AOSTATAL UNTERWEGS

Ski-ViertausenderSki-Viertausender im AostatalAostatal

Frühjahrszeit ist Skihochtourenzeit. Wer in den Alpen ganz hoch hinaus will und zudem Genuss über die Schwierigkeit der Gipfel stellt, der findet auf den

Auch wenn die Skihochtouren auf der Südseite des Monte Paradebergen zwischen Gran Paradiso Rosa gemeinhin als wenig schwierig gelten: Die Seraczone und ein reichhaltiges unterhalb der Nordflanke der signalisiert den Betätigungsfeld für Fell und Ski. Skibergsteigern, die Touren im Umkreis nicht zu unterschätzen. VON BERNHARD STÜCKLSCHWEIGER

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Bildliste oben: Das ai 1966: Der alte Postbus kommt zit- Zur optimalen Höhenanpassung besteigen Rifugio Vittorio Ema- ternd vor unserem Haus im hinteren wir tags darauf die 3609 Meter hohe La Tre- nuele (ganz links) wie MKleinsölktal zu stehen. Mit braunem senta, eine gemütliche Skitour mit knapp 900 das Rifugio Chabod Gesicht und strahlenden Augen, Norwegerpul- Höhenmetern. Ein einsamer schöner Gipfel, (Mitte) sind Stütz- lover und 32-fach verleimten Holzskiern steigt der neben dem Gran Paradiso ein Schattenda- punkte für die Tour mein Vater aus dem verstaubten Gefährt. End- sein führt. Der folgende Tag gehört aber ganz zum Gran Paradiso. lich ist er wieder zu Hause. Er kommt vom dem Gran Paradiso. Zweifellos ein erster Hö- Nach dem Aufstieg Aostatal. Während ich aufmerksam seinen Er- hepunkt in dieser Woche. Die ersten Stunden über weite Gletscher- zählungen zuhöre, von den 4000 Meter hohen ab dem Rifugio Emanuele sind meist in dem flächen rückt der fels- Bergen, den Steinböcken, Gämsen und Berg- nach Westen ausgerichteten Gletschertal bitter- durchsetzte Gipfel- bauern, die noch steilere Wiesen bewirtschaften kalt, aber dafür gewinnen wir über die ideal bereich näher (l.) und als wir in unserem Tal, keimt der Wunsch, auch geneigten und breiten Hänge recht flott an bald darauf steht man einmal dort in den Tälern und auf den Bergen Höhe. Auf 3800 Metern gibt das Gelände das neben der Gipfel- unterwegs zu sein. erste Mal den Blick frei auf die Aufstiegsroute, madonna (r.). Die Ab- 35 Jahre später: Inzwischen kenne ich die die vom Rifugio Chabod heraufzieht – eine

Fotos: Bernhard Stücklschweiger (links, 2), Georg Hohenester (rechts, 3) 2), (links, (rechts, Hohenester Georg Stücklschweiger Bernhard Fotos: fahrt bringt Skigenuss großartigen Skitouren zwischen Paradiso und interessante Alternative zu unserem Aufstieg auf ideal geneigten Monte Rosa schon von mehreren Führungswo- auf den Gran Paradiso. Allerdings ist diese Hängen (ganz rechts). chen, die ich für den DAV Summit Club leite... Route durch ihre Spalten- und Eisschlaggefahr Gut akklimatisiert doch um einiges anspruchsvoller. Über einen geht es anschließend Zur Madonna auf dem Gran Paradiso meist abgeblasenen Gletscherrücken zieht un- auf die Monte-Rosa- Diese klassische Skitourenwoche mit mehreren sere Spur weiter bis zum Skidepot, etwa 30 Südseite, wo man die Viertausendern ist technisch nicht besonders Meter unter dem Gipfel. Für den weiteren Auf- Aussicht vom Lysjoch schwierig, allerdings ist eine solide Skitechnik stieg ist Seilsicherung empfehlenswert, da der auf Dufour- und und eine gute Kondition obligatorisch. Beson- anfänglich breite Felsgrat immer exponierter genie- dere Kenntnisse in Bezug wird und kurz vor dem ßen kann (großes auf alpine Gefahren (La- Gipfel noch eine Kletter- Bild). winen, Spalten, Orientie- Kurz vor der Madonna stelle mit Schwierigkeits- rung und Höhenanpas- grad II aufweist. Nach et- sung) sind Voraussetzung, am Gipfel wartet wa vier Stunden Gehzeit vor allem, wenn man ohne Schwierigkeitsgrad II erreichen wir bei bestem Bergführer unterwegs ist. Wetter den bekannten, „Nicht zu schnell“ rate 4061 Meter hohen Gipfel ich meinen Gästen, während wir von Pont, der mit der Madonnenstatue. Die Sicht ist über- letzten Ortschaft im Val Savarenche, durch den wältigend und reicht vom Wallis über den steilen schütteren Lärchenwald zum Rifugio Montblanc und die Dauphinè bis zum Monviso. Vittorio Emanuele aufsteigen. Hier gilt es, die Man möchte bleiben. Aber eine Lücke im regen erste Übermotivation ein bisschen zu zügeln, be- „Besucherstrom“ am Gipfelgrat lässt uns takti- vor man völlig verschwitzt die Hütte erreicht. scherweise wieder mit dem Abstieg beginnen. Der Westhang ist oft im Frühjahr schon schnee- Die Abfahrt vom Gran Paradiso ist wahr- frei, so dass die Ski bereits vom Parkplatz weg scheinlich die beste weit und breit. Immer di-

