Schubert-Handbuch

Ungekürzte Sonderausgabe

Bearbeitet von Walther Dürr, Andreas Krause

1. Auflage 2007. Taschenbuch. X, 681 S. Paperback ISBN 978 3 476 02067 3 Format (B x L): 17 x 24 cm Gewicht: 1392 g

Zu Inhaltsverzeichnis

schnell und portofrei erhältlich bei

Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

XI

Vorwort

Gedenkjahre markieren Positionen: Das kon- tet. Der ein Jahr darauf erschienene Kongreß- zentrierte Interesse an einem Autor, an einem Bericht zieht gewissermaßen das Resümee der Ereignis verdeutlicht, wie Perspektiven und In- bis dahin geleisteten Arbeit. Das spiegelt sich teressen sich ändern und in welcher Weise die- bereits auf der dem Bericht vorangestellten se mit historischen Prozessen unmittelbar zu- Photographie: Sie zeigt Eusebius Mandyczews- sammenhängen. 1897, zu Schuberts 100. Ge- ki, den Redakteur der Alten Gesamtausgabe. burtstag, war die erste Schubert-Gesamtaus- Was zu tun war, schien weitgehend getan. Zu- gabe abgeschlossen. Sie war von Johannes gleich war auch eine musikgeschichtliche Epo- Brahms begründet worden und dokumentiert che zu Ende gegangen: Die Musik der Spätro- noch heute den unmittelbaren Rezeptionszu- mantik, die sich auf Schubert noch direkt be- sammenhang des Schubertschen Werkes: Schu- rief, war 1928 nicht mehr zeitgemäß. Und wie bert – Schumann – Brahms. Kreißles Schu- im Reflex wandte sich auch die Forschung an- bert-Biographie (1865) lag damals seit gut drei- deren Themen zu, der in einem ganz neuen ßig Jahren vor, eine Biographie, die sich noch Sinne wiederentdeckten »Alten Musik«. Natür- weitgehend auf Zeitzeugen stützen konnte (und lich erschienen weiterhin vereinzelte Studien die daher heute gleichsam den Wert einer zu Schubert (Edith Schnappers Untersuchun- Primärquelle hat). Gustav Nottebohms Thema- gen zum frühen Schubert-Lied, 1937); es ist tisches Verzeichniss war kurz vor Beginn der aber doch wohl bezeichnend, daß es Otto Erich Arbeiten an der Gesamtausgabe erschienen und Deutsch in den Jahren bis 1938, bis zu seiner sicherte den maßgeblichen Bestand (unter weit- Emigration nach England nicht gelang, seine gehendem Verzicht auf damals noch unveröf- Dokumentensammlung, wie bereits 1913 ge- fentlichte Kompositionen). Die »Schubert-For- plant, weiterzuführen, obwohl doch das Manu- schung« im engeren Sinne war (trotz einiger skript zu den »Erinnerungen der Freunde« da- Spezialuntersuchungen, die vornehmlich den mals bereits weitgehend fertiggestellt war. Erst Liedern galten) primär biographisch orientiert. nach dem Zweiten Weltkrieg erschien in Eng- Man sammelte Quellen zur Lebensgeschichte, land sein Thematic Catalogue (1951), die »Er- kulminierend in Otto Erich Deutschs 1913/14 innerungen« folgten wenige Jahre später, zeit- zuerst erschienener Sammlung von Bild- und gleich in deutscher und englischer Sprache Textdokumenten, die in der Folge zu einem (1957). Aufbauend auf seinen Dokumenten- neuen literarischen Typus führte, der Doku- sammlungen kamen schließlich auch neue Bio- mentarbiographie. Damit allerdings verschob graphien heraus (Goldschmidt 1954; Brown sich bereits die Perspektive: Die Biographie 1957, 1969 in deutscher Sprache). Eine breite, galt, gegen Ende dieser ersten Epoche, nicht über das Biographische hinausgehende Schu- mehr einem zu früh verstorbenen Zeitgenos- bert-Forschung aber entwickelte sich erst lang- sen, sie führte historisch-kritische Methoden sam. Das waren einerseits grundlegende »Stu- ins Feld und dokumentierte damit den neu dien zu Schuberts Rhythmik« (Feil 1966), spe- empfundenen Abstand. ziell im Lied (Georgiades 1967), das waren 1928, zu Schuberts 100. Todestag, wurde andererseits aber auch Quellenstudien, ange- in Wien der erste Schubert-Kongreß veranstal- regt durch den Beginn der Arbeiten an der XII Vorwort

