Protokoll-Nr. 19/74

19. Wahlperiode Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft

Wortprotokoll der 74. Sitzung

Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Berlin, den 1. März 2021, 12:00 Uhr Berlin, Konrad-Adenauer-Str.1, Paul-Löbe-Haus Sitzungssaal: 4.600

Vorsitz: , MdB

Tagesordnung - Öffentliche Anhörung

zu:

a) Antrag der Abgeordneten , Federführend: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft , Dr. , weiterer Mitberatend: Abgeordneter und der Fraktion der FDP Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Wald geht nur mit Wild – Ideologiefreie Reform nukleare Sicherheit des Bundesjagdgesetzes Berichterstatter/in: Abg. Hermann Färber [CDU/CSU] BT-Drucksache 19/26179 Abg. Isabel Mackensen [SPD] Abg. Peter Felser [AfD] Abg. Karlheinz Busen [FDP] Abg. Dr. [DIE LINKE.] Abg. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]

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Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft

b) Gesetzentwurf der Bundesregierung Federführend: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Mitberatend: Änderung des Bundesjagdgesetzes, Ausschuss für Inneres und Heimat Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundesnaturschutzgesetzes und Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und des Waffengesetzes nukleare Sicherheit Ausschuss Digitale Agenda BT-Drucksache 19/26024 Gutachtlich: Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung Berichterstatter/in: Abg. Hermann Färber [CDU/CSU] Abg. Isabel Mackensen [SPD] Abg. Peter Felser [AfD] Abg. Karlheinz Busen [FDP] Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE.] Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]

19. Wahlperiode Protokoll der 74. Sitzung Seite 2 von 33 vom 1. März 2021

Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft

Hinweise:

Aufgrund der Einschränkungen durch die Covid-19-Pandemie wird die Sitzung weitgehend im Wege einer Webex-Videokonferenz stattfinden. Insbesondere die Sachverständigen werden an der öffentlichen Anhörung per Webex-Videokonferenz teilnehmen.

Wegen der Beachtung der Abstandsregeln aufgrund der Covid-19-Pandemie sind die Fraktionen gebeten, möglichst (nur) durch die Berichterstatter/innen im Sitzungssaal zu erscheinen.

Pro Fraktion soll nur bis zu ein/e Referent/in Zutritt zum Sitzungssaal erhalten.

Die Anwesenheit persönlicher Mitarbeiter/innen ist im Sitzungssaal nicht möglich.

Die Vertreter/innen der Bundesländer sind gebeten, im Wege der Webex-Videokonferenz an der Anhörung teilzunehmen.

Die Teilnahme von externen Besucherinnen und Besuchern sowie Pressevertreterinnen und -vertretern ist in begrenzter Zahl im Wege der Webex-Videokonferenz möglich. Eine schriftliche Anmeldung hierfür ist bis spätestens 24. Februar 2021 per E-Mail an el-ausschuss@.de erforderlich. Nach diesem Datum werden die Zugangsdaten zur Webex-Videokonferenz auf elektronischem Wege übermittelt.

Die Anhörung wird aufgezeichnet und am 2. März 2021 um 12:00 Uhr auf Kanal 1 im Parlamentsfernsehen übertragen. Anschließend wird sie in der Mediathek des Deutschen Bundestages abrufbar sein.

Am 10. Februar 2021 ist die Allgemeinverfügung des Präsidenten des Deutschen Bundes- tages vom 8. Februar 2021 in Kraft getreten. Danach besteht die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske (OP-Maske, FFP2- oder FFP3-Maske) in den Gebäuden des Deutschen Bundestages. Dies gilt für alle Räume, einschließlich der Sitzungssäle. In den Sitzungssälen kann die medizinische Gesichtsmaske am Platz abgelegt werden, wenn ein Mindestabstand zu anderen Personen von mindestens 1,5 Metern gewährleistet ist. Nach einer Verständigung der Obleute soll die medizinische Gesichtsmaske allenfalls bei der Abgabe eines Wortbeitrages abgelegt werden.

Alois Gerig, MdB Vorsitzender

19. Wahlperiode Protokoll der 74. Sitzung Seite 3 von 33 vom 1. März 2021

Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft

Liste der Sachverständigen Öffentliche Anhörung am Montag, den 1. März 2021, 12:00 bis ca. 14:00 Uhr

Stand: 19. Februar 2021

Einzelsachverständige:

Hermann Dammann-Tamke

Prof. Dr. Dr. Sven Herzog

Dr. Jens Jacob

Moritz Klose

Gert Neidhardt

Prof. Dr. Ulrich Schraml

„Verbandssachverständige“:

Johann Heinrich von Thünen-Institut, Institut für Waldökosysteme

Landeswaldoberförsterei Reiersdorf

Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Waldbiologie und Jagdwirtschaft (IWJ)

19. Wahlperiode Protokoll der 74. Sitzung Seite 4 von 33 vom 1. März 2021

Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft

Mitglieder des Ausschusses (sofern im Sitzungssaal anwesend)

CDU/CSU Auernhammer, Artur Färber, Hermann Gerig, Alois Stier, Dieter Thies, Hans-Jürgen

SPD Mackensen, Isabel

AfD Felser, Peter

FDP Busen, Karlheinz

DIE LINKE. Tackmann, Dr. Kirsten

BÜNDNIS 90/ Ebner, Harald DIE GRÜNEN

19. Wahlperiode Protokoll der 74. Sitzung Seite 5 von 33 vom 1. März 2021

Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft

Der Vorsitzende: Liebe Kolleginnen und Kollegen, tauglich, um den Ausgleich herzustellen. Jagd- meine sehr verehrten Damen und Herren. Sehr rechtsinhaberinnen und –inhaber müssen nach pünktlich starten wir unsere digitale Anhörung des Meinung der Fraktion der FDP beim Ausgleich zwi- Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft schen Wald und Wild auf Augenhöhe beteiligt wer- zum Thema „Wald und Jagd“. a) geht es um einen den, damit die Hege des Wildes weiterhin oberstes Antrag der (Fraktion der) FDP „Wald geht nur mit Ziel bleibt. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bun- Wild - Ideologiefreie Reform des Bundesjagdgeset- desregierung setzt zur Erreichung der Schutzziele zes“ (BT-Drs. 19/26179) und (bei) b) der Anhörung von Wald und Wild zum einen auf eine Vereinheit- geht es um den Gesetzentwurf von der Bundesre- lichung des Prüfungsniveaus von Jäger- und Jäger- gierung „(Entwurf eines Ersten Gesetzes) zur Ände- innen- sowie Falkner- und Falknerinnenprüfungen, rung des Bundesjagdgesetzes, des Bundesnatur- um die sich in den vergangenen Jahren herausgebil- schutzgesetzes und des Waffengesetzes“ deten Unterschiede zwischen den Bundesländern (BT-Drs. 19/26024). Ich begrüße Sie dazu alle sehr abzubauen. Eine weitere Anpassung des BJagdGes herzlich. Unser Ausschuss beschäftigt sich mit ist aufgrund des Zieles, eine an den Klimawandel einem umfangreichen Themenspektrum. Dazu zäh- angepasste Waldbewirtschaftung in der Fläche um- len auch im Bereich der Landwirtschaft die The- zusetzen, für die Bundesregierung erforderlich, um men Wald, Holz-, Forstwirtschaft sowie Jagd. Im damit im Interesse eines angemessenen Ausglei- Spannungsfeld „Wald und Wild“ besteht schon je- ches zwischen Wald und Wild dort handeln zu her die Herausforderung, die Sicherung der Lebens- können, wo zu hohe Wildbestände eine Verjüngung räume des heimischen Wildtierbestandes und eine des Waldes behindern. Wiederbewaldung und an den Klimawandel angepasste Waldbewirtschaf- Waldumbau gelingen dort, wo es ein kollegiales tung bestmöglich aufeinander abzustimmen. Wald- Miteinander zwischen der Jägerschaft und den besitzerinnen und Waldbesitzer als auch Inhaberin- Waldbesitzenden gibt am Allerbesten. Wir möchten nen und Inhaber von Jagdscheinen fällt dabei eine deshalb heute mit neun von den Fraktionen be- bedeutende Rolle zu. Ein gewisser Interessenskon- nannten Sachverständigen über diese Fragestellun- flikt scheint unausweichlich, weshalb seit Jahren gen des Schutzes von Wald und Wild sprechen und Diskussionen über die fällige Novelle des Bundes- uns so ein vertiefendes Bild verschaffen. Ich darf jagdgesetzes (BJagdG) laufen. Einerseits haben wir zunächst die Sachverständigen begrüßen, die für eine katastrophale Situation in den Wäldern: rund die heutige öffentliche Anhörung eingeladen wor- 300 000 Hektar (ha), so die Schätzungen, müssen den sind und uns alle virtuell im Wege einer nach Dürre, Sturm und dem Käferbefall wieder auf- Videokonferenz zur Verfügung stehen. Als Einzel- geforstet werden. Holzpreise liegen am Boden. Wir sachverständige begrüße ich Herrn (Helmut) Dam- brauchen den Waldumbau mit Verjüngung; das mann-Tamke, MdL als Präsident der Landesjäger- steht außer Frage. Andererseits befürchten Jäger, schaft (in) Niedersachsen (e. V.). Ich begrüße Herrn dass Wildbestände zu stark dezimiert werden müs- Prof. Dr. Dr. Sven Herzog von der Technischen sen und neue Auflagen die wirtschaftliche Situa- Universität (in) Dresden, Herrn Dr. Jens Jacob aus tion weiter verschlechtern könnten. Ohnehin sind dem Ministerium für Umwelt, (Energie,) Ernährung Jägerinnen und Jäger durch den Ausbruch der Afri- und Forsten Rheinland-Pfalz, Herrn Moritz Klose, kanischen Schweinepest (ASP) und mit neuen Auf- Programmleiter Wildtiere Deutschland (und Euro- lagen und fallenden Preisen für das Wildbret kon- pa) von WWF (Deutschland), Herrn Gert Neidhardt, frontiert. Die Fraktion der FDP legt in ihrem Antrag Geschäftsführer von „Jagd & Freizeit“ und Herrn dar, dass der massive Rückzug von Wildtieren, ins- Prof. Dr. Ulrich Schraml, Direktor der Forstlichen besondere des widerkäuenden Schalenwildes, in Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württem- ungestörte Teile der hiesigen Landschaft, es zwin- berg. Als sogenannte (sog.) Verbandssachverstän- gend erforderlich macht, dass gewisse Anteile von dige begrüße ich für das Johann Heinrich von Thü- Waldgebieten dem Lebensraumerhalt der Wildtiere nen-Institut (, Institut für Waldökosysteme - Thü- dienen müssen. Ein Ausgleich zwischen Wald und nen-Institut) Herrn Prof. Dr. Andreas Bolte, für die Wild muss für die Antragsteller realitätsnah vor Ort Landeswaldoberförsterei Reiersdorf (Landeswald- praktiziert werden - eine Pflicht zur Vereinbarung oberförsterei) deren Leiter, Herrn Dietrich Mehl, von Mindestabschussquoten ist dabei für sie un- und für die Universität für Bodenkultur (in) Wien, (Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft - IWJ)

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Herrn Prof. (Dr.) Klaus Hackländer. Den eingelade- jetzt mit den dreiminütigen Eingangsstatements. nen Sachverständigen wurde die Abgabe einer Stel- Ich erteile zunächst das Wort dem Herrn Hel- lungnahme zu dem Antrag der (Fraktion der) FDP mut Dammann-Tamke, MdL. Bitteschön, Sie dürfen und(/oder) dem Gesetzentwurf der Bundesregie- starten. rung ermöglicht. Sieben Sachverständige haben da- von Gebrauch gemacht (und einer Veröffentlichung Helmut Dammann-Tamke, MdL (per Video): jeweils zugestimmt). Diese Stellungnahmen sind in Vielen Dank Herr Vorsitzender. Ich hoffe, ich bin der Internetpräsenz unseres Ausschusses veröffent- zu verstehen. Der Vorsitzende hat mich als Präsi- licht. Darüber hinaus sind sechs unaufgeforderte dent der Landesjägerschaft Niedersachsen e. V. vor- Stellungnahmen verschiedener Organisationen ein- gestellt. Das ist auch richtig. Ich habe aber auf die- gegangen, die im Vorfeld der Anhörung den Obleu- ses heute im Ausschuss zu behandelnde Thema ten unseres Ausschusses zugeleitet worden sind. vollkommen unterschiedliche Perspektiven. Des- Ich begrüße darüber hinaus als Vertreter der Bun- halb gestatten Sie mir kurz, auf meine persönliche desregierung Herrn Parlamentarischen Staatssekre- Bitte einzugehen. Ich bin von Haus aus Landwirt tär (PSt) . Herzlich Willkommen. Und und Waldbesitzer. Ich bin Jäger von Kindesbeinen ich weise darauf hin, dass sich der Sachverständige an, besitze keine Eigenjagd, sondern bin Mitglied Moritz Klose die Stellungnahme von WWF einer Jagdgenossenschaft; seit ca. 35 Jahren Jagd- Deutschland zu Eigen gemacht hat. Kurz zum Ver- pächter, das Revier ist 1 200 ha groß, davon ca. fahren, dann legen wir los. Wir haben vereinbart, 200 ha Wald. Und ganz interessant, in diesem Re- dass nach dieser Begrüßung die Sachverständigen vier liegen auch 60 ha Landesforst. Da kleiner jeweils Gelegenheit für ein Eingangsstatement von 75 ha, keine eigenständige Eigenjagd der Landes- bis zu drei Minuten erhalten. Ich bitte dringend, forst(en), sondern hier wird, u. a. von mir, seit diese Vorgabe bei der Vielzahl von Sachverständi- 35 Jahren dieser Staatswald mit bejagt. Seit Anfang gen einzuhalten. Sie haben nachher auch die Gele- der (19)90er Jahre bin ich regelmäßiger Gast im genheit, noch vertiefend bei den Fragen durch die Landesforst und auch in der Bundesforst. Ich bin Abgeordneten einzugehen. Ich bitte Sie weiterhin, sehr offen auch neuen Jagdmethoden gegenüber bei Redebeitrag Ihr Mikrofon ein- und danach un- eingestellt. Ich bin Landtagsabgeordneter des Nie- bedingt wieder stummzuschalten, damit Störungen dersächsischen Landtages und übe zudem auch das in der Tonanlage ausbleiben - aber das Prozedere Amt des Präsidenten der Landesjägerschaft Nieder- kennen Sie alle. Es sollen zwei Runden für Frage- sachsen e. V. aus. Warum diese ausführliche Vor- und Antwortzeiten à 45 Minuten stattfinden. Die stellung? Sie können dem entnehmen, dass ich auf dafür vom Ausschuss beschlossene Verteilung auf diese Thematik durchaus mit unterschiedlichen die Fraktionen wurde wie folgt vereinbart: Blickwinkeln schaue. Ich möchte Ihnen allerdings, CDU/CSU à 13 Minuten, die SPD je acht Minuten anhand der Gegebenheiten hier bei mir vor Ort, und alle anderen (Fraktionen) jeweils sechs Minu- einmal meine persönliche Meinung zu diesem The- ten je Fragerunde. Die Fragesteller wissen, dass sie ma aufzeigen. In den vergangenen 50 Jahren, in de- die Namen der Sachverständigen benennen sollen. nen ich aufmerksam die Geschicke und das Ge- Die Anhörung wird aufgezeichnet, d. h. sie ist mor- schehen in dieser Jagdgenossenschaft mitbegleiten gen, am 2. März (2021), ab 12:00 Uhr im Kanal 1 konnte und mitbeobachtet habe, hat es keine Kon- des Parlamentsfernsehens direkt zu sehen, an- taktaufnahme eines privaten Waldbesitzers oder schließend wird sie in der Mediathek des Deut- der Landesforsten im Hinblick auf die Jagdaus- schen Bundestages abrufbar sein. Leider können übungsberechtigten, also die Jagdpächter, gegeben, wir aufgrund der Covid (19)-Pandemie nicht alle um über waldbauliche Ziele zu sprechen. Daraus physische Teilnehmer und Pressevertreter hier im leite ich eine Kernbotschaft ab, die mir sehr, sehr Saal aufnehmen – überhaupt keine. Deren Teilnah- wichtig ist. Als Jäger und ich glaube, da kann ich me ist deswegen in begrenzter Zahl im Wege der auch durchaus eine bundesweite Perspektive anle- Videokonferenz ermöglicht worden. Eine schriftli- gen, als Jäger lehnen wir die Verantwortung für die che Anmeldung war dazu erforderlich. Es sind 70 Kalamitätsflächen und auch für die 27 Prozent Na- externe Anfragen gewesen, davon konnten 60 (zu- delholz-Monokulturen, die wir in Deutschland der- züglich Pressevertreter) ermöglicht werden. Wenn zeit vorfinden, als Jäger lehnen wir dafür die Ver- kein Widerspruch zu erkennen ist, dann starten wir antwortung ab. Zweitens, selbstverständlich steht

