Eindhoven 3,8 Pa- tente pro Person pro Jahr angemeldet. Das ist die zweithöchste Anzahl in der Welt. An erster Stelle steht die Region San Diego in den USA mit 4,2 Patenten pro Person pro Jahr, [2]. Eine neue Ver- kehrsverbindung über der Kreuzung sollte diesen innovativen Charakter in der Region unterstrei- chen. Des Weiteren sollte die neue Brücke das Bild 6: Die Lichtnadel (© ipv Delft)

Bild 7: Das Evoluon (© ipv Delft)

196 A. Kok, M. Kresken: Herausforderungen und Möglichkeiten einer umfassenden Grundlagenanalyse

Bild 8: Aktuelle Situation (© ipv Delft)

Bild Eindhovens als Lichtstadt in den Niederlan- muss auch für Fußgänger, eine zahlenmäßig klei- den, u. a. wegen der Anwesenheit von Philips, un- nere Gruppe, nutzbar sein. Wenn von Brückennut- terstützen. Ein weiterer wichtiger städtebaulicher zern die Rede ist, sind damit hauptsächlich Rad- Wunsch war, dass ein gestalterischer Zusammen- fahrer gemeint. In der Grundlagenanalyse wurde hang der zukünftigen Brücke mit der Lichtnadel festgestellt, dass die Brücke auch von einem (De Lichtnaald, Bild 6) und dem Evoluon, einem relativ schweren Wartungsfahrzeug mit einem futuristischen Technikmuseum aus dem Jahre Gewicht von ca. neun Tonnen genutzt werden 1966 (Bild 7) – beides sehenswerte Bauwerke in muss. Die Breite der Brücke wurde anhand der Eindhoven – entlang der Hauptverkehrsroute ge- zukünftig zu erwartenden Anzahl von Radfahrern sehen werden kann. und Fußgängern festgestellt. Die Theorie zu die- ser Schlussfolgerung finden Sie im englischspra- Außerdem spielten im Kontext auch kommerzi- chigen Handbuch „Brief Dutch Design Manual elle Belange eine große Rolle. Ein angrenzendes for Bicycle and Pedestrian Bridges“ [1]. Der Au- Hotel und ein Autohaus waren im Vorfeld keine toverkehr bestimmt die lichte Höhe und auch die Befürworter dieses Projektes und deren Erreich- Höhe der zu erwartenden Horizontallasten auf die barkeit musste gewährleistet bleiben. Durch den Brücke. Um die konstruktiven Anforderungen aus sich in der Nähe befindenden Flughafen Eind- dieser Belastung zu verringern, ist beim Hoven- hoven ergab sich im Zusammenhang mit einer ring eine besondere Lösung gefunden worden eventuellen Notlandung eine maximale Bauhö- (Abschn. 4.4). he von 70 Meter (Bild 8). Diese Grundlagen und Wünsche bilden den Kontext und sollten eine durchschlaggebende Rolle beim Entwurf des 4 Einpassung Hovenringes spielen. 4.1 Zusammenarbeit für eine ­integrale Lösung 3.4 Nutzer Die Ansprüche und Wünsche aus dem Netz- Mit den Radfahrern als Hauptnutzer der Brücke werk, dem Kontext und der Nutzer definieren und den Autofahrern als Hauptnutzer der kreuzen- den Planungsfreiraum und die Möglichkeiten den Infrastruktur hat die neue Verbindung zwei für die Einpassung des Entwurfs. Um eine voll- wichtige Hauptnutzergruppen. Die Verbindung ständige Übersicht über die Grundlagen und

197 26. Dresdner Brückenbausymposium

Wünsche dieser drei wichtigen Aspekte zu bekommen, wurde eng mit allen betroffenen Partei- en zusammengearbeitet. In Bild 9 sehen Sie eine Übersicht der bei der gesamten Realisation betei- ligten Instanzen. Die Wünsche dieser Beteiligten sind sowohl für die technischen, als auch für die gestalterischen Möglichkeiten bei der Planung einer Brücke von be- sonderem Einfluss. In diesem Fall sind die Aspekte der Gestaltung und die technischen Aspekte mit- einander verbunden worden und führten so zu einem besonderen Entwurf. Bild 9: Übersicht Zusammenarbeit (© ipv Delft)

4.2 Wegführung, Routing

Bei der Einpassung sind zu Beginn die möglichen sicheres Netzwerk sorgen. Für die große Anzahl Wegführungen über die Brücke für die verschie- der Nutzer und die verschiedenen Weganschlüs- denen Nutzergruppen, im Besonderen die für die se ist eine in beiden Richtungen nutzbare, kreis- Radfahrer, untersucht worden. Die Wegführung förmige Brücke eine gute Lösung. In Bild 10 sind muss für ein direktes, zusammenhängendes und einige der untersuchten Wegführungen über die

Bild 10: Einpassung, Varianten (© ipv Delft)

198 A. Kok, M. Kresken: Herausforderungen und Möglichkeiten einer umfassenden Grundlagenanalyse

Bild 11: Bauweise und Bauteile (© ipv Delft)

Kreuzung dargestellt. Bei der Option des kleinen Für die beiden bevorzugten Konzepte ist im Fol- Kreisverkehrs ergaben sich direkte Verbindungen genden die Konstruktion und die Gestaltung wei- in alle Richtungen und die deutliche Sichtbarkeit ter ausgearbeitet worden (Bild 13). Für die Brücke des runden Bauwerkes für alle Nutzer. Diese mit dem Pylon ist ein zentrales Gegengewicht runde Form schließt nahtlos an die Ausstrahlung entwickelt worden, wodurch die Tragseile nur des runden Technikmuseums Evoluon (Bild 6) an an der Innenseite nötig waren. Dieses Gegenge- und erfüllt damit einen wichtigen städtebaulichen wicht und das zusätzlich angebrachte Gewicht in Wunsch. Außerdem ermöglichte der kleine Kreis- der Fahrbahn verhindern außerdem eventuelle verkehr die Realisation der Brücke innerhalb des Schwingungen, welche durch die Benutzer der noch bestehenden Kreisverkehrs (Bild 11). Brücke entstehen können. Das zweite Konzept

4.3 Brückenkonzepte

Auf Basis der Wegführung des klei- nen Kreisverkehrs sind verschie- dene Brückenkonzepte entwickelt worden. Einige dieser Konzepte sehen Sie in Bild 12. Ein Ring aus Beton war zu schwer. Eine Brücke mit einem einzelnen Bogen erwies sich als ineffektive Konstruktion. Ein Ring aus Stahl und eine runde Seilbrücke mit einem zentralen Py- lon waren effizient und gut reali- sierbar. In diesem Stadium wurden auch pauschale Kostenschätzungen gemacht. Die Kosten aller Konzep- te lagen innerhalb des verfügbaren Budgets und hatten keinen Einfluss auf die Wahl des Konzeptes. Bild 12: Auswertung der Brückenkonzepte (© ipv Delft)

201 26. Dresdner Brückenbausymposium des stählernen Ringes ist weiter ausgearbeitet worden als Vieren- deelträger mit einer auskragenden Fahrbahn.

Nach der weiteren Ausarbeitung dieser beiden Konzepte wurden diese erneut mit allen beteiligten Instanzen im Hinblick auf die städte- baulichen, konstruktiven und finan- ziellen Aspekte evaluiert (Bild 14). Die runde Seilbrücke erwies sich schnell als beste Lösung. Die zu- rückhaltende und doch spektakulä- re Ausstrahlung dieses Entwurfes wurden gewürdigt und auch das gewünschte „Landmark“ konnte Bild 13: Querschnitte bevorzugter Brückenkonzepte (© ipv Delft) hiermit realisiert werden – ein Land- mark, welches sich nahtlos einfügt in die architektonische Reihe mit dem Evoluon die horizontale Belastung der Brücke zu verrin- (Bild 6) und der Lichtnadel (Bild 7). Im Entwurf ist gern. zwischen dem Gegengewicht und der Fahrbahn ein Lichtelement integriert worden, welches, pas- Um komfortable Zufahrtsrampen zu realisieren, ist send zur Lichtstadt Eindhoven, mit seiner beson- es wichtig, diese direkt und mit geringer Steigung deren Beleuchtung den Pylon extra hervorhebt. zu planen. Radfahrer und Fußgänger empfinden Die Seilbrücke erwies sich konstruktiv auch als einen indirekten Wegverlauf als sehr unbefrie- besonders effizient und war im Hinblick auf die digend. Bei langen Zufahrtsrampen mit vielen Kosten auch vergleichbar mit dem Entwurf des Haarnadelkurven wurde deutlich, dass Radfah- stählernen Ringes. rer oft die direkte, unkomfortable Route über die Fußgängertreppen benutzten und nicht die für die Radfahrer vorgesehenen Serpentinen. Sie empfin- 4.4 Abstimmung der Anforderungen den dies als Umweg. Beim Hovenring sind diese in Bezug auf den Kontext direkten und komfortablen Zufahrtsrampen durch die niedrigere Position der gesamten Kreuzung Im folgenden Prozess ist das gewählte Konzept für den Autoverkehr ermöglicht worden. Diese ist im umfassenden Hinblick auf den Kontext weiter 1,5 Meter niedriger und damit gerade über Grund- ausgearbeitet worden. Dabei sind die definitive wasserniveau realisiert worden. Dadurch wurde Form und die Ausarbeitung der Zufahrtsrampen der zu überwindende Höhenunterschied für die und die letztendlichen Abmessungen des Brü- Radfahrer auf ca. 4,5 Meter zurückgebracht. Die ckendecks festgestellt worden. Des Weiteren ist Rampen und die zugehörigen Steigungsprozente eine besondere Methode entwickelt worden, um sind in Bild 15 wiedergegeben. Da in den Nieder- landen oft über die anzuwendenden Steigungsprozente diskutiert wird, sind im Rahmen dieses Projektes verschiedene Steigungen in Eind- hoven ausgemessen worden und während einer gemeinsamen Rad- tour mit dem Projektteam befahren worden. Eine maximale Steigung von 3,1 Prozent war für alle Betei- ligten akzeptabel. Weitere Informa- tionen über die Anwendung von Steigungsprozenten für Radfahrer finden Sie in [1].

Leider konnten mit dem angrenzen- den Hotel und dem Autohaus keine Einigung erzielt werden, um gleich Bild 14: Auswertung bevorzugter Brückenkonzepte (© ipv Delft) alle Zufahrtsrampen zum Hovenring

202 A. Kok, M. Kresken: Herausforderungen und Möglichkeiten einer umfassenden Grundlagenanalyse zu bauen (weiße Strichellinie in Bild 15). Dies kann jedoch im Nachhin- ein einfach nachgeholt werden. In Rücksprache mit den Verkehrs- und Stadtplanern ist beschlossen wor- den, die Zufahrtsrampen jeweils auf einem Erdwall zu gründen und nicht aufgeständert auszuführen (Bild 16), erstens weil die Erdwälle ein ruhige- res und sichereres Bild bieten und zweitens weil sie zudem so auch eine lärmschützende Wirkung ha- ben. Außerdem waren die Rampen auf den Erdwällen kostengünstiger realisierbar.

Die Verringerung der horizontalen Belastung der Brücke wurde durch Bild 15: Optimierung der Route mit Anfahrschutz (© ipv Delft) die Anpassung der Zufahrtsportale vor der Kreuzung (rot umkreist in Bild 15) erzielt. Normalerweise sind dies sehr fili- zuvor dargelegten Überlegungen bestätigten und grane Konstruktionen, welche keine horizontalen sich die Vorzugsvariante als ein kluger Entwurf Belastungen aufnehmen können. Beim Hoven- erwies. ring sind die Zufahrtsportale so entworfen, dass diese alle kritischen horizontalen Lasten aufneh- Der zentrale Pylon wird durch einen Betonring men können (Bild 17). Hiermit konnten ca. 1 Mio. (Bild 19) vor Kollisionen geschützt. In dieser Phase Euro Baukosten gespart werden. Im Falle einer der Einpassung ist auch der endgültige Umfang Kollision sind diese Portale auch viel einfacher des Hovenringes bestimmt worden. Mit einem zur reparieren. Schon einige Wochen nach der Durchmesser von 72 Meter ist die Brücke vom Fertigstellung des Hovenringes wurde eines der Weg aus als rundes Objekt sichtbar und passte Portale angefahren (Bild 18), woraufhin sich die auch in das mittlere Feld der früheren Kreuzung

Bild 16: Rampen auf Erdwall und aufgeständerte Variante (© ipv Delft)

203 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 17: Entwurf neues Zufahrtsportal (© ipv Delft) Bild 18: Beschädigtes Zufahrtsportal (© ipv Delft)

(Bild 11). Das niedrigere Niveau der neuen Kreu- 5 Ausarbeitung des zung hat als zusätzlichen positiven Nebeneffekt, ­Brückenkonzeptes dass die Stützmauern in den Ecken der Kreuzung gleichzeitig auch eine gute Abschirmung für die Um in dieser Phase die Vorzugsrichtungen des Befestigungen gegen eventuelle Schwankungen Entwurfes untermauern zu können, sind die vor- der Brücke bietet. gestellten Konzepte in Bezug auf allgemeine konstruktive und finanzielle Aspekte betrachtet Bei dieser Einpassung wurden also kostenspa- worden. Außerdem wurden die Hauptabmessun- rende Lösungen für ein schlankes Brückendeck gen festgestellt und es ist mit der Anpassung der gefunden, welche außerdem noch den Nutzungs- Zufahrtsportale ein überraschendes Element zur komfort erhöhen. Verbesserung des Konzeptes gefunden worden. Nach unserer Erfahrung finden sich bei der hier Die Einpassung ist die wichtigste Phase bei der erläuterten Arbeitsweise mit einer gediegenen Planung für den zukünftigen Erfolg einer Brücke. In Grundlagenanalyse in Bezug auf Kontext und dieser Phase wird nach besten Lösungen für alle Einpassung oft überraschende Lösungen. Diese Betroffenen gesucht. Um dies erreichen zu können Lösungen sind mehr als nur konstruktive Grund- gibt es zu diesem Zeitpunkt auch einen intensiven lagen für die Überbrückung einer Barriere. In der Kontakt mit allen beteiligten Disziplinen (Bild 9). folgenden Phase wird die Vorzugsvariante weiter

Bild 19: Anfahrschutz Pylon (© ipv Delft)

204 A. Kok, M. Kresken: Herausforderungen und Möglichkeiten einer umfassenden Grundlagenanalyse ausgearbeitet. Hierbei werden die Brückenkon- struktion selbst, Lösungen für die Stützpunkte, Brücken- und Seilschwingungen und das Licht- konzept weiter erläutert.

5.1 Brückenkonstruktion

Die Brücke besteht aus einem 70 Meter hohen, stählernen Pylon und einem kreisförmigen, stäh- lernen Brückendeck mit einer nutzbaren Fahr- bahnbreite von 4,5 Meter. Sie wird von 24 Stahl- seilen getragen. Das Brückendeck befindet sich Bild 20: Querschnitt Deck (© ipv Delft) an der Außenseite der Trageseile und ein Ge- gengewicht an der Innenseite (Bild 20). Die Seile sind in einem Abstand von jeweils acht Metern im Schwerpunkt des Brückendecks befestigt. Bei einer maximalen Belastung durch die Nutzer bewegt sich der äußere Rand des Decks maxi- mal 45 Millimeter.

5.2 Schwingungen

Durch die unregelmäßige Belastung durch die Nutzer kann die Brücke in Schwingung geraten. Bild 21 zeigt, wie die Befestigung in den Ecken die Schwingungen verhindern. Diese Stützpunkte (Bild 22) bestehen aus massiven Stahlstäben, welche M-förmig angebracht sind und so die hori- zontale Belastung auffangen.

5.3 Schwingungen des Decks Bild 21: M-förmige Befestigungen – Schema und der Seile (© ipv Delft)

Bei einer solchen Stahlkonstruktion spielen Schwingungen eine wichtige Rolle bei der Aus- arbeitung des Entwurfes. Hierbei gibt es zwei unterschiedliche Aspekte: Schwingungen im Brü- ckendeck, welche Einfluss auf den Nutzungskom- fort haben, und Schwingungen der Seile, welche durch den Wind hervorgerufen werden.

Aus einer Analyse der Eigenfrequenz und des Schwingungsverhaltens der Konstruktion als Gan- zes ergab sich, dass die Eigenfrequenz von 2,3 Hertz zu gering war. Um dies zu optimieren, gab es die Möglichkeit, Dämpfer für die Seile anzubrin- gen oder das Gewicht der Konstruktion zu ver- stärken. In diesem Falle wurde das Gewicht der Konstruktion verstärkt. Das Brückendeck ist teil- weise mit Beton gefüllt. Diese Maßnahme führte zu einem Eigengewicht des Decks von 500 kg/m² und hat sich als effektive Lösung erwiesen, um die Schwingungen bei der Nutzung der Brücke zu reduzieren. Das Anbringen von Dämpfern wurde u. a. aus Unterhaltungsgründen nicht weiter in Er- Bild 22: M-förmige Befestigungen – Realisierung wägung gezogen. (© ipv Delft)

205 26. Dresdner Brückenbausymposium

5.4 Dämpfersystem für die Seile

Schon bei Beginn des Projektes wurde beschlos- sen, Dämpfer für die Stahlseile nur dann anzu- bringen, wenn sie wirklich nötig sind, jedoch ein Budget hierfür zu reservieren. Die vorherige Berechnung derartiger Schwingungen ist sehr schwierig und oft nicht wirklich zuverlässig. Wäh- rend des Baus des Hovenringes zeigte sich, dass die Seile tatsächlich zu hohe Schwingungen auf- wiesen. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Eigen- frequenzen und die Dämpfungswerte der gegen- Bild 23: Dämpfer gegen Seilschwingungen wärtigen Konstruktion gemessen und daraufhin (© ipv Delft) ist von Professor Zasso (Mailand), ein internatio- naler Experte auf diesem Gebiet, ein Tuned-mass- Dämpfersystem entworfen worden (Bild 23). In einem Abstand von ca. 10 Metern unterhalb der Pylonspitze befindet sich jeweils ein Dämpfer für die tiefere Eigenfrequenz und in einem Abstand von ca. 3,5 Metern sind Dämpfer für höhere Fre- quenzen angebracht (Bild 23). Diese Dämpfer konnten mit dem für diese Zwecke reservierten Budget realisiert werden.

5.5 Seilbefestigung am Pylon

Bild 24: Seilbefestigung am Pylon und Inspektions- Aufgrund des geringen Raumes sind die 24 Seile raum (© ipv Delft) in Reihen von jeweils zwei Seilen übereinander am Pylon befestigt worden (Bild 24). Die Befes- tigung führt durch die Wand des Pylons und wird mit einer Mutter im Inneren des Pylons befestigt. Dies ermöglicht die Inspektion der Seilbefesti- gung durch eine Person oder durch eine Kamera im Inneren des Pylons. Die Seilbefestigungen im Brückendeck sind durch spezielle, verschließbare Öffnungen an der Unterseite des Decks zu errei- chen.

5.6 Multifunktionaler Raum zwischen Brückendeck und Gegengewicht

In Bild 25 und Bild 26 ist der Raum zwischen dem Bild 25: Lamellenzwischenraum (© ipv Delft) Deck und dem Gegengewicht zu sehen, welcher benötigt wird, um den Schwerpunkt der Konstruktion mit der Seilbefes- tigung zusammen zu bringen. Die- se für die Konstruktion benötigte Kammer ist ein multifunktionaler Raum geworden, der für die Ins- pektion genutzt wird und Platz für die ansprechende Beleuchtung des Brückendecks bietet. In der Öff- nung zwischen dem Deck und dem Gegengewicht sind transparente Kunststoffplatten und Aluminiumla- mellen angebracht worden, welche Bild 26: Querschnitt Deck (© ipv Delft) mit einfachen Leuchtstoffröhren

206 A. Kok, M. Kresken: Herausforderungen und Möglichkeiten einer umfassenden Grundlagenanalyse beleuchtet werden und so den vom Weg und vom Deck aus sichtbaren Lichtring ermöglichen. Dieser Lich- tring passt zum Image der Lichtstadt Eindhoven. Im Lamellenzwischen- raum befindet sich auch Platz für Kabel und die technischen Installa- tionen, sowie für die Beleuchtungs- elemente. Dieser Raum ist einfach zur erreichen durch das Öffnen der untersten Lamellen (Bild 25).

5.7 Funktionale Beleuchtung Bild 27: Lichtring (© ipv Delft) Das Brückendeck wird vom Hand- lauf aus beleuchtet (Bild 27 und Bild 28). Hierfür ist zusammen mit der Firma Philips ein Extrusionspro- fil aus Aluminium mit zwei LED- Leuchten, Verkabelung und Be- festigung entwickelt worden. Eine etwas weniger starke LED-Leuchte an der Seite des Handlaufs beleuch- tet die Gesichter der Brückennutzer und vergrößert somit die soziale Si- cherheit. Die Kreuzung selbst wird durch 12 Leuchten an der Innensei- te des Gegengewichtes und durch acht Leuchten an den über der Bild 28: Handlauf (© ipv Delft) Kreuzung gespannten Kabeln be- leuchtet. Die Unterseite des Pylons wird mithilfe von vier Leuchten in- nerhalb des schützenden Betonrin- ges beleuchtet. Der obere Teil des Pylons wird von vier Scheinwerfern in den Erdwällen von der Außensei- te der Kreuzung beleuchtet.

6 Bauphase

Die neue Kreuzung und die Brücke sind zum Großteil innerhalb des be- Bild 29: Realisation – Montage Brückendeck (© ipv Delft) stehenden Kreisverkehrs realisiert worden, um den Verkehr nicht un- nötig zu behindern. Das Gegenge- wicht und das Brückendeck sind in zwölf Einzelteilen mit einer Länge von jeweils 16 Metern in einer Fa- brik in Eeklo (bei Gent in Belgien) gebaut und mit dem Schiff nach Eindhoven transportiert und dort montiert worden (Bild 29).

Der Pylon ist in zwei Teilen transpor- tiert worden und wurde liegend un- ter der Brücke montiert. Zwei Kräne Bild 30: Realisation – Montage Pylon (© ipv Delft)

207 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 31: Brückendeck während der Realisierung (© ipv Delft) haben den Pylon dann in seine Position gebracht. 7 Fazit Der Brückenring war zu dem Zeitpunkt schon fer- tiggestellt, wodurch die Konstruktion gleich mit den Heute benutzen jeden Tag 5.000 Radfahrer den Seilen am Pylon befestigt werden konnte (Bild 30). Hovenring. Die Kreuzung wird von 20.000 Autos befahren. Es wird in Zukunft mit einer Verdoppe- Die Brücke (Bild 31) ist mit einer besonders dün- lung der Anzahl der Radfahrer gerechnet. Unter- nen, langlebigen Spezialbeschichtung mit einer suchungen haben ergeben, dass die Nutzer sehr schützenden Zinkschicht behandelt. Dieser Schutz zufrieden sind mit dieser Brücke. Eine Frau be- bleibt voraussichtlich über 20 Jahre erhalten. schrieb ihre Fahrt über den Hovenring sogar als „spirituelle Erfahrung“. Der Bauablauf für den Pylon und das Deck kann in folgende Bauphasen gegliedert werden: Wir hoffen, dass diese Umschreibung des Pro- zesses der Planung des Hovenringes Sie inspiriert 1. Montieren/Schweißen des gesamten Ringes hat. Eine gute Grundlagenanalyse mit Bezugnah- inklusive der Rampen und der Hilfskonstruktion, me auf alle Wünsche und Ansprüche kann Ihnen bei der Planung von nutzerfreundlichen, in den 2. Positionieren des Pylons und Stabilisieren mit Kontext passenden, bezahlbaren und langlebigen vier Seilen, Brückenkonzepten helfen. Das Einbeziehen aller Beteiligten mit ihren verschiedenen Disziplinen 3. Anbringung aller Seile, während des Entwicklungsprozesses ist hierbei von großer Bedeutung. 4. Abspannen aller Seile bis zu 80 % des eige- nen Gewichtes der Konstruktion mit Hilfe von Eine gute Brücke ist selten ein Standardentwurf. Schraubgewinden, Unsere Entwürfe bestehen aus verschiedenen Baustoffen und wir entwickeln Brücken zusam- 5. Absenken der Hilfskonstruktion um 20 Millime- men mit Fabrikanten. Bei fast allen unseren Pro- ter, wodurch das komplette eigene Gewicht jekten entwerfen wir schließlich doch eine Brü- durch die Seile getragen wird, cke passend für die jeweilige Situation. Diese passt oft besser in den Kontext und ist meistens 6. Positionierung der Stützkonstruktion, auch noch günstiger im Preis. Eine gute Brücke hat ein logisches Konzept. 7. Auf-Spannung-Bringen der Zugstäbe der Stützkonstruktion.

208 A. Kok, M. Kresken: Herausforderungen und Möglichkeiten einer umfassenden Grundlagenanalyse

Am Projekt Beteiligte: q Höhe Pylon: 70 Meter q Anzahl der Seile: 24 Entwurf: q Außendurchmesser des Ringes: 72 Meter ipv Delft q Fahrbahnbreite: 4,5 Meter q Gesamtfläche Fahrbahn: 1.300 m² Statik: q Stahlmenge gesamt: 1.015 Tonnen Witteveen + Bos q Baukosten Brücke: 6.5 Mio. Euro q geplantes Budget für die Brücke: 8.5 Mio. € Bauunternehmer: Combinatie Hovenring – BAM Infra und Victor Buyck Steel Construction Literatur

Einige Daten: [1] ipv Delft (Ed.): Brief Dutch Design Manual for Bicycle and Pedestrian Bridges. 2.6.2015, q Autos: 20.000 pro Tag (2015) Download unter: www.ipvdelft.com/publica- q Radfahrer: 5.000 pro Tag (2015), tions (Stand 15.12.2015) zukünftig 10.000 pro Tag [2] Rothwell, J. in ‚The New Republic‘, 6.3.2012

Bild 32: Übersicht Hovenring (© ipv Delft)

209 Karl Morgen, Jan Lüdders: Die Butterfly-Bridge in Kopenhagen

Die Butterfly-Bridge in Kopenhagen

Dr.-Ing. Karl Morgen, Dipl.-Ing. Jan Lüdders WTM Engineers GmbH, Hamburg

1 Allgemeines 2 Entwurfskonzept

Der preisgekrönte Entwurf der Butterfly-Bridge Kernpunkt des Entwurfes war die Idee, am Kreu- (Bild 1) ging aus der Zusammenarbeit von Diet- zungspunkt des Trangraven- und des Christians- mar Feichtinger Architectes, Paris, und WTM havn-Kanals einen Ort zu schaffen, der zum einen Engineers, Hamburg, in einem international aus- zum Verweilen über dem Wasser einlädt und geschriebenen Wettbewerb im Jahre 2009 her- zum anderen eine direkte Verbindung über den vor. Die kombinierten Fußgänger- und Radweg- Christianshavn-Kanal und den Trangraven-Kanal brücken sind Teil eines städtischen Projektes zur ermöglicht. Der Entwurf sieht sternförmig ange- Anbindung des Innenstadtbereiches der Stadt ordnete Stahlbrücken mit jeweils einer Klappe Kopenhagen mit dem mit Kanälen durchzogenen über den Christianshavn- und den Trangraven-Ka- Stadtteil Christianshavn am Ostufer der Stadt nal und der zentral im Kanal angeordneten Platt- Kopenhagen. Durch die neue Anbindung soll der form vor (Bild 3). Wenn beide Klappen geöffnet Innenstadtbereich eine direkte Fuß- und Radweg- sind, gleicht die Brücke einem Schmetterling und verbindung mit der im Jahr 2005 eröffneten Oper wird von den Kopenhagenern „Butterfly Bridge“ erhalten. Die Brücken überspannen im Stadtteil genannt. Das gestalterische Konzept sah vor, eine Christianshavn den etwa 45 m breiten Christians- möglichst filigrane Konstruktion zu entwerfen, die havn-Kanal und den angrenzenden 40 m breiten sich zurückhaltend in den historischen Stadtteil Trangraven-Kanal sowie den sich in unmittelbarer mit den denkmalgeschützten Kaimauern und Ge- Umgebung befindenden, 25 m breiten Proviant- bäuden einfügt. magasingraven-Kanal (Bild 2). Die Brücken sollten aus beweglichen Brückenteilen gebildet werden, um den Schiffsverkehr für Segelboote und Aus- flugsschiffe durch die Kanäle zu gewährleisten.

