2.15 Tayloria Rudolphiana (GAROV.) B. & S. Code: 1399 Anhang: II
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2.15 Tayloria rudolphiana (GAROV.) B. & S. Code: 1399 Anhang: II KLAUS WEDDELING & GERHARD LUDWIG, Bonn Namen: D: Rudolphs Trompetenmoos E: Rudolph’s Trumpet Moss F: – Systematik/Taxonomie: Bryophyta, Bryopsida, Bryidae, Splachnales, Splachnaceae. Synonyme: Orthodon delavayi Besch., Tayloria delavayi (Besch.) Besch., Eremodon rudol- phianus Hornsch., Splachnum rudolphianum Garov. Kennzeichen/Artbestimmung: Ausführliche Beschreibungen bzw. Abbildungen der Art finden sich bei KOPONEN (1992), LIMPRICHT (1895), ROTH (1904) und MÖNKEMEYER (1927). Die autözische, akrokarpe T. rudolphiana ist mit Rasen von 1–4(–6) cm Höhe im Vergleich zu den übrigen Vertretern der Gattung relativ großwüchsig. Die Stämmchen der lebhaft gelblichgrünen Art sind aufrecht, mehrmals gabelteilig und tragen einen rot- braunen Wurzelfilz (Abb. 2.14). Die aufrecht stehenden, trocken nur schwach verdrehten Blättchen sind verkehrt eilänglich, rasch zugespitzt und nur an der Spitze grob gezähnt. Ihre Rippe tritt in einer gewundenen rötlichen Pfriemenspitze aus. Die Laminazellen sind hexagonal und etwa 30 µm im Durchmesser. Die gelbrote Seta erhebt sich 2 cm über den Rasen, ihre derbe, keulenförmige, gelbe Kapsel hat einen hochkegeligen Deckel. Das Peristom besteht aus 16 Zähnen. Die Sporen haben einen Durchmesser von 9–13 µm. Abbildungen der Art (sowohl von T. rudolphiana s. str. und T. delavayi) finden sich bei KOPONEN (1992, Fig. 1 und Fig. 2 S. 58 und S. 59, Habitus, Stämmchenquerschnitt, Blätt- chen, Laminazellen, Spaltöffnungen am Sporogon). Areal/Verbreitung: Welt: Bis zu den Untersuchungen von KOPONEN (1992) galt T. rudolphiana als einer der wenigen mitteleuropäischen Endemiten unter den Moosen, weil die Art nur in einem eng begrenzten Areal in den Österreichischen, Bayerischen und Schweizer Alpen bekannt war (z. B. noch SCHUMACKER & MARTINY 1995). KOPONEN (1992) synonymisiert die chine- sische Sippe T. delavayi Besch. mit unserer Art, so dass T. rudolphiana s. l. nun ein dis- junktes europäisch-asiatisches Gesamtareal hat, wenngleich die Art in China nur aus der Zeit vor 1920 von vier eng benachbarten Lokalitäten in der Provinz Yunnan belegt ist (Gesamtarealkarte bei KOPONEN 1992, eine unvollständige Karte bei SCHUMACKER & MARTINY 1995). Schon GAMS (1932) vermutete enge Beziehungen zwischen T. delavayi und T. rudolphiana, die sich damit bestätigen. Die Gesamtverbreitung kann als präalpin – montan beschrieben werden. GAMS (1932) hält unsere Art für ein „ozeanisches Relikt“ niederschlagsreicher, ehemals wenig vergletscherter Bereiche. EU: Die Verbreitung in Europa stellt sich wie folgt dar: in Österreich gibt es weniger als 15 Fundorte aus Vorarlberg, Niederösterreich, Salzburg, der Steiermark, aus Tirol und Kärnten (MÖNKEMEYER 1927, GRIMS & KÖCKINGER 1999). KOPONEN (1992) listet für Österreich aus Herbarbelegen folgende Lokalitäten auf: Wasserthal in Vorarlberg, Kärnten, Windauer Tal in Tirol und Radstatter Tauern in Salzburg. Alle Belege stammen aus dem 19. Jahrhundert. Für die Schweiz gibt es einige alte Funde von weniger als 10 Lokalitäten aus dem Kanton Bern (KOPONEN 1992, AMANN & MEYLAN 1912, GAMS 1932, LIMPRICHT 1895). D: In Deutschland ist die Art nur aus den schwäbisch-bayerischen Voralpen und den Kalkalpen bekannt (vgl. Verbreitungskarte). Zurzeit liegen für diesen Bereich Verbrei- 318 Moose Verbreitung von Tayloria rudolphiana in Deutschland und in der EU. (Kartengrundlage MEINUNGER & SCHRÖDER in Vorb.). Erläuterungen zur Erstellung der Karte s. SSYMANK et al. (2003) im gleichen Band. Datengrundlagen s. ELLWANGER et al. (2004) in Band 2 dieses Werkes. 