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außer Frage, dass in Bezug auf die Herkulesaufgabe, de anzupassen, sprich zu vermindern, über die nämlich den Wiederaufbau von Kalamitätsflächen mehr Notwendigkeit, zu jagen und letztendlich bzw. den Umbau unserer Nadelholzbestände, wir auch über weniger Rücksicht auf die Interessen der Jäger eine nicht wegzudiskutierende Aufgabe wahr- Wildtiere. Viele von uns, gerade die Älteren, wis- nehmen müssen. Und ich betone an dieser Stelle, sen, dass wir nun seit vielen Jahrzehnten, mittler- und wir werden auch dieser Aufgabe und uns die- weile fünf Jahrzehnten, eigentlich immer wieder ser Verantwortung stellen. Nach meiner Auffassung über dieses Thema diskutieren. Seit fünf Jahrzehn- wird das Pferd in dieser Hinsicht allerdings von ten wird (immer) regelmäßig, alle paar Jahre, etwas der falschen Seite aufgezäumt. Es heißt im verändert. Es wird mehr gejagt, es werden Schon- § 1 Abs. 2 (des Gesetzentwurfes), dass insbesondere zeiten verkürzt. Und die Klagen bleiben eigentlich eine Verjüngung des Waldes im Wesentlichen ohne die ganze Zeit die gleichen. Das ging seinerzeit mit Schutzmaßnahmen ermöglicht werden sollen. Da- den Waldschäden durch (Umwelt-)Schadstoffe mit wird eines der wesentlichen Risiken dieses („saurer Regen“) los, ging dann über viele Sturm- Wiederaufbaus bzw. -umbaus im Hinblick auf kli- katastrophen bis heute zum Thema Klimawandel, mastabile Wälder auch auf die Jäger abgewälzt. Ich d. h. offenbar, wenn man über mehrere Jahrzehnte bin der Auffassung, dass uns als Gesellschaft dieser ein Problem mit immer mehr Jagd, so wie es ge- Wiederaufbau bzw. der -umbau, der gesellschaft- schehen ist, zu lösen versucht und dieses nicht ge- lich gewünschte Wiederaufbau bzw. -umbau, nur löst bekommt, macht man vermutlich etwas falsch. gelingen wird, wenn Waldbesitzer, Waldeigentü- D. h. wir folgen hier einem Ansatz, einem mono- mer und Jagdausübungsberechtigte dieses partner- kausalen Ansatz, mit unseren Aktivitäten und wir schaftlich tun. Wenn es dort eine einseitige Ver- folgen auch bestimmten Glaubenssätzen, d. h. der schiebung zu Lasten der Jagdausübungsberechtig- Grund ist für Schäden (demnach vermeintlich) zu ten gibt, wird sich am Ende des Tages … viel Wild. Und („zu viel Wild“) kann ich lösen, in- dem ich mehr jage. Hier scheint es also offenbar Der Vorsitzende: Herr Dammann-Tamke, MdL, die Denkfehler zu geben. Eine zusätzliche Bejagung, Zeit! wie sie jetzt vorgesehen ist, verursacht letztendlich bei den Tieren mehr Stress. Und mehr Stress bei Helmut Dammann-Tamke, MdL (per Video): Ja, ich den Tieren wird letztendlich auch mehr Schäden komme zu meinen letzten zwei Sätzen. Wird sich, verursachen. D. h. wir schlagen hier wieder einige außer bei großen privaten Waldbesitzern, die Situa- kontraproduktive Maßnahmen vor. Wir verlieren tion so wieder zuspitzen, dass das wirtschaftliche das Wohl der Tiere zunehmend aus den Augen. Risiko am Ende des Tages wieder bei der Jagdge- (Der) Gesetzentwurf hat leider die Chance verge- nossenschaft abgeladen wird. Und insofern ist es ben, auch mit anderen, mit positiven Maßnahmen, auch dann wieder bei mir als Jagdgenosse. Ich dan- zum Beispiel (z. B.) mit Wildruhezonen, wie das in ke für die Aufmerksamkeit. der Schweiz zum Teil (z. T.) gemacht wird, mit . einer Verbesserung der Lebensräume, der Nah- rungsbedingungen, mit einer Besucherlenkung in Der Vorsitzende: Dann kommt als Nächster der solchen Kalamitätsflächen z. B. zu arbeiten. Das Herr Professor Herzog. Ich freue mich, wenn Sie wären alles Ansätze, die die Wissenschaft seit eini- die Zeit halbwegs einhalten. gen Jahren, z. T. Jahrzehnten, bereitstellt, die aber leider einfach nicht genutzt werden. Ich will meine Prof. Dr. Dr. Sven Herzog (per Video): Bin ich zu Kommentare zum Gesetz hier nur ganz kurz in verstehen? zwei, drei Beispielen erläutern. Den Rest können Sie natürlich nachlesen in meiner Stellungnahme. Der Vorsitzende: Sie sind gut zu hören. (Erstens: Der berühmte § 1 Abs. 2 (des Gesetzent- wurfes), wo (in dem) es um die Hege geht. Die Hege Prof. Dr. Dr. Sven Herzog (per Video): Okay. Ja. Die ist ja im Grunde der Artenschutzgedanke im Jagd- nächsten Minuten werden wir sehr viel sicherlich recht. Und über die Ziele der Hege ist in diesem von einigen anderen Sachverständigen auch über § 1 Abs. 2 (des Gesetzentwurfes) auch schon eini- Wildbestände, über vermeintlich zu hohe Wildbe- ges geschrieben und (gesagt, ebenfalls) über deren stände, hören, über die Notwendigkeit, Wildbestän- Einschränkungen. Die geplante Ergänzung würde

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letztendlich dazu führen, dass Waldverjüngung der Fragerunde die Möglichkeit, noch ganz viele oder die Verantwortung für Waldverjüngung, wei- Botschaften anzubringen. Herr Dr. Jens Jacob. testgehend in die Hände der Jagd gelegt wird, was (allerdings) sicherlich so nicht sein kann. Und es Dr. Jens Jacob (per Video): Sehr geehrter Herr Aus- ist sicherlich auch nicht gesellschaftlich er- schussvorsitzender Gerig, sehr geehrte Damen und wünscht, dass jedwede Verjüngung, jedwede Form Herren Abgeordnete. Vielen Dank für die Möglich- der Waldwirtschaft, privilegiert wird Gesellschaft- keit, heute hier Stellung nehmen zu dürfen zum lich erwünscht ist es ja, dass (im Grunde) eine na- BJagdG und seiner Novelle. Auch zu meiner Per- türliche Verjüngung mit standortangepassten spektive: Ich spreche vor dem beruflichen Erfah- Baumarten oder Herkünften der Bäume gefördert rungshintergrund als Leiter der für das Jagdwesen wird. Gleichzeitig ist das Thema Schutzmaßnah- zuständigen Ministerialabteilung des Landes men auch bei verwandten Branchen, denken Sie an Rheinland-Pfalz. Das ist ein Land, in dem das die Fischerei, denken Sie an die Weidewirtschaft, BJagdG seit langen Jahren, seit dem Jahr 2010, weit- etwas völlig normales. Jeder Weidetierhalter ist ver- gehend nicht mehr angewendet wird. Wir haben in pflichtet, seine Weidetiere vor dem Wolf zu schüt- unserem Land eine Vollregelung des Jagdrechtes zen und genauso (gehören) auch forstliche Schutz- auf der Basis der Abweichungskompetenz in unse- maßnahmen erteilt zu guter fachlicher Praxis. Da- rer Verfassung seit diesem Jahr ausgestaltet. Also her würde ich hier ganz klar empfehlen, statt eines über zehnjährige Anwendungserfahrung mit dieser “Weiter so“ ein forstliches Umdenken zu fördern sehr grundlegenden Novelle führen bei uns dazu, und hier sich auf die natürliche Verjüngung zu be- dass wir festhalten, dass die anfänglich eigentlich ziehen statt auf jedwede Verjüngung, auch mit exo- sehr umstrittenen Regelungen inzwischen weitge- tischen Baumarten. § 1 Abs. 2 (des Gesetzentwur- hend problemlos in der Praxis gelebt werden und fes) im Zusatzsatz. Ein zweites kurzes Beispiel sei wir eigentlich keine wahrnehmbaren Diskussionen der § 19 … (mehr) über eine etwaige Rückkehr zum vormali- gen, ja weitgehend durch das Bundesrecht gepräg- ten Rechtszustand mehr bei uns haben. Und das Der Vorsitzende: Ihre drei Minuten sind auch gilt auch vor dem Hintergrund des vorliegenden schon deutlich überschritten, Herr Professor. Gesetzentwurfs vielleicht nochmal herausgestellt zu werden. Deshalb habe ich dies getan. Der (Ent- Prof. Dr. Dr. Sven Herzog (per Video): Ja, ein zwei- wurf) geht aus unserer Sicht, auch im Abgleich mit tes Beispiel noch zu Ende. Hier (Es) soll (also) im unserem Landesrecht, in die richtige Richtung. Es Grunde eine Bejagung bei Nacht erleichtert werden, (Er) ist zu begrüßen (als), eine erste Fortentwick- die letztendlich dazu führt, dass auch hier mehr lung dieser zuletzt vor 35 Jahren etwas grundsätzli- Stress entsteht und mehr Schäden entstehen. Der cher angefassten Rechtsmaterie auf Bundesebene. § 21 (des Gesetzentwurfes) ist letztendlich das drit- Und dies gilt auch, um zum ersten inhaltlichen te Beispiel meiner ganz kurzen Stellungnahme. Punkt zu kommen, etwa hinsichtlich – die Vorred- Hier wird die Rehwildbejagung auf der einen Seite ner haben darauf schon abgehoben – (hinsichtlich) liberalisiert, im § 21 Abs. 2 a) bis 2 d) (des Gesetz- der vorgesehenen erweiterten Zweckbestimmung entwurfes) wird das dann allerdings auf den Kopf für die Wildhege, die ja mehr auf klimawandelbe- gestellt, indem man mit einem bürokratischen dingte Anforderungen bei der Waldverjüngung aus- Monster Grundeigentümer bevormundet, Behörden gerichtet werden soll. Aus unserer Sicht, und so überfordert und die Gerichte wahrscheinlich über sagt es auch der Bundesrat, wäre es jedenfalls wün- Jahre beschäftigen wird. Ich denke, man (das Ge- schenswert, das noch etwas weiter zu fassen und setz) sollte hier dem Menschen dienen und ihn eine begriffliche Ergänzung vorzunehmen, wobei nicht schikanieren (mit einem Gesetz). Tun Sie was (-nach) es dann (hierbei) auch um eine artenreiche für die Bürger. Nutzen Sie die Gelegenheit. Strei- und standortsgerechte Waldverjüngung gehen chen Sie § 21 Abs. 2 a) bis d) (des Gesetzentwurfes) muss. Und zu diesem Thema gibt es ja die schon ersatzlos! Danke. aufscheinend gewordenen Kontroversen. Ich möchte an der Stelle zur Vermeidung von Missver- Der Vorsitzende: Es sprudelt aus Ihnen allen her- ständnissen ganz klar darauf hinweisen, dass das aus. Ich bitte Sie trotzdem, Sie haben nachher in Jagdrecht kein selbstständiges dingliches Recht ist

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und auch nicht als ein solches begründet werden das BJagdG zu modernisieren. Ich denke, das Jagd- kann. Es erwächst vielmehr aus dem Grundeigen- recht muss sich im 21. Jahrhundert viel stärker auf tum und ist von diesem nicht zu trennen. Deswe- gesamtgesellschaftliche Erfordernisse ausrichten. gen gehen eigentlich von vorneherein alle allfälli- Und Jagd muss einen aktiven Beitrag für den Erhalt gen Forderungen fehl, die Belange der Jagd und der Biodiversität ganz allgemein, aber insbesondere Wildhege einerseits gegen davon getrennt gesehene auch für zukunftsfähige Mischwälder leisten und Belange des Grundeigentums, also etwa auch des dazu beitragen, strukturreiche, artenreiche Kultur- Waldbesitzes, andererseits ins Feld führen möch- landschaften, auch außerhalb des Waldes, mitzuge- ten. Ein Kernstück des Gesetzentwurfes ist die Ab- stalten. Wir erleben einen dramatischen Verlust an schussregelung für Rehwild. Es ist sehr zu begrü- biologischer Vielfalt unserer Kulturlandschaft. Und ßen, wenn das künftig nicht mehr behördlich er- wie der Waldzustandsbericht erst letzte Woche folgt, sondern zwischen den Parteien ausgehandelt wieder gezeigt hat, sterben unsere Wälder in einem werden soll. Aber aus unserer Sicht bedarf es beängstigenden Tempo und Ausmaß. Deshalb muss eigentlich überhaupt keiner gesetzlichen Regelung jede Form der Landnutzung und eben auch die für die Frage des Rehwildabschusses, abgesehen Jagd, dazu beitragen, Verantwortung für Waldöko- vielleicht von Vorgaben, die (zu) klären, wie denn systeme, ihren Schutz und ihre nachhaltige Nut- zu verfahren sein sollte, wenn die Dinge aus dem zung zu übernehmen. Wir brauchen Jägerinnen und Ruder laufen. Will man aber regeln – und der Ge- Jäger dringend als verantwortungsvolle Partner setzentwurf tut das – dann wäre er aus meiner beim Waldumbau, denn das schaffen die Waldbe- Sicht sehr stark zu vereinfachen. Insbesondere sitzer/innen nicht alleine. Es ist deshalb zu begrü- zwei Aspekte möchte ich nennen: Es geht darum, ßen, dass der vorliegende Gesetzentwurf diese Ver- sich nochmal in den Blick zu nehmen, mit welcher antwortung durch eine Konkretisierung des Hege- Wildart wir es hier zu tun haben: mit dem Rehwild. begriffs stärkt. Doch damit unsere Wälder ihre Das kommt allerorten in hoher Zahl vor. Und für wichtigen Klimaschutz-, Wasser- und Boden- diese Wildart bedarf es weder spezieller sog. Le- schutz-, Lebensraum- und Nutzungsfunktion erfül- bensraumanalysen noch gesetzlicher Vorgaben für len können und sich besser gegenüber dem Klima- Höchstabschüsse. Es kann, um das abschließend wandel behaupten können, reicht eine einfache (noch) zu sagen, vielleicht nicht oft genug betont Verjüngung des Waldes im Wesentlichen ohne werden: Nicht um die Rehwildpopulation in Schutzmaßnahmen eben nicht aus. Wenn sich nur Deutschland muss man irgendwo in Sorge sein, die Hauptbaumarten verjüngen, reicht das nicht. sehr wohl aber um den Wald, der durch den Klima- Dann schaffen wir den Umbau zu klimaangepass- wandel extremen Belastungen und Gefährdungen ten Misch-wäldern nicht. Deshalb, Herr Dr. Jacob ausgesetzt ist. Es gibt noch weiteres anzuführen. hat es gerade schon gesagt, muss die Hege vielmehr Aus Zeitgründen lasse ich das an dieser Stelle und eine standortgerechte und artenreiche Verjüngung, verweise auf meine schriftliche Stellungnahme. Ich und das schließt sowohl Naturverjüngung als auch bedanke mich sehr herzlich, heute (hier) das Wort Pflanzung und Saat mit ein, im Wesentlichen ohne nehmen zu können. Danke. technische Schutzmaßnahmen ermöglichen. Und, um die Waldentwicklung besser zu überwachen Der Vorsitzende: Danke Herr Dr. Jacob und jetzt und die Jagd und Hege besser zu planen und ent- kommen wir zu Moritz Klose vom WWF (Deutsch- sprechend diesen neuen Hegeauftrag zu gestalten, land). braucht es bundesweit einheitliche, verpflichtende Vegetationsgutachten. Davon bin ich überzeugt. Moritz Klose (per Video): Sehr geehrter Herr Vorsit- Schließlich auch die Rolle der Jagd beim Erhalt von zender, sehr geehrte Damen und Herren Abgeord- geschützten Tieren, Pflanzen und Lebensräumen, nete, sehr geehrte Damen und Herren. Vielen Dank, beim Schutz der Biodiversität und beim Schutz von dass ich heute hier mit Ihnen zu diesem interessan- Ökosystemdienstleistungen sollten meiner Mei- ten und wichtigen Thema diskutieren kann. Ich ko- nung nach klarer benannt werden im BJagdG, z. B. ordiniere für den WWF Wildtierprojekte und bin bei der Festlegung von Jagd- und Schonzeiten, aber mitverantwortlich für die Bejagung von 1 400 ha auch beim Umfang und Auftrag der Jagd in Schutz- Naturschutzwald. Keine Frage, es ist an der Zeit, gebieten. Dann kann Jagd tatsächlich gelebter und aktiver Naturschutz sein. Schließlich sind die im

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Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen zur Mini- man gemeinsam, und da bin ich auch ein Befür- mierung von Blei in Jagdmunition unzureichend worter, gemeinsam mit den Landeigentümern, mit und sehr, sehr umständlich. Ich finde aus Verant- den Förstern und mit den Jägern ein Konzept erar- wortung für Wildtiere, für die Gesundheit der Ver- beiten, wie man das Wild reduziert, sofern zu viel braucher und unsere Umwelt ist es überfällig, den da ist oder wie man das Wild bejagt. Das jagdliche Eintrag des giftigen Stoffes in die Natur zu mini- Alltag sieht ja so aus, dass viele Jäger, vor allem in mieren. Und die jahrelangen Forschungen und Er- den Forstverwaltungen, 60, 70 ha Jagdfläche zur fahrungen zeigen, dass bleifreie Büchsenmunition Verfügung gestellt bekommen und von dort aus ein längst keine Defizite gegenüber bleihaltiger Büch- wahnsinniger Druck aufgebaut wird, dass zehn, senmunition hinsichtlich der Tötungswirkung 20 Stücken Wild im Jahr zu erlegen sind. Und das mehr aufweist. Die Erfahrungen dazu sind da. Es ist ja das eigentliche Problem, was wir haben. Dem braucht deshalb keinen Erfahrungsbericht bis 2027. Wild wird die Existenz genommen und es wird Es braucht einen vollständigen und zügigen Aus- nicht anerkannt, dass z. B. das Rehwild alle stieg aus bleihaltiger Munition innerhalb einer kur- zwei Stunden äsen muss, dass das Rotwild alle zen Übergangsfrist. Vielen Dank. vier Stunden äsen muss. Wenn man dauerhaft die- sen Prozess der Nahrungsaufnahme stört, dann Der Vorsitzende: Danke Herr Klose. Jetzt kommen habe ich natürlich mit riesige Wildschäden zu tun wir zu Herrn Gert Neidhardt. (Pause) Ihr Mikrofon oder überhaupt mit Wildschäden zu tun. Das ist ja ist noch stummgeschaltet, Herr Neidhardt. Wir das Thema. Das ist ja unser größter Auffassungsun- können Sie nicht hören. (Pause) Jetzt kommt es, ja- terschied. Wenn ich einer Kreatur ständig ihr eige- wohl. nes Existenzverhalten abspreche, z. B. ständig bei der Nahrungsaufnahme störe, dann habe ich natür- Gert Neidhardt (per Video): Sehr geehrter Herr lich mit diesen Folgen zu tun. Und hier müssen wir Vorsitzender, werte Abgeordnete. Kurz zu meiner in einer Gemeinschaft aller Beteiligten, wie Förster, Person. Ich bin 53 Jahre Jäger und kenne alle Facet- Jäger und Grundeigentümer, miteinander arbeiten. ten, die heute hier zu dieser Veranstaltung disku- Und der Gesetzgeber muss garantieren, dass lokal tiert werden sollen, bin selbst Waldbesitzer und derartige Zusammenarbeit wiederhergestellt wird. war 20 Jahre Vorsitzender einer Rotwild-Hegege- meinschaft im Erzgebirge. Und wir haben dann die Der Vorsitzende: Herr Neidhardt, die Zeit ist auch ganzen zwei Jahrzehnte mit der Forstpartie eng zu- deutlich überschritten. sammengearbeitet. Ich kenne deren Stellungnah- men bzw. Ansichten und unsere. Das große Pro- Gert Neidhardt (per Video): Ich bin gleich soweit. blem ist ja, es wird immer von zu viel Wild gespro- Und hier müssen wir wirklich auf Augenhöhe zu- chen. Der Wald ist abgestorben durch Trockenheit. sammenarbeiten. Und es darf da keine Privilegien Und das Erste, was genannt worden ist, ist, die ho- geben. Und darum bitte ich, dass alle gut überle- hen Wildbestände müssen reduziert werden, pau- gen. Und wir wollen das Ziel, dass der Wald mit schal. Pauschal heißt, in Deutschland gibt es über- dem Wild und dass die Pflanzen und die Naturver- all zu viel Wild. Eine völlig falsche Darstellung. Es jüngung, mit dem Waldumbau auch erreicht wer- gibt zweifellos Regionen, wo zu viel Wild existiert, den. Vielen Dank. aber das kann man nicht von Gesamtdeutschland behaupten. Und hier ist mein Standpunkt der, dass Der Vorsitzende: Jetzt kommen wir zum Herrn Pro- man sagt oder sagen muss, das Ökosystem Wald ist fessor Schraml. eine Vereinigung aus Pflanzen und Wildtieren. Man gönnt ja manchem Wildtier auch riesen Frei- Prof. Dr. Ulrich Schraml (per Video): Herr Gerig, heiten, siehe Wolf, und manchen Wildtieren über- meine Damen und Herren. Herzlichen Gruß hier haupt nicht. Man spricht ihnen das Existenzrecht aus Freiburg. Jetzt haben Ihnen alle Ihr Leben er- ab. Reh und Rotwild ist ja ein Schadwild. Und da zählt. Und ich will es nicht in ganzer Fülle tun, gibt es ja jede Menge Vereinigungen, die das prakti- aber vielleicht doch auf zwei Dinge hinweisen. Ich zieren. Und deshalb muss man sich erstmal unter- habe meine Dissertation irgendwann mal über Jäger halten über das Problem, wie viel gibt es denn geschrieben und habe dann die Habilitation den überhaupt Wild in der Region X? Und dann muss