Foto: Rudi Lindner Foto: getragen werden müssen. rekt hinunter wird sie für uns zum weißen

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Rausch. Im Frühjahr gibt es oft einen direkten die Gnifettihütte schon ein bisschen ans Herz Übergang zwischen Pulver- und Firnschnee. gewachsen. Mit einem herzlichen „Salve“ be- Für die Abfahrt von der Hütte ins Tal gibt es grüßt uns der fesche Hüttenwirt – wie meine zwei Möglichkeiten: Die kürzere folgt dem weiblichen Gäste sofort feststellen. Wir finden Hüttenaufstiegsweg, solange der Schnee reicht. das Hüttenpersonal sehr sympathisch und gut Die längere führt in etwa einer Stunde Aufstieg organisiert, am besten jedoch den guten Sound, bis zum Beginn des Westgrats des Ciaforon und der aus der Küche kommt: The Doors, Bob Dy- von dort querend in das hintere Vallone di Sei- lan und Konsorten. Im Ofen knackt das Feuer, va und durch das Tal nach Pont zurück. draußen ist es bereits dunkel geworden und es schneit noch immer heftig. Weiter zum Monte Rosa Am nächsten Morgen sind die Fenster dicht Während auf den umliegenden Wiesen schon vereist, nur an den Scheibenrändern kann man Fotos: Rudi Lindner 3), (links, (Mitte) Hohenester Georg Fotos: zartes Grün zwischen den Schneeresten zu er- den blauen Himmel mehr erahnen als erken- kennen ist, verstauen wir Rucksack und Ski in nen. Die Morgentoilette – italienische „Kondi- unseren Autos. Der Wechsel nach Alagna auf tionsklos“ lassen grüßen – bietet durch das of- die Monte-Rosa-Südseite steht an. Überall im fene Fenster einen unbeschreiblichen Blick auf Tal äsen Steinböcke oder Gämsen. die wilde Gletscherlandschaft mit vielen riesi- In Alagna angekommen gilt unsere Auf- gen Spalten bis direkt zur Hütte. Dahinter er- merksamkeit vorerst der mächtigen Südostflan- heben sich und Castor. Bedingt durch die Geruchsbelästigung der Trockenklo- anlage (hier heroben gibt es im Winter keinen Tropfen fließendes Wasser) stelle ich weitere Betrachtungen ein. Das schöne Wetter beflügelt unseren Aufbruch.

