Die Komponistin Violeta Dinescu
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Musik Die Komponistin Violeta Dinescu Von Kadja Grönke Seit die aus Rumänien stammende Komponistin Violeta Dinescu am Institut für Musik der Universität Oldenburg den Lehrstuhl für angewandte Komposition innehat, wird das international orientierte Profil des Faches durch ihre weltweiten künstlerischen Kontakte entscheidend mitgestaltet. Zugleich kristallisiert sich ein neuer osteuropäischer Schwerpunkt heraus. Das Komponieren Dinescus ist durch ihre rumänische Herkunft geprägt; zugleich lebt es vom lebendigen Kontakt mit ausgezeichneten Interpreten. Ihr universitäres Engagement zeugt von dem Wunsch nach effektiver Vermitt- lung zeitgenössischer Musik und von einer besonderen Offenheit gegenüber Von Musik ungewöhnlichen, aber überregional besessen: beachteten und publikumswirksamen die Kom- Veranstaltungsformen. ponistin Violeta Dinescu. ls Violeta Dinescu 1982 nach Deutsch- der Universität Oldenburg eine Professur für Aland kam, lagen eine profunde künst- angewandte Komposition erhielt. lerisch-praktische Ausbildung an einer der Ursprünglich hatte Violeta Dinescu in besten Musikhochschulen Europas und vier Deutschland allerdings ein ganz anderes Jahre aktiver Lehrtätigkeit hinter ihr: Am Ziel: Sie wollte ein zweites Mal studieren, Bukarester Konservatorium hatte sie Klavier, und zwar Musikwissenschaft. Es reizte Komposition und Pädagogik studiert und sie, die Menschen nicht allein durch Töne anschließend an der Musikschule „George zu bewegen, sondern auch in Sprache zu The professorship of the Romanian Enescu“ unterrichtet. Parallel dazu war fassen, warum und wie die klingende Kunst composer Violeta Dinescu in applied eine nicht unerhebliche Anzahl von eigenen sie fasziniert. Gut, dass dieser Wunsch nicht composition in the Music Department Kompositionen entstanden, deren Partituren ganz so in Erfüllung ging, wie die damals of the University of Oldenburg has auch in Deutschland vertrieben wurden – ein Neunundzwanzigjährige es geplant hatte. definitively influenced the internatio- Umstand, der ihr den Weg in den Westen Denn der neue Weg zur Musikwissenschaft nally-oriented department through her erleichterte. scheiterte am klugen Einspruch des auser- contacts to musicians all over the world. Unterstützt durch mannigfache Preise, Sti- korenen Doktorvaters. Der nämlich erkannte At the same time, an Eastern European pendien und Kompositionsaufträge wuchs rasch, dass die wahre Mission der jungen emphasis has evolved in the Department. ihr künstlerisches Oeuvre weiter; sie konnte Rumänin die Praxis war - was das Sprechen Prof. Dinescu’s composing is strongly influenced by her Romanian background, internationale Kontakte knüpfen, Workshops über Musik zu keiner Zeit ausgeschlossen yet is vitalized by her living contacts with geben und ihre Musik in Eu-ropa, Amerika hat. Im Gegenteil: Wer Violeta Dinescu excellent musicians. Her commitment to und sogar in Südafrika zur Aufführung einmal bei einem Workshop, einem Vortrag, the university shows her desire to teach bringen. Gleichzeitig übernahm sie Lehrver- einer Konzerteinführung erlebt hat, weiß, contemporary music effectively, especially pflichtungen an der Hochschule für Kirchen- welche Ausstrahlungskraft sie besitzt, wenn through unusual but effective and widely musik Heidelberg, an der Musikhochschule sie andere Menschen von dem begeistern noted kinds of classes. Frankfurt/M. und an der Fachakademie für möchte, was sie selbst begeistert. Kirchenmusik Bayreuth, bevor sie 1996 an Die Voraussetzungen für eine entsprechende EINBLICKE Nr. 45 / Frühjahr 2007 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg EINBLICKE NR. 45 9 Ausbildung waren in Rumänien prinzipiell günstig. Wie in den meisten Ostblockländern gab es keine grundsätzlichen Vorbehalte ge- genüber komponierenden Frauen, so dass für Violeta Dinescu dieselben strengen Studien- bedingungen galten wie für ihre männlichen Kommilitonen: eine anspruchsvolle Aufnah- meprüfung, regelmäßige Zwischenexamina zum Erhalt der Studienerlaubnis und eine intensive, aber hocheffektive musikalische Ausbildung in Theorie und Praxis. Diese war jeder Mühe wert, denn zu den Dozenten zählten einige der besten Komponisten des Landes: Stefan Niculescu, der in Oldenburg vor kurzem einen eindrucksvollen Workshop abgehalten hat, war in Bukarest ihr Lehrer für Musiktheorie. Emilia Comisel moti- vierte die Studierenden zur Feldforschung in den entlegendsten Karpaten-Dörfern und öffnete Violeta Dinescus Ohren für die Ursprünge der heimischen Musiktradition. Und als Auszeichnung für besonders gute Studienleistungen erhielt die angehende Komponistin schließlich ein Jahr lang Intensivunterricht bei Myriam Marbe, der Grande Dame der rumänischen Musik. Aus der Mentorin wurde eine Freundin, und der künstlerische Gleichklang der beiden Frauen war sicher ausschlaggebend dafür, dass nach dem überraschenden Tod Marbes 1997 ihr Kunstwerke fürs Auge: Eine musikalischer Nachlass nach Deutschland Dinescu-Partitur kam und heute im Sophie Drinker Institut in (Ausschnitt aus Bremen aufbewahrt wird. dem Pf ingstora- torium für Soli, zwei Chöre und Klangpotenzial immer Orchester). wieder neu ausloten eben der umfassenden praktischen NAusbildung (zu der natürlich auch der anderes Chroma, wurde viel lebendiger und kalkulierten, aber gar nicht so einfach heraus- ungeliebte Marxismus-Leninismus gehörte) weniger steril!