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Waldbesitzerinnen und den Waldbesitzern gewid- man Schäden der jetzigen Generation vermeiden met. Insofern gibt es eine gewisse Fülle der Er- muss. Es braucht eine Weiterentwicklung um die kenntnisse, aus denen ich schöpfen kann. Und seit Sorge der Nutzungsmöglichkeiten von Wald in der zehn Jahren habe ich selber auch eine mittelgroße nächsten Generation. Und da ist eben die Waldver- Jagd gepachtet und habe da auch immer den Per- jüngung, so wie sie heute stattfindet, das zentrale spektivenwechsel, um herauszufinden, ob das, was Element, über das man diskutieren, streiten und wir in der Wissenschaft treiben, sich auch in der auf das in der Umsetzung ein ganz besonderes Praxis bewährt. Und ich denke, ein wichtiges Ziel Augenmerk legen muss. Ich denke mal, diese des Gesetzentwurfes muss es sein, dass die Art und Aspekte kann man im Gesetz schon nachlesen und Weise, wie jetzt in den letzten Monaten die politi- kann man vielleicht auch in der Gesetzesbegrün- sche Debatte geführt wurde, nicht hinausgetragen dung nochmal deutlicher herausarbeiten. Vielleicht wird in die Diskussionen, die draußen zwischen ein paar Prinzipien, die man aus diesem Ansatz ab- den Waldbesitzenden und den Jägerinnen und Jä- leiten kann. Zum einen dem Prinzip, die Vielfalt gern geführt werden. Ich denke, es ist ein wichtiges der Verhältnisse so groß, man wird dem nicht mit Anliegen, dass dieses Diffamieren, was jetzt eine viel Administration gerecht werden. Man wird auf große Rolle gespielt hat, zu einem respektvollen die Eigenverantwortung der Akteure setzen müs- Umgang, den man miteinander pflegen kann, wei- sen. Das tut man klugerweise, indem man das Ver- terentwickelt wird und dass die Auftritte, die oft- tragsrecht entsprechend stärkt und die Akteure da- mals in den vergangenen Monaten vor allem der bei unterstützt. Und die Unterstützung kann der eigenen Community gedient haben, dazu dienen, Staat natürlich an einer Stelle ganz gut leisten. Er dass man gemeinsam zu Ergebnissen kommt. Da kann sie nämlich da leisten, wo man mit Hilfe von hilft es vielleicht, und das zielt jetzt zunächst ein- fachlicher Information und mit Hilfe eines mal auf die Begründung des Gesetzes ab, wenn Feedback-Systems ein bisschen Dialog unterstützt. man sich ein stückweit aus der klassischen Wald- Also ich spreche von dem Vegetationsgutachten. Es Wild-Rhetorik herausbewegt und eigentlich den ist eigentlich nichts anderes, was alle von Ihnen Kerngedanken einer gemeinschaftlichen nachhalti- kennen, wenn Sie selber Kinder haben. Da gibt es ja gen Waldnutzung in den Mittelpunkt stellt. Weil auch dieses Vorsorgeprinzip … ich denke, es ist eigentlich die Gretchenfrage, um die es aktuell geht. Wie kann es gelingen, dass man Der Vorsitzende: Herr Professor, die Zeit. in einer Zeit, die von ausgesprochen großer Dyna- mik geprägt ist, einerseits durch den Klimawandel Prof. Dr. Ulrich Schraml (per Video): Noch einen ganz klar, aber natürlich auch durch soziale Verän- Gedanken, noch den fertig. Also diese U-Untersu- derungen, durch Prozesse der Globalisierung, wo chungen, die wir mit unseren Kindern durchfüh- Arten durch die Welt bewegt werden, wie kann es ren, das ist der zentrale Gedanke, dass ich eine da gelingen, einen nachhaltige Nutzung von Wald Rückmeldung bekomme von einer Fachperson, ob gemeinsam zu organisieren und welchen Beitrag die Entwicklung entsprechend funktioniert oder kann dazu das Jagdrecht leisten? Wenn Sie da in nicht. Und ich denke, das ist ein wesentlicher die große Nachhaltigkeitspolitik schauen, das SDG Aspekt, auf dem man sich auch mit einem Vegetati- (Sustainable Development Goal) Nr. 17 sagt dazu, onsgutachten stützen kann, dass ich da ein regel- sind Partnerschaften eine nötige Voraussetzung. mäßiges Feedback bekomme, dass das flächig pas- Und wenn Sie es mit Elinor Ostrom halten, die zu siert und dass ich eine Aussage bekomme, die mich diesem Thema den Nobelpreis bekommen hat auch anspricht, weil sie auf der Revierebene er- 2009, die gibt den klugen Ratschlag: Wenn ihr ein folgt. Und wenn das noch amtlich unterstützt ist, gutes Konzept sucht für eine nachhaltige Nutzung dann hat es auch eine fachliche Qualität. Und ich natürlicher Ressourcen, dann stützt euch nicht auf denke, das ist eine wesentliche Grundlage für diese die Beamten, sondern stützt euch auf die Erfahrung gelingenden Dialoge. vor Ort und bringt die zentralen Nutzergruppen in einen guten Dialog. Ich denke, für diesen Dialog Der Vorsitzende: Wir fahren fort mit Herrn Profes- braucht es zum einen eine Vision. Da braucht es sor Bolte (Thünen-Institut). eine Weiterentwicklung des Hegegedankens, der bislang ganz stark von der Sorge getragen ist, dass

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Prof. Dr. Andreas Bolte (Thünen-Institut, per dann auch eher stärker in die Verantwortung der Video): Sehr geehrter Herr Gerig, sehr geehrte Da- Jagdpächter geht. Die Idee dahinter ist meines Er- men und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Kolle- achtens die charmante, dass es automatisch damit gen. Vielen Dank auch meinerseits zur Möglichkeit ein Miteinander, eine Diskussion geben muss auf zur Stellungnahme für das Thünen-Institut für der Fläche, weil wir sozusagen dann auch ein Mit- Waldökosysteme, das ich leite. Ich werde mich be- einander haben von nichtheimischen und heimi- ziehen im Kern auf die Neufassung des Hegegedan- schen Baumarten, die dazu führen, dass sich also kens, also Ziel, Verjüngung des Waldes im Wesent- dann Waldbesitzer und Jagdpächter dann da ent- lichen ohne Schutz ermöglichen. Herr Gerig hat in sprechend auch miteinander abstimmen, welche der Einleitung schon gesagt, dass wir ca. Maßnahmen, Schutzmaßnahmen usw. notwendig 300 000 ha wieder zu bewaldende Fläche haben. sind. Das so viel von meiner Seite als Kerngedanke Wir haben vor kurzem eine Studie zu den zukünfti- zu dem neugefassten Hegebegriff. Dankeschön. gen Risikobeständen fertiggestellt und publiziert. Da reden wir von der fast zehnfachen Menge, näm- Der Vorsitzende: Danke Herr Professor Bolte (Thü- lich 2,85 Millionen (Mio.) ha. Und wenn die in ab- nen-Institut). Jetzt kommt Herr Dietrich Mehl (Lan- sehbarer Zeit, z. B. bis zum Jahre 2050, umgebaut deswaldoberförsterei). (Pause) Herr Mehl? werden sollen, müssen wir die bisherige Umbauflä- che auf annähernd 100 000 ha vervierfachen. Und Dietrich Mehl (Landeswaldoberförsterei, per das bedeutet pro Jahr 200 bis 400 Mio. Pflanzen Video): Guten Tag an alle. Ich leite eine Landes- oder insgesamt sechs bis 12 Milliarden (Mrd.) waldoberförsterei in Brandenburg und komme aus Pflanzen bis 2050. Das ist eine Riesenaufgabe. Die der Uckermark. Ich hoffe, dass ich gut zu verstehen kostet sehr viel Geld. Wir haben ausgerechnet zwi- bin? schen 13 und 43 Mrd. Euro. Und die müssen natür- lich gut angelegt sein auch in dem Sinne, dass die- Der Vorsitzende: Leider ist die Tonverbindung sehr ser Waldumbau gelingt. Vielfach wurde ja auch dis- schlecht. So wie ich es erkennen kann, wäre es kutiert, auch in den Stellungnahmen, dass der vielleicht günstig, wenn Sie Ihre Kamera abstellen. Streit ist, ob hier jetzt sozusagen der Hegegedanke Dann ist die Verbindung für den Ton oft ausrei- die Verjüngung, also Naturverjüngung, Saat und chend. Wenn Sie einfach mal Kamera ausmachen Pflanzung beinhaltet, oder nur die Naturverjün- und Ton an. gung. Dazu relativ klar, wenn es um Waldumbau geht, brauchen wir natürlich auch die Kunstverjün- Dietrich Mehl (Landeswaldoberförsterei, per gung, d. h. also Pflanzung und Saat auf größerer Video): Ich war bestimmt nicht zu verstehen bis Fläche. In der Diskussion, wie man dies sozusagen eben, ja? eigentlich auch im Ausgleich und im fairen Aus- gleich zwischen Jägerschaft einerseits oder Päch- Der Vorsitzende: So ist es in der Tat. Mein Gedanke tern und auf der anderen Seite Waldbesitzern gelin- war, dass Sie es ohne Kamera machen. gen kann, ist sicherlich wichtig, dass man im Grun- de sich anschaut, wie die Verjüngung sich insge- Dietrich Mehl (Landeswaldoberförsterei, per samt vollzieht, was dann im Grunde eine entspre- Video): Ich versuche das jetzt mal. chende Klassifizierung wäre. Und unser Vorschlag geht in die Richtung, den aktuellen Gesetzentwurf Der Vorsitzende: Jetzt ist (es) besser. zu ergänzen, dass die Verjüngung des Waldes mit heimischen Baumarkten im Wesentlichen ohne Dietrich Mehl (Landeswaldoberförsterei, per Schutz zu ermöglichen sei. Das bedeutet, dass es Video): Es hält immer mal eine Weile und geht einen Lastenausgleich gibt, weil nämlich gleicher- dann leider doch weg. Ich versuche mal durchzu- maßen Waldbesitzer für die bisher nichtheimischen kommen mit meinem Statement. Das BJagdG und Baumarten und auch diejenigen, die zukünftig im auch eine Vielzahl von Landesjagdgesetzen sind Zuge der Einwanderung neuer Baumarten dann Hegegesetze nach wie vor, in deren Folge in den auch befördert werden sollen. Auf der anderen letzten Jahrzehnten ein drastischer Anstieg der Seite haben wir die Naturverjüngung häufig auch Schalenwildbestände verzeichnet werden muss. In schon vorhandener Baumarten, die im Grunde

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Brandenburg beträgt dieser Anstieg fast 1 000 Pro- jetzt erst einmal um eine drastische Reduzierung zent (gegenüber) von 1957. der Wildbestände gehen. Mit der dann auf großen Flächen möglichen natürlichen oder künstlichen Der Vorsitzende: Die Leistung reicht nicht, Herr Verjüngung des Waldes können Waldbesitzer zum Mehl (Landeswaldoberförsterei). Sie müssten es einen ihre Ziele erreichen, aber vor allen Dingen ohne Kamera versuchen? Wenn Sie … werden auch grundlegende Ansprüche der Gesell- schaft im Hinblick auf stabile, gesunde und anpas- Dietrich Mehl (Landeswaldoberförsterei, per sungsfähige Wälder zur Sicherung unsere Existenz- Video): Wie mache ich das? grundlagen erfüllt. Und auch für das Wild werden die Lebensbedingungen deutlich verbessert. Denn Der Vorsitzender: Wenn Sie Ihre Kamera stoppen. sein Lebensraum wird deckungsreicher und bietet Da gibt es eine Leiste, da kann man einfach die Ka- ein vielfältiges Nahrungsangebot. In solchen Wäl- mera ausschalten. Video steht daran. Video. Jetzt dern ist es ganz anders möglich, Einflüsse von versuchen Sie weiter zu reden. außen auszugleichen, auf Störung zu reagieren und eine tragfähige Balance zwischen Wald und Wild Dietrich Mehl (Landeswaldoberförsterei, per herzustellen. Dafür gibt es Beispiele, z. B. bei uns Video): Dem Anwachsen der Wildbestände steht in der Landeswaldoberförsterei. Ich lade Sie herz- eine dramatisch verschlechterte Situation der Wäl- lich ein, sich das anzuschauen. Klar ist allerdings der gegenüber. Es fehlt auf großen Flächen eine auch, dass man für die beschriebene Herausforde- nachhaltige Waldverjüngung. Sofern Verjüngung rung möglichst viele Jäger/innen gewinnen muss. vorhanden ist, ist diese zu großen Teilen verbissen. Abgesehen von dem Umstand, dass es auch um Für Brandenburg belegt die letzte Bundeswaldin- ihre Lebensgrundlagen geht, wird es erforderlich ventur (BWI), dass jede zweite Pflanze verbissen sein, ein verändertes Selbstverständnis von Jagd zu ist. Hinzu kommt, dass eine extreme Entmischung entwickeln. Neben ihrer kulturhistorischen Bedeu- der Waldverjüngung zu verzeichnen ist, da bevor- tung, muss sich die Jagd vielmehr als dringend er- zugt Laubbäume wie Eiche, Buche, Ahorn verbis- forderlichen Teil der Daseinsvorsorge für die Ge- sen werden und vergleichsweise monotone Nadel- sellschaft verstehen. Diese Art Jagd bräuchte um holzverjüngungen verbleiben. Ein wesentlicher ihre Zukunft weit weniger Sorge haben, als es ge- Grund dafür besteht in der Tatsache, dass das Jagd- genwärtig der Fall ist. Dankeschön. recht und das Jagdausübungsrecht entkoppelt wur- den. Grundsätzlich steht den Grundeigentümern Der Vorsitzende: Vielen Dank Herr Mehl (Lan- das Jagdrecht auf ihren Flächen zu. Es tatsächlich deswaldoberförsterei). Es gab doch mehrfach klei- auch eigenverantwortlich ausüben zu können, ist nere Aussetzer, die uns dann leider auch im Proto- aber an Mindestflächengrößen gebunden, in der Re- koll fehlen werden. Aber nachher vielleicht geht es gel (i. d. R.) 75 ha zusammenhängend, welche von in Beantwortung der Fragen besser, wenn Sie alle fast 99 Prozent der Waldbesitzer/innen nicht er- digitale Energie bündeln. Jetzt kommt als Letzter reicht wird. Der entstehende Zielkonflikt, z. B. ge- mit seinem Statement Herr Professor Hackländer mischte Waldverjüngung auf der einen Seite und (IWJ). hohe Wildbestände auf der anderen Seite, lässt sich ohne die Aufhebung dieser Trennung nicht errei- Prof. Dr. Klaus Hackländer (IWJ, per Video): Dan- chen. Daran wird auch die Einführung einer Ver- keschön Herr Vorsitzender, sehr geehrte Abgeord- einbarung zur Abschusshöhe nichts ändern, da so- nete. Ich freue mich sehr, dass ich heute die Mög- wohl das Grundmodell als auch die Beteiligten mit lichkeit habe, hier Stellung zu beziehen. Ich bin den unterschiedlichen Zielsetzungen dieselben selbst kein Jäger, kein Waldbesitzer, beschäftige bleiben. Verlierer dieser auch durch die novellierte mich aber wissenschaftlich mit der Jagd und auch Fassung des BJagdG fortgeführten Modells sind die mit dem Wildtiermanagement. Meine schriftliche ca. eine Mio. Waldbesitzenden bzw. andere Flä- Stellungnahme liegt Ihnen vor. Ich möchte nur in cheneigentümer und letztendlich der deutsche aller Kürze nochmal betonen, dass der Gesetzesent- Wald insgesamt. Die erwartbare Diskussion, dass wurf sehr gute Aspekte enthält, z. B. wie die Ver- dieser „Streit“ auf dem Rücken des Wildes ausge- einheitlichung der Jagd- und Falknereiausbildung tragen wird, ist nicht korrekt. Natürlich muss es