Neuen Schubert-Ausgabe (1965). Inzwischen das vorliegende Handbuch dienen, das sich da- allerdings war für die »neue Musik« die Ro- mit freilich nicht nur an den Forscher wendet, mantik, nun als historische Epoche, ins Blick- sondern zugleich und ebensosehr an den Musi- feld gerückt, als eine Epoche, derer man sich ker und den gebildeten Musikfreund. wieder versichern mußte. So kam es beispiels- Der doppelten Zielsetzung sind die Beiträ- weise 1974, ohne äußeren Anlaß, zu einem ge der einzelnen Autoren verpflichtet: Sie ver- zweiten Schubert-Kongreß, der sich speziell zeichnen Fakten (wenn möglich in Tabellen- Fragen der Aufführungspraxis zuwandte. Im- form oder Übersichtstafeln), beschreiben gesi- mer zahlreichere Einzelstudien beschäftigten cherte Forschungsergebnisse, diskutieren aber sich mit bisher vernachlässigten Bereichen des auch Problemfelder und versuchen Lösungs- Schubertschen Werkes (insbesondere mit der möglichkeiten zu offerieren. Von daher sind Kirchen- und mit der Bühnenmusik). sie naturgemäß sehr unterschiedlich angelegt; Das Gedenkjahr 1978 und der damit ver- sie stellen entweder einzelne Werke in den bundene dritte Schubert-Kongreß gaben dann Vordergrund (insbesondere in den Kapiteln zu das Startsignal für umfangreiche neue Recher- den repräsentativen Werken wie den Sinfonien chen. Noch im Vorwort der zwar erst 1982 und Opern), oder sie gehen von übergeordne- erschienenen, aber bereits für 1978 gesammel- ten Gesichtspunkten aus und behandeln einzel- ten Schubert Studies hieß es, im Vergleich zur ne Werke eher exemplarisch (wie das Kapitel Literatur über Mozart und Beethoven sei die zu zu den mehrstimmigen Gesängen, aber auch den beiden anderen großen Meistern, Haydn das zur Kirchenmusik). Den Zugang zum ein- und Schubert, »still comparatively limited« zelnen Werk findet man dann eher über das (S. IX). Seither aber erschienen auf allen Ge- Register. bieten der Schubert-Forschung Arbeiten mit Dabei sollten die unterschiedlichen Ansätze dem Ziel, festgelegte Positionen in Frage zu der einzelnen Autoren auch deutlich werden. stellen, insbesondere solche, die in unmittelba- (Partielle) Widersprüche zwischen den einzel- rem Zusammenhang mit der Zielsetzung der nen Autoren, aus denen etwa die mögliche ersten Arbeiten im 19. Jahrhundert stehen, Interpretationsbreite abzulesen ist, durften nämlich: einen Traditionszusammenhang Beet- nicht zugedeckt werden; Thesen (und die dazu- hoven – Schubert zu begründen (der dann das gehörigen Belege) mußten gelegentlich auch eigene Werk oder das der Zeitgenossen legiti- wiederholt werden, wenn es nur dadurch mög- miert). Es galt, weiter auszugreifen. In der lich war, eine Ereignisfolge oder eine Argu- Biographik richtete man den Blick stärker auf mentationskette im Zusammenhang darzustel- das Schubertsche Umfeld, suchte sozial- und len, ohne auf lästige Querverweise ausweichen mentalitätsgeschichtliche Aspekte zu berück- zu müssen. Schuberts »Religiosität« ist daher sichtigen; in Studien zu Schuberts Instrumen- sowohl im biographischen Kapitel behandelt talmusik ging es nicht mehr um die Nachfolge wie in dem zur Kirchenmusik (und nicht völlig Beethovens (an dem sie zu messen war), Schu- deckungsgleich); Fragen der Rezeptionsge- bert war einfach sein Zeitgenosse, vielleicht schichte werden in dem ihnen vorbehaltenen auch Rivale, mit eigenen Zielsetzungen. Seine allgemeinen Kapitel in den grundsätzlichen Li- Bühnenwerke wiederum galten nun nicht nur nien dargestellt, jedoch auch in fast allen fol- als im ganzen enttäuschende Vorstadien zu genden Kapiteln wieder aufgegriffen. Selbst Wagners Musikdrama, sondern als eigenstän- der Umfang eines Beitrags resultiert nicht nur dige Leistungen im Kontext der deutschen ro- aus dem Gewicht, das ein bestimmter Themen- mantischen Oper. kreis im Zusammenhang des Ganzen besitzt, sondern auch aus unterschiedlichen Darstel- * lungsweisen der Autoren, aus der persönlichen Art, Detailbeobachtungen für das Ganze nutz- Schuberts 200. Geburtstag bietet nunmehr den bar zu machen. Anlaß, einerseits das Geleistete zusammenzu- fassen, zu referieren, andererseits aber auch daraus Folgerungen zu ziehen und Wege zu * weisen für die künftige Forschung. Dem soll Vorwort XIII