Auf Gipfelsammeltour

Foto: Bernhard Stücklschweiger Bernhard Foto: Bei der geringen Schneelage ist die Spalten- sturzgefahr enorm und wir starten direkt von der Hütte mit Seil. Heute wollen wir gleich mehrere Gipfel über 4000 Meter besteigen, die eigentlich keine eigenständigen Berge sind, son- ke des Monte-Rosa-Massivs. Bequem erreichen dern eher einzelne Erhebungen im grandiosen Die Seilbahn bringt wir mit der Seilbahn die Punta Indren auf 3260 Monte-Rosa-Massiv. Spätestens am Gipfelhang Tourengeher von Metern Höhe. Mittlerweile ist Nebel aufge- der Vincentpyramide bemerken wir die Vortei- Alagna auf die Punta kommen und es beginnt heftig zu schneien. Spä- le unserer kontinuierlich aufgebauten Höhen- Indren (kl. Bild, testens jetzt erweisen sich meine Gebietskennt- anpassung. Zügig und ohne Probleme wie Mitte); von dort ist nisse als vorteilhaft. Trotzdem ist es beruhigend, Übelkeit, Kopfschmerzen oder Leistungsabfall das Rifugio Mantova das GPS im Rucksack zu erreichen wir in knapp schnell erreicht (kl. wissen. Vorbei am Rifugio zwei Stunden den 4215 Bild, l. u. o.). Knappe Mantova ist meine Gruppe Aus der Küche klingt Meter hohen Gipfel. 200 Höhenmeter wei- erleichtert, als nach einer Meine Gruppe ist begeis- ter liegt das Rifugio weiteren Stunde das Rifu- der Sound von Bob tert. „Vor einer Woche Gnifetti. Von dort bie- gio Gnifetti im dichten Dylan und Konsorten war ich noch auf einem tet sich die Tour zur Schneetreiben auftaucht. Geschäftstermin in Lon- Vincentpyramide an Auf einer Höhe von 3611 don“ erzählt mir ein (u.). Konditionsstarke Metern, mitten im Gletscher gelegen, wird die- Gast „und jetzt hier heroben. Über den Wol- Skibergsteiger steigen se originelle Hütte wegen ihrer chronischen ken...“. Es ist kalt. Nach einer kurzen Abfahrt zum Grenzgletscher Überfüllung im Sommer oft geschmäht. Zur steigen wir etwa 100 Höhenmeter zum 4167 hinauf, um sich an Skitourensaison finden sich hier, abgesehen von Meter hohen Balmenhorn auf, einer kleinen den Viertausendern den Feiertagen, oft nur ein paar handverlesene Felsinsel im Gletscher mit einer riesigen Jesus- des Monte Rosa zu Alpinisten ein. Es verwundert zwar nicht, dass statue am Gipfel. Knapp darunter das Balmen- versuchen (kl. Bild, r.). die Mehrzahl der Skialpinisten im Winter die hornbiwak, ideal für Essen und Trinken. Die besser ausgebaute Mantovahütte bevorzugt. Pause hat uns allen gut getan und so setzen wir Mir allerdings ist während meiner Aufenthalte unseren Aufstieg fort. Vorsichtig überqueren