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oder auch das Zurückfahren der bleihaltigen Muni- mit der Union (CDU/CSU) und da hat sich der Kol- tion. Was fachlich aber auf jeden Fall nicht tragbar lege Färber zu Wort gemeldet. ist, ist die hier jetzt schon vielfach diskutierte Stra- tegie, wie das BJagdG dazu beitragen kann, dass wir Abg. Hermann Färber (CDU/CSU): Vielen Dank in Deutschland klimafitte Wälder bekommen kön- Herr Vorsitzender. Vielen Dank auch an die nen. Das Problem liegt darin, dass wir eine sehr Statements der Sachverständigen. Ich hätte eigent- komplexe Situation vereinfachen möchten. Wir ha- lich zwei Fragen an die Herren (Professoren) Her- ben Schäden im Wald und wir haben Wild, das zog und Schraml. Zum einen: wie kann Ihrer Ein- frisst den Wald. Also müssen wir das Wild loswer- schätzung nach der Waldumbau dann wirklich ge- den. Das wird so nicht funktionieren. Der Wald lingen? Wie sollte die Aufgabenverteilung zwi- wird nämlich hier nur als Forst gesehen, bei dem schen Forst- und Jagdseite aussehen? Welche Be- eine Verjüngung im Wesentlichen eben ohne deutung kommt dabei der Rehwildbejagung zu? Schutzmaßnahmen möglich sein soll. Wald ist aber Und wo stößt diese dann auch wiederum an ihre nicht nur eine Holzplantage, sondern Wald ist vor Grenzen? allen Dingen in seiner vielfältigen Funktion auch Lebensraum für Wildtiere. Und damit sind auch Der Vorsitzende: Herr Professor Herzog. verbissene Bäume ganz natürlich. Die klimafitten Wälder, die sind auf jeden Fall wichtig, aber die Prof. Dr. Dr. Sven Herzog (per Video): Ja, es ist Frage ist, wie wir diese klimafitten Wälder errei- eigentlich ganz einfach. Wir müssen im Grunde chen können. Nicht mit dem Irrglauben, dass wir das, was die Wissenschaft, die Wildbiologie, in den das alleine dadurch schaffen, dass wir den Jagd- letzten Jahrzehnten geliefert hat, einfach nur an- druck erhöhen, denn das wird dazu führen, dass wenden. D. h. (also), man kann durch Bejagung das Wild noch heimischer wird. Und im Prinzip Wild lenken, man kann durch Bejagung Wild redu- gibt es hier ein Wettrüsten. Und ich kann Ihnen zieren. Man muss das kombinieren können mit versprechen, das Wild wird dabei gewinnen. Mit einer intelligenten Forstwirtschaft, wenn ich z. B. jagdlichen Mitteln können wir das Wild nicht so klar definiere, wo habe ich Verjüngungsschwer- regulieren, wie wir das in einem naturfernen Forst punkte. Und dann kann ich schwerpunktmäßig ja- tatsächlich brauchen würden. Die Erfahrungen aus gen und kann dann sowohl einen Reduktionsaspekt Österreich zeigen, dass vor allem die Naturverjün- der Jagd als auch den Verdrängungsaspekt der Jagd gung des Waldes die vielversprechendste Strategie nutzen und damit (eigentlich) mit einem vernünfti- für klimafitte Wälder ist. Diese naturverjüngten gen Maß an Jagddruck sehr gute Ergebnisse erzie- Wälder, naturnahen Wälder, sind auch weniger len. Solche Beispiele gibt es. Und so etwas kann schadanfällig für Wildeinfluss. Der andere Aspekt, man auch überall, oder (vielleicht) nicht überall, der hier natürlich auch zu kritisieren ist, ist die De- aber an vielen Stellen anschauen. Das Problem, was finition der Hege, weil die sich nur auf dem Wald wir eben haben, wie ich schon sagte, ist, dass man beziehen soll. Damit wird dieser Begriff ge- (viel zu) monokausal bisher immer nur auf Wildbe- schwächt; der wird unnötig eingeschränkt. Denn stände und Frasseinwirkung geschaut hat und die Hege ist ja das Mittel zum Zweck zur Errei- nicht auf die Art des Verhaltens des Wildes, das chung eines artenreichen und gesunden Wildbe- eben vor allen Dingen auch durch Stress, also standes. Und dazu gehört auch u. a. das ganzjährig durch zu starke Bejagung, durch Waldbesucher und geschonte Wild, das auch gehegt werden muss von Ähnliches, durch Freizeitaktivitäten in der Natur, den Jägerinnen und Jägern. Und dazu gehört der verursacht wird. Dieser Stress führt dann wieder- Seehund wie der Auerhahn, aber auch der Wolf um dazu, dass die Tiere praktisch in den Beständen momentan, d. h. ich rate dringendst, diesen § 1 bleiben und dort natürlich Schäden anrichten. D. h. (des Gesetzentwurfes) entsprechend umzuarbeiten, ein integrativer Ansatz zwischen Forstwirtschaft wie ich es in meiner Stellungnahme erwähnt habe, und Bejagung, der eben nicht nur auf ein reines Re- insofern, dass man sagt, sie soll u. a. im Wald eine duzieren hinaus gerichtet ist, sondern intelligentes Naturverjüngung ermöglichen. Dankeschön. Jagen, ist wahrscheinlich die Lösung, die auch funktionieren wird. Man muss es (sie) nur anwen- Der Vorsitzende: Vielen Dank für die Statements. den. Jetzt geben wir Gas und starten in die Fragerunde

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Der Vorsitzende: Herr Professor Schraml, Sie waren es große Waldflächen, wo ich mit den Ansätzen, auch noch angesprochen. die ich jetzt skizziert habe, ein gutes Zusammen- spiel mit Abschussgestaltung und Lebensraument- Prof. Dr. Ulrich Schraml (per Video): Ich versuche wicklung durch die Waldbesitzer, sehr weit kom- es mal mit einem Bild. Ich glaube, die Aufgabe, die me. Und da gibt es eben parzellierte Waldflächen. sich uns stellt, besteht darin, dass man diese ver- Die Fragmentierung spielt natürlich bei den klei- schiedenen Maßnahmen in ein vernünftiges Ver- nen Waldflächen dann auch dem Rehwild entspre- hältnis setzt. Und das Bild, das ich Ihnen präsentie- chend in die Karten, d. h. wenn ich eine kleine ren will, ist das Bild eines Rades. Ich glaube, das Waldfläche habe, die schwierig zu bejagen ist, wo Zentrale ist tatsächlich der Abschuss. Das ist die aus größeren landwirtschaftlichen Flächen das Frage, wie viel Wild ist auf der Fläche und wie Rehwild regelmäßig wieder einwandert, da komme wird das Wild auf der Fläche verteilt. Das wäre das, ich dann mit einem klassischen Bejagungsansatz was ich gerne in meinem Bild in den Mittelpunkt schnell an meine Grenze. Und dann muss ich ir- rücken würde. Das treibt nämlich dieses System gendwann großräumig denken. Dann muss ich voran. Das ist die Narbe dieses Rades. Damit das dann auch die Landwirtschaft im Umfeld von die- Rad aber rundläuft, brauche ich noch eine Reihe sen Waldflächen mit in die Konzeptentwicklung von ergänzenden Maßnahmen. Da stimme ich dem hineinnehmen. Da muss man versuchen, Lebens- Vorredner zu. Die helfen mir da entsprechend in raum auf dem Land zu schaffen. Und da kriegt man der Umsetzung. Und da kommen natürlich Waldbe- es nur auf einer größeren Fläche hin. Und das wäre sitzende ganz klar mit in die Verantwortung hinein. für mich eben die Grenze, wo man dann auch aner- Das Spiel mit dem Licht ist natürlich ein ganz we- kennen muss, die Regulierung allein ist es natür- sentlicher Faktor, der von Waldbesitzerseite kom- lich nicht. Ich muss auf der Landschaftsebene pla- men kann. Die Unterstützung der Bejagung, indem nen, denken und am Schluss auch handeln. entsprechende Flächen freigehalten sind, indem es da Schneisen gibt, indem man nicht vom Forstbe- Der Vorsitzende: Vielen Dank. Kollege Auernham- trieb die Jagdausübung entsprechend behindert. mer. Das sind alles Dinge, wo man sich abstimmen kann und wo man miteinander arbeiten kann. Aber ich Abg. (CDU/CSU): Vielen denke mal, das zentrale Argument und die zentrale Dank Herr Vorsitzender. Meine sehr verehrten Da- Aussage muss immer bleiben: Wenn diese Narbe men und Herren. Meine Fragen gehen in erster Li- nicht funktioniert und wenn nicht der Einfluss auf nie an Professor Herzog, aber auch an Profes- die Wildtierpopulation, auch die Regulierung, im sor Schraml. Wenn wir aufgrund des absolut not- Mittelpunkt steht, dann gehen auch die anderen In- wendigen Waldumbaus auch neue Baumarten in strumente ins Leere. Wenn diese Speichen entspre- die Wälder einbringen müssen, glauben Sie, dass chend entwickelt sind, dann bin ich natürlich eher durch eine intensivere Jagd dadurch auch Wild- in der Lage, mit einer Reduktion auch entspre- schäden vermieden werden können? Dankeschön. chend meine Ziele zu erreichen. Ich denke, wenn man es in diesem Verhältnis sich vor Augen führt, Prof. Dr. Dr. Sven Herzog (per Video): Intensivere dann kommt man ein ganzes Stück weiter. Dass wir Bejagung zusammen …. Sorry, will der Kollege so stark über die Rehe diskutieren, hat natürlich Schraml zuerst diesmal? (Pause) was mit der Entwicklung unserer Lebensräume zu tun. Die Art und Weise, wie sich die Wälder entwi- Prof. Dr. Ulrich Schraml (per Video): Mach doch ckeln, sind schlecht für die Waldbesitzer, aber sind ruhig, Du redest schon. Komm. natürlich gut für das Rehwild. Da entstehen opti- male Rehwild-Lebensräume in der Zukunft, die na- Prof. Dr. Dr. Sven Herzog (per Video): Okay. Also türlich dann auch Äsung bieten, die Deckung bie- eine intensivere Jagd heißt, wenn ich sie wirklich ten und die zu den waldbaulichen Herausforderun- intelligent dosiere, wenn ich sage, okay, ich habe gen beitragen, über die eingangs ja auch der Vorsit- hier eine definierte Fläche, wo ich doch neue zende bereits berichtet hat. Wo kommt man an die Baumarten eingebracht habe und dort auf dieser Grenzen mit der Jagd? Ich denke, man muss sich Fläche intensiv jage, muss ich aber gleichzeitig einfach in der Landschaft vor Augen führen, da gibt dem Wild die Möglichkeit geben, auszuweichen,

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muss ich ihm Ruhezonen schaffen, muss auch Ende meiner Erklärungskraft. Also von daher, da Äsungsflächen z. B. schaffen. Dann funktioniert das sind gewisse Lockerungsübungen angezeigt, d. h. alles sehr gut. Man hätte (hat) Schwerpunktbeja- nicht, dass man jetzt auf großer Fläche Exoten an- gungssysteme, die gibt es für Rehwild seit den bauen will. Ich wüsste niemanden, der dem das 1990er Jahren aus (in) Österreich, dort entwickelt. Wort redet, aber es macht natürlich Sinn, heute be- Für Rotwild haben wir das z. T. selber im eigenen reits mit diesen Baumarten zu experimentieren und Hause seit den letzten zehn, 15 Jahren entwickelt. das auf kleiner Fläche auszuprobieren, was die uns Das funktioniert auch bei gepflanzten, nichtheimi- vielleicht in der Zukunft Wert sind. Die Naturver- schen Arten, aber es erfordert natürlich schon ein jüngung ist natürlich immer das Maß, an dem sich wirklich sehr intelligentes, sehr hochentwickeltes alles entwickeln lässt. Aber an vielen Stellen haben System des Zusammenspiels von Jagd und Forst- wir eben Naturverjüngung aus Baumarten, von de- wirtschaft und eben auch (von) Flächen, die nicht nen wir wissen, dass die heute schon nicht geeig- bejagt werden, die in Ruhe gelassen (werden). (es net sind und dass sie in 50 Jahren ganz gewiss stellt sich immer Frage), wo kriegt das Wild seine nicht geeignet sein werden. Und da gilt es dann ge- Nahrung her, wo wird es beunruhigt, wo wird es gebenenfalls (ggf.) auch mit Pflanzung und Saat durch nichtjagdliche Maßnahmen beunruhigt. Das entsprechend die Wälder weiterzuentwickeln, da- Thema Nachtbejagung spielt da hinein. Je weniger mit die nächste Generation da auch noch Nutzen ich die Nacht zur Bejagung nutze, auch der Wild- aus Wäldern ziehen kann - nicht nur wirtschaftlich schweine, desto besser geht es natürlich auch dem im klassischen Sinne, sondern auch sozial, auch Wald, weil der Stress (auch) in der Nacht natürlich ökologisch. Dafür ist dieser Schritt nötig. Und dafür besonders schädlich wirkt auf die Waldverjüngung. braucht es intensivere Jagd. Und da wiederhole ich D. h. also, diese ganze Vielzahl an Faktoren muss jetzt aber ganz ähnlich das, was der Sven Herzog ich in ein vernünftiges System zusammen konden- gesagt hat. Intensiv heißt, intensiv diese Bestände sieren. Und dann kann ich mit Bejagung auch bei regulieren, heißt, an den Stellen, wo es Probleme nichtheimischen Arten lokal in Flächen, wo ich sie gibt, auch die Population abdenken, aber intensiv einbringe, etwas erreichen. Wobei man auf der an- heißt auch, flexibel zu sein und über Jagdtechniken deren Seite immer überlegen muss, mit den nicht- nachzudenken. Also gerade dieses Thema Störung heimischen Arten muss man (natürlich) aus forstli- ist ja jetzt ein paar Mal gekommen. Also, das Wild cher Sicht (oft) auch sehr vorsichtig sein, denn wir fürchtet in den Waldbesitzern den Jäger und wahr- wissen eben nicht, was wir da machen. Wir haben scheinlich auch die Jägerin. D. h, wenn ich über ja gerade das Dilemma mit der Fichte erlebt, die Störung klage, dann muss ich natürlich jetzt auch (eben auch) am (jeweiligen) Standort nicht unbe- über den Störfaktor Jagd nachdenken und muss dingt anpasst war und dort nun auf vielen, vielen dann entsprechend eben intensiv darüber nachden- 1 000 ha stirbt. Deshalb bin ich eher (wirklich) ein ken, wie kann ich das Störerleben, das von der Jagd Befürworter der Naturverjüngung oder der Verjün- ausgeht, reduzieren, indem ich beispielsweise eben gung (eben) mit dem Artenspektrum, was wir hier- vielleicht die Angst auf den Hund projizieren lasse, zulande vorfinden in seiner gesamten genetischen indem ich mehr mit Hunden jage und weniger vom Breite. Hochsitz aus jage. D. h., es bedarf einer Weiterent- wicklung der Jagdtechniken, es braucht eine gewis- Der Vorsitzende: Herr Professor Schraml. se Flexibilität und braucht eben, wie der Sven Her- zog es gerade ausgeführt hat, vor allem auch dieses Prof. Dr. Ulrich Schraml (per Video): Ich schließe räumliche Muster. Ich konzentriere mich mit dem da vielleicht gleich an, da es um die heimischen Schrecken, der von der Jagd ausgeht, auf die ver- und andere Arten gegangen ist. Dieses Konzept jüngungsnotwendigen Flächen und habe gleich an- „heimisch hier und fremd dort“ kommt natürlich dere Bereiche, in denen genügend Äsung da ist, momentan an die Grenze seiner Erklärungskraft. aber das Wild weiß, da ist das Leben für mich un- Wir hatten jetzt hier im Südwesten Mitte Februar gefährlich. Und dann habe ich so ein räumliches (2021) 20 Grad (Celsius). Der Pfirsich auf meiner Muster. Und dann heißt eben Intensität, jagen im Terrasse, der treibt gerade aus. Da bin ich im klassi- Sinne von schießen, das intensiv tun, aber entspre- schen Verständnis von was war mal gut, weil hei- chende Alternativäsung anbieten und durch ein misch, und was ist böse, weil fremd, einfach am räumliches Verteilen der jagdlichen Aktivität auch

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für eine räumliche Verteilung auf der Fläche und Sie das, warum man das noch vor das Wort Verjün- bessere Erfolgsaussichten für die Naturverjüngung gung stellt? Und vielleicht können Sie auch noch oder die künstliche Verjüngung zu sorgen. darauf eingehen: es kam jetzt mehrfach die Aus- sage, dass Naturverjüngung die erfolgreichste Form Der Vorsitzende: Noch ca. zwei Minuten, kurze der Verjüngung sei. Vielleicht können Sie da auch Frage, kurze Antwort wäre möglich. nochmal kurz drauf eingehen.

Abg. Hermann Färber (CDU/CSU): Eine kurze Der Vorsitzende: Herr Klose. Frage an Herrn Dammann-Tamke, MdL. Wir haben jetzt gehört, dass es Stressfaktoren, dass es Störfak- Moritz Klose (per Video): Vielen Dank, ich versu- toren gibt. Können Sie dazu etwas sagen? Wie se- che mich kurz zu fassen. Ja, ich denke, der Hegebe- hen die aus und was kann man tun, um diese griff im BJagdG, das ist ein sehr traditioneller, in Stress- und Störfaktoren im Wald für das Rehwild meinen Augen schon etwas veralteter und nicht zu verringern oder zu beseitigen? mehr zeitgemäßer Begriff. Auch in der Diskussion, die wir hier führen, geht es viel um die wirtschaft- Der Vorsitzende: Herr Dammann-Tamke, MdL. lichen Aspekte. Es geht aber eben (um mehr), mei- ner Meinung nach sollte sich die Hege weiterentwi- Helmut Dammann-Tamke, MdL (per Video): ckeln. Es sollte eben nicht nur um die Vermeidung Stress- und Störfaktoren sind selbstverständlich von Wildschäden gehen, sondern die Hege sollte durch unsere zunehmende Freizeitaktivitäten und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen bei den uneingeschränkten Zugang zum Wald ständig der Erhaltung von Lebensräumen, bei artenreichen da. Ich möchte nur an den Katalog der ganzen Frei- Lebensgemeinschaften und heimischer Wildtiere. zeitaktivitäten, die traditionell mal mehr auf das Also nicht nur den zu jagenden Wildtieren, son- Pilzesammeln beschränkt waren, und heute der dern auch den geschützten Wildtieren darüber hin- Wald sozusagen auch Sportstätte für die Allge- aus. Ich denke, da braucht es wirklich, ein Ver- meinheit darstellt. Da wir hier aber in einem Aus- ständnis der Jägerinnen und Jäger dafür, wirklich schuss vor dem Deutschen Bundestag sind, steht, aktiven und gelebten Naturschutz zu machen. Das glaube ich, außer Frage, dass das gesellschaftspoli- würde ich mir wünschen, wenn man diesen Hege- tisch nicht gerade besonders goutiert wird, wenn begriff überarbeitet, ihn auch dahingehend weiter man dieses allgemeine Waldbetretungsrecht ein- zu bearbeiten. Zum Thema Verjüngung. Ich plädie- schränken würde. Aus wildbiologischer Sicht wäre re sehr dafür, standortgerechte und artenreiche Ver- es im Hinblick auf ein Jagdmanagement und auch jüngung von Wäldern und eigentlich nicht nur von ein Populationsmanagement sinnvoll, Ruhezonen Baumarten, sondern auch von den charakteristi- zu schaffen. Soweit in aller Kürze. schen Sträuchern und Kräutern mit einzuschließen, eben weil der Wald mehr ist als nur Baum, als nur Der Vorsitzende: Vielen Dank. Damit würde ich Forst, weil der Wald ein Ökosystem ist für viele überleiten zur (Fraktion der) SPD, Kollegin Ma- Tiere und Pflanzenarten. Und es ist eben wichtig, ckensen. den zu erhalten. Und dafür hat die Jagd eine Ver- antwortung. Und dieser muss sie gerecht werden. Abg. Isabel Mackensen (SPD): Hallo, vielen Dank Genau. Dann noch zum Thema Naturverjüngung. für die Gelegenheit, ein paar Fragen zu formulie- Natürlich ist Naturverjüngung anzustreben, auch, ren, und für diese Anhörung heute. Ich möchte ich sagte ja, ich jage selbst in einem Naturschutz- gerne meine erste Frage stellen an Herrn Klose. Sie wald. Da versuchen wir natürlich alles, die Natur- kritisieren, dass die Hege derzeit ein weitgehend verjüngung zu verbessern ohne Schutzmaßnahmen, unbestimmter Rechtsbegriff ist. Welche Verantwor- eben durch ein Wildtiermanagement. Aber die Na- tung sollten Jäger/innen im Rahmen der Hege noch turverjüngung wird eben auf der Fläche so nicht übernehmen? Vielleicht können Sie sich auch noch möglich sein. Wir haben das vorhin schon gehört. beziehen auf die Forderung in Ihrer Stellungnah- 300 000 ha müssen wieder aufgeforstet werden. Es me, vor dem Wort „Verjüngung“ die Begriffe gibt 2,85 Mio. ha Risikoflächen. Das geht natürlich „standortgerechter, artenreicher“. Warum fordern nicht über Naturverjüngung. Da brauchen wir auch