Das Handbuch gliedert sich in zwei Hauptteile, und Verlag für Werk und Leben eines Kompo- die Vokal- und die Instrumentalmusik umfas- nisten, der keineswegs – wie es ein noch heute send, und einen ihnen vorangestellten allge- gepflegtes Vorurteil will – ein Meister des meinen Abschnitt, der sich mit Leben und Privaten war, ein Musiker der »Unöffentlich- Nachleben des Komponisten beschäftigt (so- keit«, der vielmehr erstaunlichen Erfolg hatte fern man »Kompositionsverfahren« und »Auf- (wenn auch nicht in allen musikalischen Berei- führungspraxis« als Teil der Biographie bzw. chen), der auch von seinen Verlegern keines- der Rezeptionsgeschichte ansieht). Von der wegs ausgenützt wurde – wie ein beliebtes Biographie allerdings sollte man nicht eine neu- Klischee es für jeden Autor gleichsam voraus- erliche, chronologisch disponierte Nacherzäh- setzt –, der vielmehr mit Selbstbewußtsein und lung des Lebenslaufes erwarten. Soweit ein großem Anspruch mit ihnen verhandelte (wenn- Handbuch Daten bringen muß, die man auch gleich natürlich mit unterschiedlichen Ergeb- größeren Lexika und Enzyklopädien entneh- nissen). men kann, sind sie in Zeittafeln zusammenge- Es hat sich gezeigt, das wird in den beiden stellt, die ihrerseits drei biographischen Haupt- folgenden Kapiteln ausgeführt, daß Überlegun- abschnitten zugeordnet sind: Sie sollen in die- gen zur Aufführungspraxis kaum zu trennen sen, systematisch gegliederten Unterkapiteln sind von Untersuchungen der Schubertschen die chronologische Orientierung erleichtern. Notationsweise und diese wieder kaum von sol- Die Unterkapitel selbst wiederum beschreiben chen der Kompositionsverfahren: Schuberts die in der biographischen Forschung im weite- Bezeichnungsweise (insbesondere im Bereich ren Sinne zur Zeit zentralen Problemkreise. von Artikulation und Dynamik) ist vielfach un- 1. Es geht dabei zunächst um die bis heute mittelbare Folge seiner Eigenart, Kompositio- weitgehend unterschätzte Prägung des Kompo- nen zu entwerfen und auszuführen. Zahlreiche, nisten durch das Elternhaus und das pädagogi- immer wieder umstrittene Fragen zur Ausfüh- sche »Milieu« (Vater Schubert war ja beileibe rung seiner Werke finden von daher eine Ant- kein einfacher »Schulmeister«; er und minde- wort (Artikulation und Dynamik gehören weit- stens ebenso Schuberts Lieblingsbruder Ferdi- gehend in den Bereich der »Ausarbeitung«, nand standen in unmittelbarem Kontakt zu den nicht der »Komposition« im engeren Sinne, bestimmenden pädagogischen Reformbestrebun- manches aber, etwa die Grunddynamik, auch gen der Zeit – und dies war nicht ohne Rück- plötzliche dynamische Einbrüche und wichtige wirkungen auf Schuberts Werk); dann um den Akzente sind Teil des Kompositionsprozesses). Gang seiner ebenfalls noch immer vernachläs- Schuberts Schreibweise kann auch Aufschluß sigten, obwohl intensiven musikalischen Aus- geben zu viel diskutierten Fragen wie der An- bildung, insbesondere bei ; und gleichung von punktierten Figuren an Triolen – schließlich um seine musikalischen Vorbilder hier allerdings sind die in der zeitgenössischen (beides zusammengenommen erlaubt es erst, Musiklehre überlieferten »Spielregeln« zu- den Prozeß der Entwicklung einer eigenständig gleich zu Rate zu ziehen. Letzteres gilt natür- Schubertschen Musiksprache zu beschreiben). lich in noch höherem Maße für die Ausführung 2. Entscheidend für Leben und Werk war von Verzierungen und Spielmanieren, die auch der Einfluß der verschiedenen Freundeskreise in Schuberts Musik in vielen Fällen noch gar um Schubert, der Dichter, der Maler und der nicht notiert sind. Musiker, der einstigen Schulfreunde und der Das allerdings ist bereits ein Teilgebiet der Kunstfreunde – erst seit kurzem hat man er- Werkrezeption: Inwieweit Nichtnotiertes, aber kannt, daß es verschiedene, zum Teil auch von den Zeitgenossen Schuberts selbstver- rivalisierende Kreise waren, mit unterschiedli- ständlich Vorausgesetztes zum Werk unmittel- chen politischen und ästhetischen Grund- bar hinzugehört, ist eine Frage der Interpreta- anschauungen, für die Schubert auch nicht im tion und der unterschiedlichen Traditionen im Mittelpunkt stand, selbst wenn man wußte und Werkverständnis. So stoßen etwa Schuberts schätzte, daß er unter ihnen der erfolgreichste Lieder in Norddeutschland auf größere Barrie- war. ren als im Süden (ihrer Rezeption stand eine 3. Betont wird die Bedeutung der »musikali- fest gefügte Liedtheorie, die man gemeinhin schen Institutionen«, von Bühne, Konzertsaal den Berliner Liederschulen zuordnet, die man XIV Vorwort aber mit Heinrich W. Schwab besser als »Lied- torin des Kapitels stand also vor der Aufgabe, ästhetik der mittleren Goethezeit« beschreibt, zwei Aspekte immer zugleich im Auge behal- im Wege), während Schuberts in Wien eher ten zu müssen: den Textbezug und die Chrono- skeptisch aufgenommene Instrumentalwerke in logie. Beides zeigt sich bereits in der den den führenden Leipziger Musikzeitschriften Werkanalysen vorangestellten grundsätzlichen (der Allgemeinen musikalischen Zeitung und Einführung: Darin werden zunächst wohl der Neuen Zeitschrift für Musik) zuerst gefeiert »satztechnische Charakteristika der Schubert- und – das war dann folgenreich für die