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wir die Spaltenzone, die unmittelbar hinter dem Balmenhorn unseren Weiterweg beein- :info: Skiviertausender trächtigt. Die Schneeoberfläche ist derart hart und glasig, dass wir froh über unsere Harsch- eisen sind. Obwohl das Gelände hier absolut Zwischen Gran Paradiso und Monte Rosa erstrecken sich zum Rifugio Mantova (3440m) und weiter über den Garstelet nicht steil ist, erleichtern sie doch das Vor- mehrere leichte Skitouren in hochalpinem, vergletschertem Gletscher zum Rif. Gnifetti (3611 m). 350 Höhenmeter, 1,5-2 Std. wärtskommen. Am Fuß der steilen Flanke des Gelände. Gletscherausrüstung ist erforderlich! TOURENMÖGLICHKEITEN: Vincentpyramide, Balmenhorn, Schwarzhorns deponieren wir Ski und Ruck- Schwarzhorn, Ludwigshöhe. Von der Hütte über den oft harm- sack und bereiten unseren weiteren Aufstieg los erscheinenden Gletscherboden möglichst im Sinne des Auf- Rifugio Emanuele (2732 m) vor. Steigeisen und Pickel sind unerlässlich und stiegs rechts haltend (Vorsicht, große Spaltengefahr). Über dem AUSGANGSPUNKT: Pont (1951 m), letzte Ortschaft im Val Savarenche. Lysgletscher bis ins Vincentjoch (4087 m) und von Norden auf bereits das Überwinden des Bergschrunds for- Übernachtungsmöglichkeit im Hotel direkt neben dem großen die Vincentpyramide (4215 m, 2 Std.). Abfahrt zurück ins Vincent- dert beherztes Setzen von Pickel und Eisen. Mit Hüttenparkplatz. Aufstieg zur Hütte 770 Höhenmeter, 2,5 Std. joch. Das Balmenhorn (4167 m) erreicht man vom Joch in 30 einer Seillänge erreicht man durch die etwa 45- OURENMÖGLICHKEITEN La Tresenta (3609 m) Minuten. Auf dem Gipfel befindet das Bivacco Felice Giordano T : , ideale Akklimati- 50 Grad steile Flanke den exponierten Gipfel Stücklschweiger Bernhard Foto: sierungstour. Von der Hütte kurze Abfahrt (30 Höhenmeter), (für Notfälle). Vom Balmenhorn erreicht man in einer Links- des Schwarzhorns auf 4321 Metern Höhe, des- Aufstieg Richtung Osten durch das weitläufige Tal, leicht rechts schleife das Zurbriggenjoch (4279 m). Von hier über die kurze sen Besteigung zweifellos nicht mehr mit leicht keine Knochenarbeit wird. Der Schnee ist ziem- steile Nordflanke auf das Schwarzhorn (4361 m, 1 Std.). Zurück haltend bis zum Fuß des Gipfelaufbaus. Durch die WNW-Flanke zu bezeichnen ist. lich wechselhaft, erst unter 4000 Meter, im bis zum Skidepot (im oberen Bereich oft abgeblasen) und zu Fuß absteigend in das Joch und im Winter oft besser südwestlich zum Gipfel. 870 Höhenmeter, 2,5-3 Std. unter der Ludwigshöhe bis zum Colle de Lys (4248 m) querend. Wieder am Skidepot angekommen schielen Windschatten der Vincentpyramide, werden wir wir schon zum nächsten Ziel, der Ludwigs- mit lockerem Pulver belohnt. Die Freude währt