“ zubringenden Schöngesang, den die Partitur kam der eigene Kunstgenuss nicht zu kurz: Vielleicht ist der tiefe Eindruck dieser von ihm forderte, zu seiner Lieblingspassage Als Mitglied der Kompositionsklasse hatte Tage mitverantwortlich dafür, dass Violeta erkoren. Auch das Kammerorchester, das Violeta Dinescu freien Eintritt zu allen Dinescu beim Komponieren das Klangpo- sich vor ganz ungewohnte Probleme gestellt Proben und Konzerten der Bukarester Sinfo- tenzial der Instrumente heute so beharrlich sah, begeisterte sich mehr und mehr für seine niker, und wenn sie heute von der Einstudie- immer wieder neu auslotet. Wo immer die Aufgabe - mit dem schönen künstlerischen rungsarbeit eines Sergiu Celibidache erzählt, konventionelle Notenschrift dafür nicht Erfolg, dass die Oper nicht nur stets ausver- dann leuchten ihre Augen immer noch: „Der ausreicht, erfindet sie aussagekräftige Son- kauft war, sondern auch ebenso oft auf den Mann war ein Phänomen; er konnte dem derzeichen, die ihre Partituren auch optisch Spielplan gesetzt werden konnte wie sonst Orchester die feinsten Nuancen entlocken zu einem Kunstwerk machen. Das mag nur das gängige Repertoire. und es so farbenreich zum Klingen bringen den traditionsgewohnten Musiker zunächst wie kein anderer!“ Bei aller Sensibilität für irritieren. Aber auch wenn Violeta Dinescu die magischen Momente, die sie als echte ihren Interpreten viel abverlangt, sind ihre Das Oldenburger Rumänin besonders intensiv empfindet, ana- Werke nicht unspielbar, und sie vertraut zu Komponisten-Colloquium lysiert sie sofort, wie ihr Landsmann Celibi- Recht auf die Entdeckerlust. Als das Olden- ür ein Werk der zeitgenössischen Musik dache diesen Klangzauber zustandebrachte: burgische Staatstheater im Herbst 2002 ihre Fist eine derart positive Publikumsreso- „Er protestierte, wenn die Streicher alle Oper „Eréndira“ einstudierte, dauerte es gar nanz immer noch die Ausnahme - und es denselben Bogenstrich verwendeten. Jeder nicht lange, und der Sänger der männlichen spricht für sich, dass das Werkeverzeichnis sollte seine individuellen Auf- und Abstriche Hauptrolle hatte seine anfängliche Skepsis von Violeta Dinescu weitere Erfolgsstücke setzen. Dadurch gewann der Klang ein ganz ganz vergessen und den klanglich raffiniert enthält: die Kinderoper „Der 35. Mai“ zum 10 EINBLICKE NR. 45 Komponistinnen und Komponisten aus aller Welt im Kammermusiksaal einfinden. Dort stellen sie sich und ihr Schaffen vor und öffnen sich den Fragen des Publikums. Mehr und mehr wird die Doppelstunde des Komponisten-Colloquiums auch zum Ort von Gesprächskonzerten und musikalischen Präsentationen; gelegentlich erklingt sogar eine Uraufführung. Dass die lokale Presse kaum auf solche Highlights reagiert, ist ein unverständlicher Wermutstropfen – aber offenbar ist die Mund-zu-Mund-Propaganda wirkungsvoll genug. Denn mittlerweile gibt es ein Stammpublikum aus Universität, Stadt und Umland, das unabhängig von musika- lischen Vorlieben vorurteilsfrei neugierig ist auf die immer wieder andersartigen, immer wieder anregenden Begegnungen mit kauzigen oder verkopften, hochemotionalen oder kühl strukturierenden, liebenswert chaotischen oder klaren Denkern und ihrer Musik. Offenheit für das Unbekannte und Mut zum Experiment zeichnen so manches Projekt von Violeta Dinescu aus. Das neueste Vorhaben der „Musikbesessenen“ ist eine Reihe wis- senschaftlicher Symposien zur rumänischen Musik. Den Auftakt bildete im November Oldenbur- 2006 eine Mammutveranstaltung zum 125. gisches Staats- Geburtstag des Komponisten, Violinvir- theater: Die tuosen, Pianisten und Dirigenten George Sängerin Enescu, des bislang wohl einflussreichsten Christina rumänischen Tonkünstlers. Indem Violeta Di- Ascher als Großmutter nescu die Grenzen des Möglichen ignorierte, in der Oper gelang ihr das Utopische: In nur einem halb- Eréndira en Jahr Vorbereitungszeit zauberte sie nicht von Violeta allein eine ebenso überdimensionale wie Dinescu. illustre Referentenliste aus dem Hut, suchte und fand Geldgeber und enthusiastische studentische Mitorganisatoren, sondern sie Beispiel oder die Musik zu dem Stummfilm eine völlig neue Musik, die in jeder Note vermochte auch das Horst-Janssen-Museum, „Tabu“ von F. W. Murnau, Kompositionsauf-