Bild 1: Fertiggestellte Brücke über den Christianshavn-/Trangraven-Kanal (Foto: Karl Morgen)

211 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 2: Lageplan der Fuß- und Radwegbrücken (Grafik: WTM)

Bild 3: Übersichtsplan; sternenförmig angeordnete Brücke über den Christianshavn-/Trangraven-Kanal (Zeichnung: WTM)

212 Karl Morgen, Jan Lüdders: Die Butterfly-Bridge in Kopenhagen

3 Konstruktive Umsetzung 3.1 Die Tragkonstruktion

Die Brücken weisen eine Breite von 8 m auf und haben getrennte Rad- und Fußwege. Die beweg- lichen Teile der Brücken haben eine Länge von 23 m und werden beim Öffnungsvorgang über hy- draulische Zylinder an der Plattform angehoben. Die Klappbrücken wurden als jeweils einflügeli- ge Klappbrücken ohne Gegengewicht konzipiert. Die beweglichen Brückenteile spannen über den Christianshavn- bzw. Trangraven-Kanal von der Mittelplattform zu den in den Kaimauern einge- lassenen, 11 m langen, einfach gestützten inte- gralen Vorbrücken. Die Hydraulikzylinder der be- weglichen Brückenteile wirken im geschlossenen Zustand als Mittelauflager, sodass für die beweg- lichen Brückenteile im geschlossenen Zustand ein Zwei-Feld-System entsteht. Die Stützung der Bild 4: Längsschnitt durch den beweglichen integralen Vorbrücken erfolgt über zwei schlanke, Brückenteil (Zeichnung: WTM) V-förmig angeordnete Stahlstützen, die im Kanal am Randbereich gegründet sind und ca. 2,60 m zum beweglichen Brückenteil auskragen. Die Hohlkästen sind nicht in Brückenquerschnittsmit- te angeordnet (Bild 5), da der herausragende Teil des Die Hauptträger der Brücken sind luftdicht ver- Hohlkastens auch als Trennung zwischen dem 4 m schweißte Hohlkästen, die dem Kräfteverlauf ent- breiten Rad- und dem 3 m breiten Fußweg gedacht sprechend gevoutet ausgebildet wurden. Bis ca. ist. Die durch die Ausmitte oder durch ungleichmäßi- 7,8 m von der Brückenspitze aus hat der Hohlkas- ge Laststellung entstehende asymmetrische Belas- ten eine Höhe von 500 mm und ist nur unterhalb tung wird durch den torsionssteifen geschlossenen des Brückendecks angeordnet (Bild 4). Ab diesem Hohlkasten des Hauptträgers abgetragen. Punkt weitet sich der Querschnitt nach oben auf und hat an der höchsten Stelle am Hydraulikzylin- Alle 2,6 m sind Querträger angeordnet, die als derauflager eine Gesamthöhe von 1700 mm. Blechkonstruktion die Querrippen der Brücken bil-

Bild 5: Querschnitt am Hydraulikzylinderauflager (Zeichnung: WTM)

213 26. Dresdner Brückenbausymposium den und das mit Längsrippen versehene Brücken- kann. In Längsrichtung ist die Brücke an dieser deck aufnehmen. Das Brückendeck wurde mit 2 % Stelle frei verschieblich und kann die Längenaus- Quergefälle ausgebildet, um eine entsprechende dehnungen aus Temperatur hier zwangsfrei auf- Entwässerung über die Brückendeckkanten am nehmen. Rand in den Kanal zu gewährleisten. Als Fortfüh- rung der Querträger wurden die Geländerpfosten Die ca. 70 m² große Mittelplattform bildet das Wi- an der Stelle der Querträger nach innen geneigt derlager für die beiden beweglichen Brückenteile. ausgeführt. Als Geländerausfachung wurden vor- Sie ist am Kreuzungspunkt der beiden Kanäle im gespannte horizontale Edelstahlseile verwendet. Wasser angeordnet und wurde als Stahlkonstrukti- on ausgeführt. Die Herausforderung an dieser Stel- Bei einer Klappbrücke wird zwischen dem Sys- le bestand darin, für die beweglichen Brückenteile tem in Hochlage (Bild 6) und dem System in Ver- mit den unterschiedlichen Laststellungen und Last- kehrslage unterschieden. In der Hochlage wirkt zuständen ein möglichst steifes Widerlager zu ent- das System als Kragträger, der durch den Hyd- werfen, um den Verformungsrandbedingungen, raulikzylinder und das Drehlager an der Plattform die eine bewegliche Brücke mit den verformungs- eingespannt wird. Die Kragarmlänge zwischen empfindlichen Drehlagern an dieser Stelle benötigt, Klappenspitze und der Achse Drehlager beträgt Rechnung zu tragen. Auf der anderen Seite sollte ca. 23 m. Der Abstand zwischen Hydraulikzylin- sich das Widerlager als möglichst filigranes Bauteil der und Drehlager ca. 4,90 m. Der maximale Öff- an den Querschnitten und Querschnittshöhen der nungswinkel beträgt in der Hochlage 70 °. In der anderen Brückenteile orientieren. Hierzu wurde das Verkehrslage ergibt sich ein Durchlaufsystem mit Deck der Plattform als flächiger, 500 mm hoher, zwei Feldern. Die integralen Vorbrücken wirken luftdicht verschweißter Hohlkasten ausgebildet, für den beweglichen Brückenteil als gelenkiges der auf insgesamt sechs V-förmig angeordneten Auflager, welches lediglich Querkräfte übertragen runden Stahlstützen mit einem Durchmesser von 450 mm gelagert ist. Die Randträger der Plattform, mit den Lasteinlei- tungspunkten aus den Drehlagern und Stützen, wurden dabei durch einen versteiften, 580 mm hohen Hohlkasten ausgebildet (Bild 7). Die Fußpunkte der Stahlstützen sind über 80 mm dicke Stahlzugelemen- te mit der Plattform verbunden, um die am Fußpunkt auftretenden Hori- zontalkräfte mit der Plattform kurzzu- schließen und die Verformungen aus einseitiger Horizontalbelastung zu re- duzieren. Die gesamte Plattform ist auf einer unterhalb der Wasserlinie angeordneten massiven, 2 m dicken Stahlbetonplatte gelagert (siehe auch Bild 10 in Abschn. 4.1).

3.2 Gründung

Die Gründung der Mittelplattform, der Zwischenstützen der Vorland- brücken und der in der Kaimauer integrierten Endauflager der Vor- landbrücken wurden aufgrund der Baugrundverhältnisse als Tief- gründung erstellt. Als tragfähiger Baugrund wurde Kalkstein vorge- funden, in den die betongefüllten Stahlbohrpfähle mit bis zu 1000 mm Durchmesser geneigt im Verhältnis Bild 6: Brücke mit beiden Brückenklappen geöffnet 8:1 eingebracht wurden. (Foto: Fritz Hilgenstock)

214 Karl Morgen, Jan Lüdders: Die Butterfly-Bridge in Kopenhagen

Bild 7: Querschnitt der Mittelplattform mit Befestigung der Drehlager (Zeichnung: WTM)

3.3 Maschinenraum

Der Maschinenraum für die Hyd- raulikanlagen der Brücken über den Christianshavn-/Trangraven-Kanal wurde als separates Bauwerk hin- ter den bestehenden Kaimauern errichtet. Hierzu wurde in einer offe- nen Baugrube mit rückverankerten Spundwänden die mit Mikropfählen rückverankerte Unterwasserbeton­ sohle eingebracht, um dann im Schutze der trockenen Baugrube den 6 m × 7 m großen und ca. 4 m tiefen Maschinenraum als massi- ves WU-Bauwerk in Stahlbeton zu erstellen. Auf dem in der Erde ein- gelassenen Maschinenraum wurde dann das Wärterhäuschen in einer leichten Stahlkonstruktion erstellt, in dem die Bedientechnik und das Überwachungspersonal der Brü- cken untergebracht sind (Bild 8). Bild 8: Wärterhäuschen (Foto: Fritz Hilgenstock)

3.4 Maschinentechnik

Da die Öffnungsdauer einer Brückenklappe die der Hydraulikzylinder gestellt. Pro Brückenklap- Dauer von 90 Sekunden nicht überschreiten soll- pe kamen zwei Hydraulikyzlinder (Durchmesser te, wurden hohe Anforderungen an den Entwurf 420 cm) mit einem Höchstdruck von 320 bar zum

215 26. Dresdner Brückenbausymposium

Im Schutze der trockenen Baugrube konnten die zum Teil hochbewehrten Pfahlkopfplatten und Wi- derlager geschalt, bewehrt und betoniert werden. Mit Einbau der Bewehrung mussten die hochfes- ten Ankerbolzen, die den Anschluss der Stützen der Mittelplattform gewährleisten, passgenau mittels Schablonen eingesetzt und mit der Be- wehrung verbunden werden (Bild 10).

4.2 Stahlbau-Fertigung

In der Werkstatt wurden die einzelnen Segmen- Bild 9: Hydraulikzylinder mit Drehlagern te des Überbaus aus ebenen Blechen zusam- (Foto: Jan Lüdders) mengebaut und zu den einzelnen Brückenteilen verschweißt, gestrahlt und beschichtet. Alle Brückenteile wurden soweit in der Werkstatt fer- Einsatz, die am Zylinderkopf so konstruiert wur- tiggestellt, so dass sie als ganzes Brückenteil auf den, dass die Auflagerkräfte, wenn die Brücke die Baustelle gebracht wurden. Schweißarbeiten sich in der Verkehrslage befindet, über die Zylin- vor Ort konnten so auf ein Minimum reduziert derwandung abgetragen werden können (Bild 9). werden. Lediglich für die Herstellung des An- schlusses der Plattformstützen mit der Plattform wurden aufwendige Baustellenschweißarbeiten 4 Herstellung und Bauausführung notwendig.

4.1 Gründung und Betonbau Vor dem Transport der Brückenteile auf die Bau- stelle wurde ein genaues Aufmaß der bereits Nach Herstellung der Bohrpfähle für die Wider- einbetonierten Verbindungselemente gemacht. lager wurden Spundwandeinfassungen in den In einem Probeaufbau der Brückenteile im Werk Kanal eingebracht, um die im Kanal unterhalb der konnte dann vorab die Passgenauigkeit der Brü- Wasserlinie befindlichen Widerlager herzustellen. cken kontrolliert werden, um einen möglichst rei-

Bild 10: Herstellung der Pfahlkopfplatte der Mittelplattform (Foto: Jan Lüdders)

216 Karl Morgen, Jan Lüdders: Die Butterfly-Bridge in Kopenhagen

Bild 11: Fertigung der Brückenteile im Werk (Foto: Jan Lüdders)

Bild 12: Montage der Brückenteile mittels Schwimmkran (Foto: Jan Lüdders)

217 26. Dresdner Brückenbausymposium bungslosen Aufbau der Brückenteile vor Ort zu tet werden. Die Brücke wurde feierlich im Januar gewährleisten. 2015 eröffnet.

4.3 Montage Stahlbau 5 Schlusswort

Die bis zu 50 t schweren Brückenteile wurden Mit der Butterflybridge in Kopenhagen wurde sukzessive innerhalb weniger Tage auf die Bau- eine bewegliche Fuß- und Radwegbrücke mit stelle nach Kopenhagen gebracht und mittels ei- höchsten gestalterischen und höchsten techni- nes 200-t-Schwimmkrans eingehoben (Bild 12). schen Ansprüchen in einem internationalen Um- Hierzu war eine temporäre Vollsperrung des feld realisiert. Wir danken der Stadt Kopenhagen Schiffsverkehrs auf den betroffenen Kanälen er- für das entgegengebrachte Vertrauen und bedan- forderlich. Im Montageverlauf wurden zunächst ken uns bei allen anderen Planungsbeteiligten und die Vorlandbrücken und die Mittelplattform in ausführenden Firmen für die ausgezeichnete Zu- Position gebracht und fixiert. Danach wurden die sammenarbeit. erforderlichen Baustellenschweißverbindungen erstellt, sodass anschließend der bewegliche Brückenteil – mit bereits befestigten Hydraulikzy- 6 Projektbeteiligte lindern – in die Verkehrslage gebracht wurde. Bauherr: Københavns Kommune, Teknik- og Miljøforvaltin- 4.4 Ausbau, Probebetrieb und gen Fertigstellung Objekt- und Tragwerksplanung: Nach der Montage der Brückenstahlteile konn- Arbeitsgemeinschaft WTM Engineers, Hamburg | te mit den weiteren Ausbauarbeiten begonnen Dietmar Feichtinger Architectes, Paris werden. Hierzu wurden die Hydraulikverrohrung und die Elektroverkabelung unter dem Brücken- Maschinen und Elektroplanung: deck installiert und mit den Anlagen im Maschi- Dr. Schippke und Partner, Hannover nenraum verbunden. Die Schrankenanlagen und Lichtsignalanlagen wurden eingebaut und die Ausschreibung: Edelstahlseile der Geländerausfachung wurden Cowi As, Lyngby vorgespannt. In einem vier Wochen langen Pro- bebetrieb konnte die Antriebstechnik eingestellt Ausführende Firmen: und kalibriert und die Steuerungssoftware getes- Phil AS, Lyngby | VSB, Randers | HSM, Grenå

218 Harald Michler: Verstärken mit Carbonbeton im Brückenbau

Verstärken mit Carbonbeton im Brückenbau

Dr.-Ing. Harald Michler Institut für Massivbau, TU Dresden

Zusammenfassung

Mit textilbewehrtem Beton steht ein moderner und leistungsfähiger Baustoff mit sehr guten me- chanischen Eigenschaften zur Verfügung. Dieser erlaubt es, Leichtbau mit Beton zu betreiben, wie dies bisher nicht möglich war.

Mit der im Jahr 2007 in Sachsen hergestellten und im Allgäu montierten Geh- und Radweg- brücke Rottachsteg in Kempten im Allgäu und mit der Textilbetonbrücke in Albstadt-Lautlingen (2009/2010) wird dies in der Praxis bewiesen und es wurde gezeigt, dass sich Bauteile aus textil- bewehrtem Beton auch wirtschaftlich am Markt Bild 2: Pagel-TF10-Fertigtrockenmischung durchsetzen können. Der Leichtbau kann aber (Foto: Harald Michler) auch bei der Sanierung und Verstärkung der be- stehenden Infrastruktur vorteilhaft sein, da hier mit einem geringen Zusatzeigengewicht eine er- über 100 Jahren erfolgreich eingesetzt wird, hebliche Verstärkungswirkung erreicht werden durch eine nicht korrosionsanfällige Bewehrung kann. Der Beitrag soll zeigen, wie und welche Ver- zu ersetzen (als weiterführende Literatur seien stärkungsaufgaben mit Textilbeton im Brücken- exemplarisch [4] und [5] genannt). Damit entfällt bau gelöst werden können. die Notwendigkeit, dicke Betonschichten zum Schutz der Bewehrung an Stellen anzuordnen, an denen diese statisch eigentlich nicht notwen- 1 Der Baustoff Textilbeton dig sind. Der Grundgedanke des Stahlbetonbaus, und sein Tragverhalten dass der Beton die Druckkräfte und der Stahl die Zugkräfte abträgt, kann damit in optimierter Wei- Über Textilbeton wurde beim Dresdner Brücken- se umgesetzt werden. bausymposium schon mehrfach berichtet, [1], [2], [3]. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, Als Materialien für die Bewehrung bieten sich End- dass der Baustoff vielen Lesern bekannt ist, soll losfasern aus alkaliresistentem Glas oder Carbon er dennoch in seinen Grundzügen noch einmal an, deren Leistungsfähigkeit in vielen Bereichen kurz vorgestellt werden. wie dem Flugzeugbau unter Beweis gestellt wird. Die Weiterentwicklung der Fasern wird ständig Textilbeton basiert auf der Idee, die herkömm­ vorangetrieben und auch die Verwendung alter- liche Stahlbewehrung, die in dieser Form seit nativer Materialien (Kevlar) in Erwägung gezogen.

Bild 1: Exemplarischer Aufbau einer Textilbetonschicht – hier mit Gelegen aus Carbonrovings – im Vergleich zu stabförmigen Bewehrungen aus Carbon und herkömmlichem Bewehrungsstahl (Foto: Harald Michler)

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Das Potential im Brückenbau wurde bereits mit einigen Pilotprojekten demonstriert, s. Abschn. 3.1.

Der Verbundwerkstoff Textilbeton ist ein Kompositmaterial aus texti- len Gelegen aus alkaliresistenten und sehr zugfesten Endlosfasern, heute im allgemeinen Carbonge- lege, die lagen- oder schichtweise in eine Feinbetonmatrix eingebet- tet werden, siehe Bild 1. Es wird ein spezieller, teilweise selbstver- dichtender hochfester Feinbeton eingesetzt, der weitgehend den Bild 3: Verstärken im Vergleich Spritzbeton – Textilbeton Erfordernissen der jeweiligen An- (Grafik: Harald Michler) wendung angepasst werden kann. Für die allgemeine Anwendung und besonders für die Verstärkung steht mit Der Betonrippenstahl überträgt die Verbundkräfte dem Produkt PAGEL TF10 (Bild 2) eine einfach hauptsächlich konzentriert an eben diesen Rippen. anzuwendende Fertigmischung zur Verfügung. Aufgrund der homogenen Materialeigenschaften Die Dicke von Textilbetonbauteilen bewegt sich des Stahls stellt dies im Allgemeinen für die Be- in einem Bereich von nur wenigen Millimetern wehrung selbst kein Problem dar. Der Schwach- bis einigen Zentimetern. Besonders vorteilhaft punkt ist vielmehr der umgebende Beton, der an können diese dünnen Schichten mit vorhande- dieser konzentrierten Lasteinleitung versagt. Es nen Stahlbetonbauteilen kombiniert werden, die folgt ein Bruch der Betondruckstrebe oder es ent- dann von diesen geschützt und verstärkt wer- stehen Verbundrisse, da der Beton quasi gespal- den, siehe Bild 3. Damit wird das bestehende ten wird. Tragwerk nur durch extrem geringe Zusatzlasten aus dem Eigengewicht der Verstärkungsschicht Bei der textilen Bewehrung liegen die Verhältnisse beansprucht, die Abmessungen werden nur ge- jetzt anders. Ein Bewehrungselement selbst – ein ringfügig erhöht, aber die Bauteilwiderstände Roving – ist aus tausenden von Einzelelementen werden extrem gesteigert, da die Bewehrung zusammengesetzt. In den aktuellen Gelegen wer- statisch relativ günstig nahe der Oberfläche den so genannte „heavy tows“ für die sich kreu- liegt. zenden Rovings verwendet, die sich beispielswei- se aus 50.000 Einzelfilamenten zusammensetzen Das Tragverhalten des Textilbetons entspricht in (50 K). Diese tausende Einzelfilamente eines Theorie und Praxis dem bekannten Stahlbeton, so Rovings müssen nun möglichst alle an der Last- dass hier auf die bewährten Grundlagen zurück- abtragung beteiligt werden, wobei die wenigsten gegriffen werden kann. Analog des Prinzips von – nämlich nur die Randfilamente – einen direkten Stahlbeton wird die textile Bewehrung erst dann Kontakt zum Beton haben. Bewerkstelligt wird nennenswert aktiviert, wenn Risse in der Beton- dies durch eine Imprägnierung und Beschichtung matrix auftreten, nur sind im Textilbeton der Ab- der Rovings, sodass ein Verbund zum Beton und stand der Risse und damit die Rissweite im Allge- ein Verbund untereinander gegeben sind. Diese meinen erheblich geringer als im Stahlbetonbau. Imprägnierung basiert aktuell auf Styrol und ist in Die aktuellen Textilien weisen eine Bruchdehnung der Lage, in das Filamentbündel einzudringen und (im Beton) von ca. 10–12 ‰ bei einer Bruchfestig- dieses quasi miteinander zu verkleben. Eine ande- keit von ca. 2.000 N/mm² auf. Möchte man die re Möglichkeit, dies zu tun, besteht darin, Epoxid­ Rovingfestigkeit auf 3.000 oder gar 4.000 N/mm² harze zu verwenden. (dies würde der aktuellen Filamentfestigkeit ent- sprechen) steigern, so wird diese bei einer Bruch- Die heutigen Rovings bestehen aus nahezu ge- dehnung von 21 bis 25 ‰ erreicht. Dies ist die im streckt eingebauten Einzelfilamenten und weisen Stahlbetonbau heute übliche Dehnungsgrenze für folglich keine Ansatzstellen für Betondruckstreben den Bewehrungsstahl. in Form von Rippen auf, sodass die Lastübertra- gung vom Beton auf den Rovings einzig und allein Für die Kraftübertragung zwischen Beton und der über die Oberflächenverbundspannung erfolgen textilen Bewehrung steht alleine die Oberfläche kann. Hinzu kommt, dass das Material Carbon als der Bewehrung zur Verfügung. Und hier liegt der ein hochgradig anisotropes Material in sich selber entscheidende Unterschied zum Stahlbetonbau: empfindlich für Querdruck ist. Eine extrem große

236 Harald Michler: Verstärken mit Carbonbeton im Brückenbau

Zugfestigkeit in der einen Richtung steht einer großen Bewehrungsquerschnitt zusammenge- sehr geringen Festigkeit in der anderen gegen- klebt werden. Dieser wird dann ebenfalls mit Ep- über. Anschaulich wird dies bei einem Bleistift, oxidharzen auf den vorbereiteten Beton geklebt. bei dem von der Graphitmine immer ein kleines Damit sind zum einen durch den größeren Be- Stückchen beim Schreiben abgeschert wird. Die wehrungsquerschnitt größere Verstärkungskräf- Querdruckempfindlichkeit des Carbonmaterials te möglich, jedoch werden auch entsprechende bereitet auch bei der Verwendung von Stäben höhere Ansprüche an den Untergrund gestellt, da bzw. bei der Verankerung dieser Stäbe erhebliche die Kraft ja zwischen Verstärkung und Tragwerk Probleme, worauf hier aber nicht eingegangen ausgetauscht werden muss. Allerdings ist hier werden soll, s. z. B. [6], [7]. dann auch ein vorgespannter Einbau realisierbar, der im aktuellen Verfahren für Textilbeton noch Bei den Textilien, die hauptsächlich für die Anwen- nicht umgesetzt wurde. Erste Studien hierzu sind dung als Bewehrung in Beton verwendet werden aber bekannt, bspw. [8]. sollen, wird das Prinzip verfolgt, die Kräfte konti- nuierlich an allen Punkten verteilt zu übertragen und somit lokale Kraftkonzentrationen zu vermei- 2 Das Verstärken mit Textilbeton den. Die Lastüberleitung zwischen Beton und Be- wehrung (Rovings) findet hauptsächlich über die Mit der im Juni 2014 erteilten 1. allgemeinen Oberfläche des Textils statt. An Knotenpunkten, bauaufsichtlichen Zulassung (abZ) „Verfahren zur bspw. zwischen Längs- und Querfäden, können Verstärkung von Stahlbeton mit TUDALIT® (Tex- sich etwas höhere Spannungskonzentrationen tilbewehrter Beton)“ [9] werden dem Verstärken ergeben, was aber nicht bedeutsam wird. Durch von Bauwerken neue Möglichkeiten eröffnet. Für die Lastübertragung an der gesamten Oberflä- die bis 2014 durchgeführten Praxisprojekte war che wird zudem eine Spannungskonzentration im immer eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) erfor- umgebenden Beton vermieden, womit dünne Be- derlich. Diese konnten zwar auch relativ schnell in- tonschichten erst möglich werden. Ein sinnvoller dividuell beantragt werden, stellten aber dennoch Abstand für die Einzelrovings wird also lediglich für jedes Bauvorhaben ein gewisses Risiko dar. durch die verwendeten Zuschläge limitiert, da die- Seit 2014 gibt es mit der abZ Z-31.10-182 eine Pla- se bzw. der Feinbeton das Gelege durchdringen nungssicherheit für den Bauherrn und damit eine können müssen. Durch die Vermeidung von Last- definierte Grundlage für die Ausschreibung. Die konzentrationen und die möglichst gleichmäßige Eingrenzung des Gültigkeitsbereiches auf Biege- Verteilung der Zugbewehrung wird es bei Verstär- verstärkungen im Innenbereich erscheint auf den kungen mit Carbonbeton also möglich, ein hoch- ersten Blick als Manko. Dennoch ist diese abZ ein festes Bewehrungsmaterial (Carbon) mit einem maßgeblicher Meilenstein im Sinne einer Vorar- relativ günstigen „Kleber“ (Zement) an einem beit für alle weiteren Zulassungen, die teilweise Bauteiluntergrund zu befestigen und so ein nach- bereits in Arbeit sind. trägliches Verbundbauteil zu erzeugen. In dieser Zulassung wird das Verstärken von De- Ein etwas anderer Ansatz wird bei dem Verfah- ckenplatten im Innenbereich (Maximaltemperatur ren zur Verstärkung mit CFK-Laschen gewählt. Im von 40 °C und maximale relative Luftfeuchtigkeit Endeffekt bestehen die CFK-Laschen auch aus von 65 %) geregelt. Zugelassen ist der Feinkorn- Einzelfilamenten, die mit Epoxidharz zu einem beton TUDALIT-TF10-PAGEL mit einem Größt- korn von 1 mm, der für den Einbau im Sprühverfahren und das Zusam- menspiel mit der textilen Carbonbe- wehrung optimiert ist. Der Anwen- der erhält das überwachte Produkt mit einer Biegezugfestigkeit von 6 N/mm², einer Betondruckfestigkeit von 80 N/mm² und einem E-Modul von ca. 25.000 N/mm² (jeweils Untergrenzen für die charakteristi- schen Werte) als Trockenmischung in Säcken, Bild 2, der nur noch An- machwasser zugegeben werden muss. Für die textile Carbonbeweh- rung stehen aktuell die zwei Textili- Bild 4: Carbonbewehrung nach abZ Z-31.10-182 en TUDALIT-BZT1-TUDATEX und (Foto: Frank Schladitz) ­TUDALIT-BZT2-V.FRAAS von den

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Bild 5: Brücke in Kempten (Foto: Harald Michler)

Herstellern TUDATEX GmbH und V. Fraas Solu- 3 Anwendung von Textilbeton im tions in Textile GmbH zur Verfügung. Bei beiden Brückenbau Textilien handelt es sich um unidirektionale Texti- lien, d. h. in der Längsrichtung (Haupttragrichtung) 3.1 Aktuelle Anwendungsgrenzen steht je nach Textil eine Carbonbewehrungsfläche von 125 bzw. 144 mm²/m zur Verfügung. In der Die Zulassung „Verstärken mit Textilbeton“ [9] Querrichtung sind jeweils ca. 25 mm²/m vorhan- ist im Brückenbau nicht anwendbar bzw. nur im den, siehe Bild 4. Prinzip übertragbar. Dies liegt an der Eingrenzung bezüglich Temperatur und Feuchte (Anwendung In der Zulassung werden alle Materialkennwer- im Innenbereich) und – im Hinblick auf die Bean- te und ein Bemessungsverfahren zur Verfügung spruchung – an der nicht vorwiegend ruhenden gestellt, um eine Verstärkung von Stahlbeton- Belastung, die im Brückenbau zu berücksichtigen platten vornehmen zu können. Das Rechenver- ist und die durch die abZ nicht erfasst wird. Beide fahren lehnt sich an die gebräuchliche Stahlbe- Themengebiete wurden bereits ansatzweise be- tonbemessung an und ist mit Beispielen auch in trachtet [2], und werden in aktuell beginnenden [10] oder [11] vorgeführt. Weiterhin werden die bzw. bereits laufenden Forschungsvorhaben – Eignungsprüfung des zu verstärkenden Beton- vorrangig innerhalb des Großforschungsprojektes grundes behandelt und die Verfahren und nachzu- C3 – Carbon Concrete Composite [15] – tiefgehen- weisenden Kennwerte sowohl für die Fertigungs- der beleuchtet, und eine baldige Anwendbarkeit überwachung als auch für Bauüberwachung und ist wahrscheinlich. Das C³-Projekt ist das aktu- Bauabnahme definiert. Weiterführende Hinweise ell größte deutsche Forschungsprojekt im Bau­ zur Anwendung der Zulassung, Informationen zu wesen. Es wird von der Bundesregierung (BMBF) praktischen Anwendungen und zu Hintergründen im Rahmen des Förderprogramms Zwanzig20 – liefert die Zeitschrift Beton-und Stahlbetonbau Partnerschaft für Innovation [16] mit 45 Millionen Spezial „Verstärken mit Textilbeton“, die im Janu- Euro Fördermitteln unterstützt. Zusammen mit ar 2015 erschienen ist [12]. den Eigenmitteln der zurzeit über 130 Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft stehen über 60 Mil- Das Verfahren kann von jedem angewendet wer- lionen Euro Forschungsmittel für die marktorien- den, der eine entsprechende Schulung vorweisen tierte Entwicklung der Carbonbetonbauweise zur kann. Diese zweitägige Schulung besteht aus ei- Verfügung. Neben der wichtigen Material- und nem theoretischen und praktischen Teil, wobei im Verfahrensentwicklung stehen Themen wie Stan- praktischen Teil eine Stahlbetonplatte verstärkt dardisierung, Normung, Aus- und Weiterbildung, und anschließend geprüft wird, [13], [14]. Arbeitsschutz, Recycling und multifunktionale

240 Harald Michler: Verstärken mit Carbonbeton im Brückenbau

Anwendungen im Mittelpunkt. Bis 2020 sollen längste Brücke aus Textilbeton, ist das Brücken- so alle Voraussetzungen geschaffen werden, um bauwerk über die Bundesstraße 463 in Albstadt- Carbonbeton flächendeckend in den Markt ein- Lautlingen, [19], [20]. Diese im November 2010 führen zu können. Aber auch schon heute würde fertiggestellte, sechsfeldrige Brücke hat eine Ge- das Verfahren einige Vorteile im Brückenbau bie- samtlänge von 97 m und ist ein Kind des DFG- ten, wie in den folgenden Kapiteln dargelegt wird. Sonderforschungsbereiches 532 der RWTH Auch werden erste Anwendungen aus dem Brü- Aachen und wurde maßgeblich durch die Firma ckenbau vorgestellt, s. a. [17]. Groz-Beckert finanziert. Diese flache Deckbrücke kann – im Vergleich zu den Dresdner Segmentbrü- cken – auf „Geländer“ aus Textilbeton verzichten. 3.2 Brücken aus Mit der aus zusammengespannten Fertigteilträ- textilbewehrtem Beton gern bestehenden Durchlaufträgerkonstruktion werden dem Brückenbau mit Textilbeton enorme Bekanntlich steht die weltweit erste Brücke aus Potenziale erschlossen. Textilbeton auf dem Gelände der Landesgarten- schau in Oschatz, wofür sie 2005 entwickelt Bei alle diesen Brücken wurde eine Bewehrung worden war. Sie wurde mit mehreren Preisen aus alkaliresistentem Glas (AR-Glas) verwendet ausgezeichnet, darunter dem Special Encourage- [20]. Bei der Brücke Albstadt-Lautlingen wurden ment Award“ der fib. Über diese erste Brücke die Gelege vor dem Einbau in die Schalung mit aus Textilbeton wurde beim 16. Dresdener Brü- Epoxidharz getränkt. Dadurch entstehen form- ckenbausymposium 2006 [1] ausführlich berich- stabile und robuste Bewehrungselemente mit tet. Im Herbst 2007 wurde eine zweite, ca. 17 m hoher Bruchspannung. Diese Formstücke wer- lange Fuß- und Radwegbrücke in Kempten der den als 3-D-Strukturen eingesetzt, um den stark Öffentlichkeit übergeben, welche im Gegensatz gegliederten Querschnitt des aus sieben Stegen zu der Brücke in Oschatz neben der Fußgänger- gebildeten Plattenbalkens optimal bewehren zu last auch ein Räumfahrzeug tragen kann. Dies können. Verbunden mit einer Längsvorspannung ist aktuell die weltweit längste Segmentbrücke aus etablierten Monolitzen können so die bis zu aus Textilbeton. Auch über diese Brücke wurde 17,2 m spannenden Träger mit einer Bauhöhe von bereits an dieser Stelle [3] oder auch in [18] be- lediglich 43,5 cm ausgeführt werden. Die Brücke richtet (Bild 5). erreicht damit eine beachtliche Schlankheit von 1:35. Der Akkuratesse und Exaktheit nicht nur der Eine noch längere Brücke, und damit die derzeit Brücke sondern auch der einzelnen Bauteile, wie