höhe. Wir steigen zum nahegelegenen Colle nur kurz. Wir tauchen bei etwa 3800 Meter in Rudi Lindner Fotos: de Lys (4248 m), wo sich wieder ein völlig an- die Wolkendecke ein, die sich fast jeden Nach- Ein Leckerbissen für deres Landschaftsbild präsentiert. Hinter der mittag bei schönem Wetter vom Tal herauf- Viertausender-Sammler: mit gewaltigen Hängegletschern versehenen schiebt. Die Sicht beträgt teilweise unter 20 Me- Balmenhorn und Rudi Lindner Foto: Nordostwand des Lyskamms erblicken wir ter und durch die letzten Spalten vor der Hütte Schwarzhorn erheben Matterhorn und die anderen bekannten Vier- ist höchste Aufmerksamkeit angesagt. Jetzt ist ihre Felsinseln aus tausender rund um Zer- großes Vertrauen zwischen dem Gletscherstrom. matt. Unser Blick schweift Gästen und Bergführer ge- über , Zum- Kaum am Depot zurück fragt und fotografisches steinspitze und Signalkup- Gedächtnis vom Aufstieg pe, wo direkt am Gipfel schielen wir schon bezüglich Spaltengefahr Gewaltige Seracs Gran Paradiso (4061 m), höchster Gipfel der Grajischen Alpen. Über den moderaten Nordwestgrat auf die Ludwigshöhe (4341 die höchste Hütte der Al- und Orientierung ebenso unterhalb der Parrot- Von der Hütte Richtung Norden über einem Moränenrücken in m), 45 Minuten vom Zurbriggenjoch. Mit den diversen Auf- und zum nächsten Ziel pen steht. Doch für heute unerlässlich wie bedin- spitze zeugen vom das Gletschertal, durch das der Aufstieg in östlicher Richtung Abstiegen 5-6 Std. und 920 Höhenmeter. weiterführt. Über mehrere Aufschwünge zur Becca di Moncorve haben wir uns „nur“ noch gungsloses Spurfahren al- steten Arbeiten des (3875 m). Weiter über einen oft abgeblasenen und vereisten Zumstein, Signalkuppe, Parrotspitze die 4341 Meter hohe Ludwigshöhe vorgenom- ler. Erleichterung erfasst uns, als wir die letzten Gletschers (Hinter- Aufschwung durch eine Gletschermulde bis zum Skidepot direkt men. Nochmals heißt es Steigeisen anziehen. Meter neben der respekteinflößenden Rand- grund). Die vorge- am Gipfelgrat (Achtung, Wechte!). Über den kurzen exponierten Vom Rif. Gnifetti Aufstieg zum Colle del Lys (4248 m). Übergang Über den mäßig geneigten Firngrat erreichen spalte zur Hütte emporsteigen. Nach dem schobene Lage des Felsgrat zum Gipfel mit Madonna. 1330 Höhenmeter, 4-5 Std. zum Grenzgletscher unmittelbar nördlich der Ludwigshöhe und wir nach etwa 15 Minuten den Gipfel. Die Abendessen mit Plastikgeschirr – es fehlt das Rifugio Mantova Gehzeit. nicht zu verwechseln mit dem auf Schweizer Karten eingezeich- höchste Erhebung der Ludwigshöhe ist aller- Wasser zum Abspülen – holen uns noch einmal ermöglicht unbegrenz- neten Lysjoch (4151 m). Weiter über den oberen Grenzgletscher dings mit Vorsicht anzugehen. Obwohl oft gut die Erlebnisse und Eindrücke des vergangenen te Rundblicke nach Rifugio Chabod (2750 m) zum Colle Gnifetti (4452 m, 3,5 Std.). Zur Zumsteinspitze (4563 m) über den zuerst verfirnten, dann felsigen Südostgrad in 30 ausgetreten, besteht durchaus die Möglichkeit, Tages ein. Die Rotweingläser sind geleert – es ist Süden (o.); vom Lys- Parkplatz etwa zwei Kilometer vor der Ortschaft Pont, gut beschil- Minuten, zur Signalkuppe vom Colle Gnifetti über die kurze, et- bei einem Wechtenbruch ziemlich rasch an Zeit für die Nachtruhe. Vor dem Zubettgehen joch blicken die Ski- dert (1834 m). Aufstieg durch lichten Lärchenwald, westseitig was steilere Nordwestflanke ebenfalls 30 Minuten. 1050 Höhen- Höhe und damit sein Leben zu verlieren. Wir trete ich noch vor die Hüttentür auf die schma- bergsteiger zur 4563 über die Alp de Lavassey zum Rif. Chabod. 920 Höhenmeter, 3 Std. meter. genießen das Panorama und die warme Sonne. le Terrasse in die klare Nacht hinaus, die ich so Meter hohen Zum- TOURENMÖGLICHKEIT: Gran Paradiso, in östlicher Richtung über Der beeindruckende Tiefblick nach Alagna und gerne mag. In dieser Stille spüre ich die Majestät steinspitze (Mitte); Moränen bis zum Ghiacciaio di Lavaciau. Über diesen (Achtung, Kartenmaterial in die Poebene wird uns leider durch die auf- der Berge ganz besonders. das Rifugio Regina Spalten und im oberen Bereich Eisschlaggefahr) bis zur Becca di steigende Wolkendecke getrübt. Dafür ist die Margherita, höchstge- Moncorve und weiter bis zum Gipfel wie Aufstieg vom Rifugio Gran Paradiso Instituto Geographico Centrale Nr. 101 Gran • Sicht Richtung nach wie vor klar. Die Signalkuppe ruft legene Schutzhütte der Emanuele. 1310 Höhenmeter, 5 Std. Paradiso La Grivola Cogne 1:25 000 Nachdem die Wettervorhersage auch für die Nach dem typischen Gnifettifrühstück – Zwie- Alpen, ist bekanntes Gebietswechsel zur Monte-Rosa-Südseite Monte Rosa •Instituto Geographico Centrale Nr. 109 Monte nächsten Tage gut ist, besprechen wir unsere back, Keks und Müsli – heißt es erst einmal Ziel auf dem Gipfel Rosa Alagna V. Macugnaga Gressoney 1:25 000 weitere Planung: Zumstein, Signalkuppe und dem Weg der gestrigen Abfahrt hinauf zum der Signalkuppe (u.). Mit dem Auto von Pont über Autobahn Aosta-Ivrea-Santhia und •Landeskarte der Schweiz 1:50 000 Nr. 294 Parrotspitze möchten wir gerne besteigen – Colle de Lys zu folgen. Oben angekommen le- über Gattinara nach Alagna (1186 m, 250 km). Mit der Seilbahn Gressoney morgen, denn für heute reicht es uns. gen wir die weitere Vorgangsweise fest. Um den zur Punta Indren (3260 m). Aufstieg über den Indrengletscher Niemand von uns hat Probleme mit der Hö- regen Touristenstrom auf die Signalkuppe nicht he, weshalb auch die Abfahrt zur Gnifettihütte weiter zu verstärken, beschließen wir, zuerst

