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Dohlenloch (I2), Schwarzenberg LU

Vers 2.1 (5. Feb. 2018, M. Trüssel) SGH-Archiv-Nr.: LU 47/2 (23613)

Geographische Lage politische Gemeinde: CH-6103 Schwarzenberg Koordinaten (Koordinaten-Einmessung mit GPS MobileMapper, 6 Sat., 5,0 PDOP, ohne Postprozessing, 2008, M.Trüssel) CH1903+ 2’659'555, 1’202'375 WGS 84 46.96977, 8.22125

Eingangshöhe: (ab Swisstopo, map.geo.admin.ch) 1901 m ü.M.

Gesamtlänge: 29,2 m; Höhendifferenz: –18,3 m

Übersicht der Felswand-Nordflanke des Pilatus-Widderfeldes ab Eigental (Studberg, 1602 m ü.M.) mit dem 2006 entdeckten Dohlenloch und dem historisch bekannten, vor über 200 Jahren erstmals erkundeten Domini(k)loch. Foto: Kilian Schuster, 23. Mai 2010 (Beschriftung M. Trüssel).

Anmarsch

Die Anreise erfolgt entweder mit der Bahn bis Pilatus-Kulm und weiter entlang des Wanderweges via Tomlishorn (mit wenig Höhendifferenz) oder aber mit dem Auto via , Lütoldsmatt bis Schybach (Anfang

Höhlenbeschreibung Dohlenloch – NeKO-Stiftung, © M. Trüssel 1

Fahrverbot). Von dort erfolgt der Aufstieg (800 Höhenmeter) ebenfalls auf dem Wanderweg über Märenschlag, Feld, Feldnätsch bis auf den Rücken des Widderfelds.

Geografische und orthofotografische Geländeübersicht samt Markierung des Dohlenlochs in der Nordflanke des Widderfeldes (Bründleflue) Quelle: https://map.geo.admin.ch, 2018.

Der Abstieg zur Höhle liegt knapp oberhalb der höchstgelegenen kleinwüchsigen Fichten auf ca. 1940 m ü.M., wo sich auf der Nordflanke des Widderfelds ein Felskessel öffnet. In diesen Einschnitt zieht sich von Osten ein Felsriegel, dessen Westende mit einer auffälligen Felszinne endet. Zugestiegen wird auf der Ostseite über einen grasbewachsenen kleinen Grat bis zu den ersten Felsvorsprüngen. Dort kann ein 25-m-Seil um einen Felsblock zur Traversierung befestigt werden.

Zustiegsroute (Blick nach Osten) ab dem Widderfeld zum Dohlenloch (im roten Kreis). Gut zu erkennen sind die steil gestellten Schichten des Schrattenkalkes, die nach Süden dann aber knieartig stark abflachen. Fotos: 25. Juli 2006, M. Trüssel.

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Die Traverse führt ostseitig am Felsriegel vorbei. Bei der ersten Felslücke mit Blick nach Westen wird der Felsgrat überstiegen. Hier befindet sich ein Felsanker (HSF8, 2008) zur Befestigung des Seilgeländer-Endes und zugleich für das Abseilen über eine ca. 7 m tiefe Felsstufe (15-m-Seil) bis auf ein kleines Geröllfeld. Auf der Nordseite dieses Feldes ragt ein unscheinbarer Felsblock aus der Grashalde. In diesem befindet sich ein weiterer Felsanker (HSF8, 2008). Hier kann ein 36-m-Seil angebracht werden, dass über die teils mit Fels, teils mit Geröll durchsetzte Grashalde bis zum Höhleneingang führt. Der Höhleneingang selbst ist nur ansatzweise erkennbar, da der Mäandereinschnitt im Abhang liegt (kurz vor einer nächsten Steilstufe, die direkt in den Felskessel abfällt).

Forschungsgeschichte

26. Juli 2006 Entdeckung der Höhle durch Martin Trüssel, Stiftung Naturerbe Karst und Höhlen (NeKO) sowie Höhlenforscher-Gemeinschaft Unterwalden (HGU), Alpnach.

29. September 2008 Erforschung und Vermessung der Höhle durch Martin Trüssel sowie seinem Bruder Pankraz Trüssel, HGU, Rheinfelden. Von Wanderern irrtümlich ausgelöste Suchaktion der Schweizerischen Rettungsflugwacht (Rega).