Bild 6: Brücke in Kempten – Einheben des kompletten Überbaus (Foto: Harald Michler)

241 26. Dresdner Brückenbausymposium den Bewehrungselementen, muss hohe Anerken- lich geänderter Feinbeton mit einem Zuschlag nung gezollt werden. Eindrucksvolle Dokumenta- bis zu 8 mm eingesetzt, um die Anforderungen tionen und Beschreibungen dieser Brücke finden an Straßenbetone erfüllen zu können. Aber auch sich in der weiterführenden Literatur, auf die u. a. dies kann mit Textilbeton gewährleistet werden. verwiesen wurde. Professor Feix (Universität Innsbruck) kam nach Abschluss des Projektes zu folgendem Ergebnis: Als vielstegiger durchlaufender Plattenbalken „Zusammenfassend kann schon jetzt festgehal- unterscheidet sich die Brücke in Albstadt-Laut- ten werden, dass der Einsatz von Textilbeton auch lingen deutlich von den Textilbetonbrücken in bei dynamischer Belastung hervorragend als Ver- Oschatz und Kempten. Diese sind jeweils einfel- stärkungsmethode geeignet ist“ [24]. Dem kann drige Schalenkonstruktionen und entstanden im sich der Autor nur anschließen. Rahmen des DFG-Sonderforschungsbereiches 528 an der TU Dresden [21], wobei speziell bei Ideale Bauteile für ein Verstärken im Brückenbau der Brücke in Kempten bewiesen werden muss- sind zunächst alle Platten- und scheibenförmigen te, dass sie nicht wesentlich mehr kostet als eine Bauteile, wie bspw. die Gurtplatten von Hohl- etablierte Brückenkonstruktion. Beiden Dresd- kastenbrücken, die für die Verstärkung einen ner Brücken liegt der Gedanke eines extremen optimalen statischen Hebelarm zur Verfügung Vorfertigungsgrades zu Grunde. Der Überbau stellen und an der Unterseite eine ebene Fläche wird im Prinzip fix und fertig an den Einsatzort bieten. Eine Krümmung aus Voutung, Gradiente transportiert und auf die vorbereiteten Widerla- oder Radius ist dabei im Allgemeinen unprob- ger gesetzt (Bild 6). Damit ist die Brücke quasi lematisch. Natürlich können diese Gurtplatten sofort betriebsbereit. Dazu mussten die Brücken auch im Hohlkasteninneren verstärkt werden, entsprechend leicht sein, weshalb sie als Scha- um weitere Verstärkungsflächen unterbringen zu lentragwerke konzipiert wurden, einem Konst- können. Jedoch ist hier eine Erschwernis durch ruktionsprinzip, das für seine leichten, filigranen Einbauten wie Spannlisenen und Querträgern zu Tragstrukturen bekannt ist und seine Vorbilder in erwarten. Für lokale Verstärkungen, zum Beispiel der Natur hat, da sie quasi ein Inbegriff des Prin- im Bereich von Koppelfugen, bieten sich aber zips form follows force sind. auch diese Einbauorte an. Bei den Untergurten von Plattenbalken dürfte das Verhältnis der vor- handenen Fläche zu der erforderlichen Verstär- 3.3 Das Verstärken mit Textilbeton kungskraft zu ungünstig sein. Jedoch zeigen erste, auch dynamisch durchgeführte Tastversu- Mit der Optimierung für das Biegeverstärken von che, dass es durchaus möglich ist, diese Bauteile Decken, s. a. abZ [9], ist ein Verfahren geschaf- für Querkraft zu verstärken, wie dies bereits in fen, um Untersichten – und hier sowohl Platten als [2] gezeigt wurde. Hier wurde ein sogenanntes auch Stege, also vertikal bis horizontal – mit einem 45-°-Textil mit Ausrichtung der Schuss- und Kett- einfachen Verfahren zu verstärken, Bild 7. Durch fäden im Winkel von 45 ° zur Bauteillängsachse die hohe Haftkraft des Feinbetons ist es mög- entsprechend des üblichen Fachwerkmodells lich, diesen auch über Kopf zu sprühen und dabei für den Querkraftabtrag (Bild 8) seitlich auf den mehrere Bewehrungslagen und Be- tonzwischenlagen nass in nass zu erstellen. Nach der Zulassung [9] ist dies aktuell auf vier Lagen begrenzt, versuchsweise wurden aber auch schon Verstärkungen bis zu sieben Lagen hergestellt, ohne dass sich ein Ablösen gezeigt hat.

Auch das Verstärken von Platten­ oberseiten lässt keine prinzipiellen Probleme vermuten. Als Einbauver- fahren ist dann ein Laminierverfah- ren zweckmäßiger, wie es bereits bei einem Pilotprojekt in Österreich erprobt wurde [22], [23], [17]. Hier geht man soweit, dass direkt be- fahrene Textilbetonschichten an- gewendet werden. Allerdings wird Bild 7: Verstärkung einer Deckenplatte, Einbau des Textilbetons über in diesem Projekt auch ein erheb- Kopf im Sprühverfahren (Foto: Frank Schladitz)

242 Harald Michler: Verstärken mit Carbonbeton im Brückenbau

Steg appliziert, ohne dass eine Ver- ankerung in der Druckzone für die nachgewiesenen Laststeigerungen nötig war. Die Verstärkungsschicht endet am Ansatz der oberen Gurt- platte ohne Umlenkung.

Mit der Zulassung werden die ent- sprechenden qualitätsüberwachten Materialien für eine Verstärkung definiert, wie sie auch auf von den Randbedingungen der abZ abwei- chende Fälle übertragen werden können. Die auf der Baustelle zu erbringenden Voraussetzungen und Bild 8: Verstärkung eines Plattenbalkens mit einem 45-°-Carbontextil Nachweise sind klar geregelt: für Querkraftversuche, hier für eine einfachere Ausführung im Labor auf dem Kopf liegend q Die Materialien Feinbeton und tex- (Foto: Institut für Massivbau, TU Dresden) tile Bewehrung sind auf der Bau- stelle trocken und sauber zu lagern. Auf den vorbereiteten Untergrund wird eine ers- q Die textile Bewehrung kann vorkonfektioniert te ca. 3 mm dicke Schicht Feinbeton aufgetra- angeliefert oder auf der Baustelle mit handels- gen, Bild 10, und anschließend die erste Lage üblichen Scheren zugeschnitten werden, kom- der textilen Bewehrung eingelegt, Diese Schrit- fortabler sind Rollenmesser (Bild 9). te werden so oft wiederholt, bis die notwendige Lagenanzahl resp. gewünschte Tragfähigkeit der q Das Vorbehandeln der zu verstärkenden Fläche Carbonbetonschicht erreicht ist. Die abschließen- hat in Anlehnung an eine Stahlbetonverstärkung de Feinbetonschicht kann je nach Wunsch geglät- zu erfolgen. Dies beinhaltet das Lösen von losen tet oder spritzrau belassen werden. Die äußerst Teilen und das Aufrauen der Oberfläche (z. B. dünne Verstärkungsschicht ist vor Austrocknung vorzugsweise durch Hochdruckwasserstrahlen) zu schützen und ausreichend nachzubehandeln. und Überprüfung der Tragfähigkeit des Unter- Eine elegante Lösung dürften hierbei Flüssigfoli- grundes mittels Haftzugprüfungen am Bauwerk. en darstellen, die auch später einen Schutz des Bauwerks gewährleisten. q Ggf. örtliche Ausbesserung von Fehlstellen größeren Ausmaßes vor dem Aufbringen der Mit den aktuellen Textilien ist im Hochbau eine Verstärkungsschichten, wobei die gleichen maximal vierlagige Verstärkung möglich, was Materialien eingesetzt werden können wie für einer Verstärkungskraft von ca. 650 kN/m als die Verstärkung selbst. Design­last entspricht. Dies ist etwas mehr als eine konventionelle Stahlbewehrung aus Ø16 / s = 15 cm zur Verfügung stellen würde. Prinzipiell muss das Verfahren nicht auf vier textile Lagen beschränkt werden, jedoch sind dann höhere An- forderungen an die Untergrundqualität zu stellen, die im Brückenbau erfüllt sein sollten. Ein An- passen der Betonmatrix gegenüber der abZ ist ebenso denkbar, um größere Kräfte in den Unter- grund einleiten oder die Abriebfestigkeit erhöhen zu können. Auch können Textilien mit größerer Bewehrungsfläche als bisher zugelassen einge- setzt werden, beispielsweise Rovings mit 100 K oder gar 200 K (100 bzw. 200 × 1.000 Filamen- te). Hierbei müssten dann die Stärken der Beton- zwischenlagen oder gar die Betonqualität (Zug- festigkeit) angepasst werden und auch an die Untergrundfestigkeit sind wieder höhere Anfor- Bild 9: Händisches Zuschneiden der Bewehrung, derungen zu stellen. Die Untersuchungen wer- hier: mit einem elektrischen Rollenmesser den in aktuellen Projekten des C³-Konsortiums (Foto: Harald Michler) [15] stattfinden.

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Bild 10: Sprühen des Feinbetons für eine Carbonbetonschicht (Foto: Harald Michler)

3.4 Das Schützen mit Textilbeton korrodierter Betonstahlbewehrung, wohlmöglich aufgrund von angestautem Wasser, angepralltem Unabhängig von einer statischen Verstärkung ist Treibgut oder ähnlichem. Man findet auch diverse aber auch der Gedanke interessant, ein bestehen- Schadstellen, verteilt an der Unterseite der Platte, des Bauwerk durch eine umhüllende Schicht aus die von Baufehlern oder anderem herrühren kön- Textilbeton zu schützen und damit die Nutzungs- nen. zeit für das Bauwerk erheblich zu verlängern, [25], [26]. Viele Bauwerke haben ein Problem mit der Bei der Sanierung würde man sicherstellen, dass schützenden Betondeckung. Sei es nun, dass das Bauwerk von oben dicht ist, um anschließend diese gar nicht ausgeführt worden ist oder dass die Unterseiten mit Hochdruckwasserstrahlen diese über die Zeit bspw. infolge Karbonatisierung aufzurauen und dabei gleichzeitig alle Fehlstel- ihre Schutzwirkung für die Betonstahlbewehrung len freizulegen und lose Betonbestandteile zu verloren hat. Grund dafür kann ein „schlechter Be- entfernen. „Sandstrahlen“ ist grundsätzlich auch ton“ sein, der das Eindringen von Wasser und da- möglich. Die korrodierte Betonstahlbewehrung ist mit den Transport von Salzen ins Bauwerk zulässt. dann örtlich zu entrosten und ggf. zu ersetzen und/ In all diesen Fällen kann eine relativ dünne Schicht oder wieder zu passivieren. Alle Fehlstellen wer- aus einem dichten Textilbeton ein Bauwerk für den lokal ausgebessert. Im Anschluss wird eine viele Jahre erneut schützen und somit dauerhaft Textilbetonschicht über alle Flächen (Untersicht, machen. Eine derartige schützende Sanierung Stirnseiten, Kragarme) gezogen. Dabei wird eine kann durchaus mit einer lokalen Verstärkung kom- erste Lage aufgesprüht, wozu als Maschinerie nur biniert werden, da die Bewehrungslagen einfach eine relativ einfache Putzsprühmaschine erforder- variiert werden können. lich ist. In diese erste Schicht wird die Bewehrung aus textilem Gelege entsprechend der Bean- Wie eine derartige Sanierung aussehen kann, spruchung eingelegt und lokal angepasst. Darauf zeigt das Beispiel einer einfachen Brücke, die folgt eine weitere Schicht Feinbeton und wieder eine Bundesstraße über einen Bach überführt, eine Bewehrungsschicht beziehungsweise die Bild 11. Typischerweise sind dies Plattenbrücken, abschließende Betonschicht, die dann durchaus die im Allgemeinen keinen statischen Problemen etwas stärker ausgebildet werden kann. Zum unterliegen. Jedoch findet man oberstromseitig Schluss wird die Oberfläche geglättet und dar- häufig Abplatzungen mit entsprechenden stark auf vorzugsweise eine Flüssigfolie aufgesprüht,

244 Harald Michler: Verstärken mit Carbonbeton im Brückenbau um die entsprechende Nachbehandlung des Be- chengestaltung mit Matrizen und Walzen kann re- tons sicherzustellen. Diese Arbeiten lassen sich lativ einfach erfolgen. Damit könnten zum Beispiel mit wenig Personal und Geräteaufwand auch von verstärkte oder geschützte Widerlagerwände kleinen Baubetrieben sicher durchführen. Auf eine durchaus ansprechender gestaltet werden. entsprechende Schulung des Personals muss na- türlich geachtet werden, [13], [14]. Auch ist es jederzeit möglich, dieser abschlie- ßenden Schicht Feinbeton Farbartikel oder ent- sprechende Sande und Effektmittel beizugeben. 3.5 Oberflächengestaltung Damit lässt sich dann auch eine farbliche Anpas- sung erzielen und zusätzlich zu dem Schutz bezie- In dem Punkt der Oberflächenglättung und -ge- hungsweise der Verstärkung der Bauwerke wird staltung liegt noch einiges an Potenzial. Für den gleichzeitig eine optische Aufwertung erreicht. statischen Abschluss wird eine Oberfläche, wie Denkbar sind diese Maßnahmen eigentlich an al- oben beschrieben, benötigt. Diese kann geglättet len Sichtflächen, besonders hervorzuheben sind oder eventuell auch als eine raue Sprühoberfläche Widerlagerwände, Stützen, Stegseitenflächen belassen werden, wobei die raue Sprühoberflä- und natürlich auch die Kappen bzw. Gesimse der che immer nach dem letzten Glätten separat auf- Brücken. Ausweiten lässt sich dies zudem auf gebracht werden muss, denn durch das Glätten Lärmschutzwände bzw. Stützwände allgemein, wird sichergestellt, dass die Schichten genügend wobei bei Lärmschutzwänden höhere Anforde- Verbund untereinander haben. rungen an die Schallabsorption und Reflexion ge- stellt werden, als diese mit dem Feinbeton alleinig Den Gedanken, eine zusätzliche Schicht als Sprüh- bereitgestellt werden können. Es wird ein speziel- oberfläche zum Abschluss aufzubringen, kann ler Schallabsorptionsbeton vonnöten sein. man weiterführen. Wir verwenden einen Fein- kornbeton, der es erlaubt, relativ feine Strukturen abzubilden, weshalb das Material auch schon für zahlreiche Kunst- und Designobjekte verwendet wurde, [27], [28]. Eine entsprechende Oberflä-

Bild 11: Brücke Bretnig (LISt) mit Detail korrodierte Bewehrung (Foto: Harald Michler)

245 26. Dresdner Brückenbausymposium

3.6 Das Bemessen von Textilbeton gezeigt, deutlich von der bekannten Stahlbeton- bewehrung unterscheiden. Arbeiten zum Thema Zum Schluss bleibt noch die Frage nach der Be- Rissbreiten werden ebenfalls in Kürze erscheinen messung von Textilbeton. Wie bereits erwähnt, und sind Bestandteil der aktuellen Bearbeitung orientiert sich diese für die verschiedenen Be- im Rahmen des C³-Projektes und anderer For- lastungszustände wie Biegung, Normalkraft, schungsvorhaben. Querkraft und Torsion an der bekannten Stahl- betonbemessung. Modelle wurden bisher v. a. in verschiedenen Dissertationen, hauptsächlich 4 Fazit aus den Sonderforschungsbereichen und Folge- projekten, veröffentlicht. Eine Zusammenfassung Insgesamt birgt das flächige Verstärken von Be- wird in [11] gegeben. tonbauteilen im Brückenbau erhebliche Mög- lichkeiten. Besonders hervorzuheben ist, dass Im Hinblick auf die abZ, aber auch auf bereits bei dieser flächigen Verstärkungsmethode keine durchgeführte Baumaßnahmen, z. B. [29], [30], Lastkonzentrationen entstehen und damit eini- soll hier kurz etwas näher auf die Biegebemes- ge potentielle Schwachstellen anderer Verfahren sung eingegangen werden. Die den Ingenieuren umgangen werden. Es muss aber auch hervorge- bekannten Ansätze einer Dehnungsverteilung und hoben werden, dass Verstärkungsgrade, wie sie der daraus folgenden Kräfteermittlung im Quer- beispielsweise durch die Anordnung zusätzlicher schnitt werden übernommen. Einzig und allein be- externer Spannglieder erzielt werden, mit einer züglich der anzusetzenden Spannungs-Dehnungs- textilen Verstärkung nur unter besonderen Bedin- Linien für das Bewehrungsmaterial sind hier neue gungen erreicht werden können. Bei der textilen Werte für das neue Material erforderlich. Für die Verstärkung spielt aber auch der Gedanke, das aktuellen Verstärkungstextilien ist eine quasi line- Bauwerk mit einer zusätzlichen Schicht zu schüt- are Spannungs-Dehnungs-Linie relativ zutreffend, zen, eine bedeutende Rolle. Diese neue Oberflä- wie dies bspw. in [10] ausführlich vorgeführt wird. che würde viele Bauwerke über einen langen Zeit- raum funktionstüchtig erhalten können, indem die Im Allgemeinen wird so bemessen, dass die rela- bisherige Bausubstanz nicht mehr der Zerstörung tiv teure Carbonbewehrung voll ausgenutzt wird, durch Umwelteinflüsse ausgesetzt wird. folglich diese statt der Betondruckzone versagt. Damit kann man sich bei der Bemessung auf ei- nen Drei-Punkt-Querschnitt beschränken, da im Literatur Falle einer Verstärkung im Querschnitt zwei Be- wehrungslagen – Stahl und Textil – berücksichtigt [1] Curbach, M.; Weiland, S.; Jesse, D.: Eine werden müssen, weil diese beiden Bewehrungen Segmentbrücke aus textilbewehrtem Beton ein unterschiedliches Spannungs-Dehnungs-Ver- für die Landesgartenschau 2006 in Oschatz. halten haben. Die Dicke der Verstärkungsschicht In: Stritzke, J. (Hrsg.): Tagungsband zum 16. und somit der Schwerpunkt für textile Beweh- Dresdner Brückenbausymposium, 14.3.2006 rung wird geschätzt. Dann kann mit Hilfe des in Dresden, Dresden: Institut für Massivbau Spannungsblock-Verfahrens eine relativ grobe der TU Dresden, 2006, S. 143–157 Verifizierung gegenüber der Betondruckfestigkeit [2] Brückner, A.; Wellner, S.; Ortlepp, R.; Schee- erfolgen. Da man davon ausgehen kann, dass rer, S.; Curbach, M.: Plattenbalken mit Quer- der Betonbewehrungsstahl bei einer Verstär- kraftverstärkung aus Textilbeton unter nicht kung mehr als 2,5 ‰ gedehnt ist, ab wo er ins vorwiegend ruhender Belastung. Beton- und Fließen geraten ist, und der Hebelarm über den Stahlbetonbau 108 (2013) 3, S. 169–178; Querschnitt bekannt ist, kann auch für die Car- Zweitabdruck in: Curbach, M. (Hrsg.): Ta- bonbewehrung die ertragbare Zugkraft einfach gungsband zum 23. Dresdner Brücken- abgeschätzt werden. Mit dem Verfahren können bausymposium, 11./12.3.2013 in Dresden, auch relativ einfach Vordehnungszustände erfasst Dresden: Institut für Massivbau der TU Dres- werden. Die Ermittlung der erforderlichen Car- den, 2013, S. 255−266 bonfläche wird schließlich so vollzogen, dass das [3] Michler, H.: Innovativ! Leicht! Formbar! Kräftegleichgewicht im Querschnitt erfüllt wird. Bewährt! – Textilbetonbrücke Rottachsteg Genauere Bemessungsverfahren werden in Zu- Kempten im Allgäu. In: Curbach, M. (Hrsg.): kunft in Software integriert, was u. a. ebenfalls in- Tagungsband zum 23. Dresdner Brücken- nerhalb eines Projektes im C³-Konsortium erfolgt. bausymposium, 11./12.3.2013 in Dresden, Dresden: Institut für Massivbau der TU Dres- Bei der Berechnung der Rissbreiten wird es dann den, 2013, S. 239–252 schwieriger, da hier die Verbundbedingungen eine [4] Jesse, F.; Curbach, M.: Verstärken mit Tex- erhebliche Rolle spielen und diese sich, wie oben tilbeton. In: Bergmeister, K.; Fingerloos, F.;

246 Harald Michler: Verstärken mit Carbonbeton im Brückenbau

Wörner, J.-D. (Hrsg.): Beton-Kalender 2010, wehrtem Beton – Rottachsteg Kempten im Teil I, Berlin: Ernst & Sohn, 2009, S. 457–565 Allgäu, Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013) [5] Scheerer, S.; Schladitz, F.; Curbach, M.: Tex- 5, S. 325–334 tile reinforced Concrete – from the idea to a [19] Bramenshuber, W.; Hinzen, M.; Wocher, M.: high performance material. In: Brameshuber, Elegante Fußgängerbrücke aus textilbewehr- W. (Ed.): Proceedings of the FERRO-11 and tem Beton. Beton 60 (2010) 11, S. 438–444. 3rd ICTRC (PRO 98), 7.–10.6.2015 in Aa- [20] Hegger, J.; Goralski, C.; Kulas, C.: Schlanke chen, Bagneux: S.A.R.L.Rilem Publications, Fußgängerbrücke aus Textilbeton. Beton- 2015, pp. 15–33 und Stahlbetonbau 106 (2011) 2, S. 64–71 [6] Curbach, M.; Scheerer, S.: Carbon im Brü- [21] http://tu-dresden.de/forschung/forschungs- ckenbau. In: Curbach, M. (Hrsg.): Tagungs- kompetenz/sonderforschungsbereiche/ band zum 24. Dresdner Brückenbausympo- sfb528/ (geprüft am 11.1.2016) sium, 10./11.3.2014 in Dresden, Dresden: [22] Feix, J.; Hansl, M.: Zur Anwendung von Tex- Institut für Massivbau der TU Dresden, 2014, tilbeton für Verstärkungen im Brückenbau. In: S. 15–28 Gebekken, N. et al. (Hrsg.): Festschrift zum [7] Schlaich, M.; Zwingmann, B.; Liu, Y., Goller, 60. Geburtstag von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Man- R.: Zugelemente aus CFK und ihre Veranke- fred Keuser, Berichte aus dem konstruktiven rungen. Bautechnik 89 (2012) 12, S. 841–850 Ingenieurbau 12/4, München: Universität der [8] Vorspannen mit Carbonfäden. In: Curbach, Bundeswehr München, 2012, S. 289−295 M.; Häußler-Combe, U. (Hrsg.): Jahresbe- [23] Hansl, M.: Textilbewehrte Betone zur In- richt 2015 des Instituts für Massivbau der standsetzung und Verstärkung von Fahr- TU Dresden. Dresden: Institut für Massivbau bahnplatten aus Stahlbeton. Diss., Universi- der TU Dresden, 2016, S. 36-37 tät Innsbruck, 2014 [9] Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt): [24] Feix, J.: Dynamische Belastungen von textil- Verfahren zur Verstärkung von Stahlbeton bewehrten Bauteilen. TUDALIT-Magazin 13 mit TUDALIT® (Textilbewehrter Beton). All- (2015) Sept., S. 20 (www.tudalit.de/uploads/ gemeine bauaufsichtliche Zulassung, Zulas- TUDALIT13srn.pdf) sungsnummer: Z-31.10-182, 6/2014 [25] Dupke, M.: Textilbewehrter Beton als Korro- [10] Frenzel, M.: Bemessung textilbetonverstärk- sionsschutz. Diplomarbeit, HTWK Leipzig, ter Stahlbetonbauteile unter Biegebeanspru- 2006 chung. Beton- und Stahlbetonbau Spezial 2015 [26] Raupach, M.; Büttner, T.: Des Bauwerks – Verstärken mit Textilbeton, Jan., S. 54–68 neue Kleider, Funktionsprinzipien und Ein- [11] Müller, E.; Scheerer, S.; Curbach, M.: satzmöglichkeiten von Textilbetonschichten Strengthening of existing concrete struc- zum Schutz von Bauwerken. Bauen im Be- tures: Design models. In: Triantafillou, T. C. stand 35 (2012) 6, S. 70–75 (Ed.): Textile Fibre Composites in Civil Engi- [27] Scheerer, S.; Michler, H.: Freie Formen mit neering, Woodhead Publishing – Elsevier (im Textilbeton. Beton- und Stahlbetonbau Spe- Druck, erscheint 2016) zial 2015 – Verstärken mit Textilbeton, Jan., [12] Beton- und Stahlbetonbau Spezial 2015 – S. 94–100 – DOI: 10.1002/best.201400113 Verstärken mit Textilbeton, Jan. [28] Curbach, M. (Hrsg.): Hans-Volker Mixsa [13] Reese, U.: Innovative Werkstoffe am Bau – – Skulpturen in Beton. Katalog zu einem Weiterbildung Textilbeton. Beton- und Stahl- Projekt der Deutschen Forschungsgemein- betonbau Spezial 2015 – Verstärken mit Tex- schaft DFG im Rahmen des SFB 528 mit tilbeton, Jan., S. 106–108 Fotos und Texten von Ulrich van Stipriaan, 2. [14] Assmann, U.; Offermann, P.: Nutzung der erw. Auflage, Dresden: Institut für Massiv- abZ “Verfahren zur Verstärkung von Stahlbe- bau der TU Dresden, 2012, 48 S. ton mit TUDALIT® (Textilbewehrter Beton)”. [29] Erhard, E.; Weiland, S.; Lorenz, E.; Schla- Beton- und Stahlbetonbau Spezial 2015 – ditz, F.; Beckmann, B.; Curbach, M.: Anwen- Verstärken mit Textilbeton, Jan., S. 109 dungsbeispiele für Textilbetonverstärkung; [15] http://www.bauen-neu-denken.de/ (Geprüft Instandsetzung und Verstärkung bestehen- am 11.1.2016) der Tragwerke mit Textilbeton. Beton- und [16] http://www.unternehmen-region.de/ Stahlbetonbau Spezial 2015 – Verstärken mit de/6829.php (Geprüft am 11.1.2016) Textilbeton, Jan., S. 74–82 [17] Scheerer, S.; Michler, H.; Curbach, M.: Brü- [30] Rempel, S.; Will, N.; Hegger, J.; Beul, P.: Fili- cken aus Textilbeton. In: Mehlhorn, G.; Cur- grane Bauwerke aus Textilbeton: Leistungs- bach, M. (Hrsg.): Handbuch Brücken. 3. fähigkeit und Anwendungspotenzial des überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden: Springer innovativen Verbundwerkstoffs. Beton- und Vieweg, 2014, S. 120–125 Stahlbetonbau Spezial 2015 – Verstärken mit [18] Michler, H.: Segmentbrücke aus textilbe- Textilbeton, Jan., S. 83–93

247 Dirk Proske: Szenario-Spektren beim seismischen Nachweis von Brücken

Zur Anwendung von Szenario-Spektren beim seismischen Nachweis von Brücken

Dr.-Ing. habil. Dirk Proske Axpo Power AG, Döttingen (Schweiz)

Zusammenfassung Proxydaten fehlerhafte Werte in die Statistik ein- zubauen. So kann man statistisch nachweisen, In den vergangenen Jahren haben verschiede- dass die Anzahl der Vulkanausbrüche während ne Studien zur Ermittlung von Einwirkungen auf der Weltkriege sank [6]. Auch gibt es Statistiken, Bauwerke gezeigt, dass manche Einwirkungen die nachweisen, dass an Sonntagen eine größe- bislang unterschätzt wurden. Dazu zählt auch die re seismische Aktivität auftritt, als an anderen seismische Einwirkung. Auf der anderen Seite zei- Wochentagen [7]. Solche Effekte stehen in der gen gut konstruierte Bauwerke im Allgemeinen Regel nicht in direktem Zusammenhang mit den und Brückenbauwerke im Besonderen unter seis- beobachteten Erscheinungen, sondern weisen mischen Einwirkungen oft eine höhere Tragfähig- auf systematische Fehler bei der Erhebung oder keit als rechnerisch erwartet. Neue numerische Auswertung hin und beeinflussen die Qualität der Verfahren, wie die Anwendung der Cumulative- Ergebnisse negativ. Absolute-Velocity- oder Szenario-Spektren (Con- ditional Spectrum) können diese rechnerischen Die Identifikation und Benennung von Unsicher- Reserven ausweisen. Im folgenden Beitrag wird heiten hat in den vergangenen Jahren gerade im näher auf das Verfahren der Conditional Spectra Erdbebenwesen zu einer deutlichen Qualitätsver- bzw. Conditional Mean Spectra eingegangen. Der besserung der Bestimmung der Gefährdungen Beitrag fasst den aktuellen Stand von Wissen- bzw. Einwirkungen geführt. Nicht umsonst hat schaft und Technik in diesem Bereich zusammen. man in verschiedenen Ländern weltweit die seis- Er zeigt, wie man solche Spektren und die dazu- mischen Gefährdungen und Einwirkungen neu gehörigen Zeitverläufe selbst erstellen kann. In bestimmt, wie z. B. in den PEGASOS- [8], CEUS- den USA ist in den vergangenen Jahren die erste SSC- [9], SIGMA- [10], EMME- [11] oder SHARE- Brücke damit bemessen und erbaut worden. 2016 Studien, natürlich auch, um den erheblichen wis- ist dort die Einführung einer normativen Grundla- senschaftlichen Fortschritt in diesem Fachgebiet ge geplant. zu berücksichtigen. Gleichzeitig treten dabei im-

mer wieder neue Fragen auf, wie z. B. die vs-κ-

Problematik, wobei vs die Scherwellengeschwin- 1 Einleitung digkeit und der Beiwert κ ein standortspezifischer Wert für die Simulation von Bodenbewegungen In den vergangenen Jahren wurden weltweit ver- im hochfrequenten Bereich sind. schiedene Studien zur Bestimmung von natürli- chen Einwirkungen auf Bauwerke durchgeführt. Die Berücksichtigung der Unsicherheiten hat, trotz Diese Studien zeigen in vielen Fällen, dass charak- der intensiven Diskussion von Doppelzählungen, teristische Einwirkungen zu optimistisch, also zu häufig zu einer Erhöhung der numerischen seismi- gering, gewählt wurden, [1], [2]. Dies kann häufig schen Gefährdungen und Einwirkungen geführt. auf die systematische Vernachlässigung von Un- sicherheiten, zum Beispiel durch eine begrenzte Datenbasis, die erst in den vergangenen Jahren 2 Brückeneinstürze durch Erdbeben durch die Verwendung historischer Werte erwei- tert werden konnte [3], zurückgeführt werden. Auf der anderen Seite führen nicht alle Erdbeben zu Einstürzen bzw. den Schäden an Bauwerken, Bei den Windlasten haben z. B. Usbeck et al. [4] die man rechnerisch erwarten würde. In vielen auf eine geringe Anzahl Stürme zu Beginn des Fällen zeigen die gut konstruierten Bauwerke ein 20. Jahrhunderts hingewiesen, für Hochwasser besseres Verhalten. So haben selbst inhomoge- weisen Wetter et al. [5] auf ein „Hochwasser- ne historische Mauerwerksbogenbrücken nach loch“ im 20. Jahrhundert am Rhein hin. Beides hat früheren Sanierungen Erdbeben der Magnitude 6 Auswirkungen auf die statistische Auswertung, ohne Schäden abgetragen [13]. die für die Ermittlung der charakteristischen Ein- wirkungen basierend auf den vorhandenen Daten Es existieren verschiedene Datenbanken oder Er- notwendig ist. Auf der anderen Seite besteht die fahrungsberichte zu Schäden an und Einstürzen Gefahr, durch die Berücksichtigung historischer von Brücken, die eine systematische Auswertung

249 26. Dresdner Brückenbausymposium der Ursachen erlauben [14], [15], [16]. Diese zei- Durch die Weiterentwicklung von Wissenschaft gen, dass Erdbeben unterdurchschnittlich zum und Technik im Bereich des erdbebensicheren Versagen von Brücken beitragen. So standen in Bauens und durch die Berücksichtigung dieses den USA maximal 3 % aller Brückeneinstürze zwi- Wissens in neuen Normen konnte außerdem die schen 1980 und 2012 in Verbindung mit Erdbeben Absolutanzahl der Erdbebeneinstürze von Brü- [16], bei anderen Datensätzen liegen die Werte cken verringert werden. Bild 1 zeigt die Verteilung deutlich darunter, wie Tabelle 1 zeigt. Das bezieht der Brückenschäden nach Erdbeben in Bezug auch Beobachtungszeiträume von über 100 Jah- auf die verwendete Normengeneration für die ren mit ein [16]. In praktisch allen Fällen domi- Bemessung der Brücken. Man erkennt deutlich, nieren hydraulische Ereignisse die Einstürze von dass insbesondere durch die Nutzung der moder- Brücken, gefolgt von Anprallen. Der Anteil von neren Vorschriften ab Beginn der 1980er Jahre Anprallen als auslösendes Ereignis für Brücken- die Häufigkeit des Versagens der Brücken durch einstürze liegt teilweise eine Zehnerpotenz über Erdbeben, aber auch die Häufigkeit der schweren dem Anteil der Erdbeben. Schäden deutlich abgenommen haben.