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den Zumstein zu besteigen. Vorbei an form- weilen einlädt. Es ist kaum Platz für ein Foto. schönen Seracs unter der Parrotspitze führt Am Fuß des Westgrats pausieren wir an einer unsere Aufstiegsroute über den oberen Grenz- windgeschützten Stelle in der Nachmittagsson- gletscher, jetzt auf Schweizer Staatsgebiet, ne. Wir beobachten einige Gruppen bei der Ab- durch eine weitläufige Gletschermulde. Vor fahrt über den gewaltigen Grenzgletscher zur uns, direkt am Gipfel der Signalkuppe das Ri- Monte Rosa Hütte. Es wäre eine Möglichkeit, fugio Regina Margherita, 4554 Meter hoch, dorthin abzufahren und tags darauf die das jedoch nur im Sommer bewirtschaftet ist. Dufourspitze (4634 m) oder den Nordend Am Colle Gnifetti (4452 m) bekommen wir (4609 m) zu besteigen. Auch am Lyskamm durch den leichten Wind die tiefen Temperatu- erkennen wir zwei Schweizer Alpinisten, die ren recht eindrucksvoll zu spüren. Der Aufstieg heute mit uns am Frühstückstisch saßen. Sie auf den Zumstein führt direkt über den Süd- befinden sich schon wieder beim Abstieg über ostgrat, einen je nach Verhältnissen mehr oder den abenteuerlich überwechteten Ostgrat. Eine weniger exponierten Firngrat mit eindrucks- tolle, aber auch sehr anspruchsvolle Tour. Wir vollem Tiefblick in die Monte-Rosa-Ostwand. machen uns fertig für die Abfahrt – ein bisschen Nach einer kurzen Felspassage erreichen wir wehmütig, diese erhabene Gebirgswelt verlas- den 4563 Meter hohen sen und wieder in die Gipfel der Zumsteinspit- Niederungen zurückkeh- Foto: Bernhard Stücklschweiger Bernhard Foto: ze. Der frische Wind lädt ren zu müssen. nicht zum Verweilen ein Die Schneequalität und nach kurzer Pause bei der Abfahrt ist besser beginnen wir mit dem als erwartet! Auf halbem Foto: Georg Hohenester Georg Foto: Abstieg. Weg zur Gnifettihütte Nach einem weiteren werden wir von Slalom- Im Aufstieg zur Vin- kurzen Anstieg gelangen stangen überrascht. Wie centpyramide locken wir zum Skidepot unter- sich später herausstellt, bereits weitere – und halb der Signalkuppe. 20 wurden sie in Vorberei-

