Schattenblick Druckausgabe
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Neueste tagesaktuelle Berichte ... Interviews ... Kommentare ... Meinungen .... Textbeiträge ... Dokumente ... MA-Verlag Elektronische Zeitung Schattenblick Freitag, 2. August 2013 SPORT / BOXEN Eine Burg und linke Lieder - Liederparadies im Schatten, Begegnungen am Scheideweg Gina und Frauke Pietsch im Gespräch Vorschau auf ausgewählte Profi kämpfe der kommenden Wochen Interview mit Gina und Frauke Pietsch 3. August: Tomasz Adamek gegen am 23. Juni 2013 auf Burg Waldeck Dominick Guinn 3. August: Eddie Chambers gegen Thabiso Mchunu 17. August: Nathan Cleverly gegen Sergej Kowalew 23. August: Amir Mansour gegen Maurice Harris 24. August: Jürgen Brähmer gegen Stefano Abatangelo 24. August: Arthur Abraham gegen Willbeforce Shihepo 24. August: Kubrat Pulew gegen Tony Thompson 7. September: Cecilia Braekhus ge- gen Oxandia Castillo 14. September: Floyd Mayweather jun. gegen Saul Alvarez 14. September: Lucas Matthysse gegen Danny Garcia ... (Seite 7) Frauke und Gina Pietsch beim lokünstlerin, die auch auf diversen Linken Liedersommer CDs dokumentiert ist. Sie verfügt Foto: © 2013 by Schattenblick über ein Repertoire von rund 40 TAGESSPALT Abenden mit Texten und Liedern Die Sängerin und Schauspielerin Gi- zahlreicher Autoren von Erich Fried na Pietsch blickt auf eine langjähri- über Heinrich Heine bis zu Mikis Kurzweiliges für Freitag, ge Karriere als Bühnenstar sowie So- Theodorakis, ist aber insbesondere den 2. August 2013 listin in zahlreichen Radio- und für ihre Interpretationen der Werke Fernsehproduktionen der DDR zu- Bertolt Brechts bekannt, die sie in 18 Ein Privileg rück. Nach einem Studium der Ger- Programmen zu verschiedenen The- manistik und Musik an der Karl- menstellungen präsentiert. Den reinen Unsinn zu glauben, Marx-Universität Leipzig lernte sie ist ein Privileg des Menschen. Chanson bei Gisela May an der Ihre Tochter Frauke Pietsch ist Mu- (Konrad Lorenz) Hochschule für Musik "Hanns Eis- sik- und Kommunikationswissen- ler" in Berlin und absolvierte das schaftlerin, arbeitet seit 1997 als Denn welchen Grund hätte er, Fach Schauspiel an der Hochschule Fachübersetzerin und hat ihrerseits sonst zur Vernunft zu gelangen? für Schauspielkunst "Ernst Busch" in eine musikalische Karriere als Sän- HB Berlin. Bis heute unterrichtet sie die- gerin und Klavierspielerin in Angriff se Fächer neben ihrer Arbeit als So- genommen. Beim diesjährigen 5. Elektronische Zeitung Schattenblick Linken Liedersommer auf Burg Wal- freut, daß ich angesprochen wurde, an dem auch der kanadische Folks- deck bestritten Gina und Frauke hier zu spielen. änger Perry Friedman beteiligt war. Pietsch das Abschlußkonzert mit Diese Bewegung war unheimlich dem leicht gekürzten Programm Dabei wurde zuerst an Marx gedacht, wichtig. Nichts gegen Chöre, gute "Doch hör nicht auf mich - Mütter- ich hätte gerne Brecht gemacht, dann Chöre sind unverzichtbar, aber die Töchter-Lieder und -Texte". Im An- gab es andere Vorschläge, und so Singebewegung hatte eine wichtige schluß daran beantworteten sie dem wurde unser Programm mit "Mütter- Funktion in der Abgrenzung zu Schattenblick einige Fragen. Töchter-Liedern" gewählt, worüber Chören, weil sie sehr viel mehr Wert ich mich freue, weil ich natürlich mit auf die Pflege des selbstgemachten, Schattenblick: Gina, du hattest er- meiner Tochter ganz