Tabelle 1: Ursachen für Brückenversagen in den USA Trotzdem haben Erdbeben natürlich zum Versa- von 1987 bis 2011 [17] gen von Brücken geführt, wie z. B. dem Einsturz von sieben Brücken während des San-Fernan- Ursache Anzahl Anteil [%] do-Erdbebens 1971, dem Einsturz des Cypress- Street-Viadukts mit 41 Todesopfern während das Hydraulische Ereignisse 379 54,85 Loma-Prieta-Erdbebens 1989 oder Brückenein- Anpralle 89 12,88 stürze während des Kobe-Erdbebens 1995, [17], [19]. Die Bilder 2 und 3 zeigen beispielhaft schwe- Überlastung 78 11,29 re Schäden an Brücken nach dem Kobe-Erdbe- Alterung total 61 8,83 ben. Gleichwohl bestätigen die Beobachtungen Feuer 19 2,75 des Tohoku-Erdbebens 2011 in Japan, dass die schweren und meisten Brückenschäden durch Sturm/Wirbelsturm 17 2,46 den Tsunami und die Überflutung und nicht durch Geotechnische Ursachen 12 1,74 das Erdbeben entstanden sind, [20], [21]. Der An- teil von Erdbeben als auslösendes Ereignis für Konstruktionsfehler 10 1,45 Brückeneinstürze gemäß Tabelle 1 wird also auch Sonstige 7 1,01 für Japan bestätigt. Vergleichbare Studien gibt es auch für andere Länder, z. B. Chile [22]. Erdbeben 6 0,87 Ermüdung 5 0,72 Die Beobachtungen des Verhaltens der Brücken Entwurfsfehler 4 0,58 bei Erdbeben geben einen Hinweis, dass in man- chen Fällen in den numerischen Nachweisen die Bäume 2 0,29 Tragfähigkeit unterschätzt wird. Die Erschließung Fundamentversagen 2 0,29 rechnerischer Reserven bezieht sich nicht nur auf den Grenzzustand der Tragfähigkeit der Brücken, Summe 691 100,00 sondern auch auf die Nutzungsfähigkeit der Brü- cke nach einem Erdbeben. Für die Bewertung der Infrastruktursysteme sind Informa- tionen über die Verfügbarkeit von Streckenabschnitten nach einem schweren Erdbeben von größter Bedeutung. Während man z. B. frü- her keine große Aufmerksamkeit auf die seismische Robustheit von Hafenanlagen gelegt hat, geht man heute davon aus, dass solche Anla- gen für den Wiederaufbau einer Re- gion nach schweren Erdbeben au- ßerordentlich wichtig sind. Dies hat sich z. B. in Kobe 1995 oder in Haiti 2010 gezeigt [23]. Außerdem sind Bild 1: Erdbebeninduzierte Schäden an Brücken im Raum Los Ange- die finanziellen Folgen des Ausfalls les in Abhängigkeit von der verwendeten Normengeneration der Infrast­ ruktursysteme erheblich. zur Bemessung der Brücke [18] Die Gesamtschäden des Hurrikans

250 Dirk Proske: Szenario-Spektren beim seismischen Nachweis von Brücken

Bild 2: Seitlicher Verschub eines Brückenträgers Bild 3: Versagen von Stahlbetonstützen einer Brü- durch das 1995er Kobe-Erdbeben cke beim 1995er Kobe-Erdbeben (Foto: Thomas Wenk, [18]) (Fotos: Thomas Wenk, [18])

Katrina im August 2005, der unter anderem die z. B. in die Spitzenbodenbeschleunigung (PGA). Überflutung von New Orleans verursachte, wur- Für Kalifornien haben Gutenberg und Richter (ent- den auf 125 Milliarden US-Dollar geschätzt [24]. nommen [32]) folgenden empirischen Zusam- Der Ausfall des Hafens kostete allein ca. 40 Mil- menhang vorgestellt: liarden US-Dollar (basierend auf Schätzungen gemäß [25]). Deshalb lautet eine Anforderung an (1) lebenswichtige Strukturbauwerke, wie z. B. die

San Francisco–Oakland Bay Bridge, dass sie auch mit: aPGA PGA-Spektralbeschleunigung nach einem sehr schweren Erdbeben funktions- tüchtig bleiben. IMM Momenten-Magnitude-Intensität

Die Spektralbeschleunigungen sind Bestand- 3 Neue seismische teil der Spektren, die zum Entwurf der Brücken- Nachweisverfahren bauwerke verwendet werden. Das Bodenant- wortspektrum mit einer spezifizierten jährlichen Um nun mögliche rechnerische Reserven der Brü- Überschreitungswahrscheinlichkeit wird auch ckenbauwerke unter seismischen Einwirkungen Gefährdungsspektrum oder Uniform Hazard Spec- zu erschließen, wurden in den vergangenen Jah- trum genannt. Im Folgenden werden die Begrif- ren verschiedene Entwicklungen vorangetrieben. fe Bodenantwortspektrum und Uniform Hazard Diese Entwicklungen greifen wiederrum an ver- Spectrum verwendet. schiedenen Stellen in den Nachweisprozess ein. So hat sich die Anwendung von Pushover-Ana- Es ist allerdings bekannt, dass die Anwendung lysen (verformungsbasierte Analysen) in Verbin- der Spektralbeschleunigungen konservativ ist, da dung mit inkrementellen dynamischen Analysen der PGA-Wert eine Vielzahl von seismischen Pa- (IDA) etabliert. Das Verfahren wurde vom Autor rametern, die für die Bestimmung des Bauwerks- unter anderem in [26], [27] vorgestellt, siehe aber widerstandes unter einem Erdbeben notwendig auch [28], [29]. sind, vernachlässigt.

Einen weiteren Ansatz stellt die Umstellung von Die Cumulative Absolute Velocity wird nun be- Ein-Parameter-Intensitätsparametern, z. B. Spit- stimmt, indem der Beschleunigungs-Zeit-Verlauf zenbeschleunigungen oder Spektralbeschleuni- über die Starkbebendauer integriert wird. Dabei gungen auf vektorbasierte Intensitätsparameter werden die Dauer, die Frequenz, die Amplitude und dar. Dazu zählt die kumulierte absolute Geschwin- die Anzahl der Schwingungen der Zeitverläufe be- digkeit (Cumulative Absolute Velocity CAV) [30]. rücksichtigt, das heißt es werden deutlich mehr für Dieser Ansatz wird im Folgenden kurz erläutert. das Bauwerk relevante Informationen verwendet.

Die beiden bedeutendsten Stärkemaße von Erd- Ein weiteres Verfahren, welches im folgenden beben sind Magnitude und Moment. Die Berück- Abschnitt vorgestellt werden soll, ist die Anwen- sichtigung der Effekte auf Bauwerke erfolgt in so- dung von Szenario-Spektren, die im englischen genannten makroseismischen Intensitätsskalen Sprachgebrauch als Conditional Spectrum (CS) [31]. Diese können empirisch in Ankerpunkte von bzw. Conditional Mean Spectrum (CMS) bezeich- Spektralbeschleunigungen umgerechnet werden, net werden.

251 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 4: Gefährdungskurve für eine seismische Einwirkung (links) und rechts das Bodenantwortspektrum mit Conditional Mean Spectrum an zwei Ankerpunkten

4 Szenario-Spektren wortspektren nach verschiedenen Normen, die häufig sehr breitbandig sind. Diese normativen Bo- 4.1 Ausgangslage denantwortspektren bzw. Uniform-Hazard-Spek- tren geben für jede Frequenz die maximal mögli- Das Conditional-Mean-Spectrum- und das Con- che Spektralbeschleunigung an, die sich aus der ditional-Spectrum-Verfahren sind ein formaler Gefährdung ergibt. In anderen Worten, das vorge- Prozess, um Zeitverläufe zu definieren, die der gebene Spektrum ist ein abdeckendes Spektrum vorgegebenen Gefährdung eines Uniform-Hazard- aller möglichen Erdbeben über alle Frequenzen. Spektrums entsprechen. Der theoretische Vorteil Für die konformen Beschleunigungs-Zeit-Verläufe dieser Verfahren wird in diesem Abschnitt kurz wird dann unterstellt, dass sich bei einem einzigen erläutert. Im Anschluss wird gezeigt, dass die Er- Erdbeben die maximalen Spektralbeschleunigun- mittlung des Conditional Spectrum mit den heute gen über alle Frequenzen ergeben. Das ist für die vorliegenden Werkzeugen relativ einfach ist. An- meisten Standorte eine sehr konservative Annah- schließend werden verschiedene empirische Ver- me, da Erdbeben von verschiedenen Quellen mit gleichsrechnungen vorgestellt. verschiedenen Zeitverläufen auftreten können und in der Gefährdung zusammengeführt wurden. Die in einem Spektrum angegebenen Spektralbe- schleunigungen können über Beschleunigungs- Tatsächlich werden Erdbeben von verschiedenen Zeit-Verläufe realisiert werden, mit denen das Erdbebenquellen und aus verschiedenen Entfernun- Bauwerk rechnerisch beaufschlagt wird. Grundla- gen verschiedene Beschleunigungs-Zeit-Verläufe ge für die Auswahl der kompatiblen Beschleuni- am Standort und damit verschiedene Spektren er- gungs-Zeit-Verläufe sind vorgegebene Bodenant- zeugen. Das heißt, ein nahes schwaches Erdbeben wird über einen anderen Frequenz- bereich eine maximale Spektralbe- schleunigung verursachen als ein fer- nes starkes Erdbeben. Bild 4 versucht diesen Zusammenhang darzustellen. Im Bild 4 sieht man links die Gefähr- dungskurve für einen bestimmten Ankerpunkt des Spektrums, z. B. PGA. Mit diesem Ankerpunkt und der vorgegebenen Wiederkehrpe- riode kann das Spektrum, dessen Form ebenfalls vorgegeben ist, ge- nau angegeben werden. Im Bild 4 rechts wird dieses Spektrum in zwei Unterspektren (Conditional Mean Spectrum) unterteilt, die wiederrum Bild 5: Vergleich von 74 standortspezifischen Szenario-Spektren mit an bestimmten Ankerpunkten dem einem standortspezifischen Uniform-Hazard-Spektrum vorgegebenen Bodenantwortspekt- (Diagramm erstellt von P. Renault, rum bzw. Uniform-Hazard-Spektrum angepasst durch den Autor) entsprechen.

252 Dirk Proske: Szenario-Spektren beim seismischen Nachweis von Brücken

Deutlich erkennt man, dass je- des der beiden Spektren nicht mehr überall die Spektralbe- schleunigung des Uniform- Hazard-Spektrums erreicht.

Die Anzahl der zu ermitteln- den Spektren hängt vom verwendeten Verfahren ab (Conditional Mean Spectrum, Conditional Spectrum). Bild 5 zeigt ein Beispiel, in dem für einen Standort 74 individuelle Szenario-Spektren ermittelt wurden, um das Uniform-Ha- zard-Spektrum abzudecken.

Um diese Spektren, die einer Vielzahl verschiedener Erd- Bild 6: Beispiel einer Deaggregation beben entsprechen, ermit- teln zu können, muss man die Gefährdungskurve aus Bild 4 links zerlegen. fernung von 10 km sein. Die von einem solchen Dieser Prozess wird als Deaggregation bezeich- Erdbeben verursachten Bodenbeschleunigen am net. In Bild 6 ist eine Deaggregation für einen Standort können mit einem Abminderungsmodell Standort im mittleren Westen der USA darge- (Attenuation oder Ground Motion Prediction Mo- stellt. Für die Deaggregation steht für das Gebiet del) ermittelt werden. Bild 7 visualisiert ein sol- der USA heute freie Software zur Verfügung [33]. ches Abminderungsmodell mit einer freien Soft- ware.

4.2 Berechnungsschritte Der Unterschied der Spektralbeschleunigung aus diesem Abminderungsmodell und dem Uniform- Im Rahmen der Deaggregation der Erdbebenge- Hazard-Spektrum kann über die Variable ε darge- fährdung wird in der Regel auch das relevante Erd- stellt werden. Sie ergibt sich nach [34] zu: beben, welches die maximale Beschleunigung für eine bestimmte Frequenz, z. B. die erste Eigen- (2) frequenz, bestimmt. Das kann z. B. ein Erdbeben der mittleren Magnitude 7 mit einer mittleren Ent- mit: ε Unterschied zwischen Spek- tralbeschleunigung aus Ab- minderungsmodell und dem Uniform-Hazard-Spektrum T Periode in Sekunden

Sa Spektralbeschleunigung in g

ln Sa Natürlicher Logarithmus

von Sa

μln Sa(M, R, T) Prognostizierter

Mittelwert von ln Sa

σln Sa(T) Prognostizierte Standard-

abweichung von ln Sa M Magnitude R Abstand zur Erdbebenquelle

Man verwendet anstelle von Sa den natürlichen Logarithmus und erhält dafür eine standartnormalverteilte Größe.

Im Folgenden sollen vereinfacht die Bild 7: Abminderungsmodell (Attenuation Model) zur Bestimmung Berechnungsschritte für die Erstel- der Spektralbeschleunigung für das mittlere Erdbeben lung des Conditional Mean Spect-

253 26. Dresdner Brückenbausymposium rum vorgestellt werden. Die Berechnungsschritte Im letzten Schritt wird das Conditional Mean Spec- sind relativ einfach und liegen programmtechnisch trum gemäß folgender Formel bestimmt [34]: in freier Software vor. Im Gegensatz zum Condi- tional Spectrum versucht man beim Conditional (4) Mean Spectrum nicht das gesamte Frequenzband durch beliebige Conditional Spectra abzudecken, sondern man wählt Ankerpunkte T*. Als Anker- Mit den Open-Access-Programmen, die im Inter- punkte wählt man häufig die erste Eigenfrequenz net vorliegen, und den Daten des Geologischen der Baustruktur. Für die zugehörige Spektralbe- Dienstes der USA kann man praktisch innerhalb schleunigung ermittelt man die Magnitude, die kürzester Zeit selbst Zeitverläufe für ein Conditio- Entfernung und das ε. Wie bereits erwähnt, kann nal Mean Spectrum erstellen (Bild 9). Die einzige man diese Werte für die USA im Internet beim notwendige kommerzielle Software ist Matlab, geologischen Dienst abfragen [33]. für das Matlab-Dateien in Matlab vorliegen. Al- lerdings kann man diese Dateien mit etwas Auf- Im nächsten Schritt werden der Mittelwert wand in OCTAVE-Dateien umwandeln. OCTAVE

μlnSa(M, R, T) und die Standardabweichung σlnSa(T) ist freie Software. der logarithmischen Spektralbeschleunigung für den Ankerpunkt basierend auf der mittleren Ma- Die Variabilität der mittleren Spektren kann man gnitude und der mittleren Entfernung ermittelt. über eine hohe Anzahl der Realisierungen von Dafür stehen im Internet Programme (Bild 7) zur Zeitverläufen decken, z. B. 30 Zeitverläufe (Bild 9). Verfügung [35], [36]. Wiederholt man den Prozess nicht nur für eine Wiederkehrperiode, mittlere Magnitude und Ent- Im dritten Schritt wird der Conditional Mean für fernung (Ankerpunkt T*), so kann man die gesam- ε(T) für verschiedene Frequenzen bestimmt. Die- te seismische Gefährdung über eine Menge von ser Wert ergibt sich als Produkt von ε(T*) des Zeitverläufen abdecken. Dies nennt man Conditio- Ankerpunktes mit dem Korrelationskoeffizient nal Spectra und kann zu Hunderten von Zeitver-

ρ(Ti, T*) [34]: läufen führen (Bild 5).

(3) Details zur Entwicklung der Szenario-Spektren fin- den sich in zahlreichen Veröffentlichungen, z. B. in mit: με(Ti)| ε(T*) Conditional Mean von ε(Ti) [34], [38], [39]. in Abhängigkeit von ε(T*)

Für die Bestimmung des Korrelationskoeffizien- 4.3 Nutzen der Szenario-Spektren ten (Bild 8) liegen verschiedene Verfahren für be- stimmte Frequenzen vor, die programmtechnisch Der Nutzen durch die Anwendung des Conditional umgesetzt sind. Spectrum bzw. Conditional Mean Spectrum hängt sowohl von den dynamischen Eigenschaften der Brücke als auch von der Erdbebengefährdung am Standort ab. Für einen elastischen Einmassenschwinger bringt das Verfahren keine Vorteile, aber für Strukturen, deren Gesamtverhal- ten auch von höheren Eigenformen abhängt, ergeben sich geringere Einwirkungen [34], [40]. Man muss also mindestens eine Modellauflö- sung, wie z. B. in Bild 10 für eine Brücke gezeigt, verwenden.

Auf der Einwirkungsseite hängt der Nutzen vom Verhältnis der Eintritts- wahrscheinlichkeit eines Erdbebens zur Eintrittswahrscheinlichkeit der Bodenbeschleunigung für den An- kerpunkt ab. Wenn z. B. die Eintritts- wahrscheinlichkeit eines Erdbebens Bild 8: Visualisierung der bedingten Baker-Jayaram-Korrelation nach gleich der Eintrittswahrscheinlich- [37] keit der Spektralbeschleunigung für

254 Dirk Proske: Szenario-Spektren beim seismischen Nachweis von Brücken die erste Eigenfrequenz ist, dann ist die Einsparung durch die Conditio- nal Mean Spectra vernachlässigbar. Ist jedoch die Wahrscheinlichkeit für das Erreichen dieser spektralen Beschleunigung geringer als die Wahrscheinlichkeit für das Auftre- ten eines Erdbebens, so ergibt sich ein Nutzen aus der Anwendung der Conditional Spectra. Üblicherwei- se ist dies der Fall in Regionen mit höherer seismischer Aktivität, weil dort verschiedene Erdbeben auf die Strukturen einwirken können. Inwieweit sich eine Einsparung für Regionen mit geringer seismischer Aktivität ergibt, ist in der Fachlitera- tur noch strittig.

Bild 11 zeigt Mittelwerte eines Bild 9: Conditional Mean Spectrum und ausgewählte Zeitverläufe, Etagenantwortspektrums für eine die das CMS treffen bestimmte Überschreitungswahr- scheinlichkeit nach Uniform-Ha- zard-Spektrum (UHS) und Conditio- nal Spectrum (CS) für eine Region mit mittlerer seismischer Aktivität. Man sieht, dass im Großteil des Frequenzbandes die Spektralbe- schleunigung basierend auf Szena- rio-Spektren deutlich unterhalb der Spektralbeschleunigung basierend Bild 10: Dynamisches Brückenmodell nach [42] auf dem Uniform-Hazard-Spektrum liegt. Allerdings gilt das nicht für den gesamten Frequenzbereich. Es gibt durchaus Bereiche (im Bild bei 10 Hz), in denen Szenario-Spektren und Uniform-Hazard-Spektrum zur gleichen Spektralbeschleunigung führen.

Auch für probabilistische Berechnun- gen mit Bauwerken konnte gezeigt werden, dass die Anwendung der Conditional Spectra eine deutliche Verringerung der Versagenswahr- scheinlichkeit bringt [43].

Bild 11: Vergleich zweier Etagenantwortspektren basierend auf UHS- 4.4 Stand und ­zukünftige konformen Zeitverläufen und CS-kompatiblen Zeitverläufen Anwendungen der (Diagramm erstellt von D. Kurmann, ­Szenario-Spektren angepasst durch den Autor)

Nach derzeitigem Kenntnisstand wurde weltweit Promotionsarbeiten untersucht, eine Brücke in erst ein Brückenneubau mit dem Verfahren der Vancouver und eine Brücke in Montreal. In min- Conditional Mean Spectra geplant. Es handelt destens zwei weiteren Fällen wurde das Ver- sich dabei um eine Schrägkabelbrücke über den fahren der Conditional Spectra bzw. Conditional Mississippi in Saint Louis in den USA. Zwei wei- Mean Spectra für Forschungsarbeiten zum dy- tere Brücken wurden in Kanada im Rahmen von namischen Verhalten von Brücken bzw. Brücken­

257 26. Dresdner Brückenbausymposium

Tabelle 2: Anwendungen des Conditional Spectrum/Conditional Mean Spectrum für Brückenbauwerke

Ort Brücke Verfahren Bemerkungen Quelle St. Louis Schrägkabelbrücke, CMS während Anwendung, auch konstrukti- [44], [45] Hauptspannweite 460 m Entwurf ve Änderungen Vancouver Vier-Feld-Durchlaufträ- CS und CMS Forschung, Variantenanalyse [42], [46] ger, Spannweite 50 m Montreal Fünf-Feld-Durchlaufträ- CMS Forschung, Berechnung von [47] ger, Stahlverbundbrücke, Fragilities* Gesamtlänge 232 m

Kalifornien Jack Tone Road Over- CMS Forschung, Sensitivitätsstu- [41] crossing | La Veta Ave- die für Beschleunigungszeit- nue Overcrossing | Jack verläufe Tone Road Overhead

Kalifornien Brückenpfeiler, getestet CS Forschung, nur bezogen auf [48] bei PEER/NEES in San Brückenpfeiler, die Anwen- Diego dung der CMS war nicht das primäre Ziel der Studie

* Fragilities beschreiben die bedingte Versagenswahrscheinlichkeit als Funktion der Intensität der Ein- wirkung, bei seismischen Einwirkungen meistens eine Spektralbeschleunigung oder PGA elementen verwendet. Tabelle 2 fasst die bekann- die Ermittlung der seismischen Gefährdungen ten Anwendungen zusammen. Bisher liegen bis weltweit zu homogenisieren, z. B. in der OPEN- auf eine Anwendung nur Forschungsarbeiten vor. QUAKE-Plattform. Sollte dies erreicht werden, würden praktisch für alle Standorte weltweit Um eine Verbreitung des hier vorgestellten Ver- Werkzeuge für die Bestimmung der Conditional fahrens in der Praxis zu erreichen, ist eine norma- Spectra vorliegen. Für manche Länder, wie z. B. tive Grundlage zwingend. Im ersten Schritt wur- für die USA, liegen die Werkzeuge heute schon de das Verfahren der Conditional Mean Spectra vor, für andere Länder liegen Ergebnisse für in den 2015er Bericht des US-Programms zur manche Standorte vor, wie z. B. in der Schweiz Verringerung der Erdbebengefährdung für die für Basel und Zürich oder in Deutschland gemäß Anforderungen an neue Bauwerke und damit [51]. Für die Schweiz ist die Berechnung einer auch für Brücken aufgenommen (NEHRP [49]). Brücke mit Conditional Mean Spectrum in den Die Empfehlungen aus diesem Bericht werden nächsten Jahren vorgesehen. in die sich in Überarbeitung befindende amerika- nische Norm ASCE-7 im Abschnitt 16.2 „Ground Motions“ eingearbeitet [50]. Der Entwurf die- 5 Zusammenfassung ser Norm hat bereits den Bearbeitungsschritt „öffentliche Anhörung“ erreicht. Die Norm soll Im diesem Beitrag wurden die aktuellen Entwick- planmässig 2016 in Kraft gesetzt werden. Damit lungen zur Anwendung von Szenario-Spektren für liegt in den USA ab 2016 eine normative Grund- die seismischen Nachweise von Brücken vorge- lage für die Verwendung der Conditional-Mean- stellt. Mit diesem Verfahren kann unter Umstän- Spectrum-Methode vor. Mit dieser normativen den die rechnerische seismische Einwirkung auf Grundlage dürfte die Anzahl der Anwendungen Brücken signifikant, also um einen unteren zwei- des beschriebenen Verfahrens erheblich anstei- stelligen Prozentbetrag verringert werden [42], gen. [41]. Allerdings gilt diese Aussage nicht für das gesamte Frequenzband. Die Größenordnung der Unter Berücksichtigung der Planungshorizonte rechnerischen Verringerung der Einwirkung bzw. für große Brückenbauprojekte sollte dies etwa Erhöhung des Widerstandes kann bei bestehen- ab 2020 in Veröffentlichungen und Planungs- den Brücken über den Erhalt bzw. die Sanierung dokumentationen sichtbar werden. Für die der Brücke entscheiden und kann bei neuen Brü- Brückenbauingenieure in Europa wäre es über- ckenbauwerken zu erheblichen Einsparungen legenswert, diese normative Entwicklung zu führen. Eine gute konstruktive Durchbildung der übernehmen. Parallel dazu gibt es Bestrebungen, Brücke bleibt davon aber unbenommen.