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die künstliche Verjüngung. Das muss eben Pflan- Anreicherung des Artenspektrums, indem Forst- zung und Saat miteinschließen. Und da muss na- leute und Waldbesitzer aktiv dazu beitragen, auch türlich auch die Jagd ihren Beitrag leisten, dass Baumarten einzubringen durch Saat oder Pflan- diese, auch die künstliche Verjüngung, weitestge- zung, die für einen halbwegs resilienten Waldauf- hend ohne technische Schutzmaßnahmen ermög- bau, gegenüber dem Klimawandel halbwegs resi- licht werden soll. Und dieses weitestgehend könnte lienten Waldaufbau, (einfach) benötigt werden. ich mir z. B. so vorstellen, dass man sagt, dass kon- Und das muss einfach flankiert sein durch eingere- kret die Hauptbaumarten eben ohne Schutzmaß- gelte – nennen wir es mal so – eingeregelte Scha- nahmen sich verjüngen können müssen und Ne- lenwildbestände, wobei wir ja hier immer nur über benbaumarten anfangs noch mit Schutz geschützt das Rehwild jetzt sprechen, weil nur das auch vom werden können in einer Übergangsphase. Danke- Gesetzentwurf angefasst wird. Das Rehwild ist al- schön. lerdings auch eine Wildart, die sehr selektiv Ver- biss ausübt in diesen Flächen. Und selektiv heißt Abg. Isabel Mackensen (SPD): Vielen Dank. Meine natürlich im Zweifelsfalle, sich sehr stark als Kon- nächste Frage geht an Herrn Dr. Jacob, auch zu die- zentratselektierer auf die Baumarten spezialisie- sem Themenbereich Hege und Verjüngung und Na- rend, die ihm als Nahrungsangebot in besonderer turverjüngung und hier nochmal speziell: in wel- Weise attraktiv erscheinen. Das sind eben häufig chen Aspekten sehen Sie eine Erweiterung der gerade mal die seltenen. Insoweit ist es schon erfor- Zweckbestimmung der Hege als sinnvoll an? Und derlich – und auch dazu ist Vieles gesagt worden, ich würde Sie auch bitten, zu der Naturverjüngung vieles Richtige gesagt worden – auf diesen Flächen noch zu sagen, wie Sie das bewerten, ob es die er- Schwerpunktbejagung auf das Rehwild (dann) zu folgreichste Form der Verjüngung ist oder ob Sie da betreiben, um dessen Einfluss dort einzudämmen. vielleicht noch eine andere Einschätzung haben? Niemand redet hier dem das Wort – insofern bin ich wirklich ein bisschen auch irritiert über die Der Vorsitzende: Herr Dr. Jacob. eine oder andere Wortmeldung, die etwas anderes unterstellt – niemand redet hier von einer Wildde- Dr. Jens Jacob (per Video): Es ist die erfolgreichste zimierung, einer Wildausrottung (das Wort) in Form der Verjüngung, weil die auf nahezu 90 Pro- einer Art und Weise, dass es nicht mehr so sein zent der Fläche auch stattfindet. Wenn man sich in würde, dass es in einem „günstigen Erhaltungszu- die Bundeswaldinventur einliest oder auch in die stand“ leben (würde), wie das so schön heißt. Kei- Landeswaldinventuren: Das ist das Regelverfahren. ner will das, keiner kann das. Aber im Zuge des Unsere Wälder werden überwiegend natürlich ver- Waldumbaus ist es einfach erforderlich, das zu be- jüngt. Die Problematik besteht nun darin, dass gleiten durch eine angepasste Schwerpunktjagd durch das Klimawandel-Regime Störungen hinein- und durch Einregeln von Wildbeständen an den gekommen sind in diesen Prozess und dass wir es Stellen, an denen das erforderlich ist. Das Rehwild mit Freiflächen vielfach zu tun haben und – darauf ist sehr standortstreu. Man kann, Herr Profes- hat Herr Bolte (Thünen-Institut) hingewiesen – sor Schraml, auf Landschaftsebene Vieles machen, auch mit Umbaubeständen (zu tun haben), bei de- aber Rehwild ist nicht Rotwild, das tigert jetzt auch nen das so dann nicht funktionieren kann, nicht nicht über Hunderte von Kilometern durch die Ge- funktionieren wird. Auf den Freiflächen haben wir gend, sondern das ist i. d. R. standortstreu, was andere klimatische Bedingungen. Da wird sich eine aber auch Chancen bei der Bejagung bietet: auf Buche beispielsweise nur sehr schwer hineinver- eben diesen Flächen, die umgebaut oder verjüngt jüngen (können) und Fuß fassen können. In den werden müssen, (dort) zu Werke zu gehen. Und Umbaubeständen liegt es auf der Hand und in der dann das Letzte dazu: Dann muss man das auch Natur der Sache, dass hier, wenn man „umbauen“ dürfen. Und das ist das, was ich an dem – Sie wol- will, neue Baumarten eingebracht werden müssen. len ja über den Gesetzentwurf auch beraten, nicht Insofern ist meinem Vorredner (einfach nur) zu fol- nur eine Grundsatzdebatte führen – das ist das, was gen an dieser Stelle. Es bedarf hier (an der Stelle) – ich an dem Gesetzentwurf schon anzumerken hätte, viele Vorredner, auch Herr Schraml, haben darauf dass es überreglementiert ist, wie die Jagdaus- hingewiesen – es bedarf hier an dieser Stelle einer übungsberechtigten und Jagdrechtsinhaber hier miteinander zusammenkommen sollen. Es ist

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schon „schön“, dass es (die Abschussfestsetzung) Gert Neidhardt (per Video): Danke. Verbissgutach- nicht mehr behördlich passiert. Ich habe das in ten sind in der Vergangenheit auch immer ein biss- meinem Eingangsstatement gesagt. Aber noch schö- chen missbraucht worden. Es wird immer festge- ner wäre es, noch wünschenswerter wäre es, wenn stellt, dass (Wild oder dass Pflanzen, welche auch dies bei dieser Wildart, um die man sich nirgend- verbissen wurden, und) die Ursachen für den Ver- wo Sorgen machen muss, einfach im Ermessen – biss an Pflanzen, in den (sind) zu hohe(n) Wildbe- der Bundesrat hat das klar gesagt und ich schließe stände(n) zu suchen sind. Und jetzt drehen wir uns mich dem vollumfänglich an – einfach im Ermes- wieder im Kreis. Und wir müssen nach den Ursa- sen der handelnden Akteure steht. Es ist viel von chen des Verbisses auch mit sehen (suchen), nicht Partnerschaften hier mit Recht die Rede gewesen. nur, aber auch. Es ist natürlich so, wenn zu viel Da(für) steht, dort die Dinge so einzuregeln, wie sie Wild da ist, (und da) muss es eine Wildbestandser- (man das) möchte(n) und nicht aufgrund von Regu- mittlung geben, großflächig für dieses Territorium, larien, die der Gesetzgeber meint für nötig zu hal- für diese Flächen. Und wenn das tatsächlich so ist, ten(. Da, sagen wir mal), Leitplanken aufgezeigt zu dass da Verbissdruck hoch ist und die Wildbestän- bekommen, die es nicht braucht. Nur eines braucht de zu groß sind, dann muss gehandelt werden, d. h. es, wenn die Dinge erkennbar aus dem Ruder lau- dann muss dort speziell auf diesen Flächen jagd- fen, dann ist tatsächlich mal eine Behörde gefragt. lich eingegriffen werden. Aber Verbissgutachten In Rheinland-Pfalz haben wir ein dazu Instrumen- sind eher abhängig vom Umfeld. Ist das eine Wald- tarium entwickelt und im Gesetz verankert: Für fläche, die nicht so groß ist und die eine große diese Fälle braucht es eine Behörde, die dann ein- Feldkante hat und sich große Feldflächen anschlie- schreitet und sagt, es muss einen Mindestabschuss- ßen, die ja manchmal mit wildfreundlichen Pflan- plan geben. Aber für alle anderen Fälle bedarf es zen bestellt werden, aber auch manchmal mit wild- dessen nicht. Das zunächst dazu. feindlichen Pflanzen bestellt werden? Und dann ist es natürlich zu erwarten, dass dort auf diesen Der Vorsitzende: Das war auch die Punktlandung Pflanzflächen oder auch in der Verjüngung, (dass für die „SPD-Runde“. Damit wechseln wir zum da) Schäden entstehen. Aber, was natürlich we- Kollegen Felser von der (Fraktion der) AfD. sentlich auch mit ist, und da komme ich wieder zu dem alten Problem, die Frage ist der Jagddruck. Abg. Peter Felser (AfD): Vielen Dank Herr Vorsit- Und wenn man das mal in der Realität sieht, wie zender, vielen Dank an die Sachverständigen, die heute gejagt wird. Es werden ja dann zu viele Jäger sich heute Zeit für uns nehmen, um vielleicht doch beauftragt, animiert, auf diesen Flächen oder in noch einen Schritt weiterzukommen beim Gesetz- dieser Gegend zu jagen. Das geht mit dem Morgen- entwurf, um den es hier heute geht. Und da steht ansitz los. Das geht mit Nachmittag- oder mit eben auch drin - und das würde ich den Herrn Abendansitz weiter. Und das Wild kriegt natürlich Neidhardt in der ersten Frage fragen wollen -, da sofort mit, dass der Feind, der sog. Feind, der Jä- geht es um Verbissgutachten bzw. um Gutachten, ger, in der Nähe ist und hier Vorsicht geboten ist. die nach einer wissenschaftlichen Methodik erfasst Und dann bleibt natürlich der normale Äsungs- und dokumentiert werden soll. Das haben wir ja rhythmus oder die Nahrungsaufnahme, wie man es schon, diese Verbissgutachten, in Bayern oder auch will, (bleibt) auf der Strecke. Und das bringt natür- woanders. Mein Eindruck ist, dass das nicht immer lich auch zusätzlichen Stress für das Wild. Und ganz so ganzheitlich beurteilt wird, der Lebens- dann werden natürlich Wege der Effektivität vom raum des Wildes. Meine Frage, Herr Neidhardt, wie Wild genutzt, möglichst schnell in die Kultur zu müsste denn ein aussagekräftiges Gutachten ausse- gehen oder in die Pflanzung zu gehen und dort die hen, das der Thematik Wald und Wild dann auch Nahrung aufzunehmen. Also, Verbissgutachten wirklich zurechtkommen würden? sind zweifellos notwendig, aber man muss ja auch diese Begleitumstände mit untersuchen und nach Der Vorsitzende: Herr Neidhardt, Sie dürfen direkt Ursachen suchen, nicht allein die Höhe des Wild- antworten. bestandes sehen.

Der Vorsitzende (gewandt an Abg. Peter Felser): Zwei Minuten wären es noch.

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Gert Neidhardt (per Video): Zwei Minuten habe ist eben das zweite Problem, d. h. da, wo ich libera- ich noch? lisiere, muss ich im Grunde auch darauf achten, dass ich z. B. solche Werte wie Tierwohl letztend- Der Vorsitzende: Nein, der Kollege Felser wollte lich erhalte und schütze. Wie gesagt, es würde zu nochmal fragen, Herr Neidhardt. weit führen, in zwei Minuten das im Detail (auszu- führen), aber ich glaube, Nachtjagd ist ein wichti- Abg. Peter Felser (AfD): Ja, ich würde noch eine ges Thema in dem Punkt. zweite Frage an den Professor Herzog stellen wol- len. Ganz kurz, Sie haben in Ihrem Gutachten ge- Der Vorsitzende: Vielen Dank. Damit kommen wir schrieben, Tierschutz und Tierwohlgedanke, der zur (Fraktion der) FDP; der Kollege Busen hat sich würde an verschiedenen Stellen verloren zu gehen zu Wort gemeldet. drohen. Das finde ich doch etwas heftig, diesen Vorwurf. Könnten Sie Beispiele bringen, Herr Pro- Abg. Karlheinz Busen (FDP): Vielen Dank. Und ich fessor Herzog, wo denn dieser Tierschutzgedanke meine auch, dass wir § 1 (des Gesetzentwurfes) tatsächlich überschritten werden könnte? doch tatsächlich überarbeiten müssen und ich freue mich, auch zu hören, wenn (man) ein Gesetz Prof. Dr. Dr. Sven Herzog (per Video): Ein ganz auch nicht überreglementieren darf. Und ich habe wichtiges Beispiel war das, was ich ganz kurz ange- mal eine Frage an den Professor Hackländer (IWJ). deutet habe, § 19, das Thema zunehmende Legali- Herr Professor Hackländer, inwieweit besitzt eine sierung, ich sage es mal allgemein, von Nachtziel- intakte Alters- und Sozialstruktur von Wildbestän- technik wird dazu führen, dass wir im Grunde aus den eine positive Funktion für den Wald und wie dem Tag oder den Abend-/Morgenstunden und bei können durch intakte, jagdlich regulierte Sozialver- Mond auch mal bei der Nacht, zu einer vollumfäng- bände Waldschänden minimiert werden? lichen, sozusagen das ganze Jahr über dauernden Bejagung bei Nacht (mit der Zeit) kommen werden, Der Vorsitzende: Herr Professor Hackländer (IWJ). auch (zunächst) beim Schwarzwild. Das weiß aber das andere Wild nicht. D. h., wir werden diesen Prof. Dr. Klaus Hackländer (IWJ, per Video): Also Stress für die Tiere praktisch auch in die Nacht- der Altersaufbau einer Population von Schalen- stunden tragen, wo es (sie) bislang noch ein biss- wildarten im Wald ist sicherlich sehr wichtig für chen Ruhe (hatten). Und wir werden damit natür- die Wildschadensanfälligkeit, insofern als ein art- lich auch ein (das) Stressniveau erhöhen. Und die- gerechter Aufbau einer Population auch Ruhe rein- ses hohe Stressniveau bei den Tieren ist natürlich bringt. Ansonsten gibt es Unruhe und dazu auch a) nicht tierschutzgerecht, das Individuum leidet natürlich dann mehr Bewegung. Und mehr Bewe- (natürlich) darunter, und b), habe ich auch schon gung bedeutet mehr Energieumsatz. Und mehr kurz erwähnt, führt das (natürlich) auch dazu, dass Energieumsatz wieder mehr Hunger und entspre- der normale Nahrungsaufnahmerhythmus dadurch chend eventuell eben einen höheren Einfluss auf gestört wird und eben auch wieder Schäden im den Wald. D. h., es ist ganz wichtig, dass dieser Wald entstehen. Das betrifft jetzt zwar im Grunde Jagddruck, der ausgeübt werden muss, um lokal ein im Gesetz nur das Schwarzwild im Wesentlichen, Problem zu lösen, dass der so durchgeführt wird, aber wie gesagt, die anderen Tiere wissen das dass man trotzdem die Altersstruktur und das Ge- nicht. D. h. also, eine flächendeckende und ganz- schlechterverhältnis eines Bestandes von Reh- oder jährige Bejagung der Landschaft bei Nacht ist für Rotwild auch nicht entsprechend zu sehr unter den Wald z. B. absolut kontraproduktiv und ist im- Druck setzt. mer (gleichzeitig) für das Tierwohl kontraproduk- tiv. Ansonsten gibt es das ein oder andere (Pro- Der Vorsitzende: Danke. Ja, bitte. blem) immer dort, wo ich (natürlich) (die Jagd) liberalisiere auf der einen Seite, gibt es natürlich Abg. Karlheinz Busen (FDP): Ich habe noch gerne immer das Risiko (auch), dass die Liberalisierung eine weitere Frage. Es wird ja auch in letzter Zeit von Menschen, die jetzt eine größere Regulation für viel geschrieben und man liest auch über Waldbe- sich selber nötig haben, die also nicht verantwor- tretung. Wir wollen allerdings keine Waldbetre- tungsbewusst handeln, auch missbraucht wird. Das tungsverbote. Aber es müssen doch Regelungen