höhere – Viertausen- Rudi Lindner (5) Fotos: bis 30 Paar Skier zeugen tung für die Wegmarkie- der im Hintergrund: von der Beliebtheit dieses rung der Trofeo Mezza- Schwarzhorn, Lud- Gipfels. Den kurzen Steil- Ein bisschen wehmütig lama gesetzt, eines Hoch- wigshöhe und, nach aufschwung zur Hütte gebirgswettkampfs für rechts ziehend, die gehen wir wieder mit machen wir uns fertig Skitourenläufer. So errei- Parrotspitze (großes Steigeisen. Die Signalkup- für die Abfahrt chen wir auf bereits gut Bild). Am Colle Gni- pe mit ihren 4554 Me- ausgefahrener Piste im fetti tut eine kurze tern bietet eine Aussicht, Bereich der Markierungs- Pause gut, bevor es als ob man im Flugzeug sitzen würde. Nach Sü- stangen wieder die Gnifettihütte – heute bei bes- zum Gipfel der Zum- den fällt die Südostflanke der Signalkuppe ter Sicht. Das gute Wetter zieht zum Wochen- steinspitze weitergeht 3000 Höhenmeter bis nach Alagna ab. Im of- ende mehr Skitouristen ins Gebirge, was wir (o.); als weiterer Para- fenen Winterraum der Hütte machen wir eine auch auf der Hütte merken. So beschließen wir, degipfel kann die Par- ausgedehnte Pause, eingepfercht zwischen noch heute zur Punta Indren abzufahren und rotspitze über einen Bergsteigern aus allen Ländern. Einige sind von mit der Seilbahn nach Alagna zurückzukehren. schmalen Firngrat be- der Höhe schwer gezeichnet. Kaum akklimati- Nach einer dringend nötigen Dusche treffen stiegen werden (Mit- siert haben sie zwar den Gipfel erreicht, fühlen wir uns im gemütlichen Speisesaal der Pensione te); stimmungsvoll sich dem Sterben aber näher als dem Leben. Genzianella bei unserer Gastgeberin Manuela. blitzt die Sonne über Nach unserer Mittagspause haben wir den Sie ist halbe Österreicherin und spricht perfekt dem Schwarzhorn (u.). Eindruck, dass es ein bisschen wärmer gewor- Deutsch. So geht eine unvergessliche Skitouren- den ist. Ein kurzes Stück Abfahrt bringt uns woche mit schwerem Wein aus dem Piemont zu zum Seserjoch zwischen Signalkuppe und Par- Ende, deren Erlebnisse und Eindrücke uns ein- rotspitze. Hier schnallen wir unsere Ski auf den ander näher gebracht haben. Rucksack. Mit der Ost-Westüberschreitung der Parrotspitze wollen wir diesen wunderbaren Bernhard Stücklschweiger aus Kleinsölk in der Steiermark ist Tag fortsetzen. Über den elegant geschwunge- seit 1981 hauptberuflicher Berg- und Skiführer beim DAV Sum- mit Club, Mitglied im Team der Österreichischen Berg- und Ski- nen und teilweise schmalen Firngrat erreichen führerausbildung und dritter Vorsitzender des österreichischen wir den Gipfel, der heuer gar nicht zum Ver- Berg- und Skiführerverbandes.