Höhlenbeschreibung

Die Höhle lässt sich in drei Bereiche unterteilen: Der Eingangsteil besteht aus einem über 1m breiten und bis zu 3 m hohen Mäander, der grösstenteils nach oben bis zur Erdoberfläche offen ist. Der mittlere Bereich wird durch einen 6 m tiefen Schacht gebildet. Hier gilt es zu bemerken, dass auf der Westseite des Schachtes kurz nach dem Einstieg eine Aushöhlung besteht, der sich wahrscheinlich ein enger Mäander anschliesst. Diese Abzweigung wurde bislang nicht erkundet. Sie liegt unter einem Überhang und dürfte deshalb nicht leicht erreichbar sein. Der unterste Höhlenteil beginnt hinter einem über 2 m hohen Schnee- und Eisberg (Stichtag: 29. September 2008). Nach einem Felstor weitet sich die Gangdecke sogleich wieder, weil ab hier eine Kluft dominiert. Aus der «offenen» Kluft sind einzelne, aber z.T. grosse Felspartien ausgebrochen. Die Fortsetzung der Höhle endet hier, da unter einem solchem Kluftblock eine Geröllbahn die Fortsetzung verstopft hat.

Auf der Kluft können bergseits noch einige Meter erkundet werden. Im Deckenbereich befindet sich eine Schluf- Fortsetzung. Die ersten 50 cm sind nicht schliefbar (kompakter Fels), dahinter weitet sich der Kriechgang wieder etwas. Ein Luftzug konnte hier – im Gegensatz zum Hauptgang – nicht festgestellt werden.

Die Höhle scheint durch einfliessendes Schmelzwasser der lokalen Gletscher entstanden zu sein. Ein Abstieg an der Erdoberfläche weiter talwärts in den Felskessel könnte Aufschluss geben, ob die Höhle allenfalls einen verstürzten unteren Ausgang hat.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Kessels ist eine mehrere Meter hohe und etwas über 1 m breite Felsöffnung zu sehen. Sie entspricht grob betrachtet den Dimensionen des Dohlenlochs. Eine Erkundung wäre angezeigt, ist aber nur durch Vorstiegsklettern erreichbar.

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Der mäanderartige Einstieg ins Dohlenloch weist auf einen ehemaligen (glazialen) Schmelzwasser-Schlinger hin. Fotos: 29. September 2008, M. Trüssel.

Pankraz Trüssel im Übergang vom Eingangsmäander in den von einer Kluft dominierten Schacht.

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Der Schachtabstieg im dick gebankten Schrattenkalk. Dieser Schachtbereich dürfte je nach vorangegangenem Winter bis in die Sommermonate mehr oder weniger mit Triebschnee gefüllt sein.

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Am Höhlenende liegt im Herbst 2008 ein letzter Rest Schnee und Firn. Die Höhlenfortsetzung ist durch eine Geröllbahn verstopft. Auch einer Nebenspalte (Bild rechts) ist kein Weiterkommen möglich.

Historisches

Die seit Jahrhunderten bekannten Höhlen am Widderfeld sind das Mondmilchloch auf der Südseite (Schyflue) und das Dominiloch (Dominikloch) auf der Nordseite dieses Gebirgsstocks. Wiederholt wurde die Vermutung geäussert und mit sagenhaften Geschichten überliefert, dass zwischen diesen beiden Höhlen eine Verbindung bestehe. Sie konnte aber nie belegt werden.

Das Dohlenloch befindet sich in der Nähe des historischen Dominilochs (ca. 659'420 / 202'340, ca. 1800 m ü.M. schriftliche Mitteilung durch Paul Felber, Geologe, Fällanden, 2007), das sich in den Steilwänden der Nordflanke befindet und von der Bründle-Alp (Eigental) mit der für das Dominiloch typische Fels-«Statue» des Heiligen St. Dominik in der Eingangsbalm sichtbar ist.