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her. Und inwieweit kann sich eine Beruhigung der tatsächlich hier voranzukommen. Weil, wir haben Lebensräume von Wildtieren und eine Verbesse- keine Zeit. Wir können jetzt nicht weiter experi- rung der Lebensraumgestaltung positiv auf Wild- mentieren, sondern wir müssen die richtigen Ent- verbiss und Wildschäden auswirken, wenn wir da- scheidungen fällen. Und ich finde immer wichtig, hingehend wirken, dass der Wald nicht in Bestände dass man auch von Erfahrungen lernt. Also, wo hat usw. und abseits von Wegen betreten werden darf? es halbwegs funktioniert, weil die kooperative Zu- sammenarbeit zwischen Waldbesitzenden und Jä- Der Vorsitzende: Das geht immer noch an Professor gerschaft ist ja, scheinbar jedenfalls, Konsens. Des- Hackländer (IWJ)? wegen meine Frage an Dietrich Mehl (Landeswald- oberförsterei). Ihr Revier hat ja offensichtlich auch Abg. Karlheinz Busen (FDP): Ja. Fortschritte gemacht. Ich konnte mir das vor eini- gen Jahren auch mal anschauen. Was hat denn da Prof. Dr. Klaus Hackländer (IWJ, per Video): Gut, vor Ort funktioniert oder wo erwarten Sie jetzt Un- danke, gerne. Also, es ist sicherlich ganz wichtig, terstützung tatsächlich von uns als Gesetzgeber, da- dass wir in dieser Kulturlandschaft Deutschlands, mit das in Zukunft funktioniert und wie meinen wo wir doch sehr viele Störungen haben, durch die Sie das mit der Beweislastumkehr? Jagd, durch die Freizeitaktivitäten auf die Wildtie- re, dass wir hier wirklich auch Rückzugsräume bie- Der Vorsitzende: Herr Mehl (Landeswaldoberförste- ten. Rückzugsräume insofern, als das Wild auch rei), wir versuchen es. dann nicht gezwungen wird, in einen höheren Stoffwechselstatus zu gehen und dann noch mehr Dietrich Mehl (Landeswaldoberförsterei, per Hunger zu haben und noch mehr zu verbeißen. Video): Ich hoffe, ich bin jetzt gut zu verstehen. Ich Diese Rückzugsräume kennen wir z. B. aus der konnte allen Dingen jetzt gut folgen. Ich bin seit Schweiz. Da gibt es also in den Kantonen entspre- knapp 25 Jahren inzwischen hier in der Uckermark chende Schutzwälder, Bannwälder, wo das Wild forstlich und jagdlich tätig. Was man sehen kann, Vorrang hat. Da gibt es keine Jagd und keine andere ist, dass sich der Wald verändert, dass auf großen menschliche Nutzung, Geocaching in der Nacht, Flächen natürliche Verjüngung möglich ist. Und oder was auch immer. Und das wirkt sich positiv was man gleichermaßen sehen kann, dass wir es in aus auf die Zusammensetzung der Population, aber keinster Weise bei irgendeiner Wildart mit einer auch auf den Wildeinfluss im Wald. Insofern ist es Ausrottung zu tun haben. Wir schießen nach wie ganz wichtig. Und vielleicht kann man ja auch die vor sehr viel Rehwild, wir schießen nach wie vor Landes- und Staatsforsten dazu einladen, mal hier sehr viele Sauen, wir schießen nach wie vor Rot- mit gutem Vorbild voranzugehen und auch dann wild, wir schießen nach wie vor Damwild. Wir ver- hier Wildruhezonen explizit einzurichten und das suchen allerdings, die Dinge in ein Gleichgewicht mal wirklich auszuprobieren. Dazu gehört natür- zu bringen. Und das kann man sich bei uns an- lich ein gewisser Mut, den es hier vielleicht auch schauen. Bei vielen Vorrednern hätte ich gerne die in dieser heiklen Situation, die wir haben, weil wir Frage gestellt, wo es denn für diese Ausführungen den klimafitten Wald herstellen wollen und brau- Beispiele gibt. Ich kenne sehr wenige Beispiele, wo chen, tatsächlich auch notwendig ist. Danke. mit viel Wild forstliche, aber vor allen Dingen auch gesellschaftliche Ziele, was den Wald anbelangt, in Der Vorsitzende: Danke. Dann wechseln wir jetzt Einklang zu bringen sind. Es geht uns überhaupt zur Fraktion DIE LINKE.. gar nicht darum, irgendetwas auszurotten, aber wir wollen Wildbestände auf ein Maß reduzieren, wo Abg. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.): Vielen sich der Wald erholen kann, wo er sich auf großen Dank. Sehr spannende Diskussion, wenn auch in Flächen natürlich verjüngt, weil in der Folge, ne- einem Kontext, der sehr schwierig ist. Weil, wir ha- ben all den forstlichen und gesellschaftlichen Zie- ben mit einem Waldzustand zu tun, das hat die Mi- len, auch sich der Lebensraum für das Wild, so wie nisterin vorgetragen, der dramatisch ist, zumindest ich es im Statement gesagt hatte, verbessert. Und in vielen Regionen, vielleicht nicht überall, und das können Sie sich bei uns anschauen, in vielen gleichzeitig müssen wir darüber diskutieren, wie anderen Forstbetrieben vielleicht auch schon. Es ist wir auch als Gesetzgeber jetzt darauf reagieren, um

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so, dass wir trotzdem ein paar Dinge weiterhin be- Abg. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nötigen, die auch gesetzlich zu regeln sind. Da ist Danke Herr Vorsitzender. Wir haben ja gehört, wir z. B. das Überjagen der Hunde. Es muss vielmehr haben große Aufgaben vor uns, was den Umbau zu eine ganz andere, klarere Zielsetzung, was die Jagd klimastabilen Wäldern angeht, dass wir mehr eigentlich erfüllen soll (, formuliert werden). Es Baumartenvielfalt, mehr Naturnähe im Wald brau- sind Jagdzeiten auch entsprechend anzupassen. chen, um widerstandsfähige Waldökosysteme zu Uns geht es überhaupt gar nicht darum, mehr und erreichen. Da geht es natürlich um Naturverjün- das ganze Jahr im Wald zu jagen, sondern wir wol- gung und da spielt auch die Jagd eine Rolle. Ich len zur richtigen Zeit im Wald jagen können. Und glaube, es wird Zeit, dieser Debatte durch wissen- da sind Dinge auch durch den Gesetzgeber nach schaftliche Fakten zur Sachlichkeit zu verhelfen, wie vor tatsächlich zu verbessern. Was wir glei- also d. h., die Behauptungsthesen, es gibt zu viel chermaßen machen, es können alle, die das gerne oder zu wenig oder „irgendwas“ Wild, die helfen wollen, an unseren Jagden teilnehmen. Da kann uns ja überhaupt an keiner einzigen Stelle weiter, sich jeder anhören, in welcher Art und Weise wir weil das sehr abstrakt ist und weil jeder da irgend- dort diese Jagden durchführen, mit welchen Ziel- etwas behaupten kann. Deshalb glaube ich, müssen stellungen wir das machen, mit welchen konkreten wir uns über die Frage, wie kommen wir zu diesen Hinweisen und ganz klaren Festlegungen bezüglich Fakten, unterhalten. Deshalb möchte ich Profes- Tierschutz und all diesen Dingen. Allerdings, der sor Bolte (Thünen-Institut) fragen. Können Sie er- Punkt bei uns ist, dass wir sehr konsequent die läutern, warum es für eine höhere Klimastabilität Dinge, die möglich sind, auch ausnutzen. der Wälder tatsächlich wichtig ist, im BJagdG regel- mäßig verbindliche Vegetationsgutachten vorzuse- Der Vorsitzende: Eine gute Minute wäre ggf. noch. hen und auch Jungwuchs von Nebenbaumarten im Rahmen der Verjüngungskonzepte explizit einzube- Abg. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.): Herr ziehen? Mehl, ich hatte noch nach der Beweislastumkehr gefragt. Der Vorsitzende: Herr (Professor) Bolte (Thünen- Institut). Dietrich Mehl (Landeswaldoberförsterei, per Video): Ach so. Es ist ja aktuell immer in der Dis- Prof. Dr. Andreas Bolte (Thünen-Institut, per kussion, dass die Waldbesitzer belegen müssen, Video): Ja, vielen Dank. Ich denke, ich hatte ja dass sie ein Problem haben, dass es starken Verbiss schon ausgeführt, dass wir diese Aufgabe haben, gibt, dass eine Entmischung stattfindet, all die gan- auf ca. einem Viertel der Flächen die Wälder umzu- zen Probleme, die heute diskutiert worden sind. Es gestalten. Da spielt natürlich neben der Naturver- ist noch nicht einmal das Wort gefallen, warum? jüngung die Pflanzung und Saat eine wichtige Rol- Wer belegt eigentlich, dass wir beim Wild ein Prob- le, wurde ja mehrfach angesprochen, wenn man lem haben? Die Strecken, die Schalenwildbestände, Baumarten wechselt, dann auch benötigt. Und da steigen kontinuierlich immer weiter an. Woher spielen sicherlich genau auch gerade Nebenbaum- kommt eigentlich die Sorge, dass wir beim Wild arten eine wichtige Rolle. D. h. also, wir haben ja ein Problem haben? Wie gesagt, in Brandenburg unsere vier Hauptbaumarten Fichte, Kiefer, die stehen wir aktuell bei 1 000 Prozent von 1957. Eichenarten und Buche, aber es deutet sich an, dass Wenn meinen Großvater 1957 jemand gefragt hätte, (wir) da eine ganze Reihe von sehr interessanten ob es ein jagdliches Problem gibt, da hätte er mit Nebenbaumarten haben, z. B. die Hainbuche oder dem Kopf geschüttelt. Für die war die Welt in Ord- die Winterlinde, Esskastanie usw., die im Grunde nung. Jetzt sind wir bei 1 000 Prozent von dieser als heimische sog. Nebenbaumarten da eine wich- Zahl und plötzlich machen sich alle Sorgen um die tige Rolle spielen. Also von daher denke ich, ist, Wildbestände. Das ist für mich überhaupt nicht das ist ja mehrfach angesprochen, die Ausweitung nachvollziehbar. der Baumartenpalette, auch ggf. unter Einbezie- hung von nichtheimischen Baumarten, die bei uns Der Vorsitzende: Vielen Dank. Lassen wir? Wir anklopfen, glaube ich, ein wichtiger Punkt. Und da- wechseln zum Kollegen Ebner von (der Fraktion) für, denke ich, brauchen wir auch eine gute Ein- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. schätzungsgrundlage auch des Zustandes und der

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Entwicklung der Vegetation. Und da spielt natür- Stellungnahmen, wenn ich sie richtig gelesen habe, lich auch der Verbisszustand auch eine wichtige auch das Fehlen einer Aufbrauchfrist kritisiert. Ist Rolle, aber nicht nur allein. Ich denke, diese Kom- aus Ihrer Sicht notwendig, den Ausstieg aus der bination aus Vegetationsgutachten und Lebens- Bleimunition weiter hinauszuzögern und keine raumanalyse ist ganz wichtig, damit wir tatsächlich Aufbrauchfrist vorzusehen? am Ende nicht uns darüber unterhalten: sind die Wildbestände zu hoch oder zu niedrig pauschal? Der Vorsitzende: Herr Professor Bolte (Thünen- Weil ein bestimmter Wildbestand in einem arten- Institut). reichen, reich strukturellen Lebensraum kann dort vollkommen in Ordnung sein, unter anderen Be- Prof. Dr. Andreas Bolte (Thünen-Institut), per dingungen ist er möglicherweise zu hoch und führt Video): Ich denke, es ist ja auch unstrittig, dass wir im Grunde zu entsprechenden Wildschäden. Also aus der bleihaltigen Munition aussteigen müssen. von daher ist es im Grunde eigentlich wichtig. Da muss es natürlich entsprechende Produkte ge- D. h., wenn wir keine verbindliche Grundlage ha- ben, die auch entsprechende Tötungswirkung, tier- ben im Rahmen dieses Vegetationsgutachtens und schutzgerecht sind, aber ich glaube, da ist ja insge- Lebensraumanalyse, haben wir eigentlich im Grun- samt das Ganze auf einem entsprechenden Weg. de auch keine Grundlage und wir verlieren uns ggf. Tatsächlich habe ich in dem Gesetzesentwurf ver- in den Diskussionen „Sind das jetzt so und so viel misst bei den Übergangsregelungen, wann die denn oder ist der Wildbestand zu hoch oder zu niedrig?“. entsprechend enden. Und ich denke, das ist wich- Am Ende kommt es darauf an, wir müssen Erfolg tig, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass jetzt im haben im Waldumbau in artenreiche, klimastabile großen Stile im Grunde eigentlich dann auch blei- Wälder. Und da ist, denke ich, auch die entspre- haltige Munition, ich sage mal, gebunkert wird und chenden Gutachten ganz wichtig. Vielleicht noch dann auch möglicherweise noch einige Jahre hin- ein Punkt. Ich denke, da kann vielleicht auch aus das verwendet wird. Und das ist ja auch nicht Österreich mit ihrer wildökologischen Raumpla- im Sinne, dass man dann sehr, sehr lange Über- nung auch ein gutes Vorbild sein, wo interessanter- gangsfristen hat, weil wir wollen ja tatsächlich, weise, wir haben es auch mehrfach schon ange- dass Blei nicht mehr im Tierkörper und in der Um- sprochen, die meisten Wildarten leben nicht nur welt haben. im Wald, sondern auch im Offenland. Und da geht es ja darum, von dem lokalen Wildbestand aus zu Der Vorsitzende: Vielen Dank. Es sind nur noch ein schauen, was sind die Lebensräume, was sind die paar Sekunden (für die Fraktion BÜNDNIS 90/ Lebensraumansprüche. Und das im Grunde auch DIE GRÜNEN). Da wir ohnehin knapp in der Zeit mit einzuplanen. D. h. und dann kommen natürlich sind, steigen wir nahtlos in die zweite Runde. Für auch die Landwirte auch mit rein. Und das zeigt die Union (CDU/CSU) hat sich gemeldet der Kol- auch mal ein Punkt der Weiterentwicklung, dass lege Thies. man wirklich sagt, jetzt gehen von dem spezifi- schen Anspruch einer Art aus und schauen uns, Abg. Hans-Jürgen Thies (CDU/CSU): Vielen Dank. wie sind insgesamt eigentlich die Lebensräume die- Ich hätte eine Frage an Herrn Professor Herzog. ser Art gestaltet und sozusagen, was hat man da für Herr Professor Herzog, Sie arbeiten in Sachsen und eine Tragfähigkeit auch für die entsprechenden Po- nach meinem Kenntnisstand ist Sachsen eines von pulationen. mindestens fünf Bundesländern, in denen die Reh- wildbejagung ohne behördlichen Abschussplan Der Vorsitzende: Danke Professor Bolte (Thünen- stattfindet. Da würde mich mal interessieren, wel- Institut). Nachfrage vom Kollegen Ebner (von der che aus auch wissenschaftlicher Sicht Sie an Erfah- Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)? Er hat noch rung gemacht haben bei der Frage „Rehwild-Ab- knapp zwei Minuten. schussplan/ohne behördlichen Rehwild-Abschuss- plan“? Also, ist das ein Erfolgsmodell aus Ihrer Abg. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sicht oder ein gescheitertes Experiment? Führt es - Herr Professor Bolte (Thünen-Institut), kurzer The- mit anderen Worten - zu einer Überhege oder gar menschwenk. Im BJagdG wird auch geregelt die Frage Bleimunition und es wurde in verschiedenen

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zu einer Ausrottung des Rehwildes, wenn Rehwild kann meines Erachtens verantwortungsbewusst nicht aufgrund eines behördlichen Abschussplanes ohne Abschussplan bejagt werden. Wie gesagt, bejagt wird? dann aber bitteschön auch ohne Mindestabschuss, weil der Rest (dieses Konzept) ist, wie ich schon Der Vorsitzende: Herr Professor Herzog. sagte, (auch) sehr bürokratisch und für alle Beteilig- ten eigentlich dann nur noch ein Haufen Ärger und Prof. Dr. Dr. Sven Herzog (per Video): Die Antwort (haben) Aufwand. Es geht also ohne. Und man soll- ist eigentlich ganz einfach: weder noch. D. h. also, te das in die Verantwortung tatsächlich der Grund- es funktioniert. Sachsen ist jetzt nicht das beste eigentümer legen. Beispiel, aber auch andere Länder haben das ja sehr früh auch wissenschaftlich begleitet (intensiv), Der Vorsitzende: Vielen Dank. Der Kollege Färber. Baden-Württemberg z. B.. Rehwild kann man ohne Abschussplan bejagen, wenn man entsprechend Abg. Hermann Färber (CDU/CSU): Ich habe eine verantwortungsbewusst jagt. D. h. also, ich werde Frage an den Herrn Dr. Jacob. Sie sprechen in Ih- Reviere haben, wo sehr intensiv gejagt wird. Was ja rem Gutachten bzw. in Ihrer schriftlichen Stellung- im Moment gerade in der Diskussion (jetzt liegt), nahme den Elterntierschutz an. Sie regen da durch- die wir gerade führen, auch sinnvoll ist, dass man aus an, dass man da Lockerungen einführen sollte. lokal durchaus den Jagddruck auch erhöhen kann, Wie sehen Sie das in Bezug auf Elterntierschutz, wenn ich z. B. Verjüngungsflächen habe oder Re- auf Tierschutzmaßnahmen bzw. aus tierschutz- viere (habe), wo sehr intensiv verjüngt werden rechtlichen Aspekten, wenn dann Elterntiere nicht muss. Und umgekehrt kann ich natürlich auch ent- mehr zur Verfügung stehen, die aber eigentlich sprechend (zurückhaltend jagen), dann habe ich noch ihre Nachkommen säugen und versorgen soll- etwas höhere Rehwilddichten, (diese) schwanken ten? irgendwo zwischen zwei und 20, 30 Stück auf 100 ha, d. h. man sieht schon, wie plastisch diese Der Vorsitzende: Herr Dr. Jacob. Wildart ist. Und von daher ist es von der Biologie her nicht unbedingt erforderlich, einen behördli- Dr. Jens Jacob (per Video): Das ist zu ahnden und chen Abschlussplan zu haben. Ich sage ganz aus- nichts anderes habe ich auch gesagt. Also es geht drücklich, weder im Sinne eines Höchst- noch im nicht um Lockerungen, sondern es geht in meiner Sinne eines Mindestabschusses. Wenn man das Stellungnahme um die Frage, welche Art von Ahn- macht, dann sollte man es konsequent machen und dung erfolgen soll, wenn es sich um einen nicht sagen, wir verzichten auf den Abschlussplan. Wie vorsätzlichen Abschuss handelt, wie er in der Jagd- gesagt, der setzt natürlich hohe Ansprüche an den praxis auch mal vorkommen kann. Geht es dann Charakter des Jägers (auch), Stichwort Tierschutz. darum, den Schützen zu kriminalisieren, mit einer Ich habe das immer wieder erwähnt, es ist sicher- Strafandrohung zu verfolgen oder ihn zu ahnden lich wichtig. Und da muss man einfach Instrumen- im Wege einer Ordnungswidrigkeit? Dies Letztere te finden, dass es (das Tierwohl) auch gewährleistet ist die geltende Rechtslage in Rheinland-Pfalz. Seit ist. Aber von der Populationsbiologie her regelt über zehn Jahren werden solche Delikte als Ord- (sich) ein sog. (r-Stratege wie das Reh), der auch nungswidrigkeit geahndet. Sie werden geahndet. sehr stark auf Lebensraumveränderungen reagieren Sie müssen geahndet werden. Das ist vollkommen kann, (weitgehend von selbst). Und i. d. R. profi- selbstverständlich. Elterntierschutz ist nicht ver- tiert (das Reh), das ist an einigen Stellen auch ge- handelbar. Aber die Frage ist, mit welcher Strafan- sagt worden, natürlich vom Waldumbau auch. In drohung oder mit welcher Ahndungsandrohung dem Moment, wo die Naturverjüngung so hoch ist, das erfolgt. In über zehnjähriger Praxis der Ahn- dass sie größer als das Reh wird, wo ich das Reh- dungsandrohung als Ordnungswidrigkeit ist nicht wild nicht mehr sehe, hat man im Grunde mit dem festzustellen, dass in Rheinland-Pfalz (in der Praxis Wald gewonnen, weil da letztendlich die Bäume der) Elterntierschutz in irgendeiner Weise anders wachsen und das Rehwild darunter verbeißen kann gehandhabt würde in der Praxis als es in anderen oder es bleiben lassen kann. Es wird dann (im Bundesländern der Fall ist. Insofern geht es hier Grunde) der Wald wachsen. D. h. also, Rehwild ist wirklich nur um die Frage des Ahndungsmaßes sehr dynamisch in seiner Populationsbiologie, und der Rechtsstruktur sozusagen, die man da zum