besonders ger- eigenen Liedes legte. In diesen Sin- wähnt, daß du Franz Josef Degen- ne spiele. Für uns ist es noch unge- ge-Klubs wurden die traditionellen hardt gut kanntest. Wie ist es dazu wohnt, heute fand erst die dritte Vor- Arbeiterlieder, Folklore oder gekommen und inwiefern hat das mit stellung statt, und dazwischen waren Brecht/Eisler, was ja immer meine seinen Auftritten auf Burg Waldeck immer große Abstände, weil wir bei- Strecke war, gepflegt, aber in zuneh- zu tun? de sehr viel zu tun haben. Ich bin mendem Maße auch eine Gruppe mittlerweile beim ungefähr 40. Solo- von Liedern, die wir DDR-konkret Gina Pietsch: Ich bin seit 1974 beim abend angelangt, und daher sind die genannt haben, was zur Veröffentli- Pressefest der UZ aufgetreten, wo Abstände zwischen dem sich jeweils chung einer ganzen Reihe von CDs Franz Josef Degenhardt das DDR- wiederholenden Programm so groß, führte. Lied "Dieses Deutschland meine daß es jedesmal fast wie eine Pre- ich" sang. Ich bin anschließend zu miere ist. Heute kam natürlich noch In den vielen Singegruppen und bei ihm hingegangen und habe gesagt, hinzu, daß einige Titel entfielen. Sol- den vielen Liedermachern entstan- daß ich aus der DDR komme, und che Kürzungen sind immer Ein- den zahlreiche Lieder, die auch bei mich für das Lied bedankt. Das war schnitte, aber als erstes möchte ich uns im Radio gespielt wurden, denn 1974, und von da an war er oft in der schon über die Freude reden, die wir wir hatten keine restriktiven Aufla- DDR beim Festival des politischen alle beide hatten, als wir eingeladen gen, sofern es sich nicht um deutli- Liedes. Wir hatten uns damals schon wurden. So war es schön, daß wir ge- che Anti-DDR-Aussagen handelte. angefreundet, und ich habe ihn dann stern noch reinschnuppern konnten Wolf Biermann wurde bekanntlich öfters bei seinen Besuchen betreut. und einen Überblick bekamen. Der nicht im Radio gespielt. Damit taten Beim Jugendradio DT64, wo ich da- ist natürlich insgesamt zu klein für wir uns schwer, an Biermann schie- mals arbeitete, haben wir mehrere dieses Festival, bei dem es ja um den sich immer die Geister. Ganz be- Porträts über ihn gemacht. Wir sind mehr geht als um Kunst. Deshalb sonders bei seiner Ausbürgerung, die uns mindestens einmal im Jahr be- finde ich es toll, daß das wieder auf- ein großer politischer Fehler war. gegnet. lebt. Damit wurde echter Schaden unter uns Künstlern angerichtet, unabhän- Nach dem Fall der Mauer haben wir SB: In den Workshops, an denen wir gig davon, ob das nun Theater- oder uns nur einmal gesehen, als ich mei- teilnahmen, kam das politische Lied Filmleute waren. nen Heine-Abend in Pinneberg ge- aus der DDR kaum vor. Du warst spielt habe und er diesen Auftritt zu- Mitglied beim Oktoberklub, könntest SB: Wie habt ihr Einschränkungen sammen mit Kai besuchte. Ich ken- du etwas zur Tradition des politi- eurer künstlerischen Freiheit erlebt, ne die ganze Familie, und wir haben schen Liedes in der DDR sagen? wie seid ihr damit umgegangen? viel miteinander telefoniert und kommuniziert. Natürlich hat mich GP: Meine Oktoberklub-Zeit war GP: Wir fühlten uns nicht gut, wenn auch das größere Umfeld der politi- sehr kurz, von 1969 bis 1973. Dann wir bei großen Auftritten die Pro- schen Liedermacher in der BRD in- entstand aus dem Oktoberklub die gramme einreichen mußten, um sie teressiert, so habe ich Dieter Süver- von mir gegründete