Befahrungseinrichtungen

Die Seilausrüstung, die zum Erreichen des Höhleneinganges benötigt wird, ist unter der Rubrik «Anmarsch» detailliert aufgeführt. Zur Erkundung der Höhle selbst ist ein 25-m-Seil nötig. Auf der Westseite des Eingangs kann eine Seilschlaufe um den Felsen gelegt werden. Nach einem Schrägabstieg mit einer kleinen, aber rutschigen Zwischenstufe (R2) folgt kurz darauf ein Schacht (P6). In der linken Ecke ist ein Abseilanker (HSF8, 2008) gesetzt. Für den Aufstieg empfiehlt sich die Einseiltechnik oder eine Drahtseilleiter. Behelfsmässig kann aber auch durch das südliche Bodenloch entlang der Kluftwand abgeseilt und hochgeklettert werden. Das Seil reicht unterhalb des Schachtes noch bis ans Ende einer vereisten Geröllbahn (beobachteter Zustand per Ende September 2008).

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Geologie

Die Höhle ist im «Unteren Schrattenkalk» der Schrattenkalk-Formation angelegt (Kreide-Zeit, Drusberg-Decke, Helvetikum). Das Gestein ist stark gestört. Vermutlich liegt die Höhle am Rand der steil stehenden Schichten, die sich auf der Nordseite des Widderfelds grösstenteils senkrecht hochziehen. Das Höhlenende wird durch eine Kluft geprägt (355°/60°, Fallazimut/Fallen), auf der auch der Seitengang angelegt ist.

Schematischer geologischer Schnitt durch das Widderfeld von Ferd. Schär (1894) mit veralteten geologischen Bezeichnungen.

Geologische Übersicht der Randkette im Gebiet des Widderfeldes. Dohlenloch- Eingang = roter «Tropfen», die beiden weiteren Höhlensymbole zeigen das Dominiloch und das Mondmilchloch. Blaugrün = «Unterer Schrattenkalk» der Schrattenkalk-Formation; braun mit blauen Punkten = Quarzsandstein (sandiger Kalk) der Klimenshorn- Formation: Quelle: Swisstopo, Wabern (map.geo.admin.ch, Datenbasis: LK 1170 Alpnach, Datenstand 2014).

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Morphologie

Der oberste Höhlenabschnitt bis zum 6-m-Schacht wird von einem Mäanderprofil geprägt, wobei der Mäander über 1 m breit und bis 3 m hoch ist. Der Schacht selbst und die anschliessenden Gangpassagen werden von Brüchen bzw. Klüften dominiert. Die Höhlenwände sind im oberen Höhlenteil flächig durch ehemalige (Gletscher-)Wassererosion geschliffen.

Sedimente

In der gesamten Höhle dominiert Geröll und kleineres Blockwerk (wahrscheinlich mehrheitlich vom steilen Gras- und Geröllhang oberhalb der Höhle stammend). Feinsedimente fehlen weitgehend.

Je nach Jahreszeit liegt mehr oder weniger Schnee in der Höhle, der von Jahr zu Jahr neu in den Schacht geweht wird. Im extrem warmen Juli 2006 lag im Eingangsmäander mindestens 2 m hoch Schnee. Bei der Begehung Ende September 2008 war nur noch auf dem Schachtgrund ein kleiner Altschnee- und Eisberg von ca. 2,5 m Höhe mit anschliessender Eiszunge vorhanden. Wahrscheinlich war in den letzten Jahrzehnten jeweils am Ende des Sommers noch nie so wenig Eis vorhanden wie im Beobachtungsjahr.

Hydrologie

Die Höhle ist – abgesehen von Tropfwasser – trocken.

Klimatologie

In den Wintermonaten wird viel Schnee in die Höhle geweht. Dieser bleibt mehr oder weniger bis in den Herbst liegen. Unterhalb des Schachtes liegt zudem Eis. Dadurch dürfte die Höhle tendenziell «unterkühlt» sein.

Am 29. September 2008 war bei schwachem Sommerklima (Aussentemperatur ca. 5 bis 7 °C) eine wenig spürbare Luftbewegung Höhle abwärts feststellbar.

Biologie

Pflanzen: Im relativ grossen Eingangsmäander konnten sich an den Felswänden flächig Moospolster verschiedener Arten sowie an lichtabgewandten Stellen schwärzliche Algenbeläge bilden. Sie ziehen sich bis zur Oberkante des 6- m-Schachtes hinunter.

Tiere: Ende September 2008 und somit kurz vor dem Einwintern wurden oberhalb des Schachtes einzelne und unterhalb des Schachtes mehrere Triphosa dubitata (Olivebrauner Höhlenspanner) gesehen. Diese häufig in

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Höhlen anzutreffende Tierart verbringt den Winter in Höhlen. Zudem liessen sich «Alpfliegen» beobachten (nicht näher bestimmt).