Lieder« zusammengetragen, dann aber be- Rezeptionsgeschichte bis heute – denen Beet- schäftigt sich ein eigener Abschnitt nicht nur hovens an die Seite gestellt wurden. Auf eine mit den Kriterien der Textwahl, sondern auch zusammenhängende Darstellung der Rezeption mit inhaltlichen Konstanten, so mit dem »The- des Schubertschen Werkes in unserem Jahr- ma >Tod< in Schuberts Liedern«. Die folgen- hundert wurde verzichtet: Im Hinblick auf die den Werkanalysen von über 120 Liedern und einzelnen Gattungen ist dies teilweise Gegen- Gesängen versuchen beides zu berücksichti- stand der Forschungsdiskussion in den entspre- gen: Sie fassen Lieder eines Textdichters zu- chenden Kapiteln dieses Buches. An ihre Stelle sammen, »Matthisson-Vertonungen«, »Novalis- tritt eine Art Wirkungsgeschichte im zeitgenös- Vertonungen« oder »Heine-Lieder«, ordnen die sischen Musikschaffen, das kurz skizziert und einzelnen Gruppen aber in chronologischer nach bestimmten Kategorien in Werküber- Folge. Da Schuberts Textwahl durchaus auch sichten verzeichnet ist (Transkriptionen, Varia- Änderungen seiner ästhetischen und literari- tionen, Hommage-Kompositionen). Bereits die schen Grundpositionen reflektiert, den Weg Statistik bestätigt die hier eingangs postulierte von den zu seiner Zeit bereits gleichsam kano- Parallelität der Entwicklung der spezifischen nisierten Dichtern der Empfindsamkeit über Schubert-Forschung mit dem Echo auf Schu- die utopische Suche nach der »blauen Blume« berts Werk in der zeitgenössischen Musik. der Romantik bis hin zum Skeptizismus der Postromantik, vermittelt dieses Konzept eine * klare Vorstellung von den Entwicklungslinien in Schuberts Liedstil. Angesichts mancher Der erste Hauptteil dieses Buches, der Vokal- Konstanten allerdings stößt es auch an seine musik gewidmet, beginnt mit dem Lied, der Grenzen: Schubert hat Gedichte von Goethe, (was die Zahl der Einzelwerke angeht) um- Schiller, Mayrhofer fast sein ganzes Leben fangreichsten Gattung in Schuberts Œuvre. hindurch in Musik gesetzt. Da hilft dann nur Wenn Schubert, wie sein Freund Johann Chri- die mehrfache Rückkehr zum selben Dichter sostomus Senn berichtet, in einem »Kreis von (wie etwa für Goethe) oder die Durchbrechung jungen Literaten, Dichtern, Künstlern und Ge- der Chronologie im Sinne eines Vorgriffs (wie bildeten überhaupt« lebte (Erinn. 289), dann etwa für Mayrhofer). Deutlich wird dabei dokumentiert das Lied als eine Art literarisch- einerseits, daß Entwicklungen eben nicht ge- musikalischer Symbiose auch diesen für Schu- radlinig verlaufen, andererseits aber auch, daß bert entscheidenden Lebenszusammenhang. jeder Versuch einer konsequenten inhaltlichen Welche musikalischen Parameter man für ana- Systematisierung zum Scheitern verurteilt ist. lytische Überlegungen auch bevorzugt – Melo- Von Schuberts Solo-Liedern unterscheiden diebildung und Deklamation wie in der her- sich seine mehrstimmigen Gesänge (das sind kömmlichen Liedgeschichte, Rhythmik und Terzette, Quartette, Quintette, im allgemeinen Satztechnik wie bei Georgiades, oder Harmo- jedoch keine Chöre) grundsätzlich – obwohl nik und Modulationsverläufe wie hier (das diese im Sinne der zeitgenössischen »Lieder- schließt die übrigen natürlich keineswegs aus, tafeln« doch ebenso zu den Liedern zählen die Entscheidung für einen übergeordneten Ge- (dort sang man ein- und mehrstimmige Lieder sichtspunkt ist methodisch jedoch unabding- gern in gleicher Weise chorisch). Das zeigt bar) – um den Bezug zum Wort, um die sich bereits wieder in der Textwahl. Nur in der »Sprachvertonung« geht es allemal. Zugleich Frühzeit bis etwa 1816, als Schubert im Solo- aber geht es auch um die Entwicklung von Lied mit Vorliebe Texte von Matthisson, Schuberts charakteristischem Liedstil. Die Au- Hölty, Kosegarten und Salis-Seewis vertonte, Vorwort XV decken sich die Vorlagen (ein Indiz dafür, daß überhaupt gelten kann: das der unbedingten auch das frühe Solo-Lied der »Liedertafel« Friedensliebe, der Verachtung alles Heldischen nicht völlig ferne steht). Im folgenden aber um seiner selbst willen (man bedenke, daß der kann (von wenigen Ausnahmen wie Goethes Komponist im Zeichen der napoleonischen Gesang der Geister über den Wassern abgese- Kriege aufgewachsen ist). Im vierjährigen Po- hen) nicht die Rede davon sein, daß Schuberts sten ruft – unter Anspielung auf Jesaja 2,4 – Textwahl für die »mehrstimmigen Gesänge« ein Deserteur dazu auf, »statt dem Schwert den ähnlich inhaltlich determiniert sei wie für die Pflug« zu nehmen, in Die Verschworenen re- Solo-Lieder. Das hängt offenbar mit deren bellieren die Frauen gegen die kriegführenden Funktion zusammen. Es handelt sich bei ihnen Ritter, und die Titelfigur in Fierabras mag als anfangs vornehmlich um Studien im Vokalsatz Symbolfigur für alle gelten, die durch Verzicht (die Terzette von 1813), geschrieben wohl und Selbstaufopferung Frieden stiften. (Das auch für gemeinsame Sing-Übungen im Schü- Thema spielt natürlich auch im Lied eine wich- ler-Kreis um Antonio Salieri, später aber meist tige Rolle – man denke nur an das anakreon- um Kompositionen, die zur Abrundung be- tische An die Leier, D 737, in dem der Sänger stimmter, halböffentlicher Konzertprogramme die Helden beschwören