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auf die Strecke ging, diese alle überholte und in zugelassen, alle Teilnehmer mussten mit Tou- Der Pionier des italie- absoluter Bestzeit ins Ziel kam. Die Ausnahme- renskiern auf die Strecke. Trotzdem – oder ge- nischen Skibergstei- leistung Heckmairs kommentierend hieß es da- rade deshalb – begaben sich 176 Teams mor- gens, Ottorino Mezz- Trofeo mals in einer Genfer Zeitung: „Heckmair de- gens um 5.00 Uhr an den Start in Breuil (nur alama (r. im Bild), monstriert neue Technik“, dabei hatte Anderl acht Mannschaften wurden wegen Überschrei- war der Namens- Foto: Archiv CAI Torino Foto: während einer Aufstiegsetappe ein Steigeisen ung des Zeitlimits aus dem Rennen genom- geber für den Hoch- verloren und musste „mit dem eisenlosen Schuh men). Die Sieger – italienische Profiathleten – gebirgsmarathon Mezzalama ganz schnell auftreten, um mit dem Steigeisen- Im Rhythmus von zwei Jahren liefen in 4.32.22 Std. über die Ziellinie, die Trofeo Mezzalama. Schuh wieder Halt zu finden.“ Erst 1997 konnte die vier Jahre zuvor gegrün- Volksläufer, die über 50 Prozent des Starterfel- Ein Hochgebirgswettlauf der Sonderklasse Zwischen 1971 und 1978 fanden weitere dete „Mezzalama Trophy Foundation“ zur elf- des ausmachten, kamen in immer noch äußerst vier Wettkämpfe statt, wobei die 1971 für den ten Austragung des traditionellen Wettkampfes beeindruckenden 7-9 Stunden in Gressoney an. Nach dem Start geht Deutschen Alpenverein startenden Georg Be- einladen. Inzwischen scheint die Austragung Die 14. Austragung des Trofeo Mezzalama es von Breuil/Cervinia cherer, Edi Bußjäger und Michel Dacher den der Trofeo Mezzalama alle zwei Jahre gewähr- Anfang Mai 2003 ist als „International Open“ auf Breithornsattel, Pokal für die beste Städtemannschaft gewan- leistet – im Wechsel mit der Patrouille des Gla- und offizielles ISMC-Langstrecken-Rennen ge- Passo die Vera, Castor nen und unter 23 gestarteten Mannschaften cier auf Schweizer Gebiet – und „das höchste plant. Man darf gespannt sein, welche der drei und Lyskamm-Nase. nter den zahlreichen Skibergsteiger-Wett- den 7. Platz belegten. Danach gab es aufgrund und anspruchsvollste alpine Rennen der Welt“, starken „Skibergsteigernationen“ sich dieses Über die Gnifetti- und Ukämpfen im Westalpenbereich nimmt die finanzieller Probleme – ein Wettkampf in der- so ein Ausschreibungsprospekt, trifft auf im- Jahr durchsetzen werden: Frankreich, Italien Mantovahütte wird Trofeo Mezzalama eine Sonderrolle ein. Der art hochalpiner Kulisse verlangt enormen Or- mer stärkeres öffentliches Interesse. oder die Schweiz. gh das Ziel in Gressoney Hochgebirgsmarathon bewegt sich im italie- ganisations- und (ehrenamtlichen) Personalauf- Zur 13. Austragung der Trofeo Mezzalama erreicht, wo so man- nisch-schweizerischen Grenzgebiet zwischen wand – eine weitere Unterbrechung. 2001 waren erstmals keine Langlaufskier mehr Weitere Infos unter www.trofeomezzalama.org cher Pflege nötig hat. Matterhorn und Monte-Rosa-Massiv. Ausge- rüstet mit Seil, Steigeisen, Helm und Pickel ma- chen sich Dreier-Teams auf die Strecke, die über 45 Entfernungskilometer und 3000 Hö- henmeter von Breuil/Cervinia (2000 m) über den Breithornsattel (3826 m), den Passo di Ver-

ra auf den Gipfel des Castor (4226 m), von Hohenester Georg Fotos: dort über den Felikgletscher auf die Lyskamm- Nase (4150 m) und dann hinab nach Gresso- ney La Trinite (1637 m) führt. Gute Skiberg- steiger gehen die Tour in zwei bis drei Tagen, die „langsamsten“ Teilnehmer des Trofeo Mez- zalama in unter zehn Stunden!

Ein Klassiker mit Tradition Dieser Skimarathon ist nach Ottorino Mezza- lama benannt, dem Pionier des italienischen Skitourenwesens, der 1931 in einer Lawine ums Leben kam. Ihm zu Ehren wurden zwischen 1933 und 1938 sechs Wettkämpfe ausgetragen, die in Bergsteigerkreisen enormes Aufsehen er- regten. So finden sich Namen wie Luigi Carrell, Antonio Gaspard, Amilcare Cretier, Giusto Vor dem Zieleinlauf in Gervasutti – „il Fortissimo“ und Achille Com- Gressoney und einem pagnoni unter den erfolgreichen Teilnehmern Platz auf dem Trepp- der Trofeo Mezzalama. Auch deutsche Teams chen sind für Damen starteten, damals für den Deutschen Skiverband Illustration: Mezzalama Trophy Foundation wie Herren harte DSV, so etwa Franz Fischer, später legendärer Stunden auf hochalpi- Hüttenwirt der Oberreintal- und Tannheimer- ner Tour durchzuste- hütte, der 1933/34 mit Gustl Müller und Mat- hen: Immerhin geht thias Wörndle eine Mannschaft bildete, oder es über 45 Entfer- Anderl Heckmair, der 1934 als Ersatzmann nungskilometer und bzw. Betreuer mitgefahren war, dann aber als 3000 Höhenmeter. Sololäufer eineinhalb Stunden nach den Teams

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