Archäozoologie/Paläontologie

Im Eingangsmäander wurde auf dem Geröll liegend ein Fragment eines neuzeitlich wirkenden Röhrenknochens gesehen (29. September 2008). Es erfolgte keine Artbestimmung.

Das relativ grosse Geröllvorkommen und der wahrscheinlich über lange Zeit durch Eis und Schnee «versiegelte» mittlere und untere Höhlenteil könnten eine Erklärung dafür sein, warum nicht mehr Tierknochen sichtbar sind. Die schachtartige Höhlenanlage an sich würde als Tierfalle in Frage kommen.

Dank

Pankraz Trüssel, Rheinfelden, für seine tatkräftige Mithilfe bei der Feldarbeit.

Literatur

FUNK, HP., et al. (2013): Geologischer Atlas der Schweiz 1:25'000, Blatt 1170 Alpnach, inkl. Erläuterungsschrift mit Kapitel «Höhlen» (S. 62), wo auch das Dohlenloch Erwähnung findet.

LIENERT, L. (1980): Geologische Karte des Kantons Obwalden. In: Die Pflanzenwelt in Obwalden. Hrsg. Kantonales Oberforstamt Obwalden, .

RUNGE, H. (1859): Pilatus und St. Dominik – unter Benutzung einer Handschrift Martin Usteri’s. Mittheilungen Nr. XXIII der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. In Comission bei Meyer und Zeller, Zürich.

SCHÄR, F. (1894): Das Mondmilchloch am Pilatus (inkl. geologischem Schnitt durch das Widderfeldmassiv). In: Beilagen zum Jahrbuch des Schweizer Alpenclub, Bd. XXX, Beilage 6. Schmid, Francke & Co., 1895, Bern.

TRÜSSEL, M. (2013): Tourenberichte vom 25. Juli 2006 (Entdeckung der Höhle) sowie 29. September 2008 (Erforschung und Vermessung der Höhle). In: Vom Fuchsloch zur Schrattenhöhle, Band V, S. 1140 – 1142 sowie S. 1239 – 1240. HGT-Verlag (c/o M. Trüssel), 6055 Alpnach.

Kontakt

Martin Trüssel, Rosenrain 1, CH-6055 Alpnach, www.neko.ch, www.hgu.ch.

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Anhang: Tourenberichte

26. Juli 2006 Karstprospektion Widderfeld (Pilatus) und Entdeckung des Dohlenlochs (Schwarzenberg/Eigenthal LU) Teilnehmer: Martin Trüssel

Schon jetzt zeichnet sich der heisseste Juli seit Beginn der Messreihen seit Ende des 19. Jahrhunderts ab. Die Nullgradgrenze liegt seit Wochen konstant über 4000 m ü.M. Auch heute werden im Flachland Temperaturen um 35 °C erwartet. Grund genug, die heutige Prospektionstour bereits bei Sonnenaufgang zu beginnen. Via Lütoldsmatt, Märenschlag und Feldalp lassen sich die beträchtlichen Höhenmeter aufs Widderfeld bei noch angenehmen Temperaturen überwinden. In der Südflanke befindet sich das historisch bekannte Mondmilchloch, in dem Martin auch schon Zähne des Höhlenbären (Ursus spelaeus) geborgen hat. Übrigens: Die Sagenwelt berichtet von einer Verbindung des Mondmilchlochs mit dem sogenannten Dominiloch (SGH-Kataster-Nr. LU 47/1 bzw. 23561), das sich auf der entgegengesetzten Seite des Widderfeldes in den hohen Felswänden befinde, aber mit einem eisernen Tor verschlossen sei (H. Blättler, Nagon-Band I, «Karst- und Höhlenforschung in Ob- und », Höhlengebundene Sagen aus Unterwalden). Das Dominiloch sei vor 192 Jahren durch Jgnaz Matt erforscht, aber nicht vermessen worden. Martin versucht, sich soweit wie möglich einen Einblick in die imposanten Nordwände des Widderfelds zu verschaffen, indem das besagte Dominiloch angelegt sein soll. Dazu klettert er auf die äussersten Gratkanten und in die Coulvoirs hinein. Ihm fällt auf, wie in einem felsigen Grassteilhang Bergdohlen im Sturzflug in einem Loch verschwinden, um kurz darauf wieder zu erscheinen. Das weckt Martins volle Aufmerksamkeit und natürlich Neugier. Er kraxelt und klettert Schritt um Schritt abwärts, stets abwägend, ob der Rückweg noch gewährleistet ist. Da ist volle Konzentration gefragt. Eine einzige falsche Bewegung hätte einen 200 m tiefen Absturz zur Folge. Martin erreicht tatsächlich sein anvisiertes Ziel. Und siehe da: Es ist sogar eine Höhle. Ein schulterbreiter, bis zu 4 m eingeschnittener Mäander zieht sich in die Tiefe. Noch liegt Schnee auf dessen Grund. Für den weiteren Abstieg ist nun definitiv Seilbedarf angesagt. Das Objekt erhält den Namen Dohlenloch (Kataster-Nr. I2). Es liegt auf Luzerner Boden (Gemeinde Schwarzenberg).