möchte, seine Saiten dienten (etwa den »Abendunterhaltungen« der aber immer nur »Liebe im Erklingen« tönen – Gesellschaft der Musikfreunde in Wien), aber man denke aber auch an die verzweifelten auch um »Rollenkompositionen« (in denen jede Friedensrufe in den »Dona nobis pacem«-Sät- einzelne Stimme einer bestimmten Person, ei- zen seiner Messen.) ner »Rolle« zugeordnet ist) und um »Kasual- Das Kapitel über Schuberts Kirchenmusik musiken«, Auftragsarbeiten im engeren Sinne. stellt naturgemäß die Messen, insbesondere die Anders als die Mehrzahl der Solo-Lieder sind drei »missae solemnes« in den Vordergrund, diese Gesänge also mit konkreter Zweckbe- bezieht aber in die systematisch angelegte Dar- stimmung geschrieben, diese entscheidet über stellung nicht nur die kleineren Kirchenkompo- die Textwahl, die Setzart und die Form. sitionen mit ein (darunter die zahlreichen »Tan- Verweisen Lieder und mehrstimmige Ge- tum ergo«- und »Salve Regina«-Vertonungen), sänge auf den Bereich der »kleinen Formen«, sondern auch oratorisch angelegte Werke wie auf die man (und gerade auch die Mehrzahl der das deutsche Stabat mater (D 383) und den Freunde) Schubert frühzeitig festzulegen such- Lazarus (D 689), der – als Bühnenwerk in te, so gehören Oper und Messe zu jenen gro- anderer Perspektive – auch im vorangehenden ßen, repräsentativen Gattungen, in denen ein Kapitel bereits behandelt ist. Diese beiden Komponist sich auszuweisen hatte, in die auch Kompositionen, in denen dezidiert protestanti- Schubert von Anfang an seinen Ehrgeiz setzte. sche Dichtung (Klopstock und August Her- Mit beiden drängte er von Anfang an in die mann Niemeyer) vertont ist, scheinen in deutli- Öffentlichkeit. In seiner großen F-Dur-Messe cher Opposition zu den liturgisch gebundenen von 1814 gelang ihm das auch frühzeitig (er- Kompositionen zu stehen. Eine Brücke, so klärlich aufgrund der institutionellen Bindun- zeigt die Autorin, läßt sich jedoch schlagen gen seiner Familie an die Kirche), aber auch über den josefinischen Reformkatholizismus, die Bühne – genauer: das damals in Wien so dem Schubert und, vermittelt durch seine päd- beliebte Sing- und Zauberspiel – öffnete sich agogischen Aspekte, vielleicht auch seine Fa- ihm bald. Daß Schuberts Liebe zum Theater milie offenbar nahestehen. Und wie hier Per- dann doch »glücklos« war, liegt vermutlich an sönliches (Schuberts eigene Religiosität) und seinen auf die große romantische Oper gerich- Institutionelles (Kirche und Liturgie) sich teten Ambitionen, an seiner Neigung zum durchdringen, so verbinden sich in seinen Mes- »Ideendrama«, die sich bereits in seinen Sing- sen hergebrachte Techniken und Figuren (»stile spielen manifestiert: So weitet sich das parodi- antico«, Satzdispositionen) mit persönlichen stische Spiel um Des Teufels Lustschloß zum Topoi (»Sanctus-Topos«, »Dona nobis pacem- Hohen Lied der Gattentreue (und nimmt dabei Formulierungen«) und satztechnischen Experi- Züge der großen Oper an), so ist in Der vier- menten, die auch die ausgedehnten Fugen nicht jährige Posten bereits jenes Thema präsent, ausnehmen. das als eine Konstante in Schuberts Schaffen Der zweite Hauptteil zur Instrumentalmusik XVI Vorwort gliedert sich in Klaviermusik (mit einem eigen- tierung in der gehobenen Instrumentalmusik ständigen Kapitel über die Tänze und Mär- steht im Wechselspiel mit ihrer in den ver- sche), Kammermusik, kleinere Orchesterwerke schiedenen Tanzformen differenzierbaren und Sinfonien. Bereits ein Blick auf die Chro- Funktion als Gesellschaftsmusik. nologie der Werke vermag die Besonderheit Unter dem gemeinsamen Oberbegriff Kam- der Entwicklung Schuberts als Instrumental- mermusik verstecken sich Werke höchst unter- komponist zu zeigen. Wie selbstverständlich schiedlicher Ambition und Besetzung. Klavier- komponiert er von Beginn an Großformen für begleitete Duos bis hin zum Nonett für Bläser große Besetzungen: Sinfonien, Streichquartette (D 79) umrahmen so bekannte Werke wie das und Klaviermusik zu vier Händen – er schreibt »Forellenquintett« und die beiden großen Kla- nicht für sich, sondern für andere, auch dies viertrios, auch die Sphäre virtuoser Auftrags- von Beginn an. Als Interpret eigener Werke musik wird gestreift. Besprechungen dieser tritt er so in den Hintergrund: Er ist Lied- Werke sind immer wieder in den weitgehend begleiter, Mitspieler beim vierhändigen Spiel, chronologischen Ablauf des Kapitels einge- in der Orchestermusik selten Dirigent, sondern streut. Der durch Anzahl der Werke, (verhält- Violinist und Bratschist. Daß es tatsächlich nismäßige) Kontinuität der Produktion und Ge- technische Schwierigkeiten waren – wie vom wicht der Opera sicherlich zentrale Bestand ist Vortrag der »Wandererfantasie« kolportiert –, jedoch die Streicherkammermusik: das Streich- mag dahingestellt bleiben, der Unterschied vor trio, das Streichquintett, insbesondere aber das allem zu Beethoven, der seine kompositorische Streichquartett. Vor allem an dieser Gattung ist Laufbahn zunächst als Pianist eigener Werke die bereits bei Haydn, vollends dann aber bei absicherte und so eine Konstante für Kom- Beethoven einsetzende Aufspaltung der »Kam- ponistenbiographien des 19. Jahrhunderts be- mermusik« in eine populäre und