Forum Alte Musik Köln Christophe Coin Davit Melkonyan
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SONNTAG 11. OKTOBBER 2020 ST. URSULA FORUM ALTE MUSIK KÖLN SONNTAGSKONZERTE 17H m+k e.V. CHRISTOPHE COIN DAVIT MELKONYAN VIOLONCELLO „EUROPA-REISE MIT CELLO“ AUS DEM CONSERVATOIRE IN DIE WELT Ein Jahrhundert lang schon galt die Violine als das Instrument der Wahl für die Dar- stellung expressiver Melodien, rasanter Läufe und bizarrster Sprünge, da kam auch das Violoncello endlich zu Solo-Ehren. Zunächst waren es italienische Ausnahme- Musiker, die das virtuose Solospiel auf dem Violoncello um 1700 auch im Norden Euro- pas bekanntmachten. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte übernahm da aber Frank- reich die Führung, das Land, in dem bislang die aristokratische Viola da gamba den Ton angegeben hatte. So mancher hervorragende Gambenspieler wechselte damals aufs Cello. Auf Verbindungen nach Frankreich – jetzt in die Klassen des nachrevolutionären Pariser Conservatoire – stoßen wir auch, wenn wir uns auf die Duo- und Solokom- positionen herausragender Cello-Virtuosen des 19. Jahrhunderts einlassen, die uns heute durch verschiedene europäische Musiklandschaften führen. Wir beginnen „vor der Haustür“. Bernhard Romberg, ge- boren in Dinklage, darf als eine der prägenden Gestalten unter den Cellisten dieser Zeit gelten. Er war ein Jugend- freund Ludwig van Beethovens – gemeinsam spielten sie in der kurkölnischen Hofkapelle in Bonn. Dann aber ent- wickelte sich Romberg zu einem der ersten reisenden Cello- virtuosen; seine Konzerttourneen führten ihn von Lissabon bis St. Petersburg und Moskau. Romberg unterrichtete von 1801 bis 1803 am Pariser Konservatorium und beeinflusste so die französische Celloschule. Vor allem aber war die deutsche Cellotradition durch ihn bestimmt: Er entwickel- te die Spieltechnik weiter und richtete das Instrument ent- sprechend ein. In seiner Violoncell-Schule, die 1839/40 er- schien, veranschaulicht er die Modifikationen an seinem Instrument in einer maßstabs- getreuen Zeichnung. Und er demonstriert darin selbst die vorbildlichen Haltungen beim Spielen. Seine virtuosen Duo-Werke heben sich deutlich von der zeittypischen reinen Unterrichtsliteratur für zwei gleiche Instrumente ab. Die Dodici Capricci op. 25 von Alfredo Piatti haben für Violoncellisten etwa dieselbe Bedeutung wie die 24 Capricen von Niccolò Paganini für die Geiger: es sind absolute Meisterwerke für das unbegleitete Solospiel. Wie Pietro Locatelli und Gaetano Doni- zetti stammte Piatti aus Bergamo, und zeitlebens blieb er mit der musikalischen Tradi- tion seiner Heimatstadt verbunden. So bearbeitete er auch Werke dieser Komponis- ten für sein Instrument. Zeitgenossen beschreiben sein Spiel als edel, kraftvoll und frei von jeglichen Effekten: Äußerst sparsam benutzte er das Vibrato, darüber hin- aus fiel seine ruhige Körperhaltung auf. Sein Stil stand der deutschen Tradition nahe. Mit dem Geiger Joseph Joachim spielte er im Londoner Joachim-Quartett, darüber hinaus im Trio mit Joachim und dem Pianisten Carl Reinecke. Piatti unterrichtete über 20 Jahre in London und bildete nahezu alle bedeutenden englischen Cellisten des späten 19. Jahrhunderts aus, außerdem einige der wichtigsten deutschen