258 Dirk Proske: Szenario-Spektren beim seismischen Nachweis von Brücken

Prinzipiell ist das Verfahren mit einem deutlich [9] Stirewalt, G.; Salomone, L.; McDuffie, S.; erhöhten Rechenaufwand verbunden. Das Ver- Coppersmith, K.; , C.; Hartleb, R.; fahren wird damit sicherlich Großinfrastruktur- Lettis, W.; Lindvall, S.; McGuire, R.; Toro, bauwerken vorbehalten bleiben, wie z. B. einer G.; Slayter, D.; Cumbest, R.; Shumway, A.; Schrägkabelbrücke über den Mississippi [44]. Für Syms, F.; Glaser, L.; Hanson, K.; Youngs, R.; manche Länder sind die notwendigen Daten und Bozkurt, S.; Montaldo Falero, V.; Perman, R.; Programme heute bereits frei verfügbar. Mit der Tuttle M.: Central and Eastern United States Einführung einer normativen Grundlage in den Seismic Source Characterization for Nuclear USA ist dort in den nächsten Jahren mit einer er- Facilities. Technical Report of NUREG-2115, höhten Anzahl der Anwendung des Conditional- Washington D.C.: NRC, 1/2012 Spectrum- bzw. Conditional-Mean-Spectrum-Ver- [10] SIGMA – Seismic Ground Motion Assess- fahrens zu rechnen. ment: http://www.projet-sigma.com/ (Zu- griff 11.12.2015) [11] EMME – Earthquake Model of the Middle Literatur East region: Hazard, Risk Assessment, Eco- nomics & Mitigation. http://www.emme- [1] Proske, D.: Zur Unsicherheit der Abschät- gem.org/ (Zugriff 11.12.2015) zung von natürlichen Einwirkungen. Bau- [12] Giardini, D.; Woessner, J.; Danciu, L.; Crow- technik 92 (2015) 12, S. 854–859 ley, H.; Cotton, F.; Grünthal, G.; Pinho, R.; Va- [2] Proske, D.: Massivbrücken unter extremen lensise, G.: SHARE European Seismic Hazard Wetterbedingungen. In: Curbach, M. (Hrsg.): Map for Peak Ground Acceleration, 10 % Tagungsband zum 25. Dresdner Brücken- Exceedance Probabilities in 50 years. Erd- bausymposium am 10.3.2015 an der TU bebengefahrenkarte (DOI: 10.2777/30345), Dresden, Dresden: Institut für Massivbau Zürich: ETH Zürich, 2013, more informati- der TU Dresden, 2015, S. 239–250 on e.g. under http://www.insu.cnrs.fr/files/ [3] Proske, D.: Statistical Investigation of Ext- share_brochure_public.pdf (Zugriff 4.1.2016) reme Weather Conditions. In: Haukaas, T. [13] Rovithis, E. N.; Pitilakis, K. D.: Seismic assess- (Hrsg.): Proc. of the 12th International Con- ment and retrofitting measures of a historic ference on Applications of Statistics and stone masonry bridge. International Journal of Probability in Civil Engineering ICASP12, Earthquakes and Structures (in Druck) 12.–15.7.2015 in Vancouver (Canada), er- [14] Federal Highway Administration (Hrsg.): schienen online unter http://hdl.handle. China Earthquake Reconnaissance Report: net/2429/53355, 7 S. (Zugriff 11.12.2015) Performance of Transportation Structures [4] Usbeck, T.; Wohlgemuth, T.; Pfister, Chr.; During the May 12, 2008, M7.9 Wenchuan Volz, R.; Benistone, M.; Dobbertin, M.: Wind Earthquake, Observed Damage to Bridges. speed measurements and forest damage in Report, Publication No. FHWA-HRT-11-029, Canton Zurich (Central Europe) from 1891 2/2011, http://www.fhwa.dot.gov/publi- to winter 2007. Int. J. Climatol. 30 (2010), cations/research/infrastructure/structu- S. 347–358 res/11029/ (Zugriff 4.1.2016) [5] Wetter, O.; Pfister, C.; Weingartner, R.; Lut- [15] Kiremidjian, A. A.; Basöz, N.: Evaluation of erbacher, J.; Reist, T.; Trösch, J.: The largest Bridge Damage Data from Recent Earthqua- floods in the High Rhine basin since 1268 as- kes. NCEER Bulletin 11 (1997) 2, S. 1–7 sessed from documentary and instrumental [16] Lee, G. C.; Qi, J. C.; Huang, C.: Develop- evidence. Hydrological Sciences Journal 56 ment of a Database Framework for Mode- (2011) 5, S. 733–758 ling Damaged Bridges. Technical Report [6] , K.: Environmental Hazards – Asses- MCEER-13-0009, 16.6.2013, Buffalo: Uni- sing Risk and Reducing Disaster. London: versity at Buffalo, 16.6.2013, Routledge, 1996 [17] Cook, W.: Bridge Failure Rates, Consequen- [7] Vermeesch, P.: Lies, Damned Lies, and Stati- ces, and Predictive Trends. Diss., Utah State stics (in Geology). Eos Trans. Am. Geophys. University Logan, 2014 Union 90 (2009) 47, S. 443 [18] Wenk, T.: Beurteilung der Erdbebensicher- [8] Abrahamson, N. A.; Coppersmith, K. J.; Kol- heit bestehender Strassenbrücken. Bundes- ler, M.; Roth, P.; Sprecher, C.; Toro, G. R.; amt für Strassen ASTRA, Bern, 2005 Youngs, R.: Probabilistic Seismic Hazards [19] Wei, X.; Wang, Q.; Wang, J.: Damage pat- Analysis for Swiss Nuclear Power Plant Sites tern and failure mechanisms of bridge pile (PEGASOS Project). Final report, Wettingen: foundation under earthquake. Proc. of the NAGRA, 7/2004, http://www.swissnuclear. 14th World Conference on Earthquake En- ch/upload/cms/user/PEGASOSProjectRe- gineering, 12.-17.10.2008 in Beijing (China), portVolume1-new.pdf (Zugriff 4.1.2016) published on CD, 7 S.

259 26. Dresdner Brückenbausymposium

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260 Dirk Proske: Szenario-Spektren beim seismischen Nachweis von Brücken

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Alle Grafiken wurden vom Autor erstellt, so nicht abweichend davon vermerkt.

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261 Oliver Steinbock: Gedanken zum denkmalgerechten Umgang mit Eisenbetonbrücken

Brücken bauen mit Eisenbeton – Gedanken zum denkmalgerechten Umgang

Dipl.-Ing. Oliver Steinbock Institut für Massivbau, TU Dresden

Zusammenfassung 1 Was macht ein Bauwerk zum Denkmal?

Der Brückenbau besitzt eine lange Geschichte, Das Bild einer Stadt ist in erster Linie durch seine die bereits vielfach beschrieben wurde. Die Ent- Bauwerke geprägt. Eine besondere Rolle nehmen wicklung der Stahlbetonbauweise bzw. der Ei- dabei Bauwerke ein, die – oft bereits seit langer senbetonbauweise stellt dabei ein besonderes Zeit – das Stadtbild prägen. Diese prägnanten Kapitel in der Geschichte des Brückenbaus dar. Bauwerke entscheiden häufig darüber, ob sich Bereits im 19. Jahrhundert entwickelt, hält die Ei- Bewohner oder Besucher in einer Stadt wohl füh- senbetonbauweise zur Jahrhundertwende Einzug len oder nicht. in den Brückenbau. Die Frage, welche Merkmale ein Bauwerk oder Die Stahlbetonbauweise ist auch heutzutage eine Brücke zu einem Denkmal machen, ist so- noch eine sehr verbreitete Bauweise und somit wohl in der Fachwelt als auch in der Gesellschaft allgegenwärtig. Gegenüber den Bauweisen in Ei- umstritten. Die Debatte zur Denkmalwürdigkeit sen oder Mauerwerk wird die historische Eisen- eines Bauwerks kann in einem ersten Schritt mit betonbauweise in der Denkmalpflege aber kaum der Diskussion um ein Kunstwerk verglichen wer- wahrgenommen. Anfänglich wurden vornehmlich den. Die Meinung ist hierbei in erster Linie subjek- kleine gewölbte Brücken (z. B. Moniergewölbe) tiv und es bedarf, falls überhaupt möglich, ausgie- aus Eisenbeton gebaut. Die Vorteile der Stahlbe- biger Diskussion, um zu einer objektiven Meinung tonbauweise wurden jedoch schnell erkannt und zu gelangen. Bei der Wertung von Bauwerken bald auch Balkenkonstruktionen und Rahmenbau- kommen weitere Faktoren hinzu. Neben der rei- werke realisiert. Gerade die Rolle früher, „kleiner“ nen ästhetischen Qualität sollten auch Aspekte Konstruktionen bei der Etablierung der Betonbau- der Bautechnik bzw. der Konstruktion berück- weise wird allerdings aus Sicht des Verfassers sichtigt werden. Gegenüber der Kunst handelt es häufig unterschätzt. Nachfolgender Beitrag wid- sich bei Bauwerken um Zweckbauten, die nicht met sich diesen Konstruktionen und soll somit der Zweckfreiheit enthoben werden können. Die einen Denkanstoß für den Umgang mit frühen Wertung eines Bauwerkes als Denkmal gestaltet Eisenbetonbrücken geben. sich demnach sehr komplex.

Bild 1: Stampfbetonbogenbrücke in Seifersdorf/Sachsen (Foto: Oliver Steinbock)

263 26. Dresdner Brückenbausymposium

2 Von der Steinzeit in die Betonzeit senbetonbauweise bezeichnet werden kann. Wie beispielsweise die Brücke Seifersdorf zeigt, be- Nach aktuellem Kenntnisstand des Verfassers gilt schränkte man sich anfangs auf die Ausführung die „Brücke in Vorwohle/Niedersachsen“ aus dem von Stampfbetonbauwerken, bei denen der Beton Jahre 1877 als älteste Betonbrücke Deutschlands. schichtenweise verbaut und verdichtet wurde. Die Brücke wird von Veihelmann und Holzver [1] als Bogen mit einer Spannweite von ≈ 7,0 m bei Als bekanntes Beispiel für diese Ausführungsart einem Stich von 1,0 m beschrieben. Die Ausfüh- kann hier auch die Augustusbrücke in Dresden rung mit betonummanteltem Kalksteinmauerwerk genannt werden (Bild 2). Gebaut in den Jahren markiert den Übergang vom Schichtenmauer- 1907/1908 prägt sie seither das Stadtbild Dres- werk. Bernhard Liebold wird in [1] als früher Brü- dens. Mit ihrer Sandsteinoptik und den Bögen ckenbauunternehmer gewürdigt. Neben der Vor- griff sie das Erscheinungsbild ihres Vorgän- wohler Brücke wurden in diesem Zusammenhang gerbaus wieder auf [5]. Gegenüber dem Natur- im nahe gelegenen Glesse zwei weitere Brücken steinmauerwerk der „alten“ Augustusbrücke realisiert, bei denen unbearbeitete Bruchsteine verwendete man unbewehrten Stampfbeton, mit Zementmörtel umschlossen wurden. der lediglich durch Sandstein verkleidet wurde. Die als Dreigelenkbogen konzipierte Brücke kann Eine weitere erwähnenswerte Brücke stellt die als typisches Beispiel für die anfangs zurückhal- 1882 errichtete unbewehrte Bogenbrücke in Sei- tende Position gegenüber dem neuen Baustoff fersdorf/Sachsen dar [2]. Gegenüber der Brücke Beton gelten. Zum einen wird die vertraute Bo- in Vorwohle wurde die in Seifersdorf als Stampf- genform der Steinbrücken erneut aufgegriffen, betonbogen ausgeführt. Sie wurde von Klaus jedoch mit dem Baustoff Beton ausgeführt. An- Stiglat [3] wiederentdeckt und gilt als die älteste dererseits wird der Beton hinter der Sandstein- Betoneisenbahnbrücke Deutschlands (Bild 1). Mit fassade versteckt, um nicht in Konflikt mit dem einer Spannweite von ca. 10 m und einem Stich Stadtbild Dresdens zu geraten. Die Zeit für eine von 1,25 m ähnelt sie der Brücke in Vorwohle. reine Betonkonstruktion schien noch nicht reif. Aufgrund der Änderung der Trassierung wurde die Dadurch, dass sie sich in das barocke Erschei- Brücke nur bis 1910 als Eisenbahnbrücke genutzt. nungsbild Dresdens einfügt, ist die Augustus- Ausgeführt wurde sie durch die Firma Dyckerhoff brücke als Denkmal unumstritten und erhält ihre und Widmann [4], eine Firma, die zweifelslos als notwendige Pflege. eine treibende Kraft bei der Etablierung der Ei-

Bild 2: Augustusbrücke Dresden (Foto: Ulrich van Stipriaan)

264 Oliver Steinbock: Gedanken zum denkmalgerechten Umgang mit Eisenbetonbrücken

Bild 3: Belastungsprobe eines Monier-Brücken­ Bild 4: Frühe Eisenbetonbalkenbrücke nach dem bogens mit 10,0 m Spannweite [7] System Hennebique für Eisenbahnverkehr [6], dort verwiesen auf [13]

3 Vom Bogen zu Rahmen und Balken Balkenbrücke in Viggen/Schweiz mit einer über- schaubaren Spannweite von 2,40 m dar. Entwirft Die Etablierung des Baustoffes Eisen- bzw. Stahl- auch Hennebique anfangs noch gewölbte und bo- beton verlief schleppender als allgemein vermutet. genartige Konstruktionen, führt die zunehmende Da die Fachwelt den Stampfbetonbauten damals Ausdünnung bzw. das Weglassen nicht benötigter schon skeptisch gegenüberstand, verwundert es Tragteile zu neuen Konstruktionen in Eisenbeton. im Nachgang nicht, dass die deutlich schlankeren Beispielhaft sei hier die frühe Bogenbrücke mit Konstruktionen in Eisenbetonbauweise zunächst aufgeständerter Fahrbahn genannt [6], die 1897 in auf Vorbehalte stießen. Hinzu kamen die fehlende Esternay/Frankreich ausgeführt wurde (Bild 5). Erfahrung sowie fehlende Kenntnisse über Trag- verhalten und chemische bzw. physikalische Ei- Hennebique vermarktete, ausgehend von seinem genschaften des Baustoffs Eisenbeton. zentralen Büro in Paris, sein System europaweit [6]. Teil seines ausgeklügelten Geschäftsmodells Erste Versuche, die Eisenbetonbauweise im Brü- war die Vergabe von Lizenzen für das „System ckenbau zu etablieren, gehen auf Joseph Monier Hennebique.“ Die konstruktive Durchbildung und zurück. Oftmals wird ihm auch die „Erfindung“ die statischen Berechnungen wurden anfangs des Eisenbetons zugewiesen, jedoch soll diese vom zentralen Büro in Paris durchgeführt und die Diskussion an dieser Stelle nicht geführt werden. Lizenznehmer zahlten rund 10 % des Bauvolu- In einer Schrift von 1873 erhält er ein Patent auf mens an Hennebique als Lizenzgebühr. Der wohl Brücken in Eisenbeton. Die sog. Monierbögen hal- bekannteste Lizenznehmer dürfte der Schweizer ten ab 1887 in Verbindung mit dem Patent­nehmer Ingenieur Eduard Züblin (1850–1916) sein, der ab Moniers in Deutschland, der Firma Wayss und 1898 in Straßburg seine eigene Firma gründete Freytag, die 1888 in die Actiengesellschaft für und die Bauweise zu größerer Bekanntheit führte. Monierbauten übergeht, Einzug in das Bauwesen in Deutschland [6]. Die Vorteile der bewehrten Das sächsische Pendant zu Eduard Züblin stellt Moniergewölbe wurden in umfangreichen Ver- der Architekt und Bauunternehmer Max Pommer suchsreihen ab 1887 getestet ([7] und Bild 3). An- (1847–1915) dar. Die Firma Martenstein und Jos- hand der Versuche konnte eine deutlich höhere seux, die sowohl die Lizenz für die Bauweise Hen- Sicherheit gegenüber den unbewehrten Bögen nebique als auch für Monier-Bauten in Deutsch- nachgewiesen werden, womit das Vertrauen bei land innehatte, schloss 1898 einen Vertrag mit den Auftraggebern wuchs. Max Pommer über die Ausführung von Bauwer- ken nach dem System Hennebique für die Kreis- Wiederrum ist es die Königlich Sächsische hauptmannschaften Leipzig und Dresden [8]. Staatsbahn, die bereits die Stampfbetonbrücke in Seifersdorf realisierte, die dieses Konstruktions- prinzip frühzeitig ausführen ließ. So wird bereits 1891 ein Fußgängertunnel mit einem Monier­ gewölbe von 3,12 m Spannweite und einer Dicke von 11 cm errichtet und für den Eisenbahnverkehr freigegeben [6].

Als Francois Hennebique (1842–1921) 1892/1893 seine Patente für Plattenbalken und deren konstruk- tive Durchbildung anmeldet, ebnet er den Weg für die Entwicklung von Balken- und Rahmenbrücken Bild 5: Frühe Bogenbrücke nach dem System [13]. Ein sehr frühes Beispiel für eine Balkenbrü- ­Hennebique mit aufgeständerter Fahr- cke aus Eisenbeton stellt die in Bild 4 dargestellte bahn [6], dort verwiesen auf [13]

265 26. Dresdner Brückenbausymposium

4 Frühe Rahmenbrücken aus Bereits 1900 kam es zur Ausführung der für Max Eisenbeton in Mitteldeutschland Pommer ersten Eisenbetonrahmenbrücke nach dem System Hennebique, der Brücke über die 4.1 Brücke über die Chemnitztalbahn Chemnitztalbahn bei Markersdorf in Sachsen. bei Markersdorf (1900) Bild 6 zeigt Schnitt und Grundriss der Brücke. Es ist zu erkennen, dass die Brücke sehr unregelmäßig Zunächst führte die Firma Pommer primär Hoch- geformt war. Die Stützweite des Bauwerks betrug bauten aus, um mit der Bauweise Erfahrungen zu ≈ 14,0 m bei einer variablen Breite von 10,20 m sammeln. Max Pommer betrieb u. a. in Dresden bis 14,80 m. Riegel und Pfosten waren als Plat- rege Akquise und traf bei der Königlich Sächsi- tenbalkenquerschnitte ausgeführt. Die Konstrukti- schen Staatsbahn auf offene Türen. Einerseits onshöhe des Plattenbalkens betrug in den Ecken stand die Königlich Sächsische Staatsbahn der Ei- ≈ 1,10 m, in Feldmitte ≈ 1,30 m. Aus heutiger senbetonbauweise ohnehin offen gegenüber, an- Sicht erscheint dies für ein Rahmenbauwerk ver- dererseits begrüßte sie bei den Rahmenb­ rücken wunderlich, es ist rein der Trassierung geschuldet. das günstigere Lichtraumprofil gegenüber Bogen­ Eine Rahmenwirkung kann der Brücke aufgrund brücken. Anfangs wurden die Eisenbetonrah- der fehlenden konstruktiven Durchbildung der menkonstruktionen daher vornehmlich für die Rahmenecke nur teilweise unterstellt werden. Die Überführung von Straßen über Bahngleise heran- Fahrbahnplatte selbst war mit 16 cm recht schlank gezogen [8]. ausgeführt. Die Widerlagerkonstruktion waren mit

Bild 6: Brücke über die Chemnitztalbahn bei Markersdorf [9]

266 Oliver Steinbock: Gedanken zum denkmalgerechten Umgang mit Eisenbetonbrücken einer P­ lattendicke von 12 cm noch schlanker. Die auf der Erdseite ange- ordneten Stege bzw. Rippen wiesen eine Höhe von 60 cm auf.

Die Brücke galt gemäß Tasche [11] als die älteste Rahmenbrücke aus Eisenbeton in Deutschland. Den heutigen „Zustand“ der Brücke zeigt Bild 7. Die Brücke wurde 2010 abgerissen. Das Foto entstand bei einer Ausstellung zu Leben und Wirken von Max Pommer seitens des Sächsischen Wirtschaftsarchiv e.V. in der Leipziger Staatsbibliothek im November 2015. Darin ist neben den charakteristischen Flacheisen- Bild 7: Ausgestellte Exponate der Chemnitztalbrücke Markersdorf bügeln des Systems Hennebique während einer Sonderausstellung zu Max Pommer im No- auch glatter Rundstahl zu erkennen. vember 2015 (Foto: Oliver Steinbock) Des Weiteren sind zwei Abbildun- gen des Bauwerks aus der Firmen- broschüre zu sehen. Im Bild unten rechts erfolgt Weitergehende Recherchen führten schließlich die Belastung mit einem Kesselwagen, obwohl zur SÜ Pausaer Straße in Plauen. Bild 8 zeigt zwei die Brücke für den Straßenverkehr vorgesehen Schnitte und den Grundriss der Brücke. Es han- war. Die Probebelastung verlief erfolgreich, wo- delte sich um eine einhüftige Rahmenkonstrukti- mit sich die Eisenbetonbauweise bzw. hier die on, die beidseitig an eine bestehende Gewölbe- Hennebique-Bauweise bewährt hatte und in den brücke zur Verbreiterung angeordnet wurde. Die Folgejahren vermehrt ausgeführt wurde. Stützweite war mit 23,50 m deutlich größer als die der Brücke in Markersdorf [9]. Die Höhe der Die Brücke überführte bis zuletzt die Bundes- Plattenbalken betrug knapp über 2,0 m bei einem straße 107 über eine zwischenzeitlich stillgelegte Stegabstand von ≈ 2,15 m. Die Querträger hatten Eisenbahnstrecke. Die Änderung der Trassierung einen Abstand von 4,70 m [9]. Das Bauwerk wur- und das nun nicht mehr vorhandene Hindernis de 1909 von der Firma Dyckerhoff und Widmann machten die Brücke letztlich überflüssig, womit konstruiert und umgesetzt. Gegenüber der Brü- auch Bemühungen um den Erhalt der Brücke cke Markersdorf wurde die Brücke Pausaer Stra- scheiterten. Im Rahmen einer Dissertation [11] ße nach dem Prinzip Moniers mit Rundstählen konnte der Abbruch der Brücke zumindest wis- bewehrt. Bewehrungszeichnungen liegen dem senschaftlich begleitet und dokumentiert werden. Verfasser jedoch nicht vor. Auftraggeber war wie- derrum die Königlich Sächsische Staatsbahn.

4.2 Brücke Pausaer Straße Später wurde das mittige Gewölbe abgetragen in Plauen/Sachsen und durch eine Rahmenkonstruktion baugleich der

Nach dem Abbruch der Brücke Markersdorf war der Titel der äl- testen noch existierenden Eisenbe- tonrahmenkonstruktion für Mittel- deutschland erneut zu vergeben. In [9] werden weitere Rahmenkonst- ruktionen aufgelistet, die durch die Firma Max Pommer in den Jahren 1904 bis 1906 ausgeführt wurden. Von den beschriebenen Brücken Rossweiner Straße in Döbeln – 1904, Wegeüberführung bei Denn- heritz – 1905, Straßenüberführung Meerane – 1906 ist nach Kenntnis des Verfassers kein Bauwerk mehr Bild 8: Brücke Pausaer Straße in Plauen/Sachsen – Grundriss und erhalten [11]. Schnitte [9]

267 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 9: Untersicht der Brücke Pausaer Straße Bild 10: Abbruch der Brücke Pausaer Straße 2012 (Foto: Frank Rothkamm) (Foto: Frank Rothkamm)

Verbreiterung ergänzt (Bild 9). Das Bauwerk diente tet und vor dem Hintergrund der geschichtlichen fortan als Straßenüberführung über die Bahnstre- Umstände bewertet. Nachfolgende Beschrei- cke Leipzig–Hof. Leider wurde die Brücke im Jahr bungen der Bauwerke basieren vorwiegend auf 2012 im Rahmen der Elektrifizierung der Strecke dem von Willy Gehler bearbeiteten Kapitel zu Leipzig–Hof abgerissen (Bild 10). Somit ist ein wei- Balkenbrücken, der innerhalb der damals renom- teres Bauwerk der Eisenbetongeschichte verloren mierten Buchreihe Handbuch für Eisenbetonbau gegangen. Die aktuell älteste Eisenbetonrahmen- von Fritz von Emperger herausgegeben wurde brücke konnte vom Verfasser noch nicht verläss- ([9] und [10]). lich recherchiert werden. Über Anregungen und Hinweise wäre der Verfasser dankbar. 5.1 Brücke Fabrikzufahrt in Dresden/Niedersedlitz 5 Frühe Balkenbrücken in Dresden/Niedersedlitz Beim kleineren der beiden Bauwerke handelt es sich um eine einfeldrige Straßenbrücke mit einer Nachdem zuvor zwei Rahmenbauwerke vorge- Stützweite von 9,20 m. Die Fahrbahnplatte wur- stellt wurden, führten weitere Recherchen zu de mit 20 cm konstant dick ausgeführt und durch zwei frühen Balkenbrücken in Eisenbetonbau- 30 cm breite Unterzüge alle 1 m in Quer- und alle weise. Es handelt sich dabei um zwei einander 2 m in Längsrichtung versteift. Das Bauwerk bil- ähnliche Bauwerke über den Lockwitzbach in det mit den hohen Randträgern einen Trogquer- Dresden/Niedersedlitz, die ebenfalls im Auftrag schnitt. Interessant ist hierbei das Bemühen um der Königlich Sächsischen Staatsbahn in den eine optische Gliederung der Randträger durch Jahren 1904 und 1905 errichtet wurden. Ausfüh- Aussparungen und Gesimse (Bild 11). rende Firma war wiederrum Max Pommer aus Leipzig. Die Entwürfe zu diesen Brückenbauwerken gehen auf den ehemaligen Dresdner Professor Willy Gehler (1876–1953) zurück, der zum damaligen Zeitpunkt noch als Regierungsbaumeister in der Brückenbauabteilung der Königlich Sächsischen Staatsbahn tätig war [14]. Das facettenreiche Leben und Schaffen des politisch umstrittenen und heute fast vergessenen Stahl- betonpioniers wird im Rahmen des DFG-Forschungsvorhabens Willy Gehler (1876–1953) – Spitzenfor- schung, politische Selbstmobili- sierung und historische Rezeption eines bedeutenden Bauingenieurs und Hochschullehrers im „Jahr- Bild 11: Brücke Fabrikzufahrt Dresden/Niedersedlitz – Grundriss und hundert der Extreme“ aufgearbei- Schnitte [10]

268 Oliver Steinbock: Gedanken zum denkmalgerechten Umgang mit Eisenbetonbrücken

Bild 12: Brücke Güterbahnhof Dresden/Niedersedlitz – Grundriss und Schnitte [10]

Die Bewehrungsführung ist für damalige Ver- findig gemacht werden und ist vermutlich nicht hältnisse ungewöhnlich. Obwohl die Firma Max mehr erhalten. Pommer zwischenzeitlich nicht mehr Lizenzneh- mer war [8], wurden weiterhin die Flacheisenbü- gel nach dem System Hennebique verbaut. Auf 5.2 Brücke Güterbahnhof zeitgenössische Aufbiegungen der Zugeinlagen in Dresden/Niedersedlitz bei den einfach bewehrten Längs- und Querträ- gern wurde dagegen verzichtet. Die kreuzwei- Das zweite Bauwerk ist etwas größer und schief- se bewehrte Platte wurde für eine zweiachsige winklig (Bild 12) und diente als Anbindung des Gü- Lastabtragung vorgesehen. Analog zur Brücke terbahnhofes in Dresden/Niedersedlitz. Das Bau- in Markersdorf wurde die Brücke mit einem Kes- werk ist im Verhältnis zur Stützweite von 9,70 m selwagen von 20 t zur Probe belastet. Aus Sicht mit 25,0 m relativ breit. Analog zum Bauwerk bei des Verfassers ist es besonders erwähnenswert, der Fabrikzufahrt ist der Überbau als Plattentrag- dass bei der Probebelastung neben Durchbie- werk mit Unterzügen in Längs- und Querrichtung gungsmessungen des Überbaus auch Dehnungs- versteift. Bemerkenswert ist die variable Höhe messungen mit einbetonierten Marken an der Be- der Längsträger bei gleichzeitig konstanter Dicke wehrung vorgenommen wurden [9]. Die Brücke der Fahrbahnplatte von ≈ 20 cm. Die Oberkante konnte im Rahmen einer Ortsbegehung nicht aus- der Konstruktion verläuft parallel zur Fahrbahn­

269 26. Dresdner Brückenbausymposium oberfläche, wobei diese aufgrund der anschließenden Straße sowohl in Längs- als auch in Querrichtung als Dachgefälle bzw. Kuppe ausge- bildet ist. Die Konstruktionshöhe der Längsträger variiert entspre- chend. Um dennoch eine möglichst gleichmäßige Bewehrung zu errei- chen, wurde der Abstand der Stege ebenfalls variiert. Auch hier wurden Flacheisenbügel verwendet. Im Ge- gensatz zum Bauwerk bei der Fab- rikzufahrt wurden die Zugeisen der Randträger in den Auflagerberei- chen zur Aufnahme von Querkräf- ten aufgebogen [10]. Bild 13: Vermutlich älteste erhaltene Stahlbetonbrücke Mitteldeutsch- lands im Sommer 2015 (Foto: Oliver Steinbock) Das Bauwerk ist noch erhalten und konnte dank der Hinweise in [10] und [11] aufgefunden werden (Bild 13). Es kenbrücken aus der Anfangszeit der Eisenbeton- befindet sich in unmittelbarer Nähe des Bahnho- bauweise dar. In einem zweiten Teil wurden frühe fes Dresden/Niedersedlitz in der heutigen Prof.- Rahmen- und Balkenbrücken Mitteldeutschlands Billroth-Straße. Die Brücke wurde 1905 errichtet knapp vorgestellt. Die Brücken zeigen zwar Ge- und stellt somit die vermutlich älteste erhaltene meinsamkeiten, unterscheiden sich im Detail aber Stahlbetonbrückenkonstruktion in Mitteldeutsch- deutlich. Leider eint sie das gleiche Schicksal, am land dar. Ende ihrer Nutzungsdauer angelangt zu sein. Ent- weder sind die Brücken bereits abgerissen oder Das Bauwerk wurde aufgrund einer Vielzahl von ihr Abriss ist beschlossene Sache. Schäden im März 2015 für den Fahrzeugverkehr gesperrt. Ursprünglich für die Belastung durch Aus Sicht des Verfassers ist dies ein trauriger eine Dampfwalze bemessen, wurde die Brücke Umstand, da damit frühe Zeugnisse der Stahl- während ihrer Nutzungsdauer in unterschiedliche betongeschichte verloren gehen. Auch wenn die Laststufen, schwankend zwischen BK 24 und BK Bauwerke im Vergleich zu größeren Bauwerken 30/30, eingestuft [12]. Da das Bauwerk hinsichtlich weniger markant für ihr Umfeld sind, geben sie des Hochwasserschutzes einen kritischen Punkt doch Aufschluss über frühere Techniken und Bau- darstellt (Einstau bei Hochwasserereignissen), verfahren. Die Gründe für ihren Abriss sind sehr soll es 2016 abgerissen und durch einen Neubau unterschiedlich, seien es Überlastung, Gründe ersetzt werden. Im Rahmen einer Diplomarbeit, des Hochwasserschutzes oder fehlende Nut- die vom Verfasser betreut wird, wird zum einen zungsperspektiven. Letztlich ist es dem Verfasser der aktuelle Bauwerkszustand ausführlich doku- ein Anliegen, die Fachwelt und auch die Öffent- mentiert und zum anderen eine Abschätzung der lichkeit für diesen interessanten Teil der Bautech- Tragfähigkeit vorgenommen. Hierbei sollen auch nikgeschichte, insbesondere den des frühen Be- die Ergebnisse einer 1999 durchgeführten Probe- tonbrückenbaus, zu sensibilisieren und somit zum belastung berücksichtigt werden. Erhalt gefährdeter Bauwerke beizutragen.