spielbare gründete, liegt jedoch auf der Hand. In Schu- Musik für ausführende Liebhaber einerseits berts Œuvre fehlt daher eine für Mozart und und die nun eine Trennung in Publikum und Beethoven ebenfalls zentrale Gattung ganz: das Konzertmusiker voraussetzende Konzertmu- Solo-Konzert. Ablesbar ist dafür die Wandlung sik ablesbar: Die Kommunikationsebene ver- dessen, was Schubert als »Öffentlichkeit«, als schiebt sich vom Gespräch zur Akklamation. Publikum seiner Werke erlebte: Seine Instru- Die Komposition für einen zunächst nur mentalmusik zeichnet die auch allgemein kleinen Kreis der Ausführenden mag die unge- musiksoziologische Entwicklung der Bieder- wöhnliche Experimentierfreude gerade der frü- meierzeit vom bürgerlichen Salon hin zum öf- hen Streichquartette erklären, oft kann es nur fentlichen Konzertleben nach, mit den dann der Deutung überlassen werden, ob unter- ganz anderen ästhetischen, in der Veränderung schiedliche Stilebenen lediglich »eklektizi- des Raumgefühls aber auch kompositionstech- stisch« oder aber »pluralistisch« und geistvoll nischen Ansprüchen. zu einem Werk zusammengefügt werden. Be- Im Rahmen des Frühwerks kann die Kla- reits die Komposition der Ersten Sinfonie im viermusik durchaus als vernachlässigte Gattung Jahre 1813 und der Austritt aus dem Konvikt, bezeichnet werden. Im Gegensatz zu Kammer- vollends der wohl ab 1822 mit Entschiedenheit musik und Sinfonik bleiben zahlreiche Werke gesuchte »Weg in die Öffentlichkeit« führen fragmentarisch, signifikant erscheint überhaupt dann zur Ausprägung des eigentlichen Perso- nur das »Klaviersonatenjahr 1817«. Mit der nalstils, zunächst in einer vorsichtig »klassizi- 1822 komponierten »Wandererfantasie«, einem stisch« zu bezeichnenden »Frühen Eigenstän- dann auch sogleich publizierten Auftragswerk, digkeit 1813-1817«, dann ab 1824 im alle ändert sich dieses Bild. Die dann recht ge- Sonatenwerke von der Klaviermusik bis zur schlossene Folge gewichtiger Werke ermög- Sinfonik erfassenden »Neuen Gattungsstil«. licht sogar ein besonders genaues Studium der Das Kapitel Kleinere Orchesterwerke ist – formalen wie poetischen Konzeptionen. Schu- sieht man von dem Konzertstück in D-Dur für berts Tänze und Märsche für Klavier (auch Violine und Orchester ab – ganz der heute einige Kompositionen für Streichquartett sind außerhalb ihrer Einbindung in Bühnenwerke erhalten) vermögen hier zwischen Kunstmusik fast in Vergessenheit geratenen Ouvertüre ge- und Lebenswelt zu vermitteln, ihre Nobili- widmet. Als eigenständige Orchesterwerke Vorwort XVII komponiert bis 1819, erhöht sich der Bestand keit kann noch den Spielern überlassen, kein mit den bis 1823 entstehenden Ouvertüren zu modulatorischer Gang ohne seine instrumen- Bühnenwerken dann auf immerhin 20 Werke. tationstechnischen Konsequenzen entwickelt Neben der (noch) größeren, hier auch gattungs- werden. Kaum verwunderlich, daß die soge- bedingten Freiheit in der Behandlung der nannten »Jahre der Krise 1818-1823« sich Sonatenform zeichnen sie sich durch instru- vor allem in einer Krise der Sinfonik und mentationstechnische Experimente aus, z.B. ihrer Fragmente äußern, bevor dann doch der verwendet Schubert die hier von Anfang an Durchbruch gelingt und ein weiterer Ausgriff genutzten Posaunen in den Sinfonien erst ab noch gewagt wird. 1820. Das in den Kapiteln über die Klavier- und Das »Streben nach dem Höchsten in der Kammermusik als »Wegbahnung« entwickelte Kunst« war für Schubert in der Instrumental- kompositorische Gerüst ist daher in den um- musik allerdings ganz selbstverständlich ein fangreichen Einzelanalysen der Sinfonien »Weg zur großen Sinfonie«. Gerade an diesen nochmals detailliert nachvollziehbar, sei es schon im Frühwerk gewissermaßen »mono- etwa der Gegensatz zwischen dem »Kammer- lithischen« Werken kann aber die Wandlung stil« und dem »monumental-erhabenen« Stil, dieses schillernden Begriffs »groß« studiert seien es die nun ausnotierten Balancierungen werden: Die heute gegenüber der späteren von Introduktion und Hauptsatz oder Einzel- »großen« C-Dur-Sinfonie (D 944) als die »klei- satz und Satzzyklus. Es scheint allerdings ne« bezeichnete Sechste Sinfonie (D 589) war auch, daß es die Sinfonik war, in der Schubert für Schubert im Kompositionsjahr 1817/18 ein weiteres, nicht ausschließlich ästhetisches selbstverständlich eine »große« Sinfonie. Als Erbe der Klassik überhaupt noch gestaltbar er- Werke eigenen Ranges werden daher die schien: das Jubilus-Finale der bis heute »gro- »Jugendsinfonien« vor dem Hintergrund der ßen« Sinfonie in C (D 944). Das »Höchste in Tradition der Wiener Klassik betrachtet, und der Kunst«: Ohne es selbst zu erleben, hat diese war für Schubert zu diesem Zeitpunkt Schubert es jedoch in der nachhaltigen Rezepti- vor allem durch Haydn und Mozart begründet, on einer anderen seiner Sinfonien erreicht – wohl stärker als Beethoven wirkt um 1817 »unvollendet« vollendet! selbst Rossini auf Schuberts Orchestermusik. »Und über allem eine Romantik ausgegos- sen«. Der Intention ungeachtet fordert die Sin- Tübingen und Mainz, Walther Dürr fonik kompositorische Eindeutigkeit: Kein qua- November 1996 Andreas Krause si improvvisato, keine metrische Mehrdeutig- XVIII Zum Gebruauch des Buches