319 tungsangaben zu 13 Quadranten für die Zeit vor 1980 und 8 Quadranten nach 1980 vor. Bei DÜLL (1994) werden 14 Gebiete aufgezählt, in denen die Art nachgewiesen wurde. Zahlreiche Fundortangaben aus dem 19. Jahrhundert listet auch LIMPRICHT (1895) auf, die z. T. mit den genannten identisch sein dürften. Verantwortung Deutschlands: Da weltweit der weitaus größte Teil der bekannten Vorkommen der Art in Mitteleuropa liegen (Deutschland, Österreich und Schweiz) sind die EU und Deutschland in besonderem Maße für den Erhalt von Tayloria rudolphiana verantwortlich (vgl. TAN et al. 2000, SCHUMACKER & MARTINY 1995, URMI 1991). Die Dringlichkeit von Maß- nahmen zur Erhaltung der Art ist derzeit schwer einschätzbar, bei der geringen Zahl bekannter Lokalitäten sollten die bekannten Vorkommen aber möglichst bald gesichert werden. Biologie/Ökologie: Die Splachnaceae Tayloria rudolphiana besiedelt wie die meisten Ver- treter der Familie konkurrenzarme, stickstoffreiche Mikrohabitate auf sich zersetzendem organischen Material. Hierbei ist sie an epiphytische Standorte auf Borke von Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus) und Buchen (Fagus sylvatica) gebunden. Während FRAHM & FREY (1987) von „Exkrementen in epiphytischen Moosen“ sprechen, nennt GAMS (1932) Raub- tiergewölle und sich zersetzende Knochenteile als Substrate von T. rudolphiana. Nach GRIMS (1999) kommt die Art vor allem in Moospolstern auf dicken Ästen mit tierischen Exkrementen und Greifvögelgewöllen auf Ahorn vor. AMANN & MEYLAN (1912) bezeich- nen die Art als „humicolen Saprophyten“ im damaligen, nur unscharf definierten Sinne als auf sich zersetzender Substanz wachsend, unabhängig davon, dass die Art autotroph ist. LIMPRICHT (1895) und KOPONEN (1992) erwähnen eine Bindung an Exkremente oder Tierleichen hingegen nicht. Hinsichtlich der Substratbindung und des Nährstoffbedarfs dieses Vertreters der Splachnaceen scheint daher der Kenntnisstand noch unzureichend zu sein und es ist fraglich, inwieweit die z. T. gut bekannten Ansprüche anderer Taxa aus die- ser Familie auf die Art übertragbar sind (vgl. WEBSTER 1987, CAMERON & WYATT 1989). Als Begleitarten erwähnt Gams (1932) Leucodon sciuroides (HEDW.) SCHWÄGR. und Tortula ruralis (HEDW.) P. GAERTN., B. MEY. & SCHERB. T. rudolphiana ist monözisch, die Pflanze sporuliert an ihren bekannten Fundorten im August. Über ihre Lebensdauer und „Life strategy“ im Sinne DURING (1979) ist wenig bekannt. GAMS (1932) beobachtete eine Fruchtentwicklung der Art im 2. Jahr nach ihrer Ansiedlung, was, ebenso wie die kleinen Sporen, die regelmäßige Sporogonbildung und ihre Autözie auf eine „shuttle species“ oder einen „colonist“ (DIERSSEN 2001) schließen lässt. Brutkörper, wie sie bei T. splachnoides und T. serrata nachgewiesen wurden, fehlen