Aufgrund der Hochwasserproblematik kann das Bauwerk nicht erhalten werden. Es ist dem Ver- Literatur fasser jedoch ein Anliegen, die Abbrucharbeiten zumindest zu begleiten. Über Erkenntnisse aus [1] Veihelmann, K.; Holzver, S. M.: Deutsch- den Untersuchungen und der Dokumentation lands älteste Betonbrücken. Bautechnik 90 kann voraussichtlich im kommenden Jahr berich- (2013) 6, S. 376–379 tet werden. [2] Weller, B.; Tasche, M.: Massive Brücken in Mitteldeutschland. Beton- und Stahlbeton- bau 101 (2006), S. 292–297 6 Nachruf und Aufruf [3] Herzog, M.: Entwicklung des Konstruktiven Betonbaus – Ein Kurzporträt. Sonderheft Be- Der vorangegangene Beitrag stellte in aller Kürze, ton- und Stahlbetonbau Spezial (4/2005), 51 S. ohne Anspruch auf Vollständigkeit, die Entwick- [4] Stegmann, K.: Das Bauunternehmen Dycker- lung von Stampfbetonbögen hin zu Stahlbetonbal- hoff und Widmann – Zu den Anfängen des

270 Oliver Steinbock: Gedanken zum denkmalgerechten Umgang mit Eisenbetonbrücken

Betonbaus in Deutschland 1865–1918. Tü- [11] Tasche, M.: Analyse von Entwicklungssträn- bingen/Berlin: Wasmuth, 2014 gen im Konstruktiven Ingenieurbau anhand [5] Preßbich, G.-A.: Vom Neubau der Augustus- bestehender Brücken und Stabtragwerke im Brücke in Dresden, Deutsche Bauzeitung Hochbau in Sachsen, Sachsen-Anhalt und (1910) No. 46 / 47 / 50, S. 354 u. 358 / 363– Thüringen. Diss., TU Dresden (verteidigt 367 / 383–384 2015, unveröffentlicht) [6] Deinhard, J. M.: Massivbrücken gestern und [12] Straßen- und Tiefbauamt Dresden; Abt. Brü- heute. Vom Caementum zum Spannbeton. cken und Ingenieurbauwerke; Ordner B 0106 Band II, Wiesbaden/Berlin: Bauverlag, 1964 00 1.9. 02 und Ordner A B 0106 00 1.4. 01; [7] Actien-Gesellschaft für Monier-Bauten vorm. eingesehen im Oktober 2015 G. A. Wayss & Co. (Hrsg.): Die Monier-Bau- [13] In [6] zitiert als Werbeschrift; La construction weise, D.R.-Pat. – Brücken, Durchlässe und des ponts au XXe siècle. Les ponts Henne- Tunnel. Werbeschrift, Berlin, 1891 biques, Paris 1906 [8] Pommer, D.: Max Pommer als Betonpionier [14] Curbach, M.; Hensel, F.; Hänseroth, T.; und Unternehmer. In: Krieg, S. W.; Pommer, Scheerer, S.; Steinbock, O.: Genius and Nazi? D.; Sächsisches Wirtschaftsarchiv e.V. (Tö- Willy Gehler (1876–1953) – a German Civil pel, V.) (Hrsg.): Max Pommer – Architekt und Engineer and Professor between Technical Betonpionier, Leipzig: Sax, 2015, S. 64–101 Excellence and Political Entanglements in [9] Gehler, W.; Gesteschi, Th.; Colberg, O.: Brü- the 20th Century. In: Bowen, B.; Friedman, ckenbau: Balkenbrücken – Bogenbrücken D.; Leslie, T.; Ochsendorf, J. (Eds.): Procee- – Anwendungen des Eisenbetons im Eisen- dings – Volume I, Proceedings of the fifth brückenbau. In: Emperger, F. (Hrsg.): Hand- International Congress on Construction His- buch für Eisenbetonbau, VI. Band, Berlin: tory, ICCH5, 3.–7.6.2015 in Chicago (USA), Ernst und Sohn, 1911 Chicago: Construction History Society of [10] Gehler, W.: Balkenbrücken. In: Emperger, America, 2015 pp. 549–556 F. (Hrsg.): Handbuch für Eisenbetonbau, VI. Band, Berlin: Ernst und Sohn, 1931

271 Sebastian Wilhelm, Robert Zobel: Brückenbauexkursion 2015

Brückenbauexkursion 2015 – Infrastrukturprojekte in Tschechien, Österreich und Deutschland

Dipl.-Ing. Sebastian Wilhelm, Dipl.-Ing. Robert Zobel Institut für Massivbau, TU Dresden

1 Idee der Exkursion Finanzen bis hin zur Organisation der Übernach- tungen und Verpflegung arbeiten die Studenten Die diesjährige Brückenbauexkursion durch selbstständig unter Koordination und Beratung Tschechien, Österreich und Süddeutschland gab durch die Mitarbeiter. Die Reise mit Kleinbussen den mitgereisten Studenten die Möglichkeit, ne- hat sich in den vergangenen Jahren bewährt und ben dem Brückenbau auch den Tunnel- und Stadi- ermöglicht die notwendige Flexibilität, um die oft onbau hautnah zu erleben. Zum einen konnten die schwer zugänglichen Baustellen überhaupt zu er- theoretischen Grundlagen des Studiums vertieft reichen. Das gemeinsame Campen begrenzt nicht und in der praktischen Anwendung kennengelernt nur den Kostenrahmen, es bringt auch die Gruppe werden. Zum anderen bot sich die Gelegenheit, zusammen und fördert die abendliche Diskussion mit Bauleitern und Planern in Kontakt zu kommen, über die Erlebnisse des Tages. um ihnen eine Vielzahl an Fragen zu stellen und mit ihnen Fachliches zu diskutieren. Diese Mög- lichkeit schätzen die teilnehmenden Studenten 2 Ingenieurbauwerke erleben sehr, da viele von ihnen im 8. Semester langsam beginnen, ihre Karriere nach der Universität zu pla- Am frühen Montagmorgen, dem 24. August 2015, nen. Von Beginn an, etwa ein halbes Jahr vor der starteten wir unsere Exkursion. Unser erstes Exkursion, werden die Studenten bereits in den Ziel war Prag. Die Mitarbeiter von METROSTAV Planungsprozess ihrer Exkursion eingebunden. informierten uns hier umfangreich zur Troja-Brü- Von der Auswahl der Ingenieurbauwerke über die cke, eine mit 200 m Stützweite und 36 m Breite Zusammenstellung der Route, die Verwaltung der ausgeführte Netzbogenbrücke. Trotz der 2.500 t

Bild 1: Troja-Brücke – Netzbogenbrücke in Prag/Tschechien (Foto: Sebastian Wilhelm)

273 26. Dresdner Brückenbausymposium schweren Stahlkonstruktion wirkt diese Brücke element lagert jede Raute auf Stützen, die zusam- durch ihren sehr flachen Bogen von nur 20 m men einen Rahmen bilden. Jeweils in der Auffal- Höhe filigran. Hergestellt wurde die Brücke in Ver- tung der Raute bildet sich ein First aus, der durch bundbauweise mit einem Stahlbogenbalken und ein rautenförmiges Oberlicht unterbrochen wird. abgehängter Fahrbahnplatte. Die vorgespannte Durch das Zusammenspiel der einzelnen rauten- Fahrbahnplatte aus Ortbeton ruht auf geschwun- förmigen Oberlichter wird die von unten massig genen Fertigteil-Querträgern, die ebenfalls vorge- wirkende Überdachung ein wenig aufgelockert. spannt wurden. Vom Wiener Hauptbahnhof ging es weiter zur Weiter ging es über Hradec Králové, wo einer Baustelle des Knotens Prater. Dort waren wir der wichtigsten Autobahnverkehrsknotenpunk- mit Brigitte Müllneritsch von der ASFiNAG ver- te Tschechiens im Moment zu Europas größtem abredet. Nach einer kurzen Vorstellung der Ar- Kreisverkehr ausgebaut wird, nach Wien. In Wien beitsbereiche der ASFiNAG berichtete uns Frau standen am nächsten Tag die Besichtigung der Müllneritsch vom komplizierten Bauvorhaben am Faltwerkskonstruktion des Daches über dem Knoten Prater. Dieser stellt mit der Verknüpfung Wiener Hauptbahnhof sowie der Baustelle des der A-23-Südosttangente Wien und der A-4-Ost- neuen Verkehrsknotenpunktes Prater und der Autobahn ein hochrangiges Autobahnkreuz inmit- Hochstraße Inzersdorf, beides begleitet durch die ten Wiens dar. Die in den Jahren 1970 bis 1972 ASFiNAG, auf dem Programm. als Schalentragwerk gebaute Erdberger Brücke ist aufgrund der sehr hohen Verkehrsbelastung Die Überdachung des Wiener Hauptbahnhofs an der Tragfähigkeitsgrenze angelangt und muss ist aus 14 Rauten zusammengesetzt. Als Einzel­ aufgrund ihres schlechten Zustandes abgerissen und neu gebaut werden. Damit der Verkehr während des Abrisses und Neubaus der Erdberger Brücke möglichst weiterhin ungehindert abgewickelt werden kann, wurden im Vorfeld links und rechts neue Brücken errichtet – sogenannte Ent- flechtungstragwerke. Nach deren Fertigstellung wird dann die Erd- berger Brücke abgerissen und neu erbaut. Bei Aufrechterhaltung von zwei Fahrspuren pro Richtung und 190.000 Fahrzeugen pro Tag bedeu- tet dies eine planerische Meister- leistung. Einen genauen Überblick über das gesamte Bauvorhaben Bild 2: Besichtigung des Verkehrsknotens in Hradec Králové/Tsche- erhielten wir bei der anschließen- chien (Foto: Sebastian Wilhelm) den Begehung. Interessant dabei waren besonders die aufgeklebten CFK-Lamellen bei der bestehenden Erdberger Brücke.

Nach der Besichtigung des Kno- tens Prater ging es sofort weiter zur Hochstraße Inzersdorf, eben- falls ein Projekt der ASFiNAG. Dort waren wir mit Herrn Krüger verab- redet. Nach einem kurzen Überblick über die Hochstraße Inzersdorf mit- tels einer Präsentation führte uns Herr Krüger dann über die Baustel- le. Besonders interessant waren die Schäden an den Querträgern durch Salzwasser. Diese resultierten aus dem gewählten Fertigteilsystem Bild 3: Überdachung des Wiener Hauptbahnhofs der Brücke. Der Überbau wurde als (Foto: Sebastian Wilhelm) Einfeldträgerkette ausgeführt. Auf-

274 Sebastian Wilhelm, Robert Zobel: Brückenbauexkursion 2015 grund der hohen Verkehrsbelastung und der Schä- digung durch Salzwasser muss die bestehende Hochstraße nun erneuert werden. Dabei wird ein Teil des Abschnittes instand gesetzt, der andere Teil wird abgetragen und erneuert. Im Anschluss an die Besichtigung fuhren wir weiter zu unserem letzten Programmpunkt des Tages – der Murinsel in Graz. Bei der Murinsel handelt es sich um eine schwimmende, aus Stahl ausgeführte Plattform in der Mur, die besonders im Dunkeln ein High- light ist.

Nach einem gemütlichen Frühstück an einem sonnigen Plätzchen ging es am nächsten Tag weiter nach Deutsch-Grutschen zur Tunnelkette Granitztal, Bestandteil des Projektes zum Ausbau des österreichischen Eisenbahnnetzes. Nach ei- ner Einführung im Baubüro von HOCHTIEF konn- ten die Studenten hautnah einen Einblick in den Tunnelbau im Sprengvortrieb nehmen. Der Tunnel Deutsch–Grutschen mit einer Länge von 2,6 km ist im Bauabschnitt Granitztal nur ein Teil der 6 km langen Tunnelkette. An den nördlich gelegenen Tunnel Deutsch–Grutschen schließt sich im Gra- nitztal eine Einhausung (0,6 km) an, die im Süden wieder in einen Tunnel mündet, dem Tunnel „Lan- ger Berg“ (2,9 km). Die beiden Tunnel werden da- bei als 2-röhrige Bahntunnel mit Spreng- und Bag- gervortrieb hergestellt. Der Innenausbau erfolgt Bild 4: Entflechtungstragwerk Knoten Prater in bei beiden Tunneln mit unbewehrtem Ortbeton. Wien/Österreich (Foto: Robert Zobel)

Bild 5: Noch bestehende Erdberger Brücke, Wien/Österreich (Foto: Sebastian Wilhelm)

275 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 6: Hochstraße Inzersdorf in Wien – Schadens- Bild 7: Grazer Murinsel, eine besondere semi-integ- bild an einem Querträger rale Brücke (Foto: Robert Zobel) (Foto: Sebastian Wilhelm)

Im Granitztal wird die Bahntrasse in offener Bau- weise hergestellt und anschließend überschüttet und begrünt. Dadurch können die Lärmbelastung im Tal gesenkt und der Umweltschutz realisiert werden. Der die Bahntrasse kreuzende Granitz- bach wird mit einer geschlossenen Tunnelbrücke passiert.

Weiter ging es nach Salzburg. Hier standen u. a. als Fuß- und Radwegbrücken der Wilhelm-Kauf- mann-Steg und der Makartsteg sowie der his- torische Mozartsteg auf der Tagesordnung. Der Bild 8: Tunnelbau im Sprengvortrieb bei der Tunnel- Wilhelm-Kaufmann-Steg beispielsweise ist eine kette Granitztal, Deutsch–Grutschen/Öster- Schrägkabelbrücke mit einer Spannweite von reich (Foto: Sebastian Wilhelm) 94,50 m, die aufgrund ihrer geringen Breite von nur 5 m sehr filigran wirkt. Der 28 m hohe, um 60 ° geneigte Pylon unterstützt diesen dynami- schen Eindruck. Dank der Anwesenheit des Trag- werksplaners Gerhard Heinrich (Fa. Heinrich & Hudritsch ZT GmbH) konnte auf einige konstruk- tive Details wie die Schwingungsanfälligkeit und -dämpfung, die Gründung im weichen, tonigen Sedimentboden der Salzach und den teils schwie- rigen Errichtungsprozess der Brücke mit Hilfspy- lon und Flussschüttungen detailliert eingegangen werden. Ein weiteres Brückenhighlight in Salz- burg war die Besichtigung des Markartsteges mit dem Tragwerksplaner Johann Lienbacher. Diese 2000/2001 neu errichtete und nach den Entwür- fen der Architekten Lang und Sailer entworfene Stahlbalkenbrücke besticht durch ihre gebogene Form und ihren einzigen, schief stehenden Pfeiler, der sich schier gegen die Brücke stemmt. Auch hier konnten wir uns detailliert über die Problema- tiken Schwingungsanfälligkeit der Brücke, schwie- rige Gründung im Flussbett des Pfeilers sowie Rückverankerung der Lager informieren und Letz- teres sogar begehen.

Bild 9: Erläuterung des Salzburger Wilhelm-Kauf- Über die Mangfallbrücke, eine Spannbetonbal- mann-Steges durch den Tragwerksplaner kenbrücke nach einem Entwurf von Ulrich Fins- Gerhard Heinrich (Foto: Sebastian Wilhelm) terwalder 1959, deren Stege als vorgespannte und geneigter Pylon dieser Brücke Fachwerkkonstruktion ausgeführt wurden, fuhren (Foto: Robert Zobel) wir weiter zur Europabrücke nach Innsbruck. Auf-

276 Sebastian Wilhelm, Robert Zobel: Brückenbauexkursion 2015

Bild 10: Rückverankerung beim Wilhelm-Kaufmann- Bild 12: Rückverankerung des Makartsteges Steg in Salzburg/Österreich in Salzburg/Österreich (Foto: Sebastian Wilhelm) (Foto: Robert Zobel)

Bild 11: Makartsteg, Salzburg/Österreich (Foto: Robert Zobel) grund der einseitigen Sperrung wegen Instand- am Deckblech kann der Fahrbahnbelag nur unter setzungsmaßnahmen konnte die 192 m hohe hohem Aufwand vollständig aufgenommen wer- Brücke, geführt durch die ASFiNAG, von den Stu- den. Durch die Besichtigung erhielten wir einen denten begangen werden. Aufgrund einer Viel- umfassenden Einblick in die Instandhaltung, wie zahl von aufgeschweißten Aussteifungsrippen z. B. bei der Lagerwartung, eines so zentral wich-

277 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 13: Mangfallbrücke – eine Spannbetonbalken- Bild 14: Exkursionsteilnehmer hoch ben über der brücke von Ulrich Finsterwalder bei Weyarn/ Europabrücke bei Innsbruck/Österreich Deutschland (Foto: Sebastian Wilhelm) (Foto: Peter Augschöll)

Bild 16: Tübbinge für den Tunnel des neuen Wasser- kraftwerks in Pfunds/Österreich (Foto: Robert Zobel)

Bild 15: Besichtigung der Europabrücke Bild 17: Doppelschildmaschine im Tunnel des neuen (Foto: Sebastian Wilhelm) Wasserkraftwerks in Pfunds/Österreich (Foto: Robert Zobel) tigen Schlüsselbauwerks im österreichischen der Baustelle die Dimensionen der Maschinen Straßennetz. sowie die Herstellung der Tübbinge in der extra dafür errichteten Fabrikhalle live erleben. Auch die HOCHTIEF-Baustelle des Wasserkraft- werks Pfunds, das seit vielen Jahren größte im Eines der Highlights war die längste Fußgänger- Alpenraum neu gebaute Laufwasserkraftwerk im hängebrücke Europas in Reutte – die Highline179. schweizerisch-österreichischen Grenzgebiet, ge- Die Seilhängebrücke überspannt in schwindeler- hörte zum breit gefächerten Programm. In einem regender Höhe die B 179 bei Reutte und verbindet über 20 km langen Tunnel, gebaut im Doppel- somit die Ruine Ehrenberg mit dem Fort Claudia. schildvortrieb, konnten wir am nächsten Tag auf Mit 406 m Länge und 115 m Höhe ist diese Brü-

278 Sebastian Wilhelm, Robert Zobel: Brückenbauexkursion 2015 cke aufgrund der hohen Schwingungsanfälligkeit netzen befestigt. Zehn Seilbündel zu je 55 Litzen und einem Gitterrost-Laufsteg eine sehr luftige bilden das Hauptspannglied, welches die Lasten und nicht für jeden geeignete Attraktion. zu großen Massenfundamenten an den Rändern des Stadions abträgt. Ein weiterer Höhepunkt der Exkursion war die Begehung des Daches des Olympiastadions in Die Besichtigung der Saale-Elster-Talbrücke als München, welches eine architektonische Meis- Teil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 8 terleistung von Frei Otto und Günther Behnisch (VDE 8) bildete den Abschluss der Exkursion. Ziel ist. Während der Führung über das Dach konnten des Aus- und Neubaus der Bahnmagistrale Berlin– wir die Tragelemente näher begutachten und die Nürnberg ist, dass ab 2018 die aktuelle Fahrtzeit Dachkonstruktion an den Hochpunkten in Schwin- von ca. sechs Stunden von Berlin nach München gung versetzen. Dünne Plexiglasscheiben wurden auf nur noch vier verkürzt wird. Besonderheit mittels beweglichen Lagerelementen an den Seil- der fast 6.500 m langen Stahlbetonbrücke ist die

Bild 18: Highline179 – Europas längste Fußgänger- Bild 19: Nahaufnahme der Highline179 hängebrücke bei Reutte/Österreich (Foto: Sebastian Wilhelm) (Foto: Sebastian Wilhelm)

Bild 20: Dach des Olympiastadions München Bild 21: Im Münchener Olympiastadion (Foto: Sebastian Wilhelm) (Foto: Sebastian Wilhelm)

279 26. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 22: Saale-Elster-Talbrücke bei Halle/Saale Bild 23: Mittagessen am Inn bei Prutz/Österreich (Foto: Sebastian Wilhelm) (Foto: Sebastian Wilhelm) schotterlose feste Fahrbahn und eine Stahl-Stab- men in die Projektarbeit des 9. Semesters gestar- bogenbrücke mit einer Ausbaugeschwindigkeit tet sind. Die Vielzahl der unterschiedlichen Trag- von ebenfalls 300 km/h. Da sich die Brücke noch werke, Lösungen und technischen Details der in der Standzeit befindet und derzeit nur Messfahr- Exkursion werden ihnen dabei helfen, ihre erste ten stattfinden, konnten der Hohlkasten begangen Brücke zu entwerfen und zu berechnen. und ein Einblick in das Bauwerksmonitoring sowie in die Auswertung der Daten durch Marc Wenner, Mitarbeiter bei MARX KRONTAL, gewonnen wer- Danksagung den. Aufgrund der hohen Anforderungen an das Tragwerk durch die Hochgeschwindigkeitszüge Wir möchten uns an dieser Stelle bei all jenen be- wurde nämlich seitens des Eisenbahnbauamtes ein danken, die uns bei der Planung, vor Ort bei den Bauwerksmonitoring für diese Brücke gefordert. In interessanten Führungen über die unterschied- ausgewählten Bereichen werden die Bauwerks- lichsten Ingenieurbauwerke und mit ihrer finanziel- bzw. Bauteilverformungen über einen sehr langen len Unterstützung geholfen haben, die Exkursion Zeitraum gemessen und ausgewertet, um bspw. zu einem lehr- und abwechslungsreichen Erlebnis die Beanspruchung in der Schiene zu erfassen, die zu machen. Einhaltung der Anforderungen für die „Feste Fahr- bahn“ zu bestätigen oder das Bauwerksverhalten Wir bedanken uns bei unseren Gastgebern – an Trennfugen zu analysieren. Markéta Purnochová, Barbora Píchová, Richard Rakouš, Brigitte Müllneritsch, Herrn Krüger, Mar- kus Holzleitner, Gerhard Heinrich, Johann Lienba- 3 Schlusswort cher, Peter Augschöll, Alexander von Liel, Marc Wenner, Udo Koppernock –, die sich bei den In- Nach diesen ereignisreichen acht Tagen und rund genieurbauwerken viel Zeit für uns nahmen und 2.700 km Fahrtstrecke wieder in Dresden ange- uns Einblicke in die Ingenieurbaukunst verschafft kommen, bleiben den Exkursionsteilnehmern haben. schöne Erinnerungen an die gemeinsame Zeit sowie die interessanten Einblicke in die Kunst, Ein besonderer Dank geht an Professor Holger Brücken zu entwerfen, zu bauen, zu sanieren und, Svensson, der uns bei dieser Exkursion wieder was nicht vergessen werden darf, ggf. messtech- tatkräftig und finanziell unterstützt hat. Ebenfalls nisch zu überwachen. gilt unser Dank der Fakultät Bauingenieurwesen der Technischen Universität Dresden, Schüßler- Uns hat es besonders gefreut, dass einige der Plan und der Gesellschaft von Freunden und För- Studenten nach ihren verdienten Semesterferien, derern der Technischen Universität Dresden für inspiriert von der Exkursion, mit Brückenbauthe- die finanzielle Unterstützung.

280 Sabine Wellner: Chronik des Brückenbaus

Chronik des Brückenbaus

Zusammengestellt von Dipl.-Ing. (FH) Sabine Wellner, Otto-Mohr-Laboratorium, TU Dresden

A 3 – Talbrücke Aschaffquelle, BW 230c

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, Freistaat Im Zuge des 6-streifigen Ausbaues der BAB A 3 Bayern, vertreten durch die Autobahn­ Frankfurt–Nürnberg wurde das Tal der Klein­ direktion Nordbayern Entwurf: Autobahndirektion Nordbayern aschaff in deren Quellbereich mit einer Talbrücke Genehmigungs- und Ausführungsplanung: überbrückt. Das Brückenbauwerk sollte ausgewo­ Ingenieurbüro SRP Schneider & Partner gene Proportionen zwischen Stützweite, Bauhö­ Ausführung: Fa. Max Bögl Stiftung & Co. KG he und Geländebeschaffenheit sowie stützenden Technische Daten und unterstützten Bauteilen erhalten und wirt­ Bauart: Fünffeldrige Spannbetonbrücke auf schaftlich in Bau und Unterhaltung sein. Traggerüst Überbau: 2 × zweistegiger Spannbeton-Platten­ balken Es gibt zwei getrennte Überbauten, so dass bei spä­ Konstruktionshöhe: 2,40 m (Überbau) teren Instandsetzungsarbeiten eine 4+0-Verkehrs­ Unterbau: Massive Stahlbetonpfeiler führung problemlos möglich ist. Die beiden Über­ Gründungsart: Tiefgründung auf Ortbeton-Großbohr­ pfählen, ∅ 1,20 m bauten wurden als parallelgurtige, in Längsrichtung Gesamtlänge: 202,50 m mit Spanngliedern in nachträglichem Verbund vor­ Einzelstützweiten: 35,25 m – 3 × 44,00 m – 35,25 m gespannte Ortbeton-Durchlaufträger mit zweiste­ Breite: 18,05 m – 21,80 m Brückenfläche: 8.070 m² gigem Plattenbalkenquerschnitt ausgeführt und auf Bauzeit: 2013–2015 einem Traggerüst abschnittsweise mit Koppelfugen Auftragssumme: ca. 12,0 Mio. EUR im Bereich der Momentennullpunkte hergestellt. Massen und Mengen Die Fahrbahnplatten enthalten eine Quervorspan­ Bohrpfähle: 1.500 lfd. m nung aus verbundlosen Spanngliedern. Beton: 12.000 m³ Betonstahl: 1.400 t Das Bauwerk wurde mit Großbohrpfählen mit Spannstahl: 290 t Pfahllängen zwischen 5 m und 28 m im Sandstein tief gegründet. Unter jedem Überbausteg befin­ den sich einzelne Massivpfeiler mit je einem Ka­ lottenlager. Dadurch entstehen vier Stützenreihen mit vier Lagerreihen. Die Pfeilerpaare eines Über­ baus sind jeweils durch einen 2 m hohen Querrie­ gel verbunden.

Seitenansicht (Foto: Autobahndirektion Nordbayern)

283 26. Dresdner Brückenbausymposium

A 3 – Ersatzneubau der Brücke über den Main-Donau-Kanal, BW 379b

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, Freistaat Litzenbrüche, korrodierte Spannglieder und wei­ Bayern, vertreten durch die Autobahndi­ tere Schäden in Folge von SpRK beim Bestands­ rektion Nordbayern Entwurf: Schömigplan Ingenieurgesellschaft mbH bauwerk (Bj. 1961) machten einen Ersatzneubau Genehmigungs- und Ausführungsplanung: erforderlich, der für den zukünftig 6-streifigen König und Heunisch Planungsgesell­ Ausbau der BAB A 3 Frankfurt–Nürnberg ausge­ schaft mbH Ausführung: ARGE Echterhoff Bau GmbH | SAM legt wurde. Die Widerlager sind auf bis zu 30 m Stahlturm- & Apparatebau langen Ortbeton-Großbohrpfählen gegründet. Jede Richtungs-FB erhielt einen eigenen Überbau Technische Daten als einfeldrige selbstverankerte Stabbogenkonst­ Bauart: Bogenbrücke Überbau: Einfeldrige Stahl-Stabbogenbrücke im ruktion, wodurch die beiden seitlich angeordneten Verbund mit schlaff bewehrter Stahlbe­ Hauptträger zusätzlich Zugspannungen aus Bo­ tonfahrbahnplatte genschub erhalten, was positiv für das Stabilitäts­ Unterbau: Stahlbetonwiderlager Gründungsart: Tiefgründung auf Ortbeton-Großbohr­ verhalten der Längsträger ist. pfählen, ∅ 1,20 m Gesamtlänge: 94,00 m Unter den Bogenfußpunkten befinden sich Ka­ Einzelstützweiten: 94,00 m Breite: 2 × 18,85 m lottenlager und Verformungsgleitlager mittig un­ Brückenfläche: 3.544 m² ter den Endquerträgern. Die Stahlteile für den Konstruktionshöhe: 1,80 m (Überbau) Überbau wurden auf einem Vormontageplatz ver­ Bauzeit: 2014–2015 Auftragssumme: ca. 12,7 Mio. EUR schweißt und während einer eintägigen Sperrung des Kanals für den Schiffsverkehr mittels eines Massen und Mengen Pontons in die endgültige Lage eingeschoben. Ein Bohrpfähle: 1.159 lfd. m mit Leichtbeton gefüllter Hohlkasten außen am Beton: 4.970 m³ Betonstahl: 880 t Hauptträger ist ober- und unterwasserseitig als Konstruktionsstahl: 1.600 t Schutz bei Schiffsanprall befestigt. Kopfbolzen: 6,5 t (11.370 Stück)

Luftbild (Foto: Hajo Dietz)

284 Sabine Wellner: Chronik des Brückenbaus

A 7 – Talbrücke Bräubach, BW 684a

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, Freistaat Die Brücke im Zuge der A 7 nördlich der AS Markt­ Bayern, vertreten durch die Autobahn­ breit ersetzt ihre 30 Jahre alte Vorgängerin, die direktion Nordbayern Entwurf: Leonhardt, Andrä und Partner Bera­ insgesamt in schlechtem Zustand und v. a. infolge tende Ingenieure VBI GmbH, Büro des rasant angestiegenen Güter- und Schwerver­ Nürnberg kehrs nicht mehr ausreichend tragfähig war. Nach Genehmigungs- und Ausführungsplanung: Konstruktionsbüro Fa. Hörnig Bau­ der Umlegung des Verkehrs auf die Richtungs-FB gesellschaft mbH & Co. KG, Aschaf­ Würzburg wurde das westliche Teilbauwerk abge- fenburg brochen und anschließend neu gebaut. Nach Um­ Ausführung: Adam Hörnig Baugesellschaft mbH & Co. KG, Aschaffenburg legung des Verkehrs auf dieses wurde analog für das zweite Teilbauwerk verfahren. Technische Daten Bauart: Fünffeldrige semiintegrale Platten­ Die in der Grundform sechseckigen Pfeiler haben balkenbrücke Überbau: Zweistegiger Spannbeton-Plattenbalken einen veränderlichen Querschnitt mit 50:1-Nei­ Unterbau: Massive Stahlbetonpfeiler mit zweifa­ gung in der Längs- und 25:1-Neigung in der Quer- chem Anlauf ansicht. Der 4,60 m hohe Pfeilerkopf weitet sich Gründungsart: Tiefgründung auf Ortbeton-Großbohr­ pfählen, ∅ 1,20 m nach oben auf und schließt monolithisch an die Gesamtlänge: 248,00 m Überbaustege an. Der zurückgesetzte Spiegel als Einzelstützweiten: 40,00 m – 3 × 56,00 m – 40,00 m gestalterisches Element folgt der Aufweitung des Breite: 31,35 m Brückenfläche: 7.775 m² Schaftes. Konstruktionshöhe: gevoutet 1,70 m (Feldmitte) bis 3,20 m (über Pfeilern) Die längs in nachträglichem Verbund vorgespann­ Bauzeit: 2013–2015 Auftragssumme: ca. 15,0 Mio. EUR ten Überbauten wurden abschnittsweise auf Traggerüst mit Koppelfugen in den Momenten­ Massen und Mengen nullpunkten und Querträger nur über den Widerla­ Bohrpfähle: 1.640 lfd. m gern ausgeführt. Beton: 11.400 m³ Betonstahl: 1.580 t Spannstahl: 300 t

Pfeileransicht (Foto: Autobahndirektion Nordbayern)

285 26. Dresdner Brückenbausymposium

A 10 – Ersatzneubau der Brücke über die B109 – Schönerlinder Straße, BW 87

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Das einfeldrige Brückenbauwerk aus dem Jahre und Umwelt Berlin 1970 wurde im Zuge des Ausbaus der Autobahn Entwurf: Ingenieurbüro Grassl, Berlin Genehmigungs- und Ausführungsplanung: A 10 über die Schönerlinder Straße als Fertigteil­ Prof. Dr.-Ing. H. Bechert + Partner, konstruktion der Baureihe BT-70 hergestellt und Dresden im Rahmen des 6-streifigen Ausbaus zurückge­ Ausführung: Matthäi Bauunternehmen GmbH & Co. KG, Velten baut und anschließend neu errichtet.