Zum Gebrauch des Buches

Jedes einzelne Kapitel der beiden Hauptteile rungszeichen. Populäre, aber nicht auf Schu- »Vokalmusik« und »Instrumentalmusik« glie- bert zurückgehende Werktitel wie »Unvollen- dert sich in einen allgemeinen Teil und auf dete« oder »Schwanengesang« stehen kursiv einzelne Werke bezogene Analysen, die teils und in Anführungszeichen. Sekundärliteratur den vollständigen Werkbestand einer Gattung ist in Kurztiteln angegeben. Diese verweisen betreffen (in den Kapiteln zu den »Bühnen- auf die Literaturverzeichnisse am Ende der Ka- werken« und den »Sinfonien«) – teils auch nur pitel bzw. auf die hier im Anschluß gegebenen wenige Kompositionen exemplarisch bespre- Abkürzungsverzeichnisse. chen (in den Kapiteln zur »Kirchenmusik« und Die Literaturverzeichnisse führen sämtliche zu den »Tänzen und Märschen für Klavier«), Schriften auf, die im laufenden Text zitiert sind meist jedoch eine größere Anzahl signifikanter (soweit sie nicht, als »Standardwerke«, in den Werke im Zusammenhang darstellen (in den Abkürzungsverzeichnissen angegeben sind); übrigen Kapiteln). Im ganzen ist etwa ein Drit- darüber hinaus wird ausgewählte weiterführen- tel des Schubertschen Œuvres detailliert so de Literatur genannt, vorzugsweise solche, von dargestellt, daß der Benutzer den Text, d.h. der angenommen werden kann, daß sie dem die weit über 300 Einzelwerkbesprechungen, Benutzer auch ohne große Mühe zugänglich auch für sich, ohne den Kontext lesen und das ist. Um eine Überlastung der Literaturver- Handbuch so als eine Art »Konzertführer« nut- zeichnisse im Einleitungsteil zu vermeiden, zen kann. Grundsätzlich schließt jedes Kapitel sind die Titel in der Regel nur bei dem Unter- mit einem Literaturverzeichnis und einer kapitel genannt, in dem sie am häufigsten zi- Werkübersicht. tiert werden; man schlage daher gegebenenfalls Zur Erleichterung der Darstellung sind den auch in einem vorangehenden oder folgenden einzelnen Analysen nach Möglichkeit Noten- Verzeichnis nach. beispiele beigegeben. Diese wurden nach Mög- Die den einzelnen Kapiteln in der Regel lichkeit (sofern sie nicht neu angefertigt wer- (ausgenommen die zum »Lied« und zu den den mußten) den Bänden der Neuen Schubert- »mehrstimmigen Gesängen«) beigegebenen Ausgabe entnommen, gegebenenfalls aber auch »Werkübersichten« verzeichnen sämtliche der Alten Gesamtausgabe oder neueren Urtext- Kompositionen der entsprechenden Gattung ausgaben. Daher wechseln sie in der Typogra- mindestens mit der Deutsch-Nummer, dem phie, aber auch in der Formulierung der Instru- Werktitel und der Entstehungszeit. Zusätzliche mentenleisten. Um den Umfang des Buches Angaben (z.B. Aufführungsdaten) differieren nicht unnötig zu erweitern, wurde allerdings von Gattung zu Gattung. auf Notenbeispiele verzichtet, wenn angenom- Die Abkürzungsverzeichnisse geben in ei- men werden kann, daß dem Benutzer das ner ersten Liste Kurztitel für ältere Standard- Werk, für das er sich interessiert, ohnehin zur Literatur sowie für neuere, in verschiedenen Hand oder leicht zugänglich ist. Kapiteln häufig zitierte Schriften (die in den Werk- und Literaturtitel sind im laufenden Literaturverzeichnissen der einzelnen Kapitel Text kursiv gesetzt, Text-, auch Lied-Incipits dann entweder gar nicht oder wieder nur als hingegen wie Zitate gerade, aber in Anfüh- Kurztitel aufgeführt sind). In einer zweiten Li- Zum Gebrauch des Buches XIX ste findet man Sigel für Zeitschriftentitel so- Georgiades wie einige weitere, allgemein gebräuchliche Thrasybulos G. Georgiades, Schubert. Musik und Lyrik, Göttingen 1967 Abkürzungen. Goldschmidt Das Register am Ende des Buches führt Harry Goldschmidt, . Ein Lebens- Personen und Werktitel auf, und zwar unter bild, Leipzig 51964 und spätere Auflagen der Voraussetzung, daß sie im Text nicht nur Gülke genannt werden, sondern entweder Gegenstand Peter Gülke, Franz Schubert und seine Zeit, Laaber 1991 ausführlicher Darstellung oder in einem be- Heuberger stimmten Kontext wichtig sind. Werktitel wer- Richard Heuberger, Franz Schubert, Berlin 31920 den dort entsprechend dem im Deutsch-Ver- (revidiert von Hermann von der Pfordten) zeichnis (zweite Ausgabe = D2) gegebenen Jahre der Krise , Walther Dürr, Walburga Lit- Haupttitel aufgeführt (die sogenannte »Wande- schauer (Hrsg.), Franz Schubert. Jahre der Krise rerfantasie« also als Fantasie in C, D 760), 1818-1823. Bericht über das Symposion Kassel 30. Text-Incipits sind nicht verzeichnet, jedoch September bis 1. Oktober 1982, zum dem Titel beigegeben, wenn dies zur Identifi- 60. Geburtstag, Kassel etc. 1985 zierung eines Werkes wichtig ist. Klein Rudolf Klein, Schubertstätten, Wien 1972 Kgr.-Ber.1928 Bericht über den Internationalen Kongress für Schubertforschung Wien 25. bis 29. November 1928, Augsburg 1929 Kgr.-Ber.1978 Otto Brusatti (Hrsg.), Schubert-Kongreß Wien 1978, Bericht, Graz 1979 Kreißle Heinrich Kreißle von Hellborn, Franz Schubert, Wien 1865 Massin ABKÜRZUNGEN Brigitte Massin, Franz Schubert, Paris 1977 Musikführer Walther Dürr und Arnold Feil unter Mitarbeit von , Reclams Musikführer Franz Abgekürzte Buchtitel Schubert, Stuttgart 1991 Musik-Konzepte Aufführungspraxis Musik-Konzepte. Sonderband Franz Schubert, Mün- Roswitha Karpf (Hrsg.), Zur Aufführungspraxis der chen 1979 Werke Franz Schuberts, München-Salzburg 1981 (= Nottebohm Schriftenreihe des Instituts für Aufführungspraxis, , Thematisches Verzeichniss der hrsg. von Vera Schwarz, Band 4) im Druck erschienenen Werke von Franz Schubert, Brown, Biogr. Wien 1874 Maurice J. E. Brown, Schubert. Eine kritische Bio- Partsch graphie, Wiesbaden 1969 Erich Wolfgang Partsch (Hrsg.), Franz Schubert – Brown, Essays Der Fortschrittliche? Analysen – Perspektiven – Maurice J. E. Brown, Essays on Schubert, London Fakten, Tutzing1989 und New York 1966 Schubert-Studien Brusatti Franz Grasberger, Othmar Wessely (Hrsg.), Schu- Otto Brusatti (Hrsg.), Schubert im Wiener Vormärz, bert-Studien. Festgabe der Österreichischen Akade- Dokumente 1829-1848, Graz 1978 mie der Wissenschaften zum Schubert-Jahr 1978, Dahms Wien 1978 Walter Dahms, Franz Schubert, Berlin 1912 Schubert Studies Einstein Eva Badura-Skoda, Peter Branscombe (Hrsg.), Alfred Einstein, Schubert. Ein musikalisches Por- Schubert Studies. Problems of style and chronology, trait, Zürich 1952 Cambridge 1982 Ferd. Schubert Vetter Ferdinand Schubert, Aus Franz Schubert’s Leben, Walther Vetter, Der Klassiker Schubert, 2 Bände, in: Neue Zeitschrift für Musik 10 (1839), S. 129- Leipzig 1953 130, 133-134, 138-140, 142-143 Zeichen–Setzung Feil Walther Dürr, Zeichen-Setzung. Aufsätze zur musi- Arnold Feil, Studien zu Schuberts Rhythmik, Mün- kalischen Poetik, hrsg. von Werner Aderhold und chen 1966 Walburga Litschauer, Kassel etc. 1992 XX Abkürzungen

Abkürzungen (Sigel) hrsg., Hrsg. herausgegeben, Herausgeber JAMS AfMw Journal of the American Musicological Society Archiv für Musikwissenschaft Kgr.-Ber. AGA Kongreßbericht Franz Schubert’s Werke. Kritisch durchgesehene MGG1 Gesammtausgabe, Leipzig 1884-1897 (Alte Schu- Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 17 Bände, bert-Ausgabe) 1. Auflage, Kassel 1949ff. AmZ ML Allgemeine musikalische Zeitung Leipzig Music and Letters Brille MMR Schubert durch die Brille (Mitteilungen des Interna- The Monthly Musical Record tionalen Franz Schubert Instituts Wien) MQ BzMw The Musical Quarterly Beiträge zur Musikwissenschaft MR D The Music Review , Schubert. Thematic Catalogue mschr. of All His Works in Chronological Order, London maschinenschriftlich 1951 MT D2 The Musical Times Otto Erich Deutsch, Franz Schubert. Thematisches Mth Verzeichnis seiner Werke in chronologischer Folge, Musiktheorie Neuausgabe in deutscher Sprache bearbeitet und ND hrsg. von der Editionsleitung der Neuen Schubert- Nachdruck, Reprint Ausgabe und Werner Aderhold, Kassel etc. 1978 NGA (= NGA VIII,4) Franz Schubert. Neue Ausgabe Sämtlicher Werke, Dok. Kassel etc. 1964ff. (Neue Schubert-Ausgabe) Otto Erich Deutsch (Hrsg.), Schubert. Die Doku- NRMI mente seines Lebens, Kassel etc. 1964 (= NGA Nuova Rivista Musicale Italiana VIII,5) NZfM Dok.2 Neue Zeitschrift für Musik Till Gerrit Waidelich (Hrsg.), Franz Schubert. Do- ÖMZ kumente 1817-1830, Band 1, Texte nach gedruckten Österreichische Musikzeitschrift Quellen, Tutzing 1993 RIDM Erinn. Rivista Italiana di Musicologia Otto Erich Deutsch (Hrsg.), Schubert. Die Erinne- VfMw rungen seiner Freunde, Leipzig 1954 Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft Erinn.2 dasselbe, 21966 2 Schubert in seiner Welt