Cellisten wie Hugo Becker und Robert Hausmann, den Cellisten des Berliner Joachim-Quar- tetts. Jacques-Michel Hurel de Lamare war ein Schüler des großen französischen Cel- listen Jean-Louis Duport und Vorgänger Rombergs am Pariser Konservatorium. Er zählte zu den berühmtesten Virtuosen Frankreichs und gab seine Professur 1801 auf, um eine Konzerttournee durch Deutschland und Russland zu unternehmen, wo er bis 1809 blieb. Nach seiner Rückkehr trat er in Frankreich noch bis 1815 auf, doch konn- te er nicht mehr an seine früheren Erfolge anknüpfen – der Geschmack des Pariser Publikums hatte sich inzwischen stark verändert. Der strenge Musikkritiker François- Joseph Fetis lobte jedoch weiterhin sein Spiel sowie sein Vermögen, den Geist eines Musikstückes zu erfassen und dessen Schönheit wiederzugeben. Lamare war wie Piatti als Quartettspieler besonders geschätzt. Er hinterließ vier Cellokonzerte, deren Orchesterpart aber sehr wahrscheinlich aus der Feder des mit ihm befreundeten Opernkomponisten Daniel François Esprit Auber stammt. Auguste Tolbecque ist nicht nur als Virtuose eine bemerkenswerte Persönlichkeit der Musikgeschichte. Er gilt auch als Begründer des historischen Geigenbaus; seine Ab- handlung L’art du Luthier ist hierzu eine der wichtigsten Darstellungen. Seine Kopien von Bögen aus dem 18. Jahrhundert galten lange als Originale – und in einigen Fäl- len ist das wohl bis heute so. Zugleich war er aber ein hervorragender Violoncello- Interpret, der u.a. den Solopart des Cellokonzerts a-Moll von Camille Saint-Saëns bei der Uraufführung spielte. Das Werk ist ihm gewidmet. Seine Kompositionen galten größtenteils seinem eigenen Instrument. Sie sind aber sehr vielfältig, zeugen von sei- ner Beherrschung verschiedener Stile und von gutem Geschmack. Der Titel seines Solostücks Les Vagues – „die Wellen“ – spricht für sich. Bevor sich Jacques Offenbach dem Musiktheater zuwandte, war auch er als Cellist tätig. Geboren in Köln, ging er als Dreizehnjähriger nach Paris, wo er bei Olive-Char- lier Vaslin studierte. Vaslin unterrichtete etwa zehn Jahre später auch Auguste Tolbec- que. Offenbach brach sein Studium nach etwa einem Jahr ab und verdiente seinen Lebensunterhalt im Orchester der Opéra-comique. Es gelang ihm nach und nach, in den Pariser Salons Fuß zu fassen. Rasch erlangte er Bekanntheit als Cellovirtuose. Offenbach verfasste mehrere Dutzend Kompositionen für zwei Celli. Die meisten von ihnen sind pädagogische Werke, mit den Opuszahlen wachsen auch die Schwierig- keiten. Die letzten veröffentlichten Duos tragen die Opuszahl 54; das Opus 55 ist bis heute verschollen. Vor zwei Jahren wurde aber das Manuskript der drei Duos op. 56 entdeckt. Es trägt den Zusatz Duos concertants. Warum Offenbach sie nicht drucken ließ, ist unklar – und ebenso, ob sie zu den methodischen Duos gehören oder doch als reine Konzertstücke gedacht waren. Davit Melkonyan PROGRAMM Bernhard Romberg (1767–1841) Duo D-Dur op. 9,1 Allegro – Grazzioso – Finale presto Alfredo Piatti (1822–1901) Capriccio g-Moll op. 25,1 für Violoncello solo Allegro quasi presto Jacques-Michel Hurel de Lamare (1772–1823) Duo B-Dur op. 5,2 Allegro spiritoso – Minuetto allegretto – Andantino Auguste Tolbecque (1830–1919) Les Vagues D-Dur op. 22,1 für Violoncello solo Moderato Jacques Offenbach (1819–1880) Duo A-Dur op. 56,3 Adagio/Allegro moderato – Allegretto (Archiv Jean-Christophe Keck, Paris. Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers) Die Aufzeichnung des Konzertes sendet WDR 3 am Mittwoch, dem 23. Dezember 2020, ab 20:04 Uhr. DIE MITWIRKENDEN Christophe Coin, geboren 1958 im französischen Caen, begann seine musikalische Ausbildung in seiner Heimat- stadt bei Jacques Ripoche. Anschließend studierte er bis 1976 am Conservatoire National Supérieur de Mu- sique (CNSM) in Paris bei André Navarra (Premier Prix de Violoncelle 1974). Mit 16 Jahren erhielt er ein Stipen- dium für einen Studienaufenthalt in Wien. Dort kam es zum ersten Kontakt mit Nikolaus Harnoncourt, dem er wichtige Impulse für die Auseinandersetzung mit sei- nem Instrument und mit der Alten Musik generell ver- dankt. 1978/79 kam Coin an die Schola Cantorum Basi- liensis (SCB), um sich bei Jordi Savall gründlich in die Welt der Viola da gamba zu vertiefen. Seit 1988 unterrichtet er Violoncello an der SCB in Basel und führt außer- dem eine Klasse am CNSM in Paris, wo er auch mit seiner Familie lebt. Christophe Coin gehört heute zu den profiliertesten Cellisten seiner Generation, wie zahlreiche CD-Einspielungen belegen. Nach der Arbeit im Concentus Musicus Wien und neben seiner Karriere als Solist leitete er bis 2012 das Ensemble Baroque de Limoges. Im Quatuor Mosaïques widmet er sich mit großem Erfolg bekannter und unbekannter Streichquartettliteratur aus der Zeit um 1800. Coins Interesse gilt überdies den alten Streichinstrumenten generell sowie instrumentenkundlichen Fragen, deren Ergeb- nisse er in seine praktische Tätigkeit einfließen lässt. Davit Melkonyan, geboren 1986 im armenischen Eri- wan, begann seine Ausbildung an der Hochschule für Künste in Bremen bei Viola de Hoog und setzte sie an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock bei Gert von Bülow fort. Sein Studium schloss er 2011 an der Universität der Künste in Berlin bei Jens-Peter Maintz mit Auszeichnung ab. Wichtige Anregungen und Impulse erhielt er von Walter Levin, Anner Bylsma, Christophe Coin und Helmut Lachenmann. Davit Mel- konyan ist Preisträger des Internationalen Johann- Sebastian-Bach-Wettbewerbs in Leipzig, des Internatio- nalen Wettbewerbs Premio Bucchi in Rom und des Wettbewerbs der Deutschen Stif- tung Musikleben, Hamburg. 2012 gewann er gemeinsam mit seinem Klavierpartner Mikayel Balyan den Förderpreis „Artist in Residence“ des Musikfests Bremen und des Deutschlandfunks. Es folgten Einspielungen der Sonaten von Bernhard Romberg und Johannes Brahms sowie der Cellokonzerte Nr. 1 und 5 von Bernhard Romberg mit der Kölner Akademie und Michael Willens. Neben der konzertierenden Tätigkeit be- schäftigt sich Davit Melkonyan mit der Interpretationsforschung und dem Studium der Streicher-Spieltechniken des 19. Jahrhunderts sowie der Wiederaufführung in Vergessenheit geratener Werke der Romantik. KONZERTVORSCHAU SAISON 2020/21 08.11.20 | 17 UHR ensemble vintage köln ST. URSULA „trauer und trost“ NEUE SPIELSTÄTTE! 20.12.20 | 17 UHR rheinische kantorei mit solisten TRINITATISKIRCHE das kleine konzert leitung: hermann max „ein weihnachtsoratorium“ 10.01.21 | 17 UHR studierende