Gruppe Jahr- gegebenenfalls zensieren zu lassen, krüp und Hannes Wader kennenge- gang 49, in der ich bis 1980 aktiv aber man gewöhnt sich daran. In un- lernt. Durch das Festival des politi- war. Seit dieser Zeit mache ich mei- seren Texten haben wir ausgereizt, schen Liedes, was in Berlin seit 1971 ne eigenen Soloprojekte. Das politi- was ausreizbar war. Das war, wenn stattfand, standen wir immer in en- sche Lied hat eine ganz große Rolle ich das mit dem vergleiche, was wir gerem Kontakt. Daher wußte ich gespielt. Was wir damals als Singe- heute machen können, unheimlich auch von den Festivals auf Burg bewegung bezeichneten, ging bis auf spannend, denn wir konnten auch Waldeck und erfuhr viel über die die Folkbewegung, die aus Amerika Tabus knacken und hatten eine ge- Hintergründe dieser legendären Tref- kam, zurück. So entstand der Okto- wisse Narrenfreiheit. Ich kann mich fen. Ich bin heute zum ersten Mal berklub vor 1969, als ich nach Ber- nicht erinnern, daß ich nicht gesagt hier, und ich habe mich natürlich ge- lin kam, aus dem Hootenanny-Club, habe, was ich denke. Wenn ich dage- Seite 2 www.schattenblick.de Fr, 2. August 2013 Elektronische Zeitung Schattenblick gen heute mitbekomme, wie Leute, gemacht habe, bin ich auch im Osten nicht vermuten, daß das politische die gerade eine Arbeitsstelle ergattert nicht reich geworden, das muß man Lied dem Schlager zumindest haben, angehalten werden zu ku- auch sagen. Ich habe mich nie nach gleichgestellt wäre? schen und sich überhaupt nicht trau- dem Mainstream gerichtet und bin en, ihrem Chef etwas zu sagen, kann deshalb ab einer gewissen Zeit, als GP: Naja, ich bin seit 1972 Profi, ich das für die DDR-Zeit so nicht un- ich die Gruppe Jahrgang 49 verlas- hatte die sogenannte Profi-Pappe, terschreiben. sen habe, nicht mehr ins Fernsehen und da waren wir insofern gleichge- gekommen. Mein erstes Solopro- stellt, als wir alle Einstufungen hat- Die Kritikmöglichkeit und auch -fä- gramm galt als feministisch, und das ten. Ich hatte eine sehr hohe Einstu- higkeit war in der DDR wesentlich war sehr unpassend. Und alles, was fung, eine C, darüber gab es nur größer, als heute berichtet wird, das ich dann gemacht habe, wurde auch noch S für besondere Künstler wie muß man einfach mal sagen. Das nicht übertragen. Aber es hat natür- etwa Theo Adam oder Gisela May. steht uns, die wir von dort kommen, lich Kollegen und Kolleginnen gege- Ich habe eigentlich auch nicht weni- auch zu. Wir nutzten die Kunst als ben, die sind sehr wohl in den Rund- ger bekommen pro Konzert, aber besonderes Feld und trugen im Lied, funk gekommen, weil sie angepaßter natürlich haben solche Künstler sehr im Theater oder in der neuen Litera- waren als ich. viel mehr Konzerte gehabt und wur- tur oft das vor, was nicht in den den auch öfter für besondere Veran- DDR-Zeitungen stand. Unsere Zei- SB: Es gab also einen Unterschied staltungen und Produktionen ge- tungen logen, je mehr es in Richtung im Einkommen zwischen Amiga- bucht, wo immer noch etwas dazu- '89 ging, immer mehr, daher befür- Stars und anderen Künstlern? kam. worteten wir Glasnost und Perestroi- GP: Selbstverständlich. ka, was auch jeder wußte. Und dann FP: Und sie verkauften Platten. knackten wir Tabus. Das hat Spaß Frauke Pietsch: Trotz Festgage. gemacht, und das ging auch gut, weil SB: Gab es dafür Tantiemen? unser Publikum unsäglich aufmerk- GP: Das ist ja klar.