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Tragen kommen lässt. Vorsätzliche Abschüsse sind fen. Vielleicht auch eine Förderung von Kleinteilig- definitiv auch weiterhin – auch bei uns in Rhein- keit. Ich selbst bin ja jemand, der sagt, warum muss land-Pfalz ist das so – als Straftat zu sehen. Fahrläs- die Prämie auf der Fläche im Grunde für einen sige, nicht beabsichtigte: da sieht die Situation ein Großbetrieb mit 10 000 ha genau die gleiche oder bisschen anders aus – in Rheinland-Pfalz jeden- im Prinzip die gleiche sein, wie für einen Betrieb falls. Das wäre der Vorschlag. Ich will Ihnen auch mit fünf oder zehn ha. Warum kann man da nicht das Beispiel sagen, was uns in Rheinland-Pfalz, so- z. B. mit (eine) Degression in Prämien (z. B.) ein- weit ich das verfolgt habe, dazu bestimmt hat, das führen? Denn allein die Kleinflächigkeit, die Viel- so vorzunehmen: Die klassische Situation ist eben falt der Agrarfrüchte, bringt da sicherlich sehr viel. (hier) die Drückjagdsituation, im Herbst etwa. Da Umgekehrt muss man sagen, dass über das Erneuer- kommt eine Rotte Schwarzwild. Es wird eine Bache bare-Energien-Gesetz (EEG) und durch die Biogas- rausgeschossen aus dieser Rotte, die winzig klein Fruchtarten wir natürlich noch sehr große Nachtei- noch ihrerseits ist, fast noch vielleicht ein Frisch- le haben, weil dort (einfach) Mahdzeitpunkte und ling ist, und die aber, wie sich dann herausgestellt ähnliches sich (noch) verschoben haben, sodass das hat, (ihrerseits) einen Frischling geführt hat. Das ist (eigentlich) gerade für die Bodenbrüterarten z. B. dann – obwohl es schon vielleicht (im) Herbst ist, wieder von Nachteil ist. D. h. also, hier wäre si- und wir wissen, Schwarzwild frischt über das Jahr cherlich ein großes Paket zu schnüren, was (ein- hinweg sehr unperiodisch – das ist dann ein zu fach) über reine Begrünung durch Wintersaat oder ahndender (Tat-)Bestand. Aber das mit einer Straf- Ähnlichem hinausgeht und welches differenziert tat gleichzusetzen –, (und) das hat der Gesetzgeber auf der einen Seite die bewusste Ansammlung von in Rheinland-Pfalz gesagt – geht zu weit. Artenvielfalt, Blühpflanzen und sowas fördert, zweitens Kleinflächigkeit fördert und eben drittens Der Vorsitzende: Vielen Dank. Dann gibt es noch insgesamt einen Schritt zur Extensivierung über die eine Wortmeldung vom Kollegen Auernhammer. Förderungsmechanismen, die wir haben, die ja (fi- nanziell) auch sehr hoch sind pro ha, beiträgt. Da Abg. Artur Auernhammer (CDU/CSU): Vielen könnte man, glaube ich, sehr viel mit regeln, (denn) Dank Herr Vorsitzender. Meine Frage ist an Herrn es würde sehr viel Gutes getan, weil die Agrarland- Professor Herzog. Wir haben jetzt sehr viel gehört schaft ja eigentlich durch (bis in) die (19)70er Jahre über Lebensraum und Freizeitdruck und Wald. Ich hinein ein Hort der Biodiversität war und (eigent- möchte den Fokus mal legen aufs freie Land, auf lich) in den letzten Jahrzehnten diese Biodiversität die landwirtschaftlichen Flächen. Welche Möglich- erst so massiv verloren hat (ging). Das wären z. B. keiten sehen Sie hier in Bezug auf die Gemeinsame Ideen, die man verfolgen könnte. Agrarpolitik (GAP), der Agrarreform, die wir jetzt diskutieren, hier Lebensraumvorgaben fürs Wild zu Der Vorsitzende: Vielen Dank. Dann würden wir schaffen? Wie wir das begleiten können? Danke- wechseln zur Kollegin Mackensen von der (Frak- schön. tion der) SPD.

Prof. Dr. Dr. Sven Herzog (per Video): Ja, das ist Abg. Isabel Mackensen (SPD): Vielen Dank. Ich natürlich eine ganz spannende Frage, die wir (be- hätte eine Frage an Herrn Klose und Herrn Dr. Ja- reits) seit Jahren (eigentlich) diskutieren. Im Grun- cob. Herrn Dr. Jacob zuerst, damit wir abwechseln. de (ist) im Offenland, in der intensiven Agrarland- Einmal die Frage auch nochmal zur Abschussrege- schaft, ist für das Wild immer alles das gut, was lung, zur Abschussplanung. Wie beurteilen Sie die (in) Richtung Kleinflächigkeit geht und was (eben) geänderte Abschussregelung mit dem Korridor? Sie auch (in) Richtung Mehrjährigkeit geht, also durch- hatten es zwar schon angedeutet, aber ich würde aus z. B. Brachen über mehrere Jahre, die nicht Sie trotzdem gerne noch explizit fragen; eben auch z. B. auch einmal, zweimal jährlich gemulcht wer- mit dem Blick auf die Grundlage eines verpflich- den müssen, wären wichtig. Es (müssen) natürlich tenden Vegetationsgutachtens und einer freiwilli- bestimmte Flächen (, die) aus der Bewirtschaftung, gen Ergänzung einer Lebensraumanalyse. Hier bitte zumindest teilweise rausgenommen werden, z. B. auch nochmal auf die Länderöffnungsklausel in auch Blühstreifen, die (also) Vielfalt (dort) schaf- § 21 Abs. 2 d) eingehen. Und bei Herrn Klose die gleiche Frage, aber eben auch noch: Sie hatten in

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Ihrer Stellungnahme auch die Forderung nach der In allen darunter liegenden Schwellen passiert be- Verringerung der Mindestpachtdauer auf drei Jahre. hördlicherseits gar nichts. Da ist es dann (sozusa- Vielleicht können Sie da auch noch mal drauf ein- gen) ein (dem) freies(n) Spiel der Kräfte sozusagen gehen. – wenn das ins (das) richtige Bild sein sollte – zwi- schen den Jagdausübungsberechtigten und den Der Vorsitzende: Herr Dr. Jacob war zuerst ange- Jagdpächtern im Falle, dass überhaupt die Jagd ver- sprochen. pachtet ist – (das) ist ja auch nicht immer der Fall – überlassen, das so auszuhandeln. Also das wäre Dr. Jens Jacob (per Video): Die (Bewertung der) Ab- (so) der Grundsatz. Aber eine Lebensraumanalyse schussregelung in Bezug auf die Frage einer Decke- haben wir nicht. Da kommt jetzt das zweite Thema lung, also mit dem Blick auf das Thema Abschuss- ins Spiel, was Sie kurz angedeutet haben mit Ihrer korridor, habe ich ja, glaube ich, schon angedeutet: Frage (nach der) Länder-Unberührtheitsklausel. Ich Dass wir (nämlich) der Auffassung sind, es bedarf – plädiere (dafür) und bitte die Abgeordneten drin- und insoweit sehe ich das ähnlich wie auch Profes- gend, diese Länder-Unberührtheitsklausel sich sor Herzog – hier keiner Regelungsvorgabe, auch nochmal anzuschauen und möglichst auch noch- nicht in Hinblick auf einen Abschusskorridor nach mal anzupassen im Wortlaut. Dies ist jetzt sehr spe- oben, einer Deckelung nach oben, jedenfalls nicht ziell und wirklich nur (förmliche) Rechtsmaterie, beim Rehwild, (das) – man muss sich das vor aber sie ist für uns wichtig. Wir haben eine Länder- Augen stellen – wirklich in einer Populationsdich- regelung, die keine Lebensraumanalyse beinhaltet. te vorkommt, wie sie eigentlich vielleicht (eigent- Insofern kann fraglich sein, ob die jetzige Länder- lich) nur noch vom Schwarzwild übertroffen wird Unberührtheitsklausel, in der steht, die Länderrege- – und mancherorts noch nicht einmal (mehr) das. lungen haben Bestand, wenn sie über die Regelung Beim Niederwild z. B., dem sog. Niederwild (Hasen des Bundes hinausgehen, ob die rechtlich trägt. Das u. a.), gibt es all das ja nicht. Und diese (Wildarten) kann fraglich sein. Der eine sagt, das ist nicht frag- können ohne Regularien bejagt werden, obwohl sie lich, der andere sagt, das ist fraglich: Das ist ein in einer denkbar schlechten Populationssituation Einfallstor für eventuelle rechtliche Auseinander- sich vielerorts befinden. Also da ist einfach das Pe- setzungen, die man, denke ich, vermeiden können titum, die Dinge gleich zu sehen und sozusagen sollte, wenn man intentionskonform –, und so habe auch gleich auszurichten in den Regularien, in die- ich die Absicht der Bundesregierung verstanden – sem Fall, Regularien einfach zu streichen. Wenn intentionskonform diese Öffnungsklausel so formu- man das nicht tut, wenn man Vorgaben macht, bei- liert, dass man sagt: „Abweichende Regelungen der spielsweise auch zur Lebensraumanalyse, dann ist Länder bleiben unberührt“. Dann sind wir nicht ge- das etwas, was wir in Rheinland-Pfalz beispiels- halten, (sozusagen) auch in den Landesparlamen- weise nicht haben. Hier gibt es das Instrument der ten nochmal (dann) zu prüfen, ob wir unsere Lan- Lebensraumanalyse nicht. Es gibt das Instrument desregelungen anpassen müssen oder nicht oder der Vegetationsgutachten, Frau Abg. Mackensen. nachziehen müssen auf den alten Stand – dieses Das hatten Sie ja angesprochen. Das gibt es etwa Pingpong-Spiel, das sich (halt) verfassungsrechtlich auch in Rheinland-Pfalz als (ein) Hinweis dafür, ob ergibt aufgrund der Abweichungskompetenz der in einer bestimmten Situation der Abschuss, und Länder, wenn sie davon Gebrauch gemacht haben. nicht nur der Abschuss, sondern das Wildtierma- Also das wäre das Petitum: bitte da nochmal im Ge- nagement, (aber der Abschuss ist ein Teil davon) setzentwurf einfach einige wenige Worte zu än- sozusagen mit den Erfordernissen des Waldbaus in dern. Ich habe das vorgeschlagen in meiner schrift- Übereinstimmung steht, ob es da Gefährdungen lichen Stellungnahme. Das wäre uns auf Landes- waldbaulicher Ziele gibt oder gar erhebliche Ge- ebene sehr wichtig. Danke. fährdungen. Wenn es erhebliche Gefährdungen gibt, dann ist hier die Rechtslage so – und darüber, Der Vorsitzende: Herr Klose. denke ich, kann man nachdenken auch für den Bund –, dass dann obligatorisch ein Mindestab- Moritz Klose (per Video): Ja, ich denke, der Vor- schuss von der Behörde festgelegt wird, zugleich schlag, die Rehwild-Abschussplanung abzuschaf- auch mit einem körperlichen Nachweis verbunden. fen, ist sinnvoll. Wie schon mehrfach gesagt wurde,

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Rehwild findet in den allermeisten Gegenden opti- die gepflanzten Baumarten, wie man die vor Ver- male Lebensbedingungen und auf die Abschuss- biss schützen kann - aus der Praxis? pläne kann verzichtet werden. Ich denke, es braucht eben wirklich diese verpflichtenden Vege- Der Vorsitzende: Herr Neidhardt. tationsgutachten, um Mindestabschussvorgaben für das Rehwild durchzuführen (zu definieren). Und Gert Neidhardt (per Video): Ja, ein leidliches The- da finde ich, braucht es diesen Korridor auch nicht, ma ist es seit Jahrzehnten schon. Es ist hin und der vorgeschlagen wird. Das ist eine sehr kompli- wieder doch sinnvoll, Neuanpflanzungen zu schüt- zierte Regelung in meinen Augen. Es würde sicher- zen. Und wenn man davon ausgeht, dass ein ha lich auch die Jagdbehörden vor Ort überfordern, Zaunfläche mit allem Drum und Dran ca. dann vor allen Dingen diesen Deckel, den oberen 2 500 Euro kostet, dann ist das, ich denke, auf die Deckel, zu diskutieren und den festzusetzen. Wenn ersten zehn, 15 Jahre doch eine preiswerte Angele- sich Grundstückseigentümer und Jagdausübungsbe- genheit. Ich kenne das Gegenargument von den rechtigter über den Mindestabschuss verständigen, Zaungegnern, dass die sagen, ja je mehr ich zäune, dann verstehe ich auch nicht ganz, an mancher umso weniger Äsung habe ich fürs Wild. Das mag Stelle kommt dann die Angst, ja, die Rehwildbe- sein. Man muss das ja nicht übertreiben. Es gibt stände würden dann überschossen werden, wenn also sicherlich für gewisse Standorte und gewisse es keinen Deckel gibt, aber der Jagdausübungsbe- Baumarten nichts Sinnvolleres als eine Zäunung. rechtigte hat es ja dann selbst in der Hand, inwie- Und für nichtstandortgerechte Baumarten, dass wir fern er über den Mindestabschuss dann noch wei- da Einzelschutzmaßnahmen organisieren mit viel ter darüber hinaus schießt. Die kürzere Mindest- Erfolg. Und es ist einfach notwendig. Wir haben in pachtdauer, darauf hatten Sie mich angesprochen. der gezäunten Fläche dann vielmehr Erfolg, wenn Ich würde empfehlen, die Mindestpachtdauer ent- wir nach zehn, 15 Jahren feststellen, dass die Flä- sprechend zu kürzen. Jetzt steht ja noch neun Jahre. chen so nach unseren Vorstellungen gewachsen Das kann man deutlich kürzen auf, denke ich, sind und dann gepflegt werden können. Also, das drei Jahre, einfach, um mehr Flexibilität in der Be- Thema Zaun und Einzelschutz sollte nach wie vor jagung zu erreichen und auch, um den Grundstück- auf der Tagesordnung bleiben. Man kann das aber seigentümern da mehr Rechte zu geben. Die Jagdge- nicht pauschal begrüßen oder verneinen. Man muss nossenschaften müssen auch flexibler reagieren das entsprechend der Flächen beurteilen und mit können, wenn es z. B. höheren Wildschaden gibt. den Jägern und mit den Forstleuten besprechen. Und ich glaube, das könnte man eben mit einer Verkürzung der Pachtverträge regeln. Der Vorsitzende: Danke. Kollege Felser.

Der Vorsitzende: Vielen Dank. (gerichtet an die Abg. Peter Felser (AfD): Noch eine Nachfrage an Fraktion der SPD) Kriegen wir die Minute ge- den Herrn Neidhardt. Es geht ja im Gesetzesantrag schenkt? Vielen Dank im Sinne des Zeitmanage- fast nur oder ausschließlich um Wald. Heute haben ments für unsere Anhörung. Kommen wir jetzt zum wir auch einen Antrag dabei, Wald mit Wild. Und Kollegen Felser von der (Fraktion der) AfD. ein Gesamtblick würde doch die gesamte Feld und Flur mit einbeziehen. Wenn man über das Wild re- Abg. Peter Felser (AfD): Ja, ich würde gern den det, da muss man doch auch schauen, wo steht das Herrn Neidhardt nochmal fragen. Im Gesetzentwurf Wild und warum kommt es denn in den Wald. Herr steht ja drin, dass die Verjüngung des Waldes im Neidhardt, gerade in Herbst und Winter mangelt Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen stattfinden das Wild ja an Nahrung, es hungert und gerade im soll. Aus der Praxis wissen wir, aber meine ich, Winter gibt es viele Schälschäden. Könnten Sie das dass gewisse Baumarten, die neu gepflanzt werden bitte mal einbetten, warum die Zunahme zugenom- vor allem, stark angenommen werden vom Wild. men hat? Und ob es tatsächlich nicht auch andere Herr Neidhardt, was meinen Sie denn, was könnte gesellschaftliche Veränderungen gibt - ich sage jetzt denn dieser schwammige Begriff „wesentlich“ mal Agrarpolitik -, die das Ganze jetzt so speziell eigentlich aussagen? Und können Sie aus der Pra- haben werden lassen? xis erzählen, wie so gerade die seltenen Baumarten, Der Vorsitzende: Herr Neidhardt.