Zurück auf sicherem Terrain nimmt Martin auf dem sanft ansteigenden, mit Hohgantsandstein bedeckten Bergrücken des Widderfeldes mit seinem DGPS diverse Dolinen auf, um das Karstinventar des Pilatus-Gebietes zu ergänzen. Die Dolinen haben sich im Hohgantsandstein gebildet. Dieses wasserunlösliche Gestein liegt hier direkt auf dem verkarstungsfähigen Schrattenkalk, in dem das Mondmilchloch und das neu entdeckte Dohlenloch angelegt sind. In der Nähe des Gipfels sammelt Martin für ein Forschungsprojekt über ein Dutzend Schneckengehäuse ein. Diese Tiere hausen im alpinen Rasen unter Felsplatten. Auf dem Rückweg sichtet Martin ein weiteres Höhlenobjekt am Nordabhang, dessen Erkundung sich lohnen dürfte. Und kurz darauf führt der Bergweg am nördlichen Wandfuss des Widderfeldes an dessen Tiefstpunkt an einer Aushöhlung vorbei, aus der deutlich kalte Luft aus dem Widderfeld-Gebirgsstock strömt. M. Trüssel

29. September 2008 Erforschung und Schlussdokumentation des Dohlenlochs (Schwarzenberg/Eigenthal LU) mit Rega- Fehlalarm Teilnehmer: Martin und Pankraz Trüssel

Die Entdeckungstour im Sommer 2006 hat gezeigt, dass das Dohlenloch erst im Herbst schneefrei sein dürfte. Heute soll nun dieser Höhle auf den Grund gegangen werden. Mit mehreren Seilen, Bohrhammer, Vermessungsaustrüstung usw. schwer beladen, streben Pankraz und Martin via Pilatus-Kulm westwärts dem

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Widderfeld zu. Noch herrscht beinahe wolkenloser Himmel. Doch entgegen der Wetterprognosen, die gute Fernsicht versprechen, scheint sich bald tiefe Quellbewölkung zu bilden, die die Berge in Nebel hüllen wird.

Nach etwa zwei Stunden gemütlicher Wanderung erreichen die beiden die Abstiegsstelle zum Dohlenloch (im NeKO- und HGU-Höhlenkataster neu als I2 aufgenommen). Martin hatte das letzte Mal den mutmasslichen Höhleneingang im oberen Bereich der 300 m tiefen Nordflanke des Widderfelds bei idealen äusseren Bedingungen ohne seiltechnische Sicherung mit grösster Vorsicht erreicht (siehe HGU-Tourenbericht vom 26. Juli 2006). Diesmal, mit relativ viel Gepäck, wird eine mit Seilen gesicherte Route eingerichtet. Dafür sind ein 25-, ein 15- und ein 36-m-Seil nötig.