EINLEITUNG lichstes hervorbringt; eben so in dem großen vor- SCHUBERT – städtischen Theater an der Wien, wo noch die DAS »KIND DER GROSSSTADT« großen romantischen Zauberopern mit vorzügli- cher Pracht gegeben werden […] Zwei kleinere Die Kaiserstadt Wien um 1810: Das ist die Theater in der Leopoldstadt und Josephstadt ge- größte unter den deutschsprachigen Städten mit ben Volksschauspiele von der lustigsten Art. Alle etwa 250000 Einwohnern – die Vorstädte ein- diese Theater geben an allen den Tagen, an wel- gerechnet, die von der noch immer mit einer chen kein Schauspiel Statt hat, große Konzerte Mauer umgebenen Innenstadt nach allen Rich- und Musikaufführungen der wichtigsten alten und tungen ausstrahlen. Der Glanz und die Traditi- neuen Kirchen- und Konzert-Musiken. Außerdem on dieser Stadt sind auch nach der Auflösung werden den ganzen Winter hindurch häufig öf- des Heiligen Römischen Reiches deutscher Na- fentliche Konzerte von fremden und einheimischen tion ungebrochen – selbst Besuchern aus der Musikern gegeben [sogenannte »Privat-Konzerte«]. aufstrebenden Rivalin, dem der Einwohnerzahl Feine Quartette und Liebhaberkonzerte werden auf nach nur wenig kleineren Berlin, gilt sie weiter Abonnement den ganzen Winter hindurch gehal- als die heimliche Kapitale. Mit Begeisterung ten« (S. 141f.). schildert Johann Friedrich Reichardt in den Ver- In dieser Stadt ist Franz Schubert aufge- trauten Briefen von seiner zweiten Wien-Reise wachsen. Er gilt unter den großen deutschspra- (1808-1809) die Stadt: Sie »ist gewiß für Jeden, chigen Komponisten als das erste »Kind der der des frohen Lebensgenusses fähig ist, und Großstadt«. Dabei ist »Großstadt« in einem besonders für den Künstler, vielleicht auch ganz durchaus modernen Sinne verstanden: Der Be- besonders für den Tonkünstler, der angenehm- griff impliziert auf der einen Seite Naturferne, ste, reichste und frohste Aufenthalt in Europa. die sich auch in einer Art »Sehnsucht nach der Wien hat Alles, was eine große Residenzstadt Natur« aussprechen kann, in einem Bedürfnis, bezeichnet, in einem ganz vorzüglich hohen Natur in gewisser Weise zu vermenschlichen, Grade. Es hat einen großen, reichen, gebilde- sie – wie ganz manifest in der – als ten, kunstliebenden, gastfreien und gesitteten, Abbild des Menschen, seiner Nöte, auch nur feinen Adel; es hat einen reichen, geselligen, seiner Launen und Stimmungen zu verstehen. gastfreien Mittel- und Bürgerstand, dem es eben Auf der anderen Seite zielt der Begriff aber so wenig an gebildeten und wohlunterrichteten auch auf das Bewußtsein, als Individuum einer Männern und liebenswürdigen Familien fehlt; »Masse« zuzugehören, die nicht mehr »stän- es hat ein wohlhabendes, gutmüthiges, lustiges disch« gegliedert ist, d.h. einer Gesellschaft, in Volk« (II, S. 138f.). Dem ein kargeres Leben der das Individuum sich nicht durch Geburt und gewöhnten Preußen imponiert der Reichtum der Herkommen, vielmehr jeweils neu durch Beruf Stadt (der in Wahrheit infolge der napoleoni- und eigene schöpferische Tätigkeit, durch seine schen Kriege und eines damit verbundenen Wäh- wechselnden, nicht mehr festen sozialen Bin- rungsverfalls bereits deutlich gelitten hatte); er dungen definiert. »Ich bin ein Künstler, ich! Ich ist beeindruckt von der Zahl der Fuhrwerke, bin Schubert, Franz Schubert, den alle Welt der Durchsetzungskraft der Polizei, der es ge- kennt und nennt! Der Großes gemacht hat und lingt »die vollkommenste Ruhe und Ordnung in Schönes, das ihr gar nicht begreift!« So soll der Stadt und in den Vorstädten« zu halten Schubert sich nach einem Bericht seines Freun- (S. 140), den musterhaften »Kranken- und Hei- des Eduard von Bauernfeld an Orchestermit- lungsanstalten«, der Ausstattung der Märkte und glieder der Hofoper gewandt haben (Erinn. 197) der Geschäfte und – natürlich – dem reichen – und wenn auch der beliebte Lustspieldichter Theater- und Konzertleben: die Begebenheit poetisch ausgeschmückt haben »In der Stadt und den Vorstädten spielen das mag, so zeichnet er doch gerade dadurch das ganze Jahr fünf Theater von der verschiedensten Bild, das er von seinem Freunde bewahrt hat. Art. Auf den beiden Hoftheatern [dem Burg- und Und es entspricht ähnlichen Bemerkungen und dem Kärntnertortheater] in der Stadt selbst sieht Beobachtungen, die von anderer Seite überlie- man Alles von großen und komischen Opern, von fert sind: »Mich soll der Staat erhalten, ich bin Lust- und Trauerspielen, was Deutschland, und zu nichts als zum Komponieren auf die Welt zum Theil auch Italien und Frankreich, Vorzüg- gekommen«, habe Schubert gesagt (Erinn. 62);