der Art offensichtlich (FRAHM & FREY 1987). Fraglich ist auch, ob die Ausbreitungsbiologie und Populationsökologie anderer Arten der Familie auf T. rudolphiana übertragbar ist (vgl. CAMERON & WYATT 1986, MARINO 1997). In Europa kommt T. rudolphiana in Höhenlagen zwischen 900–1600 m ü. NN in der luft- feuchten montanen bis hochmontanen Stufe vor, über eine Bindung an bestimmte Makro- habitate (evtl. Fagion-Gesellschaften, DIERSSEN 2001) ist wenig bekannt. Bezieht man auch die offensichtlich synonyme T. delavayi Besch. auf Quercus in China mit ein (s. u.), erstreckt sich die Höhenverbreitung sogar bis auf über 4000 m (KOPONEN 1992). Gefährdung und Schutz: Rote Listen: Welt: Tayloria rudolphiana wird auf der „World Red List“ der Moose als „vulnerable“ geführt (TAN et al. 2000). Die Weltbestände haben danach um mindestens 20 % in den letzten 10–20 Jahren infolge von Habitatzerstörung (v. a. Forstwirtschaft) abgenommen. EU: „endangered“ (SCHUMACKER & MARTINY 1995), Österreich: „vom Aussterben bedroht“ (GRIMS & KÖCKINGER 1999), Schweiz: „von Natur aus selten“ (URMI 1991). Deutschland: „stark gefährdet“ (nur Bayern, LUDWIG et al. 1996). 320 Schutzstatus: Anhang I der Berner Konvention. Gefährdungsursachen und -verursacher: Die Art muss aufgrund ihrer hohen Speziali- sierung und Bindung an bestimmte Mikrohabitate als relativ empfindlich gegenüber forst- lichen Eingriffen in Waldökosystemen gelten, insbesondere im Hinblick auf flächige Entnahme von Altbäumen bei Buche und Ahorn. Ferner ist anzunehmen, dass sich durch Luftverunreinigungen der Epiphytenbesatz der Trägerbäume verändert hat, was sich durch Verschiebung der Konkurrenzsituation ebenfalls auf die Bestände der Art auswirken könnte. Schutzmaßnahmen: An erster Stelle muss hier die Sicherung bekannter Lokalitäten in Schutzgebieten genannt werden. Die forstliche Nutzung ist so einzuschränken, dass Altbäume von Buche und Berg-Ahorn in ausreichender Zahl über die Hiebreife hinaus erhalten bleiben. Ferner sollten diese Gebiete ausreichend groß festgelegt werden (> 50 ha), damit die dynamische Art immer ausreichend Besiedlungsmöglichkeiten hat. Moose Letztendlich scheint das Vorkommen von Tayloria auch an das Vorkommen von Tieren, vor allem von Greifvögeln, und ihren Hinterlassenschaften in Form von Kot und Gewöllen gebunden zu sein. Maßnahmen, die ihre Dichte erhöhen, könnten sich ebenfalls positiv auf den Bestand von T. rudolphiana auswirken. Erfassung: Entgegen den Angaben bei WEDDELING et al. (2001) ist nach Hinweis von W. von Brackel (mündl. Mitt.) ein Monitoring in Dauerflächen bei der Art problematisch, da sie auch hoch im Geäst ihrer Trägerbäume vorkommt und nur schwer erfassbar ist. Von daher scheint eine Erfassung allein über Zählungen besiedelter Bäume möglich zu sein. Quantitative Angaben („Polster je Trägerbaum“) sind nur bei gefällten Bäumen machbar. Forschungsbedarf: Es ist anzunehmen, dass die Verbreitung der Art in Deutschland weit- gehend bekannt ist, wenn gleich innerhalb des Verbreitungsgebietes sicher noch Neufunde zu erwarten sind, so dass sich in Zukunft u.U. Änderungen in der Häufigkeits- und Gefähr- dungseinschätzung der Art ergeben könnten. Auch durch Neufunde in China könnte sich die Gefährdungs- und Verantwortungseinschätzung