Kurz nach Mittag steigen Pankraz und Martin in die Höhle. Der Schnee, der im Sommer 2006 noch im Eingangsmäander meterhoch lag, ist wie erwartet abgetaut. Nach einem 10 m langen Abstieg über eine Geröllhalde öffnet sich oberhalb eines Blockbodens ein 6 m tiefer Schacht, der sich nach unten im Querschnitt weiter öffnet. Pankraz erkundet als erster das Neuland. Am Schachtboden gelangt er zu einem über 2 m hohen Altschnee- und Eisberg. Dahinter zieht sich nach einem Felstor eine mit 45° steil abfallende Geröll- und Eisbahn weiter in die Tiefe. Eine offene Kluft sorgt anfänglich sogleich für eine deutliche Raumerweiterung. Das Geröll verstopft aber leider die weitere Fortsetzung. Ein leichter Luftzug (schwaches Sommerklima) ist spürbar. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass der Höhlengang in den tief eingeschnittenen Felskessel der Widderfeld- Nordflanke mündet. Um dies klären zu können, müsste das unwegsame Terrain an der Erdoberfläche unterhalb der Höhle abgesucht werden. Dort unten befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite eine weitere, auffällige Felsöffnung, deren Dimensionen dem Dohlenloch gleichen. Ob es sich dabei um einen gekappten Höhlenverlauf handelt?

Auf der Kluft unmittelbar vor dem Ende des Hauptganges lässt sich auf minus 18 m ein knapp schulterbreiter Seitengang bergwärts rund 6 m weit erkunden. Doch dann stoppt eine Engstelle ein weiteres Vordringen.

Beim Aufstieg im 6-m-Schacht zeigt sich auf der gegenüberliegenden Schachtseite eine grössere Felsaushöhlung, die wahrscheinlich in einen engen Mäander mündet. Diese mögliche Seitenabzweigung wird nicht erkundet.

Nachdem die Höhle – für deren Befahrung ein 25-m-Seil benötigt wird – vermessen ist (29,2 m lang, 18,3 m tief), wollen Pankraz und Martin ihrer vom Vormittag gelegten Seilpiste entlang zu den Rücksäcken aufsteigen. Es ist bereits 4 Uhr nachmittags. Der 800 m Höhendifferenz betragende Abstieg zum Schybach auf Alpnacher Seite steht auch noch bevor. Doch dann werden die beiden von Helikopter-Rotorengeknatter aufgeschreckt. Zu diesem Zeitpunkt liegt das Widderfeld in zeitweise dichten Nebelbänken. Das An- und Abschwellen des Rotorengeräusches lässt rasch die Vermutung aufkommen, dass sich der Helikopter auf einem Suchflug befindet. Wer wird wohl gesucht? Ist ein Wanderer abgestürzt wie erst vor rund zwei Wochen beim Abstieg vom Widderfeld? Oder sind womöglich die beiden Höhlenforscher das Ziel der Suchaktion, weil Wanderer das verlassene Seil gesichtet haben? Die Intuition lässt die zweite Variante als wahrscheinlicher erscheinen. Deshalb wollen die beiden sofort zu den Rucksäcken aufsteigen, um sich einen Überblick zu verschaffen und zur Sicherheit der Schweizerischen Rettungsflugwacht (Rega) anzurufen. Martin ist selbst aktives Mitglied der Alpinen Rettung Schweiz (ARS), die von der Rega und dem SAC als Stiftung getragen wird. Doch noch vor dem ersten Seilaufstieg taucht aus dem Nebel ein Rega-Helikopter Agusta A 109 K2 auf, der in langsamem Suchflug den Felswänden entlang fliegt. Nun hat die Crew trotz stark reduzierter Sicht die beiden Höhlenforscher entdeckt. Pankraz gibt mit diagonal ausgestreckten Armen Zeichen, dass keine Hilfe nötig ist. Kurz darauf fliegt der Rettungshelikopter zügig weiter. Martin steigt rasch auf, um per Natel mit der Rega Kontakt aufzunehmen. Der Einsatzleiter bestätigt, dass die Suchmeldung tatsächlich Pankraz und Martin gegolten hat. Wanderer hatten noch vor der Bildung des Nebels abseits des Weges die verlassenen Rucksäcke oberhalb der ersten Abseilstelle gesehen. Sie vermuteten einen Unfall, weil in diesem unwegsamen Gelände weit und breit kein Mensch zu sehen war und sie nicht wissen konnten, dass die beiden in der Höhle weilten, eilten ins Tal, alarmierten die Polizei und diese die Rega. Weil von den Alarmierenden niemand am Beobachtungsort verblieb, musste der Suchflug auf das gesamte nebelverhangene Widderfeld ausgedehnt werden. Hätten sich Pankraz und Martin noch länger in der Höhle aufgehalten, hätte die Suchaktion wohl noch grössere Dimensionen angenommen ... M. Trüssel

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