Technische Daten Beide Widerlager sind als Kastenwiderlager ausge­ Bauart: 1-feldrige Plattenbalkenbrücke bildet und flach gegründet. Die Wider­lagerwände Überbau: 4-stegiger Plattenbalken aus Spann­ beton mit zwei getrennten Überbauten sind parallel zur unterführten B 109 angeordnet. Unterbau: Kastenwiderlager Der Ersatzneubau wurde, bezogen auf das Be­ Gründungsart: Flachgründung standsbauwerk, bei gleich bleibender Weite um Gesamtlänge: 17,45 m Einzelstützweiten: 17,45 m ca. 1 m nach Westen verschoben. Im Anschluss­ Breite: 37,00 m bereich an die Widerlagerwände sind die Flügel Brückenfläche: 645 m² an der Innenseite im Grundriss unter 45 ° gevou­ Konstruktionshöhe: 1,02 m (Überbau) Bauzeit: 2013–2015 tet. Scheinfugen in den Widerlagerwandhälften Auftragssumme: ca. 1,85 Mio. EUR dienen der Steuerung der Riss­bildung aus Deh­ nungsbehinderung. Massen und Mengen Beton: 3.103 m³ Betonstahl: 451 t Beide 1,02 m hohen Überbauten sind 4-stegige Spannstahl: 28 t Spannbeton-Plattenbalken mit einer Stützweite von 17,45 m, was eine Schlankheit von ~17 er­ gibt. Die Fahrbahnplatte zwischen den Stegen ist 0,35 m stark. Jeder Überbau wurde je Lagerach­ se auf drei Verformungslagern (bewehrte Elasto­ merlager) aufgelagert. Den seitlichen Überbauab­ schluss bildet ein 1 m hohes Holmgeländer der Gestaltungstypologie der BAB A 10.

Untersicht (Foto: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin)

286 Sabine Wellner: Chronik des Brückenbaus

A 10 – Ersatzneubau der Brücke über die Panke, BW 89

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Das Fertigteil-Bestandsbauwerk (1970, BT 50) und Umwelt Berlin musste abgebrochen werden, da die Verbreite­ Entwurf: Ingenieurbüro Grassl, Berlin Genehmigungs- und Ausführungsplanung: rung der Fahrbahn von 2 auf 3 Steifen je FR not­ Prof. Dr.-Ing. H. Bechert + Partner, wendig wurde. Dresden Ausführung: Matthäi Bauunternehmen GmbH & Co. KG, Velten Die Brücke liegt in einer Wanne, weshalb der Überbau in Längs- und Querrichtung variabel ge­ Technische Daten neigt ist. Die schiefwinkligen Kastenwiderlager Bauart: Stahlbetonrahmenbrücke mit zwei wurden flach gegründet. Die Widerlagerwände getrennten Überbauten) Überbau: Schlaff bewehrte Stahlbetonplatte wurden parallel zur Achse der unterführten Panke Unterbau: Schiefwinkliges Kastenwiderlager angeordnet und die Flügelwände fugenlos an die Gründungsart: Flachgründung Widerlager angeschlossen. Im Anschlussbereich Gesamtlänge: 11,23 m Einzelstützweiten: 11,23 m sind die Flügel NW und SO auf der Innenseite im Breite: 35,56 m Grundriss unter 45 ° gevoutet. Je FR wurde ein Brückenfläche: 399 m² Überbau aus einer schlaff bewehrten, biegesteif Konstruktionshöhe: 0,65 m (Überbau) Bauzeit: 2013–2015 mit den Widerlagerwänden verbundenen Stahl­ Auftragssumme: ca. 1,10 Mio. EUR betonplatte hergestellt, die eine Schlankheit von l/h 16 aufweist. Massen und Mengen ≅ Beton: 857 m³ Betonstahl: 106 t Die Konstruktionshöhe variiert zwischen 0,65 und 0,25 m (Kragarmenden). Die Lärmschutzwände sind in den Kappen auf der Südseite mittels Ver­ ankerungskonstruktionen einbetoniert. Zugkräfte werden dort zusätzlich mit Tellerankern in den Überbau geleitet.

Seitenansicht (Foto: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin)

287 26. Dresdner Brückenbausymposium

A 10 – Ersatzneubau der Brücke über den Lietzengraben, BW 88

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Im Zuge des 6-streifigen Ausbaus des Berliner und Umwelt Berlin Teilstücks der BAB A 10 zwischen AD Pankow Entwurf: Ingenieurbüro Grassl, Berlin Genehmigungs- und Ausführungsplanung: und AD Barnim wurde die bestehende BT-50-Fer­ Prof. Dr.-Ing. H. Bechert + Partner, tigteilbrücke über den Lietzengraben abgerissen Dresden und anschließend in der Trasse des Bestandsbau­ Ausführung: Matthäi Bauunternehmen GmbH & Co. KG, Velten werks neu errichtet. Die Brücke hat zwei schief­ winklige Kastenwiderlager mit 0,80 m dicken Technische Daten Flügelwänden (Regelbereich), die fugenlos an Bauart: Stahlbetonrahmenbrücke mit zwei die Widerlager anschließen. Das Bauwerk w­ urde getrennten Überbauten Überbau: Schlaff bewehrte Stahlbetonplatte flach gegründet. Um eine Beeinflussung der neu­ Unterbau: Schiefwinkliges Kastenwiderlager en Gründung durch die vorhandenen Pfähle des Gründungsart: Flachgründung Bestandsbauwerks auszuschließen, wurden die­ Gesamtlänge: 9,20 m Einzelstützweiten: 9,20 m se auf Höhe der Baugrubensohle abgebrochen. Breite: 36,10 m Je Fahrbahnrichtung wurde eine 0,65 m hohe, Brückenfläche: 322 m² schlaff bewehrte Stahlbetonplatte hergestellt, die Konstruktionshöhe: 0,65 m (Überbau) Bauzeit: 2013–2015 biegesteif mit den Widerlagerwänden verbunden Auftragssumme: ca. 1,08 Mio. EUR ist. Mit einer Stützweite von 8,65 m ergibt sich eine Schlankheit von 13. Die Kragarmenden ver­ Massen und Mengen jüngen sich auf 0,25 m. Ein 1 m hohes Holmgelän­ Beton: 1.053 m³ Betonstahl: 129 t der als Sonderkonstruktion der Gestaltungstypo­ logie der BAB A 10 schließt den Überbau seitlich ab.

Seitenansicht (Foto: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin)

288 Sabine Wellner: Chronik des Brückenbaus

A 10 – Ersatzneubau der Brücke über die L 161 – Karower Chaussee BW 90

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Das flach gegründete Bauwerk ersetzt im Rahmen und Umwelt Berlin des 6-streifigen Ausbaus der A 10 eine Fertigteil­ Entwurf: Ingenieurbüro Grassl, Berlin Genehmigungs- und Ausführungsplanung: konstruktion der Baureihe BT-50. Prof. Dr.-Ing. H. Bechert + Partner, Dresden Die beiden Kastenwiderlager sind tangential zum Ausführung: Matthäi Bauunternehmen GmbH & Co. KG, Velten Schnittpunkt der Achsen von A 10 und L 161 an­ geordnet. Die fugenlos an die Widerlager ange­ Technische Daten schlossenen Flügelwände sind jeweils 12,50 m Bauart: 2-feldrige Plattenbalkenbrücke lang. Etwa in den Drittelspunkten der beiden Wi­ Überbau: 4-stegiger Plattenbalken aus Spann­ beton derlagerwandhälften wurden Scheinfugen zur Unterbau: Stahlbetonpfeiler und -widerlager Steuerung der Rissbildung angeordnet. Die Flügel Gründungsart: Flachgründung sind mit Verblendmauerwerk im Märkischen Ver­ Gesamtlänge: 35,85 m Einzelstützweiten: 17,925 m – 17,925 m band gestaltet. Breite: 36,66 m Brückenfläche: 1.314 m² In Brückenmitte lagern die Hauptträgerstege je­ Konstruktionshöhe: 1,02 m (Überbau) Bauzeit: 2013–2015 weils auf Einzelpfeilern mit Korbbogenquerschnitt. Auftragssumme: ca. 2,73 Mio. EUR Der 1 m hohe Pfeilerkopf misst 2 × 1,3 m. Beide Überbauten sind 4-stegige Spannbeton-Plattenbal­ Massen und Mengen ken und lagern auf Verformungslagern. Die Fahr­ Beton: 3.103 m³ Betonstahl: 451 t bahnplatte zwischen den Stegen ist 0,35 m stark Spannstahl: 28 t und die Dicke des Kragarmanschnittes beträgt 0,45 m. In den drei Lagerachsen wurden 1,30 m breite Querträger zwischen den Hauptträgern an­ geordnet.

Untersicht (Foto: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin)

289 26. Dresdner Brückenbausymposium

A 14 – Neubau der Brücke über die Löcknitzniederung, BW 21

Beteiligte Beschreibung Bauherr: DEGES Berlin in Vertretung der Bran­ Die A 14 kreuzt zwischen den AS Karstädt und denburgischen Straßenbauverwaltung Groß Warnow die Löcknitz und die angrenzende Entwurf: BUNG Beratende Ingenieure, Berlin Genehmigungs- und Ausführungsplanung: Niederung. Das Gebiet ist Teil des LSG Agrar­ Ingenieurbüro Gnade GmbH, Magde­ landschaft Prignitz-Stepenitz. Es wurde ein 7-fel­ burg driges Bauwerk entsprechend des architektoni­ Ausführung: JOHANN BUNTE Bauunternehmung GmbH & Co. KG, NL Schwerin schen Gestaltungskonzepts von A. Keipke für den A-14-Neubau errichtet. Die in die Böschungen Technische Daten zurückversetzten Widerlager und die Pfeiler sind Bauart: Plattenbalkenbrücke radial zur A-14-Achse angeordnet. Überbau: Zweistegiger Plattenbalken aus Spann­ beton in feldweiser Herstellung auf Traggerüst Die Stützweiten wurden anhand der landschafts­ Unterbau: Stahlbetonpfeiler und -widerlager pflegerischen Begleitplanung so gewählt, dass ein Gründungsart: Flachgründung Gesamtlänge: 200,00 m Streifen von 5 m ab Böschungs-OK Gewässer von Einzelstützweiten: 25,75 m – 2 × 29,00 m – 34,50 m – jeglicher Bauaktivität der Gründung freigehalten 2 × 29,00 m – 23,75 m wird. Die 2-stegigen vorgespannten Plattenbalken Breite: 2 × 14,10 m Brückenfläche: 5.640 m² haben außen und innen abgerundete Stege und Konstruktionshöhe: 1,60 m (Überbau) eine 40 cm dicke Platte. Je Steg wurden getrenn­ Bauzeit: 2014–2015 te Pfeiler in Breite der Stege errichtet. Die Pfei­ Auftragssumme: ca. 7,70 Mio. EUR lerdicke ist hinsichtlich der Lagergrößen optimiert. Massen und Mengen An den Überbauaußenseiten sind entsprechend Beton: 11.700 m³ der landschaftspflegerischen Begleitplanung 4 m Betonstahl: 1.500 t hohe Kollisionsschutzwände angeordnet. Spannstahl: 240 t Konstruktionsstahl: 12 t

Untersicht der Brücke (Foto: Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg)

290 Sabine Wellner: Chronik des Brückenbaus

A 14 – Neubau der Überführung der B 5, BW 21Ü6

Beteiligte Beschreibung Bauherr: DEGES Berlin in Vertretung der Bran­ Das Brückenbauwerk BW 21Ü wurde im Zuge denburgischen Straßenbauverwaltung des Ausbaus der BAB A 14 errichtet und befindet Entwurf: Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH sich südöstlich von Groß Warnow. Hier schwenkt Genehmigungs- und Ausführungsplanung: die Trasse der Bundesautobahn, die aus Süd­osten Ingenieurbüro Bornmann & Jauck kommend etwa parallel zur Bundesstraße B 5 GmbH, Bad Dürrenberg Ausführung: ARGE BAB A14 Groß Warnow verläuft, nach Westen ab. Der Überbau des Brü­ ckenbauwerks besteht aus einem einstegigen, Technische Daten längs vorgespannten Plattenbalken in Spannbe­ Bauart: 4-feldrige Plattenbalkenbrücke tonbauweise, dessen Übergang zwischen Steg Überbau: Einstegiger Plattenbalken aus Spann­ beton und Plattenkragarm an der Unterseite ausgerun­ Unterbau: Stahlbetonpfeiler und -widerlager det ist. Die Brückenpfeiler mit einer Höhe von Gründungsart: Flachgründung 5,30 m bis 5,56 m wurden als massive, schlanke Gesamtlänge: 126,40 m Einzelstützweiten: 29,90 m – 38,55 m – 32,00 m – Pfeilerscheiben ausgebildet. Als gestalterisches 25,95 m Element besitzen die Pfeiler die Form von einer Breite: 10,60 m sich nach oben aufweitenden Ellipse. Die weit Brückenfläche: 1.340 m² Konstruktionshöhe: 1,70 m (Überbau) zurück- und hochgesetzten Widerlager wurden in Bauzeit: 2014–2015 den Dammkörper und in die Einschnittsböschung Auftragssumme: ca. 2,20 Mio. EUR eingebettet und als kastenförmige Widerlager mit Massen und Mengen biegesteif angeschlossenen Parallelflügeln herge­ Beton: 2.000 m³ stellt. Sowohl die Widerlager als auch die Pfeiler Betonstahl: 260 t sind flach gegründet. Spannstahl: 42 t

Seitenansicht (Foto: Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg)

291 26. Dresdner Brückenbausymposium

A 14 – Autobahnkreuz Schwerin, BW 7.12 – Brücke im Zuge der BAB A 14 über die BAB A 24

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, Freistaat Das Autobahndreieck Schwerin wurde im Zuge Bayern, vertreten durch die Autobahn­ des Neubaus des südlich der BAB A 24 gelegenen direktion Nordbayern Entwurf: Mecklenburger Ingenieurbüro für Ver­ Abschnittes der BAB A 14 zu einem Autobahn­ kehrsbau GmbH, Schwerin kreuz ausgebaut, wobei die A 24 in ihrer Lage ver­ Genehmigungs- und Ausführungsplanung: blieb und die A 14 in Dammlage überführt wird. Ingenieurbüro Bornmann und Jauck GmbH Ausführung: ARGE GP Papenburg Verkehrswege­ Das durchlaufend längs vorgespannte und quer bau, Grimmen | GP Ingenieurbau, Halle | schlaff bewehrte 2-feldrige Überführungsbau­ Kemna, Schwerin werk hat vier Überbauten in Form von 2-stegigen Technische Daten Plattenbalken. Beide Richtungsfahrbahnen und Bauart: Zweifeldrige Plattenbalkenbrücke auf die Überbauten der beiden Verteilerfahrbahnen Traggerüst wurden mit einem bodenständigen Traggerüst Überbau: Zweistegiger Plattenbalken aus Spann­ beton hergestellt. Unterbau: Stahlbetonpfeiler und -widerlager Gründungsart: Tiefgründung auf Ortbetonrammpfähle Die Überbauten der Teilbauwerke lagern im Be­ mit ausgerammtem Fuß, Ø 61 cm Gesamtlänge: 72,00 m reich des Mittelstreifens der BAB A 24 auf zwei Einzelstützweiten: 36,00 m – 36,00 m ovalen Stützen auf, die paarweise auf gemein­ Breite: 51,60 m samen Fundamenten in einem durchlaufenden Brückenfläche: 3.715 m² Konstruktionshöhe: 1,75 m (Überbau) Spundwandkasten tief gegründet sind. Bauzeit: 2013–2015 Auftragssumme: ca. 28,0 Mio. EUR (Gesamtkosten Die Widerlager der Teilbauwerke sind als schiefe Umbau des AK Schwerin) Kastenwiderlager hergestellt. Die äußeren Flü­ Massen und Mengen gel der Widerlager wurden als ausgerundete Bö­ Bohrpfähle: 7.806 lfd. m schungsflügel als selbstständige Bauteile in Form Beton: 7.937 m³ von tief gegründeten Winkelstützwänden herge­ Betonstahl: 1.336 t Spannstahl: 112 t stellt.

Luftbild des Autobahnkreuzes (Foto: SWM DV Studio)

292 Sabine Wellner: Chronik des Brückenbaus

A 44 – Talbrücke „Ganslandsiepen“ in Heiligenhaus, BW 11

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein- Zwischen AK Ratingen-Ost (A 44 / A 3) und Vel­ Westfalen, Regionalniederlassung Ruhr, bert wird der Lückenschluss der A 44 neu gebaut, Haus Essen Entwurf: Ruhrberg Ingenieurgemeinschaft, um eine durchgehende Ost-West-Verbindung am Hagen-Dahl Südrand des Ruhrgebietes zu schaffen. Dadurch Genehmigungs- und Ausführungsplanung: wird ein Brückenneubau erforderlich, der in bis Schüssler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Düsseldorf zu 20 m Höhe mehrere Wirtschaftswege und Ausführung: ARGE Züblin / Donges Steeltec, Bad den Ganslandbach überquert. Die Brücke liegt im Hersfeld Grundriss in einem Radius von 5.000 m. Gemäß Technische Daten Gestaltungshandbuch wurde ein semiintegrales Bauart: Semiintegrale Stahlverbundbrücke im Bauwerk errichtet. Von den beiden Pfeilerköpfen Taktschiebeverfahren aus führen V-förmige Streben auf den Außensei­ Überbau: Stahlkasten mit Stahlbetonfahrbahnplatte ten der Stahlkästen bis zur Fahrbahnplatte. Die Unterbau: Widerlager und Pfeiler aus Stahlbeton Gründungsart: Flachgründung Überbauten der zwei Teilbauwerke sind Stahlkäs­ Gesamtlänge: 208,00 m ten mit nach außen geneigten Stegen, sie wur­ Einzelstützweiten: 64,00 m – 80,00 m – 64,00 m den in je 6 Schüssen im Werk vorgefertigt, in Breite: 31,00 m Brückenfläche: 6.448 m² bis zu 100 t schweren Transporten zur Baustelle Konstruktionshöhe: 4,10 m transportiert und dort zusammengeschweißt. Bauzeit: 2011–2015 Wegen der sich unter dem Bauwerk befindenden Auftragssumme: ca. 15,0 Mio. EUR ökologisch schützenswerten Bereiche wurden Massen und Mengen die Stahlkästen längs von einem Widerlager aus Beton: 6.700 m³ eingeschoben und die 15,50 m breite Stahlbeton­ Betonstahl: 1.300 t fahrbahnplatte anschließend im Pilgerschrittver­ Spannstahl: 2 t Konstruktionsstahl: 2.045 t fahren ergänzt. Aufgrund gegenüber den DIN- Kopfbolzen: 27 t Fachberichten veränderter Lastansätze nach DIN EN 1991-2, LMM, wurde auf den Pfeilerköpfen Literatur: Langer, S.: Talbrücke Ganslandsiepen – Fertigung und Montage einer semiintegralen Talbrücke. zusätzlich eine Vorspannung mit Spanngliedern Stahlbau (2013) 10, S. 720–725 erforderlich.

Brückenansicht (Foto: Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen)

293 26. Dresdner Brückenbausymposium

A 23 – Ersatzneubau der Störbrücke Itzehoe, BW 314.21

Teilbauwerke A1, B1, C1, Ausführung: Arge Störbrücke Itzehoe II – Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH, Richtungsfahrbahn Hamburg Hannover | Alpine Bau Deutschland AG, Zöschen Beteiligte Bauherr: Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Technische Daten Schleswig-Holstein Bauart: Stahlverbundbrücke Entwurf: Ingenieurbüro Böger + Jäckle, Überbau: Stabbogenbrücke in Verbundbauweise Henstedt-Ulzburg | Ingenieurbüro (Störbrücke), einzelliger Hohlkasten in Grassl, Hamburg Verbundbauweise (Vorlandbrücken) Genehmigungs- und Ausführungsplanung: Unterbau: Stahlbetonpfeiler und -widerlager Prof. Bellmer Ingenieurgruppe GmbH, Gründungsart: Tiefgründung, Widerlager flach gegründet Bremen | Nord-West Planungsgesell­ Gesamtlänge: 1.155 m schaft, Hannover | Meyer+Schubart, Einzelstützweiten: VLB Süd 42,00 m – 50,00 m – 55,00 m Wunstorf | Weyer Beratende Ingenieure – 3 × 59,00 m – 2 × 64,00 m GmbH, Dortmund | Konstat, Skopje | Strombrücke 120,00 m Bernard Ingenieure GmbH, München VLB Nord: 2 × 65,00 m – 5 × 60,00 m – Ausführung: Arge Störbrücke Itzehoe II – Eiffel 58,00 m – 54,00 m – 44,00 m Deutschland Stahltechnologie GmbH, Breite: 15,00 m Hannover | Porr Technobau und Umwelt Brückenfläche: 17.500 m² GmbH, Berlin | Sächsische Bau GmbH, Konstruktionshöhe: 3,15 m (Überbau) Neuensalz Bauzeit: 2006–2010 Auftragssumme: ca. 37,00 Mio. EUR Technische Daten Bauart: Stahlverbundbrücke Massen und Mengen Überbau: Strombrücke: Stabbogenbrücke in Pfähle: 1.160 m (Ortbetonbohrpfähle), 6.600 m Verbundbauweise (Ortbetonrammpfähle) Vorlandbrücken: einzelliger Hohlkasten in Verbund­ Beton: 16.000 m³ bauweise (Vorlandbrücken) Betonstahl: 2.800 t Unterbau: Stahlbetonpfeiler und -widerlager Konstruktionsstahl: 5.400 t Gründungsart: Tiefgründung, Widerlager flach gegrün­ Kopfbolzen: 26 t det Gesamtlänge: 1.161 m Beschreibung Einzelstützweiten: VLB Süd: 42,00 m – 50,00 m – 55,00 m – 3 × 60,00 m – 2 × 64,00 m Mit dem Ersatzneubau der Störbrücke Itzehoe Strombrücke: 120,00 m wurde das zentrale Bauwerk im Zuge des Aus­ VLB Nord: 2 × 65,00 m – 5 × 60,00 m – 58,00 m – baus der Bundesstraße B 5 ersetzt. Wegen des 54,00 m – 44,00 m Breite: 15,00 m schlechten Zustands der alten Brücke, hohen Er­ Brückenfläche: 17.500 m² haltungskosten (ca. 15,6 Mio. Euro seit Fertigstel­ Konstruktionshöhe: 3,15 m (Überbau) lung 1967) und der geringen Restnutzungs­dauer Bauzeit: 2011–2015 Auftragssumme: ca. 42,00 Mio. EUR wurde 1998 vom BMVBW ein Ersatzneubau beschlossen, der mit einer zweiten Richtungs­ Massen und Mengen fahrbahn zu ergänzen war. Ausgeführt wurde Pfähle: 1.160 m (Ortbetonbohrpfähle), 6.600 m je Fahrtrichtung ein Brückensystem in Stahlver­ (Ortbetonrammpfähle) Beton: 16.000 m³ bundbauweise mit einer Strombrücke als Stab­ Betonstahl: 2.800 t bogenbrücke, kombiniert mit Vorlandbrücken als Konstruktionsstahl: 5.400 t durchlaufende einzellige Hohlkästen. Besonderes Kopfbolzen: 26 t Augenmerk wurde auf das sensible Fauna-Flora- Teilbauwerke A2, B2, C2, Habitat-Gebiet im Bereich der Stör gelegt. Weite­ Richtungsfahrbahn Heide re Zwangspunkte waren die Deiche an Nord- und Südufer sowie die Forderung nach Erhalt des Ab­ Beteiligte flussquerschnitts. Auch mussten stets 19,50 m Bauherr: Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Durchfahrtshöhe für die Schifffahrt auf der Stör Schleswig-Holstein Entwurf: Ingenieurbüro Grassl, Hamburg zur Verfügung stehen. Genehmigungs- und Ausführungsplanung: Nord-West Planungsgesellschaft, Aus konstruktiven Gründen, aber auch, um ein lan­ Hannover | Konstat, Skopje | Weyer Be­ ratende Ingenieure GmbH, Dortmund ges Brückenband zu vermeiden und die Störque­

294 Sabine Wellner: Chronik des Brückenbaus

Perspektive (Fotos: Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein) rung für den Betrachter hervorzuheben, wur-den bände und Zugstäbe ausgesteifte Querrahmen alle die Vorlandbrücken durch ein Stabbogentragwerk 3,5 bis 4 m. Stege und Bodenblech sind in Brü­ unterbrochen. Die Strombrücke wurde als vollstän­ ckenlängsrichtung mit Trapezrippen ausgesteift. dig geschweißter Stabbogen mit außen liegenden Die Vorfertigung der Hohlkästen erfolgte im Werk, Bogenebenen und einer Verbundplatte als Fahrbahn die Endmontage vor Ort. Mit Autokranen wurden hergestellt. Hauptträger und Bögen sind dichtver­ die Stahlsegmente auf die Pfeiler aufgelegt, dann schlossene Hohlkästen. Die Hauptträgerstege sind ausgerichtet und verschweißt. Anschließend wur­ zur Vermeidung von Mehrfachreflexionen der Ra­ de die schlaff bewehrte Verbundplatte unter Ein­ darschifffahrt geneigt. Der Querschnitt der Bögen satz mehrerer Schalwagen betoniert. ist im Scheitel quadratisch, seine Höhe wird zum Bo­ genfuß größer. Die schlaff bewehrte Fahrbahnplatte Die Pfeiler wurden mit konventioneller bzw. mit ist mit den Querträgern und den Schubeinleitungs­ Kletterschalung errichtet. Die Normalpfeiler sind blechen in den Endbereichen schubfest verdübelt. in Brückenquerrichtung im Bogen geformt. Vier Pfeiler je Auflagerreihe sind somit durch drei Bö­ Die gesamte Stahlkonstruktion wurde im Werk vor­ gen verbunden. Zwischen Vorlandbrücken zur gefertigt und auf einem Vormontageplatz zusammen­ Stabbogenbrücke sind Trennpfeiler angeordnet. gesetzt und verschweißt. Dann wurde der Überbau Die Kastenwiderlager im Übergang zu den an- längs über Schwerlastroller und einen Ponton ver­ schließenden Dämmen besitzen Wartungsgänge. schoben, mit Litzenhebern angehoben und anschlie­ Für die Gründung der Pfeiler wurden Ortbeton­ ßend quer in seine endgültige Lage verschoben. rammpfähle als auch -bohrpfähle ausgeführt.

Die durchlaufenden Vorlandbrücken sind im Quer­ Quelle: Volker Richter, Michael Borowski: Entwurf bis zur Ausführung – Ersatzneubau Störbrücke Itzehoe. In: BDB schnitt einzellige Stahlhohlkästen mit geneigten Nachrichten Landesverband Schleswig-Holstein. Ausgabe Stegen. Die Querschnittstreue sichern durch Ver­ 14, August 2009, S. 18–20.