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Gert Neidhardt (per Video): Ja gut, fangen wir an. Also beim Rotwild ist es so, dass das Rotwild am Abg. Karlheinz Busen (FDP): Ich würde gerne noch 21. Dezember jeden Jahres in die Winterruhe geht. eine Frage nach Österreich schicken, und zwar für Die Natur hat das so eingerichtet, dass der Nah- Professor Hackländer (IWJ). Welche Maßnahmen rungsbedarf wesentlich geringer sein muss oder sind nach Ihrer Meinung dafür sinnvoll, dass wir kann. Bedingung ist natürlich, dass auch die kör- Wald und Wild in Einklang bringen? Und, inwie- perlichen Aktivitäten dieser Kreatur geringer sein fern leistet die Hege einen Beitrag, Wald und Wild müssen. Und wir Jäger veranstalten immer noch im miteinander zu vereinbaren? Januar, sogar bis Ende Januar, bis Ende der Jagdzeit, die viel zu lang ist, Jagden, die das Wild körperlich Der Vorsitzende: Herr (Professor) Hackländer (IWJ). sehr beanspruchen. Es ist nicht nur die körperliche Aktivität oder der Energiebedarf. Es ist ja auch die Prof. Dr. Klaus Hackländer (IWJ, per Video): Stresssituation, die das Wild, vor allen Dingen Danke. Es sind im Prinzip zwei Aspekte, die wir beim Rotwild, beeinflussen. Wir sehen ja, ich sage berücksichtigen müssen. Sie wurden auch schon jetzt bewusst, mal seelisch geschädigt ist, wenn im mehrfach in dieser Diskussion angesprochen, näm- Januar noch massive Treibjagden stattfinden. Und lich das Eine ist, dass wir raus müssen aus diesem das ist das große Problem, was natürlich auch in Schrebergartendenken. In diesen kleinstrukturier- den Forsten und in den Plantagenwäldern immer ten Revieren, wie wir es in Deutschland haben, noch gelten darf. Das müssen wir auf alle Fälle än- wird es schwierig sein, großräumig agierendes Wild dern. Das kann nicht mehr sein. Die Jagdzeit sollte, tatsächlich so zu managen, dass es hier eine gute zumindest was die Treibjagden und Drückjagden Balance gibt zwischen den Einflüssen im Wald und anbelangt, Ende Dezember zu Ende sein und im Ja- dem Bedürfnis, das die Wildtiere haben. D. h., wir nuar maximal noch Einzeljagd stattfinden. Das ist müssen wirklich Instrumente implementieren im das, was wir ändern müssen. Und beim Rehwild ist Gesetz, wie wir sie in Österreich haben, die wild- es ja auch so, dass auch das Rehwild hat natürlich ökologische Raumplanung, die auf Bundeslande- einen Nahrungsbedarf, auch im Winter. Dort setzt bene z. B. in Österreich funktioniert, oder Rotwild- ja auch eine Art Winterruhe ein. Und wenn wir das Bewirtschaftungsgemeinschaften, die wirklich auf Gleiche machen wie beim Rotwild, wird natürlich 30 000 bis 50 000 ha versuchen, gemeinsam ein die Kreatur gezwungen sein, die Nahrungsaufnah- Ziel zu haben. Und das Gemeinsame ist das Ande- me im Einstand vorzunehmen, und dann entsteht re. Die ganze Diskussion hier, die ist mir unheim- wieder Verbiss und Schäle. Hier sollte der Jäger lich einseitig. Und ich weiß gar nicht, wo die Reise seine Aktivitäten ... hingeht in Deutschland. Also mir ist wirklich bang, wenn ich mir das alles anhören muss. Wir brau- Der Vorsitzende: Herr Neidhardt, die Zeit wäre chen integrierte, integrative Ansätze. Man kann durch für die (Fraktion der) AfD. Wir müssen da nicht einfach sagen, ich habe ein Verbissgutachten ein bisschen fair bleiben. und da gibt es sehr hohe Einflusszahlen, die vom Wild ausgehen auf den Forst. Und dann ist meine Gert Neidhardt (per Video): Ich habe noch 30 Se- Antwort, dann erhöhe ich einfach den Jagddruck kunden. Wenn der Abschussplan und die Ab- oder ich erhöhe den Abschussplan, ohne mal zu schusshöhe, die man sich vorstellt, nicht mit den überlegen, was sind denn die waldbaulichen Feh- Wildbeständen korrespondiert, ist natürlich der ler, die dahinterstehen? Es ist einfach viel zu ein- Jagddruck in den Revieren riesengroß. Es muss ja fach gedacht. Und wir haben hier die Aufgabe, dass viel mehr gejagt werden, um das vorletzte Reh und wir wirklich versuchen, die Einzellandnutzer, das letzte Reh zu erlegen. Und das bringt natürlich Land- und Forst- und Jagdwirtschaft und auch die Unruhe rein in die Flächen, in die Wälder, in den Freizeit- und Erholungssuchenden gemeinsam zu Lebensraum. betrachten. Wir brauchen integrative Wildtierma- nagementansätze. Und die fehlen hier. Wir brau- Der Vorsitzende: So, vielen Dank. Jetzt sind die chen hier einfach die Möglichkeit, dass der Gesetz- 30 Sekunden auch noch durch. Dann kommen wir geber das auch fördert oder wenigstens erlaubt, zur (Fraktion der) FDP, der Kollege Busen hat sich dass man hier aus dem Revierdenken heraus kann, gemeldet. z. B. auch über die Regierungsbezirke hinaus oder

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über die Bundesländer sogar hinaus, in Rotwildle- wirklich Schutzmaßnahmen zu setzen aufgrund der bensräumen denken z. B. wäre hier sehr wichtig. In geografischen Situation, aufgrund der Wildbestän- Österreich, wenn Sie das Thema ansprechen, ist es de, die da sind. Das ist auf alle Fälle da. Da gibt es so, dass wir die höchsten Schalenwilddichten in die Möglichkeiten, dass man die Einzelbäumchen ganz Europa haben. Wir haben auch Klimawandel schützt oder eben tatsächlich auch großflächig ab- in Österreich, wir haben auch Käferkalamitäten. zäunt. Bloß, das muss die Ausnahme bleiben. So Wir haben die gleichen Probleme wie in Deutsch- wie das Gesetz oder der Entwurf dafür jetzt formu- land, aber wir haben zusätzlich noch einen viel hö- liert ist, ist das sozusagen die Regel und sozusagen heren Anteil Schutzwald, d. h. der Wald hat hier unser neues Niveau, wo wir hin wollen. Dann ist noch eine Funktion mehr. Trotzdem kriegen wir es der Wald wirklich nur noch die Forstplantage, d. h. hin. Warum kriegen wir es hin? Weil es hier im wir haben die technischen Möglichkeiten, das sind Prinzip, von Einzelfällen abgesehen, darum geht, alles Krücken. Und was wir brauchen, sind Wälder, dass wir diesen Wald auch als Lebensraum betrach- die nicht mehr so wildschadensanfällig sind. Und ten und nicht nur für Hirsche oder für anderes das sind die naturnahen Wälder, wo das Wild ge- jagdbare Wild, sondern tatsächlich auch für viele nügend Äsung findet, dass es eben zwar Wildein- andere Organismen, von den Insekten, von den fluss macht, aber nicht Wildschaden. Würmern, von den Singvögeln, die alle wichtig sind, dass dieser Lebensraum widerstandsfähig ist Der Vorsitzende: Vielen Dank nach Österreich. Jetzt gegen sich verändernde Umweltbedingungen. Und kommen wir zur Kollegin Dr. Tackmann von der ich appelliere wirklich daran, dass man an diesem Fraktion DIE LINKE.. § 1 (des Gesetzentwurfes) nochmal schraubt, bevor das jetzt in die Lesung kommt im Bundestag, dass Abg. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.): Ich man hier wegkommt davon. Wir müssen immer nehme den Ball mal auf. Lebensraumgestaltung – Schutzmaßnahmen tatsächlich vorsehen. Jeder da bin ich ja sehr dabei, weil tatsächlich wir auch Zaun im Wald ist einer zu viel. Das ist ein Lebens- das Wild bedenken müssen, übrigens auch tier- raumverlust und es ist auch eine Gefahr für die schutzgerecht. Ich bin Tierärztin. Also Jagd muss Wildtiere, die sich hier an dem Zaun einfach z. B. schon stattfinden, aber wir haben eben auch eine tödlich verletzen können. Und ich denke, hier ist große Herausforderung, dass der Waldumbau, Na- es ganz wichtig, dass man wegkommt davon. Wir turverjüngung usw. funktioniert. Deswegen noch- müssen wirklich schauen, dass wir gesunde, natur- mal meine Frage an Dietrich Mehl (Landeswald- nahe Mischwälder bekommen, die möglichst ohne oberförsterei): müssen wir nicht im Bundeswaldge- Schutzmaßnahmen tatsächlich überleben sollten. setz oder auch im BJagdG genauer beschreiben, was Aber hier muss im § 1 (des Gesetzentwurfes) was denn Ziel der Jagd sein soll und wie denn der Wald geändert werden - entweder die Schutzmaßnahmen der Zukunft aussehen soll, wenn er denn Lebens- raus oder die Naturverjüngung rein. Es muss ein raum für das Wild sein soll? neuer Kompromiss gefunden werden. Ansonsten habe ich wirklich Sorge, wie das in Deutschland Der Vorsitzende: Herr Mehl. weitergehen soll mit dieser Frage Wald mit Wild. Danke. Dietrich Mehl (Landeswaldoberförsterei, per Video): Also dem kann man nur ganz umfänglich Der Vorsitzende: Es wäre ggf. noch eine Minute, zustimmen. Das Jagdgesetz für sich allein genom- wir können aber auch weitergeben. men bewirkt gar nichts. Es muss eingebettet sein in eine vielfältige Gesetzgebung. Da geht es um das Abg. Karlheinz Busen (FDP): Wenn noch eine Mi- Naturschutzgesetz, aber es geht eben auch in Rich- nute über ist, dann noch ganz schnell. Herr Profes- tung Waldgesetz. Und es muss viel klarer herausge- sor, vielen Dank für die Antwort. Inwieweit sind arbeitet werden, in welche Richtung sollen unsere Schutzmaßnahmen für junge Bäume obligatorisch Wälder im Sinne der Sicherung von Wald entwi- und auf welche könnte man auch verzichten? ckelt werden, was sind dort für Parameter wichtig im Hinblick auf gemischte Wälder, naturverjüngte Prof. Dr. Klaus Hackländer (IWJ, per Video): Also Wälder usw., damit sich auch Jagd an diesen Zielen im Einzelfall ist es sicherlich manchmal wichtig, natürlich orientieren kann, weil die Jagd für sich ist

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kein Selbstzweck. Und in vielen Waldgesetzen Dietrich Mehl (Landeswaldoberförsterei, per steht das aktuell ja bereits drin. Insofern verstehe Video): Ja, da kann ich auch gerne darauf antwor- ich manchmal diese Debatte mit Wald mit Wild, ten insofern, als dass aus meiner Sicht überhaupt Wald vor Wild, Wald ohne Wild und sowas nicht - nicht mehr notwendig ist, bleihaltige Munition her- alles längst gesetzlich geregelt. In den meisten zustellen. Wir haben auf einer sehr, sehr großen Waldgesetzen steht, dass die Wildbewirtschaftung Jagdfläche, meine alleine beträgt 26 000 ha, auf so zu erfolgen hat, dass der Wald entwickelt wer- dem gesamten Landesbetrieb Forst Brandenburg den kann und auch wachsen kann. Und insofern ist mit 270 000 ha Jagdfläche (mit) ausschließlich blei- es parallel zu diesem BJagdG enorm wichtig, auch freier Munition, sehr gute Erfahrungen gemacht. Es die waldgesetzlichen Regelungen zu konkretisieren ist überhaupt kein Anstieg von irgendwelchen und vor allem auch auf die Herausforderung, die Nachsuchen zu verzeichnen oder dass (vielfach) der Klimawandel mit sich bringt, anzupassen, ab- Wild verludert, weil es aufgrund der Qualität der zustimmen. Munition nicht gefunden werden kann. Insofern ist diese Regelung, grundsätzlich auf bleifreie Muni- Der Vorsitzende: Danke. tion umzustellen, aus meiner Sicht überfällig und auch fachlich gut vertretbar. Abg. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.): Ich würde dann auch nochmal kurz nachfragen, wie Der Vorsitzende: Vielen Dank. Es wäre noch eine wir denn mit der Vertragsgestaltung dort helfen Minute. Wir freuen uns auch ... Ja, wunderbar. können, also Länge der Pachtverträge z. B.? Dann noch der Kollege Ebner von (der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE) GRÜNEN. Dietrich Mehl (Landeswaldoberförsterei, per Video): Also ein Problem, was zwischen Waldbesit- Abg. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): zern und Jägern besteht, ist, (dass,) und daran än- Danke Herr Vorsitzender. Ich muss noch eine Sa- dert auch die Novellierung des BJagdGes jetzt gar che nachholen, die mich doch beschäftigt hat. Aus nichts, mit dieser (der) Vereinbarung (zur Ab- der ersten Runde war ich etwas entsetzt, um ehr- schusshöhe jetzt ja gar nichts), dass es oft um sehr lich zu sein, bei einem Vortrag eines Experten, als lange Vertragslaufzeiten geht. Und wenn dann Din- hier aus der Runde von Seiten der FDP der Zuruf ge, man soll sich vereinbaren, man soll gemeinsa- „Quatschkopf“ kam. Ich finde das ist nicht ange- me Ziele entwickeln, (wenn es dann) nicht funktio- messen hier in dieser Runde. … (wohl Zuruf des nier(t)en, ist man trotzdem auf lange Sicht mit- Abg. Karlheinz Busen (FDP) „Quatsch doch nicht einander verbunden. (Und) hier muss einfach eine so“), okay. So jetzt zurück zu den Experten. Herr Flexibilisierung im Vertragsrecht erreicht werden, Professor Bolte, jetzt haben wir ja viele Anregungen sodass sich die Vertragspartner auch schneller ent- gehört, was diese Frage Schutzmaßnahmen angeht. scheiden können, vielleicht die Dinge mit jemand Die einen sagen Naturverjüngung, andere wollen anderem zu versuchen. eine gemischte Verjüngung, die anderen wollen Ne- benbaumarten. Sehen Sie eine Regelung an dieser Abg. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.): Noch Stelle, die sinnvoll vorgeschlagen werden kann eine Frage zur bleifreien Munition. Sind hier nicht und diese Aspekte unter einen Hut bringt, dass wir, auch die Munitionshersteller gefragt? Also wenn was unsere Klimastabilität der Wälder angeht, wei- sie weiter mit Bleimunition Geld verdienen kön- terkommen? nen, könnte ich mir vorstellen, dass deren Interesse jetzt nicht zwingend ein kurzfristiger Ausstieg aus Der Vorsitzende: Herr Professor Bolte (Thünen- der Blei-Jagd stattfindet. Also müssen wir hier Institut). nicht als Gesetzgeber auch die Munitionshersteller stärker in die Pflicht nehmen? Prof. Dr. Andreas Bolte (Thünen-Institut, per Video): Es ist ja vielfach angeklungen, dass es im Der Vorsitzende: Herr Mehl (Landeswaldoberförste- Grunde darum geht, tatsächlich auch die Artenviel- rei), ich glaube, das ging auch an Sie. falt zu erhöhen. Und ich hatte ja schon gesagt, da spielen natürlich im Grunde alle Arten, auch von Nebenbaumarten, eine wichtige Rolle. Ich hatte ja

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in der Stellungnahme vorgeschlagen, tatsächlich im ges im Rhythmus. Sehen Sie da Notwendigkeiten, Grunde eine relativ einfache Regelung da einzufüh- einen Bedarf hier nachzusteuern? ren, da zu unterscheiden zwischen den heimischen Baumarten und den nichtheimischen Baumarten, Der Vorsitzende: Herr Professor Bolte (Thünen- die wir beiderseits, denke ich, für die Lösung der Institut. Anpassungsproblematik der Wälder benötigen. Und ich denke, an der Stelle ist auch, glaube ich, Prof. Dr. Andreas Bolte (Thünen-Institut, per eine Sache ganz wichtig für mich. In der Umset- Video): Ich denke, es ist wichtig, so viel Flexibilität zung des Gesetzes oder der gesetzlichen Regelung, wie möglich, um tatsächlich auch dann, ich sage dass nämlich, dass wir, glaube ich, sehr viel Part- mal, die unterschiedlichen, oft klimawandelbe- nerschaft und Miteinander von Waldbesitzern und dingten Einflüsse auf Aktivität usw. auch mit ein- Jagdpächtern oder Jagdausübenden brauchen. Also zubeziehen. Andererseits muss man natürlich die erst, wenn die Waldbesitzer auch Verantwortung Tierschutzaspekte auch berücksichtigen. Aber ich übernehmen für die Wildtierbestände und die Ha- denke, auch hier ist die Frage, es ist ja vielfach an- bitate und andererseits auch die Jagdausübenden geklungen, alles das, was da nicht geregelt werden für die Entwicklung, die Naturverjüngung oder Ver- muss, sollte man auch nicht regeln, weil es tatsäch- jüngung des Waldes und die Anpassung der Wäl- lich auch für viele verschiedene Fragen dann auch der, und das gleichermaßen als Partnerschaft ange- verschiedene Lösungen geben kann. sehen wird, ich glaube, dann sind wir auch auf dem richtigen Weg und haben auch eine entspre- Der Vorsitzende: Eineinhalb Minuten hätten wir chende gute Umsetzung. Weil, man kann sicherlich noch im Zweifel, wenn noch dringender Nachfrage- an vielen einzelnen Dingen schrauben. Am Ende bedarf besteht? Ansonsten ... geht es darum, wie das Miteinander der Ansprüche und auch die Partnerschaft bei der Entwicklung der Abg. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wälder inklusive der Wildtierbestände und deren Ich glaube, wir sind schon drüber, insoweit vielen Lebensräume dann entsprechend entsteht. Das ist herzlichen Dank. im Grunde eigentlich da auch ganz wichtig. Also von daher denke ich, ist diese Idee, dass man nicht- Der Vorsitzende: Vielen herzlichen Dank, wir sind heimische Baumarten und heimische Baumarten etwas über der zwei Stunden-Grenze, aber das ist trennt und in der Verantwortung zuordnen würde, in Anbetracht der Spannung dieser Anhörung nach im Grunde eigentlich tatsächlich automatisch auch meiner Einschätzung durchaus probat und ist kein so ein Aushandlungsprozess: wie sieht es aus mit größeres Problem. Wir sind damit am Ende einer tatsächlich Schutzmaßnahmen, sind die nötig, kön- sehr spannenden Anhörung. Das war durchaus zu nen die Wildbestände entsprechend angepasst wer- erwarten. Aber ich will sagen, wir haben auch so den? Dann auch zu fördern, weil ganz zu Anfang manchen Erkenntnisgewinn, den wir mitnehmen war ja auch nochmal die Aussage, es wird sich zu können. Es braucht auch in Zukunft einen guten, wenig unterhalten zwischen Jagdpächtern und ent- einen fairen Dialog zwischen Waldbesitzenden und sprechend Waldbesitzern. Und ich glaube, das ist zwischen Jagdausübenden. Und wie wir wissen der Punkt, der auf jeden Fall verbessert werden und auch heute mehrfach erfahren haben, sind gar muss. beide angesprochenen Parteien in ein und dersel- ben Person. Wir als Gesellschaft und als die Politik, Der Vorsitzende: Danke. Kollege Ebner. wir brauchen die Motivation von beiden Seiten. Das ist auch in Zukunft elementar wichtig. Und Abg. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): wenn wir gehört haben, dass ca. drei Mio. ha. Wald Danke Herr Professor Bolte. Können Sie mir noch repariert und umgebaut werden muss, dann ist das etwas zu der Debatte sagen, die auch ein bisschen eine sehr beachtliche Zahl. Interessant waren für angeklungen ist – Jagdzeitenregelung. Ist da aus Ih- mich Aussagen, dass der Wald nach dem Umbau rer Sicht etwas anzupassen? Ich sage mal, an wild- gar exzellente Chancen für das Wild, insbesondere tierbiologischen Erkenntnissen und auch an klima- das Rehwild, besitzen wird. Das Thema heimische tische Veränderungen. Auch da ändert sich ja eini und invasive Baumarten müssen neu diskutiert

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und bedacht werden. Der Ausstieg aus der bleihal- tigen Munition ja, aber erst dann, wenn technisch waldgerecht möglich. Mein Herzenswunsch ist es: ein friedfertiges Miteinander mit Wald, mit Wild und mit der Jagd; wir brauchen alle. Die Kollegin- nen und Kollegen werden nun versuchen, gemein- sam die richtige Balance für dieses so wichtige BJagdG zu finden. Ich danke allen Sachverständi- gen, dass sie dabei waren, allen Zuhörerinnen und Zuschauern, ich danke den Kolleginnen und Kolle- gen für die konstruktive Mitarbeit und Ihnen allen gemeinsam für die Disziplin. Damit ist unsere An- hörung beendet, vielen herzlichen Dank.

Schluss der Sitzung: 14:09 Uhr

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