295 26. Dresdner Brückenbausymposium

A 73 – Trubbachbrücke, BW 124a

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, Freistaat Das Bestandsbauwerk (Bj. 1978) musste auf­ Bayern, vertreten durch die Autobahndi­ grund des kritischen Bauwerkszustands durch rektion Nordbayern Entwurf: Schneider & Partner Ingenieur-Consult einen Neubau ersetzt werden. Auch wären Ver­ GmbH stärkungsmaßnahmen für das erforderliche Ziel­ Genehmigungs- und Ausführungsplanung: lastniveau unwirtschaftlich gewesen. schumann & vitak Ingenieurgesellschaft mbH & Co. KG Ausführung: Max Bögl GmbH & Co. KG In Bauabschnitt 1 (2014) wurde die Brückenhälf­ te in Richtung Bamberg erneuert, in BA 2 (2015) Technische Daten die in Fahrtrichtung Nürnberg. Während des Baus Bauart: 3-feldrige Plattenbalkenbrücke Überbau: Zweistegiger Spannbeton-Plattenbalken standen in beiden Richtungen je zwei Fahrstreifen Unterbau: Massive Stahlbetonpfeiler und -widerla­ zur Verfügung. Auf dem Neubau wurde der für ger den ganzen Forchheimer A-73-Abschnitt geplante Gründungsart: Tiefgründung auf Ortbeton-Großbohr­ pfählen, ∅ 1,20 m Lärmschutz montiert. Auf der verbreiterten West­ Gesamtlänge: 95,00 m seite wird zudem ein Radweg entlang des Main- Einzelstützweiten: 27,50 m – 40,00 m – 27,50 m Donau-Kanals über den Trubbach überführt. Breite: 34,35 m Brückenfläche: 3.263 m² Konstruktionshöhe: 1,40 m – 2,30 m (Überbau, Feldmitte – Beide 3-feldrigen Plattenbalkenüberbauten mit je über den Pfeilern) 2 Stegen wurden auf Traggerüst errichtet, sind Bauzeit: 2014–2015 Auftragssumme: ca. 12,0 Mio. EUR längs vorgespannt und quer schlaff bewehrt mit Querträgern in den Lagerachsen, in denen wirt­ Massen und Mengen schaftliche, dauerhafte und wartungsfreundliche Bohrpfähle: 935 lfd. m Kalottenlager angeordnet sind. Beton: 5.884 m³ Betonstahl: 623 t Spannstahl: 90 t Die Unterbauten sind in Fließrichtung des Trubba­ ches angeordnet, woraus ein sehr schiefwinkliger (52 gon) Überbau resultierte, der an den Brücken­ enden auf kastenförmigen Widerlagern ruht. Aus strömungstechnischen Gründen wurden im Bach geschlossene Pfeilerscheiben mit einer Kopfver­ breiterung von 1,50 m unter jedem Teilbauwerk errichtet.

Seitenansicht (Foto: Autobahndirektion Nordbayern)

296 26. Dresdner Brückenbausymposium

A 100 – Neubau der Eisenbahnüberführungen über die BAB A 100, BW 1.30 und BW 1.31

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Im Zuge des Ausbaus der BAB A 100 wurden BW und Umwelt Berlin 1.30 für die Überführung des S-Bahnverkehrs und Entwurf: ARGE Stadtring Berlin (SRB) Genehmigungs- und Ausführungsplanung: BW 1.31 für die des Fernbahnverkehrs errichtet. V.I.P. GmbH Verkehrs- und Infrastruktur­ Die beiden Strecken sind die Verbindungskurve planung zwischen dem westlichen Berliner Innenring (Bhf. Ausführung: ED. Züblin AG, Direktion Stuttgart Neukölln) und der Radialverbindung in den SO Technische Daten Berlins und das Umland. Bauart: eingleisige (BW 1.30) bzw. zweigleisige Bogenbrücke (BW 1.31) Beide Stabbogenüberbauten haben eine orthotro­ Überbau: Stahl-Stabbogen Unterbau: Stahlbetonwiderlager pe Fahrbahnplatte und lagern zwängungsarm auf Gründungsart: Flachgründung Kalottenlagern. Die Flügelwände der kastenförmi­ Gesamtlänge: 68,00 m gen Widerlager sind parallel zur Bahntrasse. Für Einzelstützweiten: 68,00 m Breite: 7,85 m (BW 1.30), 11,45 m (BW 1.31) die Fernbahnstrecke 6045 wird ein Gleis, für die Brückenfläche: 534 m² (BW 1.30), 779 m² (BW 1.31) S-Bahnstrecke 6021 werden zwei Gleise benötigt. Konstruktionshöhe: 12,40 m (BW 1.30), 12,80 m (BW 1.31) Bauzeit: 2014–2015 Die A 100 befindet sich im Brückenbereich im Massen und Mengen Einflussbereich der AS Sonnenallee und weist Beton: 710 m³ (BW 1.30), 1.353 m³ (BW 1.31) wegen der Ein- und Ausfahrrampen einen nicht Betonstahl: 78 t (BW 1.30), 124 t (BW 1.31) konstanten Trogquerschnitt auf. Auch müssen Konstruktionsstahl: 580 t (BW 1.30), 755 t (BW 1.31) 5 m breite Betriebs­wege überspannt werden. Vier horizontale Portalriegel (Querriegel) sind zur Stabi­ lisierung der Bögen zwischen den Stabbögen an­ geordnet. Als Hänger wurden bei beiden Brücken Flachstahlhänger verwendet, deren lange Seiten senkrecht zur Bodenebene angeordnet sind.

Visualisierung (Grafik: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Berlin/Arge SRB)

298 Sabine Wellner: Chronik des Brückenbaus

B 56 – Brücke „Schöllerstraße“ über die Anlagen der DB in Düren

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein- Westfalen In Düren quert seit 1960 die vierspurige B 56 Entwurf: Thormählen und Peuckert Beratende Ingenieure GmbH & Co. KG mehrere Gleise der DB-Strecke Köln–Aachen. Genehmigungs- und Ausführungsplanung: Wegen erheblicher Defizite bei Tragfähigkeit und Ingenieurbüro Garstecki Gebrauchstauglichkeit wurde ein Neubau der Brü­ Ausführung: Schäfer-Bauten | Heinrich Walter Bau cke Schöllerstraße beschlossen. Technische Daten Bauart: Stabbogenbrücke Anspruchsvoll war der Abbruch, da der Eisen­ Überbau: Orthotrope Fahrbahnplatte bahnverkehr aus S- und Regionalbahnen, ICE Unterbau: Kastenwiderlager aus Stahlbeton Gründungsart: Flachgründung und Thalys so wenig wie möglich beeinträchtigt Gesamtlänge: 44,65 m werden durfte. Untersucht wurden die Varianten Breite: 22,25 m konventioneller Abbruch, Sprengen, Zerschnei­ Brückenfläche: 994 m² Bogenhöhe: 8,00 m den und Ausheben des Überbaues sowie Aus­ Konstruktionshöhe: 1,80 m fahren oder -schieben. Alle Varianten hätten den Bauzeit: 2011–2015 Eisenbahnverkehr mit mehr oder weniger langen Auftragssumme: ca. 11,0 Mio. EUR Sperrpausen beeinflusst. Den Vorzug erhielt der Massen und Mengen konventionelle Abbruch mittels Bagger (Sperrzeit: Beton: 4.300 m³ 8 Tage). Betonstahl: 280 t Konstruktionsstahl: 500 t Für den Fahrzeugverkehr wurde eine SS-80-Be­ helfsbrücke errichtet. Die neue 44,65 m lange Stabbogenbrücke hat 7 m hohe Stahlbögen und eine 24,55 m breite Fahrbahnplatte, beides aus Stahl S 355. Der komplette Überbau wurde vor Ort hergestellt und in einer weiteren Sperrpause über die Bahngleise eingeschoben.

Brückenansicht (Foto: Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen)

299 26. Dresdner Brückenbausymposium

B 104 – Ersatzneubau der Hochstraße Neubrandenburg, BW 11

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Straßenbauverwaltung Mecklenburg- In Neubrandenburg schneiden sich die überregio­ Vorpommern | DEGES Berlin nalen Verkehrsachsen B 104 (Ost-West) und B 96 Entwurf: Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Berlin (Nord-Süd). Beide Bundesstraßen bilden das Genehmigungs- und Ausführungsplanung: Hauptstraßennetz der Stadt. Im Zuge des Baus IBP Gmbh + Co. KG, Sondershausen einer Ortsumgehung wurde die alte Hochstraße Ausführung: ARGE Hochstraße – Hentsch­ ke | E­ UROVIA, Neubrandenburg | Neubrandenburg in zwei Bauabschnitten abgeris­ ­STRABAG, Neubrandenburg | Papen­ sen und anschließend neu errichtet. burg, Grimmen Technische Daten Die neue 3-feldrige Brücke hat zwei getrennte Bauart: 3-Feld-Plattenbalkenbrücke Überbauten à zwei Fahrspuren je Richtung. Die Überbau: Zweistegiger Plattenbalken aus Spann­ parallelgurtigen, zweistegigen Plattenbalken mit beton geneigten Stegseitenflächen sind längs vorge­ Unterbau: Stahlbetonpfeiler und -widerlager Gründungsart: Flachgründung spannt. Querträger waren nur an den Widerlagern Gesamtlänge: 82,85 m zwischen den direkt gelagerten Hauptträgern Einzelstützweiten: 26,15 m – 31,10 m – 25,60 m erforderlich. Die sechseckigen Einzelpfeiler aus Breite: 27,10 m Brückenfläche: 2.245 m² Stahlbeton sind zentrisch unter den Stegen ange­ Konstruktionshöhe: 1,40 m (Überbau) ordnet. Die Widerlager wurden als kastenförmige Bauzeit: 2014–2015 Winkelstützwand mit biegesteif angeschlossenen Auftragssumme: ca. 10,5 Mio. EUR Parallelflügeln errichet. Als gestalterisches Ele­ Massen und Mengen ment wurden die Flügel und die Stützwandseg­ Beton: 5.000 m³ mente mit Klinker verblendet. Betonstahl: 650 t Spannstahl: 65 t Der Neubau der Hoch­straße soll das innerstäd­ tische Straßennetz wirksam entlasten und eine spürbare Verbesserung der Verkehrssicherheit bewirken.

Brücke im Bauzustand (Foto: René Legrand)

300 Sabine Wellner: Chronik des Brückenbaus

Ersatzneubau der Brücke über die Anlagen der DB AG südlich Podelwitz, BW 2a

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Landesamt für Straßenbau und Verkehr, Das 1990 errichtete 3-Feld-Bauwerk aus vorge­ NL Leipzig spannten Fertigteilen BT 700V über die Eisenbahn Entwurf: VIC Planen und Beraten GmbH, NL Dresden musste wegen Schäden an Kappen, Betonfugen, Genehmigungs- und Ausführungsplanung: Abdichtung, wegen fehlender Böschungstreppen VIC Planen und Beraten GmbH, und einem schweren Brandschaden an einer Stüt­ NL Dresden Ausführung: Strabag AG ze instandgesetzt werden. Da auch die Bauwerks­ breite ungenügend war, war ein Ersatzneubau ver­ Technische Daten glichen mit dem Umbau wirtschaftlicher. Bauart: 3-Feld-Spannbetonbrücke Überbau: Spannbetonfertigteile mit Ergänzung von Verbundfertigteilen Der auf dem Bauwerk überführte und bis zum Unterbau: Stahlbetonhohlpfeiler und -widerlager Knoten B 184/K 6570 straßenbegleitend geführte Gründungsart: Tiefgründung auf Mikropfählen Geh-/Radweg war ebenso wie die südöstlich des Gesamtlänge: 53,40 m Einzelstützweiten: 19,60 m – 21,90 m – 19,60 m Bauwerkes gelegene Busbucht entbehrlich. Die Breite: 11,60 m Ausführungsplanung erfolgte durch den AG, um Brückenfläche: 619 m² keine zeitlichen Probleme mit den Bahnsperrpau­ Konstruktionshöhe: 1,30 m (Überbau) Bauzeit: 2014–2015 sen zu bekommen. Bemessen wurde nach DIN EN Auftragssumme: ca. 1,74 Mio. EUR 1991-2/NA (LM 1), DIN-FB 101 und STANAG 2021. Die Erweiterung auf RQ 11,5+ erfolgte durch eine Massen und Mengen Kappenverbreiterung. Die zusätzlichen Lasten wer­ Bohrpfähle: 20 lfd. m Verpresspfähle: 240 lfd. m den durch äußere Verbundrandträger abgetragen. Beton: 174 m³ Zudem wurden zusätzliche Stützen zum Abtragen Betonstahl: 20 t der Lasten in die Tiefgründung und Mikrobohrpfäh­ Konstruktionsstahl: 29 t Kopfbolzen: 1 t le neben den Widerlagern realisiert.

Seitenansicht (Foto: Landesamt für Straßenbau und Verkehr des Freistaates Sachsen, Niederlassung Leipzig)

301 26. Dresdner Brückenbausymposium

L 96 – Ersatzneubau der Brücke über die Bode, BW 12

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, Straßen­ Im Zuge des Ausbaus der B 27 wurde ein Er­ bauverwaltung Sachsen-Anhalt satzneubau über die Bode in Rübeland errichtet. Entwurf: IGS Ingenieure Genehmigungs- und Ausführungsplanung: Das Bauwerk ist flach gegründet. Problematisch Ingenieurgemeinschaft Setzpfand waren die auf der Südseite erkundeten Hohlräu­ GmbH & Co. KG me, die verfüllt bzw. mit seitlich ca. 1 m über die Ausführung: Umwelttechnik & Wasserbau, Blanken­ burg Fundamente hinaus eingebrachten unbewehrten Bohrpfählen überbrückt wurden. Technische Daten Bauart: Einfeldrige Rahmenbrücke aus vorge­ Der Überbau ist ein Rahmenriegel aus vorge­ spannten Fertigteilen Überbau: Schlaff bewehrte Ortbetonplatte spannten Fertigteilen mit schlaff bewehrter Ort­ Unterbau: Stahlbetonwiderlager betonergänzung als Überbauplatte. Diese ist Gründungsart: Flachgründung zwischen 70 cm in Feldmitte und 1,20 m an den Gesamtlänge: 20,29 m Einzelstützweite: 20,29 m Rahmenecken dick. Die Seitenbereiche sind leicht Breite: 16,05 m angevoutet. Die Schlankheit variiert von 17 bis 29. Brückenfläche: 343 m² Die Fertigteile wurden mit gerade geführten Lit­ Konstruktionshöhe: 0,70 m – 1,20 m (Feldmitte – Rah­ menecke) zen im Spannbett vorgespannt, weshalb sie ent­ Bauzeit: 2014–2015 sprechend der Ausrundung der Unterseite varia­ Auftragssumme: ca. 4,00 Mio. EUR (Gesamtbaumaß­ ble Höhen aufweisen. Unterstromseitig entstand nahme) durch das im Grundriss stark ausgerundete Kap­ pengesims ein sehr breiter Kragarm mit variabler Breite, der auf Traggerüst ausgeführt wurde. Die flach gegründeten Winkelstützwände haben eine Natursteinverblendung. Der beleuchtete Edel­ stahlhandlauf des Füllstabgeländers setzt sich auf den Stützwänden entlang der L 96 fort.

Luftbild (Foto: Straßenbauverwaltung Sachsen-Anhalt)

302 Sabine Wellner: Chronik des Brückenbaus

L 96 – Ersatzneubau einer Fußgängerbrücke am Bärenfelsen, BW 2

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, Straßen­ Die neue Fußgängerbrücke am Bärenfelsen dient bauverwaltung Sachsen-Anhalt vor allem der Erhöhung der Sicherheit für den star­ Entwurf: IGS Ingenieure GmbH & Co. KG Genehmigungs- und Ausführungsplanung: Ingenieurgemein­ ken Fußgängerverkehr zwischen der Hermanns­ schaft Setzpfand GmbH & Co. KG höhle, den Parkplätzen für die Höhlenbesucher Ausführung: Umwelttechnik & Wasserbau, Blanken­ und dem Ortszentrum von Rübeland. Fehlende burg Gehwege und stark beschädigte Geländer am be­ Technische Daten stehenden Bauwerk gewährleisteten die Sicher­ Bauart: Zweifeldbrücke heit der Fußgänger nur mangelhaft. Überbau: Stahlhohlkasten Gründungsart: Flachgründung Gesamtlänge: 34,75 m Der neue 2-feldrige Stahlüberbau ist ein durch Einzelstützweiten: 18,74 m – 16,01 m Querschotte ausgesteifter dreieckförmiger Hohl­ Breite: 2,00 m kastenquerschnitt, bestehend aus einem hohen Brückenfläche: 69,50 m² Konstruktionshöhe: 1,71 m (Überbau) gekippten Hauptträger am Bogeninnenrand, dem Bauzeit: 2015 verlängerten und geneigten Untergurtblech und Auftragssumme: ca. 4,00 Mio. EUR (Gesamtbaumaß­ dem Deckblech der Gehbahn. Der Überbau ist nahme) am unteren Ende mit Kopfbolzendübeln an der Stegrückseite in die Unterbauten eingespannt, das obere Ende ist beweglich gelagert. In Brü­ ckenmitte ist eine abgespannte, rückverhängte Schrägstütze angeordnet. Der Stahlhohlkasten ist mit dem Überbau biegesteif verbunden und ver­ jüngt sich zum gelenkig ausgebildeten Stützenfuß (Kalottenlager). Der Überbau wurde in zwei Teil­ stücken vorgefertigt, die einzeln eingehoben und auf Lehrgerüsten abgelegt wurden.

Seitenansicht (Foto: Straßenbauverwaltung Sachsen-Anhalt)

303 26. Dresdner Brückenbausymposium

S 200 – Neubau der Talbrücke Ottendorf, BW 1a

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Landesamt für Straßenbau und Verkehr, Die Talbrücke entstand im Zuge der Verlegung der Niederlassung Zschopau, Sitz Chemnitz S 200 in Ottendorf und ist flach gegründet. Dabei Entwurf: Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Berlin/Leipzig kamen wegen der begrenzten Arbeitsfläche über­ Genehmigungs- und Ausführungsplanung: wiegend Verbaue aus Trägerbohlwänden zum Ein­ Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft satz, teilweise als verlorene Schalung. mbH, Berlin | Schneider & Partner Ingenieur-Consult GmbH, Kronach Ausführung: Max Bögl Stiftung & Co. KG, Neumarkt In vier Stützenachsen wurde der nichttragende Boden unterhalb der Fundamente bis zu 1,50 m Technische Daten tief durch unbewehrten Beton ersetzt. Die kasten­ Bauart: 7-feldrige Balkenbrücke als Durchlauf­ träger auf Traggerüst förmigen Stahlbetonwiderlager haben Kragflügel Überbau: Zweistegiger Stahlverbund-Platten­ und sind mit Wartungstreppen und Wartungs­ balken kammern ausgestattet. Die seitlichen Ortbeton- Unterbau: Stahlbetonpfeiler und -widerlager Gründungsart: Flachgründung Winkelstützwände sind durch eine Raumfuge Gesamtlänge: 245,00 m von den Widerlagern konstruktiv getrennt. Die Einzelstützweiten: 30,00 m – 4 × 40,00 m – 30,00 m – Stahlbetonstützen im Mittelteil besitzen einen 25,00 m Breite: 11,60 m Querschnitt von 1,25 m × 1,25 m und weiten sich Brückenfläche: 2.842 m² am Kopf auf 2,20 m Höhe in Querrichtung auf. Ein Konstruktionshöhe: 0,50 m (Überbau) Stützenpaar ist jeweils auf einer gemeinsamen Bauzeit: 2013–2015 Auftragssumme: ca. 9,0 Mio. EUR Fundamentplatte gegründet. Der Überbau ist eine Stahlverbundkonstruktion aus luftdicht ver­ Massen und Mengen schweißten, gevouteten Kastenquerschnitten mit Beton: 3.030 m³ aussteifenden Längssteifen und Querschotten. Betonstahl: 420 t Konstruktionsstahl: 725 t Die schlaff bewehrte Betonfahrbahnplatte ist über Kopfbolzen: 18 t Kopfbolzendübel angebunden. Die Brücke ist mit­ tels bewehrten Elastomerlagern und Gleitlagern (Widerlager) schwimmend gelagert.

Seitenansicht (Foto: Landesamt für Straßenbau und Verkehr des Freistaates Sachsen, Niederlassung Zschopau)

304 Sabine Wellner: Chronik des Brückenbaus

S 289 – Brücke über das Langenreinsdorfer Tal und die S 294, BW 6

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Landesamt für Straßenbau und Verkehr Im Zuge des Projektes „S 289 Verlegung Neu­ des Freistaates Sachsen, Niederlassung kirchen“ entstand die Brücke über das Langen­ Plauen Entwurf: Ingenieurbüro Setzpfandt, Weimar reinsdorfer Tal und die S 294. Die Neubaustrecke Genehmigungs- und Ausführungsplanung: bildet die westliche Verkehrsumgehung für die Dähn Ingenieure, Gera Ortschaften Langenhessen und Neukirchen. Ausführung: HTR Hoch- und Tiefbau Reichenbach GmbH, Reichenbach Aus statisch-konstruktiven, herstellungstechno­ Technische Daten logischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten Bauart: Plattenbalkenbrücke in feldweiser Her­ wurde eine durchlaufende, massive Balkenbrücke stellung Überbau: Zweistegiger Plattenbalken aus Spann­ über fünf Felder als zweistegiger Spannbeton- beton Plattenbalken errichtet. Unterbau: Stahlbetonpfeiler und -widerlager Gründungsart: Tiefgründung auf Großbohrpfählen Gesamtlänge: 164,50 m Um den Eingriff in Natur und Landschaft zu mini­ Einzelstützweiten: 29,00 m – 3 × 35,50 m – 29,00 m mieren, wurde der längs beschränkt vorgespannte Breite: 11,60 m Überbau mittels Vorschubrüstung hergestellt. Die Brückenfläche: 1.908 m² Konstruktionshöhe: 1,60 m (Überbau) am Steganschnitt 50 cm dicke Fahrbahnplatte ist Bauzeit: 2013–2015 so dimensioniert, dass auf eine Quervorspannung Auftragssumme: ca. 2,14 Mio. EUR verzichtet werden konnte. Die Stegspreizung von Massen und Mengen 5,50 m erwies sich als günstig im Hinblick auf die Bohrpfähle: 752 lfd. m, ∅ 90 cm Torsion, wodurch auf Querträger über den kreis­ Beton: 3.500 m³ runden Stützen verzichtet werden konnte. Betonstahl: 450 t Spannstahl: 70 t An den begehbaren kastenförmigen Widerlagern wurden bündig zur Unterkante der Hauptträger jeweils 1,50 m breite Endquerträger angeordnet. Die Brücke ist auf 10:1 geneigten Großbohrpfäh­ len tief gegründet.

Seitenansicht (Foto: Landesamt für Straßenbau und Verkehr des Freistaates Sachsen, Niederlassung Plauen)

305 26. Dresdner Brückenbausymposium

S 289 – Brücke über die K 9372, einen Wirtschaftsweg und den Spaniertalgraben, BW 4

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Landesamt für Straßenbau und Verkehr Die Brücke überführt die K 9372, einen Wirt­ des Freistaates Sachsen, Niederlassung schaftsweg und den Spaniertalgraben. Der Plauen Entwurf: Ingenieurbüro Setzpfandt, Weimar 7-feldrige Spannbetonüberbau ist ein 2-stegi­ Genehmigungs- und Ausführungsplanung: ger Plattenbalken mit einer Schlankheit von 20. SSF Ingenieure AG, München Die Pfeilerstandorte wurden nach wirtschaftli­ Ausführung: Hentschke Bau GmbH, Dresden chen Gesichtspunkten und unter Beachtung der Technische Daten Zwangspunkte Spaniertalgraben und K 9372 fest­ Bauart: Plattenbalkenbrücke in feldweiser Her­ gelegt. Wegen der anstehenden Lockergesteins­ stellung schichten wurde das Bauwerk auf 10,50 m bis Überbau: 2-stegige Plattenbalkenbrücke aus Spannbeton 17,00 m langen, teilweise geneigten Großbohr­ Unterbau: Stahlbetonpfeiler und -widerlager pfählen gegründet. Die Pfeiler ruhen auf je 8 und Gründungsart: Tiefgründung auf Großbohrpfählen die Widerlager auf je 13 Großbohrpfählen. Die Gesamtlänge: 322,00 m Einzelstützweiten: 41,00 m – 5 × 48,00 m – 41,00 m ellipsenförmigen, in Pfahlkopfplatten eingespann­ Breite: 11,60 m ten Pfeiler wurden mithilfe einer Kletterschalung Brückenfläche: 3.736 m² hergestellt und beginnen, sich 5,00 m unter der Konstruktionshöhe: 2,40 m (Überbau) Bauzeit: 2013–2015 Unterkante des Überbaus V-förmig aufzuweiten. Auftragssumme: ca. 3,75 Mio. EUR Die kastenförmigen Widerlager wurden mit ange­ hängten Parallelflügeln errichtet und sind für die Massen und Mengen Kontrolle der Lager sowie die Besichtigung und Bohrpfähle: 1.026 lfd. m, ∅ 90 cm Beton: 5.450 m³ Wartung der FÜK begehbar. Das Bauwerk wurde Betonstahl: 670 t auf einem bodengestützten Traggerüst mit längs Spannstahl: 100 t verziehbarer Überbauschalung errichtet.

Seitenansicht (Foto: Landesamt für Straßenbau und Verkehr des Freistaates Sachsen, Niederlassung Plauen)

306 Sabine Wellner: Chronik des Brückenbaus

S 289 – Ersatzneubau der Brücke über einen Wirtschaftsweg und den Ziegeleibach, BW 3

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Landesamt für Straßenbau und Verkehr Im Zuge der Verlegung der Staatsstraße S 289 des Freistaates Sachsen, Niederlassung Plauen wurde der Neubau der Brücke über einen Wirt­ Entwurf: Ingenieurbüro Setzpfandt, Weimar schaftsweg und den Ziegeleibach bei Glauchau Genehmigungs- und Ausführungsplanung: erforderlich. Die Spannbetonbrücke hat vier Fel­ R&P Ruffert Ingenieurgesellschaft mbH, Halle der mit Einzelspannweiten von bis zu 35 m. Die Ausführung: ARGE Bickhardt Bau Thüringen Gmbh / Widerlager und Pfeiler wurden auf Großbohrpfäh­ Bickhardt Bau AG len mit einer Neigung von 10:1 gegründet. Die be­ Technische Daten gehbaren Endwiderlager sind als kastenförmige Bauart: 4-Feld-Plattenbalkenbrücke Widerlager mit angehängten Parallelflügeln aus­ Überbau: Zweistegiger Plattenbalken aus Spann­ gebildet. Die Pfeiler bestehen aus zwei kreisför­ beton migen Stielen mit einem Durchmesser von 2 m, Unterbau: Stahlbetonpfeiler und -widerlager Gründungsart: Tiefgründung auf Großbohrpfählen die in einem Abstand von 5,50 m angeordnet und Gesamtlänge: 126,50 m in Pfahlkopfplatten eingespannt sind. 2,50 m un­ Einzelstützweiten: 28,25 m – 2 × 35,00 m – 28,25 m terhalb des Pfeilerkopfes sind die Einzelstiele über Breite: 11,60 m Brückenfläche: 1.468 m² Querriegel miteinander verbunden. Der durchlau­ Konstruktionshöhe: 1,60 m (Überbau) fende zweistegige Plattenbalkenquerschnitt wur­ Bauzeit: 2013–2015 de in Ortbetonbauweise errichtet. Zur Minimie­ Auftragssumme: ca. 2,16 Mio. EUR rung der Torsionsbeanspruchungen des Überbaus Massen und Mengen wurde eine Stegspreizung von 5,50 m gewählt. Bohrpfähle: 660 lfd. m Querträger sind nur an den Widerlagern erforder­ Beton: 2.746 m³ lich, wo sie bündig zur Unterkante der Hauptträger Betonstahl: 270 t Spannstahl: 53 t angeordnet sind.

Seitenansicht (Foto: Landesamt für Straßenbau und Verkehr des Freistaates Sachsen, Niederlassung Plauen)

307 26. Dresdner Brückenbausymposium

Brücke über die S 314, die K 9374, den Koberbach und den Pfarrgraben, BW 1

Beteiligte Beschreibung Bauherr: Landesamt für Straßenbau und Verkehr Im Zuge der Verlegung der S 289 bei Neukirchen des Freistaates Sachsen wurde eine Querung der S 314, der K 9374 sowie Entwurf: Curbach Bösche Ingenieurpartner, Dresden des Koberbaches und des Pfarrgrabens in einem Genehmigungs- und Ausführungsplanung: zusammenhängenden Talraum erforderlich. Der Stähler+Knoppik Ingenieurgesellschaft Brückenneubau ruht auf Ortbeton-Großbohrpfäh­ mbH, Neu-Isenburg Ausführung: Arlt Bauunternehmen, Frankenhain len. Als gestalterisches Element besitzen die Kas­ tenwiderlager vorgezogene Auflagerbänke, was Technische Daten insbesondere beim höheren der beiden Wider­ Bauart: Einstegige Plattenbalkenbrücke lager zu einer Auflockerung der Ansichtsflächen Überbau: Gevouteter Spannbetonplattenbalken Unterbau: Stahlbetonpfeiler und -widerlager führt. In den Zwischenachsen wurden massive, in Gründungsart: Tiefgründung auf Großbohrpfählen Pfahlkopfplatten eingespannte Stahlbetonpfeiler Gesamtlänge: 327,00 m angeordnet. Den oberen Pfeilerquerschnitt be­ Einzelstützweiten: 29,00 m – 2 × 35,00 m – 5 × 40,00 – 28,00 m stimmt der Platzbedarf für Lager und Pressenauf­ Breite: 11,60 m stellflächen, darunter sind die Pfeiler tailliert und Brückenfläche: 3.793 m² entsprechend der statischen Beanspruchung mit Konstruktionshöhe: 1,20 m – 2,20 m (Feldmitte – über ­Pfeiler) einem Anzug von 10:1 in Quer- und 20:1 in Längs­ Bauzeit: 2013–2015 richtung ausgebildet. Die Brücke liegt schwim­ Auftragssumme: ca. 3,6 Mio. EUR mend auf Verformungs- bzw. Verformungsgleit­ Massen und Mengen lagern auf. Entsprechend der Talgeometrie und Bohrpfähle: 818 lfd. m, ∅ 90 cm unter Beachtung der umliegenden Bebauung wur­ Beton: 5.021 m³ de eine gevoutete Spannbeton-Balkenbrücke als Betonstahl: 622 t einstegiger Plattenbalken hergestellt. Spannstahl: 121 t

Seitenansicht (Foto: Landesamt für Straßenbau und Verkehr des Freistaates Sachsen)

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